Dialog und Mission

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Gedanken und Weisungen

Päpstliches Sekretariat für die Nichtchristen
Seiner Heiligkeit
Johannes Paul II.
an die Teilnehmer des internationalen Liturgiekongresses der Bischofskonferenzen in der Audienzaula
über die Haltung der Kirche gegenüber den Anhängern anderer Religionen
10. Juni 1984

(Quelle: Der Apostolische Stuhl 1984, S. 1864-1877)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Inhaltsverzeichnis

Einführung

Ein neuer Abschnitt

1. Das II. Vatikanische Konzil hat für die Beziehungen der Kirche zu den Anhängern der anderen Religionen einen neuen Abschnitt eingeleitet. Zahlreiche Konzilsdokumente beziehen sich ausdrücklich auf sie, und eines, nämlich Nostra aetate, ist ganz dem "Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen" gewidmet.

in einer sich wandelnden Welt

2. Die raschen Wandlungen in der Welt und die Vertiefung des Geheimnisses der Kirche als "allumfassendes Heilssakrament" (II. Vatikanisch 48) haben diese Haltung gegenüber den nichtchristlichen Religionen begünstigt.

"Durch die Öffnung, die vom II. Vatikanischen Konzil vollzogen wurde, konnten die Kirche und alle Christen zu einem vollständigeren Wissen um das Geheimnis Christi kommen" (RH 11).

Das Ideal des "Dialogs"

3. Diese neue Haltung hat den Namen "Dialog" bekommen. Das Wort ist als Norm und Ideal in der Kirche durch Paul VI. in der Enzyklika vom 6. August 1964 Ecclesiam suam gewürdigt worden. Seitdem wurde es oft beim Konzil und in der Sprache der Kirche verwendet. Es bezeichnet nicht nur das Gespräch, sondern auch das Ganze der positiven und konstruktiven Beziehungen zwischen den Religionen, mit Personen und Gemeinschaften anderen Glaubens, um sich gegenseitig kennenzulernen und einander zu bereichern.

Das vatikanische Sekretariat

4. Als institutionelles Zeichen für diesen Willen zu Gespräch und Begegnung mit den Anhängern anderer religiöser Traditionen in der Welt hat Papst Paul VI. in der Atmosphäre des II. Vatikanischen Konzils am Pfingstsonntag 1964 das Sekretariat für die Nichtchristen (Secretariatus pro non christianis) als von der Kongregation für die Evangelisierung der Völker unterschiedenes Organ eingesetzt. Seine Aufgaben wurden in der Konstitution Regimmi ecclesiae wie folgt umschrieben: "Methoden und Wege suchen zur Eröffnung eines entsprechenden Dialogs mit den Nichtchristen. Es wirkt also dahin, dass die Nichtchristen von den Christen richtig gekannt und gerecht eingeschätzt werden und dass die Nichtchristen ihrerseits Lehre und Leben der Christen entsprechend kennenlernen und schätzen können" (AAS 59, 1967, pp. 919-920).

schaut auf 20 Jahre Erfahrung zurück

5. Zwanzig Jahre nach der Veröffentlichung von Ecclesiam suam und nach seiner Gründung hat das Sekretariat in einer Vollversammlung die Dialogerfahrung überall in der Kirche ausgewertet und über die Haltungen kirchlicherseits gegenüber Andersgläubigen nachgedacht, zumal über das Verhältnis zwischen Dialog und Mission.

und legt ein Dokument vor

6. Die theologische Ausrichtung dieses Dokumentes geht vom II. Vatikanischen Konzil und den nachfolgenden Äußerungen des Lehramtes aus. Eine weitere Vertiefung durch die Theologen bleibt dennoch wünschenswert und notwendig. Die hier vorgelegten Gedanken sind von der Erfahrung angeregt und angereichert worden und haben daher vor allem pastoralen Charakter. Das Dokument möchte ein dem Evangelium entsprechendes Verhalten gegenüber den Andersgläubigen fördern, mit denen die Christen in der Stadt, am Arbeitsplatz und in der Familie zusammenleben.

für die christlichen Gemeinschaften

7. Mit diesem Dokument soll den christlichen Gemeinschaften und zumal ihren Verantwortlichen eine Hilfe geboten werden, um gemäß den Weisungen des Konzils zu leben; es möchte Elemente zur Lösung der Schwierigkeiten anbieten, die sich bei der Mission aus der gleichzeitigen Verpflichtung zu Evangelisierung und Dialog ergeben können. Die Vertreter der anderen Religionen können dann auch besser verstehen, wie die Kirche sie sieht und wie sie sich ihnen gegenüber verhalten möchte.

