Ecclesia in Africa (Wortlaut)

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Nachsynodales Apostolisches Schreiben
Ecclesia in Africa

von Papst Johannes Paul II.
zum Thema „Die Kirche in Afrika und ihr Evangelisierungsauftrag im Hinblick auf das Jahr 2000: ,Seid meine Zeugen‘"
Die I. Sonderversammlung der Weltbischofssynode für Afrika im Vatikan, fand am 10. April bis 8. Mai 1994 statt
14. September 1995
(Offizieller lateinischer Text: AAS 88 [1996] 5-82)

(Quelle: Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite; Anmerkungen aus: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 123)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Inhaltsverzeichnis

EINFÜHRUNG

1. Die Kirche in Afrika hat vier Wochen lang während der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode voll Freude und Hoffnung ihren Glauben an den auferstandenen Christus gefeiert. Die Erinnerung daran ist im Gedächtnis der gesamten Kirchengemeinschaft noch immer lebendig.

In Treue zur Tradition der ersten Jahrhunderte des Christentums in Afrika haben die Bischöfe dieses Kontinents gemeinsam mit dem Nachfolger des Apostels Petrus und den Mitgliedern des Bischofskollegiums, die aus anderen Regionen der Welt gekommen waren, eine Synode abgehalten, die sich als Ereignis der Hoffnung und Wiedererstehung herausstellte, gerade zu dem Zeitpunkt, als die menschlichen Geschehnisse Afrika eher in Entmutigung und Verzweiflung zu treiben schienen.

Die Synodenväter haben mit der Assistenz von qualifizierten Vertretern des Klerus, der Ordensleute und der Laien die Licht- und Schattenseiten, die Herausforderungen und die Aussichten auf die Evangelisierung in Afrika mit Blick auf das herannahende dritte Jahrtausend des christlichen Glaubens einer gründlichen und realistischen Prüfung unterzogen.

Die Mitglieder der Synodenversammlung haben mich gebeten, die Ergebnisse ihrer Überlegungen und ihrer Gebete, ihrer Diskussionen und ihres Gedankenaustausches der ganzen Kirche zur Kenntnis zu bringen.<ref>Vgl. Proposito I. </ref> Voll Freude und Dankbarkeit gegenüber dem Herrn bin ich dieser Bitte nachgekommen und gebe heute, genau zu dem Zeitpunkt, da ich gemeinsam mit den Bischöfen und Gläubigen der katholischen Kirche in Afrika die feierliche Phase der Sonderversammlung für Afrika eröffne, den Text dieses Nachsynodalen Apostolischen Schreibens, Frucht einer intensiven und langen kollegialen Arbeit, bekannt. Bevor ich mich aber mit der Darlegung dessen befasse, was im Verlauf der Synode herangereift ist, halte ich es für angebracht, wenn auch im Eiltempo, die verschiedenen Phasen eines Ereignisses zu durchlaufen, dem so entscheidende Bedeutung für die Kirche in Afrika zukommt.

Das Konzil

2. Das II. Vatikanische Konzil kann unter dem Gesichtspunkt der Heilsgeschichte sicherlich als der Eckstein dieses Jahrhunderts gelten, das unmittelbar vor seiner Einmündung ins dritte Jahrtausend steht. Im Zusammenhang mit jenem grossen Ereignis konnte die Kirche Gottes in Afrika ihrerseits echte Augenblicke der Gnade erleben. In der Tat reicht die Idee zu einer, wie auch immer gearteten, Begegnung von Bischöfen Afrikas mit dem Ziel, über die Evangelisierung des Kontinents zu diskutieren, in die Zeit des Konzils zurück. Jenes historische Ereig- nis war in der Tat die Feuerprobe für die Kollegialität und eine besondere Ausdrucksform der affektiven und effektiven Gemeinschaft des Welt- episkopats. Die Bischöfe suchten bei dieser Gelegenheit nach geeigneten Mitteln, um ihre Sorge um alle Kirchen besser zu teilen und zur Wirkung zu bringen (vgl. 2 Kor 11, 28) und begannen zu diesem Zweck die notwendigen Strukturen auf nationaler, regionaler und kontinentaler Ebene vorzuschlagen.

