Con la mente

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Gründonnerstagsschreiben
Con la mente

von Papst
Johannes Paul II.
an alle Priester der Kirche
25. März 1998

(Offizieller italienischer Text: AAS 90 [1998] 261-272)

(Quelle: Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ein Priester
Liebe Brüder im Priesteramt !

Während Herz und Sinn auf das Große Jubiläum ausgerichtet sind, auf die Zweitausend-Jahrfeier der Geburt Christi und den Beginn des dritten christlichen Jahrtausends, möchte ich mit Euch den Geist des Herrn anrufen, dem die zweite Etappe des geistlichen Weges der unmittelbaren Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2000 gewidmet ist.

Seinen liebevollen Eingebungen willig gehorchend, bereiten wir uns darauf vor, diese Zeit des Heils mit großer Anteilnahme zu leben, während wir vom Spender aller Gaben die notwendigen Gnaden erbitten, um die Zeichen des Heils zu erkennen und in voller Treue auf Gottes Ruf zu antworten.

Unser Priestertum ist mit dem Heiligen Geist und seiner Sendung eng verbunden. Am Tag der Priesterweihe hat der Auferstandene durch eine außerordentliche Ausgießung des göttlichen Beistandes in jedem von uns das erneuert, was er in den Jüngern am Abend des Ostertages gewirkt hatte. Zugleich hat er uns dazu eingesetzt, seine Sendung in der Welt fortzuführen (vgl. Joh 20,21-23). Dieses Geschenk des Geistes ist auf Grund seiner geheimnisvollen Heiligungsmacht Quelle und Ursprung des uns aufgetragenen besonderen Dienstes der Evangelisierung und Heiligung.

Der Gründonnerstag, der Tag, an dem wir das Gedächtnis des Herrenmahls feiern, stellt uns Jesus vor Augen, den Knecht, der gehorsam war bis zum Tod (vgl. Phil 2,8), und der die Eucharistie sowie das Weiheamt als einzigartige Zeichen seiner Liebe einsetzt. Er hinterläßt uns dieses außerordentliche Vermächtnis der Liebe, damit sich das Geheimnis seines Leibes und seines Blutes zu allen Zeiten und an allen Orten fortsetzt und die Menschen zur unerschöpflichen Quelle der Gnade hinzutreten können. Kann es für uns Priester einen angemesseneren und eindrucksvolleren Augenblick als diesen geben, um uns auf das zu besinnen, was der Heilige Geist in uns gewirkt hat, und seine Gaben zu erbitten, damit er uns immer mehr Christus, dem Priester des Neuen Bundes, gleichförmig mache?

1. Der Heilige Geist, der Leben schafft und heilig macht

Veni Creator Spiritus,
Mentes tuorum visita,
Imple superna gratia,
quae tu creasti pectora

Komm, Heiliger Geist, der Leben schafft,
erfülle uns mit deiner Kraft.
Dein Schöpferwort rief uns zum Sein:
nun hauch uns Gottes Odem ein.

Dieser alte liturgische Hymnus weckt in jedem Priester die Erinnerung an seinen Weihetag und an die bei dieser außerordentlichen Gelegenheit gefaßten Vorsätze zur vollen Verfügbarkeit für das Wirken des Heiligen Geistes. Er erinnert ihn auch an den besonderen Beistand des Parakleten und an die vielen Augenblicke der Gnade, Freude und Nähe, die ihn der Herr im Laufe seines Lebens verkosten lieb.

Wenn die Kirche im Nizäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis ihren Glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, bekennt, stellt sie klar die Rolle heraus, die er spielt, indem er die Wechselfälle menschlichen Lebens und besonders die der Jünger des Herrn auf dem Heilsweg begleitet.

Er ist der Schöpfergeist, den die Heilige Schrift an den Anfang der Menschheitsgeschichte als über dem Wasser schwebend (vgl. Gen 1,2) und an den Beginn der Erlösung als Urheber der Menschwerdung des Wortes Gottes (vgl. Mt 1,20; Lk 1,35) stellt.

Eines Wesens mit dem Vater und dem Sohn, ist er »im absoluten Geheimnis des dreieinigen Gottes die "Liebe in Person", das ungeschaffene Geschenk, das die ewige Quelle allen Schenkens Gottes in der Schöpfungsordnung ist sowie unmittelbarer Ursprung und gewissermaßen Subjekt der Selbstmitteilung Gottes in der Gnadenordnung. Das Geheimnis der Menschwerdung ist der Höhepunkt dieses Schenkens und dieser Selbstmitteilung« (Dominum et vivificantem, 50).

