Carlo Martini

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Carlo Maria Kardinal Martini SJ (Dr. Dr. theol.; * 15. Februar 1927 in Turin, Italien; † 31. August 2012<ref>E’ morto il cardinale Martini biblista che parlava alla gente, Il Messaggero vom 31. August 2012 (italienisch)</ref> in Gallarate, Provinz Varese) war von 1979 bis 2002 Erzbischof von Mailand. Zuvor war er kurzzeitig Rektor der Päpstlichen Universität Gregoriana. Kardinal Martini war Freimaurer<ref>Nach Auskunft einer italienischen Loge https://www.grandeoriente-democratico.com/Adesso_che_le_celebrazioni_retoriche_Martini.html , abgerufen am 18. Mai 2022</ref> und intellektuelle Leitfigur der St. Gallen-Gruppe (sie dort !). Er galt zu Lebzeiten als progressiver Vordenker in der römisch-katholischen Kirche.

Biografie

Carlo Maria Martini, Sohn aus der Ehe des Ingenieurs Leonardo Martini und Olga Maggia, empfing am 27. Februar 1927 die Taufe in der Turiner Pfarrei Immacolata Concezione. Er besuchte das jesuitische Istituto Sociale in Turin und trat im Alter von 17 Jahren, am 25. September 1944, der Ordensgemeinschaft der Jesuiten bei und absolvierte sein Noviziat in Cuneo. Er studierte Philosophie an der Philosophischen Fakultät Aloisianum in Gallarate bei Mailand und Theologie an der Theologischen Fakultät in Chieri. Am 13. Juli 1952 empfing er durch den Turiner Erzbischof Maurilio Kardinal Fossati das Sakrament der Priesterweihe und absolvierte das jesuitische Tertiat sowie weitere Studien in Rom.

Anschließend absolvierte er ein Aufbaustudium in Fundamentaltheologie und wurde 1958 nach Verteidigung seiner Dissertationsschrift Il problema storico della Risurrezione negli studi recenti („Das historische Problem der Auferstehung in den Gegenwartsstudien“) an der Päpstlichen Universität Gregoriana mit dem Prädikat summa cum laude zum Dr. theol. promoviert. Nach einigen Jahren als Dozent an der Fakultät in Chieri kam er nach Rom zurück, legte am 2. Februar 1962 die Ewigen Gelübde ab und war in der Seelsorge in Casal del Marmo, Nisidia und Poggioreale sowie für die Gemeinschaft Sant'Egidio tätig. Zudem engagierte er sich mit einem Forschungsthema über das Evangelium nach Lukas. 1966 promovierte er am Päpstlichen Bibelinstitut, wiederum summa cum laude, mit der Arbeit Il problema della recensionalità del codice B all luce del papiro Bodmer XIV.

Nach einer Zeit als Professor und Dekan am römischen Bibelinstitut wurde er dort am 2. September 1969 zum Rektor bestellt. 1978 wurde er in der Nachfolge von Hervé Carrier zum Rektor der Päpstlichen Universität Gregoriana berufen. Papst Paul VI. übertrug ihm 1978 die Leitung der offiziellen Fastenexerzitien der Römischen Kurie. Als Wissenschaftler veröffentlichte er verschiedene Bücher und Artikel. Er war das einzige katholische Mitglied des ökumenischen Komitees, das die neue griechische Ausgabe des Neuen Testamentes, des Novum Testamentum Graece, vorbereitete. Seine Bücher über spirituelle Übungen sind wegen ihrer Originalität und ihres Stiles sehr geschätzt und werfen ein neues Licht auf den traditionellen spirituellen Weg des Ignatius.

Erzbischof

Papst Johannes Paul II. ernannte Martini am 29. Dezember 1979 zum Erzbischof von Mailand und spendete ihm am 6. Januar 1980 im Petersdom die Bischofsweihe; Mitkonsekratoren waren Kurienerzbischof Eduardo Martínez Somalo und der Mailänder Weihbischof Ferdinando Maggioni. Sein bischöflicher Wahlspruch lautete Pro veritate adversa diligere. Von 1980 bis 1983 war er zudem auf Veranlassung von Papst Johannes Paul II. ständiges Mitglied im Generalsekretariat der Bischofssynode.

