Diuturnum illud (Wortlaut): Unterschied zwischen den Versionen

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Papst Leo XIII.: Diuturnum illud
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an alle Ehrwürdigen Brüder die [[Patriarch|Patriarchen]], [[Primat|Primaten]], [[Erzbischof|Erzbischöfe]], [[Bischof|Bischöfe]] <br>
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des katholischen Erdkreises, welche in [[Gnade]] und Gemeinschaft mit dem [[Apostolischer Stuhl|Apostolischen Stuhle]] stehen, <br>
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'''über die höchste Würde im Bereich des Staatswesens <br>'''
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[[29. Juni]] [[1881]] <br>
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(Offizieller [[latein]]ischer Text: [[ASS]] XX [1887] 593-613) </center>
  
Rundschreiben über die höchste Würde im Bereich des Staatswesens. Gegeben zu Rom, beim Heiligen Petrus, am 29. Juni des Jahres 1881, dem vierten Jahre Unseres Pontifikates.
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(Quelle: [[Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung]], Hsgr. [[Arthur Fridolin Utz]] + Birgitta Gräfin von Galen, XXI 1-23, Scientia humana Institut Aachen 1976, [[Imprimatur]] Friburgi Helv., die 2. decembris 1975 Th. Perroud, V.G. Überschriften, aus denen die Inhaltsübersicht erstellt wurde und Korrekturen aus: Leo XIII. - Lumen De Caelo. Erweiterte Ausgabe des „Leo XIII. der Lehrer der Welt". Praktische Ausgabe der wichtigsten Rundschreiben Leo XIII. und Pius XI. [in Fraktur]. Herausgegeben von Carl Ulitzka, Päpstlicher Hausprälat, Ratibor 1934. Mit kirchlicher [[Druckerlaubnis]]. Die Nummerierung folgt der englischen Fassung; auch in: ; Emil Marmy (Hrsg.), ''[[Mensch und Gemeinschaft in christlicher Schau]]'', Dokumente, [[Paulus Verlag Freiburg/Schweiz]] 1945, S. ; [[Imprimatur]] Friburgi Helv., die 21. Augusti 1945 L. Clerc, censor; ''Sämtliche Rundschreiben Leo XIII.'', [[Lateinisch]]er und [[deutsch]]er [Fraktur] Text, [[Herder Verlag|Herder´sche Verlagsbuchhandlung]] Freiburg im Breisgau 1904, Zweite Sammlung, S. 1-33;  oder in: Leo XIII., Lumen de coelo II., - Bezeugt in seinen [[Allocutio]]nen, [[Enzyklika|Rundschreiben]], [[Apostolische Konstitution|Constitutionen]], [[Apostolischer Brief|öffentlichen Briefen]] und Akten, Buch und [[Verlag]] Rudolf Brzezowsky & Söhne Wien 1890, S. 31-45, die letzten zwei in Fraktur abgedruckt) 
  
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{{Hinweis Lehramtstexte}}
  
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'''<center> Ehrwürdige Brüder, </center>'''
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'''<center>Gruß und apostolischen Segen </center>'''
  
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==Einleitung==
  
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===Die Empörung gegen die weltliche Obrigkeit ist eine Frucht der Empörung gegen die geistliche Obrigkeit===
  
An alle Ehrwürdigen Brüder: die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe und Bischöfe des katholischen Erdkreises, welche in Gnade und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle stehen.
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'''1''' Jener anhaltende und zu verabscheuende Kampf, der gegen die göttliche Autorität der Kirche unternommen wurde, ist naturgemäß das geworden, wozu er angelegt war, nämlich eine allgemeine Gefahr für die menschliche Gesellschaft und besonders für die bürgerliche Gewalt, auf der hauptsächlich das öffentliche Wohl gründet. – Das steht in unseren Tagen offenkundig vor Augen. Denn das von seinen Leidenschaften getriebene Volk leugnet heute dreister denn je jedwede Regierungsgewalt, und so groß ist an verschiedenen Orten die ungezügelte Leidenschaft, so häufig sind Aufruhr und Unordnung, dass jenen, die das Staatswesen leiten, nicht nur öfters der Gehorsam verweigert wird, sondern sie selbst nicht einmal hinreichenden Schutz und Sicherheit mehr zu finden scheinen. '''2''' Fürwahr, lange hatte man alles getan, um sie bei der Menge verächtlich und verhasst zu machen, und indem der so genährte Hass in hellen Flammen aufloderte, fanden in nur kurzen Zwischenräumen zu verschiedenen Malen, teils auf hinterlistige Weise, teils im offenen Angriff, Mordanschläge auf das Leben der höchsten Fürsten statt. Von Schauder wurde unlängst ganz Europa erfasst bei dem unerhörten Mord eines mächtigen Kaisers, und während ob der Größe des Verbrechens noch alle Gemüter wie betäubt sind, scheuen sich diese verdorbenen Menschen nicht, gegen die übrigen Fürsten Europas öffentlich erschreckende Drohungen zu verbreiten.
  
Papst [[Leo XIII.]]
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===Die Rettung liegt in der Erfüllung der Pflichten von Fürsten und Untertanen===
  
Ehrwürdige Brüder! Heilsgruß und Apostolischen Segen!
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'''3''' Diese offenkundige Gefahr des Gemeinwesens erfüllt Uns mit schwerer Sorge, da Wir sowohl die Sicherheit der Fürsten wie die Ruhe der Reiche und zugleich das Wohl des Volkes fast stündlich gefährdet sehen. - Und doch hat die christliche Religion mit ihrer göttlichen Kraft unerschütterliche Fundamente dauerhafter Ordnung im Staatswesen gelegt, sobald sie nur einmal in die Sitten und bürgerlichen Einrichtungen eingegangen war. Eine vorzügliche und ganz besondere Wirkung derselben bildet das weise und wohlabgewogene Verhältnis der Rechte und Pflichten von Fürsten und Völkern. Denn Christi Vorschriften und Beispiele haben eine wunderbare Gewalt, die Untergebenen sowohl wie die Vorgesetzten in der Pflicht zu erhalten und jene von der Natur gebotene Einstimmigkeit und Willensharmonie zu bewahren, auf welcher der friedliche und ungestörte Gang des Staatslebens fließt. - Darum nun, da Uns durch Gottes Gnade die Regierung der Katholischen Kirche, dieser treuen Bewahrerin und Auslegerin der Lehren Christi, anvertraut worden ist, erachten Wir es für die Aufgabe Unseres Amtes, Ehrwürdige Brüder, öffentlich kundzutun, welche Pflichten in dieser Beziehung die katholische Wahrheit für jeden verkündet. Es werden sich hieraus der Weg und die Methode ergeben, welche bei einer so bedenklichen Sachlage um des öffentlichen Wohles willen zu ergreifen sind.
  
== Gezielte Untergrabung der Staatsgewalt ==
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==Die Notwendigkeit der obrigkeitlichen Gewalt==
  
Jener lange andauernde und höchst abscheuliche Kampf, der gegen die göttliche Autorität der Kirche unternommen wurde, ist dort angelangt, wohin sich seine abschüssige Ausrichtung neigte: nämlich eine allgemeine Gefahr für die menschliche Gesellschaft zu werden - namentlich für die oberste Gewalt im Staate, auf welcher die öffentliche Wohlfahrt hauptsächlich beruht. Dies ist eine offenkundige Tatsache gerade unseres Zeitalters. Denn die eigennützigen Gelüste innerhalb des Volkes weisen heute vermessener als je zuvor jeglichen obrigkeitlichen Einfluß entschieden zurück: und derart groß ist an den verschiedenen Orten die Zügellosigkeit, so häufig sind Empörungen und Unruhen, daß denjenigen, welche die Staatswesen leiten, nicht allein oftmals der Gehorsam verweigert wird, sondern diese für sich selbst nicht einmal mehr hinreichend Schutz und Sicherheit zu finden scheinen. Lange hatte man sich ja fürwahr Mühe gegeben, sie bei der Menge verächtlich und verhaßt zu machen, und indem der so entstehen gelassene Haß in hellen Flammen aufloderte, fanden mit nur kurzen Zwischenräumen mehrmals - teils auf hinterlistige Weise, teils in offener Wegelagerung - Mordanschläge auf das Leben der höchststehenden Fürsten und Herrscher statt. Von Schauder wurde vor einiger Zeit ganz Europa bei dem ruchlosen Mord an einem machtvollen Kaiser erfaßt; und während wegen der Größe des Verbrechens noch allgemeine Verwirrung herrscht, scheuen sich diese ruchlosen Menschen nicht, gegen die übrigen Herrscher in Europa allgemein Drohungen und Schrecken zu verbreiten.
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'''4''' Wenngleich der Mensch in trotziger Vermessenheit häufig die Zügel der Regierung abzuwerfen sich bemühte, so konnte er es doch nie zu einer vollständigen Lösung von jedem Gehorsam bringen. Denn die Not selbst zwingt jede menschliche Vereinigung und Gemeinschaft, einen Vorgesetzten zu haben, damit die Gesellschaft ohne Haupt und leitende Gewalt nicht zerfällt und nicht den Zweck verfehlt, weswegen sie entstanden ist und sich gebildet hat.  
  
== Abhilfe durch die Lehren der christlichen Religion ==
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==Der Ursprung dieser Gewalt==
  
Diese vor Augen stehenden Gefahren für die öffentliche Ordnung erfüllen Uns mit schwerer Sorge, da Wir sowohl die Sicherheit der Herrscher, als auch die friedliche Ruhe der Reiche, und zugleich das Heil der Völker fast stündlich gefährdet erblicken. - Und doch hat die göttliche Kraft der christlichen Religion ganz besondere Stützen für Dauerhaftigkeit und Ordnung im Staatswesen geschaffen, sobald sie nur einmal die Sitten und Einrichtungen der Staaten ganz durchdrungen hat. Eine ganz besondere und bedeutende Auswirkung derselben bildet das kluge und gerecht abgewogene Verhältnis von Rechten und Pflichten zwischen Herrschern und Völkern.
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===Die Neuerer leiten das Recht zu befehlen vom Volke ab===
  
== Der Stellvertreter Jesu Christi waltet seines Amtes ==
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Doch, war es nicht möglich, die staatliche Gewalt aus der bürgerlichen Gesellschaft vollständig zu entfernen, so suchte man alle Mittel aufzubieten, um ihre Bedeutung zu schwächen und ihre Majestät herabzusetzen. Es geschah dies ganz besonders im 16. Jahrhundert, als eine unselige Sucht nach neuen Meinungen so viele betörte. In der Folgezeit verlangte die Menge nicht bloß eine alles billige Maß überschreitende Freiheit, man musste es sogar erleben, dass Ursprung und Verfassung der bürgerlichen Gesellschaft nach Willkür ersonnen wurden. '''5''' Ja, sehr viele, die in neuerer Zeit in die Fußstapfen derer traten, die im vorigen Jahrhundert sich Philosophen nannten, lassen alle Gewalt vom Volk ausgehen. Jene, welche diese Gewalt im Staate ausüben, üben sie demgemäss nicht als eine ihnen zukommende Gewalt aus, sondern nur als vom Volk übertragene, und zwar unter der Bedingung, dass sie durch den Willen des Volkes, von dem sie übertragen wurde, widerrufen werden kann. Diesen gegenüber leiten die Katholiken das Recht zu befehlen, von Gott als seinem natürlichen und notwendigen Ursprung ab.
  
Denn in den Vorschriften und Handlungsweisen CHRISTI DES HERRN liegt eine wunderbare Kraft: sowohl Untergebene wie Vorgesetzte im Rahmen ihrer Schuldigkeit zu erhalten, und jenen von Natur aus gegebenen Einklang und jene Übereinstimmung der Entschlüsse zu bewahren, woraus der friedliche und völlig ungestörte Verlauf der Dinge im Staat entsteht. - Weil Uns nun durch GOTTES Gnade die Regierung der katholischen Kirche, der Hüterin und Auslegerin der Lehren Christi, anvertraut ist, deshalb erachten Wir es als eine Aufgabe Unseres Amtes, Ehrwürdige Brüder, öffentlich in Erinnerung zu bringen, was in dieser Beziehung die katholische Wahrheit von einem jeden verlangt. Hieraus werden sich die Maßregeln ergeben, welche bei einem so bedenklichen Stand der Dinge für das Wohl des öffentlichen Lebens zu ergreifen sind.
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===Nach katholischer Lehre stammt das Recht von Gott===
  
== Geschichtlicher Werdegang jener Abwertung der Obrigkeiten ==
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==== Die Bezeichnung der Person kann durch das Volk geschehen====
  
Wenngleich der Mensch, getrieben von Anmaßung und Widerspenstigkeit, häufig die Zügel der Regierung abzuwerfen bestrebt war, so konnte er es doch niemals erreichen, in keinerlei Untertänigkeit zu stehen. Denn der Zwang der Umstände als solcher nötigt jede menschliche Vereinigung und Gemeinschaft, jemanden an ihrer Spitze zu haben: da die Gesellschaft ohne Beherrscher, ohne ein sie leitendes Haupt zerfallen würde und den Zweck nicht erreichen könnte, um dessentwillen sie entstanden ist und sich gebildet hat.
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'''6''' Hierbei ist jedoch zu bemerken, dass in vollem Einklang mit der katholischen Lehre jene, welche an die Spitze des Staatswesens zu treten haben, in bestimmten Fällen durch den Willen und nach dem Urteil des Volkes gewählt werden können. Durch eine solche Wahl wird nun allerdings der Gewaltinhaber bezeichnet, aber die obrigkeitlichen Rechte werden hiermit nicht verliehen; auch wird die Befehlsgewalt nicht übertragen, sondern es wird nur bestimmt, wer dieselbe auszuüben hat. '''7''' Ebenso handelt es sich hier nicht um die Formen der politischen Gewalt; denn die Kirche findet weder in der Herrschaft eines Einzigen, noch in der von vielen etwas Unangemessenes, wenn diese nur gerecht ist und durch sie das allgemeine Wohl besorgt wird. Wenn daher die Gerechtigkeit nicht verletzt wird, ist es den Völkern unbenommen, jene Regierungsform bei sich einzuführen, die ihrem Charakter oder den tradierten Einrichtungen und Gewohnheiten am meisten entspricht.
  
Jedoch, da es nicht möglich war, die staatliche Gewalt aus der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft vollständig zu entfernen, so suchte man wenigstens alle Kunstgriffe anzuwenden, um deren Bedeutung herabzusetzen und deren Würde zu untergraben: und dies geschah ganz besonders im 16. Jahrhundert, als eine unselige Sucht nach neuen Meinungen so viele Menschen betörte. In der Folgezeit verlangte die Menge nicht bloß eine alles rechte Maß überschreitende „Freiheit“, sondern es ist auch zu erkennen, wie Ursprung und Beschaffenheit der bürgerlichen Gesellschaft der Menschen nach Willkür erdichtet wurde. Ja, sehr viele, welche in neuerer Zeit in die Fußstapfen derer getreten sind, die sich im vorigen Jahrhundert „Philosophen“ nannten, lassen alle obrigkeitliche Gewalt vom Volke ausgehen: diejenigen, die diese Gewalt im Staat ausüben, üben sie daher nicht als eine ihnen eigene (Gewalt) aus, sondern als ihnen bloß überlassen: im Auftrag des Volkes, und zwar unter der Bedingung, daß sie durch den Willen des Volkes, von dem sie übertragen wurde, widerrufen werden kann. Hiermit stimmen die Katholiken nicht überein: sie leiten das Recht des Gebietens von GOTT her: als dessen natürlichem und notwendigem Ursprung.
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====Die Gewalt zum Befehlen stammt von Gott====
  
== Mögliche unterschiedliche Formen der Verwaltung des Staates ==
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'''8''' Was übrigens die politische Gewalt betrifft, so lehrt die Kirche mit Recht ihren Ursprung von Gott, denn dies findet sie in der Heiligen Schrift und in den Überlieferungen des christlichen Altertums offenbar bezeugt; auch kann, abgesehen hiervon, keine andere Lehre aufgestellt werden, welche mehr der Vernunft gemäß ist oder der Wohlfahrt von Fürsten und Völkern mehr entspricht.
  
