Diuturnum illud (Wortlaut)

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Papst Leo XIII.: Diuturnum illud

Rundschreiben über die höchste Würde im Bereich des Staatswesens. Gegeben zu Rom, beim Heiligen Petrus, am 29. Juni des Jahres 1881, dem vierten Jahre Unseres Pontifikates.



An alle Ehrwürdigen Brüder: die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe und Bischöfe des katholischen Erdkreises, welche in Gnade und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle stehen.

Papst Leo XIII.

Ehrwürdige Brüder! Heilsgruß und Apostolischen Segen!

Gezielte Untergrabung der Staatsgewalt

Jener lange andauernde und höchst abscheuliche Kampf, der gegen die göttliche Autorität der Kirche unternommen wurde, ist dort angelangt, wohin sich seine abschüssige Ausrichtung neigte: nämlich eine allgemeine Gefahr für die menschliche Gesellschaft zu werden - namentlich für die oberste Gewalt im Staate, auf welcher die öffentliche Wohlfahrt hauptsächlich beruht. Dies ist eine offenkundige Tatsache gerade unseres Zeitalters. Denn die eigennützigen Gelüste innerhalb des Volkes weisen heute vermessener als je zuvor jeglichen obrigkeitlichen Einfluß entschieden zurück: und derart groß ist an den verschiedenen Orten die Zügellosigkeit, so häufig sind Empörungen und Unruhen, daß denjenigen, welche die Staatswesen leiten, nicht allein oftmals der Gehorsam verweigert wird, sondern diese für sich selbst nicht einmal mehr hinreichend Schutz und Sicherheit zu finden scheinen. Lange hatte man sich ja fürwahr Mühe gegeben, sie bei der Menge verächtlich und verhaßt zu machen, und indem der so entstehen gelassene Haß in hellen Flammen aufloderte, fanden mit nur kurzen Zwischenräumen mehrmals - teils auf hinterlistige Weise, teils in offener Wegelagerung - Mordanschläge auf das Leben der höchststehenden Fürsten und Herrscher statt. Von Schauder wurde vor einiger Zeit ganz Europa bei dem ruchlosen Mord an einem machtvollen Kaiser erfaßt; und während wegen der Größe des Verbrechens noch allgemeine Verwirrung herrscht, scheuen sich diese ruchlosen Menschen nicht, gegen die übrigen Herrscher in Europa allgemein Drohungen und Schrecken zu verbreiten.

Abhilfe durch die Lehren der christlichen Religion

Diese vor Augen stehenden Gefahren für die öffentliche Ordnung erfüllen Uns mit schwerer Sorge, da Wir sowohl die Sicherheit der Herrscher, als auch die friedliche Ruhe der Reiche, und zugleich das Heil der Völker fast stündlich gefährdet erblicken. - Und doch hat die göttliche Kraft der christlichen Religion ganz besondere Stützen für Dauerhaftigkeit und Ordnung im Staatswesen geschaffen, sobald sie nur einmal die Sitten und Einrichtungen der Staaten ganz durchdrungen hat. Eine ganz besondere und bedeutende Auswirkung derselben bildet das kluge und gerecht abgewogene Verhältnis von Rechten und Pflichten zwischen Herrschern und Völkern.

Der Stellvertreter Jesu Christi waltet seines Amtes

Denn in den Vorschriften und Handlungsweisen CHRISTI DES HERRN liegt eine wunderbare Kraft: sowohl Untergebene wie Vorgesetzte im Rahmen ihrer Schuldigkeit zu erhalten, und jenen von Natur aus gegebenen Einklang und jene Übereinstimmung der Entschlüsse zu bewahren, woraus der friedliche und völlig ungestörte Verlauf der Dinge im Staat entsteht. - Weil Uns nun durch GOTTES Gnade die Regierung der katholischen Kirche, der Hüterin und Auslegerin der Lehren Christi, anvertraut ist, deshalb erachten Wir es als eine Aufgabe Unseres Amtes, Ehrwürdige Brüder, öffentlich in Erinnerung zu bringen, was in dieser Beziehung die katholische Wahrheit von einem jeden verlangt. Hieraus werden sich die Maßregeln ergeben, welche bei einem so bedenklichen Stand der Dinge für das Wohl des öffentlichen Lebens zu ergreifen sind.

Geschichtlicher Werdegang jener Abwertung der Obrigkeiten

Wenngleich der Mensch, getrieben von Anmaßung und Widerspenstigkeit, häufig die Zügel der Regierung abzuwerfen bestrebt war, so konnte er es doch niemals erreichen, in keinerlei Untertänigkeit zu stehen. Denn der Zwang der Umstände als solcher nötigt jede menschliche Vereinigung und Gemeinschaft, jemanden an ihrer Spitze zu haben: da die Gesellschaft ohne Beherrscher, ohne ein sie leitendes Haupt zerfallen würde und den Zweck nicht erreichen könnte, um dessentwillen sie entstanden ist und sich gebildet hat.

