Die Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe (Wortlaut)

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Schreiben
Die Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe

Päpstlicher Rat für die Familie
im Pontifikat von Papst
Johannes Paul II.
13. Mai 1996

(Quelle: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 127, S. 81-118; auch in: Der Apostolische Stuhl 1996, 1028-1054)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Einleitung

1. Die Vorbereitung auf die Ehe, auf das Ehe- und Familienleben, ist für das Wohl der Kirche von besonderer Bedeutung, da das Sakrament der Ehe für die ganze christliche Gemeinschaft einen großen Wert darstellt. Dies gilt an erster Stelle für die Gatten, deren Entscheidung derart ist, dass sie weder unvorbereitet noch überhastet getroffen werden darf. In anderen Epochen konnte diese Vorbereitung auf die Unterstützung der Gesellschaft zählen, welche die Werte und Güter der Ehe anerkannte. Die Kirche verteidigte ohne Bedenken und vorbehaltlos die Heiligkeit der Ehe und war sich der Tatsache bewusst, dass das Sakrament der Ehe als Lebenszelle des Volkes Gottes für die Kirche selbst eine Garantie darstellt. Im Innern der Kirche, zumindest in den wirklich evangelisierten Gemeinschaften, war die Unterstützung für die Ehe entschlossen, einheitlich und geschlossen. Getrennte und gescheiterte Ehen waren selten, und die Ehescheidung wurde als gesellschaftliches "Übel" betrachtet (vgl. Gaudium et spes = GS 47).

Heute steht man dagegen in nicht wenigen Fällen vor einem einschneidenden Verfall der Familie und vor einer gewissen Zersetzung der Werte der Ehe. In vielen Nationen, vor allem in den Industrieländern, ist die Zahl der Eheschließungen zurückgegangen. Man verschiebt die Eheschließung heute gewöhnlich auf einen späteren Zeitpunkt, und die Zahl der Ehescheidungen und Trennungen – dazu kommt es oft schon in den ersten Jahren des Ehelebens – steigt. Aufgrund dieser Umstände nehmen die Sorgen in der Pastoral zu, und immer wieder stellt man sich die Frage: Ist derjenige, der heute den Bund der Ehe eingeht, wirklich darauf vorbereitet? Die Frage der Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe und auf das dann folgende gemeinsame Leben erscheint wie eine große pastorale Notwendigkeit – zwar in erster Linie zum Wohl der Gatten, aber auch zum Wohl der ganzen christlichen Gemeinschaft und der Gesellschaft. Deshalb nehmen das Interesse und die Initiativen überall zu, um auf die mit der Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe verbundenen Fragen entsprechende und angemessene Antworten zu geben.

2. Der Päpstliche Rat für die Familie steht mit den Bischofskonferenzen und Bischöfen in ständigem Kontakt und hat bei verschiedenen Begegnungen, Versammlungen, vor allem bei den Ad-limina-Besuchen, ihre pastorale Sorge um die Vorbereitung und Feier des Sakraments der Ehe und des Ehelebens aufmerksam verfolgt. Wiederholt wurde er bei diesen Anlässen um eine Orientierungshilfe für die Vorbereitung der christlichen Verlobten gebeten. Der vorliegende Entwurf soll nun eine solche Hilfe darstellen. Er macht sich die Beiträge vieler Apostolischer Bewegungen, Gruppen und Vereinigungen zunutze, die in der Familienpastoral zusammenarbeiten und für die Ausarbeitung dieses richtungweisenden Dokuments ihre Unterstützung, ihren Rat und ihre Erfahrung angeboten haben. Für alle, die auf das christliche Sakrament der Ehe zugehen, ist die Vorbereitung auf die Trauung ein willkommener und bevorzugter Augenblick sowie ein Kairos, das heißt eine Zeit, in der Gott zu den Verlobten spricht und in ihnen die Berufung zur Ehe und zu dem damit verbundenen Leben weckt. Die Verlobung gehört in den Kontext eines intensiven Evangelisierungsprozesses. Denn im Leben der Verlobten und zukünftigen Gatten tauchen Fragen auf, die sich auf die Familie auswirken. Deshalb sollen sie verstehen, was verantwortungsbewusste und reife Liebe der Lebens- und Liebesgemeinschaft bedeutet, die einmal ihre Familie sein wird, eine wahre Hauskirche, die zur Bereicherung der ganzen Kirche beitragen soll.

Die Vorbereitung schließt aufgrund ihrer wichtigen Bedeutung einen Evangelisierungsprozess ein, der Reifung und Fortschritt im Glauben ist. Wenn der Glaube nur schwach, ja fast gar nicht vorhanden ist (vgl. Familiaris consortio = FC 68), ist es notwendig, ihn wiederzubeleben, und man darf eine anspruchsvolle und geduldige Unterweisung nicht ausschließen, die einen eifrigen und lebendigen Glauben weckt und nährt. Vor allem dort, wo das Umfeld heidnisch geworden ist, wird ein "einem Katechumenat vergleichbarer Glaubensweg" (FC 66) besonders ratsam sein, und eine Vorstellung der christlichen Grundwahrheiten, die Braut und Bräutigam helfen, die Reife des Glaubens zu erlangen oder zu stärken. Es wäre wünschenswert, wenn sich der bevorzugte Augenblick der Vorbereitung auf die Ehe im Zeichen der Hoffnung in eine Neuevangelisierung für die zukünftigen Familien verwandelt.

3. Die Lehraussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils (GS 52), die Weisungen des Päpstlichen Lehramts (FC 66) und die kirchliche Gesetzgebung (Codex Iuris Canonici = CIC, can. 1063; Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium = CCEO, can. 783), der Katechismus der Katholischen Kirche (Nr. 1632) und andere Verlautbarungen des päpstlichen Lehramts wie zum Beispiel die Charta der Familienrechte bringen die obengenannte Sorge deutlich zum Ausdruck. Die beiden jüngsten Verlautbarungen des päpstlichen Lehramts (der Brief an die Familien Gratissimam sane und die Enzyklika Evangelium vitae = EV) stellen eine beträchtliche Hilfe für unsere Aufgabe dar.

Der Päpstliche Rat für die Familie hat, wie gesagt, unter Berücksichtigung der wiederholt vorgetragenen Sorgen die Überlegungen zu diesem Thema eingeleitet und sich hauptsächlich "auf die Vorbereitungsseminare" im Sinne des Apostolischen Schreibens Familiaris consortio konzentriert. Bei der Abfassung des vorliegenden Dokuments ist er wie folgt vorgegangen.

Im Jahr 1991 befasste sich der Rat auf seiner Vollversammlung (30. September – 5. Oktober) mit dem Thema der Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe. Das Präsidium des Päpstlichen Rates für die Familie und die zu ihm gehörenden Ehepaare hatten zahlreiches Material vorgelegt, so dass ein erster Entwurf ausgearbeitet werden konnte. Daraufhin wurde für den Zeitraum vom 8.–13. Juli 1992 eine Arbeitsgruppe aus Bischöfen, Beratern und Fachleuten einberufen, die den zweiten Entwurf erstellten. Dieser Entwurf wurde dann den Bischofskonferenzen zugeschickt mit der Bitte um ergänzende Anregungen und Beiträge. Eine Arbeitsgruppe prüfte 1995 die in großer Zahl eingegangenen Antworten und angemessenen Vorschläge und verwertete sie für den folgenden Entwurf. Nun stellt der Päpstliche Rat für die Familie Richtlinien vor, die als Grundlage für die pastorale Tätigkeit im Hinblick auf die Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe dienen sollen. Sie sollen den Bischofskonferenzen bei der Abfassung ihres Direktoriums eine Hilfe sein und zu einem größeren pastoralen Einsatz in den Diözesen, Pfarreien und apostolischen Bewegungen ermutigen (vgl. FC 66).

4. Die "Magna Charta" für die Familien, die das erwähnte Apostolische Schreiben Familiaris consortio darstellt, hat eines bereits deutlich aufgezeigt: "Die inzwischen eingetretenen Veränderungen im sozialen Gefüge fast aller modernen Staaten erfordern jedoch, dass nicht nur die Familie, sondern auch die Gesellschaft und die Kirche daran mitwirken, die jungen Menschen auf die Verantwortung für ihre Zukunft richtig vorzubereiten. (…) Darum muss die Kirche bessere und intensivere Programme zur Ehevorbereitung entwickeln und fördern, um die Schwierigkeiten möglichst zu beseitigen, mit denen so viele Ehen zu ringen haben, vor allem aber auch, um die Bildung und das Heranreifen von geglückten Ehen positiv zu unterstützen" (FC 66).

Der Codex des kanonischen Rechtes verpflichtet zu einer "persönlichen Vorbereitung auf die Eheschließung, durch welche die Brautleute in die Heiligkeit und in die Pflichten ihres neuen Standes eingeführt werden" (CIC can. 1063, 2; CCEO can. 783 § 1). Diese Verordnung ist auch im Ordo celebrandi matrimonium (= OCM 12) zu finden.

In seiner Ansprache vor der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie (4. Oktober 1991) fügte der Papst hinzu: "Je mehr es durch die Umwelt erschwert wird, die Wahrheit über das christliche Sakrament, ja über die Ehe selbst zu erfassen, desto größere Bemühungen sind notwendig, um die Brautleute auf ihre Verantwortung angemessen vorzubereiten". Und der Papst sprach weiterhin ganz konkret von den Ehevorbereitungsseminaren: "Ihr konntet feststellen, dass es angesichts der Notwendigkeit, solche Seminare in den Pfarreien anzubieten, und angesichts der positiven Ergebnisse der verschiedenen angewandten Methoden angebracht scheint, die anzuwendenden Kriterien in Form von Richtlinien oder eines Direktoriums zu verdeutlichen, um den Teilkirchen eine gute Hilfe zur Verfügung zu stellen". Dies gilt um so mehr, da es innerhalb der Teilkirchen für einige Teile ",des Volkes des Lebens und für das Leben' entscheidend auf die Verantwortlichkeit der Familie ankommt: eine Verantwortlichkeit, die dem der Familie eigenen Wesen – nämlich auf die Ehe gegründete Lebens- und Liebesgemeinschaft zu sein – und ihrer Sendung, die Liebe zu hüten, zu offenbaren und mitzuteilen' (FC 17)" (EV 92).

5. In dieser Absicht legt der Päpstliche Rat für die Familie dieses Dokument vor, das die Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe und seine Feier zum Gegenstand hat.

Die vorgezeichneten Linien stellen einen Weg dar zur entfernteren, näheren und unmittelbaren Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe (vgl. FC 66). Das vorgelegte Material ist in erster Linie für die Bischofskonferenzen, die einzelnen Bischöfe und ihre pastoralen Mitarbeiter in der Ehevorbereitung bestimmt. Es richtet sich aber auch – und es könnte auch gar nicht anders sein – an die Verlobten, insofern als sie Gegenstand dieser pastoralen Sorge der Kirche sind.

