Ecclesia de eucharistia (Wortlaut)

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Enzyklika
Ecclesia de eucharistia

unseres Heiligen Vaters
Johannes Paul II.
An die Bischöfe, an die Priester und Diakone, an die gottgeweihten Personen und an alle Christgläubigen
über die Eucharistie in ihrer Beziehung zur Kirche
17. April 2003
(Offizieller lateinischer Text: AAS 95 [2003/7] 433-475)

(Quelle: Deutsche Fassung auf der Vatikanseite)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


EINLEITUNG

1 Die Kirche lebt von der Eucharistie. Diese Wahrheit drückt nicht nur eine alltägliche Glaubenserfahrung aus, sondern enthält zusammenfassend den Kern des Mysteriums der Kirche. Mit Freude erfährt sie auf vielfältige Weise die beständige Erfüllung der Verheißung: "Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt" (Mt 28, 20); indessen erfreut sie sich der Gegenwart des Herrn in einzigartiger Dichte in der heiligen Eucharistie durch die Verwandlung des Brotes und des Weines in den Leib und das Blut Christi. Seitdem die Kirche, das Volk des Neuen Bundes, am Pfingsttag ihren Pilgerweg zur himmlischen Heimat begonnen hat, prägt das Allerheiligste Sakrament unaufhörlich ihre Tage und erfüllt sie mit vertrauensvoller Hoffnung.

Mit Recht hat das Zweite Vatikanische Konzil gelehrt, dass das eucharistische Opfer "Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens"<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 11.</ref> ist. "Die Heiligste Eucharistie enthält ja das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle, Christus selbst, unser Osterlamm und das lebendige Brot. Durch sein Fleisch, das durch den Heiligen Geist lebt und Leben schafft, spendet er den Menschen das Leben".<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis, 5.</ref> Deshalb ist der Blick der Kirche fortwährend auf den im Sakrament des Altares gegenwärtigen Herrn gerichtet, in welchem sie den vollen Ausdruck seiner unendlichen Liebe entdeckt.

2 Während des Großen Jubiläums des Jahres 2000 durfte ich die Eucharistie im Abendmahlssaal zu Jerusalem feiern; da, wo sie gemäß der Überlieferung zum erstenmal von Christus selbst vollzogen wurde. Der Abendmahlssaal ist der Ort der Einsetzung diesen heiligsten Sakramentes. Dort nahm Christus das Brot in seine Hände, brach es und gab es seinen Jüngern mit den Worten: "Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird" (vgl. Mt 26, 26; Lk 22, 19; 1 Kor 11, 24). Dann nahm er den Kelch mit Wein in seine Hände und sagte zu ihnen: "Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden" (vgl. Mk 14, 24; Lk 22, 20; 1 Kor 11, 25). Ich bin dem Herrn Jesus dankbar, dass ich an eben diesem Ort seinem Auftrag gehorchend dies wiederholen durfte: "Tut dies zu meinem Gedächtnis" (Lk 22, 19), jene Worte, die er vor 2000 Jahren ausgesprochen hat.

Haben die am Letzten Abendmahl teilnehmenden Apostel den Sinn jener Worte verstanden, die aus dem Munde Christi kamen? Vielleicht nicht. Diese Worte sollten sich erst am Ende des Triduum sacrum ganz klären, d.h. jenes Zeitraums vom Donnerstagabend bis zum Sonntagmorgen. In diese Tage ist das mysterium paschale eingeschrieben, ebenso das mysterium eucharisticum.

3 Aus dem Ostermysterium geht die Kirche hervor. Genau deshalb steht die Eucharistie als Sakrament des Ostergeheimnisses par excellence im Mittelpunkt des kirchlichen Lebens. Das sieht man bereits an den ersten Bildern der Kirche, die uns die Apostelgeschichte bietet: "Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten" (Apg 2, 42). Im "Brechen des Brotes" ist die Eucharistie angesprochen. Nach zweitausend Jahren fahren wir noch immer fort, dieses ursprüngliche Bild der Kirche zu vollziehen. Und während wir das in der Eucharistiefeier tun, richten sich die Augen der Seele auf das österliche Triduum: auf das, was sich während des Abschiedsmahls am Abend des Gründonnerstags ereignete, und darauf, was danach geschah. Die Einsetzung der Eucharistie nimmt in der Tat auf sakramentale Weise die Ereignisse vorweg, die sich, beginnend mit der Todesangst von Gethsemane, kurz darauf ereignen sollten. Wiederum sehen wir Christus, wie er den Abendmahlssaal verlässt, um mit seinen Jüngern den Bach Kedron zu überqueren und zum Garten am Ölberg zu gelangen. In diesem Garten sind noch heute einige uralte Olivenbäume. Vielleicht waren sie Zeugen all dessen, was sich an jenem Abend in ihrem Schatten zugetragen hat, als Christus im Gebet Todesangst überfiel und sein Schweiß wie Blut zur Erde tropfte (vgl. Lk 22, 44). Das Blut, das er kurz zuvor der Kirche als Trank des Heiles im Sakrament der Eucharistie hinterlassen hatte, begann vergossen zu werden. Bald sollte sich das Vergießen seines Blutes auf Golgotha vollenden, um so das Werkzeug unserer Erlösung zu werden: "Christus [...] ist gekommen als Hoherpriester der künftigen Güter; [...] er ist ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen, nicht mit dem Blut von Böcken und jungen Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut, und so hat er eine ewige Erlösung bewirkt" (Hebr 9, 11-12).