Jedoch, da es nicht möglich war, die staatliche Gewalt aus der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft vollständig zu entfernen, so suchte man wenigstens alle Kunstgriffe anzuwenden, um deren Bedeutung herabzusetzen und deren Würde zu untergraben: und dies geschah ganz besonders im 16. Jahrhundert, als eine unselige Sucht nach neuen Meinungen so viele Menschen betörte. In der Folgezeit verlangte die Menge nicht bloß eine alles rechte Maß überschreitende „Freiheit“, sondern es ist auch zu erkennen, wie Ursprung und Beschaffenheit der bürgerlichen Gesellschaft der Menschen nach Willkür erdichtet wurde. Ja, sehr viele, welche in neuerer Zeit in die Fußstapfen derer getreten sind, die sich im vorigen Jahrhundert „Philosophen“ nannten, lassen alle obrigkeitliche Gewalt vom Volke ausgehen: diejenigen, die diese Gewalt im Staat ausüben, üben sie daher nicht als eine ihnen eigene (Gewalt) aus, sondern als ihnen bloß überlassen: im Auftrag des Volkes, und zwar unter der Bedingung, daß sie durch den Willen des Volkes, von dem sie übertragen wurde, widerrufen werden kann. Hiermit stimmen die Katholiken nicht überein: sie leiten das Recht des Gebietens von GOTT her: als dessen natürlichem und notwendigem Ursprung.

Mögliche unterschiedliche Formen der Verwaltung des Staates

An dieser Stelle ist jedoch zu bemerken, daß ohne Widerspruch und Gegensatz zur katholischen Lehre diejenigen, welche die Aufsicht über die Staatsverwaltung führen sollen, in bestimmten Fällen durch den Willen und nach der Entscheidung des Volkes gewählt werden können. Durch eine solche Wahl wird nun allerdings der Vorgesetzte bezeichnet; aber die Rechte des Vorranges werden dadurch nicht überlassen: auch wird (dadurch) die Herrschaft nicht übergeben, sondern es wird bloß bestimmt, wer dieselbe auszuüben hat. -- Ebenso handelt es sich hier nicht um die Frage der Art und Weise der Staatsverwaltung: denn die Kirche findet die Herrschaft eines Einzelnen oder auch Mehrerer nicht unangemessen, wenn diese nur eine gerechte ist und für das allgemeine Wohl wachsam Sorge trägt. Wenn daher die Gerechtigkeit nicht verletzt wird, ist es den Völkern nicht verwehrt, jene Form der Staatsverwaltung bei sich einzurichten, welche entweder ihrem Charakter oder den Sitten und Grundsätzen der Vorfahren genauer entspricht.

Gott ist der Ursprung der staatlichen Gewalt

Was im übrigen die zum Staat gehörende Gewalt betrifft, so lehrt die Kirche mit Recht deren Ursprung von GOTT: denn dies findet sie in der Heiligen Schrift und in den Urkunden des christlichen Altertums klar bezeugt; auch könnten, abgesehen hiervon, keine Grundsätze ersonnen werden, welche mehr der Vernunft gemäß wären, oder die dem Wohl von Herrschern und Völkern mehr entsprächen.

Beweis dafür aus der Heiligen Schrift

in der Tat bestätigen die Bücher des Alten Testamentes in höchst deutlicher Weise an vielen Stellen die Lehre, daß der Ursprung der menschlichen (obrigkeitlichen) Gewalt in GOTT ist. Durch mich regieren die Könige, ... durch mich gebieten die Herrscher, und die Mächtigen verordnen Gerechtigkeit . Und an anderer Stelle: Neiget die Ohren, ihr, die ihr der Völker Menge beherrschet ... , denn vom HERRN ist euch die Herrschaft gegeben und die Macht vorn Allerhöchsten . Das gleiche sagt das Buch Ecclesiasticus der Heiligen Schrift: Über jedes Volk hat ER einen Regierer gestellt . Doch allmählich vergaßen die Menschen diese Lehren, die sie von GOTT empfangen hatten, indem sie durch heidnischen Aberglauben davon abgebracht wurden. Letzterer hat vielfach die richtigen Vorstellungen und Begriffe, und ebenso auch die echte Form der höchsten Würde und deren Vortrefflichkeit verfälscht. Als aber in der Folgezeit das christliche Evangelium leuchtend erschien, da wich ein solcher Wahn vor der Wahrheit, und man fing wieder an, jenen höchst edlen und göttlichen Ursprung zu erkennen, von dem jegliche Macht herrührt. - Als daher der römische Statthalter voll Selbstgefühl auf seine Gewalt hinwies, freizusprechen oder zu verurteilen, da antwortete ihm Christus der Herr: Du hättest keine Gewalt gegen mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre . Zur Erklärung dieser Stelle bemerkt der heilige Augustinus: Lernen wir, was Er gesagt hat, was Er auch durch die Apostel gelehrt hat: daß keine Gewalt ist, außer von Gott . Denn die Lehren und Gebote Jesu Christi tönen aus dem unverfälschten Worte der Apostel wie aus einem Echo heraus. An die Römer, der Herrschaft heidnischer Herrscher untertan, richtet Paulus voll Nachdruck das erhabene Wort: Es gibt keine Gewalt außer von Gott. Aus diesem Grunde folgerte er: Der Herrscher ist Gottes Diener .