An dieser Stelle ist jedoch zu bemerken, daß ohne Widerspruch und Gegensatz zur katholischen Lehre diejenigen, welche die Aufsicht über die Staatsverwaltung führen sollen, in bestimmten Fällen durch den Willen und nach der Entscheidung des Volkes gewählt werden können. Durch eine solche Wahl wird nun allerdings der Vorgesetzte bezeichnet; aber die Rechte des Vorranges werden dadurch nicht überlassen: auch wird (dadurch) die Herrschaft nicht übergeben, sondern es wird bloß bestimmt, wer dieselbe auszuüben hat. -- Ebenso handelt es sich hier nicht um die Frage der Art und Weise der Staatsverwaltung: denn die Kirche findet die Herrschaft eines Einzelnen oder auch Mehrerer nicht unangemessen, wenn diese nur eine gerechte ist und für das allgemeine Wohl wachsam Sorge trägt. Wenn daher die Gerechtigkeit nicht verletzt wird, ist es den Völkern nicht verwehrt, jene Form der Staatsverwaltung bei sich einzurichten, welche entweder ihrem Charakter oder den Sitten und Grundsätzen der Vorfahren genauer entspricht.
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===== Die Lehre der Heiligen Schrift=====
  
== Gott ist der Ursprung der staatlichen Gewalt ==
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'''9''' In der Tat bestätigen die Bücher des Alten Bundes in höchst deutlicher Weise die Lehre, dass die Quelle der menschlichen Gewalt in Gott ist. „Durch mich regieren die Könige, ... durch mich herrschen die Fürsten, und verwalten die Gewaltigen die Gerechtigkeit".<ref> {{B|Spr|8|15-16}}.</ref> Und anderswo: „Neiget die Ohren, die ihr der Völker Menge beherrscht ... ; denn von dem Herrn ist euch die Herrschaft gegeben und die Macht von dem Allerhöchsten“.<ref> {{B|Weish|6|3-4}}.</ref>
  
Was im übrigen die zum Staat gehörende Gewalt betrifft, so lehrt die Kirche mit Recht deren Ursprung von GOTT: denn dies findet sie in der Heiligen Schrift und in den Urkunden des christlichen Altertums klar bezeugt; auch könnten, abgesehen hiervon, keine Grundsätze ersonnen werden, welche mehr der Vernunft gemäß wären, oder die dem Wohl von Herrschern und Völkern mehr entsprächen.
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Dasselbe lesen wir in dem Buche Ecclesiasticus: „Über jedes Volk stellte er einen Regenten“.<ref> {{B|Sir|17|14}}.</ref> - Doch allmählich vergaßen die Menschen diese Lehren, die sie von Gott empfangen hatten, von, heidnischem Aberglauben betört, der wie so vielfach die richtigen Vorstellungen und Begriffe so auch die ursprüngliche Form und Schönheit der politischen Gewalt gefälscht hat. Als aber in der Folgezeit das christliche Evangelium die Welt erleuchtete, musste dieser Wahn vor der Wahrheit weichen, und wieder begann man, jenen höchst erhabenen und göttlichen Ursprung zu erkennen, dem alle Autorität entstammt. - Als der römische Landpfleger voll Selbstgefühl auf seine Gewalt hinwies, freizusprechen oder zu verurteilen, antwortete ihm Christus der Herr: „Du hättest keine Gewalt gegen mich, wäre sie dir nicht von oben gegeben“.<ref> {{B|Joh|19|11}}.</ref> Indem der heilige Augustinus diese Stelle erklärt, bemerkt er: „Lernen wir, was er gesagt, was er auch durch die Apostel gelehrt hat, dass es keine Gewalt gibt außer von Gott".<ref> Tract. CXVI in Ioan. n. 5, [[PL]] XXV 1943.</ref> Die Lehren und Gebote des Herrn tönen aus dem unverfälschten Wort der Apostel gleich einem Echo wieder. Zu den Römern, der Herrschaft heidnischer Fürsten untertan, sprach Paulus das erhabene und gewichtige Wort: „Es gibt keine Gewalt außer von Gott", aus diesem Grunde folgerte er: „Der Fürst ist Gottes Diener“.<ref> {{B|Röm|13|1.4}}.</ref>
  
== Beweis dafür aus der Heiligen Schrift ==
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=====Die Lehre der Kirchenväter=====
  
in der Tat bestätigen die Bücher des Alten Testamentes in höchst deutlicher Weise an vielen Stellen die Lehre, daß der Ursprung der menschlichen (obrigkeitlichen) Gewalt in GOTT ist. Durch mich regieren die Könige, ... durch mich gebieten die Herrscher, und die Mächtigen verordnen Gerechtigkeit . Und an anderer Stelle: Neiget die Ohren, ihr, die ihr der Völker Menge beherrschet ... , denn vom HERRN ist euch die Herrschaft gegeben und die Macht vorn Allerhöchsten . Das gleiche sagt das Buch Ecclesiasticus der Heiligen Schrift: Über jedes Volk hat ER einen Regierer gestellt . Doch allmählich vergaßen die Menschen diese Lehren, die sie von GOTT empfangen hatten, indem sie durch heidnischen Aberglauben davon abgebracht wurden. Letzterer hat vielfach die richtigen Vorstellungen und Begriffe, und ebenso auch die echte Form der höchsten Würde und deren Vortrefflichkeit verfälscht. Als aber in der Folgezeit das christliche Evangelium leuchtend erschien, da wich ein solcher Wahn vor der Wahrheit, und man fing wieder an, jenen höchst edlen und göttlichen Ursprung zu erkennen, von dem jegliche Macht herrührt. - Als daher der römische Statthalter voll Selbstgefühl auf seine Gewalt hinwies, freizusprechen oder zu verurteilen, da antwortete ihm Christus der Herr: Du hättest keine Gewalt gegen mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre . Zur Erklärung dieser Stelle bemerkt der heilige Augustinus: Lernen wir, was Er gesagt hat, was Er auch durch die Apostel gelehrt hat: daß keine Gewalt ist, außer von Gott . Denn die Lehren und Gebote Jesu Christi tönen aus dem unverfälschten Worte der Apostel wie aus einem Echo heraus. An die Römer, der Herrschaft heidnischer Herrscher untertan, richtet Paulus voll Nachdruck das erhabene Wort: Es gibt keine Gewalt außer von Gott. Aus diesem Grunde folgerte er: Der Herrscher ist Gottes Diener .
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'''10''' Die Kirchenväter waren eifrig bemüht, diese Lehre, in welcher sie unterrichtet worden waren, zu bekennen und auszubreiten. „Die Befugnis, die Herrschaft und Gewalt zu verleihen, sprechen wir niemandem zu außer dem wahren Gott", sagt der heilige Augustinus.<ref> De Civ. Dei V 21, [[PL]] XLI 167.</ref> Ebenso erklärt der heilige Johannes Chrysostomus: „Ich behaupte, dass die göttliche Weisheit es so geordnet hat, dass es Herrschende gibt; dass einige befehlen, andere gehorchen und nicht alles nach der Laune geschieht, ist Ausfluss göttlicher Weisheit."<ref> In epist. ad Rom. homil. XXIII, n. 1.</ref> Dasselbe hat der heilige Gregor der Große bezeugt mit den Worten: „Wir bekennen, dass den Kaisern und Königen die Gewalt vom Himmel gegeben worden ist."<ref> Epist. lib 11, epist. 61.</ref>
  
== Aus der Lehrweisheit der Kirchenväter ==
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=====Die Lehre der Vernunft=====
  
Die Kirchenväter waren gewissenhaft bemüht, diese Lehre, in welcher sie unterwiesen worden waren, zu bekennen und auszubreiten. Die Befugnis zur Verleihung der Königsherrschaft und der kaiserlichen Gewalt gestehen wir niemandem zu außer dem wahren Gott, sagt der heilige Augustinus . Ebenso erklärt der heilige Johannes Chrysostomus: Ich behaupte, daß die göttliche Weisheit es so geordnet hat, daß es eine Obergewalt gibt; ebenso, daß einige befehlen, andere untergeordnet sind, und daß nicht alles zufallsartig und planlos fortgeführt wird . Das gleiche hat der heilige Gregor der Große bezeugt mit den Worten: Wir bekennen, daß den Kaisern und Königen die Gewalt vom Himmel her gegeben worden ist . Die heiligen Lehrer haben eben diese Gebote zusätzlich auch gemäß dem natürlichen Licht der Vernunft erklärt: damit dieselben sogar von jenen als durchaus gerecht und wahr erkannt werden müssen, welche sich bloß von der Vernunft leiten lassen. Denn es ist ja ein Gebot der Natur - oder richtiger: GOTTES, des Urhebers der Natur - auf welchem das Zusammenleben der Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft beruht: einen klaren Beweis hierfür liefern sowohl die (menschliche) Sprache, welche in höchster Weise ein gesellschaftsbildendes Prinzip ist, als auch so viele angeborene Bestrebungen der Seele und des Lebens; und so vielfache und höchst wichtige Dinge, welche die Menschen als Vereinzelte nicht erlangen können, die sie aber in Verbindung und gesellschaftlicher Vereinigung mit anderen erreichen. Eine Gesellschaft kann nun aber nicht entstehen, ja nicht einmal gedacht werden, in der nicht Irgendeiner die Bestrebungen ihrer einzelnen Glieder derart leitet, daß aus Vielen gewissermaßen ein Einziges wird, und der dieselben in rechtmäßiger und geordneter Weise zu dem gemeinschaftlichen Gut und Wohl hin bewegt.
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Die heiligen Lehrer haben sich bemüht, die gleichen Vorschriften durch das natürliche Licht der  Vernunft aufzuhellen, damit sie auch denen, die die Vernunft zur alleinigen Führerin haben, als durchaus recht und wahr erscheinen '''11''' Denn es ist in der Tat ein Gebot der Natur oder, richtiger, Gottes, des Urhebers der Natur, auf dem das Zusammenleben der Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft beruht; einen Beweis hierfür bieten sowohl die Sprache, die in höchster Weise ein gesellschaftsbildendes Prinzip ist, als auch aus so vielen der Seele innewohnenden Neigungen und so vielfache und höchst wichtige Bedürfnisse, die der Mensch in seiner Vereinzelung nicht befriedigen kann, wohl aber im Verband und gesellschaftlichen Verkehr mit anderen. Eine Gesellschaft kann nun aber gar nicht bestehen, ja nicht einmal gedacht werden, in der nicht einer die Bestrebungen ihrer Glieder derart leitet, dass aus vielen gewissermaßen ein Einziges wird und die vielen Bestrebungen in rechtmäßiger und geordneter Weise einen Impuls nach dem Gemeinwohl hin empfangen. Darum wollte Gott, dass in der bürgerlichen Gesellschaft Herrscher seien, die der Menge zu gebieten haben. – Daher wollte es Gott so, dass jene, die durch ihr Ansehen das Gemeinwesen verwalten, derart die Bürger zum Gehorsam zu zwingen die Befugnis haben müssen, dass für diese der Ungehorsam eindeutig Sünde ist. Niemand aber hat in sich oder aus sich die Macht, durch die Bande der Befehlsgewalt in solcher Weise den freien Willen anderer zu binden. Gott allein, dem Schöpfer aller Dinge und Gesetzgeber, kommt diese Gewalt zu; wer sie darum ausübt, kann sie notwendigerweise nur als eine von Gott ihm übertragene ausüben. „Einer ist Gesetzgeber und Richter, der die Macht hat, zu retten und zu verderben".<ref> {{B|Jak|4|12}}.</ref> Dasselbe gilt bezüglich jeder Art von Gewalt. Dass jene, die den Priestern innewohnt, von Gott stammt, ist so bekannt, dass die Priester bei allen Völkern als Diener Gottes gelten und auch so genannt werden. Ebenso ist die Gewalt der Familienväter gewissermaßen ein Abbild der Autorität, die in Gott ist, von dem „alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen hat“.<ref> {{B|Eph|3|15}}.</ref> So haben auf diese Weise die verschiedenen Arten von Gewalt eine wunderbare Ähnlichkeit untereinander, da, was irgendwo an Befehlsgewalt und Autorität gefunden wird, von ein und demselben Schöpfer und Herrn, von Gott, ausgegangen ist.
  
== Jede echte Autorität rührt von Gott her ==
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===Die Ansicht, dass die Regierungsgewalt durch Vertrag übertragen werde, ist falsch===
  
Darum wollte GOTT, daß es in der bürgerlichen Gesellschaft Obere gebe, welche die Menge des Volkes zu regieren haben. - Und auch dies ist von großem Gewicht, daß diejenigen, welche kraft ihrer Autorität das Staatswesen verwalten, die Befugnis haben müssen, die Bürger derart zum Gehorsam zu zwingen, daß für diese der Ungehorsam klarerweise Sünde ist. Kein Mensch aber trägt es in sich oder vermag es aus sich selbst heraus, durch die Fesseln der Herrschaft in solcher Weise den freien Willen der übrigen zu binden. GOTT allein, dem Schöpfer aller Dinge und Gesetzgeber, kommt diese Macht und Gewalt zu: wer sie darum ausübt, kann sie notwendigerweise nur als eine ihm von GOTT gegebene ausüben. Einer ist der Gesetzgeber und der Richter, der die Macht hat, zu verderben und freizusprechen . Das gleiche läßt sich bezüglich jeder Art von Macht und Gewalt erkennen. Daß diejenige, welche den Priestern innewohnt, von GOTT ausgeht: das ist so bekannt, daß dieselben bei allen Völkern als Diener GOTTES gelten und so genannt werden. Ebenso ist in der Macht und Gewalt der Familienväter wahrhaft ein eindrucksvolles Bild der Beschaffenheit derjenigen Autorität bewahrt, welche in GOTT ist, von dem jede Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen hat . So haben auf diese Weise die verschiedenen Arten von Macht und Gewalt wunderbare Ähnlichkeiten untereinander: da ja, was es, in welchen Belangen immer, an Oberherrschaft und Autorität gibt, seinen Ursprung von ein und demselben Schöpfer und Herrn der Welt, also von GOTT, herleitet.
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'''12''' Jene, welche die bürgerliche Gesellschaft von einer freien Übereinkunft der Menschen ausgehen lassen und in ihr den Ursprung der Gewalt selbst erblicken, nehmen an, ein jeder habe etwas von seinem Recht abgetreten, und so hätten die einzelnen sich freiwillig unter die Herrschaft dessen begeben, der jene Rechte in ihrer Gesamtheit in sich vereinigt hat. Es ist jedoch ein großer Irrtum, die offenkundige Tatsache nicht zu erkennen, dass der Mensch von Natur aus nicht einzeln umherschweift, sondern vor jeder freien Willensentscheidung zur natürlichen Lebensgemeinschaft geboren ist; auch ist jener Vertrag, von dem sie reden, offenbar ganz willkürlich erfunden und erdichtet und vermag nicht, der politischen Gewalt so viel Kraft Würde und Festigkeit zu verleihen, wie der Schutz des Staates und der allgemeine Nutzen der Bürger es erfordern. Nur dann wird die bürgerliche Gewalt solche Beachtung und solchen allseitigen Schutz erlangen, wenn man anerkennt, dass ihr Ursprung aus Gott, der erhabensten und heiligsten Quelle herkommt.
  
Irrige Lehren über Staat und Gesellschaft
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==Der Segen dieser katholischen Lehre==
  
== Die irrige Lehre vom „Contrat social“ ==
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'''13''' Diese Anschauung enthält nicht nur mehr Wahrheit, sondern ist auch von größerem Nutzen als jede andere Erklärung.
  