Das Symposion der Bischofskonferenzen Afrikas und Madagaskars

3. In dieser Atmosphäre beschlossen die beim Konzil anwesenden Bischöfe Afrikas und Madagaskars, ein eigenes Generalsekretariat einzurichten, dem die Aufgabe zukam, ihre Wortmeldungen zu koordinieren, um in der Konzilsaula soweit als möglich einen gemeinsamen Standpunkt zu vertreten. Diese erste Zusammenarbeit unter den Bischöfen Afrikas nahm dann mit der Schaffung des Symposions der Bischofskonferenzen Afrikas und Madagaskars (S.E.C.A.M.) in Kampala die Gestalt einer festen Einrichtung an. Das erfolgte anlässlich des Besuches Papst Pauls VI. in Uganda im Juli-August 1969, dem ersten Besuch eines Papstes der Neuzeit in Afrika.

Die Einberufung der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode

4. Die Generalversammlungen der Bischofssynoden, die seit 1967 in periodischen Abständen aufeinanderfolgten, boten der Kirche in Afrika wertvolle Gelegenheiten, im Rahmen der Gesamtkirche ihre Stimme zu Gehör zu bringen. So ergriffen bei der Zweiten Ordentlichen Vollversammlung (1971) die Synodenväter Afrikas mit Freude die sich ihnen bietende Gelegenheit, um eine gröbere Gerechtigkeit in der Welt zu fordern. Die Dritte Ordentliche Vollversammlung über die Evangelisierung in der Welt von heute (1974) bot die Möglichkeit zur besonderen Prüfung der Evangelisierungsprobleme in Afrika. Bei dieser Gelegenheit veröffentlichten die bei der Synode anwesenden Bischöfe jenes Kontinents eine wichtige Botschaft unter dem Titel »Förderung der Evangelisierung in Mitverantwortung«.<ref>Erklärung der bei der III. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode anwesenden Bischöfe Afrikas und Madagaskars (20. Oktober 1974): La Documentation catholique 71 (1974), 995-996. </ref> Kurz danach, im Heiligen Jahr 1975, berief S.E.C.A.M. seine eigene Vollversammlung nach Rom ein, um das Thema Evangelisierung zu vertiefen.

5. In der Folge äusserten in den Jahren 1977 bis 1983 verschiedene Bischöfe, Priester, Ordensleute, Theologen und Laien den Wunsch nach einem afrikanischen Konzil oder einer afrikanischen Synode, deren Zweck es sein sollte, zu einem Überblick über die Evangelisierung in Afrika zu gelangen angesichts der großen Entscheidungen, die für die Zukunft des Kontinents zu treffen waren. Ich billigte wohlwollend und unterstützte die Idee eines »Zusammengehens des gesamten afrikanischen Episkopats in der einen oder anderen Form, um die religiösen Fragen zu prüfen, die sich für den ganzen Kontinent stellen«.<ref>Ansprache an eine Gruppe von Bischöfen aus Zaire anlässlich ihres Ad-limina-Besuches (21. April 1983),9: AAS 75 (1983), 634-635. </ref> In der Folge war S.E.C.A.M. bemüht, Wege und Mittel zu finden, um das Vorhaben einer solchen Zusammenkunft auf kontinentaler Ebene zu einem guten Abschluss zu bringen. Nachdem eine Beratung und Befragung aller Bischofskonferenzen und jedes einzelnen Bischofs von Afrika und Madagaskar stattgefunden hatte, konnte ich eine Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode einberufen. Am 6. Januar 1989 kündigte ich anlässlich des Festes der Erscheinung des Herrn — dem liturgischen Gedenktag, an dem sich die Kirche erneut die Universalität ihrer Sendung und die daraus folgende Aufgabe, nämlich allen Völkern das Licht Christi zu bringen, bewusst macht — an, diese »für die Ausbreitung des Evangeliums sehr wichtige Initiative« ergriffen zu haben. Und ich erklärte, auf die wiederholt und seit längerer Zeit von den Bischöfen Afrikas, von Priestern, Theologen und Laienvertretern vorgebrachte Bitte, »dass ein organisches solidarisches Zusammenwirken in der Pastoral auf dem gesamten afrikanischen Territorium und den dazugehörigen Inseln gefördert werden möge«, diese Entschei- dung getroffen zu haben.<ref> AngelusAngelus (6. Januar 1989), 2: lnsegnamenti XII, I (1989), 40. </ref>