Aus der Lehrweisheit der Kirchenväter

Die Kirchenväter waren gewissenhaft bemüht, diese Lehre, in welcher sie unterwiesen worden waren, zu bekennen und auszubreiten. Die Befugnis zur Verleihung der Königsherrschaft und der kaiserlichen Gewalt gestehen wir niemandem zu außer dem wahren Gott, sagt der heilige Augustinus . Ebenso erklärt der heilige Johannes Chrysostomus: Ich behaupte, daß die göttliche Weisheit es so geordnet hat, daß es eine Obergewalt gibt; ebenso, daß einige befehlen, andere untergeordnet sind, und daß nicht alles zufallsartig und planlos fortgeführt wird . Das gleiche hat der heilige Gregor der Große bezeugt mit den Worten: Wir bekennen, daß den Kaisern und Königen die Gewalt vom Himmel her gegeben worden ist . Die heiligen Lehrer haben eben diese Gebote zusätzlich auch gemäß dem natürlichen Licht der Vernunft erklärt: damit dieselben sogar von jenen als durchaus gerecht und wahr erkannt werden müssen, welche sich bloß von der Vernunft leiten lassen. Denn es ist ja ein Gebot der Natur - oder richtiger: GOTTES, des Urhebers der Natur - auf welchem das Zusammenleben der Menschen in der bürgerlichen Gesellschaft beruht: einen klaren Beweis hierfür liefern sowohl die (menschliche) Sprache, welche in höchster Weise ein gesellschaftsbildendes Prinzip ist, als auch so viele angeborene Bestrebungen der Seele und des Lebens; und so vielfache und höchst wichtige Dinge, welche die Menschen als Vereinzelte nicht erlangen können, die sie aber in Verbindung und gesellschaftlicher Vereinigung mit anderen erreichen. Eine Gesellschaft kann nun aber nicht entstehen, ja nicht einmal gedacht werden, in der nicht Irgendeiner die Bestrebungen ihrer einzelnen Glieder derart leitet, daß aus Vielen gewissermaßen ein Einziges wird, und der dieselben in rechtmäßiger und geordneter Weise zu dem gemeinschaftlichen Gut und Wohl hin bewegt.

Jede echte Autorität rührt von Gott her

Darum wollte GOTT, daß es in der bürgerlichen Gesellschaft Obere gebe, welche die Menge des Volkes zu regieren haben. - Und auch dies ist von großem Gewicht, daß diejenigen, welche kraft ihrer Autorität das Staatswesen verwalten, die Befugnis haben müssen, die Bürger derart zum Gehorsam zu zwingen, daß für diese der Ungehorsam klarerweise Sünde ist. Kein Mensch aber trägt es in sich oder vermag es aus sich selbst heraus, durch die Fesseln der Herrschaft in solcher Weise den freien Willen der übrigen zu binden. GOTT allein, dem Schöpfer aller Dinge und Gesetzgeber, kommt diese Macht und Gewalt zu: wer sie darum ausübt, kann sie notwendigerweise nur als eine ihm von GOTT gegebene ausüben. Einer ist der Gesetzgeber und der Richter, der die Macht hat, zu verderben und freizusprechen . Das gleiche läßt sich bezüglich jeder Art von Macht und Gewalt erkennen. Daß diejenige, welche den Priestern innewohnt, von GOTT ausgeht: das ist so bekannt, daß dieselben bei allen Völkern als Diener GOTTES gelten und so genannt werden. Ebenso ist in der Macht und Gewalt der Familienväter wahrhaft ein eindrucksvolles Bild der Beschaffenheit derjenigen Autorität bewahrt, welche in GOTT ist, von dem jede Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen hat . So haben auf diese Weise die verschiedenen Arten von Macht und Gewalt wunderbare Ähnlichkeiten untereinander: da ja, was es, in welchen Belangen immer, an Oberherrschaft und Autorität gibt, seinen Ursprung von ein und demselben Schöpfer und Herrn der Welt, also von GOTT, herleitet.

Irrige Lehren über Staat und Gesellschaft

Die irrige Lehre vom „Contrat social“

Jene Leute, welche die bürgerliche Gesellschaft von einem einhelligen Beschluß der Menschen ausgehen lassen und in ihr selbst den Ursprung der Herrschergewalt erblicken wollen, sie nehmen an: ein jeder habe etwas von seinem Recht abgetreten; und so hätten sich die Einzelmenschen freiwillig unter die Herrschaft dessen begeben, dem die Gesamtheit jener Rechte zuteil geworden. Es ist jedoch ein großer Irrtum, die offenkundige Tatsache nicht zu erkennen, daß die Menschen in ihrer Gesamtheit nicht vereinzelt umherschweifen, sondern vor jeder freien Entscheidung ihres Willens ihrem Wesen nach zur Gemeinschaft geboren sind; auch ist jener „Vertrag“ , von dem sie reden, offenbar ganz willkürlich erfunden und erdichtet, und er ist nicht dazu geeignet, der staatlichen Macht und Gewalt so viel Kraft, Würde und Festigkeit zu gewähren, als es der Schutz des Gemeinwesens und der allgemeine Nutzen der Bürger erforderlich macht. Es wird die Obergewalt nur allein dann eine solche sittliche Würde und diese vielseitigen Schutz- und Hilfsmittel haben, wenn deren Herrühren von GOTT als dem erhabensten und heiligsten Ursprung erkannt wird.