4 Die Stunde unserer Erlösung. Obgleich hart geprüft, flieht Christus nicht vor seiner ,,Stunde": "Was soll ich sagen: Vater, rette mich aus dieser Stunde? Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen!" (Joh 12, 27). Er sehnt sich danach, dass die Jünger bei ihm bleiben, jedoch muss er Einsamkeit und Verlassenheit erfahren: "Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet" (Mt 26, 40-41). Nur Johannes wird mit Maria und den frommen Frauen unter dem Kreuz bleiben. Die Todesangst in Gethsemane hat die Todesangst des Kreuzes am Karfreitag eingeleitet. Die heilige Stunde, die Stunde der Erlösung der Welt. Wenn die Eucharistie am Grab Jesu in Jerusalem gefeiert wird, kehrt man beinahe greifbar zu seiner ,Stunde' zurück, der Stunde des Kreuzes und der Verherrlichung. An diesen Ort und in diese Stunde versetzt sich in spiritueller Weise jeder Priester, der die heilige Messe feiert, gemeinsam mit der christlichen Gemeinde, die daran teilnimmt.

"Gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten" . Die Worte des Glaubensbekenntnisses hallen wieder in den Worten der Betrachtung und der Verkündigung: "Ecce lignum crucis in quo salus mundi pependit. Venite adoremus". Diese Einladung richtet die Kirche in der Nachmittagsstunde des Karfreitags an alle Menschen. Sie nimmt ihren Gesang während der Osterzeit wieder auf, um zu verkünden: "Surrexit Dominus de sepulcro qui pro nobis pependit in ligno. Alleluia" .

5 "Mysterium fidei! – Geheimnis des Glaubens!" . Auf diese vom Priester gesprochenen oder gesungenen Worte antworten die Mitfeiernden: "Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit" .

In diesen oder ähnlichen Worten offenbart die Kirche, indem sie Christus im Geheimnis seiner Passion zeigt, auch ihr eigenes Geheimnis: Ecclesia de Eucharistia. Bevor die Kirche mit der pfingstlichen Gabe des Heiligen Geistes ans Licht tritt und sich auf den Weg in die Welt macht, ist ein entscheidender Moment ihrer Formung sicherlich die Einsetzung der Eucharistie im Abendmahlssaal. Ihr Fundament und ihre Quelle ist das gesamte Triduum paschale. Dieses aber ist in der eucharistischen Gabe gleichsam gesammelt, vorweggenommen und für immer "konzentriert" . In dieser Gabe übereignete Christus der Kirche die immerwährende Vergegenwärtigung des Ostermysteriums. Mit ihr stiftete er eine geheimnisvolle "Gleichzeitigkeit" zwischen jenem Triduum und seinem Lauf durch die Jahrhunderte.

Dieser Gedanke ruft in uns Gefühle großen und dankbaren Staunens hervor. Im Ostergeschehen und in der Eucharistie, die dieses durch die Jahrhunderte hindurch gegenwärtig macht, liegt ein wirklich gewaltiges "Fassungsvermögen" , in dem die ganze Geschichte als Adressat der Erlösungsgnade enthalten ist. Dieses Staunen muss stets die in der Feier der Eucharistie versammelte Kirche ergreifen. In besonderer Weise jedoch muss es den Spender der Eucharistie begleiten. In der Tat ist er es, dem es dank der ihm verliehenen Vollmacht im Sakrament der Priesterweihe zukommt, die Konsekration zu vollziehen. Ihm ist es vorbehalten, mit der Vollmacht, die ihm von Christus aus dem Abendmahlssaal zuteil wird, zu sprechen: "Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird... Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch vergossen wird..." . Der Priester spricht diese Worte aus oder besser er stellt seinen Mund und seine Stimme Jenem zur Verfügung, der diese Worte im Abendmahlssaal gesprochen hat, und der gewollt hat, dass sie von Generation zu Generation von all denen wiederholt werden, die in der Kirche durch die Weihe an seinem Priestertum teilhaben.

6 Dieses "Staunen" über die Eucharistie wünsche ich mit der vorliegenden Enzyklika wiederzuerwecken, in Fortsetzung jenes Erbes des Jubiläums, das ich der Kirche mit dem Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte und mit seiner marianischen Krönung Rosarium virginis mariae übereignen wollte. Das Antlitz Christi zu betrachten und es mit Maria zu betrachten, ist das "Programm" , auf das ich die Kirche in der Morgenröte des Dritten Jahrtausends hingewiesen habe, indem ich sie einlade, mit Enthusiasmus für die Neuevangelisierung auf das Meer der Geschichte hinauszufahren. Christus zu betrachten bedeutet, ihn erkennen zu können, wo immer er sich zeigt, in den vielfältigen Formen seiner Gegenwart, vor allem aber im lebendigen Sakrament seines Leibes und seines Blutes. Die Kirche lebt vom eucharistischen Christus. Von ihm wird sie genährt, von ihm wird sie erleuchtet. Die Eucharistie ist Geheimnis des Glaubens und zugleich "Geheimnis des Lichtes" .<ref>Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Rosarium virginis mariae (16. Oktober 2002), 21.</ref> Jedes Mal, wenn die Kirche sie feiert, können die Gläubigen in gewisser Weise die Erfahrung der beiden Emmausjünger erleben: "Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn" (Lk 24, 31).