Jene Leute, welche die bürgerliche Gesellschaft von einem einhelligen Beschluß der Menschen ausgehen lassen und in ihr selbst den Ursprung der Herrschergewalt erblicken wollen, sie nehmen an: ein jeder habe etwas von seinem Recht abgetreten; und so hätten sich die Einzelmenschen freiwillig unter die Herrschaft dessen begeben, dem die Gesamtheit jener Rechte zuteil geworden. Es ist jedoch ein großer Irrtum, die offenkundige Tatsache nicht zu erkennen, daß die Menschen in ihrer Gesamtheit nicht vereinzelt umherschweifen, sondern vor jeder freien Entscheidung ihres Willens ihrem Wesen nach zur Gemeinschaft geboren sind; auch ist jener „Vertrag“ , von dem sie reden, offenbar ganz willkürlich erfunden und erdichtet, und er ist nicht dazu geeignet, der staatlichen Macht und Gewalt so viel Kraft, Würde und Festigkeit zu gewähren, als es der Schutz des Gemeinwesens und der allgemeine Nutzen der Bürger erforderlich macht. Es wird die Obergewalt nur allein dann eine solche sittliche Würde und diese vielseitigen Schutz- und Hilfsmittel haben, wenn deren Herrühren von GOTT als dem erhabensten und heiligsten Ursprung erkannt wird.
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===Sie bindet die Untertanen im Gewissen===
  
== Teilhabe der Obrigkeiten an Gottes höchster Gewalt; daraus sich ergebende Folgerungen ==
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====So lehrt die Vernunft====
  
So ist diese Anschauung vom Ursprung der staatlichen Gewalt nicht nur mehr der Vernunft entsprechend, sondern auch vom größten möglichen Nutzen. Denn wenn Macht und Gewalt der Staatenlenker wahrhaft ein Teilnehmen ist an der Gewalt GOTTES: dann empfängt sie eben deswegen unaufhörlich eine übermenschliche Würde - und zwar nicht jene gottlose und durch und durch törichte, wie sie ehemals die heidnischen Kaiser forderten, die nach göttlichen Ehren strebten; sondern eine wahre und echte, von GOTTES Gnaden und als Wohltat von IHM empfangene. Um derentwillen müssen dann die Bürger in Unterordnung stehen und dem Wort der Herrscher gehorsam sein wie GOTT selbst gegenüber: nicht so sehr aus Furcht vor Strafen, als aus Ehrfurcht, eingedenk (der Würde) des (Herrscher-)Amtes; nicht aus Schmeichelei, sondern im sittlichen Bewußtsein von Pflicht und Gehorsam. Hierdurch muß die Herrschergewalt auf ihrer Stufe eine weit gefestigtere Stellung gewinnen. Denn wenn die Bürger die Tragweite dieses Amtes erkennen, dann werden sie notwendigerweise Unredlichkeit und Eigensinn vermeiden, weil man überzeugt sein muß, daß, wer sich der staatlichen Gewalt widersetzt, sich dem göttlichen Willen selbst widersetzt; und wer den Herrschern die Ehre verweigert, sie GOTT selbst verweigert.
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Denn wenn die Gewalt der Staatenlenker gewissermaßen eine Teilhabe an der göttlichen Gewalt ist, so empfängt sie eben deswegen fortgesetzt eine übermenschliche Würde; nicht zwar jene gottlose und höchst törichte, wie sie ehedem die heidnischen Kaiser, die nach göttlichen Ehren strebten, forderten, sondern eine wahre und echte, von Gottes Gnaden und als Wohltat von ihm empfangen. Darum müssen die Bürger den Staatsoberhäuptern untertan und ihren Geboten gegenüber gehorsam sein wie Gott selbst, nicht so sehr aus Furcht vor Strafen, als aus Achtung vor ihrer Majestät, nicht aus Schmeichelei, sondern im Bewusstsein ihrer Pflicht. Hierdurch wird die Befehlsgewalt um vieles gefestigt. Denn wenn die Bürger die Tragweite dieses Amtes erkennen, so werden sie sich folgerichtig vor Ungesetzlichkeit und Ungehorsam hüten, weil sie überzeugt sein müssen, dass, wer der politischen Gewalt sich widersetzt, dem göttlichen Willen selbst sich widersetzt, wer dem Staatsoberhaupt die Ehre verweigert, sie Gott selbst verweigert.
  
In diesen Grundsätzen hat der Apostel Paulus namentlich die Römer unterwiesen. An sie schrieb er bezüglich der Ehrerbietung, welche gegenüber den höchsten Herrschern geübt werden muß; mit solchem Nachdruck und Ernst, daß es scheint, es könne kein Gebot strenger verkündet werden.
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====Die Apostel betonen dies besonders====
  
Jedermann unterwerfe sich den obrigkeitlichen Gewalten: denn es gibt keine Gewalt, außer von Gott: und die, welche bestehen, sind von Gott angeordnet. Wer sich demnach der Gewalt widersetzt, der widersetzt sich der Anordnung Gottes. Und die sich widersetzen, ziehen sich selbst Verdammnis zu. ... Darum ist es eure Pflicht, untergeordnet zu sein, nicht nur um der Strafe willen, sondern auch um des Gewissens willen .
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'''14''' In dieser Lehre hat der Apostel Paulus die Römer ausdrücklich unterrichtet; an sie schrieb er bezüglich des Gehorsams, welchen wir den höchsten Machthabern zu leisten haben, mit solchem Nachdruck, dass es den Anschein erweckt, ihnen nichts Wichtigeres mitzuteilen. ,Jedermann unterwerfe sich der obrigkeitlichen Gewalt; denn es gibt keine Gewalt außer von Gott, und die, die besteht, ist von Gott angeordnet. Wer demnach sich der Gewalt widersetzt, der widersetzt sich der Anordnung Gottes. Und die sich widersetzen, ziehen sich selbst das Gericht zu ... Darum ist es euere Pflicht, untertan zu sein, nicht nur um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen“.<ref> {{B|Röm|13|1.2.5}}.</ref> Und mit ihm stimmt in derselben Frage das unzweideutige Wort des Apostels Petrus überein; „Unterwerft euch jeder menschlichen Kreatur um Gottes willen, sei es dem König als dem Oberherrn, sei es den Statthaltern als von ihm gesandt zur Bestrafung der Übeltäter und zur Belohnung der Rechtschaffenen, denn so ist es der Wille Gottes".<ref> {{B|1 Petr|2|13-15}}.</ref>
  
Und mit ihm stimmt in der gleichen Frage das deutliche Wort des Apostelfürsten Petrus überein:
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====Ungerechten Befehlen aber darf der Christ nicht gehorchen====
  
Seid untertan jeder menschlichen Obrigkeit um Gottes willen ... sei es dem König, welcher der Höchste ist, oder den Statthaltern als denjenigen, welche von ihm abgesandt sind zur Bestrafung der Übeltäter und zum Lob für die Guten, denn so ist es der Wille Gottes .
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'''15''' Nur einen Grund haben die Menschen, nicht zu gehorchen, wenn nämlich etwas von ihnen gefordert werden sollte, was dem natürlichen oder göttlichen Gesetz offenbar widerspricht; denn nichts von allem, wodurch das Naturgesetz oder der Wille Gottes verletzt wird, ist zu gebieten oder zu tun erlaubt. Sollte daher einer in die Lage kommen, dass er sich gezwungen sieht, eines von beiden zu wählen, nämlich entweder Gottes oder des Staatsoberhauptes Gebote zu verletzen, dann hat er Christus zu gehorchen, der gebietet, „dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, Gott aber, was Gottes ist", <ref> {{B|Mt|22|21}}.</ref> und nach dem Beispiel des Apostels mutig zu antworten: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen". <ref> {{B|Apg|5|29}}.</ref> Auch gibt es keinen Grund, jene, die so handeln, wegen Verweigerung des Gehorsams anzuklagen; denn wenn der Wille der Staatsoberhäupter Gottes Willen und Gesetzen widerspricht, dann überschreiten sie ihre Machtbefugnis und verletzen die Gerechtigkeit; dann kann eben ihre Autorität keine Anwendung finden, denn wo keine Gerechtigkeit, da keine Autorität.
  
Dabei ist aber auch stets der Grundsatz festzuhalten: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen
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===Sie betont die Pflichten der Fürsten===
  
Nur einen Grund gibt es für die Menschen, nicht zu gehorchen: wenn nämlich etwas von ihnen gefordert werden sollte, was mit dem natürlichen oder dem göttlichen Recht offenkundig in Widerspruch steht. Denn alles, wodurch das Gesetz der Weltordnung oder der Wille GOTTES verletzt wird: das zu gebieten oder zu tun ist Gottlosigkeit und Frevel. Sollte daher jemand in eine Lage kommen, daß er sich gezwungen sieht, eines von beiden zu wählen. nämlich entweder die Gebote GOTTES oder die der Herrscher zu verletzen - dann hat er Jesus Christus zu gehorchen, welcher gebietet „dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist ; und nach dem Beispiel der Apostel hat er unerschrocken zu antworten: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen . Auch ist kein Grund gegeben, diejenigen, welche so handeln, wegen Verweigerung des Gehorsams anzuklagen: denn wenn der Wille der ersten Männer im Staate in Widerspruch steht mit GOTTES Willen und Gesetzen, dann überschreiten diese ihre Machtbefugnis und vernichten die Gerechtigkeit. Und dann kann eben ihre Autorität keine Gültigkeit haben: denn wo keine Gerechtigkeit ist, da ist auch keinerlei Autorität.
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'''16''' Damit aber in der Regierung die Gerechtigkeit gewahrt werde, müssen die Lenker der Staaten vor allem erkennen, dass die politische Gewalt ihrer Natur nach nicht dem Vorteil eines einzelnen zu dienen hat und dass das Staatswesen zum besten derer verwaltet werden muss, die ihnen anvertraut sind, nicht jener, denen es anvertraut ist. Möchten doch die Staatsoberhäupter Gott, das höchste und beste Wesen, von dem sie ihre Gewalt zu Lehen empfangen haben, sich zum Beispiel nehmen und, nach seinem Vorbild den Staat verwaltend, ihr Volk regieren in Gerechtigkeit und Treue, indem sie mit der Strenge, wenn sie notwendig ist, väterliche Liebe verbinden. Deswegen werden sie durch die Aussprüche der Heiligen Schrift ermahnt, dass auch sie dereinst dem König der Könige, dem Herrn der Herrscher Rechenschaft ablegen müssen, dass sie aber, wenn sie ihre Pflicht versäumten, Gottes Strenge nicht entgehen werden. „Der Allerhöchste wird euere Werke untersuchen und euere Gedanken erforschen. Denn wenn ihr als Diener seines Reiches nicht recht gerichtet habt, ... wird er schrecklich und schnell über euch kommen, weil das strengste Gericht über die ergeht, die andern vorstehen ... Denn Gott wird niemandes Person ausnehmen, noch irgendeines Größe scheuen, weil er den Kleinen wie den Großen gemacht hat und auf gleiche Weise sorgt für alle; dem Stärkeren aber steht eine größere Strafe bevor.“<ref> {{B|Weish|4|4-8}}.</ref>
  
== Die sich daraus ergebende Pflicht für die Regierenden ==
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===Sie hält die Revolution zurück===
  
Damit aber die Gerechtigkeit in der obrigkeitlichen Gewalt erhalten bleibe, kommt es vor allem darauf an, daß die Lenker der Staaten folgendes erkennen: die die Staatsangelegenheiten betreffende Gewalt ist nicht zum Vorteil irgendeines Einzelnen bestimmt; und die Verwaltung des Staatswesens muß besorgt werden zum Wohl derer, welche ihm anvertraut sind, und nicht jener, denen es anvertraut ist. Möchten sich doch die Herrscher GOTT, den Allerhöchsten und Mächtigsten, von Dem sie ihre Autorität verliehen erhalten, zum Beispiel nehmen, und, indem sie nach Seinem Vorbild das Staatswesen verwalten, ihr Volk leiten in abgewogener Gerechtigkeit und in Pflichttreue: wobei sie mit der väterlichen Strenge, die notwendig ist, die hochachtende Liebe verbinden. Deswegen werden sie durch die Aussprüche der Heiligen Schrift gemahnt, daß auch sie dereinst dem König der Könige und Herrn der Herrschenden Rechenschaft ablegen müssen; daß sie aber, wenn sie ihre Pflicht und Schuldigkeit versäumten, GOTTES Strenge in keiner Weise entfliehen können. Der Allerhöchste wird eure Werke untersuchen und eure Gedanken durchforschen. Denn obgleich ihr Diener seines Reiches wart, habt ihr nicht recht gerichtet. ... Schrecklich und schnell wird er über euch kommen, weil das strengste Gericht über die, welche an der Spitze stehen, ergeht. ... Denn Gott wird niemandes Person ausnehmen, noch irgend jemandes Größe scheuen: weil er den Kleinen und den Großen selbst geschaffen hat und gleichmäßig für alle sorgt. Den Stärkeren aber steht eine stärkere Strafe bevor .
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'''17''' Wo solche Gebote das Staatswesen schirmen, ist jede Ursache zu Aufruhr
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und alles Verlangen dazu der Boden entzogen, da sind Ehre und Sicherheit der Staatsoberhäupter, Ruhe und Wohl der Staaten gewahrt. Auch für das Ansehen der Bürger wird in bester Weise Sorge getragen, da, selbst wenn sie gehorchen, sie jene Würde bewahren können, die der bevorzugten Stellung des Menschen entspricht. Denn sie erkennen, dass es nach dem Urteil Gottes weder Knechte noch Freie gibt, dass einer aller Herr ist, „reich für alle, die ihn anrufen", <ref> {{B|Röm|10|12}}.</ref> dass sie aber darum den Staatsoberhäuptern untertan sind und ihnen Gehorsam leisten, weil diese in gewissem Sinne Ebenbilder Gottes sind, „dem zu gehorchen herrschen ist".
  
== Heilsame Folgen für den staatlichen Bereich ==
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===Die Kirche verlangte Gehorsam selbst gegen die heidnische Obrigkeit===
  
Wo solche Gebote das Staatswesen aufrechterhalten, da ist jeder Beweggrund für Aufstände und alle Willkür hinweggenommen: da sind dann in Hinkunft Ehre und Sicherheit der Herrscher, Ruhe und Heil der Staaten gewahrt. Auch für den Stand der Bürger ist in bester Weise Sorge getragen: ihnen ist es gerade innerhalb des Gehorsams eingeräumt, jene sittliche Würde zu bewahren, welche der erhabenen Natur des Menschen zukommt. Sie gelangen nämlich zur Einsicht, daß es vor GOTTES Gericht weder Knechte gibt, noch Freie; daß Einer der Herr aller ist, reich für alle, die ihn anrufen ; daß sie sich aber darum den Herrschern unterordnen und ihnen Folge leisten, weil diese in gewissem Sinn ein Abbild GOTTES darstellen, dem zu dienen herrschen ist.
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'''18''' Die Kirche war immer bestrebt, diese christliche Anschauung von der bürgerlichen Gewalt nicht nur dem Bewusstsein der Menschen einzuprägen, sondern sie auch im öffentlichen Leben der Völker und in deren Sitten zum Ausdruck zu bringen. Solange heidnische Kaiser an der Spitze der Regierung standen, die, in Aberglauben befangen, zur christlichen Auffassung vom Wesen der bürgerlichen Gewalt, wie Wir sie skizziert haben, nicht gelangen konnten, suchte sie dieselbe dem Bewusstsein der Völker einzuflößen. Sobald diese aber in den Lehren des Christentums unterwiesen waren, musste ihnen daran liegen, danach auch ihr Leben zu ordnen. Daher pflegten die Seelenhirten im Hinblick auf das Beispiel des Apostels Paulus angelegentlichst den Völkern zu gebieten, „untertan zu sein den Fürsten und Gewalten, den Befehlen gehorsam“,<ref> {{B|Tit|3|1}}.</ref> ebenso für alle Menschen zu Gott zu beten, namentlich aber „für die Könige und für alle Obrigkeiten, denn dieses ist wohlgefällig vor Gott unserem HeiIand“.<ref> {{B|1 Tim|2|1-3}}.</ref>
  
== Die Kirche als Stütze und Förderin der Staatsordnung ==
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====Die Christen wurden die besten Bürger====
  