Teilhabe der Obrigkeiten an Gottes höchster Gewalt; daraus sich ergebende Folgerungen

So ist diese Anschauung vom Ursprung der staatlichen Gewalt nicht nur mehr der Vernunft entsprechend, sondern auch vom größten möglichen Nutzen. Denn wenn Macht und Gewalt der Staatenlenker wahrhaft ein Teilnehmen ist an der Gewalt GOTTES: dann empfängt sie eben deswegen unaufhörlich eine übermenschliche Würde - und zwar nicht jene gottlose und durch und durch törichte, wie sie ehemals die heidnischen Kaiser forderten, die nach göttlichen Ehren strebten; sondern eine wahre und echte, von GOTTES Gnaden und als Wohltat von IHM empfangene. Um derentwillen müssen dann die Bürger in Unterordnung stehen und dem Wort der Herrscher gehorsam sein wie GOTT selbst gegenüber: nicht so sehr aus Furcht vor Strafen, als aus Ehrfurcht, eingedenk (der Würde) des (Herrscher-)Amtes; nicht aus Schmeichelei, sondern im sittlichen Bewußtsein von Pflicht und Gehorsam. Hierdurch muß die Herrschergewalt auf ihrer Stufe eine weit gefestigtere Stellung gewinnen. Denn wenn die Bürger die Tragweite dieses Amtes erkennen, dann werden sie notwendigerweise Unredlichkeit und Eigensinn vermeiden, weil man überzeugt sein muß, daß, wer sich der staatlichen Gewalt widersetzt, sich dem göttlichen Willen selbst widersetzt; und wer den Herrschern die Ehre verweigert, sie GOTT selbst verweigert.

In diesen Grundsätzen hat der Apostel Paulus namentlich die Römer unterwiesen. An sie schrieb er bezüglich der Ehrerbietung, welche gegenüber den höchsten Herrschern geübt werden muß; mit solchem Nachdruck und Ernst, daß es scheint, es könne kein Gebot strenger verkündet werden.

Jedermann unterwerfe sich den obrigkeitlichen Gewalten: denn es gibt keine Gewalt, außer von Gott: und die, welche bestehen, sind von Gott angeordnet. Wer sich demnach der Gewalt widersetzt, der widersetzt sich der Anordnung Gottes. Und die sich widersetzen, ziehen sich selbst Verdammnis zu. ... Darum ist es eure Pflicht, untergeordnet zu sein, nicht nur um der Strafe willen, sondern auch um des Gewissens willen .

Und mit ihm stimmt in der gleichen Frage das deutliche Wort des Apostelfürsten Petrus überein:

Seid untertan jeder menschlichen Obrigkeit um Gottes willen ... sei es dem König, welcher der Höchste ist, oder den Statthaltern als denjenigen, welche von ihm abgesandt sind zur Bestrafung der Übeltäter und zum Lob für die Guten, denn so ist es der Wille Gottes .

Dabei ist aber auch stets der Grundsatz festzuhalten: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen

Nur einen Grund gibt es für die Menschen, nicht zu gehorchen: wenn nämlich etwas von ihnen gefordert werden sollte, was mit dem natürlichen oder dem göttlichen Recht offenkundig in Widerspruch steht. Denn alles, wodurch das Gesetz der Weltordnung oder der Wille GOTTES verletzt wird: das zu gebieten oder zu tun ist Gottlosigkeit und Frevel. Sollte daher jemand in eine Lage kommen, daß er sich gezwungen sieht, eines von beiden zu wählen. nämlich entweder die Gebote GOTTES oder die der Herrscher zu verletzen - dann hat er Jesus Christus zu gehorchen, welcher gebietet „dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist ; und nach dem Beispiel der Apostel hat er unerschrocken zu antworten: Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen . Auch ist kein Grund gegeben, diejenigen, welche so handeln, wegen Verweigerung des Gehorsams anzuklagen: denn wenn der Wille der ersten Männer im Staate in Widerspruch steht mit GOTTES Willen und Gesetzen, dann überschreiten diese ihre Machtbefugnis und vernichten die Gerechtigkeit. Und dann kann eben ihre Autorität keine Gültigkeit haben: denn wo keine Gerechtigkeit ist, da ist auch keinerlei Autorität.

Die sich daraus ergebende Pflicht für die Regierenden

Damit aber die Gerechtigkeit in der obrigkeitlichen Gewalt erhalten bleibe, kommt es vor allem darauf an, daß die Lenker der Staaten folgendes erkennen: die die Staatsangelegenheiten betreffende Gewalt ist nicht zum Vorteil irgendeines Einzelnen bestimmt; und die Verwaltung des Staatswesens muß besorgt werden zum Wohl derer, welche ihm anvertraut sind, und nicht jener, denen es anvertraut ist. Möchten sich doch die Herrscher GOTT, den Allerhöchsten und Mächtigsten, von Dem sie ihre Autorität verliehen erhalten, zum Beispiel nehmen, und, indem sie nach Seinem Vorbild das Staatswesen verwalten, ihr Volk leiten in abgewogener Gerechtigkeit und in Pflichttreue: wobei sie mit der väterlichen Strenge, die notwendig ist, die hochachtende Liebe verbinden. Deswegen werden sie durch die Aussprüche der Heiligen Schrift gemahnt, daß auch sie dereinst dem König der Könige und Herrn der Herrschenden Rechenschaft ablegen müssen; daß sie aber, wenn sie ihre Pflicht und Schuldigkeit versäumten, GOTTES Strenge in keiner Weise entfliehen können. Der Allerhöchste wird eure Werke untersuchen und eure Gedanken durchforschen. Denn obgleich ihr Diener seines Reiches wart, habt ihr nicht recht gerichtet. ... Schrecklich und schnell wird er über euch kommen, weil das strengste Gericht über die, welche an der Spitze stehen, ergeht. ... Denn Gott wird niemandes Person ausnehmen, noch irgend jemandes Größe scheuen: weil er den Kleinen und den Großen selbst geschaffen hat und gleichmäßig für alle sorgt. Den Stärkeren aber steht eine stärkere Strafe bevor .