6. Den Verlobten, die sich in besonderen Situationen befinden, wie sie der CIC in can. 1071, 1072 und 1125 bzw. der CCEO in can. 789 und 814 vorsehen, wird eine besondere pastorale Aufmerksamkeit vorbehalten sein. Die Linien, die in diesem Dokument vorgezeichnet werden, können, auch wenn sie nicht in ihrer Gesamtheit anzuwenden sind, trotzdem zur Orientierung und gebührenden Begleitung der Verlobten hilfreich sein.

In Treue zum Willen und zur Lehre Christi verleiht die Kirche durch ihre Gesetzgebung, in der sie sich um jede Situation der Gläubigen sorgt, ihrer pastoralen Liebe Ausdruck. Die angebotenen Kriterien sollen eine wirksame Hilfe darstellen und dürfen daher nicht als weitere zwingende Forderungen verstanden werden.

7. Hinter der letztlich theologischen Begründung, die die Leitlinien prägt, steht die Überzeugung, dass die Ehe ein Gut ist, das in der Schöpfung ihren Ursprung hat und deshalb zutiefst in der menschlichen Natur verwurzelt ist. "Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer die Menschen am Anfang als Mann und Frau geschaffen hat und dass er gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein?" (Mt 19,4-5). Deshalb trägt das, was die Kirche für Ehe und Familie wirkt, gewiß zum Wohl der Gesellschaft als solcher und zum Wohl aller Menschen bei. Denn die christliche Ehe macht, auch als Ausdruck eines neuen von Christus, dem Auferstandenen, verwirklichten Lebens, immer die Wahrheit der ehelichen Liebe deutlich und ist daher gleichsam Prophetie, die ganz klar die wahre Forderung des Menschseins verkündet: Mann und Frau sind von Anfang berufen, in der Lebens- und Liebesgemeinschaft sowie in der Komplementarität zu leben, die die menschliche Würde der Eheleute sowie das Wohl der Kinder und der Gesellschaft erhöhen, und zwar in Verbindung mit "dem Schutz und der Förderung des Lebens (…) Aufgabe und Verantwortung aller" (EV 91).

8. Deshalb betrachtet das vorliegende Dokument sowohl die natürlichen Wirklichkeiten des Menschen, die der göttlichen Einsetzung eigentümlich sind, als auch die besonderen Wirklichkeiten des von Christus eingesetzten Sakraments und gliedert sich konkret in drei Teile:

(1) Die Bedeutung der Vorbereitung auf die christliche Ehe

(2) Die Stufen oder Zeiten der Vorbereitung

(3) Die Feier der Trauung.


I. Die Bedeutung der Vorbereitung auf die christliche Ehe

9. Ausgangspunkt für den Weg der Vorbereitung auf die Ehe ist das Bewusstsein, dass Christus der Herr den Ehebund in der Kraft des Heiligen Geistes zum Sakrament des Neuen Bundes gemacht und erhöht hat. Das Sakrament verbindet die Eheleute mit der sich verschenkenden Liebe Christi, des Bräutigams, zur Kirche (vgl. Eph 5, 35-32), indem es sie zum Abbild dieser Liebe macht und sie an ihr teilhaben läßt. Durch den Empfang des Sakramentes gereichen die Eheleute dem Herrn zum Lob, der die eheliche Verbindung und das Leben der Christgläubigen, die es feiern, heiligt, indem es eine christliche Familie als Hauskirche und "Grund- und Lebenszelle der Gesellschaft" (Apostolicam actuositatem, 11) sowie als "Heiligtum des Lebens" (EV 92; ebenso 6, 88, 94) stiftet. Daher wird das Sakrament im Herzen des Neuen Bundes, das heißt im Ostergeheimnis, gefeiert und empfangen. Christus, der Bräutigam, der mitten unter den Seinen ist (vgl. Gratissimam sane, 18; Mt 9,15), ist die Quelle aller Kraft, so dass die christlichen Eheleute und Familien weder einsam noch verlassen sind.

Für die Christen schließt die Ehe, die ihren Ursprung in Gott dem Schöpfer hat, darüber hinaus die Berufung zu einem besonderen Stand und Gnadenleben ein. Um diese Berufung zu ihrer vollen Reife führen zu können, ist eine angemessene und besondere Vorbereitung nötig. Die Berufung zur Ehe ist ein besonderer Weg des Glaubens und der Liebe, zumal sie zum Wohl der Kirche und der Gesellschaft an die Eheleute ergeht: und dies mit der ganzen Bedeutung und Kraft einer öffentlichen Verpflichtung, die sie vor Gott und der Gesellschaft eingehen und die die Grenzen des einzelnen übersteigt.

10. Trotz der gegenwärtigen Schwierigkeiten birgt die Ehe als Lebens- und Liebesgemeinschaft sowohl als natürlich-göttliche Institution als auch als Sakrament immer in sich eine Quelle von beträchtlichen Energien (vgl. FC 43). Die Brautleute können dank dieser Quelle durch ihr Zeugnis zu einer Guten Nachricht werden, in starkem Maß zur Neuevangelisierung beitragen und die Zukunft der Gesellschaft sichern. Die Brautleute und die kirchliche Gemeinschaft müssen diese Energien allerdings in der Phase, die der Feier der Trauung vorausgeht und ihre Vorbereitung darstellt, entdecken, schätzen und aufwerten.

Viele Diözesen in der Welt bemühen sich um neue Formen für eine immer angemessenere Ehevorbereitung. Dem Päpstlichen Rat für die Familie wurden zahlreiche positive Erfahrungen weitergeleitet. Sie werden sich zweifellos immer mehr festigen und eine wirksame Hilfe darstellen, wenn sie in den Bischofskonferenzen und jedem Bischof bekannt sind und in der Pastoral der Ortskirche geschätzt werden.

Was hier Vorbereitung genannt wird, umfasst einen umfangreichen und anspruchsvollen Erziehungsprozess zum Eheleben, das in der Gesamtheit seiner Werte zu betrachten ist. Berücksichtigt man die augenblickliche psychologische und kulturelle Situation, so erscheint die Vorbereitung auf die Ehe als dringende Notwendigkeit. Denn Ehevorbereitung heißt Erziehung zur Achtung vor dem Leben und zum Schutz des Lebens, das im Heiligtum der Familien für die zu einer wahren und eigentlichen Kultur des menschlichen Lebens in allen seinen Äußerungen und Stadien werden muss, die zum Volk des Lebens und für das Leben gehören (vgl. EV 6, 78, 105). Die Wirklichkeit der Ehe ist so reichhaltig, dass sie zuerst einen Sensibilisierungsprozess erfordert, damit die Verlobten die Notwendigkeit verspüren, sich darauf vorzubereiten. In der Familienpastoral geht es daher darum, sich um eine Verbesserung dieser Vorbereitung zu bemühen, wobei die Hilfen einer gesunden Pädagogik und Psychologie zu berücksichtigen sind.

Mit einem anderen vom Päpstlichen Rat für die Familie vor kurzem veröffentlichten Dokument Menschliche Sexualität: Wahrheit und Bedeutung. Orientierungshilfen zur Erziehung in der Familie (8. Dezember 1995) kommt der Rat den Familien in ihrer Aufgabe der Sexualerziehung der Kinder entgegen.

11. Schließlich wurde die Sorge der Kirche auf diesem Gebiet aufgrund der bereits angedeuteten Umstände immer drängender. Dabei stellt sie einerseits zwar die Wiedergewinnung von wichtigen Werten und Gesichtspunkten der Ehe und Familie fest und sieht, wie viele Eheleute und christliche Familien mit ihrem Leben ein freudiges Zeugnis geben. Andererseits steigt aber die Zahl derjenigen, die den Wert der Ehe nicht kennen oder ablehnen und ihr mit Misstrauen begegnen, das sogar soweit führt, dass sie ihre Güter und Werte bezweifeln oder zurückweisen (vgl. GS 48). Heute stellt man leider die besorgniserregende Verbreitung einer "Kultur" oder Mentalität des Misstrauens gegenüber der Familie als notwendigem Wert für die Eheleute, Kinder und die Gesellschaft fest. Die Gesetzgebung sieht Haltungen und Maßnahmen vor, die die auf der Ehe gegründete Familie nicht unterstützen und sogar ihre Rechte leugnen. In verschiedenen Teilen der Welt breitet sich in der Tat eine säkularisierte Atmosphäre aus. Sie zieht besonders die jungen Menschen in ihren Bann und unterwirft sie dem Druck einer säkularisierten Umwelt, in der man letztlich den Sinn für Gott verliert und demzufolge auch den tiefen Sinn der ehelichen Liebe und der Familie. Heißt dies nicht, Gott zu leugnen, den Ursprung und die Quelle dieses inneren Geheimnisses auszuschließen? (vgl. GS 22). Die Leugnung Gottes in ihren verschiedenen Formen bringt oft die Ablehnung der Institutionen und Strukturen mit sich, die zum Plan Gottes gehören, der mit der Schöpfung begonnen hat und sich seitdem verwirklicht (vgl. Mt 19,3ff.). In dieser Sicht wird alles als vom Willen des Menschen abhängig gesehen und/oder von Mehrheitsbeschlüssen, die veränderlich sind.

12. In den Ländern, in denen der Prozess der Entchristlichung ein starkes Ausmaß angenommen hat, zeichnet sich eine besorgniserregende Krise der moralischen Werte ab, insbesondere ein Identitätsverlust der christlichen Ehe und Familie und damit der Bedeutungsverlust der Verlobung. Zu diesem Identitätsverlust tritt eine Wertkrise innerhalb der Familie, zu der eine allgemeine, auch gesetzliche, Freizügigkeit beiträgt. Diese Freizügigkeit wird nicht gerade wenig von den sozialen Kommunikationsmitteln geschürt, insofern diese entgegengesetzte Modelle vorgeben, als ob sie wahre Werte darstellten. So hat sich eine dem Anschein nach kulturelle Struktur gebildet, die sich den neuen Generationen als Alternative zum christlichen Verständnis des Ehelebens und der Eheschließung, zu ihrem sakramentalen Wert und ihrer Verbindung zur Kirche darbietet.

Die Phänomene, die diese Wirklichkeit bestätigen und die genannte Kultur bestärken, hängen mit neuen Lebensstilen zusammen, die die menschlichen Dimensionen der Partner herabsetzen, was für die Familie verheerende Folgen hat. An dieser Stelle soll auf einige Folgen hingewiesen werden: sexuelle Freizügigkeit, Rückgang der Eheschließungen oder das ständige Hinauszögern der Entscheidung, Anstieg der Ehescheidungen, Empfängnisverhütung, Anstieg willentlicher Abtreibungen, geistliche Leere und tiefe Unzufriedenheit, die zur Verbreitung von Drogen, Alkoholmissbrauch, Gewalt und Selbstmord unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen führen.

In anderen Gebieten der Erde bedrohen Unterentwicklung, äußerste Armut, Elend oder kulturelle Gegebenheiten, die dem christlichen Verständnis widersprechen oder fremd sind, die Festigkeit der Familie und behindern und erschweren eine umfassende Erziehung zur christlichen Liebe.