Die Kirche war aber immer bemüht, diese christliche Idee von der staatlichen Gewalt nicht nur den Gewissen einzuprägen, sondern dieselbe auch im öffentlichen Leben der Völker und in deren Sitten zum Ausdruck zu bringen. Solange heidnische Kaiser in der Regierung des Staatswesens saßen, welche - in Aberglauben befangen - von der christlichen Anschauung über das Wesen der obrigkeitlichen Gewalt, so wie Wir es umschrieben haben, durch abergläubische Götterverehrung ausgeschlossen. waren, da suchte die Kirche dieselbe dem Gewissen der Völker langsam einzuflößen: diese aber mußten, zugleich mit dem Empfang der Unterweisung in den christlichen Sitten und Gewohnheiten, wünschen, nach denselben auch ihr Leben einzurichten. Daher pflegten die Seelenhirten die Maßregeln des Apostels Paulus zu wiederholen und mit größter Sorgfalt und Umsicht den Völkern zu gebieten, den Herrschern und Behörden untergeben zu sein, denn Befehl zu gehorchen , ebenso zu GOTT für alle Menschen zu beten, namentlich aber für die Könige und für alle Obrigkeiten, denn dieses ist wohlgefällig vor Gott unserem Heiland .
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Und in dieser Beziehung haben die ersten Christen die eindruckvollsten Beispiele hinterlassen; denn obgleich sie von den heidnischen Kaisern aufs ungerechteste und grausamste gequält wurden, unterließen sie es doch niemals, sich gehorsam und untertan zu erweisen, sodass in der Tat jene in Grausamkeit, diese in Untertänigkeit zu wetteifern schienen. '''19''' Eine solche Bescheidenheit, ein so entschiedener Gehorsam war zu bekannt, als dass die Feinde ihn in boshafter Verleumdung in irgendeiner Weise hätten bestreiten können. Darum haben jene, die öffentlich vor den Kaisern die Verteidigung des Christentums führten, die Ungerechtigkeit der gegen die Christen ergriffenen gesetzlichen Maßnahmen mit dem Hinweis bewiesen, dass diese vor aller Augen in ihrem Leben ein Beispiel der Gesetzestreue gaben. Zu Marcus Aurelius Antoninus und seinem Sohne Lucius Aurelius Commodus sprach [[Athenagoras von Athen|Athenagoras]] folgende mutige Worte: „Ihr duldet, dass man uns, die wir nichts verbrochen haben, vielmehr in höchst ehrerbietiger und gerechter Weise sowohl gegen Gott als gegen euere Regierung uns benehmen, verfolgt, beraubt, verjagt“<ref> Legat. pro Christianis.</ref> In gleicher Weise spendete Tertullian öffentlich den Christen das Lob, sie seien unter allen die besten und zuverlässigsten Freunde des Kaisers: „Der Christ hegt gegen niemanden Feindschaft, geschweige gegen den Kaiser; denn er weiß, dass Gott diesen eingesetzt hat, dass er ihm darum Liebe, Ehrerbietung und Hochachtung schuldet und sein wie des ganzen römischen Reiches Wohl wünschen muß“.<ref> Apolog. n. 35, [[PL]] I 451.</ref> Und er hielt mit der Behauptung nicht zurück, es pflege in dem Verhältnis die Zahl der Feinde im Reiche abzunehmen, als die Zahl der Christen zunehme. „Wegen der großen Zahl der Christen habt ihr nur wenige Feinde, da fast in allen Städten fast alle Bürger Christen sind". <ref> Apolog. n. 37, [[PL]] I 463.</ref> Ein herrliches Zeugnis in dieser Beziehung enthält auch der Brief an Diognetus, welcher bestätigt, dass die Christen jener Zeit gewohnt waren, nicht bloß den Gesetzen zu gehorchen, sondern alle ihre Pflichten aus freiem Antrieb noch besser und vollkommener zu erfüllen, als die Gesetze es ihnen abforderten. „Die Christen gehorchen den erlassenen Gesetzen und übertreffen durch ihre Lebensweise die Gesetze.“<ref> Epist. ad Diognetum V, [[PG]] II 1174.</ref>
  
Und tatsächlich haben in dieser Beziehung die ersten Christen die würdigsten Beispiele hinterlassen: denn obwohl sie von den heidnischen Kaisern auf das Ungerechteste und Grausamste gequält wurden, unterließen sie es doch niemals, sich gehorsam und demütig zu betragen, so daß wahrhaft jene (Kaiser) in der Grausamkeit, diese (die Christen) in der Hingebung zu wetteifern schienen. Eine solche Unterordnung, ein so entschiedener Wille zum Gehorsam war aber zu sehr bekannt, als daß es durch die Verleumdung und Bosheit ihrer Feinde hätte verdunkelt werden können. Darum haben diejenigen, welche öffentlich vor den Kaisern die Verteidigung des Christentums führten, die Ungerechtigkeit der gegen die Christen erlassenen Gesetze hauptsächlich durch die Tatsache bewiesen, daß diese vor aller Augen durch ihr Leben ein Beispiel der Treue zu den Gesetzen gaben. Zu Marcus Aurelius Antoninus  und dessen Sohn Lucius Aurelius Commodus sprach Athenagoras vertrauensvoll folgende Worte: Ihr duldet, daß man uns verfolgt, beraubt, verjagt: die wir nichts verbrochen haben, sondern uns vielmehr in höchst ehrerbietiger und gerechter Weise verhalten, sowohl gegen GOTT als auch gegen eure Regierung .
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====Sie revolutionierten nie====
  
In gleicher Weise spendete Tertullian öffentlich den Christen Lob, weil sie unter allen die besten und zuverlässigsten Freunde des Kaisers seien: Der Christ hat gegen niemand Feindschaft, geschweige gegen den Kaiser: denn er weiß, daß sein GOTT diesen eingesetzt hat; daß er ihm darum notwendig liebe, Ehrerbietung und Hochachtung schuldet, und dessen wie des ganzen Römischen Reiches Heil wünscht . Und er zögerte nicht zu behaupten: es nehme für gewöhnlich die Zahl der Feinde im Reich im selben Verhältnis ab, als die Zahl der Christen zunehme. Wegen der Menge der Christen habt ihr nun weniger Feinde, indem fast an allen Orten beinahe alle Bürger Christen sind . Ein würdiges Zeugnis in diesem Sinne enthält auch der Brief an Diognetus, welcher bestätigt, daß die Christen in jener Zeit die Gewohnheit hatten, nicht allein den Gesetzen zu gehorchen, sondern in allen ihren Obliegenheiten aus freiem Antrieb noch mehr und vollkommener zu handeln, als sie durch die Gesetze dazu genötigt waren. Die Christen gehorchen den angeordneten Rechtsnormen, und sie übertreffen durch ihre Lebensweise die Rechtsnormen.
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'''20''' Anders freilich war die Sachlage dann, wenn sie durch die Erlasse der Kaiser oder Drohungen der Statthalter zum Abfall vom christlichen Glauben oder in irgendeiner Weise zur Pflichtverletzung aufgefordert wurden; in solchen Zeiten wollten sie lieber den Menschen als Gott missfallen. Aber selbst unter diesen Umständen waren sie weit davon entfernt, Aufruhr zu stiften oder die kaiserliche Majestät zu verachten; sie waren nur auf das eine bedacht, ihr christliches Bekenntnis und die Unbeugsamkeit ihres Glaubens zu manifestieren. Im übrigen dachten sie an keinen Widerstand, sondern gingen mit heitererem Anesicht zur Folter des Henkers, so dass die Größe der Qualen von ihrer Seelengröße übertroffen wurde. - In ähnlicher Weise erwies sich zur selben Zeit die Macht der christlichen Lehren im Heer; denn es war dem christlichen Soldaten eigen, höchste Tapferkeit mit der höchsten Liebe zur militärischen Disziplin zu verbinden und seinen hervorragenden Mut durch unwandelbare Treue zu seinem Fürsten zu krönen. Wurde jedoch ein unehrbares Ansinnen an ihn gestellt, wie z.B. Gottes Rechte zu verletzen oder gegen schuldlose Jünger Christi das Schwert zu ziehen, dann weigerte er sich zwar, die Befehle auszuführen, doch so, dass er lieber aus dem Heer austreten und sterben wollte, als durch Aufruhr und Unruhestiftung sich gegen die öffentliche Gewalt aufzulehnen.
  
== Die Christen angesichts des Martyriums ==
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===Die christlichen Fürsten wurden von der Kirche besonders in ihrer Würde geehrt===
  
Anders freilich war die Sachlage dann, wenn sie durch die Erlässe der Kaiser oder Drohungen der Praetoren zum Abfall vom christlichen Glauben oder in irgendeiner Weise zur Pflichtverletzung den Befehl erhielten. In diesen Bedrängnissen zogen sie es wirklich vor, eher den Menschen zu mißfallen, als, GOTT. Aber selbst unter diesen Umständen waren sie weit davon entfernt. Aufruhr zu stiften oder die kaiserliche Majestät zu verachten. Sie nahmen nur dieses eine auf sich: als Christen sich zu bekennen und den Glauben unter keinen Umständen verändern zu wollen. Im übrigen dachten sie an keinen Widerstand, sondern sie gingen in Frieden und Heiterkeit zur Folter des Henkers, so daß die Größe der Qualen von ihrer Seelengröße übertroffen wurde.
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'''21''' Nachdem in der Folgezeit die Staaten christliche Herrscher erhalten hatten, verkündete die Kirche noch viel nachdrücklicher den heiligen Charakter der fürstlichen Autorität; die Folge hiervon war, dass, so oft die Völker der fürstlichen Gewalt gedachten, diese ihnen im Bilde einer gewissen heiligen Majestät erschien, wodurch sie zu einer höheren Ehrfurcht und Liebe zu ihren Fürsten angetrieben wurden. Und darum hat die Kirche in Weisheit angeordnet, dass die Könige in feierlicher Weise gekrönt wurden, wie es im Alten Bunde durch göttlichen Befehl bestimmt war. '''22'''  Als sich der Staat gleichsam aus den Ruinen des Römerreiches erhob und zur Hoffnung christlicher Größe wieder auflebte, da hoben die Römischen Päpste durch Errichtung eines Heiligen Reiches, die politischen Gewalt in ganz besonderer Weise . Hierdurch empfing diese ihre höchsten Adel; und ohne Zweifel würde diese Einrichtung für die religiöse wie bürgerliche Gesellschaft immer sehr ersprießlich gewesen sein, wenn das was die Kirche im Auge hatte, von Fürsten und Völkern immer geteilt worden wäre. - In der Tat herrschte Ruhe und hinlängliches Gedeihen, so lange die beiden Gewalten in Friede und Einigkeit lebten. Wenn die Völker sich zu Ausschreitungen hinreißen ließen, war die Kirche sogleich bereit, den Frieden zu vermitteln, indem sie einen jeden an seine Pflicht erinnerte und die stürmischen Leidenschaften teils in Güte, teils durch ihr Machtgebot beruhigte. Und wenn die Fürsten in der Regierung sich Fehler zuschulden kommen ließen, wandte sie selbst sich an die Fürsten, hielt ihnen die Rechte, Bedürfnisse, gerechten Wünsche der Völker vor Augen und riet zu einem billigen Vorgehen, zu Milde und Güte. So wurde vielfach die Gefahr von Empörungen und Bürgerkriegen beseitigt.
  
In ähnlicher Weise zeigte sich zu derselben Zeit die Macht der christlichen Sitten und Gewohnheiten im Heer. Denn es gehörte zu einem christlichen Soldaten, höchste Tapferkeit mit der höchsten Bemühung um militärische Disziplin zu verbinden, und seine hervorragende Gesinnung durch unwandelbare Treue gegenüber dem Herrscher zu vollenden. Wunde jedoch irgendein unehrbares Ansinnen an ihn gestellt: etwa GOTTES Gesetze zu verletzen oder gegen schuldlose Jünger Christi das Schwert zu ziehen - dann weigerte er sich zwar, die Befehle auszuführen: jedoch so, daß er lieber den Heeresdienst verlassen und um der Religion willen sterben wollte, als sich durch Aufruhr und Unruhestiftung gegen die staatliche Autorität aufzulehnen.
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==Der Unsegen der falschen Lehre==
  
== Das Heilige Römische Reich: Höchste Weihe der staatlichen Herrschaftsordnung ==
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===Bittere Früchte===
  
Nachdem aber in der Folgezeit die Staaten christliche Herrscher erhalten hatten, da bezeugte und verkündete die Kirche noch viel nachdrücklicher, welche Heiligkeit dem Wesen der gebietenden Autorität innewohnt: die Folge davon war, daß, sooft die Völker der höchsten Würde gedachten, dieselbe ihnen im Bilde einer wahrhaft heiligen Erhabenheit erschien. Hierdurch wurden sie zu einer höheren Ehrfurcht und Liebe zu ihren Herrschern angetrieben. Und darum hat die Kirche in Weisheit Vorsorge getragen, daß die Könige eine feierliche Weihe empfangen sollten, so wie es im Alten Testament auf GOTTES Geheiß hin bestimmt war. Als aber die bürgerliche Gesellschaft der Menschen sich gleichsam aus den Ruinen des Römischen Reiches erhob und zur Hoffnung christlicher Größe wiederauflebte: da haben die Römischen Päpste durch die Einrichtung des Heiligen (Römischen) Reiches (Sacrum Romanum Imperium) die staatliche Macht auf einzigartige Weise geweiht. Hierdurch gelangte die herrscherliche Gewalt auf ihre erhabenste Rangstufe.
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'''23''' Im Gegensatz dazu haben die von den Neuerern erfundenen Ansichten bezüglich der politischen Gewalt dagegen bereits bittere Früchte getragen, und es ist zu befürchten, dass sie noch schlimmstes Unglück bringen werden. Denn das Recht, zu gebieten, nicht auf Gott als seinen Ursprung zurückbeziehen, bedeutet nichts anderes, als der politischen Gewalt ihren schönsten Glanz rauben und ihren Lebensnerv durchschneiden. Wenn man sagt, sie hänge von der Willkür der Menge ab, so ist diese Meinung erstens falsch und zweitens lässt sie die Gewalt auf einem viel zu schwachen und wandelbaren Grund ruhen. Denn durch solche Ansichten  werden die Leidenschaften des Volkes bis zum Übermut gleichsam aufgestachelt und verführt  zu übertriebenen Handlungen, bis es zum großen Schaden des Staates in seiner blinden Erregung auf dieser abschüssigen Bahn in schnellem Tempo zu offener Empörung abgleitet. In der Tat folgten auf die sogenannte Reformation, besonders in Deutschland, alsbald Unruhen und höchst verwegene Empörungen, deren Helfershelfer und Anführer die geistliche und weltliche Gewalt durch ihre neuen Theorien in ihrem tiefsten Grund bekämpft hatten. So sehr wütete der Bürgerkrieg mit Feuer und Schwert, dass fast kein Ort von blutigen Unruhen verschont blieb. - Jener Irrlehre entstammten im vorigen Jahrhundert eine fälschlich so genannte Philosophie und das sogenannte moderne Recht, sowie die Volksherrschaft und die alles Maß überschreitende Zügellosigkeit, worin viele das Wesen der Freiheit sehen. Von hier war nur noch ein Schritt zu den verderblichen Irrtümern des Kommunismus, des Sozialismus und Nihilismus, diesen erschreckenden Vorzeichen und, möchte man sagen, Todesboten der bürgerlichen Gesellschaft. Und dennoch sind es nur zu viele, die die Wirkung so zahlreicher Übel immer noch weiter auszubreiten bestrebt sind und unter dem Vorwand, für das Volkswohl zu arbeiten, das verderbliche Feuer noch schürten. Doch Wir führen das hier nur an; denn die Tatsachen sind keinem unbekannt, sie liegen nicht weit zurück.
  
== Segen der freundschaftlichen Übereinstimmung von Kirche und Staatsgewalt ==
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===Die Furcht vor dem Schwerte zügelt die Menschen nicht===
  
Ohne Zweifel würde diese Einrichtung sowohl für die religiöse, als auch für die bürgerliche Gesellschaft jederzeit förderlich und nützlich gewesen sein: wenn die Idee, welche die Kirche mit ihr verband, von Herrschern und Völkern immer geteilt worden wäre.
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'''24''' Was aber am meisten Sorge macht, ist die Tatsache, dass den Fürsten in solchen Gefahren keine hinlänglich ausreichenden Mittel zu Gebote stehen, um die staatliche Ordnung wiederherzustellen und die Gemüter zu versöhnen. Sie waffnen sich mit der Autorität der Gesetze und glauben, die öffentlichen Unruhestifter durch strenge Strafen im Zaume halten zu sollen. Ganz recht; doch man erwäge wohl, dass die Gesetze nie eine solche Kraft haben werden, dass sie für sich allein den Staat schützen können. Denn die Furcht ist, wie der heilige  Thomas sehr richtig bemerkt, „ein schwaches Fundament. Jene nämlich, die sich bloß aus Furcht unterwerfen, erheben sich, wenn sie Gelegenheit finden, auf Straflosigkeit zu hoffen, um so heftiger gegen ihre Vorgesetzten, je mehr sie gegen ihren Willen bloß durch Furcht zurückgehalten waren. Und außerdem treibt allzu große Furcht die meisten zur Verzweiflung; in der Verzweiflung aber stürzen sie sich in die gewagtesten Unternehmungen.“<ref> De Regim. Pricip. I 10.</ref> Wie wahr dieses Wort ist, hat die Erfahrung uns hinlänglich gelehrt. Darum muss ein höheres und wirksamerer Beweggrund zum Gehorsam geboten werden, und wir müssen der festen Überzeugung sein, dass auch die Strenge der Gesetze fruchtlos bleibt, wenn nicht das Pflichtgefühl die Menschen leitet und heilsame Gottesfurcht sie antreibt. Dies aber in ihnen zu bewirken, vermag in höchster Weise die Religion, die mit ihrem Einfluss die Seele durchdringt und den Willen des Menschen in einer Weise geneigt macht, dass er seinen Vorgesetzten nicht bloß gehorsam ist, sondern ihnen auch in Wohlwollen und Liebe zugetan ist, wodurch erst jede menschliche Gesellschaft ungestört bestehen kann.
  