7 Seit Beginn meines Dienstes als Nachfolger Petri habe ich dem Gründonnerstag, dem Tag der Eucharistie und des Priestertums, mit meinem Brief an alle Priester der Welt stets ein Zeichen besonderer Aufmerksamkeit vorbehalten. In diesem Jahr, dem fünfundzwanzigsten meines Pontifikates, möchte ich die gesamte Kirche in noch umfassenderer Weise an dieser eucharistischen Betrachtung beteiligen. Dabei möchte ich dem Herrn auch für das Geschenk der Eucharistie und des Priestertums danken: "Geschenk und Geheimnis" .<ref>Das ist der Titel, den ich einem autobiographischen Zeugnis aus Anlass meines fünfzigjährigen Priesterjubiläums geben wollte.</ref> In der Ausrufung des Rosenkranzjahres wollte ich eben dieses fünfundzwanzigste Jahr meines Pontifikates unter das Zeichen der Betrachtung Christi in der Schule Mariens stellen. Von daher möchte ich diesen Gründonnerstag 2003 nicht verstreichen lassen, ohne vor dem "eucharistischen Antlitz" Christi zu verharren und mit neuer Kraft die Kirche auf die zentrale Bedeutung der Eucharistie hinzuweisen. Aus ihr lebt die Kirche. Von diesem "lebendigen Brot" nährt sie sich. Wie sollte man da nicht das Bedürfnis spüren, alle aufzufordern, diese Erfahrung stets aufs Neue zu machen?

8 Wenn ich an die Eucharistie denke und dabei auf mein Leben als Priester, Bischof und Nachfolger Petri blicke, erinnere ich mich spontan an die vielen Momente und an die Orte, an denen es mir gegeben war, sie zu feiern. Ich erinnere mich an die Pfarrkirche von Niegowic, wo ich meine erste pastorale Aufgabe hatte, an die Kollegiatskirche St. Florian in Krakau, an die Kathedrale auf dem Wawel, die Peterskirche und die vielen Basiliken und Kirchen Roms und in der ganzen Welt. Ich konnte die heilige Messe in Kapellen an Gebirgspfaden zelebrieren, an Seeufern, an Meeresküsten; ich habe sie an Altären gefeiert, die in Stadien errichtet waren, auf den Plätzen der Städte... Diese so vielfältige Szenerie meiner Eucharistiefeiern lässt mich deutlich ihren universalen und sozusagen kosmischen Charakter erfahren. Ja, kosmisch! Denn auch dann, wenn man sie auf dem kleinen Altar einer Dorfkirche feiert, wird die Eucharistie immer, in einem gewissen Sinne, auf dem Altar der Welt zelebriert. Sie verbindet Himmel und Erde. Sie umfasst und erfüllt alles Geschaffene. Der Sohn Gottes ist Mensch geworden, um dem, der alles aus dem Nichts geschaffen hat, alles Geschaffene in einem höchsten Akt des Lobes zurückzuerstatten. Und so erstattet er, der ewige Hohepriester, indem er mittels des Blutes seines Kreuzes in das ewige Heiligtum eintritt, dem Schöpfer und Vater die ganze erlöste Schöpfung zurück. Dies tut er durch das priesterliche Amt in der Kirche zur Ehre der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Wahrhaftig ist dies das mysterium fidei, das sich in der Eucharistie vergegenwärtigt: die Welt, die aus den Händen Gottes des Schöpfers hervorgegangen ist, kehrt zu ihm als eine durch Christus erlöste zurück.

9 Die Eucharistie, heilbringende Gegenwart Jesu in der Gemeinschaft der Gläubigen und ihre geistliche Nahrung, ist das allerwertvollste Gut, das die Kirche auf ihrem Pilgerweg durch die Geschichte haben kann. So erklärt sich die sorgsame Aufmerksamkeit, die sie dem eucharistischen Geheimnis stets entgegengebracht hat; eine Aufmerksamkeit, die sich in verbindlicher Form in den Werken der Konzilien und der Päpste zeigt. Wie könnte man nicht die lehramtlichen Darlegungen in den Dekreten über die Heiligste Eucharistie und über das hochheilige Opfer der Messe bewundern, die das Konzil von Trient promulgiert hat? Diese Seiten haben durch die nachfolgenden Jahrhunderte hindurch sowohl die Theologie als auch die Katechese geleitet, und noch immer sind sie dogmatischer Bezugspunkt für die fortwährende Erneuerung und für das Wachstum des Volkes Gottes im Glauben und in der Liebe zur heiligen Eucharistie. Aus uns näheren Zeiten sind drei Enzykliken zu nennen: die Enzyklika Mirae caritatis (28. Mai 1902) <ref>Leonis XIII Acta, XXII ( 1903), 115-136.</ref> von Papst Leo XIII., die Enzyklika Mediator dei (20. November 1947)<ref>AAS 39 (1947), 521-595.</ref> von Pius XII. und die Enzyklika Mysterium fidei (3. September 1965)<ref>AAS 57 (1965), 753-774.</ref> von Papst Paul VI.

Das Zweite Vatikanische Konzil, obgleich es kein spezifisches Dokument über das eucharistische Geheimnis herausgebracht hat, erhellt dessen verschiedene Aspekte jedenfalls in der inneren Abfolge seiner Dokumente, in besonderer Weise in der dogmatischen Konstitution Lumen gentium und in der Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium.