Ein Gnadenereignis

6. Die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode war ein historischer Augenblick der Gnade: der Herr hat sein Volk, das in Afrika lebt, heimgesucht. Dieser Kontinent erlebt heute in der Tat das, was man ein Zeichen der Zeit, einen günstigen Augenblick, einen Tag des Heils für Afrika nennen kann. Es scheint die »Stunde Afrikas« angebrochen zu sein, eine günstige Zeit, die die Boten Christi eindringlich auffordert, hinauszufahren auf den See und die Netze auszuwerfen (vgl. Lk 5, 4). Wie in der Frühzeit des Christentums der hohe Beamte der Königin Äthiopiens, Kandake, glücklich darüber, durch die Taufe den Glauben empfangen zu haben, seinen Weg fortsetzte und zum Zeugen Christi wurde (vgl. Apg 8, 27-39), so muss die Kirche im heutigen Afrika voll Freude und Dankbarkeit über den empfangenen Glauben ihren Evangelisierungsauftrag fortsetzen, um die Völker des Kontinents dadurch an den Herrn heranzuführen, dass sie sie lehrt, alles zu beachten, was er geboten hat (vgl. Mt 28,20). Beginnend mit dem feierlichen Eröffnungsgottesdienst, den ich am 10. April 1994 zusammen mit fünfunddreissig Kardinälen, einem Patriarchen, neununddreissig Erzbischöfen, einhundertsechsundvierzig Bischöfen und neunzig Priestern in der vatikanischen Basilika gefeiert habe, hat sich die Kirche, die Familie Gottes,<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 6. </ref> das Volk der Gläubigen, um das Grab Petri versammelt. Hier war, zusammen mit dem ganzen Volk Gottes, Afrika mit der Vielfalt seiner Riten gegenwärtig: in Tänzen äusserte es seine Freude, zum Klang der Tamtam und anderer afrikanischer Musik- instrumente brachte es seinen Glauben an das Leben zum Ausdruck. Bei diesem Anlass spürte Afrika, dass es, nach einem Wort Pauls VI., »neue Heimat Christi«,<ref>Predigt bei der Heiligsprechung der seligen Carlo Lwanga, Matthias Mulumba Kalemba und ihren 20 ugandischen Märtyrer-Gefährten (18. Oktober 1964): AAS 56 (1964), 907- 908. </ref> vom ewigen Vater geliebte Erde ist.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Predigt beim Abschlussgottesdienst der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode (8. Mai 1994),7: L'Osservatore Romano, 9.-10. Mai 1994, S. 4. </ref> Darum habe ich jene Zeit der Gnade mit den Worten des Psalmisten begrübt: »Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen« (Ps 118 [117], 24).

Adressaten des Schreibens

7. Mit diesem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben will ich mich gemeinsam mit der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode in erster Linie an die Hirten und an die gläubigen Laien, sodann an die Brüder und Schwestern der anderen christlichen Konfessionen, an alle, die sich zu den großen monotheistischen Religionen bekennen, insbesondere an die Anhänger der traditionellen afrikanischen Religion, und an alle Menschen guten Willens wenden, denen in der einen oder anderen Weise die geistig-geistliche und materielle Entwicklung Afrikas am Herzen liegt oder die das Schicksal dieses großen Kontinents in Händen haben.

Vor allem denke ich natürlich an die Afrikaner selber und an alle, die auf dem Kontinent wohnen; ich denke besonders an die Söhne und Töchter der katholischen Kirche: Bischöfe, Priester, Diakone, Seminaristen, Mitglieder der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens, Katechisten und alle, die den Dienst an ihren Brüdern und Schwestern zu ihrem Daseinsideal machen. Ich möchte sie im Glauben stärken (vgl. Lk 22, 32) und ermuntern, auszuharren in der Hoffnung, die der auferstandene Christus schenkt, und so jede Versuchung zur Mutlosigkeit zu überwinden.