13. Die freizügigen Gesetze verschlimmern diese Situation nur noch, da sie, was Ehescheidung, Abtreibung und sexuelle Freizügigkeit angehen, mit aller Macht eine Mentalität einhämmern, die die Familie schwer verletzt (vgl. EV 59). Viele Kommunikationsmittel<ref>Dabei handelt es sich um eines der Themen, die bei dem vom Päpstlichen Rat für die Familie in Zusammenarbeit mit dem Päpstlichen Rat für die sozialen Kommunikationsmittel durchgeführten Treffen vom 2.–4. Juni 1993 behandelt wurden.</ref> verbreiten ein Klima der Freizügigkeit und tragen zu seiner Festigung bei. So schaffen sie eine Struktur, die eine normale Entwicklung der Jugendlichen im christlichen Glauben, die Verbindung zur Kirche sowie die Erkenntnis des sakramentalen Charakters der Ehe und der mit der Feier der Trauung verbundenen Verpflichtung verhindern. Die Vorbereitung auf die Ehe war zwar schon immer notwendig, aber die christliche Kultur erleichterte früher Ansatz und Aufnahme dieser Vorbereitung. Heute ist sie zum Teil mühevoller und dringlicher.

14. Aus all diesen Gründen hat Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio – das die Ergebnisse der Synode über die Familie (1980) aufgreift – darauf hingewiesen: "Notwendiger als je zuvor ist heute die Vorbereitung der jungen Menschen auf die Ehe und das Familienleben. (…) Darum muss die Kirche bessere und intensivere Programme zur Ehevorbereitung entwickeln und fördern, um Schwierigkeiten möglichst zu beseitigen, mit denen so viele Ehen zu ringen haben, vor allem aber auch um die Bildung und das Heranreifen von geglückten Ehen positiv zu unterstützen" (FC 66).

In diesem Sinne und mit dem Ziel, organisch auf die Bedrohungen und Anforderungen der augenblicklichen Stunde zu antworten, ist es zu wünschen, dass die Bischofskonferenzen sich um die Veröffentlichung eines "Leitfadens für Familienpastoral sorgen" (ebd.). Darin sollen die für eine wirkungsvollere Pastoral notwendigen Fragen behandelt und skizziert werden. Es geht dabei um eine Pastoral, die die Identität der christlichen Ehe und Familie wiedergewinnt, damit die Familie wieder zu einer Gemeinschaft von Personen im Dienst am menschlichen Leben und am Glauben wird, zur ersten Lebenszelle der Gesellschaft, zu einer wirklich glaubenden und evangelisierenden Gemeinschaft, zu einer wirklichen "Hauskirche, einem Ort der Gemeinschaft und des kirchlichen Dienstes" (ebd.). "Als Hauskirche ist die Familie aufgerufen, das Evangelium vom Leben zu verkünden, zu feiern und ihm zu dienen" (EV 92; vgl. auch ebd. 28, 78, 79, 105).

15. Der Päpstliche Rat für die Familie hat die verschiedenen Initiativen vieler Bischofskonferenzen und Diözesanbischöfe in dieser Richtung zur Kenntnis genommen und gewürdigt. Da es sich dabei um ein wichtiges Thema handelt, ruft er sie auf, diesen pastoralen Dienst mit neuem Einsatz fortzusetzen. Sie haben nützliches Material für die Ehevorbereitung und die Begleitung der Verheirateten bereitgestellt. In Anlehnung an die Leitlinien des Heiligen Stuhls legt der Päpstliche Rat für die Familie nun diese Anregungen zur Überlegung vor, die sich ausschließlich auf einen Teil des obengenannten Direktoriums beziehen: auf den Teil, der von der Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe handelt. Die Überlegungen können so dazu dienen, die für die angemessene Vorbereitung auf die christliche Ehe und das Familienleben notwendigen Gesichtspunkte besser vorzuzeichnen und zu entfalten.

16. Wie aus dem in der Tradition der Kirche lebendigen und vom Lehramt ausgelegten Wort Gottes deutlich hervorgeht, setzt die Ehe für die christlichen Eheleute die Antwort auf die göttliche Berufung und die Zustimmung zur Sendung voraus, nämlich Zeichen der Liebe Gottes für alle Glieder der Menschheitsfamilie zu sein, insofern die Ehe Teilhabe am endgültigen Bund Christi mit der Kirche ist. Daher werden die Eheleute im Geschenk der Liebe und des Lebens zu Mitarbeitern des Schöpfers und Erlösers. Deshalb kann man die Vorbereitung auf die christliche Ehe als einen Weg des Glaubens bezeichnen, der nicht mit der Feier der Trauung beendet ist, sondern sich im ganzen Familienleben fortsetzt. Infolgedessen beschränkt sich unsere Sicht nicht auf die Trauung als einmaligen Akt, auf den Augenblick der Feier, sondern auf die Ehe als fortwährenden Stand. Auch aus diesem Grund ist die Ehevorbereitung eine "hervorragende Gelegenheit, dass die Verlobten den Glauben, den sie in der Taufe empfangen und während ihrer christlichen Erziehung entfaltet haben, neu entdecken und vertiefen. Auf diese Weise anerkennen sie und übernehmen sie in Freiheit die Berufung, im Ehestand Christus nachzufolgen und dem Reich Gottes zu dienen" (FC 51).

Die Bischöfe sind sich bewusst, wie dringend und unentbehrlich es ist, im Rahmen eines stufenweisen und ständigen Bildungsprozesses besondere Vorbereitungswege anzugeben und zur Sprache zu bringen (vgl. OCM 15). Man sollte in der Tat daran erinnern, dass die wahre Vorbereitung auf eine bewusste und willentliche Feier des Ehesakraments zielt. Diese Feier ist aber Quelle und Ausdruck von anspruchsvollen und fortwährenden Verpflichtungen.

17. Wie die Erfahrung vieler Hirten und Erzieher lehrt, kann die Verlobungszeit eine Zeit des gegenseitigen Kennenlernens sein, aber auch der Vertiefung des Glaubens und daher eine Zeit von besonderen übernatürlichen Gaben für eine persönliche und zwischenmenschliche Spiritualität; leider kann der unverantwortliche Umgang mit der Sexualität, der nicht zur Reifung in der bräutlichen Liebe beiträgt, bei vielen das menschliche und christliche Heranreifen, für das diese Zeit bestimmt ist, beeinträchtigen. Und so kommt es, dass manchmal sogar eine gewisse Apologie der vorehelichen Beziehungen betrieben wird.

Ob bei den Verlobten die Vertiefung im Glauben glückt und gelingt, hängt auch mit ihrer Vorbildung zusammen. Andererseits hat die Art und Weise, wie diese Zeit gelebt wird, sicherlich einen Einfluss auf das zukünftige Ehe- und Familienleben. Von daher ist die Hilfe, die die jeweiligen Familien und die ganze Gemeinschaft der Kirche den Verlobten anbieten, von entscheidender Bedeutung. Diese besteht nämlich auch im Gebet; von Bedeutung ist in dieser Hinsicht auch der im Benediktionale (De benedictionibus, Nr. 195–214) vorgesehene Segen über die Verlobten, worin auch an die Zeichen dieser anfänglichen Verpflichtung erinnert wird: den Ring, die gegenseitigen Geschenke oder andere Gebräuche (Nr. 209–210). Man muss jedenfalls die menschliche Dimension der Verlobung anerkennen und sie von jeder Banalisierung befreien. Der Grund für die Notwendigkeit einer besonders gründlichen Vorbereitung liegt sowohl im Wert der Ehe und des Ehesakraments als auch in der entscheidenden Bedeutung der Verlobungszeit. Letztere wird heute leider oft über mehrere Jahre hingezogen, was mit den Schwierigkeiten verschiedener Art verbunden ist, die eine derartige Situation mit sich bringt.

18. Demzufolge muss die Erziehungsaufgabe in der Programmplanung der Diözese und der Pfarrei einen angemessenen Raum einnehmen und sich entfalten können. Darüber hinaus sollen die besten Erfahrungen in einem Austausch der pastoralen Erfahrungen unter den einzelnen Diözesen und im Rahmen der Bischofskonferenzen geprüft und weitergegeben werden können. In diesem Rahmen sind Pastoralpläne zu erstellen, die die Familienpastoral bevorzugen, die das gesamte kirchliche Leben bereichert. Deshalb erweist es sich ebenfalls als wichtig, dass man die Formen von Katechese und Erziehung für die Heranwachsenden kennt; darüber hinaus sollte man aber auch über die verschiedenen Arten von Berufungen und die christliche Liebe sowie über die Wege der Vorbereitung der Verlobten, die Formen, unter denen die im Glauben fortgeschrittenen Eheleute in diese Vorbereitung integriert werden, unterrichtet sein; schließlich sollte man die besten Methoden kennen, um für die jungen Menschen, die sich auf die Ehe vorbereiten, eine geeignete geistliche und kulturelle Atmosphäre zu schaffen.

19. Wie auch das Apostolische Schreiben Familiaris consortio sagt, gilt es drei hauptsächliche Stufen oder Momente in der Ehevorbereitung zu unterscheiden: die entferntere, die nähere und die unmittelbare Vorbereitung.

Die besonderen und jeder Stufe eigenen Ziele werden erreicht, wenn die Verlobten – außer den elementaren menschlichen Eigenschaften und den Grundwahrheiten des Glaubens – auch die wesentlichen theologisch-liturgischen Inhalte kennen, die die verschiedenen Phasen der Vorbereitung kennzeichnen. Demzufolge werden die Verlobten in der Bemühung, ihr Leben mit jenen Werten abzustimmen, jene wahre Bildung erwerben, die sie auf das Eheleben vorbereitet.

20. Die Vorbereitung auf die Ehe muss sich in die Bemühungen einfügen, die Kultur in ihren Wurzeln zu evangelisierem (vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 19) in allem, was die Ehe als Institution betrifft: den christlichen Geist in Denken und Verhalten sowie in die Gesetze und Strukturen der Gesellschaft, in der die Christen leben, einprägen (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2105). Diese implizite oder explizite Vorbereitung ist ein Aspekt der Evangelisierung, so dass man die Gültigkeit der Aussage des Heiligen Vaters bekräftigen kann: "Die Familie ist das Herz der Neuevangelisierung." Die Vorbereitung "ist vor allem Aufgabe der Eheleute, die berufen sind, das Leben weiterzugeben auf der Grundlage eines immer wieder erneuerten Bewusstseins vom Sinn der Zeugung als bevorzugtem Ereignis, in dem offenbar wird, dass das menschliche Leben ein Geschenk ist, um seinerseits weitergeschenkt zu werden" (EV 92).

Neben den religiösen Werten vermittelt die Ehe als Grundlage der Familie der Gesellschaft zahlreiche Güter und Werte, die die Solidarität, die Achtung, die Gerechtigkeit und die Vergebung in persönlichen und gemeinschaftlichen Beziehungen festigen. Die auf der Ehe gegründete Familie erwartet ihrerseits von der Gesellschaft "in ihrer Identität anerkannt und in ihrer sozialen Subjektivität angenommen zu werden" (Gratissimam sane, 17), um so das "Herz der Zivilisation der Liebe" (ebd., 13) zu bilden.

