Aggiornamento

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Der italienische Begriff aggiornamento wurde durch Papst Johannes XXIII. populär, als Ausdruck für eine Anpassung der Kirche an die Gegenwart. Der Papst meinte eine Verheutigung (ital. giorno = der Tag), ein Auf-den-Tag-bringen des Katholizismus.

Der beliebte Begriff ist so unbestimmt, dass er von vielen als Parole aufgegriffen werden konnte, um ältere Reformideen oder sogar protestantische Konzepte, als ob von Papst Johannes gewollt, bestätigt zu sehen. Deren Nichtbehandlung durch das II. Vatikanum (Geburtenkontrolle, Zölibat) wird von Kritikern seither als "Verrat am Konzil" (so ein Buchtitel von 1986) aufgefasst.

Papst Paul VI., der die Ziele seines Vorgängers als Orientierung aufnahm, begrenzte einerseits das aggiornamento, indem er die Grundzüge der katholischen Tradition bekräftigte (z.B. im Credo des Gottesvolkes von 1968 (das er anlässlich seines 15. Regierungsjubiläums am 29. Juni 1978 noch einmal ausdrücklich als verbindlich bezeichnete), ging andererseits aber auch über die Konzeption Johannes XXIII. hinaus, so in Fragen der Religionsfreiheit, des interreligiösen Dialogs und bei der Liturgiereform.

Der englische Theologe John Henry Newman hat bereits im 19. Jahrhundert erkannt, dass im kirchlichen Leben die Reform stets notwendig ist, damit die Kirche dieselbe bleiben kann. Der Katholizismus findet in der Reform eine Entwicklung (development) seiner Identität. Die jeweilige Maßgabe für die Reform liegt jedoch beim kirchlichen Lehramt (Papst, Bischöfe). Denn normativ für das Glaubensleben ist nicht der Horizont der Zeit, sondern die eigene Tradition, die jedoch an den Herausforderungen der jeweiligen Epoche zur weiteren Entfaltung findet. Dieser komplexe Verständigungsprozess verläuft, weil dialogisch, zwar nicht widerspruchsfrei, aber auch nicht entlang einem bloß evolutiv-dialektischen Schema.

Vielmehr meint der Dialog von Kirche und Welt eine gegenseitige Bereicherung. Da der Zweck des Dialogs offenkundig der bleibt, das Evangelium zu verkünden, trifft jedoch auch diese Methode oft auf Widerstand. Der dialogisch orientierte Apostel kann zwar erfolgreicher sein als der schlichte Apologet. Jedoch erzeugt die gute Absicht des Verkünders nicht selbstverständlich eine gute Meinung des Hörers. Das gilt bereits für Johannes XXIII. dessen aggiornamento von Vielen bewusst gegen die Absichten des Papstes interpretiert wurde.

Von konservativen Kritikern des aggiornamento wird häufig nicht gesehen, in welchem Maße sie selbst längst Gebrauch von den längst für selbstverständlich genommenen Ergebnissen desselben machen -- und bspw. die frühere Strenge kirchlichen Gehorsams nicht selten offen verweigern; hierzu bereits: Franz Michel Willam.

Literatur

  • Hans Küng, Konzil und Wiedervereinigung, 1960.
  • Ders. (Erinnerungen, 2 Bde.): Erkämpfte Freiheit, 2002; Umstrittene Wahrheit, 2007.
  • David Seeber (Hg.), Johannes XXIII. im Zeugnis seines Nachfolgers Paul VI., 1965.
  • Franz Michel Willam, Vom jungen Angelo Roncalli (1903-1907) zum Papst Johannes XXIII. (1958-1963). Eine Darlegung vom Werden des Aggiornamento-Begriffes 1903-1907 als der Leitidee für das II. Vatikanische Konzil und die Durchführung seiner Beschlüsse - ein aktuelles Buch, Innsbruck 1967.
  • Joseph Ratzinger, Zur Lage des Glaubens, 1985.

Weblinks