Ich selbst habe in den ersten Jahren meines apostolischen Dienstes auf dem Lehrstuhl Petri mit dem Apostolischen Schreiben Dominicae cenae (24. Februar 1980)<ref>AAS 72 (1980), 113-148.</ref> einige Aspekte des eucharistischen Geheimnisses und seines Einflusses im Leben derer, die seine Ausspender sind, behandelt. Heute nehme ich den Faden dieser Erörterung mit einem von Ergriffenheit und Dankbarkeit noch mehr erfüllten Herzen wieder auf, indem ich gleichsam die Worte des Psalmisten widerhallen lasse: "Wie kann ich dem Herrn all das vergelten, was er mir Gutes getan hat. Ich will den Kelch des Heils erheben und anrufen den Namen des Herrn" (Ps 116, 12-13).

10 Dieser Verkündigungsdienst seitens des Lehramtes hat im inneren Wachstum der christlichen Gemeinschaft seine Antwort gefunden. Ohne Zweifel war die Liturgiereform des Konzils von großem Gewinn für eine bewusstere, aktivere und fruchtbarere Teilnahme der Gläubigen am heiligen Opfer des Altares. Des weiteren findet die Anbetung des Allerheiligsten Sakramentes an vielen Orten einen weiten Raum im täglichen Leben und wird so zur unerschöpflichen Quelle der Heiligkeit. Die andächtige Teilnahme der Gläubigen an der eucharistischen Prozession des Fronleichnamfestes ist eine Gnade des Herrn, die jedes Jahr diejenigen mit Freude erfüllt, die an ihr teilnehmen. Man könnte noch andere positive Zeichen des Glaubens und der Liebe zur Eucharistie erwähnen.

Leider fehlt neben diesem Licht nicht der Schatten. In der Tat gibt es Orte, an denen eine beinahe völlige Vernachlässigung des Kultes der eucharistischen Anbetung feststellbar ist. Überdies gibt es in dem einen oder anderen Bereich der Kirche Missbräuche, die dazu beitragen, den rechten Glauben und die katholische Lehre über dieses wunderbare Sakrament zu verdunkeln. Zuweilen kommt ein sehr bedeutungsminderndes Verständnis der Eucharistie zum Vorschein. Einmal seines Opfercharakters beraubt, wird das eucharistische Geheimnis so vollzogen, als ob es nicht den Sinn und den Wert eines Treffens zum brüderlichen Mahl übersteigen würde. Darüber hinaus ist gelegentlich die Notwendigkeit des Amtspriestertums, das in der apostolischen Sukzession gründet, verdunkelt, und die Sakramentalität der Eucharistie wird allein auf die Wirksamkeit in der Verkündigung reduziert. Von da her frönen hier und da ökumenische Initiativen, obgleich edel in ihren Intentionen, eucharistischen Praktiken, welche der Disziplin, mit der die Kirche ihren Glauben ausdrückt, widersprechen. Wie sollte man nicht über all dies tiefen Schmerz zum Ausdruck bringen? Die Eucharistie ist ein zu großes Gut, um Zweideutigkeiten und Minimalisierungen zu dulden.

Ich vertraue darauf, dass diese Enzyklika wirksam dazu beitragen kann, die Schatten inakzeptabler Lehren und Praktiken zu vertreiben, damit die Eucharistie weiterhin erstrahlen möge im ganzen Glanz ihres Geheimnisses.

I. KAPITEL: GEHEIMNIS DES GLAUBENS

11 "Jesus, der Herr, in der Nacht, da er ausgeliefert wurde" (1 Kor 11, 23), hat das eucharistische Opfer seines Leibes und seines Blutes gestiftet. Die Worte des heiligen Apostels Paulus führen uns zu den dramatischen Umständen zurück, in denen die Eucharistie entstanden ist. In sie ist das Ereignis des Leidens und des Todes des Herrn unauslöschlich eingeschrieben. Sie ist nicht nur ein In-Erinnerung-rufen, sondern die sakramentale Wieder-Vergegenwärtigung dieses Geschehens. Sie ist das Kreuzesopfer, das durch die Jahrhunderte fortdauert.<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Liturgiekonstitution Sacrosanctum concilium, 47: Salvator noster [...] Sacrificium Eucharisticum Corporis et Sanguinis sui instituit, quo Sacrificium Crucis saecula, donec veniret, perpetuaret.</ref> Gut drücken die Worte, mit denen das gläubige Volk im lateinischen Ritus auf den Ruf des Priesters "Geheimnis des Glaubens" antwortet, diese Wahrheit aus: "Deinen Tod, o Herr, verkünden wir!" .

Die Kirche hat die Eucharistie von Christus, ihrem Herrn, nicht als irgendeine Gabe erhalten, kostbar unter vielen anderen, sondern als die Gabe schlechthin, da es die Gabe seiner selbst ist, seiner Person in seiner heiligen Menschheit, und auch seines Erlösungswerkes. Dieses beschränkt sich nicht auf die Vergangenheit, denn "alles, was Christus ist, und alles, was er für alle Menschen getan und gelitten hat, nimmt an der Ewigkeit Gottes teil, steht somit über allen Zeiten und wird ihnen gegenwärtig" .<ref>Katechismus der Katholischen Kirche, 1085.</ref>