Aufbau des Schreibens

8. Die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode hat das ihr gestellte Thema gründlich untersucht: »Die Kirche in Afrika und ihr Evangelisierungsauftrag im Hinblick auf das Jahr 2000: 'Ihr werdet meine Zeugen sein' (vgl. Apg 1, 8)«. Dieses Schreiben wird sich daher bemühen, unmittelbar diesem vorgegebenen Plan zu folgen. Ausgehen wird es von dem historischen Augenblick — einem wahren kairos — der Abhaltung der Synode und dabei deren Zielsetzungen, Vorbereitung und Verlauf untersuchen. Es wird bei der aktuellen Situation der Kirche in Afrika verweilen und die verschiedenen Phasen des missionarischen Wirkens erwähnen. Dann wird es die verschiedenen Aspekte des Evangelisierungsauftrags aufgreifen, mit dem es die Kirche zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufnehmen muss: Glaubensverkündigung, Inkulturation, Dialog, Gerechtigkeit und Frieden, soziale Kommunikationsmittel. Der Hinweis auf die Dringlichkeiten und Herausforderungen, die sich am Vorabend des Jahres 2000 der Kirche in Afrika stellen, wird es erlauben, in grossen Zügen die Aufgaben des Zeugen Christi in Afrika um eines wirksameren Beitrages zum Aufbau des Reiches Gottes willen darzustellen. So wird es schliesslich möglich sein, die Verpflichtungen der Kirche in Afrika als missionarische Kirche zu umschreiben: eine Missionskirche, die selbst missionarisch wird: »Ihr werdet meine Zeugen sein [...] bis an die Grenzen der Erde« (Apg 1, 8).

KAPITEL I: EIN HISTORISCHER KIRCHLICHER AUGENBLICK

9. «Diese Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode ist ein von der Vorsehung gewolltes Ereignis, für das wir dem allmächtigen und barmherzigen Vater durch seinen Sohn im Geist danken und ihn preisen müssen«.<ref>Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Relatio ante disceptationem (lI. April 1994), I: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. </ref> Mit diesen Worten haben die Synodenväter während der ersten Generalkongregation feierlich die Diskussion über das Thema der Synode eröffnet. Ich selbst hatte schon bei einer früheren Gelegenheit eine ähnliche Überzeugung ausgesprochen, als ich anerkannte, dass »die Sonderversammlung ein kirchliches Ereignis von fundamentaler Bedeutung für Afrika ist, ein kairos, ein Augenblick der Gnade, in der Gott sein Heil offenbart. Die ganze Kirche ist eingeladen, diese Zeit der Gnade in Fülle zu leben durch die Annahme und Verbreitung der Frohbotschaft. Das Bemühen um die Vorbereitung der Synode wird nicht nur der Abhaltung der Synode selbst zum Nutzen gereichen, sondern wird sich von jetzt an zum Vorteil der pilgernden Ortskirchen in Afrika aus- wirken, deren Glaube und Zeugnis durch zunehmende Reife erstarken«.<ref>Ansprache an die Dritte Tagung des Rates des Generalsekretariats für die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode (Luanda, 9. Juni 1992), 5: AAS 85 (1993), 523. </ref>

Glaubensbekenntnis

10. Diese Zeit der Gnade nahm vor allem in einem feierlichen Glaubensbekenntnis Gestalt an. Die Synodenväter, die sich zur Eröffnung der Sonderversammlung um das Petrusgrab versammelt hatten, verkündeten ihren Glauben, den Glauben des Petrus, der auf die Frage Christi: »Wollt auch ihr weggehen?«, antwortete: »Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes« (Joh 6, 67-69). Die Bischöfe Afrikas, in denen die katholische Kirche in jenen Tagen am Grab des Apostels ihren besonderen Ausdruck fand, betonten ihren festen Glauben daran, dass die Allmacht und Barmherzigkeit des einen Gottes vor allem in der erlösenden Menschwerdung des Sohnes Gottes offenbar geworden sind, des Sohnes, der eines Wesens mit dem Vater in der Einheit des Heiligen Geistes ist und in dieser trinitarischen Einheit Lobpreis und Ehre in Fülle empfängt. Das — beteuerten die Synodenväter — ist unser Glaube, es ist der Glaube der Kirche, es ist der Glaube aller über den afrikanischen Kontinent verstreuten Ortskirchen, die sich auf dem Weg zum Haus Gottes befinden.

Dieser Glaube an Jesus Christus wurde in den Wortmeldungen der Synodenväter während des Gesamthergangs der Sonderversammlung stets nachdrücklich und einmütig bekundet. Gestärkt durch diesen Glauben vertrauten die Bischöfe Afrikas ihren Kontinent Christus, dem Herrn an in der Überzeugung, dass nur er mit seinem Evangelium und mit seiner Kirche Afrika aus den gegenwärtigen Schwierigkeiten zu retten und von seinen zahlreichen Übeln zu heilen vermag.<ref>Vgl. Relatio post disceptationem (22. April 1994),2: L'Osservatore Romano, 24. April 1994, S. 8. </ref>

