Causas matrimoniales (Wortlaut)

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Motu proprio
Causas matrimoniales

von Papst
Paul VI.
Erlass einiger Normen für eine schnellere Abwicklung der Eheprozesse
28. März 1971

(Offizieller lateinischer Text: AAS 63 [1971] 441-446)

(Quelle: Nachkonziliare Dokumentation – im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, Band 39, Kirchliches Prozessrecht, Sammlung neuer Erlasse, lateinisch und deutscher Text, S. 33-45, von den Deutschen Bischöfen approbierte Übersetzung, Paulinus Verlag Trier 1976; Imprimatur N. 9 / 76, Treveris die 28.6.1976 Vicarius Generalis d. m. Israel)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Einleitend

Eheprozesse hat die Kirche immer mit besonderer Sorgfalt behandelt, da sie bestrebt ist, durch diese Prozesse die Heiligkeit und die wahre Natur des Ehebandes zu schützen. Der Dienst der kirchlichen Richter zeigt deutlich - wenn auch in der ihm eigenen Weise - die Hirtenliebe der Kirche, die wohl weiß, wie sehr durch die Eheprozesse dem Seelenheil gedient wird.

Da aber in unseren Tagen die Zahl dieser Prozesse ständig wächst, kann die Kirche nicht so tun, als sei sie wegen dieser Tatsache nicht sehr besorgt. Dieses Anwachsen der Eheprozesse ist, so sagten Wir den Auditoren der S. R. Rota, "ein charakteristisches Zeichen dafür, dass das Bewusstsein für die Unantastbarkeit des Gesetzes, auf dem die christliche Familie wie auf einem Fundament aufruht, dahinschwindet; ein Zeichen ferner dafür, wie unruhig und aufgewühlt unsere Zeit ist, ein Zeichen für die unsicheren sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen die Familie sich befindet und die deshalb eine Gefahr bedeuten für ihre Festigkeit, ihre Lebenskraft und ihr Gelingen!" (Vgl. AAS 58 (1966), S. 154).

Die Kirche hofft zuversichtlich, dass das Bemühen des letzten Ökumenischen Konzils, die geistlichen Güter der Ehe aufzuzeigen und die seelsorgliche Betreuung der Eheleute zu fördern, Frucht bringen wird, insbesondere bezüglich der Festigkeit des Ehebandes. Gleichzeitig will es die Kirche durch den Erlass von geeigneten Vorschriften vermeiden, dass das geistliche Wohl von vielen Gläubigen durch eine allzu lange Dauer der Eheprozesse Schaden leide.

Weil die umfassendere Reform der Eheprozessordnung, welche von der Kommission für die Reform des CIC vorbereitet wird, noch aussteht, haben Wir beschlossen, einige Vorschriften über die Verfassung der kirchlichen Gerichte und die Verfahrensordnung zu erlassen, um (dadurch) die Eheprozesse zu beschleunigen.

Aus eigenem Antrieb und kraft Unserer Apostolischen Autorität erlassen Wir die folgenden Normen und verordnen, dass sie vom 1. Oktober 1971 ab bis zur Veröffentlichung des neuen Codex Iuris Canonici von allen - auch den päpstlichen Gerichten befolgt werden sollen. Die übrigen prozessrechtlichen Vorschriften bleiben in Kraft.

Das zuständige Gericht

I. Für die Eheprozesse der Getauften ist aus eigenem Recht das kirchliche Gericht zuständig.

II. Prozesse über die rein bürgerlichen Wirkungen der Ehe gehören vor das staatliche Gericht, wenn nicht durch Sonderrecht bestimmt ist, dass diese Prozesse in Form eines Zwischen- oder Nebenverfahrens (auch) von einem kirchlichen Gericht untersucht und entschieden werden können.

III. Alle Eheprozesse, welche die in can. 1557 § 1 n. 1 CIC genannten Personen betreffen, werden ausschließlich von jener Kongregation, oder jenem Gerichtshof, oder der Sonderkommission durchgeführt, welche(n) der Papst in jedem Einzelfall damit beauftragt hat.

IV. § 1. Für alle übrigen Ehenichtigkeitsprozesse ist zuständig:

a) Das Gericht des Ortes, an dem die Ehe geschlossen wurde; oder

b) das Gericht des Ortes, an dem der beklagte Ehepartner einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt hat, der durch ein kirchliches Dokument oder auf andere rechtmäßige Weise bewiesen werden kann; oder

c) das Gericht des Ortes, an dem tatsächlich das meiste Beweismaterial zu erheben ist, wenn der Ordinarius des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Beklagten und der Ordinarius und der Vorsitzende des angegangenen Gerichtes ihre Zustimmung erteilen.