Wenn die Kirche die heilige Eucharistie, das Gedenken des Todes und der Auferstehung ihres Herrn, feiert, wird dieses zentrale Geheimnis des Heils wirklich gegenwärtig gesetzt und es "vollzieht sich das Werk unserer Erlösung" .<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 3.</ref> Dieses Opfer ist für die Erlösung des Menschengeschlechtes so entscheidend, dass Jesus Christus es erfüllt hat und erst dann zum Vater zurückgekehrt ist, nachdem er uns das Mittel hinterlassen hat, daran teilzunehmen, als ob wir dabei anwesend gewesen wären. Jeder Gläubige kann so daran teilhaben und daraus in unerschöpflichem Maße die Früchte erlangen. Das ist der Glaube, aus dem die christlichen Generationen im Laufe der Jahrhunderte gelebt haben. Diesen Glauben hat das Lehramt der Kirche unaufhörlich mit freudiger Dankbarkeit für das unschätzbare Geschenk bekräftigt.<ref>Vgl. Paul VI., Das Credo des Gottesvolkes (30. Juni 1968), 24: AAS 60 (1968) 442; Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Dominicae cenae (24. Februar 1980), 12: AAS 72 (1980), 142.</ref> Ich möchte noch einmal an diese Wahrheit erinnern und mich mit euch, meine vielgeliebten Brüder und Schwestern, in Anbetung vor dieses Geheimnis begeben: das große Geheimnis, das Geheimnis der Barmherzigkeit. Was hätte Jesus noch mehr für uns tun können? Wahrhaftig, in der Eucharistie zeigt er uns eine Liebe, die bis "zur Vollendung" (vgl. Joh 13, 1) geht, eine Liebe, die kein Maß kennt.

12 Dieser Aspekt universaler Liebe des eucharistischen Sakramentes gründet in den Worten des Heilands selbst. Als er es einsetzte, beschränkte er sich nicht darauf zu sagen "Das ist mein Leib" , "Das ist mein Blut" , sondern fügte hinzu "hingegeben für euch... vergossen für euch" (Lk 22, 19-20). Er bestätigte nicht nur, dass das, was er ihnen zum Essen und zum Trinken gab, sein Leib und sein Blut war, sondern er drückte darüber hinaus den Opfercharakter aus und lässt damit sein Opfer, das einige Stunden später am Kreuz für das Heil aller dargebracht werden sollte, auf sakramentale Weise gegenwärtig werden. "Die Messe ist zugleich und untrennbar das Opfergedächtnis, in welchem das Kreuzesopfer für immer fortlebt, und das heilige Mahl der Kommunion mit dem Leib und dem Blut des Herrn".<ref>Katechismus der Katholischen Kirche, 1382</ref> Die Kirche lebt unaufhörlich vom Erlösungsopfer, und ihm nähert sie sich nicht durch ein glaubensvolles Gedenken, sondern auch in einem aktuellen Kontakt, denn dieses Opfer kehrt als gegenwärtiges wieder. Es dauert auf sakramentale Weise in jeder Gemeinschaft fort, die es durch die Hände des geweihten Priesters darbringt. Auf diese Weise wendet die Eucharistie den Menschen von heute jene Versöhnung zu, die Christus ein für alle Mal der Menschheit zu jeder Zeit erlangt hat. In der Tat: "Das Opfer Christi und das Opfer der Eucharistie sind ein einziges Opfer" .<ref>Katechismus der Katholischen Kirche, 1367</ref> Das sagte wirkungsvoll bereits der heilige Johannes Chrysostomus: "Wir opfern immer das gleiche Lamm, und nicht heute das eine und morgen ein anderes, sondern immer dasselbe. Aus diesem Grund ist das Opfer immer nur eines. [...] Auch heute bringen wir jenes Opferlamm dar, das damals geopfert worden ist und das sich niemals verzehren wird" .<ref>Heiliger Johannes Chrysostomus, In Epistolam ad Hebraeos homiliae, 17, 3: PG 63, 131.</ref> Die Messe macht das Opfer des Kreuzes gegenwärtig, sie fügt ihm nichts hinzu und vervielfältigt es auch nicht.<ref> "Denn die Opfergabe ist ein und dieselbe; derselbe, der sich damals am Kreuze opferte, opfert sich jetzt durch den Dienst des Priesters; allein die Weise des Opferns ist verschieden" : Konzil von Trient, Sess. XIII XXII, Doctrina de ss. Missae sacrificio, cap. 2: DH 1743.</ref> Das, was sich wiederholt, ist die gedenkende Feier, seine "gedenkende Darstellung" (memorialis demonstratio),<ref>Vgl. Pius XII., Enzyklika Mediator dei (20. November 1947): AAS 39 (1947), 548.</ref> durch die das einzige und endgültige Erlösungsopfer Christi in der Zeit gegenwärtig wird. Die Natur des Opfers des eucharistischen Geheimnisses kann deswegen nicht als etwas in sich selbst Stehendes verstanden werden, unabhängig vom Kreuz oder nur mit einem indirekten Bezug zum Opfer von Golgotha.

13 Kraft ihrer innigen Beziehung mit dem Opfer von Golgotha, ist die Eucharistie Opfer im eigentlichen Sinne, und nicht nur in einem allgemeinen Sinne, als ob es sich um ein bloßes Sichhingeben Christi als geistliche Speise an die Gläubigen handelte. Das Geschenk seiner Liebe und seines Gehorsams bis zur Vollendung des Lebens (vgl. Joh 10, 17-18) ist in erster Linie eine Gabe an seinen Vater. Natürlich ist es Gabe zu unserem Wohle, ja für die ganze Menschheit (vgl. Mt 26, 28; Mk 14, 24; Lk 22, 20; Joh 10, 15), aber dennoch vor allem Gabe an den Vater: "ein Opfer, das der Vater angenommen hat, indem er für die Ganzhingabe seines Sohnes, der ,gehorsam wurde bis zum Tod' (Phil 2, 8), die ihm als Vater eigene Gabe zurückschenkte, d.h. ein neues, ewiges Leben in der Auferstehung" .<ref>Johannes Paul II, Enzyklika Redemptor hominis (15. März 1979), 20: AAS 71 (1979) 310.</ref>

