Ansprache vom 26. Mai 1988

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Ansprache

von Papst
Johannes Paul II.
an die Priester der Fokolar-Bewegung
Maria lebte in höchster Weise das königliche Priestertum
26. Mai 1988

(Quelle: Der Apostolische Stuhl 1988, S. 1131-1133)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Liebe Brüder im Priesteramt !

Die tiefe und innige Freude, die ich bei der Begegnung mit euch empfinde, weckt in mir die Erinnerung an das Zusammentreffen am 30. April 1982 mit einigen Tausend Diözesanpriestern und Ordensleuten der Fokolar-Bewegung. Im Klima des Pfingstfestes, der Herabkunft des Heiligen Geistes auf die mit Maria im Abendmahlssaal betend versammelten Apostel, kann ich es nicht unterlassen, mich an euch mit dem österlichen Gruß des auferstandenen Christus zu wenden: "Der Friede sei mit euch!" (vgl. Joh 20,21).

1. Das Thema, über das ihr in diesen Tagen nachgedacht habt: "Gemeinsam für die Menschheit: Priester und Laien auf dem Weg zu einer Gemeinschaftskirche", beleuchtet zweifellos eine Wirklichkeit, die in der Botschaft des II. Vatikanischen Konzils an die Kirche und an die Menschheit in unserer Zeit zum Ausdruck kommt. Das große Geschenk, das der Geist Christi der Kirche mit dem Konzil machte, indem er ihr Wesen, als das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk" (Lumen gentium, Nr. 4) wieder aufstrahlen ließ, und ihr den Auftrag gab, in Christus "Sakrament zu sein, Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit" (ebd., Nr. 1). Das ist für uns und für die gesamte Kirche, die an der Schwelle des dritten Jahrtausends des christlichen Zeitalters steht, eine verpflichtende und faszinierende Aufgabe, ein echter Auftrag des Heiligen Geistes. In diesem Anruf ist sowohl unsere Berufung als Getaufte als auch die tiefste Bedeutung des Priesteramtes, mit dem wir ausgezeichnet wurden, enthalten.

Das Konzil sagt, dass "das höchste Vorbild und Urbild" jenes Geheimnisses der Kirche in "der Einheit des einen Gottes, des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist in der Dreiheit der Personen" liegt (Unitatis redintegratio, Nr. 2; Gaudium et spes, Nr. 24). Deshalb müssen wir immer wieder von neuem unseren Blick erheben zur unerschöpflichen Quelle der dreifaltigen Liebe, um jene göttliche Liebeskraft zu schöpfen, die uns "Anteil an der göttlichen Natur" verleiht (2 Petr 1,4), die uns eins sein lässt untereinander, Priester und Laien, durch die gegenseitige Liebe (vgl. Joh 13, 34); in ihm werden wir zu Zeugen der Liebe des Vaters, entsprechend seinem Gebet beim Letzten Abendmahl: "Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast" (Joh 17,21).

2. Es ist kein Zufall, dass diese Vertiefung, die noch vor unserem Amt als Seelsorger, vor allem unser persönliches Sein berührt, sich in besonderem Zusammenhang mit dem Marianischen Jahr, und - für euch Diözesanpriester - in engem und persönlichen Kontakt mit der "Spiritualität der Einheit" der Fokolar-Bewegung abspielt, die ein ausgeprägtes und eigenständiges marianisches Merkmal besitzt, wie schon ihr Name sagt: "Opera die Maria".

In der Enzyklika Redemptoris mater wies ich daraufhin, dass die Jungfrau Maria, Mutter Gottes und der Kirche, das pilgernde Gottesvolk auf seinem Glaubensweg leitet. Wie sie im Geheimnis der Menschwerdung gewissermaßen dem Kommen Christi "vorausging", so geht sie noch heute der Kirche auf ihrem Weg "voraus", damit diese in der Kraft und im Licht des Geistes einen an der Gnade und Wahrheit Christi immer reicheren "Advent" unter den Menschen bewirke (vgl. Redemptoris mater 3; 5; 27).

Diese innige Verknüpfung Marias mit dem Geheimnis Christi und dem der Kirche, liegt auch dem marianischen Profil der Braut Christi zugrunde, das - wie ich schon früher feststellte - "ebenso grundlegend und charakteristisch für die Kirche ist, wie das apostolische und von Petrus geprägte Profil, mit dem es zutiefst verbunden ist" (Anspr. an die Römische Kurie, 22. Dez. 1987). Diese marianische Dimension der Kirche kommt in besonderer Weise dadurch zum Ausdruck, dass auch die Kirche "getreu und beständig wie Maria in der Gnade lebt, fügsam gegenüber dem Heiligen Geist, in dessen Licht sie die Zeichen und Erfordernisse der Zeit deutet, und in voller Gelehrigkeit gegenüber der Stimme des Geistes auf dem Weg des Glaubens voranschreitet" (ebd.).