in ökumenischem Geist

8. Viele christliche Kirchen haben ähnliche Erfahrungen mit Andersgläubigen gemacht. Der ökumenische Rat der Kirchen besitzt ein Organ für den "Dialog mit den Völkern lebendigen Glaubens und Ideologien" innerhalb der Abteilung "Mission und Verkündigung des Evangeliums". Mit diesem Gremium unterhält das Sekretariat für die Nichtchristen ständige brüderliche Beziehungen, berät sich mit ihnen und arbeitet mit ihnen zusammen.

l. Mission

Die Liebe ist Quelle

9. Gott ist Liebe (1 loh 4,8.16). Seine Heilsliebe wurde den Menschen in Christus geoffenbart und mitgeteilt; sie ist in der Welt präsent und tätig durch den Heiligen Geist. Die Kirche muss für diese Liebe ein lebendiges Zeichen sein, so dass sie Lebensnorm für alle wird. Von Christus gewollt, ist ihre Mission eine Sendung der Liebe, denn in der Liebe findet sie Quelle, Ziel und Art der Ausübung dieser Sendung (vgl. AG 2; 5,12; EN 26). Jeder Aspekt und jede Tätigkeit der Kirche müssen daher von der Liebe geprägt sein, gerade um der Treue zu Christus willen, der die Mission aufgetragen hat und sie weiter innerlich trägt sowie innerhalb der Geschichte möglich macht.

für die Kirche

10. Wie das Konzil betont hat, ist die Kirche das messianische Volk, die sichtbare Versammlung und geistliche Gemeinschaft, das Volk, das pilgernd mit der ganzen Menschheit unterwegs ist, deren Erfahrung sie ebenfalls macht. Sie muss Sauerteig und Seele der Gesellschaft sein, um sie in Christus zu erneuern und zur Familie Gottes zu machen (vgl. LG 9; GS 9.40). "Dieses messianische Volk hat zum ... Gesetz das neue Gebot zu lieben, wie Christus uns geliebt hat. Seine Bestimmung ist das Reich Gottes, das von Gott selbst auf Erden grundgelegt wurde" (LG 9). "Die pilgernde Kirche ist daher ihrem Wesen nach ,missionarisch'" (AG 2, vgl. 6.35.36). Missionarisches Verhalten ist für jeden Christen normaler Ausdruck seines gelebten Glaubens.

der Mission

11. "Die Sendung der Kirche vollzieht sich mithin durch das Wirken, kraft dessen sie im Gehorsam gegen Christi Gebot und getrieben von der Gnade und Liebe des Heiligen Geistes allen Menschen und Völkern in voller Wirklichkeit gegenwärtig wird ... " (AG 5). Diese Aufgabe ist nur eine, vollzieht sich aber auf verschiedene Weise, je nach den Bedingungen, in denen die Mission im einzelnen zu wirken hat. "Diese Bedingungen hängen entweder von der Kirche oder von den Völkern, den Gemeinschaften und den Menschen ab, an die sich die Sendung richtet ... Jeder der genannten Bedingungen bzw. Stadien müssen eigene Wirkformen und geeignete Mittel entsprechen ...

Das eigentliche Ziel dieser missionarischen Tätigkeit ist die Evangelisierung und die Einpflanzung der Kirche bei den Völkern und Gemeinschaften, bei denen sie noch nicht Wurzel gefaßt hat" (AG 6). Andere Aussagen des gleichen Konzils betonen, dass zur Sendung der Kirche auch das Wirken für die Ausbreitung des Reiches und seiner Werte bei allen Menschen gehört (vgl. LG 5.9.35; GS 39.40-45.91.92; UR 2; DHu 14; AA 5).

Diese ist ständig zu vertiefen

12. Die verschiedenen Weisen und Aspekte der Sendung sind im Ganzen vom II. Vatikanischen Konzil umschrieben worden. Die folgenden Akte und Dokumente des kirchlichen Lehramtes, wie die Bischofssynode über soziale Gerechtigkeit (1971), die für Evangelisierung (1974) bzw. Katechese (1977), zahlreiche Ansprachen Pauls VI. und Johannes Pauls II. sowie der Bischofskonferenzen aus Asien, Afrika und Lateinamerika haben weitere Aspekte der Lehre des Konzils weiter entfaltet und z. B. "als ein wesentliches Element ihrer Sendung, das hiervon nicht getrennt werden darf" (RH 15), das Eintreten für den Menschen, für soziale Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenrechte bezeichnet, auch die Änderung ungerechter sozialer Strukturen.