In der Tat dauerte in den staatlichen Verhältnissen Ruhe und zufriedenes Gedeihen an, so lange die Freundschaft und Übereinstimmung zwischen den beiden Gewalten  fortdauerte. Wenn die Völker sich zu Ausschreitungen hinreißen ließen: da war die Kirche nahe, um den Frieden zu vermitteln, indem sie einen jeden an dessen Pflicht erinnerte und die aufstürmenden Leidenschaften teils in Güte, teils durch ihre Autorität in Schranken hielt. Ebenso, wenn die Herrscher in der Regierung sich Fehler zuschulden kommen ließen: da wandte sie selbst sich an die Herrscher, setzte die Rechte, Bedürfnisse und gerechten Wünsche der Völker vor ihnen auseinander, und riet zu einem ausgeglichenen Vorgehen, zu Milde und Güte. Auf diese Weise wurde es oft erreicht, daß die Gefahr von Empörungen und Bürgerkriegen abgewehrt wunde.
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==Die Kirche war stets eine Freundin der Autorität==
  
== Irrtümer des Protestantismus und der Aufklärung ==
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'''25''' Deswegen muss man einsehen, dass die Römischen Päpste dem allgemeinen Wohl vortreffliche Dienste dadurch geleistet haben, dass sie immer Sorge dafür trugen, die unruhigen und aufbegehrenden Geister der Neuerer niederzuhalten: Wiederholt haben sie mahnend darauf hingewiesen, wie gefährlich diese auch für den Staat sind. In dieser Beziehung verdienen die Worte Klemens' VII. an König Ferdinand von Böhmen und Ungarn angeführt zu werden: „In diesem Glaubensstreit ist auch deine und der übrigen Fürsten Würde und Nutzen miteingeschlossen, da mit der Schwächung des Glaubens auch euere Interessen zugleich in Mitleidenschaft gezogen werden, wie es sich deutlich in einigen dieser Gegenden gezeigt hat". - In derselben Angelegenheit leuchtet die hohe Weisheit und Unerschrockenheit Unserer Vorgänger hervor, besonders Klemens' XII., Benedikts XIV., Leos XII., die, da in der Folgezeit die verderblichen Lehren immer mehr um sich griffen und die Sekten sich immer unbändiger benahmen, mit all ihrer Autorität ihnen den weiteren Vormarsch zu verriegeln bestrebt waren. Wir selbst haben mehr als einmal auf die Größe der bevorstehenden Gefahren hingewiesen und die beste Art und Weise ihrer Bekämpfung angegeben. Den Fürsten und übrigen Staatenlenkern haben Wir den Beistand der Religion angeboten und die Völker ermahnt, aus dem Schatz jener Güter zu schöpfen, die die Kirche ihnen in reichem Maße anbietet. Dahin geht heute Unser Bestreben, dass doch die Fürsten diesen ihnen erneut angebotenen, in seiner Wirkkraft unübertrefflichen Beistand erkennen möchten. Wir ermahnen sie eindringlichst im Herrn, die Religion zu schützen und, was auch im Staatsinteresse liegt, der Kirche den Genuss jener Freiheit zu gestatten, die man ihr nur mit Unrecht und zum allgemeinen Verderben rauben kann. ''' 26''' Die Kirche Christi kann wahrhaftig weder den Fürsten verdächtig, noch den Völkern feindselig erscheinen. Denn die Fürsten mahnt sie, Gerechtigkeit zu üben und in keiner Beziehung ihre Pflicht zu verletzen; sie stärkt aber auch zugleich und stützt in vielfacher Weise ihre Autorität. Was dem bürgerlichen Bereich angehört, erkennt sie als der Herrschaft und höchsten Befehlsgewalt dieses Bereiches unterstellt; bezüglich dessen, was aus verschiedenen Ursachen der geistlichen und weltlichen Gewalt angehört, sucht sie ein gegenseitiges Einverständnis herzustellen, wodurch für beide verhängnisvolle Streitigkeiten vermieden werden. Was die Völker betrifft, so liegt der Kirche von Natur aus das Wohl aller Menschen am Herzen; sie hat sie alle immer wie eine Mutter geliebt. Durch ihre von Liebe geleiteten Bemühungen wurden die Gemüter beruhigt, die Sitten vermenschlicht, die Gesetze gerecht gestaltet; einer ehrbaren Freiheit niemals abhold, pflegte sie immer tyrannische Herrschaft zu verabscheuen. Diese der Kirche innerliche, verdienstvolle Handlungsweise hat mit wenigen Worten der heilige Augustinus deutlich zum Ausdruck gebracht: „Sie (die Kirche) lehrt die Könige, Sorge zu tragen für die Völker, alle Völker, den Königen sich zu unterwerfen, indem sie zeigt, dass nicht alles sich für alle schickt und dass allen Liebe gebührt und keinem Unrecht.“<ref> De moribus Ecclesiae I 30, [[PL]] XXXII 1336.</ref>
  
Dagegen haben die von den „Neuerern“ erfundenen Theorien bezüglich der staatlichen Gewalt den Menschen bereits sehr bittere Früchte gebracht, und es ist zu befürchten, daß sie in späteren Zeiten noch das Äußerste an Unglück bringen werden. Denn: das Recht des Gebietens nicht auf GOTT als auf dessen Ursprung zurückbeziehen zu wollen - das ist nichts anderes, als der staatlichen Gewalt ihren schönsten Glanz zu rauben und ihren Lebensnerv zu durchschneiden. Wenn sie sagen, jene (Gewalt) hänge vom Machtspruch der Volksmenge ab: so ist erstens diese Meinung trügerisch; außerdem aber lassen sie die höchste Würde auf einem viel zu schwachen und unbeständigen Fundament ruhen. Denn durch solche Meinungen werden die Regungen der Leidenschaften im Volk gleichsam aufgestachelt, so daß dieses sich um so mehr in Dreistigkeit erhebt, und es wird zum großen Schaden des Staatswohles in seiner blinden Erregung auf dieser abschüssigen Bahn leicht in offene Empörung hinabsinken. In der Tat folgen auf die sogenannte „Reformation“, besonders in Deutschland, dann alsbald Aufstände und höchst verwegene Empörungen, als die Führer und Förderer  die geistliche und die weltliche Gewalt durch ihre neuen Theorien von Grund auf bekämpft hatten; und derart wütete der Bürgerkrieg mit Feuer und Schwert, daß fast kein Ort von blutigen Unruhen verschont blieb. Jener Häresie entstammte im vorigen Jahrhundert eine fälschlich so bezeichnete „Philosophie“, sowie das sogenannte „neue Recht“, die Herrschaft des Volkes, und eine kein Maß kennende Zügellosigkeit: in letzterer allein sehen viele das Wesen der Freiheit.
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==Die Bischöfe sollen Sorge tragen, dass diese Lehren befolgt werden==
  
== Was auf den Untergang der öffentlichen Ordnung hinzielt ==
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'''27''' Aus diesen Gründen, Ehrwürdige Brüder, wird Eure Bemühung höchst nützlich und gewiss segensvoll sein, wenn Ihr Euren Eifer und alle von Gott Euch zur Verfugung gestellten Mittel mit Uns einsetzt, um die der menschlichen Gesellschaft drohenden Gefahren und Schäden zu beschwören. Tragt eifrig Sorge, dass die Lehre der Katholischen Kirche über die bürgerliche Gewalt und die Pflicht des Gehorsams von den Gläubigen in ihrer Tiefe erkannt und im Leben eifrig befolgt werde. Kraft Eurer lehramtlichen Autorität mögt Ihr die Völker des öfteren dazu ermahnen, die verbotenen Sekten zu meiden, Verschwörungen zu verabscheuen und aufrührerischen Bewegungen fernzubleiben; möchten sie einsehen, dass der Gehorsam, der Obrigkeit um Gottes willen geleistet, ein „vernünftiger Gehorsam", ein hochherziger Gehorsam ist. Da aber Gott es ist, „der den Königen Heil verleiht“<ref> {{B|Ps|143|10}}.</ref> und den Völkern gestattet, „in der Ruhe  des Friedens, in sicheren Hütten, in überschwenglicher Kraft“<ref> {{B|Jes|32|18}}.</ref> zusammenzuleben, so müssen wir ihn im Gebet anflehen, dass er den Sinn aller Menschen zur Rechtschaffenheit und Wahrheit hinlenken, allen Zorn beschwichtigen, den lang ersehnten Frieden und die Ruhe auf Erden wiederherstellen möge.
  
Von da war es nur noch ein Schritt zu den verderblichen Irrtümern des „Kommunismus“, des „Sozialismus“ und des „Nihilismus“, entsetzliche Gefahrenzeichen, und nahezu Untergang der menschlichen Gesellschaft. Und dennoch gibt es nur zu viele, welche bestrebt sind, die Bedrängnis durch derart große Übel immer noch weiter auszubreiten, und die unter dem Vorwand, für das Wohl des Volkes zu arbeiten, bereits in nicht geringem Maß Verderben und Elend hervorgerufen haben. Die Tatsachen, an die Wir hier erinnern, sind weder unbekannt, noch liegen sie sehr weit entfernt von uns.
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==Schluss: Ermahnung zum Gebet, Segen==
  
== Wirkungslose Abwehrversuche durch Furcht und Strenge; anstatt dessen: religiöse Pflichttreue ==
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'''28''' Damit wir aber desto besser auf Gewährung hoffen können, wollen wir  um Fürbitte und heilsamen Schutz anflehen die mächtige Gottesmutter und Jungfrau Maria, die Helferin der Christen, die Beschützerin des Menschengeschlechts, und den heiligen Joseph, ihren allerreinsten Bräutigam, auf dessen Hilfe die ganze Kirche so sehr vertraut, ebenso die Apostelfürsten Petrus und Paulus, die Hüter und Verteidiger der Christenheit.
  
Besonders schlimm ist es aber auch, daß die Herrscher in solchen Gefahren nicht die hinreichend geeigneten Gegenmittel besitzen, um die öffentliche Ordnung wieder herzustellen und die Leidenschaften zum Frieden zu bringen. Sie rüsten sich aus mit dem Gewicht gesetzlicher Bestimmungen; und sie vermeinen, die öffentlichen Unruhestifter durch die Strenge der Strafen in Schranken halten zu sollen. Gewiß mit Fug und Recht. Aber dennoch muß man es ernstlich erwägen, daß Strafen niemals eine derartige Wirksamkeit haben werden, daß sie für sich allein den Staat schützen können.
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Unterdessen erteilen Wir Euch allen, Ehrwürdige Brüder, dem Klerus und dem Volk, das Eurer treuen Fürsorge anvertraut ist, als Unterpfand himmlischer Gaben von ganzem Herzen den Apostolischen Segen im Herrn.
  
Denn die Furcht, wie der heilige Thomas (von Aquin) sehr richtig lehrt, ist ein haltloses Fundament. Diejenigen nämlich, welche mittels der Furcht untergeben gehalten werden, erheben sich dann um so heftiger gegen ihre Vorsteher, wenn sie Gelegenheit finden, Straflosigkeit zu erhoffen, je mehr sie gegen ihren Willen bloß durch Furcht gebändigt waren. Und außerdem treibt allzu große Furcht die meisten zur Verzweiflung; in der Verzweiflung aber verirren sie sich verwegen in jegliche Attentate .
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<center> Gegeben zu Rom, beim Heiligen Petrus, am 29. Juni des Jahres 1881, </center>
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<center> dem vierten Jahre Unseres Pontifikates </center>
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<center> [[Leo XIII.]] [[Papst|PP.]] </center>
  
Wie begründet dies ist: das hat die Erfahrung uns hinlänglich gelehrt. Darum ist es notwendig, ein höheres und wirksameres Motiv für den Gehorsam heranzuziehen; und es muß die Überzeugung gewonnen werden, daß auch die Strenge der Gesetze fruchtlos bleibt, wenn nicht Pflichttreue die Menschen bestimmt und heilsame Furcht vor GOTT sie bewegt. Dies aber vermag namentlich die Religion, in ihnen zustandezubringen, welche kraft ihres Einflusses die Gedanken durchdringt und die Gesinnungen der Menschen selbst umstimmt: auf daß sie denen, von welchen sie regiert werden, nicht bloß durch Willfährigkeit, sondern auch in gutem Wollen, und in heiliger Liebe (Caritas) anhänglich sind; denn diese ist für jede menschliche Vereinigung die beste Bewahrerin unverletzter Sicherheit.
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== Anmerkungen ==
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== Die Römischen Päpste im Glaubenskampf gegen „protestantische“ und „aufklärerische“ Staatsirrlehren ==
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== Weblinks ==
 
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* [http://w2.vatican.va/content/leo-xiii/la/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_29061881_diuturnum.html Die lateinische Fassung auf der Vatikanseite]
Deswegen muß der Schluß gezogen werden, daß die Römischen Päpste ganz besonders auf das öffentliche Wohl bedacht waren, wenn sie immer dafür Sorge trugen, den aufgeblasenen Trotz und Übermut der „Neuerer“ zu brechen, und sehr oft mahnend daran zu erinnern, wie gefährlich diese Leute auch für die bürgerliche Gesellschaft sind. In dieser Beziehung verdient der Ausspruch von Clemens VII. an Ferdinand, König von Böhmen und Ungarn, vergegenwärtigt zu werden:
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* [http://w2.vatican.va/content/leo-xiii/en/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_29061881_diuturnum.html Die englische Fassung auf der Vatikanseite]
 
 
Bei dieser den Glauben betreffenden Angelegenheit ist auch deine und der übrigen Herrscher Würde und Nutzen mit eingeschlossen: denn der Glaube kann nicht untergraben werden, ohne daß auch zugleich damit eure Herrschaft wankend gemacht wird; dies stellt sich höchst deutlich in einigen dieser Gegenden uns dar .
 
 
 
In gleicher Hinsicht leuchtet die höchste Voraussicht und Unerschrockenheit Unserer Vorgänger hervor: besonders die eines Clemens XII., Benedictus XIV und Leo XII., welche, als in der Folgezeit immer mehr das Verderben dieser verworfenen Lehren um sich griff und die Sekten  sich immer dreister erhoben, ihre Autorität dagegenstellten und ihnen so den Zugang zu versperren bemüht waren.
 
 
 
Wir selbst haben mehr als einmal auf die Größe der bevorstehenden Gefahren hingewiesen und zugleich die beste Methode zu deren Abwendung angegeben. Den Herrschern und den übrigen Lenkern der öffentlichen Angelegenheiten haben Wir den Schutz und die Hilfe der Religion dargeboten; und Wir haben die Völker ermahnt, reichlich aus der Fülle der höchsten Güter zu schöpfen, welche die Kirche ihnen gibt. Es handelt sich für Uns jetzt darum, daß die Herrscher eben diesen Schutz und diese Hilfe, welche nichts anderes an Stärke übertrifft und die ihnen von neuem dargeboten wird, erkennen möchten: und Wir ermahnen sie nachdrücklich im HERRN, die Religion zu schützen und, was auch im Staatsinteresse liegt, der Kirche den Genuß jener Freiheit zu gestatten, welcher sie nur mit Unrecht und zum Verderben der öffentlichen Ordnung beraubt werden kann.
 
