At the approach

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Apostolischer Brief
At the approach

von Papst
Johannes Paul II.
an den Erzbischof von Birmingham, Maurice Couve de Mudville, zum 100. Todestag von John Henry Kardinal Newman
Das Gewissen besitzt seine Rechte, weil es seine Pflichten hat
18. Juni 1990

(Offizieller englischer Text: Die englische Fassung auf der Vatikanseite)

(Quelle: Der Apostolische Stuhl 1990, S. 947-949)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


1. Beim Herannahen des ersten Jahrhunderts seit dem Tode von John Henry Newman und als Antwort auf Ihre liebenswürdige Einladung verbinde ich mich gern mit den Feierlichkeiten, die dieses Ereignis nicht nur in England, sondern in zahlreichen Ländern der ganzen Welt auszeichnen. Das Andenken an das edle Leben des großen Kardinals und sein umfangreiches Schrifttum scheinen auch heute noch Geist und Herz zahlreicher Menschen mit einer Frische und Eindringlichkeit anzusprechen, die im Verlauf eines Jahrhunderts kaum schwächer geworden sind.

Die Jahrhundertfeier fällt zusammen mit dem Beginn einer Zeit tiefgreifender Wandlungen in der Welt. Diese Zeit hat mit neuen Aussichten für echte Freiheit begonnen und mit Zeichen eines neuen Bewusstseins der Notwendigkeit, das Leben des Einzelnen und der Gesellschaft auf der soliden Grundlage der unverbrüchlichen Achtung vor der menschlichen Person und ihrer unveräußerlichen gottgegebenen Würde aufzubauen. Für alle suchenden Geister der heutigen geschichtlichen Stunde hat Newman eine zeitgerechte Botschaft.

2. Newmans langes Leben erweist ihn als glühenden Sucher nach Wahrheit, und seine weitere Laufbahn bestätigt seine einzigartige Einstellung, die in seinen Worten zum Ausdruck kommt: "Mein Verlangen ging dahin, die Wahrheit zu meinem festesten Freund zu haben und keinen anderen Feind als den Irrtum" (The Via Media, London 1911, val. 1, S. XII-XIII). Auch in Zeiten der Trübsal und des Leidens blieb er zuversichtlich in dem Wissen, daß die Zeit für die Wahrheit arbeitet.

Newmans Suchen nach Wahrheit führte ihn zum Suchen nach einer Stimme, die mit der Autorität des lebendigen Christus zu ihm sprach. Sein Beispiel stellt einen bleibenden Aufruf an alle aufrichtigen Gelehrten und Jünger der Wahrheit dar. Er fordert sie auf, weiter die tieferen und grundlegenderen Fragen nach dem Sinn des Lebens und der ganzen menschlichen Geschichte zu stellen; sich nicht mit einer Teilantwort auf das große Geheimnis des Menschen selbst zu begnügen; die intellektuelle Ehrlichkeit und den moralischen Mut zu besitzen, das Licht der Wahrheit anzunehmen, was auch immer für persönliche Opfer das fordern mag. Vor allem ist Newman ein ausgezeichneter Führer für all jene, die erfassen, daß der Schlüssel, der Brennpunkt und das Ziel aller menschlichen Geschichte in Christus zu finden ist (vgl. Gaudium et spes, Nr. 10) und in Vereinigung mit ihm in jener Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, die seine heilige Kirche ist, durch die er allen Wahrheit und Gnade mitteilt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8).

3. Eng verbunden mit diesem Aufruf ist John Henry Newmans Lehre von der Bedeutung des Gewissens als eines Weges zum Erreichen der Wahrheit. Seine Lehre über das Gewissen ist wie seine Lehre im ganzen subtil und ganzheitlich und sollte in ihrer Darlegung nicht zu sehr vereinfacht werden. Er geht von der Grundaussage aus, daß das Gewissen nicht einfach ein Sinn für Richtigkeit, Selbstachtung oder guten Geschmack ist, geformt durch die allgemeine Kultur, die Erziehung und soziale Gewöhnung. Es ist vielmehr das Echo der Stimme Gottes im Herzen des Menschen, der Puls des göttlichen Gesetzes, der in jeder Person schlägt und mit fragloser Autorität den Maßstab für richtig und falsch angibt.

Das innere Licht des Gewissens bringt den Menschen in Kontakt mit der Wirklichkeit des persönlichen Gottes. In einem seiner Bücher schrieb Newman: "Meine Natur empfindet die Stimme des Gewissens als die einer Person. Gehorche ich ihr, empfinde ich Befriedigung; gehorche ich nicht, empfinde ich Unbehagen - gleich dem, das ich empfinde, wenn ich einen verehrten Freund erfreue oder beleidige ... Zum Echo gehört eine Stimme, zu einer Stimme der Sprecher: und diesen Sprecher liebe und verehre ich" (Callista London 1910, S. 314-315). Noch mehr, nach Newman bringt der religiöse Gehorsam gegenüber seiner inneren Stimme den Menschen zum Ausschauen nach einer göttlichen Offenbarung, führt ihn von Licht zu Licht und am Ende zum christlichen Glauben. "Gehorsam gegenüber dem Gewissen führt zum Gehorsam gegenüber dem Evangelium, das keineswegs etwas ganz anderes ist, sondern die Erfüllung und Vervollkommnung jener Religion, die schon das natürliche Gewissen lehrt" (Parochial and Plain Sermons, London 1908, S. 202).