Indem Christus der Kirche sein Opfer geschenkt hat, wollte er sich auch das geistliche Opfer der Kirche zu eigen machen, die berufen ist, mit dem Opfer Christi auch sich selbst darzubringen. Das lehrt uns das Zweite Vatikanische Konzil mit Bezug auf alle Gläubigen: "In der Teilnahme am eucharistischen Opfer, der Quelle und dem Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens, bringen sie das göttliche Opferlamm Gott dar und sich selbst mit ihm" .<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 11.</ref>

14 Das Pascha Christi umfasst mit dem Leiden und dem Tod auch seine Auferstehung. Daran erinnert der Ruf des Volkes nach der Konsekration: "Deine Auferstehung preisen wir" . Tatsächlich lässt das eucharistische Opfer nicht nur das Geheimnis vom Leiden und Tod des Erlösers gegenwärtig werden, sondern auch das Geheimnis der Auferstehung, in der das Opfer seine Krönung findet. Insofern er der Lebende und Auferstandene ist, kann Christus sich in der Eucharistie zum "Brot des Lebens" (Joh 6, 35.48), zum "lebendigen Brot" (Joh 6, 51) machen. Der heilige Ambrosius prägte dies den Neugetauften als Anwendung des Auferstehungsgeschehens für ihr eigenes Leben ein: "Wenn heute Christus dein ist, so steht er für dich jeden Tag von den Toten auf" .<ref>Heiliger Ambrosius, De sacramentis, V, 4, 26: O. Falller (Hrsg.), CSEL 73, 70.</ref> Der heilige Cyrill von Alexandrien unterstreicht einmal, dass die Teilnahme an den heiligen Geheimnissen "ein wahres Bekenntnis und eine wahre Erinnerung sind, dass der Herr gestorben ist und zum Leben zurückgekehrt ist für uns und für unser Wohl" .<ref>Heiliger Cyrill von Alexandrien, In Ioannis Evangelium, XII, 20: PG 74, 726; P.E. Pusey (Hrsg.), III, 145.</ref>

15 Die sakramentale Vergegenwärtigung des Opfers Christi in der heiligen Messe, die gekrönt ist von seiner Auferstehung, beinhaltet eine ganz besondere Gegenwart, die – um die Worte Pauls VI. aufzugreifen – ",wirklich' genannt wird, nicht im ausschließlichen Sinne, als ob die anderen nicht ,wirkliche' wären, sondern hervorhebend, weil sie substantiell ist, denn sie bringt die Gegenwart des ganzen und vollständigen Christus, des Gottmenschen, mit sich" .<ref>Paul VI., Enzyklika Mysterium fidei (3. September 1965): AAS 57 (1965) 764.</ref> Damit wird die immer gültige Lehre des Konzils von Trient wieder vorgelegt: "Durch die Konsekration des Brotes und Weines geschieht eine Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes unseres Herrn, und der ganzen Substanz des Weines in die Substanz seines Blutes. Diese Wandlung wurde von der heiligen katholischen Kirche treffend und im eigentlichen Sinne Wesensverwandlung genannt" .<ref>Konzil von Trient, Sess. XIII, Decretum de ss. Eucharistia, cap. 4: DH 1642.</ref> Wahrhaftig ist die Eucharistie "mysterium fidei" , ein Geheimnis, das unser Denken übersteigt, und das nur im Glauben erfasst werden kann, wie die Katechesen der Kirchenväter bezüglich dieses göttlichen Sakramentes oft in Erinnerung rufen: "Schau nicht – mahnt der heilige Cyrill von Jerusalem – in Brot und Wein die bloßen und natürlichen Elemente an, denn der Herr hat ausdrücklich gesagt, dass sie sein Leib und sein Blut sind: Der Glaube versichert es dir, auch wenn die Sinne dir anderes einreden" .<ref>Heiliger Cyrill von Jerusalem, Mystagogische Katechesen, IV, 6: A. Piédagnel (Hrsg.), SCh 126, 138.</ref> "Adoro te devote, latens Deitas" , fahren wir fort mit dem Doctor Angelicus zu singen. Angesichts dieses Geheimnisses der Liebe, erfährt die menschliche Vernunft ihre ganze Begrenztheit. Man versteht, wie diese Wahrheit im Laufe der Jahrhunderte die Theologie zu leidenschaftlichen Anstrengungen des Begreifenwollens angeregt hat.