11. Gleichzeitig verkündeten die Bischöfe Afrikas anlässlich der feierlichen Eröffnung der Sonderversammlung öffentlich ihren Glauben an »die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine, heilige, katholische und apostolische bekennen«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 8. </ref> Diese Eigenschaften bezeichnen Wesenszüge der Kirche und ihrer Sendung. Sie »besitzt sie nicht von sich aus. Christus macht durch den Heiligen Geist seine Kirche zur einen, heiligen, katholischen und apostolischen. Er beruft sie dazu, jede dieser Eigenschaften zu verwirklichen«.<ref> Katechismus der katholischen Kirche, 811. </ref>

Alle, die das Privileg der Teilnahme an der Sonderversammlung für Afrika hatten, freuten sich darüber zu sehen, dass die afrikanischen Katholi- ken immer mehr Verantwortung in ihren Ortskirchen übernehmen und sich bemühen besser zu verstehen, was es heißt, katholisch und zugleich Afrikaner zu sein. Die Abhaltung der Sonderversammlung hat der ganzen Welt deutlich gemacht, dass die Ortskirchen Afrikas »zu Recht ihren Platz in der kirchlichen Gemeinschaft haben«, dass sie das Recht haben, »eigene Überlieferungen« zu bewahren und zu entwickeln, »unbeschadet des Primats des Stuhles Petri, welcher der gesamten Liebesgemeinschaft vorsteht, die rechtmässigen Unterschiede schützt und zugleich darüber wacht, dass die Besonderheiten der Einheit nicht nur nicht schaden, sondern ihr vielmehr dienen«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 13. </ref>

Synode der Wiedererstehung, Synode der Hoffnung

12. Nach einem einzigartigen Plan der Vorsehung fand die feierliche Eröffnung der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode am zweiten Ostersonntag, also am Schluss der Osteroktav statt. Die Synodenväter, die sich an jenem Tag in der Petersbasilika versammelten, waren sich dessen bewusst, dass die Freude ihrer Kirche demselben Ereignis entsprang, das die Herzen der Apostel am Ostertag mit Freude erfüllt hatte: der Auferstehung des Herrn Jesus (vgl. Lk 24, 40-41). Sie waren sich zutiefst bewusst, dass unter ihnen der auferstandene Herr gegenwärtig war, der zu ihnen wie zu den Aposteln sagte: »Friede sei mit euch!« (Joh 20, 21.26). Sie waren sich seiner Verheißung bewusst, immer bei seiner Kirche zu bleiben (vgl. Mt 28, 20) und somit auch während der ganzen Dauer der Synodenversammlung. Die österliche Atmosphäre, in der die Sonderversammlung mit ihren Mitgliedern, die gemeinsam ihren Glauben an den auferstandenen Christus feierten, ihre Arbeit aufnahm, rief mir unwillkürlich die Worte Jesu an den Apostel Thomas in Erinnerung: »Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!« (Joh 20,29).

13. Es war in der Tat die Synode der Auferstehung und der Hoffnung, wie die Synodenväter in den Einleitungssätzen ihrer an das Volk Gottes gerichteten Botschaft voller Freude und Begeisterung erklärt haben. Es sind Worte, die ich mir gern zu eigen mache: »Wie Maria Magdalena am Morgen nach der Auferstehung, wie die Jünger von Emmaus mit brennendem Herzen und erleuchtetem Geist, so verkündet die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode: Christus, unsere Hoffnung, ist auferstanden. Er ist zu uns gekommen und mit uns gegangen. Er legte uns die Schrift aus und sagte: 'Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt' (Offb 1, 17-18) [...]. Und wie der heilige Johannes auf Patmos in besonders schwerer Zeit hoffnungsvolle Prophezeiungen für das Volk Gottes empfangen hat, so verkünden auch wir die Hoffnung. Zu diesem Zeitpunkt, da soviel durch politische Interessen geschürter Bruderhab unsere Völker spaltet, in einem Augenblick, da die Last der internationalen Verschuldung oder der Geldentwertung sie erdrückt, wollen wir, die Bischöfe Afrikas, gemeinsam mit allen Teilnehmern an dieser heiligen Synode in Einheit mit dem Heiligen Vater und allen unseren Brüdern im Bischofsamt, die uns erwählt haben, dir, Familie Gottes in Afrika, dir, Familie Gottes in aller Welt, ein Wort der Zuversicht und des Trostes widmen: Christus, unsere Hoffnung, lebt, auch wir werden leben!«.<ref> NN. 1-2: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 4. </ref>