Im Konsistorium vom 2. Februar 1983 nahm Johannes Paul II. Martini als Kardinalpriester mit der Titelkirche Santa Cecilia in das Kardinalskollegium auf. Er war verantwortlich für die 6. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode (1983) und der 7. Ordentliche Generalversammlung (1987), die erste außerordentliche Generalversammlung (1991), die 9. Ordentliche Generalversammlung (1994), die zweite außerordentliche Generalversammlung (1999) und die 10. Ordentliche Generalversammlung (2001). Von 1986 bis zum 15. April 1993 war er Präsident des Rates der europäischen Bischofskonferenzen. Am 11. Juli 2002 wurde er mit Erreichen der Altersgrenze als Erzbischof von Mailand emeritiert. Sein Nachfolger wurde Dionigi Tettamanzi. Martini lebte von 2002 bis 2008 abwechselnd in Mailand und in Jerusalem, wo er sich dem Gebet und dem Bibelstudium widmete. Ab 2008 lebte er in seiner Jesuitenkommunität in Gallarate.

Er war Teilnehmer am Konklave 2005, aus dem Joseph Kardinal Ratzinger als Papst Benedikt XVI. hervorging, wobei er hier – nachdem er selbst jahrelang als papabile galt – aufgrund des Fortschreitens seiner 1996 diagnostizierten Form der Parkinson-Krankheit nicht mehr zum engeren Kreis der möglichen Nachfolger Papst Johannes Pauls II. gezählt wurde. Vor dem Konklave sprach sich Kardinal Martini für Regelungen eines möglichen Rücktritts künftiger Päpste aus.

Positionen und Haltungen

Martini galt als einer der progressiven Vordenker der römisch-katholischen Kirche.

Mehrmals äußerte Kardinal Martini den Wunsch nach der regelmäßigen Abhaltung von Konzilien alle zwanzig oder dreißig Jahre. Er plädierte dafür, da bereits das Konzil von Konstanz in seinem Edikt Frequens zu Beginn der Neuzeit regelmäßige Konzilien gefordert habe, wobei jeweils nur ein oder zwei Themen behandelt werden sollten. Für die drängendsten Themen hielt Martini aktuell den Umgang der Kirche mit Geschiedenen sowie eine Wiederbelebung des Bußsakraments.

In einer Kolumne der Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera erschienen regelmäßig die Briefe an Kardinal Martini, in der er biblische, dogmatische und existentielle Fragen (auch die Themen um Sexualität, Frauen in der Kirche und den Rückgang der Priesterzahlen sowie auch das Verbot der Empfängnisverhütung, das er 2008 öffentlich ablehnte) erörterte.<ref>Übersicht der Briefe</ref> Für die Kolumne erhielt er den renommierten italienischen Journalistenpreis Premiolino 2010.

Das 2008 im Herder Verlag erschienene und weltweit beachtete Buch Jerusalemer Nachtgespräche. Über das Risiko des Glaubens beantwortet in einem Diskurs der beiden Jesuiten Georg Sporschill und Carlo Maria Martini kritische Fragen der Jugend. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er bekannt mit dem Buch „Woran glaubt, wer nicht glaubt?“, das er zusammen mit dem Agnostiker und Schriftsteller Umberto Eco schrieb.

In seinem 2012 erschienenen Buch Credere e conoscere („Glauben und erkennen“) verteidigte Martini die traditionelle Familie, sprach sich aber auch für eine „gewisse Anerkennung homosexueller Partnerschaften aus“.<ref>Wolfgang Bergmann: Schwule Partnerschaft: Kardinal gegen Kardinal; Der Standard vom 26. März 2012.</ref> Als Ergänzung zu einer gottgewollten Verschiedenheit von Mann und Frau nach der Morallehre der katholischen Kirche zog er eine homosexuelle Lebensgemeinschaft auf einer vertraglichen Willensbekundung in Betracht.<ref>Die 'Frühlingsbotschaft' von Kardinal Martini; in: kath.net/KNA vom 24. März 2012.</ref>