Jede Diözese muss sich um die Erfüllung dieser Aufgabe bemühen und die gebührende Unterstützung anbieten. Ideal wäre es, wenn sie eine Diözesankommission für Ehevorbereitung einrichten würde, die durch eine Gruppe für Familienpastoral aus Eheleuten mit Pfarreierfahrung, Bewegungen und Fachleuten zu ergänzen wäre.

Aufgabe dieser Diözesankommission wäre die Bildung, Begleitung und Koordination auf verschiedenen Ebenen, und zwar in Zusammenarbeit mit Zentren, die in diesem Bereich tätig sind. Die Kommission sollte ihrerseits aus verschiedenen Teams von ausgewählten Laien bestehen, die bei der Ehevorbereitung im weitesten Sinn mitwirken und nicht nur bei der Durchführung von Seminaren. Die Kommission müßte über einen Koordinator – in der Regel ein vom Bischof beauftragter Priester – verfügen. Wird die Koordinierung einem Laien oder einem Ehepaar übertragen, so wäre es gut, wenn ihm ein Priester zur Seite stünde.

All dies fällt unter den organisatorischen Bereich der Diözese mit ihren entsprechenden Strukturen oder möglichen Gebieten, für die ein Bischofsvikar oder die Dekane zuständig sind.

II. Die Stufen oder Zeiten der Vorbereitung

21. Die Stufen oder Momente der Vorbereitung, von denen die Rede sein wird, lassen sich nicht streng definieren. Denn man kann sie weder im Hinblick auf das Alter der Adressaten noch in bezug auf die Dauer eindeutig bestimmen. Trotzdem ist es hilfreich, wenn man sie – vor allem im Hinblick auf die zu vermitteltenden Inhalte – als Wege und Arbeitsinstrumente kennt. Sie unterteilen sich in entferntere, nähere und unmittelbare Vorbereitung.

A. Die entferntere Vorbereitung

22. Die entferntere Vorbereitung umfasst die frühe Kindheit, das Kindesalter und die Jugendzeit und erfolgt hauptsächlich in der Familie, aber auch in der Schule und in den Ausbildungsgruppen, die sich in dieser Hinsicht als wertvolle Hilfen erweisen können. In dieser Zeit wird sowohl in den interpersonalen als auch in den gesellschaftlichen Beziehungen die Achtung für jeden wahren menschlichen Wert vermittelt und gleichsam eingeflößt, und zwar mit allem, was dies für die Charakterbildung, die Selbstbeherrschung, die Selbstachtung, den rechten Umgang mit den eigenen Neigungen, den Respekt vor den Personen des anderen Geschlechts mit sich bringt. Insbesondere für die Christen wird darüber hinaus eine solide spirituelle und katechetische Ausbildung gefordert (vgl. FC 66).

23. Im Brief an die Familien Gratissimam sane erinnert der Papst an zwei Grundwahrheiten der Erziehung: "Die erste ist, dass der Mensch zum Leben in der Wahrheit und in der Liebe berufen ist; die zweite Grundwahrheit besagt, dass sich jeder Mensch durch die aufrichtige Hingabe seiner Selbst verwirklicht" (Nr. 16). Die Kindererziehung beginnt demzufolge schon vor der Geburt, in dem Umfeld, in dem das neue Leben des Ungeborenen erwartet und angenommen wird, und zwar insbesondere im Dialog der Liebe der Mutter mit der Frucht ihres Leibes (vgl. ebd. 16), und setzt sich in der frühen Kindheit fort, da die Erziehung "eine ,Beschenkung' mit Menschlichkeit seitens beider Elternteile [ist]. Sie vermitteln gemeinsam ihre reife Menschlichkeit an das Neugeborene" (ebd.). "Bei der Zeugung eines neuen Lebens werden die Eltern gewahr, dass ihr Kind, ,wenn es Frucht ihrer gegenseitigen Schenkung aus Liebe ist, seinerseits ein Geschenk für beide ist: eine Gabe, die der Gabe entspringt'" (EV 92).

Die christliche Erziehung in ihrer ganzen Bedeutung, die die Weitergabe und Verwurzelung der menschlichen und christlichen Werte einschließt, "erstrebt – wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt – nicht nur die eben umrissene Reifung der menschlichen Person, sondern zielt hauptsächlich darauf ab, dass die Getauften, indem sie allmählich in das Heilsmysterium eingeführt werden, der empfangenen Gabe des Glaubens immer mehr bewusst werden (…) und ihr eigenes Leben nach dem neuen Menschen in Gerechtigkeit und wahrer Heiligkeit (vgl. Eph 4,22-24) gestalten" (Gravissimum educationis, 2).

24. In dieser Zeit darf eine aufrichtige und mutige Erziehung zur Keuschheit, zur Liebe als Selbsthingabe nicht fehlen. Die Keuschheit ist keine Abtötung der Liebe, sondern Voraussetzung für wahre Liebe. Denn wenn die Berufung zur ehelichen Liebe Berufung zur Selbsthingabe in der Ehe ist, ist die Selbstbeherrschung notwendig, um sich wirklich hingeben zu können.

In dieser Hinsicht ist die Geschlechtserziehung, die die Eltern in den ersten Jahren der Kindheit und der Jugend vermitteln, von besonderer Bedeutung, wie das obenerwähnte Dokument (vgl. Anmerkung 10) des Päpstlichen Rates für die Familie es bereits deutlich gemacht hat.

25. In dieser Zeit oder Stufe der entfernteren Vorbereitung sind spezielle Ziele zu erreichen. Ohne den Anspruch zu erheben, hier eine erschöpfende Aufzählung vorzulegen, soll hier nur darauf hingewiesen werden, dass diese Vorbereitung vor allem ein Ziel erreichen muss: Jeder zur Ehe berufene Gläubige soll zutiefst verstehen, dass die menschliche Liebe im Licht der Liebe Gottes in der christlichen Ethik einen zentralen Platz einnimmt. Denn der Mensch ist seiner Berufung und Sendung nach zur Liebe gerufen, die ihren Ursprung und ihr Ziel in Gott hat, "ohne dabei die Möglichkeit einer Ganzhingabe an Gott in der Berufung zum Priester- oder Ordensleben auszuschließen" (FC 66). In diesem Sinn ist daran zu erinnern, dass die entferntere Vorbereitung, auch wenn sie sich hauptsächlich auf die theologisch-anthropologischen Inhalte konzentriert, in eine Sicht der Ehe einzuordnen ist, in der die menschliche Liebe nicht nur als Zeichen, sondern auch als Teilhabe an der Liebe zwischen Christus und seiner Kirche erscheint. Die eheliche Liebe macht demzufolge die in der Erlösung sichtbar gewordene Liebe Gottes unter den Menschen gegenwärtig. Der Übergang oder die Bekehrung von einem äußerlichen und vagen Glauben, wie ihn heute viele jungen Menschen besitzen, zur Entdeckung des "christlichen Geheimnisses" ist grundlegend und entscheidend, das heißt ein Glaube, der die Gnaden- und Liebesgemeinschaft mit Christus dem Auferstandenen einschließt.

26. Die entferntere Vorbereitung erreicht ihre grundlegenden Ziele, wenn sie die Grundlagen für eine immer bessere Aneignung der Kriterien für ein richtiges Urteil über die Hierarchie der Werte zu legen vermag. Diese ist notwendig, um das wählen zu können, was die Gesellschaft an Gutem anbietet, gemäß dem Rat des heiligen Paulus: "Prüft alles, und behaltet das Gute!" (1 Thess 5,21). Man darf nicht vergessen, dass die Liebe nicht nur durch die Gnade Gottes gepflegt, gestärkt und vermehrt wird, sondern auch Werte wie Hingabe, Opfer, Verzicht und Abtötung notwendig sind. Bereits in dieser Vorbereitungsphase muss die Seelsorge darauf zielen und bewirken, dass das sittliche Verhalten vom Glauben getragen wird. Ein derartiger christlicher Lebensstil findet seinen Ansporn, Rückhalt und seine Beständigkeit im Beispiel der Eltern, das für die Brautleute ein wahres Zeugnis ist.

27. In dieser Zeit der Vorbereitung darf man eine sehr wichtige Tatsache nicht aus den Augen verlieren: dass den Jugendlichen geholfen werden muss, gegenüber ihrem Umfeld eine kritische Einstellung zu erwerben und den Mut eines Christen zu besitzen, der in der Welt zu leben vermag, ohne von der Welt zu sein. In diesem Sinn lesen wir in dem Brief an Diognet, einem erhabenen und ehrwürdigen Zeugnis aus frühchristlicher Zeit: "Die Christen nämlich sind weder durch ein Land, noch durch Sprache, noch durch Sitten von den übrigen Menschen verschieden. (…) [Trotzdem] legen sie anerkanntermaßen eine wunderbare Beschaffenheit ihrer Lebensführung an den Tag. (…) Sie heiraten wie alle und bekommen Kinder, aber sie setzen die Neugeborenen nicht aus. Einen gemeinsamen Tisch stellen sie auf, aber nicht ein gemeinsames Bett. Sie leben im Fleisch, aber nicht nach dem Fleisch" (V, l, 4, 6, 7). Die Ausbildung muss daher eine Mentalität und Persönlichkeit schaffen, die in der Lage ist, sich nicht von der Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe widersprechenden Auffassungen mitreißen zu lassen, sondern vielmehr den Strukturen der sogenannten sozialen Sünde entgegenzuwirken. Denn letztere "wirkt sich mehr oder weniger heftig und zum größeren oder kleineren Schaden aus auf die gesamte kirchliche Gemeinschaft und auf die ganze menschliche Familie" (Reconciliatio et paenitentia, 16). Angesichts dieser Auswirkungen der Sünde und des großen sozialen Drucks muss ein kritisches Bewusstsein geschaffen und bestärkt werden.

28. Ein weiteres Ziel der entfernteren Vorbereitung ist die Einführung in die erzieherische Sendung durch die eigenen Eltern. Denn der von den christlichen Hausgemeinschaften bezeugte christliche Lebensstil ist bereits eine Evangelisierung und bildet die Grundlage dieser Vorbereitung. In der Familie als Hauskirche sind die Eltern nämlich die ersten Zeugen und Erzieher ihrer Kinder sowohl was das Wachstum in "Glauben, Hoffnung und Liebe" betrifft als auch in bezug auf die Erkenntnis und Annahme der Berufung eines jeden von ihnen. "Die Eltern sind die ersten und hauptsächlichen Erzieher der eigenen Kinder und haben auch in diesem Bereich grundlegende Zuständigkeit: sie sind Erzieher, weil sie die Eltern sind" (Gratissimam sane, 16). Zu diesem Zweck haben die Eltern wertvolle und angemessene Hilfe nötig.

29. Zu diesen Hilfen muss man zuallererst die Pfarrei als Ort der christlichkirchlichen Unterweisung zählen; dort lernt man einen Stil des Zusammenlebens in der Gemeinde (vgl. Sacrosanctum Concilium, 42). Darüber hinaus sind die Schule, die anderen Bildungseinrichtungen, die Bewegungen, Gruppen, katholischen Verbände und natürlich die christlichen Familien selbst nicht zu vergessen. Eine besondere Bedeutung für die Erziehungsprozesse der Jugendlichen besitzen die Massenmedien. Sie sollten die Sendung der Familie in der Gesellschaft positiv unterstützen und dürften sie nicht geradezu in Schwierigkeiten bringen.