4. Eins der bleibenden Verdienste von Kardinal Newman ist nämlich sein Ringen um die Klarstellung und Befestigung des lebenswichtigen Prinzips, daß die geoffenbarte Religion mit ihren Gehalt an Lehre und Moral Träger objektiver Wahrheiten ist, die mit Sicherheit erkannt und leicht und mit Freude bejaht werden können (vgl. Dei Verbum, Nr. 5). Nur wenige vertraten das volle Recht des Gewissens so wie er; wenige Schriftsteller argumentierten so überzeugend für seine Autorität und Freiheit, doch ließ er seine Lehre durch keinerlei Subjektivismus oder Relativismus abschwächen.

Aus diesem Grund lehrte er, daß das Gewissen, obwohl es vor jeder Ausbildung im menschlichen Herzen vorhanden ist, dem Christen doch die Pflicht auferlegt, es, angeleitet von einer Autorität, zu informieren und zu bilden, um es zur Reife und Vollkommenheit zu führen. Wenn es sich selbst überlassen und unbeachtet bleibt, kann das Gewissen ein Gegenbild seiner eigenen heiligen Macht und zu einer Art von Selbstvertrauen und Vertreter des subjektiven Urteils einer Person werden. Newmans Worte sind hier völlig klar und für immer gültig: "Das Gewissen besitzt seine Rechte, weil es seine Pflichten hat" (Difficulties feIt by Anglicans, London 1910, Val. II, S. 250).

5. Weil er dem Licht seines Gewissens folgte, legte Newman einen Weg des Glaubens zurück, den er kraftvoll und klar in seinen Schriften beschrieben hat. Nachdem er die erste Hälfte seines Lebens in hochherzigem Dienst für die Kirche von England verbracht hatte, die er tief liebte, verbrachte er die zweite Hälfte im Dienst der katholischen Kirche und zeigte dabei die gleiche Aufrichtigkeit und unverbrüchliche Loyalität. Die Gedanken und Überzeugungen, die zu seiner Konversion führten, besaßen ihre Grundlagen und Anregungen in den Schriften der Väter der Kirche, die zum gemeinsamen Erbe aller Christen gehören. Ich habe oft betont, daß die Christen zusammen ihr gemeinsames Glaubenserbe neu entdecken müssen, wenn wir die Wiedervereinigung der Jünger Christi in der Einheit erleben wollen, für die Er gebetet hat. Dieser Prozeß kann erheblich durch Beachtung des Werkes Newmans gefördert werden.

Für ihn war es kennzeichnend, daß er der einmal erkannten Wahrheit fest anhing, während er stets bereit war, sein Verständnis der Glaubens aussagen zu entfalten und zu vertiefen. Wir können ferner hinzufügen, daß er die Treue zur Wahrheit mit einer Haltung der Achtung und Offenheit für die Gedanken und das Zeugnis jener verband, mit denen er sonst nicht übereinstimmte. In seiner Person und in seinem Werk beleuchtet Kardinal Newman daher den Weg der Ökumene, den wir im Gehorsam zum Willen Christi eingeschlagen haben (vgl. loh 17,21). Sein Leben und sein Zeugnis bieten uns heute eine lebenswichtige Quelle für das Verständnis und die Fortsetzung der ökumenischen Bewegung, die sich im Jahrhundert nach seinem Tod so reich entfaltet hat.

6. Ich hoffe fest, daß die jetzige Hundertjahrfeier in den Herzen vieler Menschen, die nach Wahrheit und echter Freiheit dürsten, ein neues Bewußtsein von den Lehren gewinnen, die sie aus Leben und Schriften dieses hervorragenden englischen Priesters und Kardinals schöpfen können. Ein Mann von derart eindeutiger Loyalität und Aufrichtigkeit wird unbedingt viele andere anregen und für das Ideal gewinnen, dem er treu gedient hat. Nicht alle sind einverstanden mit den bedeutsamen Entscheidungen, die er traf, oder mit den religiösen Grundsätzen, auf die er sich berief; doch alle bezeugen klar den geistigen Einfluß, den sein Beispiel auf andere ausübte. Einige nannten ihn ihren Führer auf den Wegen der Heiligkeit; andere waren beeindruckt von der stillen Kraft seiner bescheidenen und zurückgezogenen Lebensweise; wieder andere fanden in seiner einfachen Darlegung der Wahrheit Trost und Frieden; alle aber waren von seinem lebenslangen Gebet und Studium sowie von seiner gläubigen Vertrautheit mit den Dingen "von droben" ergriffen (Kol 3,1).

Bis zum heutigen Tag bleibt Newman für viele in dieser aufgewühlten Welt ein Bezugspunkt. Sie blicken auf ihn als auf einen Mann mit großem natürlichen Talent, das er aber gänzlich in den Dienst Gottes und der Kirche stellte. Sein bemerkenswertes Leben ohne leeren Schein und Ehrgeiz, in Gebetsvereinigung mit dem Unsichtbaren versenkt, und dabei doch lebhaft interessiert für die Probleme seiner Zeit in Kirche und Gesellschaft, regt weiterhin an, erhebt und erbaut.

Möge aus dem Feiern zum 100. Jahrestag überreiche Gnade und geistliche Kraft strömen für die Kirche in England, für Ihre Erzdiözese sowie für die Mitglieder der englischen Kongregation des Oratoriums vom hl. Philipp Neri, das John Henry Newman gegründet hat. Abschließend benutze ich diese Gelegenheit, alle Freunde von Kardinal Newman in der ganzen Welt zu grüßen und ihnen meinen Apostolischen Segen zu erteilen.

Aus dem Vatikan, 18. Juni 1990
Johannes Paul II. PP.

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