Der Heilige Geist lenkt das Leben Jesu auf Erden zum Vater hin. Dank seines geheimnisvollen Eingreifens wird der Sohn Gottes im Schoß der Jungfrau Maria empfangen (vgl. Lk 1,35) und wird Mensch. Und wiederum ist es der göttliche Geist, der, indem er bei der Taufe im Jordan in Gestalt einer Taube auf Jesus herabkommt, ihn als Sohn des Vaters bezeugt (vgl. Lk 3,21-22) und ihn gleich danach in die Wüste führt (vgl. Lk 4,1). Nach Überwindung der Versuchungen beginnt Jesus, erfüllt von der Kraft des Geistes (Lk 4,14), seine Sendung: in Ihm ruft er voll Freude aus und preist den Vater wegen dessen liebevollen Planes (vgl. Lk 10,21); mit Ihm treibt er die Dämonen aus (vgl. Mt 12,28; Lk 11,20). In der dramatischen Stunde des Kreuzestodes bringt er sich selbst dar »kraft ewigen Geistes« (Hebr 9,14); durch ihn wird er dann auferweckt (vgl. Röm 8,11) und »eingesetzt als Sohn Gottes in Macht« (Röm 1,4).

Am Abend des Ostertages sagt der Auferstandene zu den im Abendmahlssaal versammelten Aposteln: »Empfangt den Heiligen Geist« (Joh 20,22), und nachdem er dessen zukünftige Ausgießung verheißen hat, vertraut er ihnen mit der Sendung in die Welt das Heil der Brüder und Schwestern an: »Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,19-20).

Die Gegenwart Christi in der Kirche zu allen Zeiten und an allen Orten wird durch das Wirken des göttlichen Beistandes in den Herzen der Gläubigen lebendig und wirksam gemacht (vgl. Joh 14, 26). Der Geist ist auch für unsere Zeit »die Hauptkraft der Neuevangelisierung«; derjenige, »der im Laufe der Geschichte das Reich Gottes aufbaut und seine volle Offenbarwerdung in Jesus Christus dadurch vorbereitet, daß er die Menschen innerlich anregt und im menschlichen Erleben die Keime der endgültigen Rettung, die am Ende der Zeiten eintreten wird, aufgehen läßt« (Tertio millennio adveniente, 45).

2. Eucharistie und Weihe, Früchte des Heiligen Geistes

Qui diceris Paraclitus,
Altissimi donum Dei,
Fons vivus, ignis, caritas
Et spiritalis unctio.

Komm, Tröster, der die Herzen lenkt,
du Beistand, den der Vater schenkt
aus dir strömt Leben, Licht und Glut,
du gibst uns Schwachen Kraft und Mut.

Mit diesen Worten ruft die Kirche den Heiligen Geist als spiritalis unctio an, der Kraft und Mut schenkt. Kraft der Salbung durch den Heiligen Geist im unbefleckten Schoß Marias hat der himmlische Vater Christus zum ewigen Hohenpriester des Neuen Bundes geweiht, der sein Priestertum mit uns teilen wollte, indem er uns dazu berief, seine Sendung in der Geschichte zum Heil der Brüder und Schwestern fortzusetzen.

Am Gründonnerstag, Feria quinta in Cena Domini, sind wir Priester eingeladen, mit der ganzen Gemeinschaft der Gläubigen für das Geschenk der Eucharistie zu danken und uns der Gnade unserer außerordentlichen Berufung stärker bewußt zu werden. Wir werden auch angespornt, uns mit erneuertem Herzen und vollständiger Verfügbarkeit dem Handeln des Geistes anzuvertrauen, indem wir uns von Ihm Tag für Tag Christus, dem Hohenpriester, gleichgestalten lassen.