30. Dieser Erziehungsprozess muss auch den Katecheten am Herzen liegen sowie den Verantwortlichen in der Jugend- und Berufungspastoral, vor allem aber den Hirten. Letztere sollen verschiedene Anlässe (Predigt während der liturgischen Feiern, andere Formen der Evangelisierung, persönliche Gespräche, Wege für christliches Engagement) nutzen, um die Punkte hervorzuheben und zu betonen, die zur Vorbereitung auf eine mögliche Ehe beitragen (vgl. OCM 14).

31. Infolgedessen muss man Formen einer ständigen Fortbildung der Heranwachsenden in der Zeit vor der Verlobung und nach den Stufen der christlichen Initiation "erfinden"; der Austausch der in dieser Hinsicht angemessenen Erfahrungen ist daher höchst nützlich. Die Familien, die sich in Pfarreien, Institutionen oder anderen Formen des Zusammenschlusses vereinigt haben, helfen, ein soziales Umfeld für verantwortliche Liebe in Reinheit zu schaffen. Wo die Liebe zum Beispiel aber durch Pornographie verschmutzt ist, können sie kraft der Familienrechte einschreiten. All dies gehört zur sogenannten "Humanökologie" (vgl. Centesimus annus, 38).

B. Die nähere Vorbereitung

32. Die nähere Vorbereitung erfolgt in der Verlobungszeit. Sie besteht aus verschiedenen Kursen und unterscheidet sich von der unmittelbaren Vorbereitung, die sich in der Regel auf die letzten Gespräche der Verlobten mit den Seelsorgern vor der Feier des Ehesakraments konzentriert. Den Brautleuten soll bei der näheren Vorbereitung die Möglichkeit geboten werden, zu prüfen, inwieweit sie in jenen menschlichen Werten gereift sind, die der Freundschaft und dem Dialog eigen sind, wie sie die Verlobung kennzeichnen. Im Hinblick auf den neuen Lebensstand, in dem man als Ehepaar leben wird, soll die Gelegenheit geboten werden, das Glaubensleben und vor allem die Kenntnis über die Sakramentalität der Kirche zu vertiefen. Es handelt sich dabei um einen wichtigen Abschnitt für die Evangelisierung, in dem der Glaube die persönliche und gemeinschaftliche Dimension sowohl der Verlobten als auch ihrer Familien umfassen muss. Im Rahmen dieser Vertiefung ist es auch möglich, über ihre möglichen Schwierigkeiten bei der Führung eines wahren christlichen Lebens zu sprechen.

33. Diese Zeit der Vorbereitung fällt im allgemeinen in die Jugendzeit. Daher kann man alles voraussetzen, was eigentlich die Jugendpastoral tun soll, die sich um die ganzheitliche Entwicklung des Gläubigen bemüht. Die Jugendpastoral läßt sich nicht vom Bereich der Familie trennen, als ob die Jugendlichen gleichsam eine getrennte und unabhängige "soziale Schicht" bildeten. Sie muss das soziale Bewusstsein der Jugendlichen stärken, und zwar insbesondere im Hinblick auf deren eigene Familie, wobei sie ihre Werte auf die zukünftige Familie, die sie einmal gründen werden, ausrichtet. Den Jugendlichen ist bei der Erkenntnis ihrer Berufung durch den persönlichen Einsatz, insbesondere der Hirten, und den Beistand der Gemeinde zu helfen. Dies muss allerdings noch vor der Verlobung seinen Anfang nehmen. Wird die Berufung zur Ehe konkret, so wird sie in erster Linie von der Gnade und darüber hinaus von einer angemessenen Vorbereitung getragen. In der Jugendpastoral gilt es auch zu bedenken, dass die jungen Menschen von heute aufgrund von Schwierigkeiten verschiedener Art, wie zum Beispiel die "längere Jugendzeit" und der längere Aufenthalt in der Familie – ein neues und besorgniserregendes Phänomen –, die Eheschließung oft unnötig hinausschieben.

34. Die nähere Vorbereitung muss sich zuallererst auf eine Katechese stützen sowie auf ein immer umfassenderes Verständnis des Glaubens und ein Zeugnis im konkreten Leben zielen. Die erwähnte Katechese sollte im Hören des Wortes Gottes bestehen, das unter der Führung des kirchlichen Lehramts auszulegen ist. Die Unterweisung sollte dargeboten werden im Rahmen einer Glaubensgemeinschaft von Familien, insbesondere im Bereich der Pfarrgemeinde, die zu diesem Zweck entsprechend ihren Charismen und eigentümlichen Aufgaben an der Ausbildung der Jugendlichen teilhaben und mitwirken, indem sie ihren Einfluss auch auf andere Gruppen der Gesellschaft ausweiten.

35. Die Verlobten müssen unterrichtet werden über die natürlichen Anforderungen, die mit der interpersonalen Beziehung zwischen Mann und Frau im Plan Gottes über die Ehe und die Familie verbunden sind: das Wissen um die freie Zustimmung als Grundlage ihrer Verbindung, die Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe, das rechte Verständnis von verantwortungsvoller Vater- und Mutterschaft, die menschlichen Gesichtspunkte der ehelichen Geschlechtlichkeit, den ehelichen Vollzug mit seinen Forderungen und Zielen, die richtige Kindererziehung. All dies ist auf die Erkenntnis der sittlichen Wahrheit und die persönliche Gewissensbildung hingeordnet.

In der näheren Vorbereitung ist sicherlich dafür zu sorgen, dass die Verlobten die wesentlichen psychologischen, pädagogischen, rechtlichen und medizinischen Voraussetzungen für Ehe und Familie besitzen. Trotzdem muss die theologische und moralische Ausbildung eine besondere Vertiefung erfahren, insbesondere was die Ganzhingabe und die verantwortungsvolle Zeugung angeht. Denn die Liebe der Eheleute ist ganzheitliche, ausschließliche, treue und fruchtbare Liebe (vgl. Humanae vitae, 9). Die wissenschaftliche Grundlage<ref> Die natürlichen Methoden sind eine wertvolle Alternative, wenn Eheleute sich in ernsten (zum Beispiel gesundheitlichen oder finanziellen) Schwierigkeiten befinden, und werden auch von einer verantwortlichen und respektvollen Bevölkerungspolitik angeboten. Der Päpstliche Rat für die Familie veranstaltete vom 9.–11. Dezember 1992 ein internationales Treffen der Förderer der natürlichen Methoden. Die Vorträge und Beiträge der Fachleute sind in dem Band Metodi naturali per la regolazione della fertilità: l'alternativa autentica veröffentlicht. Die Humanwissenschaften dienen der theologischen Überlegung, um "den anthropologischen und gleichzeitig moralischen Unterschied zu erarbeiten und zu vertiefen, der zwischen der Empfängnisverhütung und dem Rückgriff auf die Zeitwahl besteht" (FC 32).</ref> der natürlichen Methoden der Fruchtbarkeitsregelung ist heute weithin anerkannt. Ihre Kenntnis ist daher äußerst nützlich; wenn gerechte Gründe vorliegen, darf ihre Anwendung nicht bloße Verfahrenstechnik sein, sondern muss in die Pädagogik und den Reifungsprozess der Liebe eingebettet werden (vgl. EV 97). Die Tugend der ehelichen Keuschheit der Gatten führt sie zur vorübergehenden Enthaltsamkeit (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2366–2371). Die Vorbereitung wird ebenfalls gewährleisten müssen, dass die christlichen Verlobten genaue Vorstellungen und ein aufrichtiges "sentire cum ecclesia" über die Ehe, die jeweiligen Rollen von Mann und Frau in Ehe, Familie und Gesellschaft und die Geschlechtlichkeit haben und gegenüber anderen aufgeschlossen sind.

36. Selbstverständlich muss man den Jugendlichen auch helfen, mögliche psychologische und/oder affektive Mängel zu erkennen, insbesondere die Unfähigkeit, sich auf andere hin zu öffnen, sowie die Formen von Egoismus, die ihre Fähigkeit zur Ganzhingabe zunichte machen können. Diese Hilfe wird auch zur Entdeckung der Fähigkeiten und Forderungen der menschlichen und christlichen Reifung in ihrem Leben führen. Deshalb werden sich die Verantwortlichen auch um eine gründliche Gewissensbildung der Verlobten sorgen, damit diese auf die freie und endgültige Entscheidung zur Ehe vorbereitet sind. Letztere kommt dann in dem vor der Kirche gegenseitig gegebenen Konsens, im Ehebund, zum Ausdruck.

37. In dieser Phase der Vorbereitung werden regelmäßige Treffen in einer Atmosphäre des Dialogs, der Freundschaft, des Gebetes und unter Teilnahme von Hirten und Katecheten notwendig sein. Sie sollen deutlich machen, dass "die Familie das Evangelium vom Leben durch das tägliche Gebet, das persönliche und das Gebet in der Familie [feiert]: mit ihm lobt sie den Herrn und dankt Ihm für die Gabe des Lebens und fleht um Licht und Kraft, um mit schwierigen Situationen und Leiden fertigzuwerden, ohne die Hoffnung zu verlieren" (EV 93). Darüber hinaus können die christlichen Brautpaare, die apostolisch tätig sind, in einem gesunden christlichen Optimismus das christliche Leben im Rahmen der Berufung zur Ehe und in der Komplementarität aller Berufungen immer deutlicher zum Vorschein bringen. Diese Zeit wird deshalb nicht nur eine theoretische Vertiefung darstellen, sondern auch einen Ausbildungsweg, auf dem sich die Verlobten mit Hilfe der Gnade und unter Meidung jeder Form von Sünde vorbereiten, sich als Ehepaar Christus zu schenken, der die Verlobung und das Eheleben trägt, reinigt und veredelt. So erhält die voreheliche Keuschheit ihren vollen Sinn und schließt das Zusammenleben vor der Ehe aus, wie auch den vorehelichen Geschlechtsverkehr und andere Formen wie den mariage coutumier* im Reifungsprozess der Liebe.

38. Nach den gesunden pädagogischen Prinzipien der stufenweisen und ganzheitlichen Entwicklung der Person darf die nähere Vorbereitung die Erziehung zu den gesellschaftlichen und kirchlichen Aufgaben nicht ignorieren. Diese sind denjenigen eigen, die durch ihre Eheschließung eine neue Familie gründen werden. Die Intimität der Familie ist nicht als in sich verschlossener Intimismus zu verstehen, sondern vielmehr als Fähigkeit, den menschlichen und christlichen Reichtum zu verinnerlichen, der dem Eheleben im Hinblick auf eine immer größere Hingabe an die anderen innewohnt. In einem offenen Verständnis von Familie verlangt das Ehe- und Familienleben deshalb von den Eheleuten, dass sie sich als Subjekte verstehen, die gegenüber der Gesellschaft und der Kirche zwar Rechte, aber auch Pflichten besitzen. In dieser Hinsicht wird es sehr nützlich sein, wenn man zum Lesen und zum Nachdenken über folgende Verlautbarungen der Kirche einlädt, insofern sie eine reichhaltige und ermutigende Quelle menschlicher und christlicher Weisheit sind: das Apostolische Schreiben Familiaris consortio, der Brief an die Familien Gratissimam sane, die Charta der Familienrechte, die Enzyklika Evangelium vitae und andere.