14. Ich fordere das ganze Volk Gottes in Afrika auf, die von der Synodenversammlumg ihm übermittelte Botschaft der Hoffnung mit offenem Herzen anzunehmen. Die Synodenväter, die sich voll darüber im klaren waren, Träger der Erwartungen nicht nur der afrikanischen Katholiken, sondern auch aller Männer und Frauen jenes Kontinents zu sein, haben sich während ihrer Diskussionen klar und deutlich mit den vielfältigen Übeln auseinandergesetzt, die das heutige Afrika bedrücken. Sie haben den ganzen Umfang und die Reichweite dessen erkundet, was die Kirche zu tun aufgerufen ist, um den gewünschten Wandel zu unterstützen; sie haben das aber mit einer Haltung getan, die frei von Pessimismus oder Verzweiflung war. Trotz des vorwiegend negativen Gesamtbildes, das zahlreiche Regionen Afrikas heute bieten, und trotz der traurigen Erfahrungen, die viele Länder durchmachen, hat die Kirche die Pflicht, mit Nachdruck zu bekräftigen, dass sich diese Schwierigkeiten überwinden lassen. Sie muss in allen Afrikanern wieder die Hoffnung auf eine echte Befreiung stärken. Ihre Zuversicht gründet sich im letzten auf das Wissen um die göttliche Verheißung, die uns versichert, dass unsere Geschichte nicht in sich selbst geschlossen ist, sondern offen für das Reich Gottes. Deshalb lassen sich weder die Verzweiflung noch der Pessimismus rechtfertigen, wenn man an die Zukunft sowohl Afrikas wie jedes anderen Teiles der Welt denkt.

Affektive und effektive Kollegialität

15. Ehe ich auf die Behandlung der verschiedenen Themen eingehe, will ich hervorheben, dass die Bischofssynode ein überaus günstiges Instrument zur Förderung der kirchlichen Gemeinschaft darstellt. Als Papst Paul VI. gegen Ende des II. Vatikanischen Konzils die Synode einrichtete, wies er mit aller Klarheit darauf hin, dass es eine ihrer wesentlichen Zielsetzungen sein sollte, unter der Führung des Nachfolgers Petri die gegenseitige Verbundenheit der in der Welt verstreuten Bischöfe zum Ausdruck zu bringen und zu fördern.<ref> Vgl. Motu proprio Apostolica sollicitudo (15. September 1965),11: AAS 57 (1965), 776- 777. </ref> Der Einrichtung der Bischofssynode liegt ein einfaches Prinzip zugrunde: je fester die Verbundenheit der Bischöfe untereinander ist, umso reicher erweist sich die Gemeinschaft der Kirche in ihrer Gesamtheit. Die Kirche in Afrika ist Zeugin für die Wahrheit dieser Worte, weil sie die Erfahrung des begeisterten Mitmachens und der konkreten Ergebnisse gemacht hat, von denen die Vorbereitungen der ihr gewidmeten Versammlung der Bischofssynode begleitet waren.

16. Anlässlich meiner ersten Begegnung mit dem Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode, der im Hinblick auf die Sondersynode für Afrika zusammengetreten war, nannte ich den Grund, warum man die Einberufung dieser Sonderversammlung für opportun gehalten hatte: die Förderung »einer organischen pastoralen Solidarität auf dem gesamten afrikanischen Territorium und den dazugehörigen Inseln«.<ref> Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode (23. Juni 1989), I: AAS 82 (1990), 73; vgl. Angelus (6. Januar 1989),2: lnsegnamenti XII, I (1989),40; bei dieser Gelegenheit erfolgte die erste offizielle Ankündigung der Einberufung der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode. </ref> Mit dieser Formulierung wollte ich Zweck und Hauptziele erfassen, auf die sich die genannte Versammlung hin orientieren sollte. Um meine Erwartungen zu verdeutlichen, fügte ich hinzu, dass die Überlegungen zur Vorbereitung der Versammlung »allen wichtigen Aspekten des Lebens der Kirche in Afrika Rechnung tragen und insbesondere die Bereiche Evangelisierung, Inkulturation, Dialog, Seelsorge auf sozialem Gebiet und die sozialen Kommunikationsmittel umfassen sollten«.<ref> Ebd., 5: a.a.O., 75. </ref>