In einem letzten Interview mit dem österreichischen Jesuiten Georg Sporschill, das die Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“ am 1. September 2012 veröffentlichte, forderte er ein Umdenken in der Kirche und „einen radikalen Weg der Veränderung zu beschreiten.“ Er betonte eine Unauflöslichkeit der Ehe, verlangte aber neue Wege im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und mit Patchwork-Familien.<ref>L’ADDIO A MARTINI: «Chiesa indietro di 200 anni» L’ultima intervista: «Perché non si scuote, perché abbiamo paura?», in: Corriere della Sera vom 1. September 2012.</ref><ref>Kardinal Martini: Stärkere Zuwendung zu den Menschen nötig; in: Radio Vatikan vom 2. September 2012.</ref><ref name="domradio">Italien trauert um Kardinal Carlo Maria Martini: „Ein großer Verlust“; in: domradio.de vom 2. März 2012.</ref>

Kardinal Carlo Maria Martini spricht in einem Buch im Jahre 2008 über den Schaden, den die Enzyklika Humanae vitae über die eheliche Liebe angerichtet habe, indem sie künstliche Verhütung verbiete. Er distanziert sich über das Verständnis der ehelichen Liebe und Sexualität in der Enzyklika. Viele Menschen hätten sich dadurch von der Kirche zurückgezogen und auch die Kirche habe sich von den Menschen distanziert. Die Erklärungen der deutschen und österreichischen Bischöfe (in denen die Befolgung von „Humanae vitae“ der Gewissensentscheidung des Einzelnen übertragen wird) hätten dagegen einen auch heute gangbaren und weiter verfolgenswerten Weg eröffnet. Darin drücke sich ein „vorurteilsfreierer“ Zugang zur Sexualität aus. Für die Zukunft erhoffte sich Martini eine Korrektur des “rigorosen” Kurses von Johannes Paul II. in dieser Frage. Fehler der Vergangenheit zuzugeben sei schließlich eine Frage von innerer Größe.<ref>Kardinal Martini distanziert sich von ‚Humanae vitae’ Kath.net am 5. November 2008.</ref> In einem Nachruf der Loge Grande Oriente Democratico wird er als Freimaurer aufgeführt.

In seinem letzten Interview wenige Tage vor seinem Tod sprach Kardinal Martini Worte, die uns nachdenken lassen: »Die Kirche ist zweihundert Jahre lang stehen geblieben. Warum bewegt sie sich nicht? Haben wir Angst? Angst statt Mut? Wo doch der Glaube das Fundament der Kirche ist. Der Glaube, das Vertrauen, der Mut. […] Nur die Liebe überwindet die Müdigkeit.« (Weihnachtsansprachen Papst Franziskus').

Nach Auskunft einer italienischen Loge, war er Freimaurer.<ref>https://www.grandeoriente-democratico.com/Adesso_che_le_celebrazioni_retoriche_Martini.html , abgerufen am17. Mai 2022</ref> Er fand, dass die Kirche mit der Zeit gehen sollte und glaubte, die Kirche hinke dieser hinterher: In einem Interview kurz vor seinem Tod im Jahr 2012 sagte er, dass die Kirche 200 Jahre "hinter der Zeit" zurückliege.<ref>Kardinal Martini war ein "Prophet", sagt Kardinal Michael Czerny</ref>

Auszeichnungen

  • 1986: Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik
  • 1987: Ehrendoktorwürde der Päpstlichen Universität der Salesianer
  • 1999: Ehrendoktorwürde der Russischen Akademie der Wissenschaften
  • 2000: Preis Prince des Asturies 2000 of Social Sciences, Spanien
  • 2000: Preis Europa dell’anno 2000
  • 2000: Ehrenmitglied der päpstlichen Akademie der Wissenschaften
  • 2006: Ehrendoktorwürde der Hebräischen Universität Jerusalem
  • 2010: Premiolino 2010, italienischer Journalistenpreis

Mitgliedschaft in der römischen Kurie

Carlo Maria Martini war Mitglied folgender Institutionen der römischen Kurie:

Weblinks

Artikel fast zur Gänze aus der Wikipedia, abgerufen am 19. Mai 2022

Anmerkungen

<references />