§ 2. Wenn der im vorhergehenden § 1 c) genannte Fall eintritt, soll das Gericht vor Klageannahme den Beklagten fragen, ob er Einwände vorzubringen hat gegen das Gericht, welches der Kläger angegangen hat.

§ 3. Falls die Umstände der Orte oder der Personen, von denen in § 1 die Rede ist, sich wesentlich geändert haben, so kann das Verfahren in besonders gelagerten Fällen - solange noch nicht der Aktenschluss verfügt ist - an ein anderes, gleichfalls zuständiges Gericht überwiesen werden, wenn die Prozessparteien und die beiden (tauschenden) Gerichte zustimmen.

Die Besetzung der Gerichte

V. § 1. Für den Fall, dass weder im Diözesangericht, noch, wo ein solches besteht, im Regionalgericht ein Kollegium von drei geistlichen Richtern gebildet werden kann, erhält die Bischofskonferenz die Vollmacht, für das Gericht der ersten und der zweiten Instanz ein Kollegium aus zwei Geistlichen und einem Mann aus dem Laienstand, zu gestatten.

§ 2. Wenn im Gericht der ersten Instanz auch durch Hinzunahme eines Laien das Kollegium, von dem § 1 handelt, nicht gebildet werden kann, so können in Einzelfällen durch dieselbe Bischofskonferenz Ehenichtigkeitsprozesse einem Geistlichen als Einzelrichter übertragen werden. Dieser Richter soll, wo dies möglich ist, für den Prozess einen Beisitzer und einen Vernehmungsrichter hinzuziehen.

§ 3. Die Bischofskonferenz kann die oben genannten Vollmachten gemäß ihren eigenen Statuten wahrnehmen, oder durch eine Gruppe von Mitgliedern oder auch durch ein einzelnes Mitglied der Bischofskonferenz, die für diese Aufgabe gewählt werden (wahrnehmen lassen).

VI. Für das Amt des Beisitzers und des Vernehmungsrichters in den Gerichten jeder Instanz können männliche Laien berufen werden; das Amt des Notars können sowohl Männer als auch Frauen übernehmen.

VII. Die Laien, die diese Ämter übernehmen sollen, sollen sich auszeichnen (durch Treue) im katholischen Glauben, einen guten Lebenswandel und zugleich durch Kenntnis des kanonischen Rechts. Wenn es sich darum handelt, einem Laien ein Richteramt gemäß Nr. V § 1 zu übertragen, so sollen jene bevorzugt werden, die bereits Erfahrung im Gerichtswesen besitzen.

Das Berufungsverfahren

VIII. § 1. Gegen das erste Urteil, welches eine Ehe für ungültig erklärt, muss der Ehebandverteidiger innerhalb der gesetzlichen Frist Berufung an das höhere Gericht einlegen; falls er dies unterlässt, ist er vom Gerichtsvorsitzenden oder dem Einzelrichter aufzufordern, dies zu tun.

§ 2. Dem Gericht der zweiten Instanz hat der Ehebandverteidiger seine Stellungnahme vorzulegen und zu sagen, ob er gegen die erstinstanzliche Entscheidung etwas einzuwenden hat oder nicht. Zu dieser Stellungnahme soll das Kollegium, wenn es dies für angebracht hält, die Meinung der Parteien und ihrer Anwälte einholen.

§ 3. Nach Überprüfung des Urteils und der Stellungnahmen des Ehebandverteidigers und der Parteien und ihrer Anwälte - sofern diese angefordert und gegeben wurden - erlässt das Richterkollegium ein Dekret, mit dem es entweder die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt, oder den Prozess zu einem ordentlichen Verfahren in zweiter Instanz zulässt. Im ersten Fall haben, wenn keine Beschwerde eingelegt wird, die Eheleute, bei denen kein anderes Hindernis vorliegt, das Recht, nach Ablauf von zehn Tagen seit der Verkündigung des Dekretes, eine neue Ehe einzugehen.

IX. § 1. Der Ehebandverteidiger und die Prozesspartei, die sich beschwert fühlt, haben das Recht, gegen das Dekret (des Richterkollegiums), welches das erstinstanzliche Urteil bestätigt, innerhalb von zehn Tagen nach der Verkündigung des Dekretes, an das nächsthöhere Gericht Beschwerde einzulegen, aber nur, wenn neue und schwerwiegende Beweisgründe vorgelegt werden und diese unmittelbar zur Hand sind. Diese Beweisgründe müssen dem Gericht der dritten Instanz innerhalb eines Monats nach Einlegung der Beschwerde zugestellt werden.