und in vielfältigen Tätigkeiten zu verwirklichen

13. Im Bewusstsein der Kirche steht die Mission als eine einheitliche, aber komplexe und ausgeprägte Wirklichkeit da. Es lassen sich die Hauptelemente nennen. Die Mission wird bereits Wirklichkeit durch die einfache Präsenz und das lebendige Lebenszeugnis der Christen (vgl. EN 21), auch wenn anzuerkennen bleibt, dass wir "diesen Schatz in zerbrechlichen Gefäßen tragen" (2 Kor 4,7) und daher der Abstand zwischen dem, wie der Christ existentiell erscheint, und dem, was er zu sein behauptet, immer unüberbrückbar bleibt. Dazu kommt dann der konkrete Einsatz im Dienst am Menschen und alles Wirken für sozialen Fortschritt, auch der Kampf gegen die Armut und die Strukturen, die sie hervorrufen. Hinzuweisen ist ferner auf das liturgische Leben, Gebet und Kontemplation als beredte Zeugnisse für ein lebendiges und befreiendes Verhältnis zum lebendigen und wahren Gott, der uns zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit beruft (vgl. Apg 2,42).

Dann ist da der Dialog, bei dem die Christen den Anhängern anderer religiöser Überlieferungen begegnen, um gemeinsam auf die Wahrheit zuzustreben und bei Werken von gemeinsamem Interesse zusammenzuarbeiten. Endlich sind Verkündigung und Katechese zu nennen, wo die Frohbotschaft des Evangeliums verkündet wird und die Folgen für Leben und Kultur weiter vertieft werden. Dies alles gehört zur Mission.

als Aufgabe aller

14. Jede Teilkirche ist für die ganze Mission verantwortlich. Auch jeder Christ ist kraft seines Glaubens und seiner Taufe aufgerufen, sie irgendwie ganz zu erfüllen. Die Erfordernisse der Situationen, die besondere Stellung des Volkes Gottes und das persönliche Charisma befähigen den Christen, vorwiegend den einen oder anderen Aspekt der Mission mitzutragen.

nach dem Beispiel Christi

15. Das Leben Jesu enthält alle Elemente der Mission. Nach den Evangelien stellen wir bei ihm Schweigen und Tätigkeit fest, Gebet, Dialog und Verkündigung. Seine Botschaft ist untrennbar von seinem Tun; er verkündet Gott und sein Reich nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten und den Werken, die er vollbringt. Er nimmt den Widerspruch hin, den Misserfolg und den Tod; sein Sieg erfolgt durch die Hingabe seines Lebens. Alles ist bei ihm Mittel und Weg der Offenbarung und des Heiles (vgl. EN 6-12). So müssen es auch die Christen tun: "Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt" (Joh 13,35).

wie die Urkirche

16. Auch das Neue Testament bietet ein vielschichtiges und gegliedertes Bild der Mission. Es gibt eine Vielfalt von Diensten und Funktionen aufgrund verschiedenartiger Charismen (vgl. 1 Kor12, 28-30; Eph 4,11-12; Röm 12,6-8). Paulus selber betont die Besonderheit seiner eigenen missionarischen Berufung, wenn er erklärt: "Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkünden" (1 Kor 1,17). Daher finden wir neben den Aposteln, Propheten und Evangelisten andere, die zu gemeinschaftlichen Werken und zur Hilfe für die Leidenden berufen sind. Es gibt die Aufgaben der Familien, der Männer, Frauen und Kinder; es gibt die Pflichten der Herren und der Knechte. Jeder hat innerhalb der Gesellschaft ein besonderes Zeugnis zu geben.

Der 1. Petrusbrief gibt den Christen, die in einer Diasporasituation leben, Hinweise, die wegen ihrer Aktualität bis heute überraschen. Johannes Paul II. bezeichnete einen Abschnitt daraus als "Goldene Regel für das Verhältnis der Christen zu ihren andersgläubigen Mitbürgern: Haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig! Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt; aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig, denn ihr habt ein reines Gewissen" (1 Petr 3,15-16), (Ankara 29.11.1979).

und die bedeutenden Missionare

17. Unter den zahlreichen Beispielen aus der Geschichte der christlichen Mission sind die Normen bezeichnend, die der hl. Franziskus in der nicht bullierten Regel von 1221 den Brüdern gibt, die "von Gott angeregt zu den Sarazenen gehen möchten ... Sie können auf doppelte Weise unter ihnen die geistlichen Beziehungen ordnen. Die eine ist, dass sie keinen Streit oder Disput anfangen, sondern jedem menschlichen Geschöpf aus Liebe zu Gott untertan sind und bekennen, Christen zu sein. Die zweite Weise besteht darin, dass, wenn sie es als dem Herrn wohlgefällig erkennen, das Wort Gottes verkündigen".