Heilsame Folgen für den staatlichen Bereich

Wo solche Gebote das Staatswesen aufrechterhalten, da ist jeder Beweggrund für Aufstände und alle Willkür hinweggenommen: da sind dann in Hinkunft Ehre und Sicherheit der Herrscher, Ruhe und Heil der Staaten gewahrt. Auch für den Stand der Bürger ist in bester Weise Sorge getragen: ihnen ist es gerade innerhalb des Gehorsams eingeräumt, jene sittliche Würde zu bewahren, welche der erhabenen Natur des Menschen zukommt. Sie gelangen nämlich zur Einsicht, daß es vor GOTTES Gericht weder Knechte gibt, noch Freie; daß Einer der Herr aller ist, reich für alle, die ihn anrufen ; daß sie sich aber darum den Herrschern unterordnen und ihnen Folge leisten, weil diese in gewissem Sinn ein Abbild GOTTES darstellen, dem zu dienen herrschen ist.

Die Kirche als Stütze und Förderin der Staatsordnung

Die Kirche war aber immer bemüht, diese christliche Idee von der staatlichen Gewalt nicht nur den Gewissen einzuprägen, sondern dieselbe auch im öffentlichen Leben der Völker und in deren Sitten zum Ausdruck zu bringen. Solange heidnische Kaiser in der Regierung des Staatswesens saßen, welche - in Aberglauben befangen - von der christlichen Anschauung über das Wesen der obrigkeitlichen Gewalt, so wie Wir es umschrieben haben, durch abergläubische Götterverehrung ausgeschlossen. waren, da suchte die Kirche dieselbe dem Gewissen der Völker langsam einzuflößen: diese aber mußten, zugleich mit dem Empfang der Unterweisung in den christlichen Sitten und Gewohnheiten, wünschen, nach denselben auch ihr Leben einzurichten. Daher pflegten die Seelenhirten die Maßregeln des Apostels Paulus zu wiederholen und mit größter Sorgfalt und Umsicht den Völkern zu gebieten, den Herrschern und Behörden untergeben zu sein, denn Befehl zu gehorchen , ebenso zu GOTT für alle Menschen zu beten, namentlich aber für die Könige und für alle Obrigkeiten, denn dieses ist wohlgefällig vor Gott unserem Heiland .

Und tatsächlich haben in dieser Beziehung die ersten Christen die würdigsten Beispiele hinterlassen: denn obwohl sie von den heidnischen Kaisern auf das Ungerechteste und Grausamste gequält wurden, unterließen sie es doch niemals, sich gehorsam und demütig zu betragen, so daß wahrhaft jene (Kaiser) in der Grausamkeit, diese (die Christen) in der Hingebung zu wetteifern schienen. Eine solche Unterordnung, ein so entschiedener Wille zum Gehorsam war aber zu sehr bekannt, als daß es durch die Verleumdung und Bosheit ihrer Feinde hätte verdunkelt werden können. Darum haben diejenigen, welche öffentlich vor den Kaisern die Verteidigung des Christentums führten, die Ungerechtigkeit der gegen die Christen erlassenen Gesetze hauptsächlich durch die Tatsache bewiesen, daß diese vor aller Augen durch ihr Leben ein Beispiel der Treue zu den Gesetzen gaben. Zu Marcus Aurelius Antoninus und dessen Sohn Lucius Aurelius Commodus sprach Athenagoras vertrauensvoll folgende Worte: Ihr duldet, daß man uns verfolgt, beraubt, verjagt: die wir nichts verbrochen haben, sondern uns vielmehr in höchst ehrerbietiger und gerechter Weise verhalten, sowohl gegen GOTT als auch gegen eure Regierung .

In gleicher Weise spendete Tertullian öffentlich den Christen Lob, weil sie unter allen die besten und zuverlässigsten Freunde des Kaisers seien: Der Christ hat gegen niemand Feindschaft, geschweige gegen den Kaiser: denn er weiß, daß sein GOTT diesen eingesetzt hat; daß er ihm darum notwendig liebe, Ehrerbietung und Hochachtung schuldet, und dessen wie des ganzen Römischen Reiches Heil wünscht . Und er zögerte nicht zu behaupten: es nehme für gewöhnlich die Zahl der Feinde im Reich im selben Verhältnis ab, als die Zahl der Christen zunehme. Wegen der Menge der Christen habt ihr nun weniger Feinde, indem fast an allen Orten beinahe alle Bürger Christen sind . Ein würdiges Zeugnis in diesem Sinne enthält auch der Brief an Diognetus, welcher bestätigt, daß die Christen in jener Zeit die Gewohnheit hatten, nicht allein den Gesetzen zu gehorchen, sondern in allen ihren Obliegenheiten aus freiem Antrieb noch mehr und vollkommener zu handeln, als sie durch die Gesetze dazu genötigt waren. Die Christen gehorchen den angeordneten Rechtsnormen, und sie übertreffen durch ihre Lebensweise die Rechtsnormen.