Das Johannesevangelium berichtet in geheimnisvollen und feinfühligen Worten über den ersten Hohen Donnerstag, an dem der Herr mit den Jüngern im Abendmahlssaal zu Tisch lag. »Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte«, erwies er »ihnen seine Liebe bis zur Vollendung« (Joh 13,1). Bis zur Vollendung! Bis zur Einsetzung der Eucharistie, der Vorwegnahme des Karfreitags, des Kreuzesopfers und des gesamten Ostergeheimnisses. Während des Letzten Abendmahls nimmt Christus das Brot in die Hände und spricht erstmals die Wandlungsworte: »Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird«. Gleich darauf spricht er über den mit Wein gefüllten Kelch die folgenden Wandlungsworte: »Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden«, und fügt hinzu: »Tut dies zu meinem Gedächtnis«. So vollzieht sich in unblutiger Weise im Abendmahlssaal das Opfer des neuen Bundes, das am Tag danach, als Christus am Kreuz sagt: »Consummatum est« »Es ist vollbracht!« (Joh 19,30), blutig verwirklicht wird.

Dieses ein für allemal auf Golgota dargebrachte Opfer ist den Aposteln kraft des Heiligen Geistes als das Allerheiligste Sakrament der Kirche anvertraut. Vor den Wandlungsworten betet die Kirche, um das geheimnisvolle Eingreifen des Geistes zu erbitten: »Darum bitten wir dich, allmächtiger Gott: Heilige unsere Gaben durch deinen Geist, damit sie uns werden Leib und Blut unseres Herrn Jesus Christus, der uns aufgetragen hat, dieses Geheimnis zu feiern« (III. Eucharistisches Hochgebet). In der Tat, wie könnten menschliche Lippen ohne die Kraft des göttlichen Geistes bewirken, daß sich bis zum Ende der Zeiten Brot und Wein in den Leib und das Blut des Herrn verwandeln? Nur durch die Kraft des göttlichen Geistes kann die Kirche unaufhörlich das große Geheimnis des Glaubens bekennen: »Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit«.

Eucharistie und Weihe sind Früchte desselben Geistes: »Wie er in der heiligen Messe Urheber der Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi ist, so ist er im Sakrament des Ordo auch Urheber der Priester- oder Bischofsweihe« (Geschenk und Geheimnis, S. 51).

3. Die Gaben des Heiligen Geistes

Tu septiformis munere
Digitus paternae dexterae
Tu rite promissum Patris
Sermone ditans guttura.

Dich sendet Gottes Allmacht aus
im Feuer und in Sturmes Braus;
du öffnest uns den stummen Mund
und machst der Welt die Wahrheit kund.

Sollte man den Gaben des Heiligen Geistes, die die Tradition der Kirche, den biblischen und patristischen Quellen folgend, als heilige Siebenzahl bezeichnet, nicht besondere Aufmerksamkeit schenken? Diese Lehre fand große Beachtung in der scholastischen Theologie, die deren Bedeutung und Merkmale auch eingehend dargelegt hat.

»Gott (sandte) den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abbà, Vater!« (Gal 4,6). »Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes ... So bezeugt der Geist selber unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind« (Röm 8,14.16). Die Worte des Apostels Paulus erinnern uns daran, daß die grundlegende Gabe des Geistes die heiligmachende Gnade (gratia gratum faciens) ist, mit der man die theologalen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe sowie alle eingegossenen Tugenden (virtutes infusae) empfängt, die dazu befähigen, unter der Einwirkung des Geistes zu handeln. In der von der himmlischen Gnade erleuchteten Seele wird diese übernatürliche Ausrüstung durch die Gaben des Heiligen Geistes vervollständigt. Im Unterschied zu den Charismen, die zum Nutzen anderer geschenkt werden, werden diese Gaben allen angeboten, weil sie auf die Heiligung und Vervollkommnung der Person abzielen.

Ihre Namen sind bekannt. Der Prophet Jesaja nennt sie, während er die Gestalt des kommenden Messias beschreibt: »Der Geist des Herrn läßt sich nieder auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht« (Jes 11,2-3). Die Zahl der Gaben wird dann von den Fassungen von Septuaginta und Vulgata auf sieben erhöht, wobei die Frömmigkeit hinzugefügt und aus dem Jesajatext die Wiederholung der Gottesfurcht gestrichen wird.