Unser Jahrhundert hat erlebt, wie vor allem in der islamischen Welt die Erfahrung von Charles de Foucauld begann und sich bewährte, der die Mission in einer Haltung der Demut und des Schweigens in Vereinigung mit Gott ausübte, in Gemeinschaft mit den Armen und in universaler Brüderlichkeit.

in Achtung vor der Freiheit

18. Die Sendung richtet sich an den Menschen immer in voller Achtung vor seiner Freiheit. Deshalb hat das II. Vatikanische Konzil zwar die Notwendigkeit und Dringlichkeit betont, Christus, das Licht des Lebens, "mit der Tapferkeit der Apostel bis zur Hingabe des Lebens - wenn nötig - mit allem Freimut zu verbreiten" (DH 14), zugleich aber die Forderung eingeschärft, bei jedem Gesprächspartner echte Freiheit zu fördern und zu achten, ohne jeden Zwang, vor allem im Bereich des Religiösen.

"Die Wahrheit muss nämlich auf eine Weise gesucht werden, die der Würde der menschlichen Person und ihrer Sozialnatur eigen ist, d. h. auf dem Wege der freien Forschung, mit Hilfe des Lehramtes oder der Unterweisung, des Gedankenaustauschs und des Dialogs, wodurch die Menschen einander die Wahrheit, die sie gefunden haben oder gefunden zu haben glauben, mitteilen, damit sie sich bei der Erforschung der Wahrheit gegenseitig zu Hilfe kommen; an der einmal erkannten Wahrheit jedoch muss man mit personaler Zustimmung festhalten" (DH 3). "Man muss sich also bei der Verbreitung des religiösen Glaubens und bei der Einführung von Gebräuchen allzeit jeder Art der Betätigung enthalten, die den Anschein erweckt, als handle es sich um Zwang oder um unehrenhafte oder ungehörige Überredung, besonders wenn es weniger Gebildete oder Arme betrifft. Eine solche Handlungsweise muss als Missbrauch des eigenen Rechtes und als Verletzung des Rechtes anderer betrachtet werden" (DH 4).

und vor der Person

19. Die Achtung für jede Person muss in der heutigen Welt die Missionstätigkeit kennzeichnen (vgl. ES 77; AAS 56, 1964, S. 642-643; EN 79-80; RH 12). "Der Mensch ist der erste Weg, den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrages beschreiten muss" (RH 14). Diese Werte, die die Kirche weiter von Christus, ihrem Meister, lernt, müssen den Christen dahin führen, all das zu lieben und zu achten, was an der Kultur und am religiösen Bemühen des anderen sich an Gutem findet. "Es handelt sich um die Achtung vor allem, was der Christ in ihm gewirkt hat, der weht, wo er will" (RH 12; vgl. EN79). Die christliche Mission kann sich nie von der Liebe und der Achtung für die anderen loslösen, und das macht für uns Christen die Wichtigkeit des Dialogs bei der Mission deutlich.

II. Dialog

A) Grundlagen

20. Der Dialog ergibt sich nicht aus dem taktischen Opportunismus eines Augenblicks, sondern aus Vernunftsgründen, die durch Erfahrung, Nachdenken und sogar die Schwierigkeiten vertieft wurden.

Der Dialog gründet in personalen und sozialen Bedürfnissen

21. Die Kirche öffnet sich für den Dialog, um dem Menschen treu zu bleiben. In jedem Menschen und in jeder Menschengruppe lebt der Wunsch und das Bedürfnis, als verantwortliche Personen betrachtet zu werden und handeln zu können, sei es, wenn man etwas von anderen braucht, sei es vor allem, wenn man sich bewußt ist, etwas Mitteilenswertes zu besitzen. Wie die Humanwissenschaften betonen, erfährt der Mensch im zwischenpersönlichen Dialog seine eigenen Grenzen, aber auch die Möglichkeit, sie zu überwinden: Er findet heraus, dass er die Wahrheit nicht in vollkommener und totaler Weise besitzt, aber mit den anderen zusammen ihr vertrauensvoll entgegengehen kann.

Das gegenseitige Überprüfen, die Verbesserung des einen durch den anderen, der brüderliche Austausch der jeweiligen Gaben führen zu immer größerer Reife, aus der die zwischenpersönliche Gemeinschaft erwächst. Bei diesem Austauschvorgang können sogar religiöse Erfahrungen und Ansichten gereinigt und bereichert werden.

Diese Dymnaik menschlicher Beziehungen drängt uns Christen zum Hören und Verstehen dessen, was uns Andersgläubige vermitteln können, so dass wir die von Gott geschenkten Gaben uns nutzbar machen.