 
 
== Nochmals: die heilvolle Bedeutung der Kirche ==
 
 
 
Fürwahr: die Kirche Christi kann weder den Herrschern verdächtig, noch den Völkern hassenswert sein! Denn die Herrscher ermahnt sie, Gerechtigkeit zu üben und in keiner Beziehung von ihrer Pflicht abzuweichen; zugleich aber fördert sie auch deren Autorität und stärkt sie auf vielfache Weise. Was zum Bereich des Staatswesens gehört: das ist - so erkennt und erklärt sie - deren Herrschaft und höchsten obrigkeitlicher. Gewalt unterstellt. Was, von verschiedenen Ursachen her, der geistlichen und der weltlichen Gewalt angehört: diesbezüglich will die Kirche, daß ein gegenseitiger Einklang entsteht, vermittels dessen für beide Gewalten verderbliche Streitigkeiten vermieden werden. Was die Völker betrifft, so ist die Kirche für das Heil sämtlicher Menschen bestimmt, und sie hat diese immer wie eine Mutter geliebt. Die Kirche ist es ja, welche unter Anleitung durch die heilige Liebe den Gesinnungen die Milde, den Sitten die Menschlichkeit, den Gesetzen die Mäßigung schenkte: einer sittlich guten Freiheit niemals abgeneigt, pflegte sie tyrannische Zwangsherrschaft immer zu verabscheuen. Diese der Kirche eigene gute und würdige Handlungsweise hat mit wenigen Worten der heilige Augustinus sehr klar ausgesprochen: (Die Kirche) lehrt die Könige, Sorge zu tragen für die Völker; und alle Völker, sich den Königen zu :unterwerfen: indem sie zeigt, daß nicht alles für alle ist; und daß allen Liebe und niemandem Unrecht geschuldet wird .
 
 
 
== Die Aufgabe der Bischöfe ==
 
 
 
Aus diesen Gründen, Ehrwürdige Brüder, wird Eure Bemühung höchst nützlich und gewiß für künftige Zeiten segensvoll sein, wenn Ihr Euren Eifer und alle durch GOTTES Gnade in Eurer Macht stehenden Mittel mit Uns darauf verwendet, um die der menschlichen Gesellschaft drohenden Gefahren und Schäden abzuwehren. Traget eifrig Sorge und trefft Vorkehrungen, daß die Vorschriften der katholischen Kirche über die Regierungsgewalt im Staat und über die Pflicht des Gehorsams von den Menschen sowohl genau erkannt, als auch in deren Lebensführung gewissenhaft befolgt werden. Durch Euch als Vorbilder und als Lehrer mögen häufig die Völker ermahnt werden, verbotenen Lehren und Parteien aus dem Wege zu gehen, Verschwörungen zu verabscheuen und keinerlei Aufruhr in Gang zu bringen: möchten doch die Völker einsehen, daß der Gehorsam, den sie den Herrschenden im Hinblick auf GOTT leisten, eine vernunftgemäße Unterordnung, ein hochgesinnter Gehorsam ist.
 
 
 
== Inständiges Gebet zu Gott. Abschließender apostolischer Segen ==
 
 
 
Da es aber GOTT ist, welcher den Königen Heil verleiht , und den Völkern gestattet, Beruhigung zu finden in der Schönheit des Friedens, in sicheren Wohnstätten, in reich gesegneter Ruhe , so ist es notwendig, IHN im Gebete inständig zu bitten, daß ER die Sinnesart aller zum sittlich Guten und zur Wahrheit hinwenden, Zorn und Erbitterung beschwichtigen, und den langersehnten Frieden und die Ruhe auf dem Erdkreis wiederherstellen möge.
 
 
 
Damit aber die Hoffnung auf Gewährung um so sicherer sei, wollen Wir um deren Fürbitte und um deren heilsamen Schutz anflehen: Maria, die Jungfrau und erhabene Gottesgebärerin, die Hilfe der Christen, den Hort des Menschengeschlechtes; den heiligen Joseph, ihren allerreinsten Bräutigam, auf dessen väterlichen Beistand die gesamte Kirche fest vertraut; die Apostelfürsten Petrus und Paulus, die Beschützer und Bürgen des christlichen Namens.
 
 
 
Unterdessen erteilen Wir Euch allen, Ehrwürdige Brüder, dem Klerus und dem Volke, anvertraut Eurer Obhut, als Vorboten himmlischer Gnaden sehr liebevoll im HERRN den Apostolischen Segen.
 
 
 
Gegeben zu Rom, beim Heiligen Petrus, am 29. Juni des Jahres 1881, dem vierten Jahre Unseres Pontifikates.
 
 
 
Papst [[Leo XIII.]]
 
  
 
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Version vom 15. August 2019, 16:26 Uhr

Enzyklika
Diuturnum illud

von Papst
Leo XIII.
an alle Ehrwürdigen Brüder die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe
des katholischen Erdkreises, welche in Gnade und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle stehen,
über die höchste Würde im Bereich des Staatswesens
29. Juni 1881

(Offizieller lateinischer Text: ASS XX [1887] 593-613)

(Quelle: Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, Hsgr. Arthur Fridolin Utz + Birgitta Gräfin von Galen, XXI 1-23, Scientia humana Institut Aachen 1976, Imprimatur Friburgi Helv., die 2. decembris 1975 Th. Perroud, V.G. Überschriften, aus denen die Inhaltsübersicht erstellt wurde und Korrekturen aus: Leo XIII. - Lumen De Caelo. Erweiterte Ausgabe des „Leo XIII. der Lehrer der Welt". Praktische Ausgabe der wichtigsten Rundschreiben Leo XIII. und Pius XI. [in Fraktur]. Herausgegeben von Carl Ulitzka, Päpstlicher Hausprälat, Ratibor 1934. Mit kirchlicher Druckerlaubnis. Die Nummerierung folgt der englischen Fassung; auch in: ; Emil Marmy (Hrsg.), Mensch und Gemeinschaft in christlicher Schau, Dokumente, Paulus Verlag Freiburg/Schweiz 1945, S. ; Imprimatur Friburgi Helv., die 21. Augusti 1945 L. Clerc, censor; Sämtliche Rundschreiben Leo XIII., Lateinischer und deutscher [Fraktur] Text, Herder´sche Verlagsbuchhandlung Freiburg im Breisgau 1904, Zweite Sammlung, S. 1-33; oder in: Leo XIII., Lumen de coelo II., - Bezeugt in seinen Allocutionen, Rundschreiben, Constitutionen, öffentlichen Briefen und Akten, Buch und Verlag Rudolf Brzezowsky & Söhne Wien 1890, S. 31-45, die letzten zwei in Fraktur abgedruckt)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ehrwürdige Brüder,
Gruß und apostolischen Segen

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Empörung gegen die weltliche Obrigkeit ist eine Frucht der Empörung gegen die geistliche Obrigkeit

1 Jener anhaltende und zu verabscheuende Kampf, der gegen die göttliche Autorität der Kirche unternommen wurde, ist naturgemäß das geworden, wozu er angelegt war, nämlich eine allgemeine Gefahr für die menschliche Gesellschaft und besonders für die bürgerliche Gewalt, auf der hauptsächlich das öffentliche Wohl gründet. – Das steht in unseren Tagen offenkundig vor Augen. Denn das von seinen Leidenschaften getriebene Volk leugnet heute dreister denn je jedwede Regierungsgewalt, und so groß ist an verschiedenen Orten die ungezügelte Leidenschaft, so häufig sind Aufruhr und Unordnung, dass jenen, die das Staatswesen leiten, nicht nur öfters der Gehorsam verweigert wird, sondern sie selbst nicht einmal hinreichenden Schutz und Sicherheit mehr zu finden scheinen. 2 Fürwahr, lange hatte man alles getan, um sie bei der Menge verächtlich und verhasst zu machen, und indem der so genährte Hass in hellen Flammen aufloderte, fanden in nur kurzen Zwischenräumen zu verschiedenen Malen, teils auf hinterlistige Weise, teils im offenen Angriff, Mordanschläge auf das Leben der höchsten Fürsten statt. Von Schauder wurde unlängst ganz Europa erfasst bei dem unerhörten Mord eines mächtigen Kaisers, und während ob der Größe des Verbrechens noch alle Gemüter wie betäubt sind, scheuen sich diese verdorbenen Menschen nicht, gegen die übrigen Fürsten Europas öffentlich erschreckende Drohungen zu verbreiten.

Die Rettung liegt in der Erfüllung der Pflichten von Fürsten und Untertanen

3 Diese offenkundige Gefahr des Gemeinwesens erfüllt Uns mit schwerer Sorge, da Wir sowohl die Sicherheit der Fürsten wie die Ruhe der Reiche und zugleich das Wohl des Volkes fast stündlich gefährdet sehen. - Und doch hat die christliche Religion mit ihrer göttlichen Kraft unerschütterliche Fundamente dauerhafter Ordnung im Staatswesen gelegt, sobald sie nur einmal in die Sitten und bürgerlichen Einrichtungen eingegangen war. Eine vorzügliche und ganz besondere Wirkung derselben bildet das weise und wohlabgewogene Verhältnis der Rechte und Pflichten von Fürsten und Völkern. Denn Christi Vorschriften und Beispiele haben eine wunderbare Gewalt, die Untergebenen sowohl wie die Vorgesetzten in der Pflicht zu erhalten und jene von der Natur gebotene Einstimmigkeit und Willensharmonie zu bewahren, auf welcher der friedliche und ungestörte Gang des Staatslebens fließt. - Darum nun, da Uns durch Gottes Gnade die Regierung der Katholischen Kirche, dieser treuen Bewahrerin und Auslegerin der Lehren Christi, anvertraut worden ist, erachten Wir es für die Aufgabe Unseres Amtes, Ehrwürdige Brüder, öffentlich kundzutun, welche Pflichten in dieser Beziehung die katholische Wahrheit für jeden verkündet. Es werden sich hieraus der Weg und die Methode ergeben, welche bei einer so bedenklichen Sachlage um des öffentlichen Wohles willen zu ergreifen sind.

Die Notwendigkeit der obrigkeitlichen Gewalt

4 Wenngleich der Mensch in trotziger Vermessenheit häufig die Zügel der Regierung abzuwerfen sich bemühte, so konnte er es doch nie zu einer vollständigen Lösung von jedem Gehorsam bringen. Denn die Not selbst zwingt jede menschliche Vereinigung und Gemeinschaft, einen Vorgesetzten zu haben, damit die Gesellschaft ohne Haupt und leitende Gewalt nicht zerfällt und nicht den Zweck verfehlt, weswegen sie entstanden ist und sich gebildet hat.

Der Ursprung dieser Gewalt

Die Neuerer leiten das Recht zu befehlen vom Volke ab

Doch, war es nicht möglich, die staatliche Gewalt aus der bürgerlichen Gesellschaft vollständig zu entfernen, so suchte man alle Mittel aufzubieten, um ihre Bedeutung zu schwächen und ihre Majestät herabzusetzen. Es geschah dies ganz besonders im 16. Jahrhundert, als eine unselige Sucht nach neuen Meinungen so viele betörte. In der Folgezeit verlangte die Menge nicht bloß eine alles billige Maß überschreitende Freiheit, man musste es sogar erleben, dass Ursprung und Verfassung der bürgerlichen Gesellschaft nach Willkür ersonnen wurden. 5 Ja, sehr viele, die in neuerer Zeit in die Fußstapfen derer traten, die im vorigen Jahrhundert sich Philosophen nannten, lassen alle Gewalt vom Volk ausgehen. Jene, welche diese Gewalt im Staate ausüben, üben sie demgemäss nicht als eine ihnen zukommende Gewalt aus, sondern nur als vom Volk übertragene, und zwar unter der Bedingung, dass sie durch den Willen des Volkes, von dem sie übertragen wurde, widerrufen werden kann. Diesen gegenüber leiten die Katholiken das Recht zu befehlen, von Gott als seinem natürlichen und notwendigen Ursprung ab.

Nach katholischer Lehre stammt das Recht von Gott

Die Bezeichnung der Person kann durch das Volk geschehen

6 Hierbei ist jedoch zu bemerken, dass in vollem Einklang mit der katholischen Lehre jene, welche an die Spitze des Staatswesens zu treten haben, in bestimmten Fällen durch den Willen und nach dem Urteil des Volkes gewählt werden können. Durch eine solche Wahl wird nun allerdings der Gewaltinhaber bezeichnet, aber die obrigkeitlichen Rechte werden hiermit nicht verliehen; auch wird die Befehlsgewalt nicht übertragen, sondern es wird nur bestimmt, wer dieselbe auszuüben hat. 7 Ebenso handelt es sich hier nicht um die Formen der politischen Gewalt; denn die Kirche findet weder in der Herrschaft eines Einzigen, noch in der von vielen etwas Unangemessenes, wenn diese nur gerecht ist und durch sie das allgemeine Wohl besorgt wird. Wenn daher die Gerechtigkeit nicht verletzt wird, ist es den Völkern unbenommen, jene Regierungsform bei sich einzuführen, die ihrem Charakter oder den tradierten Einrichtungen und Gewohnheiten am meisten entspricht.

Die Gewalt zum Befehlen stammt von Gott

8 Was übrigens die politische Gewalt betrifft, so lehrt die Kirche mit Recht ihren Ursprung von Gott, denn dies findet sie in der Heiligen Schrift und in den Überlieferungen des christlichen Altertums offenbar bezeugt; auch kann, abgesehen hiervon, keine andere Lehre aufgestellt werden, welche mehr der Vernunft gemäß ist oder der Wohlfahrt von Fürsten und Völkern mehr entspricht.

Die Lehre der Heiligen Schrift

9 In der Tat bestätigen die Bücher des Alten Bundes in höchst deutlicher Weise die Lehre, dass die Quelle der menschlichen Gewalt in Gott ist. „Durch mich regieren die Könige, ... durch mich herrschen die Fürsten, und verwalten die Gewaltigen die Gerechtigkeit".<ref> {{#ifeq: Buch der Sprichwörter | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: Spr|Spr|Buch der Sprichwörter}}|{{#if: Spr |Spr|Buch der Sprichwörter}}}} 8{{#if:15-16|,15-16}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Und anderswo: „Neiget die Ohren, die ihr der Völker Menge beherrscht ... ; denn von dem Herrn ist euch die Herrschaft gegeben und die Macht von dem Allerhöchsten“.<ref> {{#ifeq: Buch der Weisheit | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: Weish|Weish|Buch der Weisheit}}|{{#if: Weish |Weish|Buch der Weisheit}}}} 6{{#if:3-4|,3-4}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Dasselbe lesen wir in dem Buche Ecclesiasticus: „Über jedes Volk stellte er einen Regenten“.<ref> {{#ifeq: Buch Jesus Sirach | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: Sir|Sir|Buch Jesus Sirach}}|{{#if: Sir |Sir|Buch Jesus Sirach}}}} 17{{#if:14|,14}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> - Doch allmählich vergaßen die Menschen diese Lehren, die sie von Gott empfangen hatten, von, heidnischem Aberglauben betört, der wie so vielfach die richtigen Vorstellungen und Begriffe so auch die ursprüngliche Form und Schönheit der politischen Gewalt gefälscht hat. Als aber in der Folgezeit das christliche Evangelium die Welt erleuchtete, musste dieser Wahn vor der Wahrheit weichen, und wieder begann man, jenen höchst erhabenen und göttlichen Ursprung zu erkennen, dem alle Autorität entstammt. - Als der römische Landpfleger voll Selbstgefühl auf seine Gewalt hinwies, freizusprechen oder zu verurteilen, antwortete ihm Christus der Herr: „Du hättest keine Gewalt gegen mich, wäre sie dir nicht von oben gegeben“.<ref> {{#ifeq: Evangelium nach Johannes | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: Joh|Joh|Evangelium nach Johannes}}|{{#if: Joh |Joh|Evangelium nach Johannes}}}} 19{{#if:11|,11}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Indem der heilige Augustinus diese Stelle erklärt, bemerkt er: „Lernen wir, was er gesagt, was er auch durch die Apostel gelehrt hat, dass es keine Gewalt gibt außer von Gott".<ref> Tract. CXVI in Ioan. n. 5, PL XXV 1943.</ref> Die Lehren und Gebote des Herrn tönen aus dem unverfälschten Wort der Apostel gleich einem Echo wieder. Zu den Römern, der Herrschaft heidnischer Fürsten untertan, sprach Paulus das erhabene und gewichtige Wort: „Es gibt keine Gewalt außer von Gott", aus diesem Grunde folgerte er: „Der Fürst ist Gottes Diener“.<ref> {{#ifeq: Vorlage:Röm (Bibel) | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: Röm|Röm|Vorlage:Röm (Bibel)}}|{{#if: Röm |[[Vorlage:Röm (Bibel)|Röm]]|[[Vorlage:Röm (Bibel)]]}}}} 13{{#if:1.4|,1.4}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Die Lehre der Kirchenväter