Die Christen angesichts des Martyriums

Anders freilich war die Sachlage dann, wenn sie durch die Erlässe der Kaiser oder Drohungen der Praetoren zum Abfall vom christlichen Glauben oder in irgendeiner Weise zur Pflichtverletzung den Befehl erhielten. In diesen Bedrängnissen zogen sie es wirklich vor, eher den Menschen zu mißfallen, als, GOTT. Aber selbst unter diesen Umständen waren sie weit davon entfernt. Aufruhr zu stiften oder die kaiserliche Majestät zu verachten. Sie nahmen nur dieses eine auf sich: als Christen sich zu bekennen und den Glauben unter keinen Umständen verändern zu wollen. Im übrigen dachten sie an keinen Widerstand, sondern sie gingen in Frieden und Heiterkeit zur Folter des Henkers, so daß die Größe der Qualen von ihrer Seelengröße übertroffen wurde.

In ähnlicher Weise zeigte sich zu derselben Zeit die Macht der christlichen Sitten und Gewohnheiten im Heer. Denn es gehörte zu einem christlichen Soldaten, höchste Tapferkeit mit der höchsten Bemühung um militärische Disziplin zu verbinden, und seine hervorragende Gesinnung durch unwandelbare Treue gegenüber dem Herrscher zu vollenden. Wunde jedoch irgendein unehrbares Ansinnen an ihn gestellt: etwa GOTTES Gesetze zu verletzen oder gegen schuldlose Jünger Christi das Schwert zu ziehen - dann weigerte er sich zwar, die Befehle auszuführen: jedoch so, daß er lieber den Heeresdienst verlassen und um der Religion willen sterben wollte, als sich durch Aufruhr und Unruhestiftung gegen die staatliche Autorität aufzulehnen.

Das Heilige Römische Reich: Höchste Weihe der staatlichen Herrschaftsordnung

Nachdem aber in der Folgezeit die Staaten christliche Herrscher erhalten hatten, da bezeugte und verkündete die Kirche noch viel nachdrücklicher, welche Heiligkeit dem Wesen der gebietenden Autorität innewohnt: die Folge davon war, daß, sooft die Völker der höchsten Würde gedachten, dieselbe ihnen im Bilde einer wahrhaft heiligen Erhabenheit erschien. Hierdurch wurden sie zu einer höheren Ehrfurcht und Liebe zu ihren Herrschern angetrieben. Und darum hat die Kirche in Weisheit Vorsorge getragen, daß die Könige eine feierliche Weihe empfangen sollten, so wie es im Alten Testament auf GOTTES Geheiß hin bestimmt war. Als aber die bürgerliche Gesellschaft der Menschen sich gleichsam aus den Ruinen des Römischen Reiches erhob und zur Hoffnung christlicher Größe wiederauflebte: da haben die Römischen Päpste durch die Einrichtung des Heiligen (Römischen) Reiches (Sacrum Romanum Imperium) die staatliche Macht auf einzigartige Weise geweiht. Hierdurch gelangte die herrscherliche Gewalt auf ihre erhabenste Rangstufe.

Segen der freundschaftlichen Übereinstimmung von Kirche und Staatsgewalt

Ohne Zweifel würde diese Einrichtung sowohl für die religiöse, als auch für die bürgerliche Gesellschaft jederzeit förderlich und nützlich gewesen sein: wenn die Idee, welche die Kirche mit ihr verband, von Herrschern und Völkern immer geteilt worden wäre.

In der Tat dauerte in den staatlichen Verhältnissen Ruhe und zufriedenes Gedeihen an, so lange die Freundschaft und Übereinstimmung zwischen den beiden Gewalten fortdauerte. Wenn die Völker sich zu Ausschreitungen hinreißen ließen: da war die Kirche nahe, um den Frieden zu vermitteln, indem sie einen jeden an dessen Pflicht erinnerte und die aufstürmenden Leidenschaften teils in Güte, teils durch ihre Autorität in Schranken hielt. Ebenso, wenn die Herrscher in der Regierung sich Fehler zuschulden kommen ließen: da wandte sie selbst sich an die Herrscher, setzte die Rechte, Bedürfnisse und gerechten Wünsche der Völker vor ihnen auseinander, und riet zu einem ausgeglichenen Vorgehen, zu Milde und Güte. Auf diese Weise wurde es oft erreicht, daß die Gefahr von Empörungen und Bürgerkriegen abgewehrt wunde.

Irrtümer des Protestantismus und der Aufklärung

Dagegen haben die von den „Neuerern“ erfundenen Theorien bezüglich der staatlichen Gewalt den Menschen bereits sehr bittere Früchte gebracht, und es ist zu befürchten, daß sie in späteren Zeiten noch das Äußerste an Unglück bringen werden. Denn: das Recht des Gebietens nicht auf GOTT als auf dessen Ursprung zurückbeziehen zu wollen - das ist nichts anderes, als der staatlichen Gewalt ihren schönsten Glanz zu rauben und ihren Lebensnerv zu durchschneiden. Wenn sie sagen, jene (Gewalt) hänge vom Machtspruch der Volksmenge ab: so ist erstens diese Meinung trügerisch; außerdem aber lassen sie die höchste Würde auf einem viel zu schwachen und unbeständigen Fundament ruhen. Denn durch solche Meinungen werden die Regungen der Leidenschaften im Volk gleichsam aufgestachelt, so daß dieses sich um so mehr in Dreistigkeit erhebt, und es wird zum großen Schaden des Staatswohles in seiner blinden Erregung auf dieser abschüssigen Bahn leicht in offene Empörung hinabsinken. In der Tat folgen auf die sogenannte „Reformation“, besonders in Deutschland, dann alsbald Aufstände und höchst verwegene Empörungen, als die Führer und Förderer die geistliche und die weltliche Gewalt durch ihre neuen Theorien von Grund auf bekämpft hatten; und derart wütete der Bürgerkrieg mit Feuer und Schwert, daß fast kein Ort von blutigen Unruhen verschont blieb. Jener Häresie entstammte im vorigen Jahrhundert eine fälschlich so bezeichnete „Philosophie“, sowie das sogenannte „neue Recht“, die Herrschaft des Volkes, und eine kein Maß kennende Zügellosigkeit: in letzterer allein sehen viele das Wesen der Freiheit.