Der sozio-kulturelle Wandel mit den unvermeidlichen Spannungen und Schwierigkeiten, die wachsende gegenseitige Abhängigkeit auf allen Gebieten des menschlichen Zusammenlebens und der Förderung des Menschen, zumal alles, was für den Frieden gefordert ist, machen einen dialogischen Stil der Beziehungen heute noch dringlicher.

er wurzelt im Glauben an Gott, den Vater

22. Die Kirche fühlt sich freilich vor allem aufgrund ihres Glaubens zum Dialog gedrängt. Im Dreifaltigkeitsgeheimnis lässt uns die Offenbarung ein Leben in Gemeinschaft und gegenseitigem Austausch erahnen.

In Gott, dem Vater, betrachten wir eine Liebe, die zuvorkommt, ohne Grenzen an Raum und Zeit zu kennen. Das Weltall und die Geschichte sind voll von seinen Gaben. Jede Wirklichkeit und jedes Ereignis sind von seiner Liebe unterfangen. Obwohl sich das Böse gelegentlich gewaltsam bemerkbar macht, bleibt im Geschick eines jeden Menschen und Volkes die Kraft der Gnade präsent, die aufrichtet und erlöst.

Die Kirche hat die Aufgabe, den ganzen Reichtum zu entdecken, ans Licht zu heben und aufgehen zu lassen, den der Vater in Schöpfung und Geschichte verborgen hat, nicht nur, um den Ruhm Gottes in ihrer Liturgie zu feiern, sondern auch, um die Gaben des Vaters unter allen Menschen immer mehr kreisen zu lassen.

und den Sohn, der sich mit jedem Menschen vereint hat

23. In Gott, dem Sohn, ist uns das Wort und die Weisheit geschenkt, in der schon vor aller Zeit alles enthalten ist und besteht. Christus ist das Wort, das jeden Menschen erleuchtet, denn in ihm offenbart sich zugleich das Geheimnis Gottes und das Geheimnis des Menschen (vgl. RH 8.10.11.13), Er ist der Erlöser, der mit seiner Gnade bei jeder menschlichen Begegnung dabei ist, um uns von unserem Egoismus zu befreien und uns einander lieben zu lassen, wie er uns geliebt hat.

Johannes Paul II. schreibt: "Der Mensch - und zwar jeder Mensch ohne jede Ausnahme - ist von Christus erlöst worden. Christus ist mit jedem Menschen, ohne Ausnahme, in irgendeiner Weise verbunden, auch wenn sich der Mensch dessen nicht bewusst ist: Christus, der für alle gestorben und auferstanden ist, schenkt dem Menschen - jedem einzelnen und allen zusammen - fortwährend Licht und Kraft durch seinen Geist, damit er seiner höchsten Berufung entsprechen kann" (RH 13).

im Geist, der am Werk ist

24. In Gott, dem Heiligen Geist, lässt uns der Glaube jene Lebenskraft, Bewegungsmacht und Möglichkeit zu ständiger Erneuerung erkennen (vgl. LG 4), die in der Tiefe des Bewusstseins wirkt und den verborgenen Weg der Herzen zur Wahrheit hin begleitet (vgl. GS 22). Dieser Geist wirkt auch "außerhalb der sichtbaren Grenzen des mystischen Leibes" (RH 6; vgl. LG 16; GS22; AG 15). Der Geist nimmt den Weg der Kirche vorweg und begleitet ihn. Dabei weiß die Kirche sich freilich beauftragt, die Zeichen für seine Gegenwart zu erkennen und ihm zu folgen, wohin auch immer er sie führt, ihm endlich als demütige und taktvolle Mitarbeiterin zu dienen.

für die Verwirklichung des Reiches

25. Das Reich Gottes ist das Endziel aller Menschen. Die Kirche ist als sein "Keim und Beginn" (LG 5,9) darum bemüht, als Erste diesen Weg auf das Reich hin zu gehen und den ganzen Rest der Menschheit in die gleiche Richtung sich bewegen zu lassen.

Zu dieser Aufgabe gehört der Kampf gegen das Böse und die Sünde sowie der Sieg über sie, wobei sie immer bei sich selber beginnt und das Geheimnis des Kreuzes umfängt. Die Kirche bereitet damit auf das Reich vor, bis alle Brüder und Schwestern in Gott zu vollkommener Gemeinschaft gelangen.