Diese Anstrengungen sind löblich, da sie um so nützlicher und durchdringender sind, je mehr sie den kritischen Einsatz des Denkens mit dem "Glaubensleben" der Kirche verbinden, das sich besonders im "sicheren Charisma der Wahrheit" des Lehramtes und im "innerlichen Verständnis geistlicher Wahrheiten" ,<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei verbum, 8.</ref> das vor allem die Heiligen erlangen, findet. Es bleibt die Grenze, auf die Papst Paul VI. hinweist: "Jede theologische Erklärung, die sich um das Verständnis dieses Geheimnisses bemüht, muss, um mit unserem Glauben übereinstimmen zu können, daran festhalten, dass Brot und Wein der Substanz nach, unabhängig von unserem Denken, nach der Konsekration zu bestehen aufgehört haben, so dass nunmehr der anbetungswürdige Leib und das anbetungswürdige Blut unseres Herrn vor uns gegenwärtig sind unter den sakramentalen Gestalten von Brot und Wein" .<ref>Paul VI., Das Credo des Gottesvolkes (30. Juni 1968) 24: AAS 60 (1968) 442-443.</ref>

16 In Fülle verwirklicht sich die heilbringende Wirkung des Opfers, wenn wir in der Kommunion beim Empfang des Leibes und Blutes des Herrn daran teilhaben. Das eucharistische Opfer ist in sich auf die innige Gemeinschaft von uns Gläubigen mit Christus mittels der Kommunion ausgerichtet: Wir empfangen Ihn selbst, der sich für uns geopfert hat, seinen Leib, den er für uns hingegeben hat am Kreuz, sein Blut, das er "vergossen hat für viele zur Vergebung der Sünden" (Mt 26, 28). Erinnern wir uns an seine Worte: "Wie mich der lebendige Vater gesandt hat, und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben" (Joh 6, 57). Es ist Jesus selbst, der uns versichert, dass eine derartige Vereinigung, die von ihm in Analogie zu jener des Lebens der Dreifaltigkeit dargestellt wird, sich wahrhaftig verwirklicht. Die Eucharistie ist ein wahres Mahl, in dem sich Christus als Nahrung darbietet. Als Jesus zum ersten Mal diese Speise verkündet hat, blieben die Zuhörer erstaunt und verwirrt, so dass sich der Meister gezwungen sah, die objektive Wahrheit seiner Worte zu unterstreichen: "Amen, Amen, das sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch" (Joh 6, 53). Es handelt sich nicht um eine metaphorische Nahrung: "Mein Fleisch ist wirklich eine Speise, und mein Blut ist wirklich ein Trank" (Joh 6, 55).

17 Durch die Teilhabe an seinem Leib und an seinem Blut teilt Christus uns auch seinen Geist mit. Der heilige Ephräm schreibt: "Er nannte das Brot seinen lebendigen Leib, er erfüllte es mit sich selbst und mit seinem Geist. [...] Und der, der es mit Glauben isst, isst Feuer und Geist. [...] Nehmt davon, esst alle davon und esst mit ihm den Heiligen Geist. In der Tat ist es wirklich mein Leib und der, der ihn isst, wird ewig leben" .<ref>Heiliger Ephräm, Sermo IV in Hebdomadam Sanctam: E. Beck (Hrsg.), CSCO 413 / Syr. 182, 55.</ref> Die Kirche erbittet diese göttliche Gabe, Wurzel jeder anderen Gabe, in der eucharistischen Epiklese: "Wir rufen dich an, wir bitten dich und wir flehen dich an: Sende deinen Heiligen Geist über uns alle und über diese Gaben. [...] damit alle, die daran teilhaben, Reinigung der Seele, Vergebung der Sünden, Gemeinschaft des Heiligen Geistes erlangen mögen" .<ref>Anaphora.</ref> Und im Römischen Messbuch betet der Zelebrant: "Stärke uns durch den Leib und das Blut deines Sohnes und erfülle uns mit seinem Heiligen Geist, damit wir ein Leib und ein Geist werden in Christus" .<ref>Drittes Eucharistisches Hochgebet.</ref> So lässt Christus durch die Gabe seines Leibes und seines Blutes in uns die Gabe seines Geistes wachsen, der schon in der Taufe ausgegossen und im Sakrament der Firmung als "Siegel" geschenkt wurde.

18 Die Akklamation des Volkes nach der heiligen Wandlung endet passenderweise mit dem Bekenntnis der eschatologischen Perspektive, die Wesensmerkmal der Eucharistiefeier ist (vgl. 1 Kor 11, 26): "... bis du kommst in Herrlichkeit" . Die Eucharistie bedeutet Spannung auf das Ziel hin, Vorgeschmack der von Christus versprochenen vollkommenen Freude (vgl. Joh 15, 11); in gewisser Weise ist sie Vorwegnahme des Paradieses, "Unterpfand der künftigen Herrlichkeit" .<ref>Breviarium Romanum, Antiphon zum Magnifikat in der 2. Vesper des Fronleichnamsfestes.</ref> Alles in der Eucharistie drückt die vertrauensvolle Erwartung aus, dass "wir voll Zuversicht das Kommen unseres Erlösers Jesus Christus erwarten" .<ref>Missale Romanum, Embolismus nach dem Pater Noster.</ref> Wer sich von Christus in der Eucharistie nährt, muss nicht das Jenseits erwarten, um das ewige Leben zu erlangen: er besitzt es schon auf Erden, als Erstlingsgabe der künftigen Fülle, die sich auf den Menschen in seiner Ganzheit beziehen wird. In der Eucharistie empfangen wir tatsächlich auch die Garantie der leiblichen Auferstehung am Ende der Welt: "Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag" (Joh 6, 54). Diese Garantie der künftigen Auferstehung kommt aus der Tatsache, dass das Fleisch des Menschensohnes, das uns zur Speise gereicht wird, sein Leib im herrlichen Zustand des Auferstandenen ist. Mit der Eucharistie nehmen wir sozusagen das ,Geheimnis' der Auferstehung in uns auf. Deshalb definiert der heilige Ignatius von Antiochien zu Recht das eucharistische Brot als "Medizin der Unsterblichkeit, Gegengift gegen den Tod" .<ref>Heiliger Ignatius von Antiochien, Epistula ad Ephesios, 20, 2: J. A. Fischer (Hrsg.), 160 (PG 5, 661).</ref>