Was auf den Untergang der öffentlichen Ordnung hinzielt

Von da war es nur noch ein Schritt zu den verderblichen Irrtümern des „Kommunismus“, des „Sozialismus“ und des „Nihilismus“, entsetzliche Gefahrenzeichen, und nahezu Untergang der menschlichen Gesellschaft. Und dennoch gibt es nur zu viele, welche bestrebt sind, die Bedrängnis durch derart große Übel immer noch weiter auszubreiten, und die unter dem Vorwand, für das Wohl des Volkes zu arbeiten, bereits in nicht geringem Maß Verderben und Elend hervorgerufen haben. Die Tatsachen, an die Wir hier erinnern, sind weder unbekannt, noch liegen sie sehr weit entfernt von uns.

Wirkungslose Abwehrversuche durch Furcht und Strenge; anstatt dessen: religiöse Pflichttreue

Besonders schlimm ist es aber auch, daß die Herrscher in solchen Gefahren nicht die hinreichend geeigneten Gegenmittel besitzen, um die öffentliche Ordnung wieder herzustellen und die Leidenschaften zum Frieden zu bringen. Sie rüsten sich aus mit dem Gewicht gesetzlicher Bestimmungen; und sie vermeinen, die öffentlichen Unruhestifter durch die Strenge der Strafen in Schranken halten zu sollen. Gewiß mit Fug und Recht. Aber dennoch muß man es ernstlich erwägen, daß Strafen niemals eine derartige Wirksamkeit haben werden, daß sie für sich allein den Staat schützen können.

Denn die Furcht, wie der heilige Thomas (von Aquin) sehr richtig lehrt, ist ein haltloses Fundament. Diejenigen nämlich, welche mittels der Furcht untergeben gehalten werden, erheben sich dann um so heftiger gegen ihre Vorsteher, wenn sie Gelegenheit finden, Straflosigkeit zu erhoffen, je mehr sie gegen ihren Willen bloß durch Furcht gebändigt waren. Und außerdem treibt allzu große Furcht die meisten zur Verzweiflung; in der Verzweiflung aber verirren sie sich verwegen in jegliche Attentate .

Wie begründet dies ist: das hat die Erfahrung uns hinlänglich gelehrt. Darum ist es notwendig, ein höheres und wirksameres Motiv für den Gehorsam heranzuziehen; und es muß die Überzeugung gewonnen werden, daß auch die Strenge der Gesetze fruchtlos bleibt, wenn nicht Pflichttreue die Menschen bestimmt und heilsame Furcht vor GOTT sie bewegt. Dies aber vermag namentlich die Religion, in ihnen zustandezubringen, welche kraft ihres Einflusses die Gedanken durchdringt und die Gesinnungen der Menschen selbst umstimmt: auf daß sie denen, von welchen sie regiert werden, nicht bloß durch Willfährigkeit, sondern auch in gutem Wollen, und in heiliger Liebe (Caritas) anhänglich sind; denn diese ist für jede menschliche Vereinigung die beste Bewahrerin unverletzter Sicherheit.

Die Römischen Päpste im Glaubenskampf gegen „protestantische“ und „aufklärerische“ Staatsirrlehren

Deswegen muß der Schluß gezogen werden, daß die Römischen Päpste ganz besonders auf das öffentliche Wohl bedacht waren, wenn sie immer dafür Sorge trugen, den aufgeblasenen Trotz und Übermut der „Neuerer“ zu brechen, und sehr oft mahnend daran zu erinnern, wie gefährlich diese Leute auch für die bürgerliche Gesellschaft sind. In dieser Beziehung verdient der Ausspruch von Clemens VII. an Ferdinand, König von Böhmen und Ungarn, vergegenwärtigt zu werden:

Bei dieser den Glauben betreffenden Angelegenheit ist auch deine und der übrigen Herrscher Würde und Nutzen mit eingeschlossen: denn der Glaube kann nicht untergraben werden, ohne daß auch zugleich damit eure Herrschaft wankend gemacht wird; dies stellt sich höchst deutlich in einigen dieser Gegenden uns dar .

In gleicher Hinsicht leuchtet die höchste Voraussicht und Unerschrockenheit Unserer Vorgänger hervor: besonders die eines Clemens XII., Benedictus XIV und Leo XII., welche, als in der Folgezeit immer mehr das Verderben dieser verworfenen Lehren um sich griff und die Sekten sich immer dreister erhoben, ihre Autorität dagegenstellten und ihnen so den Zugang zu versperren bemüht waren.