Christus bedeutet für die Kirche und die Welt die Garantie dafür, dass die Endzeit bereits begonnen hat, dass das Ende der Geschichte bereits festgelegt ist (vgl. LG 48), dass daher die Kirche befähigt und aufgerufen ist, für die Vollendung aller Dinge in Christus sich einzusetzen.

durch Pflege der Keime

26. Diese Sicht hat die Väter des II. Vatikanischen Konzils zur Feststellung veranlaßt, dass in den nichtchristlichen religiösen Überlieferungen "wahre und gute Dinge" (OT 16) vorliegen, "wertvolle Elemente der Religion und Humanität" (GS 92), "Saatkörner des Wortes" (AG 11.15), "Strahlen jener Wahrheit, die alle Menschen erleuchtet" (NA 2). Nach ausdrücklichen Hinweisen des Konzils finden sich diese Werte in den großen Überlieferungen der Menschheit verdichtet vor. Sie verdienen daher die Aufmerksamkeit und Achtung zum Dialog (vgl. NA 2.3; AG 11), der nicht nur die schon irgendwie gemeinsamen Elemente umfaßt, sondern auch die gegensätzlichen.

in einem aufrichtigen Dialog.

27. Das II. Vatikanische Konzil vermochte daher auf konkrete Aufgaben hinzuweisen und folgende Aussagen zu machen:

"Um dieses Zeugnis Christi mit Frucht geben zu können, müssen sie (die Christen) diesen Menschen in Achtung und Liebe verbunden sein. Sie müssen sie als Glieder der Menschengruppe, in der sie leben, betrachten; durch die verschiedenen Beziehungen und Geschäfte des menschlichen Lebens müssen sie an den kulturellen und sozialen Angelegenheiten teilnehmen. Sie müssen auch mit ihren nationalen und religiösen Traditionen vertraut sein; mit Freude und Ehrfurcht sollen sie die Saatkörner des Wortes aufspüren, die in ihnen verborgen sind ... Wie Christus selbst ... so sollen auch seine Jünger, ganz von Christi Geist erfüllt, die Menschen, unter denen sie leben und mit denen sie umgehen, kennen; in aufrichtigem und geduldigem Zwiegespräch sollen sie lernen, was für Reichtümer der freigebige Gott unter den Völkern verteilt hat; zugleich aber sollen sie sich bemühen, diese Reichtümer durch das Licht des Evangeliums zu erhellen, zu befreien und unter die Herrschaft Gottes, des Erlösers, zu bringen" (AG 11; vgl. 41; AA 14.29 usw.).

B) Formen des Dialogs

28. Die Erfahrung der letzten Jahre hat eine Fülle von Formen gezeigt, in denen der Dialog sich vollziehen kann. Die hier aufgezeigten hauptsächlichen und typischen Formen werden je für sich oder zusammen mit anderen praktiziert.

Der Dialog des Lebens

29. Der Dialog ist vor allem ein Stil des Vorgehens, eine Haltung und ein Geist, der das Verhalten bestimmt. Zu ihm gehören Aufmerksamkeit, Achtung und Aufgeschlossenheit dem anderen gegenüber, dem man Raum lässt für seine persönliche Identität, seine Ausdrucksformen und Werte. Ein solcher Dialog ist Norm und notwendiger Stil für die ganze christliche Mission und jeden ihrer Teile, ob es um einfache Präsenz und um Zeugnisgeben geht, oder um Dienstangebote, oder um die direkte Verkündigung (CIC 787 § 1). Eine Mission, die nicht vom Geist des Dialogs durchdrungen wäre, würde sich gegen die Forderungen nach echter Menschlichkeit richten und den Hinweisen des Evangeliums widersprechen.

für alle

30. Jeder Jünger Christi ist kraft seiner Berufung als Mensch und Christ zu echtem Dialog in seinem täglichen Leben aufgerufen, ob er in einer Mehrheits- oder Minderheitssituation lebt. Er muss mit dem Geist des Evangeliums jede Umgebung prägen, in der er lebt und arbeitet: den familiären, sozialen, erzieherischen, künstlerischen, wirtschaftlichen, politischen usw. Bereich. So fügt sich der Dialog in die große Dymanik der Sendung der Kirche ein.

Der Dialog der Werke

31. Eine weitere Ebene bildet der Dialog der Werke und Zusammenarbeit für Zielsetzungen humanitären, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Charakters, die auf die Befreiung und Förderung des Menschen hinzielen. Das geschieht häufig in örtlichen, nationalen und internationalen Organisationen, wo Christen und Anhänger anderer Religionen gemeinsam die Probleme der Welt aufgreifen.

für die Zusammenarbeit

32. Sehr weit gespannt kann das Feld der Zusammenarbeit sein. Besonders im Hinblick auf die Muslime mahnt das II. Vatikanische Konzil, "das Vergangene beiseite zu lassen ... und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen" (NA 3; vgl. AG 11.12.15.21 ... ). Im gleichen Sinn haben sich Paul VI. zumal in Ecclesiam suam (AAS 56, 1964, p. 655) und Johannes Paul II. in seinen zahlreichen Begegnungen mit Oberhäuptern und Vertretern der verschiedenen Religionen ausgesprochen. Die großen Probleme, die die Menschheit bedrängen, rufen die Christen zur Zusammenarbeit mit den Andersgläubigen auf, gerade kraft der jeweiligen Glaubensüberzeugungen.