Schon der hl. Irenäus erwähnt die Siebenzahl und fügt hinzu: »Dann hat Gott der Kirche diesen Geist geschenkt [...], indem er seinen Beistand über die ganze Erde aussandte« (vgl. Adv. haereses III, 17,3). Der hl. Gregor der Große seinerseits erklärt die übernatürliche Dynamik, die vom Geist in die Seele eingegossen ist, und zählt die Gaben in umgekehrter Reihenfolge auf: »Denn durch die Gottesfurcht steigen wir auf zur Frömmigkeit, von der Frömmigkeit zur Erkenntnis, von der Erkenntnis erlangen wir die Stärke, von der Stärke den Rat, vom Rat schreiten wir fort zur Einsicht und mit der Einsicht zur Weisheit, und so wird uns durch die siebenförmige Gnade des Geistes am Ende des Aufstiegs der Eingang zum himmlischen Leben geöffnet« (Homiliae in Hezechielem, II, 7,7).

Weil die Gaben des Heiligen Geistes — so erklärt der Katechismus der Katholischen Kirche — eine besondere Sensibilisierung der menschlichen Seele und ihrer Fähigkeiten für das Handeln des Parakleten bedeuten, »vervollständigen und vervollkommnen (sie) die Tugenden derer, die sie empfangen. Sie machen die Gläubigen bereit, den göttlichen Eingebungen willig zu gehorchen« (Nr. 1831). Das moralische Leben der Christen wird also von solchen »bleibenden Anlagen (gestützt), die den Menschen geneigt machen, dem Antrieb des Heiligen Geistes zu folgen« (ebd., Nr. 1830). Durch sie wird der übernatürliche Organismus, der sich in jedem Menschen durch die Gnade herausbildet, zur Reife geführt. Denn die Gaben passen sich wunderbar unseren geistlichen Anlagen an, vervollkommnen sie und öffnen sie dem Handeln Gottes in besonderer Weise.

4. Einwirkung der Gaben des Heiligen Geistes auf den Menschen

Accende lumen sensibus
Infunde amorem cordibus;
Infirma nostri corporis
Virtute firmans perpeti.

Entflamme Sinne und Gemüt,
daß Liebe unser Herz durchglüht
und unser schwaches Fleisch und Blut
in deiner Kraft das Gute tut.

Durch den Geist macht Gott sich mit der Person vertraut und dringt immer mehr in die Welt des Menschen ein: »Der dreieinige Gott, der in sich selbst als transzendente Wirklichkeit eines interpersonalen Geschenkes "existiert",verwandelt, indem er sich im Heiligen Geist dem Menschen als Geschenk mitteilt, die Welt des Menschen von innen her, vom Innern der Herzen und der Gewissen« (Dominum et vivificantem, 59).

Diese Wahrheit führt in der großen scholastischen Tradition dazu, dem Wirken des Heiligen Geistes im menschlichen Leben den Vorrang zu geben und die Heilsinitiative Gottes im moralischen Leben hervorzuheben: Ohne unsere Persönlichkeit auszulöschen und ohne uns der Freiheit zu berauben, erlöst er uns in einer Art, die unsere Erwartungen und Pläne übersteigt. Die Gaben des Heiligen Geistes gehen in diese Logik ein und sind »Vervollkommnungen des Menschen, die ihn dafür bereiten, der göttlichen Bewegung willig zu folgen« (Thomas von Aquin, Summa Theologiae I-II, q. 68, a. 2).

Mit den sieben Gaben wird dem Gläubigen in der Freiheit, die den Kindern Gottes eigen ist, die Möglichkeit zu einer innigen persönlichen Beziehung zum Vater gegeben. Das unterstreicht der hl. Thomas, indem er beschreibt, wie der Heilige Geist uns anleitet, nicht aus Zwang, sondern aus Liebe zu handeln: »Die Kinder Gottes« — so stellt er fest — »werden vom Heiligen Geist in Freiheit bewegt, aus Liebe, nicht als Knechte aus Furcht« (Contra Gentes, IV, 22). Der Geist macht das Tun des Christen gottförmig, was bedeutet, daß es im Einklang steht mit der göttlichen Weise zu denken, zu lieben und zu handeln. Auf diese Weise wird der Gläubige zu einem erkennbaren Zeichen der Heiligsten Dreifaltigkeit in der Welt. Gestützt von der Freundschaft des Parakleten, vom Licht des Wortes und von der Liebe des Vaters, kann er sich mutig vornehmen, die göttliche Vollkommenheit nachzuahmen (vgl. Mt 5,48).