10 Die Kirchenväter waren eifrig bemüht, diese Lehre, in welcher sie unterrichtet worden waren, zu bekennen und auszubreiten. „Die Befugnis, die Herrschaft und Gewalt zu verleihen, sprechen wir niemandem zu außer dem wahren Gott", sagt der heilige Augustinus.<ref> De Civ. Dei V 21, PL XLI 167.</ref> Ebenso erklärt der heilige Johannes Chrysostomus: „Ich behaupte, dass die göttliche Weisheit es so geordnet hat, dass es Herrschende gibt; dass einige befehlen, andere gehorchen und nicht alles nach der Laune geschieht, ist Ausfluss göttlicher Weisheit."<ref> In epist. ad Rom. homil. XXIII, n. 1.</ref> Dasselbe hat der heilige Gregor der Große bezeugt mit den Worten: „Wir bekennen, dass den Kaisern und Königen die Gewalt vom Himmel gegeben worden ist."<ref> Epist. lib 11, epist. 61.</ref>

Die Lehre der Vernunft

Die heiligen Lehrer haben sich bemüht, die gleichen Vorschriften durch das natürliche Licht der Vernunft aufzuhellen, damit sie auch denen, die die Vernunft zur alleinigen Führerin haben, als durchaus recht und wahr erscheinen 11 Denn es ist in der Tat ein Gebot der Natur oder, richtiger, Gottes, des Urhebers der Natur, auf dem das Zusammenleben der Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft beruht; einen Beweis hierfür bieten sowohl die Sprache, die in höchster Weise ein gesellschaftsbildendes Prinzip ist, als auch aus so vielen der Seele innewohnenden Neigungen und so vielfache und höchst wichtige Bedürfnisse, die der Mensch in seiner Vereinzelung nicht befriedigen kann, wohl aber im Verband und gesellschaftlichen Verkehr mit anderen. Eine Gesellschaft kann nun aber gar nicht bestehen, ja nicht einmal gedacht werden, in der nicht einer die Bestrebungen ihrer Glieder derart leitet, dass aus vielen gewissermaßen ein Einziges wird und die vielen Bestrebungen in rechtmäßiger und geordneter Weise einen Impuls nach dem Gemeinwohl hin empfangen. Darum wollte Gott, dass in der bürgerlichen Gesellschaft Herrscher seien, die der Menge zu gebieten haben. – Daher wollte es Gott so, dass jene, die durch ihr Ansehen das Gemeinwesen verwalten, derart die Bürger zum Gehorsam zu zwingen die Befugnis haben müssen, dass für diese der Ungehorsam eindeutig Sünde ist. Niemand aber hat in sich oder aus sich die Macht, durch die Bande der Befehlsgewalt in solcher Weise den freien Willen anderer zu binden. Gott allein, dem Schöpfer aller Dinge und Gesetzgeber, kommt diese Gewalt zu; wer sie darum ausübt, kann sie notwendigerweise nur als eine von Gott ihm übertragene ausüben. „Einer ist Gesetzgeber und Richter, der die Macht hat, zu retten und zu verderben".<ref> {{#ifeq: Brief des Jakobus | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: Jak|Jak|Brief des Jakobus}}|{{#if: Jak |Jak|Brief des Jakobus}}}} 4{{#if:12|,12}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Dasselbe gilt bezüglich jeder Art von Gewalt. Dass jene, die den Priestern innewohnt, von Gott stammt, ist so bekannt, dass die Priester bei allen Völkern als Diener Gottes gelten und auch so genannt werden. Ebenso ist die Gewalt der Familienväter gewissermaßen ein Abbild der Autorität, die in Gott ist, von dem „alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen hat“.<ref> {{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 3{{#if:15|,15}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> So haben auf diese Weise die verschiedenen Arten von Gewalt eine wunderbare Ähnlichkeit untereinander, da, was irgendwo an Befehlsgewalt und Autorität gefunden wird, von ein und demselben Schöpfer und Herrn, von Gott, ausgegangen ist.

Die Ansicht, dass die Regierungsgewalt durch Vertrag übertragen werde, ist falsch

12 Jene, welche die bürgerliche Gesellschaft von einer freien Übereinkunft der Menschen ausgehen lassen und in ihr den Ursprung der Gewalt selbst erblicken, nehmen an, ein jeder habe etwas von seinem Recht abgetreten, und so hätten die einzelnen sich freiwillig unter die Herrschaft dessen begeben, der jene Rechte in ihrer Gesamtheit in sich vereinigt hat. Es ist jedoch ein großer Irrtum, die offenkundige Tatsache nicht zu erkennen, dass der Mensch von Natur aus nicht einzeln umherschweift, sondern vor jeder freien Willensentscheidung zur natürlichen Lebensgemeinschaft geboren ist; auch ist jener Vertrag, von dem sie reden, offenbar ganz willkürlich erfunden und erdichtet und vermag nicht, der politischen Gewalt so viel Kraft Würde und Festigkeit zu verleihen, wie der Schutz des Staates und der allgemeine Nutzen der Bürger es erfordern. Nur dann wird die bürgerliche Gewalt solche Beachtung und solchen allseitigen Schutz erlangen, wenn man anerkennt, dass ihr Ursprung aus Gott, der erhabensten und heiligsten Quelle herkommt.

Der Segen dieser katholischen Lehre

13 Diese Anschauung enthält nicht nur mehr Wahrheit, sondern ist auch von größerem Nutzen als jede andere Erklärung.

Sie bindet die Untertanen im Gewissen

So lehrt die Vernunft

Denn wenn die Gewalt der Staatenlenker gewissermaßen eine Teilhabe an der göttlichen Gewalt ist, so empfängt sie eben deswegen fortgesetzt eine übermenschliche Würde; nicht zwar jene gottlose und höchst törichte, wie sie ehedem die heidnischen Kaiser, die nach göttlichen Ehren strebten, forderten, sondern eine wahre und echte, von Gottes Gnaden und als Wohltat von ihm empfangen. Darum müssen die Bürger den Staatsoberhäuptern untertan und ihren Geboten gegenüber gehorsam sein wie Gott selbst, nicht so sehr aus Furcht vor Strafen, als aus Achtung vor ihrer Majestät, nicht aus Schmeichelei, sondern im Bewusstsein ihrer Pflicht. Hierdurch wird die Befehlsgewalt um vieles gefestigt. Denn wenn die Bürger die Tragweite dieses Amtes erkennen, so werden sie sich folgerichtig vor Ungesetzlichkeit und Ungehorsam hüten, weil sie überzeugt sein müssen, dass, wer der politischen Gewalt sich widersetzt, dem göttlichen Willen selbst sich widersetzt, wer dem Staatsoberhaupt die Ehre verweigert, sie Gott selbst verweigert.

Die Apostel betonen dies besonders

14 In dieser Lehre hat der Apostel Paulus die Römer ausdrücklich unterrichtet; an sie schrieb er bezüglich des Gehorsams, welchen wir den höchsten Machthabern zu leisten haben, mit solchem Nachdruck, dass es den Anschein erweckt, ihnen nichts Wichtigeres mitzuteilen. ,Jedermann unterwerfe sich der obrigkeitlichen Gewalt; denn es gibt keine Gewalt außer von Gott, und die, die besteht, ist von Gott angeordnet. Wer demnach sich der Gewalt widersetzt, der widersetzt sich der Anordnung Gottes. Und die sich widersetzen, ziehen sich selbst das Gericht zu ... Darum ist es euere Pflicht, untertan zu sein, nicht nur um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen“.<ref> {{#ifeq: Vorlage:Röm (Bibel) | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: Röm|Röm|Vorlage:Röm (Bibel)}}|{{#if: Röm |[[Vorlage:Röm (Bibel)|Röm]]|[[Vorlage:Röm (Bibel)]]}}}} 13{{#if:1.2.5|,1.2.5}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Und mit ihm stimmt in derselben Frage das unzweideutige Wort des Apostels Petrus überein; „Unterwerft euch jeder menschlichen Kreatur um Gottes willen, sei es dem König als dem Oberherrn, sei es den Statthaltern als von ihm gesandt zur Bestrafung der Übeltäter und zur Belohnung der Rechtschaffenen, denn so ist es der Wille Gottes".<ref> {{#ifeq: 1. Brief des Petrus | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: 1 Petr|1 Petr|1. Brief des Petrus}}|{{#if: 1 Petr |1 Petr|1. Brief des Petrus}}}} 2{{#if:13-15|,13-15}} Petr%202{{#if:13-15|,13-15}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Petr%202{{#if:13-15|,13-15}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Ungerechten Befehlen aber darf der Christ nicht gehorchen

15 Nur einen Grund haben die Menschen, nicht zu gehorchen, wenn nämlich etwas von ihnen gefordert werden sollte, was dem natürlichen oder göttlichen Gesetz offenbar widerspricht; denn nichts von allem, wodurch das Naturgesetz oder der Wille Gottes verletzt wird, ist zu gebieten oder zu tun erlaubt. Sollte daher einer in die Lage kommen, dass er sich gezwungen sieht, eines von beiden zu wählen, nämlich entweder Gottes oder des Staatsoberhauptes Gebote zu verletzen, dann hat er Christus zu gehorchen, der gebietet, „dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, Gott aber, was Gottes ist", <ref> {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 22{{#if:21|,21}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> und nach dem Beispiel des Apostels mutig zu antworten: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen". <ref> {{#ifeq: Apostelgeschichte | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: Apg|Apg|Apostelgeschichte}}|{{#if: Apg |Apg|Apostelgeschichte}}}} 5{{#if:29|,29}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Auch gibt es keinen Grund, jene, die so handeln, wegen Verweigerung des Gehorsams anzuklagen; denn wenn der Wille der Staatsoberhäupter Gottes Willen und Gesetzen widerspricht, dann überschreiten sie ihre Machtbefugnis und verletzen die Gerechtigkeit; dann kann eben ihre Autorität keine Anwendung finden, denn wo keine Gerechtigkeit, da keine Autorität.

Sie betont die Pflichten der Fürsten

16 Damit aber in der Regierung die Gerechtigkeit gewahrt werde, müssen die Lenker der Staaten vor allem erkennen, dass die politische Gewalt ihrer Natur nach nicht dem Vorteil eines einzelnen zu dienen hat und dass das Staatswesen zum besten derer verwaltet werden muss, die ihnen anvertraut sind, nicht jener, denen es anvertraut ist. Möchten doch die Staatsoberhäupter Gott, das höchste und beste Wesen, von dem sie ihre Gewalt zu Lehen empfangen haben, sich zum Beispiel nehmen und, nach seinem Vorbild den Staat verwaltend, ihr Volk regieren in Gerechtigkeit und Treue, indem sie mit der Strenge, wenn sie notwendig ist, väterliche Liebe verbinden. Deswegen werden sie durch die Aussprüche der Heiligen Schrift ermahnt, dass auch sie dereinst dem König der Könige, dem Herrn der Herrscher Rechenschaft ablegen müssen, dass sie aber, wenn sie ihre Pflicht versäumten, Gottes Strenge nicht entgehen werden. „Der Allerhöchste wird euere Werke untersuchen und euere Gedanken erforschen. Denn wenn ihr als Diener seines Reiches nicht recht gerichtet habt, ... wird er schrecklich und schnell über euch kommen, weil das strengste Gericht über die ergeht, die andern vorstehen ... Denn Gott wird niemandes Person ausnehmen, noch irgendeines Größe scheuen, weil er den Kleinen wie den Großen gemacht hat und auf gleiche Weise sorgt für alle; dem Stärkeren aber steht eine größere Strafe bevor.“<ref> {{#ifeq: Buch der Weisheit | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: Weish|Weish|Buch der Weisheit}}|{{#if: Weish |Weish|Buch der Weisheit}}}} 4{{#if:4-8|,4-8}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Sie hält die Revolution zurück

17 Wo solche Gebote das Staatswesen schirmen, ist jede Ursache zu Aufruhr und alles Verlangen dazu der Boden entzogen, da sind Ehre und Sicherheit der Staatsoberhäupter, Ruhe und Wohl der Staaten gewahrt. Auch für das Ansehen der Bürger wird in bester Weise Sorge getragen, da, selbst wenn sie gehorchen, sie jene Würde bewahren können, die der bevorzugten Stellung des Menschen entspricht. Denn sie erkennen, dass es nach dem Urteil Gottes weder Knechte noch Freie gibt, dass einer aller Herr ist, „reich für alle, die ihn anrufen", <ref> {{#ifeq: Vorlage:Röm (Bibel) | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: Röm|Röm|Vorlage:Röm (Bibel)}}|{{#if: Röm |[[Vorlage:Röm (Bibel)|Röm]]|[[Vorlage:Röm (Bibel)]]}}}} 10{{#if:12|,12}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> dass sie aber darum den Staatsoberhäuptern untertan sind und ihnen Gehorsam leisten, weil diese in gewissem Sinne Ebenbilder Gottes sind, „dem zu gehorchen herrschen ist".

Die Kirche verlangte Gehorsam selbst gegen die heidnische Obrigkeit

18 Die Kirche war immer bestrebt, diese christliche Anschauung von der bürgerlichen Gewalt nicht nur dem Bewusstsein der Menschen einzuprägen, sondern sie auch im öffentlichen Leben der Völker und in deren Sitten zum Ausdruck zu bringen. Solange heidnische Kaiser an der Spitze der Regierung standen, die, in Aberglauben befangen, zur christlichen Auffassung vom Wesen der bürgerlichen Gewalt, wie Wir sie skizziert haben, nicht gelangen konnten, suchte sie dieselbe dem Bewusstsein der Völker einzuflößen. Sobald diese aber in den Lehren des Christentums unterwiesen waren, musste ihnen daran liegen, danach auch ihr Leben zu ordnen. Daher pflegten die Seelenhirten im Hinblick auf das Beispiel des Apostels Paulus angelegentlichst den Völkern zu gebieten, „untertan zu sein den Fürsten und Gewalten, den Befehlen gehorsam“,<ref> {{#ifeq: Brief des Paulus an Titus | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: Tit|Tit|Brief des Paulus an Titus}}|{{#if: Tit |Tit|Brief des Paulus an Titus}}}} 3{{#if:1|,1}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> ebenso für alle Menschen zu Gott zu beten, namentlich aber „für die Könige und für alle Obrigkeiten, denn dieses ist wohlgefällig vor Gott unserem HeiIand“.<ref> {{#ifeq: 1. Brief des Paulus an Timotheus | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: 1 Tim|1 Tim|1. Brief des Paulus an Timotheus}}|{{#if: 1 Tim |1 Tim|1. Brief des Paulus an Timotheus}}}} 2{{#if:1-3|,1-3}} Tim%202{{#if:1-3|,1-3}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Tim%202{{#if:1-3|,1-3}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Die Christen wurden die besten Bürger