Der Dialog der Fachleute

33. Von besonderem Interesse ist der Dialog auf Ebene der Fachleute, sei es um das jeweilige religiöse Erbe vorzulegen, zu vertiefen und zu bereichern, sei es um seine Kräfte für die Probleme nutzbar zu machen, die sich der Menschheit im Verlauf ihrer Geschichte stellen.

Zu solchem Dialog kommt es normalerweise dort, wo der Gesprächspartner bereits eine Weltanschauung besitzt und einer Religion anhängt, die ihn zum Handeln treibt. Leichter wird er in den pluralistischen Gesellschaften, wo unterschiedliche Überlieferungen und Ideologien koexistieren und gelegentlich aufeinandertreffen.

im Dienst des Verstehens

34. Bei dieser Auseinandersetzung kennen und schätzen die Gesprächspartner ihre gegenseitigen geistlichen Werte und kulturellen Maßstäbe und fördern Gemeinschaft und Brüderlichkeit unter den Menschen (vgl. NA 1). Für den Christen handelt es sich zugleich um Mitarbeit an der Umwandlung der Kulturen im Sinn des Evangeliums (vgl. EN 18-20.63).

Der Dialog der religiösen Erfahrung

35. Auf tieferer Ebene können in ihrer eigenen Überlieferung verwurzelte Menschen ihre Erfahrungen in Gebet und Kontemplation, in Glauben und Tun austauschen als Ausdrucksformen und Wege des Suchens nach dem Absoluten. Diese Art von Dialog führt zu gegenseitiger Bereicherung und fruchtbarer Zusammenarbeit bei der Förderung und Wahrung der höchsten geistlichen Werte und Ideale des Menschen. Er regt natürlicherweise an, sich gegenseitig die Gründe des eigenen Glaubens mitzuteilen, und er hört nicht auf angesichts manchmal tiefreichender Gegensätze, er vertraut sich vielmehr in Demut und Zuversicht Gott an, "der größer ist als unser Herz" (1 loh 3,20). Der Christ hat damit Gelegenheit, dem anderen die Möglichkeit zu bieten, dass er auf existentielle Weise die Werte des Evangeliums erfahren kann.

III. Dialog und Mission

36. Die Beziehungen zwischen Dialog und Mission sind vielfältig. Wir verweilen hier bei einigen Aspekten, die im Augenblick bedeutsamer sind für die Herausforderungen und Probleme, die sich stellen, und für die geforderten Haltungen.

A) Mission und Bekehrung Der Aufruf zur Bekehrung

37. Die missionarische Verkündigung hat für das II. Vatikanische Konzil die Bekehrung zum Ziel: "Nur so werden sich die Nichtchristen glaubend, mit einem Herzen, das ihnen der Heilige Geist geöffnet hat, frei zum Herrn bekehren und ihm aufrichtig anhangen ... " (AG 13; CIC 787, Par. 2). Im Kontext des Dialogs zwischen Anhängern verschiedener Glaubensüberzeugungen läßt sich die Überlegung zum geistlichen Weg der Bekehrung nicht vermeiden.

In der biblischen und christlichen Sprache besteht die Bekehrung des demütigen und zerknirschten Herzens zu Gott in dem Verlangen, ihm das eigene Leben hochherziger zu unterwerfen (vgl. AG 13). Alle sind beständig zu solcher Bekehrung aufgerufen. In diesem Prozess kann sich die Entscheidung ergeben, eine frühere geistliche oder religiöse Situation zu verlassen, um sich einer anderen zuzuwenden. So kann sich das Herz zum Beispiel von einer begrenzten Liebe aus für eine universale Liebe öffnen.