Der Geist übt seinen Einfluß in zwei Bereichen aus, woran mein ehrwürdiger Vorgänger, der Diener Gottes Paul VI., erinnert hat: »Der erste Bereich ist derjenige der einzelnen Seelen ..., unser Ich: in dieser uns selbst oft unbekannten innersten Kammer unserer Existenz tritt das Wehen des Heiligen Geistes ein; er breitet sich in der Seele durch jenes erste und höchste Charisma aus, das wir Gnade nennen. Sie ist wie ein neues Leben und macht die Seele unverzüglich zu Handlungen fähig, die ihre natürliche Leistungsfähigkeit übersteigen«. Der zweite Bereich, »in dem sich die Tugend von Pfingsten ausbreitet«, ist »der sichtbare Leib der Kirche ... Gewiß weht der Geist, wo er will (vgl. Joh 3,8); aber in der von Christus eingesetzten Heilsökonomie durchläuft der Heilige Geist den Kanal des apostolischen Amtes«. Kraft dieses Amtes wird den Priestern die Vollmacht gegeben, den Heiligen Geist den Gläubigen zu vermitteln. Dies geschieht »in der authentischen Verkündigung des Wortes Gottes, zu der sie beauftragt sind, in der Leitung des christlichen Volkes und in der Spendung der Sakramente (vgl. 1 Kor 4,1), der Quellen der Gnade, das heißt des heiligmachenden Wirkens des Parakleten« (Homilie zum Pfingstfest, 25. Mai 1969).

5. Die Gaben des Heiligen Geistes im Leben des Priesters

Hostem repellas longius,
Pacemque dones protinus:
Ductore sic te praevio
Vitemus omne noxium.

Die Macht des Bösen banne weit,
schenk deinen Frieden allezeit.
Erhalte uns auf rechter Bahn,
daß Unheil uns nicht schaden kann.

Der Heilige Geist stellt im menschlichen Herzen die volle Harmonie mit Gott wieder her und, indem er es des Sieges über den Bösen versichert, öffnet er es für die universalen Dimensionen der göttlichen Liebe. Auf diese Weise läßt er den Menschen von der Selbstliebe zur Liebe der Dreifaltigkeit übergehen, während er ihn zur Erfahrung der inneren Freiheit und des Friedens führt und dazu anleitet, sein Leben zu einem Geschenk zu machen. Durch die heilige Siebenzahl führt der Geist den Getauften zur vollen Gleichförmigkeit mit Christus und zur vollständigen Übereinstimmung mit den Plänen des Reiches Gottes.

Während das der Weg ist, auf dem der Heilige Geist jeden Getauften freundlich führt, achtet er doch besonders auf diejenigen, die die heilige Weihe empfangen haben, damit sie ihren anspruchsvollen Dienst angemessen erfüllen. So führt der Geist den Priester durch die Gabe der Weisheit dahin, alles im Licht des Evangeliums abzuwägen, während er ihm hilft, in den eigenen Angelegenheiten und in denen der Kirche den verborgenen und liebevollen Plan des Vaters zu erkennen; durch die Einsicht fördert er in ihm eine Vertiefung der offenbarten Wahrheit, indem er ihn drängt, die frohe Heilsbotschaft mit Überzeugung und Entschlossenheit zu verkünden; durch die Gabe des Rates erleuchtet der Geist den Diener Christi, damit er das eigene Tun gemäß den Ausblicken der Vorsehung auszurichten weiß, ohne sich von den Meinungen der Welt beeinflussen zu lassen; durch die Gabe der Stärke stützt er ihn in den Schwierigkeiten des Dienstes, indem er ihm die notwendige »parresia« in der Verkündigung des Evangeliums gibt (vgl. Apg 4,29.31); durch die Gabe der Wissenschaft macht er ihn bereit, die bisweilen geheimnisvolle Verflechtung der Zweit-Ursachen mit der Erst-Ursache in den Vorgängen des Kosmos zu erfassen und anzunehmen; durch die Gabe der Frömmigkeit belebt er in ihm die Beziehung enger Gemeinschaft mit Gott und vertrauensvoller Hingabe an seine Vorsehung; durch die Gottesfurcht, der letzten in der Reihe der Gaben, festigt der Geist im Priester das Bewußtsein der eigenen menschlichen Hinfälligkeit und der unerläßlichen Rolle der göttlichen Gnade, weil »weder der etwas (ist), der pflanzt, noch der, der begießt, sondern nur Gott, der wachsen läßt« (1 Kor 3,7).