39. So werden die jungen Menschen während der näheren Vorbereitung verstehen, dass die Verpflichtung, die sie mit dem gegenseitigen Konsens "vor der Kirche" übernehmen, bereits in der Verlobungszeit von beiden verlangt, einen Weg der Treue einzuschlagen und mögliche gegenteilige Handlungsweisen abzulegen. Diese menschliche Verpflichtung wird von den besonderen Gaben bestärkt, die der Heilige Geist den Verlobten, die ihn anrufen, gewährt.

40. Da die christliche Liebe von der Liebe Christi zu seiner Kirche (vgl. GS 49) gereinigt, vervollkommnet und erhöht wird, mögen die Verlobten dieses Vorbild nachahmen und im Bewusstsein der Hingabe fortschreiten. Die stets damit verbundene gegenseitige Achtung und Selbstverleugnung werden ihnen helfen, darin zu wachsen. Die gegenseitige Hingabe umfasst demnach immer mehr den Austausch von geistlichen Gaben und moralische Unterstützung, um in der Liebe und Verantwortung zu wachsen. Die Hingabe der Person verlangt ihrer Natur nach, beständig und unwiderruflich zu sein. "Die Unauflöslichkeit der Ehe entspringt hauptsächlich aus dem Wesen solcher Hingabe: Hingabe der Person an die Person. In diesem gegenseitigen Sich-Hingeben kommt der bräutliche Charakter der Liebe zum Ausdruck" (Gratissimam sane, 11).

41. Die bräutliche Spiritualität, die die menschliche Erfahrung umfasst und nie vom sittlichen Verhalten getrennt ist, hat ihren Ursprung in Taufe und Firmung. Zur Vorbereitung der Verlobten muss demzufolge auch die Wiedergewinnung des sakramentalen Lebens gehören, in dem die Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie eine besondere Rolle spielen. Das Sakrament der Versöhnung macht die göttliche Barmherzigkeit gegenüber dem menschlichen Elend deutlich und bringt die Lebenskraft der Taufe und die Tatkraft der Firmung zur Reife. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Verstärkung der Pädagogik der erlösten Liebe, die angesichts des Dramas des Menschen, der von Gott geschaffen und noch wunderbarer erlöst ist, voller Verwunderung die Größe der Barmherzigkeit Gottes erkennen läßt. Die Eucharistie als Feier des Gedächtnisses der Hingabe Jesu an seine Kirche entfaltet die der Ehe eigentümliche affektive und in der täglichen Hingabe an den Gatten und die Kinder vollzogene Liebe. Dabei darf man nicht vergessen und ignorieren, dass die Feier, die jeder anderen Gebets- und Kultform erst Sinn gibt, diejenige ist, "die sich im alltäglichen Dasein der Familie ausdrückt, wenn es ein Dasein ist, dass von Liebe und Sichverschenken bestimmt wird" (EV 93).

42. Für eine so vielgestaltige und harmonische Vorbereitung muss man Menschen für eine "ad hoc"-Beauftragung finden und in angemessener Weise ausbilden. Deshalb empfiehlt es sich, auf verschiedenen Ebenen eine Gruppe von Helfern einzurichten, die sich bewusst sind, dass sie von der Kirche gesandt sind. Diese Gruppe sollte vor allem aus christlichen Eheleuten – zu denen, wenn möglich, auch Fachleute aus Medizin, Recht, Psychologie gehören sollten – und aus einem Priester bestehen, damit die Helfer auf die zu erfüllenden Aufgaben vorbereitet werden.

43. Deshalb sollen die Mitarbeiter und Verantwortlichen fest in der Lehre stehen und Personen von unbestreitbarer Treue zum Lehramt der Kirche sein, so dass sie durch eine ausreichende und eingehende Kenntnis sowie durch das Zeugnis des eigenen Lebens die Glaubenswahrheiten und die mit der Ehe verbundenen Verantwortlichkeiten weitergeben können. Daher ist es mehr als selbstverständlich, dass diese pastoralen Mitarbeiter als Erzieher auch über die Bereitschaft verfügen müssen, die Verlobten unbeachtet ihrer sozio-kulturellen Herkunft, intellektuellen Ausbildung und konkreten Fähigkeiten anzunehmen. Darüber hinaus ist ihr Zeugnis eines Lebens aus dem Glauben und einer freudigen Hingabe unabdingbare Voraussetzung für die Erfüllung ihrer Aufgabe. Sie können aus diesen Lebenserfahrungen und ihren menschlichen Problemen schöpfen, um das Brautpaar mit der christlichen Weisheit zu erleuchten.

44. Dies setzt ein angemessenes Ausbildungsprogramm der pastoralen Mitarbeiter voraus. Die pastoralen Mitarbeiter werden durch die für sie bestimmte Vorbereitung befähigt, in klarer Zustimmung zum Lehramt der Kirche, mit einer geeigneten Methode und mit pastoralem Gespür die Grundlinien der Vorbereitung darzulegen, von denen wir gesprochen haben und entsprechend ihrer Zuständigkeit jenen besonderen Beitrag zur unmittelbaren Vorbereitung zu leisten, von der in Nr. 50–59 die Rede sein wird. Die pastoralen Mitarbeiter sollten in eigens dafür vorgesehenen Pastoralinstituten ausgebildet und vom Bischof sorgfältig ausgewählt werden.

45. Das Endergebnis dieser Zeit der näheren Vorbereitung wird deshalb in der klaren Erkenntnis der Wesensmerkmale der christlichen Ehe bestehen: Einheit, Treue, Unauflöslichkeit, Fruchtbarkeit; das Bewusstsein des Glaubens vom Vorrang der Sakramentsgnade, die die Brautleute als Subjekte und Spender des Sakraments mit der Liebe Christi, des Bräutigams der Kirche, verbindet; die Bereitschaft, die den Familien eigene Sendung im Bereich der Erziehung in Gesellschaft und Kirche zu verwirklichen.

46. Wie das Apostolischen Schreiben Familiaris consortio darlegt, sind bei der Vorbereitung der jungen Verlobten folgende Punkte zu berücksichtigen: Vertiefung des persönlichen Glaubens und Wiederentdeckung des Wertes der Sakramente und des Gebetslebens; die spezielle Vorbereitung auf das Leben zu zweit, "welche die Ehe als eine personale Beziehung von Mann und Frau darstellt, die ständig weiterentwickelt werden muss, und so dazu anregt, die Fragen ehelicher Sexualität und verantwortlicher Elternschaft zu vertiefen, zusammen mit den damit verbundenen Grundkenntnissen von Medizin und Biologie, welche ferner als Voraussetzung für ein gutes Familienleben richtige Methoden der Kindererziehung vermittelt und auch dazu anleitet, sich die Grundlagen für einen geregelten Unterhalt der Familie zu beschaffen wie feste Arbeit, ausreichende finanzielle Mittel, Geschick im Verwalten, Kenntnisse in der Hauswirtschaft" (FC 66); "die Vorbereitung zum Familienapostolat (…), ferner zum brüderlichen Zusammenwirken mit anderen Familien, zur aktiven Mitarbeit in Gruppen, Verbänden, Bewegungen und Initiativen, die das menschliche und christliche Wohl der Familie zum Ziel haben" (ebd.).

Darüber hinaus ist den Brautleuten im voraus zu helfen, damit sie später imstande sind, die eheliche Liebe, das persönliche Gespräch zwischen den Eheleuten und die Tugenden zu pflegen und zu bewahren, die Schwierigkeiten des Ehelebens zu überwinden, und wissen, wie sie die unvermeidlichen "Ehekrisen" bewältigen können.

47. Im Mittelpunkt dieser Vorbereitung wird jedoch die Glaubensüberlegung über das Sakrament der Ehe anhand des Wortes Gottes und unter Führung des Lehramts stehen müssen. Die Brautleute sollen demnach erkennen, was es heißt, durch die christliche Ehe kraft des Heiligen Geistes in Christus ein "Fleisch" (Mt 19,6) zu werden; dies bedeutet nämlich, der eigenen Existenz eine neue Form des Lebens aus der Taufe einzuprägen. Die Liebe der Eheleute wird durch das Sakrament konkreter Ausdruck der Liebe Christi zu seiner Kirche (vgl. LG 11). Im Licht der Sakramentalität sind die ehelichen Vollzüge, die verantwortungsvolle Zeugung, die erzieherische Tätigkeit, die Lebensgemeinschaft, die Apostolizität und Sendung, die mit dem Leben der christlichen Eheleute verbunden sind, als wertvolle Momente des christlichen Lebens zu betrachten. Christus trägt und begleitet, wenn auch in noch nicht sakramentaler Weise, den Weg der Gnade und des Heranreifens der Verlobten zur Teilhabe am Geheimnis seiner Verbindung zur Kirche.

48. Im Hinblick auf ein mögliches Direktorium, das die vorzüglichsten Erfahrungen in der Ehevorbereitung sammelt, empfiehlt es sich, daran zu erinnern, was der Heilige Vater, Johannes Paul II., in seiner Abschlußansprache vor der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie, die vom 30. September bis zum 5. Oktober 1991 stattfand, sagte: "Unerläßlich bleibt, dass der theologischen Vorbereitung die nötige Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt wird. Der zuverlässige Inhalt muss Mittelpunkt und wesentliches Ziel der Kurse sein, damit die Feier des Ehesakramentes bewusster erfolgt und alles das, was sich für die Verantwortung der Familie ergibt, bewusster vollzogen wird. Die Fragen zur Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe, ferner zur Bedeutung der Vereinigung und Weitergabe des Lebens in der Ehe, zumal in ihrem spezifischen Akt, müssen getreu und genau der klaren Lehre der Enzyklika Humanae vitae (vgl. 11–12) behandelt werden. Das gleiche gilt für alles, was das Geschenk des Lebens angeht, das die Eltern in verantwortlicher Weise und freudig als Mitarbeiter des Herrn annehmen müssen. Gut wäre es, wenn in den Kursen nicht nur das besonders hervorgehoben würde, was zur reifen und wachen Freiheit jener gehört, die eine Ehe eingehen möchten, sondern auch das, was die eigentliche Sendung der Eltern als erste Erzieher und Evangelisierer ihrer Kinder ausmacht".