Jeder echte Ruf Gottes bringt jeweils eine Selbstüberschreitung mit sich. Es gibt kein neues Leben ohne Tod, wie es die Dynamik des Paschamysteriums zeigt (vgl. GS 22). Außerdem ist jede Bekehrung "Werk der Gnade. In ihr muss der Mensch vollständig zu sich selbst zurückfinden" (RH 12).

in Achtung vor dem Gewissen

38. Bei diesem Bekehrungsvorgang hat das oberste Gesetz des Gewissens Vorrang, denn niemand darf "gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln. Er darf aber auch nicht daran gehindert werden, gemäß seinem Gewissen zu handeln, besonders in Bereich der Religion" (DH 3).

und dem lebenspendenden Geist

39. In christlicher Sicht ist Hauptagent der Bekehrung nicht der Mensch, sondern der Heilige Geist. "Er ist es, der jeden antreibt, das Evangelium zu verkünden, und er ist es auch, der die Heilsbotschaft in den Tiefen des Bewusstseins annehmen und verstehen lässt" (EN75). Er führt die Bewegung der Herzen und läßt den Akt des Glaubens an Jesus, den Herrn, entstehen (v gl. 1 Kor 2,4). Der Christ ist nur Werkzeug und Mitarbeiter Gottes (vgl. 1 Kor 3,9).

im gegenseitigen Verlangen nach Wachstum

40. Auch beim Dialog nährt der Christ normalerweise in seinem Herzen das Verlangen, seine Christuserfahrung mit dem Bruder aus der anderen Religion zu teilen (vgl. Apg 26,29; ES 46). Ebenso natürlich erscheint es, dass der Andersgläubige etwas Ähnliches wünscht.

B) Der Dialog zum Aufbau des Reiches Mitarbeit beim Plan Gottes

41. Gott versöhnt weiter die Menschen mit sich durch den Geist. Die Kirche vertraut auf die ihr gegebene Verheißung Christi, dass der Geist sie innerhalb der Geschichte in die Fülle der Wahrheit einführen wird (vgl. Joh 16,13). Deshalb geht sie den Menschen und Völkern und ihren Kulturen entgegen im Bewußtsein, dass jede menschliche Gemeinschaft Keime des Guten und der Wahrheit besitzt, und dass Gott einen Plan der Liebe für jede Nation hat (vgl. Apg 17,26-27). Die Kirche will daher mit allen an der Verwirklichung dieses Planes mitarbeiten und so den ganzen Reichtum der unendlichen und vielförmigen Weisheit Gottes auswerten, zugleich aber zur Evangelisierung der Kulturen beitragen (v gl. EN 18-20).

Förderung des universalen Friedens

42. "Wir wenden uns dann auch allen zu, die Gott anerkennen und in ihren Traditionen wertvolle Elemente der Religion und Humanität bewahren, und wünschen, dass ein offener Dialog uns alle dazu bringt, die Anregungen des Geistes treulich aufzunehmen und mit Eifer zu erfüllen. Der Wunsch nach einem solchen Dialog, geführt einzig aus Liebe zur Wahrheit und unter Wahrung angemessener Diskretion, schließt unsererseits niemanden aus, weder jene, die hohe Güter der Humanität pflegen, deren Urheber aber noch nicht anerkennen, noch jene, die Gegner der Kirche sind und sie auf verschiedene Weise verfolgen. Da Gott, der Vater, Ursprung und Ziel aller ist, sind wir alle dazu berufen, Brüder zu sein. Und darum können und müssen wir aus derselben menschlichen und göttlichen Berufung ohne Gewalt und ohne Hintergedanken zum Aufbau einer wahrhaft friedlichen Welt zusammenarbeiten" (GS 92; vgl. die Botschaft Pauls VI. und Johannes Pauls II. zum Welttag des Friedens).

in der Hoffnung

43. Der Dialog wird damit Quelle der Hoffnung und Werkzeug der Gemeinschaft in gegenseitiger Umformung. Der Heilige Geist aber leitet die Verwirklichung des Planes Gottes innerhalb der Geschichte der einzelnen und der gesamten Menschheit, bis die infolge der Sünde zerstreuten Kinder Gottes wieder zur Einheit zusammengeführt sind (vgl. Joh 11,52).

gemäß der Geduld Gottes

44. Gott allein kennt die Zeiten, er, dem nichts unmöglich ist, er, dessen geheimnisvoller und schweigsamer Geist den Einzelpersonen und Völkern die Wege des Dialogs öffnet, um die rassischen, sozialen und religiösen Unterschiede zu überwinden und sich gegenseitig zu bereichern. Wir leben also in der Zeit der Geduld Gottes, und in dieser Zeit wirkt die Kirche und jede christliche Gemeinschaft, denn niemand kann Gott verpflichten, schneller zu handeln, als er sich zu handeln entschlossen hat.

Doch angesichts der neuen Menschheit des dritten Jahrtausends möchte die Kirche ein offenes Christentum ausstrahlen, bereit, geduldig zu warten, bis der unter Tränen und doch vertrauensvoll ausgestreute Same aufgeht (vgl. Jak 5,7-8; Mk 4,26-30).