6. Der Heilige Geist führt in das dreifaltige Leben ein

Per te sciamus da Patrem,
Noscamus atque Filium,
Teque utriusque Spiritum
Credamus omni tempore.

Laß gläubig uns den Vater sehn,
sein Ebenbild, den Sohn, verstehn
und dir vertraun, der uns durchdringt
und uns das Leben Gottes bringt.

Wie beeindruckend ist es, sich den Priester mit diesem Hymnus auf den Lippen vorzustellen, während er zusammen mit den Gläubigen, die seiner pastoralen Sorge anvertraut sind, dem Herrn entgegengeht! Er will mit ihnen zur wahren Erkenntnis des Vaters und des Sohnes gelangen und so von der Erfahrung, die vom Werk des Parakleten in der Geschichte nur rätselhafte Umrisse wie in einem Spiegel sieht (vgl. 1 Kor 13,12), zur Anschauung der lebendig pulsierenden dreifaltigen Wirklichkeit »von Angesicht zu Angesicht« (ebd.) gelangen. Er ist sich wohl bewußt, »auf kleinen Booten eine lange Überfahrt« vor sich zu haben und sich auf dem Weg zum Himmel »kleiner Flügel zu bedienen« (Gregor von Nazianz, Carmina, 1); aber er weiß auch, daß er auf den zählen kann, der den Auftrag hatte, die Jünger alles zu lehren (vgl. Joh 14,26).

Weil er gelernt hat, die Zeichen der Liebe Gottes in seiner persönlichen Lebensgeschichte zu lesen, wird der Priester, wenn sich allmählich die Stunde der entscheidenden Begegnung mit dem Herrn nähert, sein Gebet immer mehr verstärken in dem Wunsch, sich mit gereiftem Glauben dem Willen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zu übergeben.

Der Paraklet, »die Leiter unseres Aufstiegs zu Gott« (Irenäus, Adversus haereses, III, 24,1), zieht ihn zum Vater, indem er ihm den brennenden Wunsch ins Herz legt, sein Antlitz zu sehen. Er läßt ihn alles, was den Sohn betrifft, verstehen, indem er ihn zu Ihm mit wachsender Sehnsucht hinzieht. Er erleuchtet ihn in bezug auf das Geheimnis seiner Person selbst, indem er ihn seine Gegenwart im eigenen Herzen und in der Geschichte spüren und erkennen läßt.

Unter Freuden und Mühen, Leiden und Hoffnungen des Dienstes lernt der Priester, auf den endgültigen Sieg der Liebe dank des zuverlässigen Handelns des göttlichen Beistands zu vertrauen, der trotz der Begrenzungen der Menschen und Institutionen die Kirche dazu führt, das Geheimnis der Einheit und der Wahrheit voll zu leben. Er weiß also, daß er sich auf die Kraft des Wortes Gottes verlassen kann, die jedes menschliche Wort übersteigt, und auf die Kraft der Gnade, die die Sünden und Unzulänglichkeiten der Menschen überwindet. Das macht ihn stark, trotz der menschlichen Hinfälligkeit im Augenblick der Prüfung, und bereit, mit dem Herzen in den Abendmahlssaal zurückzukehren, wo er, im Gebet mit Maria und den Brüdern verharrend, den notwendigen Enthusiasmus wiederfinden kann, um die Mühe des apostolischen Dienstes erneut auf sich zu nehmen.

7. Ausgestreckt in der Gegenwart des Heiligen Geistes

Deo Patri sit gloria,
et Filio, qui a mortuis
Surrexit, ac Paraclito,
In saeculorum saecula.
Amen.

Den Vater auf dem ewigen Thron
und seinem auferstandenen Sohn,
dich, Odem Gottes, Heiliger Geist,
auf ewig Erd und Himmel preist.
Amen.