Der Päpstliche Rat für die Familie stellt mit großer Zufriedenheit fest, dass die Tendenz, zur besseren Erkenntnis der Bedeutung und Würde der Verlobung größer wird. Gleichzeitig ermahnt er, die Dauer der speziellen Kurse nicht so kurz zu bemessen, dass sie sich auf eine reine Formsache beschränken. Sie werden dagegen eine ausreichende Zeit in Anspruch nehmen müssen, um die obengenannten wesentlichen Themen gut und klar darlegen zu können.<ref>Die Seelsorge wird die Formen zur Erreichung dieses Ziels nahelegen. Es wären zum Beispiel dafür wenigstens eine Woche oder vier Wochenenden (vier volle Samstage und Sonntage) oder ein Jahr lang ein Nachmittag pro Monat notwendig.</ref>

Der Kurs kann in den einzelnen Pfarreien durchgeführt werden, wenn eine ausreichende Zahl von Verlobten vorhanden ist und die Pfarrei über vorbereitete Mitarbeiter verfügt. Der Kurs kann aber auch in den bischöflichen Vikariaten oder Dekanaten abgehalten werden. Manchmal werden die Kurse auch von Vertretern von Familienbewegungen, Vereinigungen oder Apostolatsgruppen unter Leitung des zuständigen Priesters durchgeführt. Dabei handelt es sich um einen Bereich, der von der Diözesanstruktur, die im Namen des Bischofs tätig ist, koordiniert wird. Die Inhalte müssen sich auf die natürliche und christliche Lehre über die Ehe konzentrieren, ohne jedoch die verschiedenen Gesichtspunkte der Psychologie, Medizin und anderer Humanwissenschaften zu vernachlässigen.

49. In dieser Vorbereitung muss man die Brautleute speziell heute zu den Werten anleiten und sie darin bestärken, die die Verteidigung des Glaubens betreffen. Dies ist deshalb besonders wichtig, weil sie Hauskirche und "Heiligtum des Lebens" (EV 92–94) werden und in neuer Weise zum Volk des "Lebens und für das Leben" (EV 6, 101) gehören. Die heute vielerorts herrschende Mentalität der Empfängnisverhütung, die sich allgemein verbreitenden freizügigen Gesetzgebungen und die weitverbreitete Verachtung des Lebens vom Augenblick der Empfängnis an bis zum Tod, sind jene vielfältigen Angriffe, denen die Familie ausgesetzt ist. Sie treffen sie im Innersten ihrer Sendung und verhindern die Entwicklung entsprechend den Forderungen eines echten menschlichen Wachstums (vgl. Centesimus annus, 39). Daher ist die Bildung des Verstandes und des Herzens der Beteiligten heute mehr denn je notwendig, damit die neuen Hausgemeinschaften sich nicht der herrschenden Mentalität anpassen. So werden sie eines Tages als neue Familie mit ihrem Leben zur Errichtung und Entfaltung der Kultur des Lebens beitragen können, indem sie in ihrer Liebe das neue Leben als Zeugnis und Ausdruck der Verkündigung, Feier und des Dienstes an jedem Leben achten und annehmen (EV 83–84, 86, 93).

C. Die unmittelbare Vorbereitung

50. Wo in der Zeit der näheren Vorbereitung (vgl. Nr. 32ff.) spezielle Kurse abgehalten wurden, die einer geeigneten Vorbereitung dienten, dort können die Ziele der unmittelbaren Vorbereitung folgende sein:

a) Zusammenfassung des bereits zuvor zurückgelegten Weges, insbesondere der theologischen, moralischen und spirituellen Inhalte, um so mögliche Lücken in der Grundausbildung auszufüllen;

b) Erneuerung der Gebetserfahrung, die bei Einkehrtagen, Exerzitien für die Brautpaare gemacht wurden, bei denen in der Begegnung mit dem Herrn die Tiefe und Schönheit des übernatürlichen Lebens entdeckt werden können;

c) Durchführung einer angemessenen liturgischen Vorbereitung, die auch die aktive Teilnahme der Brautleute vorsieht, wobei vor allem für das Sakrament der Versöhnung Sorge zu tragen ist;

d) Aufwertung der vom Kirchenrecht vorgesehenen Gespräche mit dem Pfarrer, damit dieser die Brautleute besser kennenlernt. Diese Ziele werden durch spezielle und intensive Treffen erreicht.

51. Aufgrund des pastoralen Nutzens und der positiven Erfahrung der Ehevorbereitungsseminare kann man davon nur aus verhältnismäßig schwerwiegenden Gründen befreit werden. Wo Brautleute aus solchen Gründen und ohne nähere Vorbereitung dringlich um eine möglichst baldige Feier der Trauung bitten, obliegt es daher dem Pfarrer und den Mitarbeitern, Gelegenheiten anzubieten, um das entsprechende Wissen der theologischen, moralischen und sakramentalen Gesichtspunkte nachzuholen, wie sie als der näheren Vorbereitung eigentümlich dargelegt wurden, und um sie dann der Phase der unmittelbaren Vorbereitung zuzuführen.

Diese Möglichkeit muss bestehen, weil die Vorbereitung konkret auf den einzelnen abgestimmt werden soll. In der Tat ist jede Gelegenheit zu nutzen, um den Sinn dessen eingehend zu erklären, was sich im Sakrament ereignet. Zudem dürfen jene, die offenbar bereits angemessen im Glauben und auf das Sakrament vorbereitet sind, nicht einfach deshalb abgewiesen werden, weil ihnen einige Stufen der Vorbereitung fehlen.

52. Während der unmittelbaren Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe sind angemessene Gelegenheiten zu bieten, um die Verlobten in den Trauungsritus einzuführen. Im Rahmen dieser Vorbereitung müssen die Brautleute nicht nur zu einer Vertiefung der christlichen Lehre über Ehe und Familie geführt werden – wobei ihre moralischen Pflichten zu berücksichtigen sind –, sondern auch zur bewussten und aktiven Mitfeier bei der Feier der Trauung, damit sie auch die Bedeutung der Zeichen und der liturgischen Texte verstehen.

53. Diese Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe soll die Krönung einer Katechese sein, die den christlichen Verlobten helfen möge, ihre Vorbereitung auf das Sakrament bewusst noch einmal zurückzuverfolgen. Sie sollen wissen, dass sie sich in der Ehe als Getaufte in Christus verbinden, dass sie sich in ihrem Familienleben vom Heiligen Geist leiten lassen müssen. Daher sollten sich die künftigen Eheleute durch den Empfang des Bußsakraments auf die Feier der Trauung vorbereiten, damit diese gültig, würdig und fruchtbar vollzogen wird (vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1622). Die liturgische Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe muss die gegenwärtig vorhandenen Zeichen und Riten erschließen. Wegen des deutlichen Zusammenhangs zwischen Ehesakrament und Ostergeheimnis findet die Feier der Trauung normalerweise im Rahmen einer Eucharistiefeier statt.

54. Da die Kirche in der Diözese sichtbar wird und diese sich in Pfarreien gliedert, versteht man, warum die kirchenrechtlich-pastorale Vorbereitung auf die Ehe im Bereich der Pfarrei und der Diözese beginnt. Daher entspricht es eher dem kirchlichen Sinn des Sakraments, wenn die Trauung normalerweise (CIC can. 1115) in der Kirche der Pfarrgemeinde, zu der das Brautpaar gehört, gefeiert wird.

Es ist wünschenswert, dass die ganze Pfarrgemeinde zusammen mit den Familien und Freunden des Brautpaars an dieser Feier teilnehmen. In den einzelnen Diözesen sollen Richtlinien in dieser Hinsicht erlassen werden, wobei einerseits die Situation vor Ort zu berücksichtigen ist und andererseits auch eine wirklich kirchliche pastorale Tätigkeit gefördert werden soll.

55. Diejenigen, die den aktiven Teil der liturgischen Feier übernehmen, sollen eingeladen werden, sich auch auf das Sakrament der Versöhnung und der Eucharistie vorzubereiten. Den Trauzeugen erkläre man, dass sie nicht nur Bürgen eines juristischen Aktes, sondern auch Vertreter der christlichen Gemeinde sind, die durch sie an einem sakramentalen Geschehen teilnimmt, das sie betrifft, da jede neue Familie eine Zelle der Kirche ist. Aufgrund ihres von Natur aus sozialen Charakters verlangt die Trauung die Teilnahme der Gesellschaft, und diese kommt in der Gegenwart der Zeugen zum Ausdruck.

56. Die Familie ist der geeignetste Ort, wo die Eltern kraft des allgemeinen Priestertums und nach dem Urteil des Ortsordinarius heilige Handlungen vollziehen und Sakramentalien spenden können, zum Beispiel im Rahmen der christlichen Initiation, in den freudigen oder schmerzlichen Ereignissen des alltäglichen Lebens, beim Tischgebet. Ein besonderer Platz muss dem Gebet in der Familie eingeräumt werden. Es schafft eine gläubige Atmosphäre in der Hausgemeinschaft und ist für die Eltern ein Mittel, um gegenüber den Kindern eine vollkommene Vater- und Mutterschaft zu leben, indem sie sie zum Gebet anleiten und zur schrittweisen Entdeckung des Geheimnisses Gottes sowie zum persönlichen Gespräch mit Ihm führen. Man erinnere die Eltern daran, dass sie durch die Erziehung ihrer Kinder ihre Sendung, das Evangelium des Lebens zu verkünden, erfüllen (vgl. EV 92).

57. Die unmittelbare Vorbereitung ist eine günstige Gelegenheit, um eine fortwährende Ehe- und Familienpastoral in die Wege zu leiten. Vor diesem Hintergrund gilt es zu bewirken, dass die Eheleute ihre Sendung in der Kirche kennen. Der Schatz, den die verschiedenen Familienbewegungen anbieten, kann ihnen helfen, in Ehe und Familie eine entsprechende Spiritualität zu pflegen, und ihnen zeigen, wie sie ihre Aufgaben in Familie, Kirche und Gesellschaft bewältigen können.

58. Die Vorbereitung der Verlobten möge von einer aufrichtigen und tiefen Verehrung Mariens, der Mutter der Kirche und Königin der Familien, begleitet sein; die Verlobten sollen zu der Erkenntnis befähigt werden, dass Maria in der Familie als Hauskirche ebenso aktiv gegenwärtig ist wie in der Großkirche; ebenso sollen sie angeleitet werden, Maria in ihren Tugenden nachzuahmen. So wird die Heilige Familie, das heißt die Gemeinschaft von Maria, Josef und Jesus, die Verlobten erkennen lassen, "wie liebevoll und unersetzlich die Erziehung in der Familie ist" (Paul VI., Ansprache in Nazareth, 5, I, 1964).

59. Wenn das, was in den verschiedenen Gemeinden kreativ vorgeschlagen wird, um auch diese Phasen der näheren und unmittelbaren Vorbereitung tiefer und angemessener zu gestalten, auch anderen zugänglich gemacht wird, dann wird es ein Geschenk und eine Bereicherung für die ganze Kirche sein.

III. Die Feier der Trauung

60. Die Vorbereitung auf die Ehe mündet durch die Feier des Sakraments in das Eheleben. Diese bildet den Höhepunkt des Vorbereitungsweges, den die Verlobten zurückgelegt haben, sowie die Quelle und den Ursprung des Ehelebens. Deshalb darf die Feier nicht auf eine bloße Zeremonie als Frucht von Kulturen und soziologischen Bedingungen verkürzt werden. Trotzdem sind die verschiedenen Bräuche von Völkern oder ethnischen Gruppen löblich und können bei der Feier aufgegriffen werden (vgl. Sacrosanctum Concilium, 77; FC 67), vorausgesetzt, sie bringen zuallererst das Sich-Versammeln der kirchlichen Gemeinschaft als Zeichen des Glaubens der Kirche zum Ausdruck, die im Sakrament die Gegenwart des auferstandenen Herrn bekennt, der das Brautpaar mit der trinitarischen Liebe verbindet.