19 Die eschatologische Spannung, welche die Eucharistie wachruft, drückt die Gemeinschaft mit der himmlischen Kirche aus und stärkt sie. Es ist kein Zufall, dass in den orientalischen Anaphoren und in den eucharistischen Hochgebeten des lateinischen Ritus mit Andacht Maria, der allzeit jungfräulichen Mutter unseres Herrn und Gottes Jesus Christus, der Engel, der heiligen Apostel, der ruhmreichen Märtyrer und aller Heiligen gedacht wird. Dies ist ein Aspekt der Eucharistie, der es verdient, hervorgehoben zu werden: Während wir das Opfer des Lammes feiern, vereinen wir uns mit der himmlischen Liturgie und gesellen uns zu jener gewaltigen Schar, die ruft: "Die Rettung kommt von unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und von dem Lamm!" (Offb 7, 10). Die Eucharistie ist wahrhaftig ein Aufbrechen des Himmels, der sich über der Erde öffnet. Sie ist ein Strahl der Herrlichkeit des himmlischen Jerusalems, der die Wolken unserer Geschichte durchdringt und unseren Weg mit seinem Licht bescheint.

20 Eine bedeutungsvolle Konsequenz der eschatologischen Spannung innerhalb der Eucharistie besteht darin, dass sie unserem Weg durch die Geschichte einen Impuls gibt, indem sie in die tägliche Hingabe eines jeden an die Erfüllung der eigenen Pflichten den Samen lebendiger Hoffnung hineinlegt. Wenn die christliche Sichtweise der Dinge tatsächlich dazu führt, auf "den neuen Himmel" und "die neue Erde" zu blicken (vgl. Ap 21, 1), so schwächt dies nicht unseren Verantwortungssinn für die gegenwärtige Welt, sondern regt diesen vielmehr an.<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium et Spes 39.</ref> Es drängt mich, dies mit Nachdruck am Beginn des neuen Jahrtausends zu bekräftigen, damit die Christen sich mehr denn je verpflichtet fühlen, die Aufgaben ihrer irdischen Bürgerschaft nicht zu vernachlässigen. Es ist ihre Aufgabe, mit dem Licht des Evangeliums zum Aufbau einer Welt nach dem Maßstab des Menschen und im vollkommenen Einklang mit dem Plan Gottes beizutragen.

Viele Probleme verdunkeln den Horizont unserer Zeit. Es mag genügen, an die Dringlichkeit zu denken, für den Frieden zu arbeiten, tragfähige Voraussetzungen der Gerechtigkeit und Solidarität in die Beziehungen zwischen den Völkern einzubringen und das menschliche Leben von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende zu verteidigen. Und was soll man von den tausend Widersprüchen einer "globalisierten" Welt halten, in der die Schwächsten, die Kleinsten und die Ärmsten scheinbar wenig zu erhoffen haben? Gerade in dieser Welt muss die christliche Hoffnung aufstrahlen! Auch deshalb wollte der Herr in der Eucharistie bei uns bleiben und hat in seine heilige Gegenwart beim Opfermahl die Zusage einer durch seine Liebe erneuerten Menschheit eingeschrieben. Da, wo die synoptischen Evangelien von der Einsetzung der Eucharistie berichten, bietet das Johannesevangelium bedeutungsvollerweise den Bericht der "Fußwaschung" , in der sich Jesus zum Herrn der Gemeinschaft und des Dienstes macht (vgl. Joh 13, 1-20), um so die tiefe Bedeutung der Einsetzung zu erhellen. Der heilige Apostel Paulus wertet seinerseits die Teilnahme der christlichen Gemeinde am Herrenmahl als ,unwürdig', wenn Spaltungen bestehen und sich die Gemeinde gegenüber den Armen gleichgültig verhält (vgl. 1 Kor 11, 17-22.27-34).<ref>"Willst du den Leib des Herrn ehren? Vernachlässige ihn nicht, wenn er unbekleidet ist. Ehre ihn nicht hier im Heiligtum mit Seidenstoffen, um ihn dann draußen zu vernachlässigen, wo er Kälte und Nacktheit erleidet. Jener, der gesagt hat: "Dies ist mein Leib", ist der gleiche, der gesagt hat: "Ihr habt mich hungrig gesehen und mir nichts zu essen gegeben", und "Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" [...] Was nützt es, wenn der eucharistische Tisch überreich mit goldenen Kelchen bedeckt ist, während er Hunger leidet? Beginne damit, den Hungrigen zu sättigen, dann verziere den Altar mit dem, was übrigbleibt" : Hl. Johannes Chrysostomus, Homilie über das Matthäusevangelium 50, 34: PG 58, 508-509; vgl. Papst Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 31: AAS 80 (1988), 553-556.</ref>

Den Tod des Herrn verkünden, "bis er kommt" (1 Kor 11, 26), bringt für alle Christen, die an der Eucharistie teilnehmen, die Verpflichtung mit sich, das Leben zu ,verwandeln', damit es in gewisser Weise ganz "eucharistisch" werde. Genau diese Frucht der Verwandlung der Existenz und die Verpflichtung, die Welt evangeliumsgemäß umzugestalten, lassen die eschatologische Spannung der Eucharistiefeier und des ganzen christlichen Lebens aufscheinen: "Komm, Herr Jesus!" (Offb 22, 20).

[Fortsetzung folgt]

Anmerkungen

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