Während wir heute am Gründonnerstag über den Ursprung unseres Priestertums nachdenken, kommt jedem von uns der höchst eindrucksvolle liturgische Augenblick in den Sinn, als wir am Tag unserer Priesterweihe auf dem Boden ausgestreckt lagen. Jene Geste tiefer Demut und gehorsamer Bereitschaft war höchst angemessen, um uns innerlich auf die sakramentale Handauflegung zu bereiten, durch die der Heilige Geist in unser Inneres trat, um sein Werk zu tun. Nachdem wir uns vom Boden erhoben hatten, haben wir uns vor dem Bischof niedergekniet, um die Priesterweihe zu empfangen. Dann hat er uns die Hände gesalbt für die Feier des heiligen Meßopfers. Dabei sang die Gemeinde: »Lebendiges Wasser, Feuer, Liebe, heiliges Chrisam der Seele«.

Diese symbolischen Gesten, die die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes andeuten, laden uns ein, jeden Tag an dieses Erlebnis zu denken, um in uns seine Gaben zu festigen. Denn es ist wichtig, daß er in uns weiterwirkt und daß wir unter seinem Einfluß fortschreiten, aber noch mehr, daß er selbst durch uns handelt. Wenn die Versuchung gefährlich wird und die menschlichen Kräfte erlahmen, ist der Augenblick gekommen, noch inniger den Heiligen Geist anzurufen, damit er unserer Schwachheit zu Hilfe kommt und uns eingibt, klug und stark zu sein, wie Gott es will. Es ist notwendig, das Herz ständig diesem Einwirken offen zu halten, das die Kräfte des Menschen erhebt und veredelt sowie jene geistliche Tiefe verleiht, die zur Erkenntnis und Liebe des unbegreiflichen Geheimnisses Gottes führt.

Liebe Brüder im Priesteramt! Die feierliche Anrufung des Heiligen Geistes und die während der Priesterweihe vollbrachte eindrucksvolle Geste der Demut haben auch in unserem Leben das fiat der Verkündigung widerhallen lassen. In der Stille von Nazareth übereignet sich Maria für immer dem Willen des Herrn und empfängt durch den Heiligen Geist Christus, das Heil der Welt. Dieser Gehorsam des Anfangs durchzieht ihr ganzes irdisches Leben und gipfelt zu Füßen des Kreuzes.

Der Priester ist berufen, ständig sein fiat mit dem Marias zu messen, indem er sich wie sie vom Geist führen läßt. Die Jungfrau wird ihn in seinem Entschluß zur evangelischen Armut unterstützen sowie zum bescheidenen und ehrlichen Zuhören der Brüder und Schwestern bereit machen, um in ihren Schicksalen und ihren Strebungen die »Seufzer des Geistes« (vgl. Röm 8,26) zu vernehmen; er wird ihn dazu befähigen, seinen Mitmenschen mit erleuchtetem Feingefühl zu dienen, um sie nach den Werten des Evangeliums zu bilden; er wird ihn in der Absicht bestärken, mit Eifer nach dem zu streben, was oben ist (vgl. Kol 3,1), um glaubwürdiger Zeuge dafür zu sein, daß Gott der Vorrang gebührt.

Die Jungfrau Maria wird ihm helfen, das Geschenk der Keuschheit als Ausdruck einer größeren Liebe zu empfangen, das der Geist im Hinblick darauf weckt, daß eine große Schar von Brüdern und Schwestern zum göttlichen Leben wiedergeboren werden. Sie wird ihn auf den Weg des evangelischen Gehorsams führen, damit er sich über die eigenen Pläne hinaus vom Parakleten zur vollen Zustimmung zu den Absichten Gottes leiten läßt.

Von Maria begleitet, wird der Priester jeden Tag seine Weihe zu erneuern wissen, bis er unter der Führung des Geistes, den er mit Zuversicht auf dem menschlichen und priesterlichen Weg angerufen hat, in das Meer des Lichtes der Dreifaltigkeit eingeht.

Ich rufe auf Euch alle auf die Fürsprache Marias, der Mutter der Priester, eine besondere Ausgießung des Geistes der Liebe herab.

Komm, Heiliger Geist! Komm und mach unseren Dienst für Gott und an den Brüdern und Schwestern fruchtbar!

Indem ich meine Zuneigung Euch gegenüber erneuere und euch jeglichen göttlichen Trost für Euer Amt wünsche, erteile ich Euch aus ganzem Herzen den besonderen Apostolischen Segen.

Aus dem Vatikan, am 25. März, dem Hochfest der Verkündigung des Herrn 1998

im 20. Jahr des Pontifikates.

Johannes Paul II. PP.

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