61. Den Bischöfen obliegt es, durch die Liturgiekommission der Diözese genaue Vorschriften zu erlassen und deren praktische Anwendung zu überwachen, damit bei der Feier der Trauung der in Artikel 32 der Liturgiekonstitution gegebene Hinweis beachtet wird. Auch nach außen soll nämlich die Gleichheit der Gläubigen sichtbar und darüber hinaus jeder Anschein von Luxus vermieden werden. Daher ist die aktive Mitfeier aller bei der Feier der Trauung Anwesenden mit allen Mitteln zu fördern. Deshalb gebe man geeignete Hilfen, damit sie den Reichtum des Ritus erfassen und verkosten können.

62. Man erinnere daran, dass Christus dort gegenwärtig ist, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind (vgl. Mt 18,20); dass die Feier in bescheidenem Stil (ein Stil, der auch das Fest prägen soll) nicht nur Ausdruck der Glaubensgemeinschaft sein muss, sondern auch Grund, den Herrn zu loben. Die Hochzeit im Herrn und vor der Kirche zu feiern heißt bekennen, dass das Geschenk der Gnade, das den Eheleuten durch die Gegenwart und Liebe Christi und Seines Geistes gemacht wird, eine tatkräftige Antwort verlangt mit einem Leben der Anbetung im Geist und in der Wahrheit in der christlichen Familie als "Hauskirche". Gerade weil die Feier nicht nur als rechtlicher Akt verstanden wird, sondern auch als Moment der Heilsgeschichte in den Eheleuten – und durch das allgemeine Priestertum – für das Wohl der Kirche und der Gesellschaft, empfiehlt es sich, allen Anwesenden zu helfen, damit sie aktiv an der Feier teilnehmen können.

63. Daher wird sich, wer der Feier vorsteht, bemühen, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die das Rituale insbesondere in seiner zweiten offiziellen von der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung im Jahr 1991 promulgierten Ausgabe anbietet, um die Rolle der Spender des Ehesakraments, die im lateinischen Ritus den Brautleuten zukommt, und um den sakramentalen Charakter der gemeinsamen Feier hervorzuheben. Die Brautleute werden sich immer an die Konsensformel und an den personalen, kirchlichen und gesellschaftlichen Aspekt erinnern, der daraus folgt für ihr ganzes Leben als gegenseitige Hingabe bis zum Tode.<ref> Die Kongregation für die Glaubenslehre lehrt, dass man die Trauung der Christen nicht als Privatangelegenheit behandeln darf und erinnert an die Lehre und Disziplin der Kirche: „„In Treue gegenüber dem Wort Jesu (Mk 10,11––12) hält die Kirche daran fest, daß sie eine neue Verbindung nicht als gültig anerkennen kann, falls die vorausgehende Ehe gültig war. Wenn Geschiedene zivil wiederverheiratet sind, befinden sie sich in einer Situation, die dem Gesetz Gottes objektiv widerspricht. Darum dürfen sie, solange diese Situation andauert, nicht die Kommunion empfangen““ (Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über den Kommunionempfang von geschiedenen wiederverheirateten Gläubigen, Nr. 4, 14. 9. 1994).</ref>

Der orientalische Ritus behält das Amt des Spenders des Ehesakraments dem assistierenden Priester vor. Die Anwesenheit eines Priesters oder eines eigens dafür Beauftragten ist jedenfalls nach dem Gesetz der Kirche für die Gültigkeit der ehelichen Verbindung notwendig und zeigt deutlich den sowohl für die Kirche als auch für die Gesellschaft öffentlichen und gesellschaftlichen Charakter des Ehebundes.

64. Gewöhnlich wird die Trauung während der heiligen Messe gefeiert (vgl. Sacrosanctum Concilium, 78; FC 57). Handelt es sich aber um eine Eheschließung zwischen einem katholischen und einem getauften nichtkatholischen Teil, so findet die Feier gemäß den speziellen liturgisch-kirchenrechtlichen Vorschriften (vgl. = OCM 79–117) statt.

65. Macht man von den vorgesehenen Erklärungen Gebrauch, die in den Sinn der liturgischen Texte und in den Inhalt der Gebete einführen, werden alle Beteiligten zu einer aktiveren Mitfeier geführt. Die Schlichtheit der Erklärungen soll die Andacht und das Verständnis der Feier (OCM 52, 59, 65, 87, 93, 99) fördern, wobei zu vermeiden ist, dass die Feier zu einer reinen Belehrung wird.

66. Der Zelebrant, der der Feier vorsteht und der Gemeinde den kirchlichen Sinn jener ehelichen Verbindung offenbar macht, wird versuchen, den Brautleuten zusammen mit den Eltern und Trauzeugen den Aufbau des Ritus zu erklären und sie aktiv daran zu beteiligen. Dies gilt insbesondere für die charakteristischen Teile: das Wort Gottes, der ausgetauschte und bestätigte Konsens, der Segen über die Zeichen, die an die Trauung erinnern (Ringe usw.), der feierliche Segen über die Brautleute, das Gedächtnis der Brautleute im eucharistischen Hochgebet. "Die verschiedenen Liturgien sind reich an Segens- und Epiklesegebeten, die von Gott Gnade und Segen für das neue Ehepaar, insbesondere für die Braut erbitten" (Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 1624). Darüber hinaus wird man den Ritus der Handauflegung auf die "Subjekt-Spender" des Sakraments erklären müssen. Die Aufmerksamkeit aller Anwesenden soll ausdrücklich auf das Stehen, den Austausch des Friedengrußes oder andere von der zuständigen Autorität festgelegte Riten gelenkt werden.

67. Um für einen schlichten und zugleich erhabenen Stil der Feier zu sorgen, soll sich, wer der Feier vorsteht, von Meßdienern helfen lassen, ebenso von einem Kantor, der den Gesang der Gläubigen dirigiert und unterstützt, die Antworten leitet, und von einem Lektor, der das Wort Gottes verkündet. Mit besonderer und konkreter Aufmerksamkeit für die Brautleute und ihre Situation wird der Zelebrant sich selbst an die Wahrheit der Zeichen anpassen, die die liturgische Handlung gebraucht, dabei aber jede persönliche Vorliebe vermeiden. So wird er beim Empfang und bei der Begrüßung der Brautleute, ihrer Eltern – falls sie anwesend sind –, der Trauzeugen und der Mitfeiernden im Namen der Gemeinde sprechen, die die Brautleute aufnimmt.

68. Die Verkündigung des Wortes Gottes soll von geeigneten und vorbereiteten Lektoren vorgenommen werden. Sie können aus den Anwesenden ausgewählt werden: vor allem die Trauzeugen, Familienangehörigen und Freunde kommen dafür in Frage. Es erweist sich jedoch nicht als sinnvoll, wenn die Brautleute selbst die Lesungen vortragen. Denn sie sind die ersten Adressaten des verkündeten Wortes Gottes. Die Auswahl der Lesungen kann jedoch in Absprache mit den Brautleuten während der unmittelbaren Vorbereitung erfolgen. Auf diese Weise wird das Wort Gottes leichter zu einem Schatz, den sie in die Tat umsetzen.

69. Die Predigt, die immer zu halten ist, soll sich auf die Einführung in das "tiefe Geheimnis" konzentrieren, das vor Gott, der Kirche und der Gesellschaft gefeiert wird. "Der heilige Paulus fasst das Thema Familienleben mit dem Wort: tiefes Geheimnis (vgl. Eph 5,32) zusammen" (Gratissimam sane, 19). Von den Texten der Verkündigung des Wortes Gottes und/oder von den Gebeten der Liturgie ausgehend, soll das Sakrament erläutert und damit auch die Auswirkung auf das Leben der Eheleute und der Familien dargelegt werden. Überflüssige Anspielungen auf die Personen der Brautleute sind dabei aber zu vermeiden.

70. Die Gaben können von den Brautleuten zum Altar gebracht werden, wenn der Ritus im Rahmen einer Messfeier vollzogen wird. Die Fürbitten sollen jedenfalls angemessen vorbereitet werden und weder zu langatmig noch zu allgemein sein. Die heilige Kommunion kann aus pastoralem Anlaß unter beiderlei Gestalten erteilt werden.

71. Man sorge dafür, dass die einzelnen Teile der Feier der Trauung von einem schlichten, einfachen, authentischen Stil gekennzeichnet sind. Der Festcharakter darf keinesfalls durch übertriebenen Aufwand beeinträchtigt werden.

72. Der feierliche Segen über die Brautleute erinnert daran, dass im Sakrament der Ehe die Gabe des Geistes herabgerufen wird. Durch sie werden die Eheleute beständiger in der Eintracht und bei der Erfüllung ihrer Sendung und in künftigen Schwierigkeiten geistlich unterstützt. Es empfiehlt sich, den christlichen Eheleuten im Rahmen der Feier die Heilige Familie von Nazareth als Lebensmodell vor Augen zu halten.

73. Was die Zeit der entfernteren, näheren und unmittelbaren Vorbereitung betrifft, empfiehlt es sich, die gegenwärtigen Erfahrungen zu sammeln, um eine starke Änderung der Mentalität und der Praxis im Hinblick auf die Feier herbeizuführen. Die Sorge der pastoralen Mitarbeiter muss jedoch auf die Befolgung und Erklärung dessen zielen, was bereits im liturgischen Rituale festgelegt und vorgesehen ist. Natürlich hängt ein solches Verständnis von der ganzen Vorbereitung und vom Maß der christlichen Reife der Gemeinde ab.


* * *

Wie jeder zur Kenntnis nehmen kann, wurden hier einige Elemente zur organischen Vorbereitung der zum Sakrament der Ehe berufenen Gläubigen vorgelegt. Es wäre wünschenswert, wenn die jungen Eheleute, insbesondere in den ersten fünf Jahren ihres Ehelebens, eine angemessene Begleitung erführen. Diese kann durch Kurse nach der Eheschließung erfolgen, die in den Pfarreien oder Dekanaten nach der Norm des Direktoriums für Familienpastoral, von der oben (Nr. 14, 15) die Rede war, und in Anlehnung an das Apostolische Schreiben Familiaris consortio (66) abgehalten werden. Der Päpstliche Rat für die Familie übergibt den Bischofskonferenzen die vorliegenden Leitlinien für ihre eigenen Direktorien. Die Bischofskonferenzen und die einzelnen Bischöfe mögen sich darum sorgen, dass sie in den kirchlichen Gemeinschaften wirksam werden. So wird jeder Gläubige besser erkennen, dass das Sakrament der Ehe, das tiefe Geheimnis (Eph 5,2lff.), die Berufung vieler im Volk Gottes ist.

Vatikanstadt, den 13. Mai 1996

Alfonso Cardinal López Trujillo,
Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie
† Bischof Franciso Gil Hellín,

Sekretär

Anmerkungen

<references />

Weblinks