Wie könnte man daher das klare und providentielle Erscheinen dieses "marianischen Profils" der Kirche im Aufblühen von Spiritualität und kirchlichen Charismen übersehen, wie es das der Fokolar-Bewegung ist, die Gott wenige Jahre vor dem Konzil ins Leben gerufen hat, und die in Übereinstimmung mit dem Konzilsgeist den Erfordernissen unserer Tage entspricht?

3. Meine Lieben, in dem Brief, den ich am Gründonnerstag dieses Jahres, das Bild des gekreuzigten Christus vor Augen, der seine Mutter Maria dem Apostel Johannes anvertraut, an alle Priester der Welt richtete, habe ich jeden eingeladen, soweit als möglich dieses Geschehen nachzuvollziehen und ebenso wie Johannes, Maria "in sein Haus" aufzunehmen. "Jeder von uns", sagte ich damals, "soll Maria gestatten, »im Hause« seines sakramentalen Priestertums Wohnung zu nehmen« (Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 1988, Nr. 6). Das ist letztlich das, was ihr in diesen Tagen versucht habt. Wie der Apostel Johannes wolltet ihr euch sozusagen "in die Schule Marias" begeben. Und was hat euch Maria gelehrt? Was lehrt sie uns Priester heute unaufhörlich im Hinblick auf unseren Dienst für die Kirche und für die Menschheit?

Maria lehrt uns vor allem, in unserem Leben und in unserem Apostolat, das Priesteramt, mit dem wir durch die Gnade für den Dienst an den Menschen ausgezeichnet wurden, zu verbinden mit dem königlichen Priestertum, das uns zu Brüdern der einen Familie der Kinder Gottes, der Kirche, macht.

Maria, die nicht die Gnadengabe des Priesteramtes empfing, ist diejenige, die durch ihr ganzes Leben hindurch in höchster und reinster Weise dieses königliche Priestertum gelebt hat, das darin besteht, sich selbst als Liebesopfer dem Vater darzubringen (vgl. Röm 12,1). Die ganzheitliche Teilnahme am Priestertum Christi bedeutet also auch für uns vor allem die vollständige Selbsthingabe nachzuvollziehen, die Maria, verbunden mit Christus in seiner Entäußerung, vollzog (Redemptoris mater, Nr. 18), und auf dieser Grundlage das Gnadengeschenk des Priestertums anzunehmen und auszuüben.

Außerdem ist es gerade diese in inniger Verbundenheit mit dem Sohn erfahrene Entäußerung Marias, die uns anleitet, mit dem Apostel Johannes ihr innerstes Geheimnis als Mutter Gottes und Mutter der Kirche zu betrachten, und die tiefe Bedeutung unseres priesterlichen Dienstes in der Kirche und für die Kirche zu begreifen. Es ist in der Tat das "fiat" Marias, gesprochen bei der Verkündigung des Engels und zur Fülle gereift zu Füßen des Kreuzes, das uns sozusagen das Geheimnis ihrer göttlichen Mutterschaft enthüllt.

4. Indem wir Maria betrachten, können wir klarer und tiefer Sinn und Zweck des priesterlichen Opfers Christi erfassen, in dem sein Auftrag und somit auch die Bedeutung unserer dienenden Teilnahme daran besteht.

Maria ist uns Vorbild in dem, was die wesentliche Berufung der Kirche, und also auch die unsere ist: Jesus der Welt bringen. Die Kirchenväter lehren, dass, wenn Christus aus der Jungfrau geboren wurde, niemand als Maria ihn hervorbringen kann (vgl. Origenes, Frag. Matth. 281). Aber um wie Maria zu sein, um irgendwie an ihrer Mutterschaft der Evangelisierung der Welt teilzuhaben, ist es notwendig, vor allem die Fülle jenes königlichen Priestertums zu leben, dessen unnachahmliches Vorbild sie ist. Mit anderen Worten, es ist notwendig, jene Liebe zu leben, die bis zur Hingabe des eigenen Lebens reicht (vgl. Joh 15,13), die, wenn sie gegenseitig ist, Christus in unserer Mitte gegenwärtig macht und ihn der Welt darbietet: "Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen (Mt 18,20).

5. Wollte ich in einem Wort die reiche und lebendige Belehrung zusammenfassen, die von Maria ausgeht für unseren Dienst am Aufbau der Gemeinschaftskirche und am Zeugnis für Christus in der Welt, womit sich eure vertiefenden Studien dieser Tage befaßten, so könnte ich schwerlich einen umfassenderen und prägnanteren Ausdruck finden, als den des heiligen Augustinus: "Vides Trinitatem, si caritatem vides" - "Du siehst die Dreifaltigkeit, wenn du die Liebe siehst" (De Trinitate 8,8,12). Eine Kirche, die von gegenseitiger Liebe belebt wird, ist eine Kirche, die, wie Maria und in Maria, die Dreifaltigkeit, das Heil und die Heimat der Menschheit bezeugt.

Mein Wunsch für euch ist, dass Maria, Ikone der Dreifaltigkeit und deshalb Mutter der Einheit der Menschen, euch zu immer tieferer und innigerer Teilnahme am einzigen Priestertum Christi führe, für den Dienst an den Brüdern, entsprechend ihrem mütterlichen Herzen. Mit meinem Segen.