Wir selbst haben mehr als einmal auf die Größe der bevorstehenden Gefahren hingewiesen und zugleich die beste Methode zu deren Abwendung angegeben. Den Herrschern und den übrigen Lenkern der öffentlichen Angelegenheiten haben Wir den Schutz und die Hilfe der Religion dargeboten; und Wir haben die Völker ermahnt, reichlich aus der Fülle der höchsten Güter zu schöpfen, welche die Kirche ihnen gibt. Es handelt sich für Uns jetzt darum, daß die Herrscher eben diesen Schutz und diese Hilfe, welche nichts anderes an Stärke übertrifft und die ihnen von neuem dargeboten wird, erkennen möchten: und Wir ermahnen sie nachdrücklich im HERRN, die Religion zu schützen und, was auch im Staatsinteresse liegt, der Kirche den Genuß jener Freiheit zu gestatten, welcher sie nur mit Unrecht und zum Verderben der öffentlichen Ordnung beraubt werden kann.

Nochmals: die heilvolle Bedeutung der Kirche

Fürwahr: die Kirche Christi kann weder den Herrschern verdächtig, noch den Völkern hassenswert sein! Denn die Herrscher ermahnt sie, Gerechtigkeit zu üben und in keiner Beziehung von ihrer Pflicht abzuweichen; zugleich aber fördert sie auch deren Autorität und stärkt sie auf vielfache Weise. Was zum Bereich des Staatswesens gehört: das ist - so erkennt und erklärt sie - deren Herrschaft und höchsten obrigkeitlicher. Gewalt unterstellt. Was, von verschiedenen Ursachen her, der geistlichen und der weltlichen Gewalt angehört: diesbezüglich will die Kirche, daß ein gegenseitiger Einklang entsteht, vermittels dessen für beide Gewalten verderbliche Streitigkeiten vermieden werden. Was die Völker betrifft, so ist die Kirche für das Heil sämtlicher Menschen bestimmt, und sie hat diese immer wie eine Mutter geliebt. Die Kirche ist es ja, welche unter Anleitung durch die heilige Liebe den Gesinnungen die Milde, den Sitten die Menschlichkeit, den Gesetzen die Mäßigung schenkte: einer sittlich guten Freiheit niemals abgeneigt, pflegte sie tyrannische Zwangsherrschaft immer zu verabscheuen. Diese der Kirche eigene gute und würdige Handlungsweise hat mit wenigen Worten der heilige Augustinus sehr klar ausgesprochen: (Die Kirche) lehrt die Könige, Sorge zu tragen für die Völker; und alle Völker, sich den Königen zu :unterwerfen: indem sie zeigt, daß nicht alles für alle ist; und daß allen Liebe und niemandem Unrecht geschuldet wird .

Die Aufgabe der Bischöfe

Aus diesen Gründen, Ehrwürdige Brüder, wird Eure Bemühung höchst nützlich und gewiß für künftige Zeiten segensvoll sein, wenn Ihr Euren Eifer und alle durch GOTTES Gnade in Eurer Macht stehenden Mittel mit Uns darauf verwendet, um die der menschlichen Gesellschaft drohenden Gefahren und Schäden abzuwehren. Traget eifrig Sorge und trefft Vorkehrungen, daß die Vorschriften der katholischen Kirche über die Regierungsgewalt im Staat und über die Pflicht des Gehorsams von den Menschen sowohl genau erkannt, als auch in deren Lebensführung gewissenhaft befolgt werden. Durch Euch als Vorbilder und als Lehrer mögen häufig die Völker ermahnt werden, verbotenen Lehren und Parteien aus dem Wege zu gehen, Verschwörungen zu verabscheuen und keinerlei Aufruhr in Gang zu bringen: möchten doch die Völker einsehen, daß der Gehorsam, den sie den Herrschenden im Hinblick auf GOTT leisten, eine vernunftgemäße Unterordnung, ein hochgesinnter Gehorsam ist.

Inständiges Gebet zu Gott. Abschließender apostolischer Segen

Da es aber GOTT ist, welcher den Königen Heil verleiht , und den Völkern gestattet, Beruhigung zu finden in der Schönheit des Friedens, in sicheren Wohnstätten, in reich gesegneter Ruhe , so ist es notwendig, IHN im Gebete inständig zu bitten, daß ER die Sinnesart aller zum sittlich Guten und zur Wahrheit hinwenden, Zorn und Erbitterung beschwichtigen, und den langersehnten Frieden und die Ruhe auf dem Erdkreis wiederherstellen möge.

Damit aber die Hoffnung auf Gewährung um so sicherer sei, wollen Wir um deren Fürbitte und um deren heilsamen Schutz anflehen: Maria, die Jungfrau und erhabene Gottesgebärerin, die Hilfe der Christen, den Hort des Menschengeschlechtes; den heiligen Joseph, ihren allerreinsten Bräutigam, auf dessen väterlichen Beistand die gesamte Kirche fest vertraut; die Apostelfürsten Petrus und Paulus, die Beschützer und Bürgen des christlichen Namens.

Unterdessen erteilen Wir Euch allen, Ehrwürdige Brüder, dem Klerus und dem Volke, anvertraut Eurer Obhut, als Vorboten himmlischer Gnaden sehr liebevoll im HERRN den Apostolischen Segen.

Gegeben zu Rom, beim Heiligen Petrus, am 29. Juni des Jahres 1881, dem vierten Jahre Unseres Pontifikates.

Papst Leo XIII.