Und in dieser Beziehung haben die ersten Christen die eindruckvollsten Beispiele hinterlassen; denn obgleich sie von den heidnischen Kaisern aufs ungerechteste und grausamste gequält wurden, unterließen sie es doch niemals, sich gehorsam und untertan zu erweisen, sodass in der Tat jene in Grausamkeit, diese in Untertänigkeit zu wetteifern schienen. 19 Eine solche Bescheidenheit, ein so entschiedener Gehorsam war zu bekannt, als dass die Feinde ihn in boshafter Verleumdung in irgendeiner Weise hätten bestreiten können. Darum haben jene, die öffentlich vor den Kaisern die Verteidigung des Christentums führten, die Ungerechtigkeit der gegen die Christen ergriffenen gesetzlichen Maßnahmen mit dem Hinweis bewiesen, dass diese vor aller Augen in ihrem Leben ein Beispiel der Gesetzestreue gaben. Zu Marcus Aurelius Antoninus und seinem Sohne Lucius Aurelius Commodus sprach Athenagoras folgende mutige Worte: „Ihr duldet, dass man uns, die wir nichts verbrochen haben, vielmehr in höchst ehrerbietiger und gerechter Weise sowohl gegen Gott als gegen euere Regierung uns benehmen, verfolgt, beraubt, verjagt“<ref> Legat. pro Christianis.</ref> In gleicher Weise spendete Tertullian öffentlich den Christen das Lob, sie seien unter allen die besten und zuverlässigsten Freunde des Kaisers: „Der Christ hegt gegen niemanden Feindschaft, geschweige gegen den Kaiser; denn er weiß, dass Gott diesen eingesetzt hat, dass er ihm darum Liebe, Ehrerbietung und Hochachtung schuldet und sein wie des ganzen römischen Reiches Wohl wünschen muß“.<ref> Apolog. n. 35, PL I 451.</ref> Und er hielt mit der Behauptung nicht zurück, es pflege in dem Verhältnis die Zahl der Feinde im Reiche abzunehmen, als die Zahl der Christen zunehme. „Wegen der großen Zahl der Christen habt ihr nur wenige Feinde, da fast in allen Städten fast alle Bürger Christen sind". <ref> Apolog. n. 37, PL I 463.</ref> Ein herrliches Zeugnis in dieser Beziehung enthält auch der Brief an Diognetus, welcher bestätigt, dass die Christen jener Zeit gewohnt waren, nicht bloß den Gesetzen zu gehorchen, sondern alle ihre Pflichten aus freiem Antrieb noch besser und vollkommener zu erfüllen, als die Gesetze es ihnen abforderten. „Die Christen gehorchen den erlassenen Gesetzen und übertreffen durch ihre Lebensweise die Gesetze.“<ref> Epist. ad Diognetum V, PG II 1174.</ref>

Sie revolutionierten nie

20 Anders freilich war die Sachlage dann, wenn sie durch die Erlasse der Kaiser oder Drohungen der Statthalter zum Abfall vom christlichen Glauben oder in irgendeiner Weise zur Pflichtverletzung aufgefordert wurden; in solchen Zeiten wollten sie lieber den Menschen als Gott missfallen. Aber selbst unter diesen Umständen waren sie weit davon entfernt, Aufruhr zu stiften oder die kaiserliche Majestät zu verachten; sie waren nur auf das eine bedacht, ihr christliches Bekenntnis und die Unbeugsamkeit ihres Glaubens zu manifestieren. Im übrigen dachten sie an keinen Widerstand, sondern gingen mit heitererem Anesicht zur Folter des Henkers, so dass die Größe der Qualen von ihrer Seelengröße übertroffen wurde. - In ähnlicher Weise erwies sich zur selben Zeit die Macht der christlichen Lehren im Heer; denn es war dem christlichen Soldaten eigen, höchste Tapferkeit mit der höchsten Liebe zur militärischen Disziplin zu verbinden und seinen hervorragenden Mut durch unwandelbare Treue zu seinem Fürsten zu krönen. Wurde jedoch ein unehrbares Ansinnen an ihn gestellt, wie z.B. Gottes Rechte zu verletzen oder gegen schuldlose Jünger Christi das Schwert zu ziehen, dann weigerte er sich zwar, die Befehle auszuführen, doch so, dass er lieber aus dem Heer austreten und sterben wollte, als durch Aufruhr und Unruhestiftung sich gegen die öffentliche Gewalt aufzulehnen.

Die christlichen Fürsten wurden von der Kirche besonders in ihrer Würde geehrt

21 Nachdem in der Folgezeit die Staaten christliche Herrscher erhalten hatten, verkündete die Kirche noch viel nachdrücklicher den heiligen Charakter der fürstlichen Autorität; die Folge hiervon war, dass, so oft die Völker der fürstlichen Gewalt gedachten, diese ihnen im Bilde einer gewissen heiligen Majestät erschien, wodurch sie zu einer höheren Ehrfurcht und Liebe zu ihren Fürsten angetrieben wurden. Und darum hat die Kirche in Weisheit angeordnet, dass die Könige in feierlicher Weise gekrönt wurden, wie es im Alten Bunde durch göttlichen Befehl bestimmt war. 22 Als sich der Staat gleichsam aus den Ruinen des Römerreiches erhob und zur Hoffnung christlicher Größe wieder auflebte, da hoben die Römischen Päpste durch Errichtung eines Heiligen Reiches, die politischen Gewalt in ganz besonderer Weise . Hierdurch empfing diese ihre höchsten Adel; und ohne Zweifel würde diese Einrichtung für die religiöse wie bürgerliche Gesellschaft immer sehr ersprießlich gewesen sein, wenn das was die Kirche im Auge hatte, von Fürsten und Völkern immer geteilt worden wäre. - In der Tat herrschte Ruhe und hinlängliches Gedeihen, so lange die beiden Gewalten in Friede und Einigkeit lebten. Wenn die Völker sich zu Ausschreitungen hinreißen ließen, war die Kirche sogleich bereit, den Frieden zu vermitteln, indem sie einen jeden an seine Pflicht erinnerte und die stürmischen Leidenschaften teils in Güte, teils durch ihr Machtgebot beruhigte. Und wenn die Fürsten in der Regierung sich Fehler zuschulden kommen ließen, wandte sie selbst sich an die Fürsten, hielt ihnen die Rechte, Bedürfnisse, gerechten Wünsche der Völker vor Augen und riet zu einem billigen Vorgehen, zu Milde und Güte. So wurde vielfach die Gefahr von Empörungen und Bürgerkriegen beseitigt.

Der Unsegen der falschen Lehre

Bittere Früchte

23 Im Gegensatz dazu haben die von den Neuerern erfundenen Ansichten bezüglich der politischen Gewalt dagegen bereits bittere Früchte getragen, und es ist zu befürchten, dass sie noch schlimmstes Unglück bringen werden. Denn das Recht, zu gebieten, nicht auf Gott als seinen Ursprung zurückbeziehen, bedeutet nichts anderes, als der politischen Gewalt ihren schönsten Glanz rauben und ihren Lebensnerv durchschneiden. Wenn man sagt, sie hänge von der Willkür der Menge ab, so ist diese Meinung erstens falsch und zweitens lässt sie die Gewalt auf einem viel zu schwachen und wandelbaren Grund ruhen. Denn durch solche Ansichten werden die Leidenschaften des Volkes bis zum Übermut gleichsam aufgestachelt und verführt zu übertriebenen Handlungen, bis es zum großen Schaden des Staates in seiner blinden Erregung auf dieser abschüssigen Bahn in schnellem Tempo zu offener Empörung abgleitet. In der Tat folgten auf die sogenannte Reformation, besonders in Deutschland, alsbald Unruhen und höchst verwegene Empörungen, deren Helfershelfer und Anführer die geistliche und weltliche Gewalt durch ihre neuen Theorien in ihrem tiefsten Grund bekämpft hatten. So sehr wütete der Bürgerkrieg mit Feuer und Schwert, dass fast kein Ort von blutigen Unruhen verschont blieb. - Jener Irrlehre entstammten im vorigen Jahrhundert eine fälschlich so genannte Philosophie und das sogenannte moderne Recht, sowie die Volksherrschaft und die alles Maß überschreitende Zügellosigkeit, worin viele das Wesen der Freiheit sehen. Von hier war nur noch ein Schritt zu den verderblichen Irrtümern des Kommunismus, des Sozialismus und Nihilismus, diesen erschreckenden Vorzeichen und, möchte man sagen, Todesboten der bürgerlichen Gesellschaft. Und dennoch sind es nur zu viele, die die Wirkung so zahlreicher Übel immer noch weiter auszubreiten bestrebt sind und unter dem Vorwand, für das Volkswohl zu arbeiten, das verderbliche Feuer noch schürten. Doch Wir führen das hier nur an; denn die Tatsachen sind keinem unbekannt, sie liegen nicht weit zurück.

Die Furcht vor dem Schwerte zügelt die Menschen nicht

24 Was aber am meisten Sorge macht, ist die Tatsache, dass den Fürsten in solchen Gefahren keine hinlänglich ausreichenden Mittel zu Gebote stehen, um die staatliche Ordnung wiederherzustellen und die Gemüter zu versöhnen. Sie waffnen sich mit der Autorität der Gesetze und glauben, die öffentlichen Unruhestifter durch strenge Strafen im Zaume halten zu sollen. Ganz recht; doch man erwäge wohl, dass die Gesetze nie eine solche Kraft haben werden, dass sie für sich allein den Staat schützen können. Denn die Furcht ist, wie der heilige Thomas sehr richtig bemerkt, „ein schwaches Fundament. Jene nämlich, die sich bloß aus Furcht unterwerfen, erheben sich, wenn sie Gelegenheit finden, auf Straflosigkeit zu hoffen, um so heftiger gegen ihre Vorgesetzten, je mehr sie gegen ihren Willen bloß durch Furcht zurückgehalten waren. Und außerdem treibt allzu große Furcht die meisten zur Verzweiflung; in der Verzweiflung aber stürzen sie sich in die gewagtesten Unternehmungen.“<ref> De Regim. Pricip. I 10.</ref> Wie wahr dieses Wort ist, hat die Erfahrung uns hinlänglich gelehrt. Darum muss ein höheres und wirksamerer Beweggrund zum Gehorsam geboten werden, und wir müssen der festen Überzeugung sein, dass auch die Strenge der Gesetze fruchtlos bleibt, wenn nicht das Pflichtgefühl die Menschen leitet und heilsame Gottesfurcht sie antreibt. Dies aber in ihnen zu bewirken, vermag in höchster Weise die Religion, die mit ihrem Einfluss die Seele durchdringt und den Willen des Menschen in einer Weise geneigt macht, dass er seinen Vorgesetzten nicht bloß gehorsam ist, sondern ihnen auch in Wohlwollen und Liebe zugetan ist, wodurch erst jede menschliche Gesellschaft ungestört bestehen kann.

Die Kirche war stets eine Freundin der Autorität

25 Deswegen muss man einsehen, dass die Römischen Päpste dem allgemeinen Wohl vortreffliche Dienste dadurch geleistet haben, dass sie immer Sorge dafür trugen, die unruhigen und aufbegehrenden Geister der Neuerer niederzuhalten: Wiederholt haben sie mahnend darauf hingewiesen, wie gefährlich diese auch für den Staat sind. In dieser Beziehung verdienen die Worte Klemens' VII. an König Ferdinand von Böhmen und Ungarn angeführt zu werden: „In diesem Glaubensstreit ist auch deine und der übrigen Fürsten Würde und Nutzen miteingeschlossen, da mit der Schwächung des Glaubens auch euere Interessen zugleich in Mitleidenschaft gezogen werden, wie es sich deutlich in einigen dieser Gegenden gezeigt hat". - In derselben Angelegenheit leuchtet die hohe Weisheit und Unerschrockenheit Unserer Vorgänger hervor, besonders Klemens' XII., Benedikts XIV., Leos XII., die, da in der Folgezeit die verderblichen Lehren immer mehr um sich griffen und die Sekten sich immer unbändiger benahmen, mit all ihrer Autorität ihnen den weiteren Vormarsch zu verriegeln bestrebt waren. Wir selbst haben mehr als einmal auf die Größe der bevorstehenden Gefahren hingewiesen und die beste Art und Weise ihrer Bekämpfung angegeben. Den Fürsten und übrigen Staatenlenkern haben Wir den Beistand der Religion angeboten und die Völker ermahnt, aus dem Schatz jener Güter zu schöpfen, die die Kirche ihnen in reichem Maße anbietet. Dahin geht heute Unser Bestreben, dass doch die Fürsten diesen ihnen erneut angebotenen, in seiner Wirkkraft unübertrefflichen Beistand erkennen möchten. Wir ermahnen sie eindringlichst im Herrn, die Religion zu schützen und, was auch im Staatsinteresse liegt, der Kirche den Genuss jener Freiheit zu gestatten, die man ihr nur mit Unrecht und zum allgemeinen Verderben rauben kann. 26 Die Kirche Christi kann wahrhaftig weder den Fürsten verdächtig, noch den Völkern feindselig erscheinen. Denn die Fürsten mahnt sie, Gerechtigkeit zu üben und in keiner Beziehung ihre Pflicht zu verletzen; sie stärkt aber auch zugleich und stützt in vielfacher Weise ihre Autorität. Was dem bürgerlichen Bereich angehört, erkennt sie als der Herrschaft und höchsten Befehlsgewalt dieses Bereiches unterstellt; bezüglich dessen, was aus verschiedenen Ursachen der geistlichen und weltlichen Gewalt angehört, sucht sie ein gegenseitiges Einverständnis herzustellen, wodurch für beide verhängnisvolle Streitigkeiten vermieden werden. Was die Völker betrifft, so liegt der Kirche von Natur aus das Wohl aller Menschen am Herzen; sie hat sie alle immer wie eine Mutter geliebt. Durch ihre von Liebe geleiteten Bemühungen wurden die Gemüter beruhigt, die Sitten vermenschlicht, die Gesetze gerecht gestaltet; einer ehrbaren Freiheit niemals abhold, pflegte sie immer tyrannische Herrschaft zu verabscheuen. Diese der Kirche innerliche, verdienstvolle Handlungsweise hat mit wenigen Worten der heilige Augustinus deutlich zum Ausdruck gebracht: „Sie (die Kirche) lehrt die Könige, Sorge zu tragen für die Völker, alle Völker, den Königen sich zu unterwerfen, indem sie zeigt, dass nicht alles sich für alle schickt und dass allen Liebe gebührt und keinem Unrecht.“<ref> De moribus Ecclesiae I 30, PL XXXII 1336.</ref>

Die Bischöfe sollen Sorge tragen, dass diese Lehren befolgt werden

27 Aus diesen Gründen, Ehrwürdige Brüder, wird Eure Bemühung höchst nützlich und gewiss segensvoll sein, wenn Ihr Euren Eifer und alle von Gott Euch zur Verfugung gestellten Mittel mit Uns einsetzt, um die der menschlichen Gesellschaft drohenden Gefahren und Schäden zu beschwören. Tragt eifrig Sorge, dass die Lehre der Katholischen Kirche über die bürgerliche Gewalt und die Pflicht des Gehorsams von den Gläubigen in ihrer Tiefe erkannt und im Leben eifrig befolgt werde. Kraft Eurer lehramtlichen Autorität mögt Ihr die Völker des öfteren dazu ermahnen, die verbotenen Sekten zu meiden, Verschwörungen zu verabscheuen und aufrührerischen Bewegungen fernzubleiben; möchten sie einsehen, dass der Gehorsam, der Obrigkeit um Gottes willen geleistet, ein „vernünftiger Gehorsam", ein hochherziger Gehorsam ist. Da aber Gott es ist, „der den Königen Heil verleiht“<ref> {{#ifeq: Buch der Psalmen | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: Ps|Ps|Buch der Psalmen}}|{{#if: Ps |Ps|Buch der Psalmen}}}} 143{{#if:10|,10}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> und den Völkern gestattet, „in der Ruhe des Friedens, in sicheren Hütten, in überschwenglicher Kraft“<ref> {{#ifeq: Jesaja | Diuturnum illud (Wortlaut) |{{#if: Jes|Jes|Jesaja}}|{{#if: Jes |Jes|Jesaja}}}} 32{{#if:18|,18}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> zusammenzuleben, so müssen wir ihn im Gebet anflehen, dass er den Sinn aller Menschen zur Rechtschaffenheit und Wahrheit hinlenken, allen Zorn beschwichtigen, den lang ersehnten Frieden und die Ruhe auf Erden wiederherstellen möge.

Schluss: Ermahnung zum Gebet, Segen

28 Damit wir aber desto besser auf Gewährung hoffen können, wollen wir um Fürbitte und heilsamen Schutz anflehen die mächtige Gottesmutter und Jungfrau Maria, die Helferin der Christen, die Beschützerin des Menschengeschlechts, und den heiligen Joseph, ihren allerreinsten Bräutigam, auf dessen Hilfe die ganze Kirche so sehr vertraut, ebenso die Apostelfürsten Petrus und Paulus, die Hüter und Verteidiger der Christenheit.

Unterdessen erteilen Wir Euch allen, Ehrwürdige Brüder, dem Klerus und dem Volk, das Eurer treuen Fürsorge anvertraut ist, als Unterpfand himmlischer Gaben von ganzem Herzen den Apostolischen Segen im Herrn.

Gegeben zu Rom, beim Heiligen Petrus, am 29. Juni des Jahres 1881,
dem vierten Jahre Unseres Pontifikates
Leo XIII. PP.

Anmerkungen

<references />

Weblinks