§ 2. Der Ehebandverteidiger der dritten Instanz kann, nach Anhören des Gerichtsvorsitzenden, von der Beschwerde zurücktreten; in diesem Fall erklärt das Gericht den Rechtsstreit für beendet. Wenn jedoch eine Prozesspartei die Beschwerde einlegt, so hat das Gericht, nachdem es die beigebrachten Beweise geprüft hat, innerhalb eines Monats nach Einlegung der Beschwerde, durch ein Dekret entweder die Beschwerde abzuweisen oder den Prozess zu einem ordentlichen Verfahren in dritter Instanz anzunehmen.

Bestimmungen für Sonderfälle

X. Wenn auf Grund eines sicheren authentischen Dokumentes, das über jeden Verdacht erhaben ist, das Bestehen eines trennenden Ehehindernisses feststeht und sich gleichzeitig mit gleicher Sicherheit ergibt, dass eine Dispens von diesen Hindernissen nicht erteilt wurde, kann der Ortsoberhirt in diesen Fällen die im Recht vorgeschriebenen Formalitäten unterlassen und nach der Ladung der Prozessparteien und unter Beteiligung des Ehebandverteidigers die Ungültigkeit der Ehe erklären.

XI. Ebenso kann der Ortsoberhirt - unter denselben Bedingungen und auf dieselbe Weise, wie sie in Nr. X beschrieben sind - die Nichtigkeit einer Ehe erklären, wenn der Prozess eingeleitet wurde wegen eines Mangels in der kanonischen Eheschließungsform, oder weil ein gültiges Mandat des Stellvertreters nicht vorlag.

XII. Gegen diese Erklärung muss der Ehebandverteidiger, wenn er die begründete Meinung hat, dass die Ehehindernisse oder die Mängel, von denen die Nr. X und XI handeln, nicht sicher vorliegen, oder dass davon wahrscheinlich dispensiert wurde, an den Richter der zweiten Instanz appellieren. Diesem (Richter der zweiten Instanz) sind die Akten zuzustellen, und er ist schriftlich darauf hinzuweisen, dass es sich um einen Sonderfall handelt.

XIII. Der Richter der zweiten Instanz entscheidet, nach der in Nr. X beschriebenen Weise - wobei lediglich der Ehebandverteidiger zu beteiligen ist - ob das Urteil zu bestätigen ist oder ob die Streitsache in einem ordentlichen Gerichtsverfahren zu verhandeln ist; in diesem Fall weist er sie an das Gericht der ersten Instanz zurück.

Übergangsbestimmungen

1. Eheprozesse, die nach einem ersten Urteil, welches die Nichtigkeit der Ehe feststellt, auf Grund einer rechtmäßigen Berufung bei dem Gericht der zweiten Instanz anhängig sind, werden an dem Tag, an dem dieses Apostolische Schreiben in Kraft tritt, vorübergehend suspendiert.

2. Der Ehebandverteidiger der zweiten Instanz soll eine Stellungnahme abgeben zu allen vorliegenden Akten - sowohl bezüglich der Entscheidung der ersten Instanz als auch über die Akten, die in der zweiten Instanz bis dahin ausgefertigt wurden - und sagen, ob er gegen die Entscheidung der ersten Instanz etwas einzuwenden hat, oder nicht. Zu dieser Stellungnahme soll das Richterkollegium, wenn es dies für angezeigt hält, die Meinung der Prozessparteien und ihrer Anwälte einholen.

3. Nach Überprüfung der Stellungnahmen des Ehebandverteidigers und der Prozessparteien und ihrer Anwälte - sofern diese angefordert und gegeben wurden - und des Urteils der ersten Instanz erlässt das Richterkollegium ein Dekret, mit dem es entweder das Urteil der ersten Instanz bestätigt, oder entscheidet, dass der Prozess in dem ordentlichen Gerichtsverfahren der zweiten Instanz weiterzuverhandeln ist. Im ersten Fall haben, wenn niemand Beschwerde einlegt, die Eheleute, bei denen kein anderes Hindernis vorliegt, das Recht, nach Ablauf von zehn Tagen seit der Verkündigung des Dekretes, eine neue Ehe einzugehen. Im zweiten Fall jedoch ist das Verfahren bis zum Endurteil fortzuführen.

Alles, was von Uns in diesem "Motu proprio" erlassenen Schreiben bestimmt worden ist, soll nach Unserem Willen gültig und rechtskräftig sein und ihm soll nichts Gegenteiliges - selbst wenn es besonderer Erwähnung wert wäre - entgegenstehen.

Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 28. März 1971,

im achten Jahre Unseres Pontifikates.

Paul VI. PP.

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