17. Während meiner Pastoralbesuche in Afrika habe ich wiederholt auf die Sonderversammlung für Afrika und auf die wichtigsten Zielsetzungen Bezug genommen, derentwegen sie einberufen worden war. Als ich zum ersten Mal auf afrikanischem Boden an einer Tagung des Synodenrates teilnahm, habe ich meine Überzeugung unterstrichen, dass sich eine Synodenversammlung nicht auf eine Beratung über praktische Fragen beschränken darf. Ihre eigentliche Existenzberechtigung liegt darin, dass die Kirche nur dadurch wachsen kann, dass sie die Verbundenheit ihrer Mitglieder untereinander, angefangen bei den Bischöfen, festigt.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an den Rat des Generalsekretariats für die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode (Yamoussoukro, 10. September 1990),3: AAS 83 (1991), 226. </ref>

Jede Synodenversammlung zeigt und entwikkelt die Solidarität zwischen den Leitern der Teilkirchen bei der Erfüllung ihrer Sendung über die Grenzen der jeweiligen Diözesen hinaus. Wie das II. Vatikanische Konzil lehrte, »sollen sich die Bischöfe als rechtmässige Nachfolger der Apostel und Glieder des Bischofskollegiums immer einander verbunden wissen und sich für alle Kirchen besorgt zeigen. Durch göttliche Einsetzung und Vorschrift ist ja jeder einzelne gemeinsam mit den übrigen Bischöfen mitverantwortlich für die apostolische Aufgabe der Kirche«.<ref> Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 6. </ref>

18. Das Thema, das ich der Sonderversammlung zugeteilt habe — »Die Kirche in Afrika und ihr Evangelisierungsauftrag im Hinblick auf das Jahr 2000. 'Ihr werdet meine Zeugen sein' (Apg 1,8)« —, drückt meinen Wunsch aus, dass diese Kirche die Zeit bis zum Großen Jubiläum als einen »neuen Advent«, als Zeit der Erwartung und Vorbereitung erleben möge. Ich sehe in der Tat in der Vorbereitung auf das Jahr 2000 gleichsam einen Schlüssel für die Deutung meines Pontifikats.<ref> Vgl. Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994),23: AAS 87 (1995), 19. </ref>

Die Synodenversammlungen, die im Zeitraum von fast dreissig Jahren nacheinander abgehalten wurden — die Generalversammlungen und die Sonderversammlungen auf kontinentaler, regionaler oder nationaler Ebene —, stehen alle in dieser Perspektive der Vorbereitung auf das Grobe Jubeljahr. Der Umstand, dass das Thema aller dieser Synodenversammlungen die Evangelisierung ist, weist darauf hin, wie lebendig heute in der Kirche das Bewusstsein der von Christus empfangenen Heilssendung ist. Dieses Sich-Bewusstwerden kommt besonders klar in den Nachsynodalen Apostolischen Schreiben zum Ausdruck, die der Evangelisierung, der Katechese, der Familie, der Bube und Versöhnung im Leben der Kirche und der ganzen Menschheit, der Berufung und Sendung der Laien sowie der Priesterausbildung gewidmet sind.

In voller Gemeinschaft mit der Universalkirche

19. Vom Vorbereitungsbeginn der Sonderversammlung an war mein inständiger Wunsch, der vom Rat des Generalsekretariats voll geteilt wurde, dafür zu sorgen, dass diese Synode wirklich und unmibverständlich afrikanisch sein würde. Zugleich war von grundlegender Bedeutung, dass die Sonderversammlung in voller Gemeinschaft mit der Gesamtkirche abgehalten würde. Tatsächlich hat die Versammlung ständig die Universalkirche berücksichtigt. Im Gegenzug habe ich es nicht versäumt, als der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Lineamenta gekommen war, meine Brüder im Bischofsamt und das ganze über die Welt verstreute Volk Gottes einzuladen, im Gebet der Sonderversammlung für Afrika zu gedenken und sich in die Aktivitäten miteinbezogen zu fühlen, die im Hinblick auf dieses Ereignis vorangebracht worden sind.

Wie ich wiederholt betonen konnte, kommt dieser Versammlung beachtliche Bedeutung für die Gesamtkirche zu, nicht nur wegen des Interesses, das ihre Einberufung überall hervorgerufen hat, sondern auch wegen der Natur der kirchlichen Gemeinschaft selbst, die jede zeitliche und räumliche Grenze übersteigt. Tatsächlich hat die Sonderversammlung zu vielen Gebeten und guten Werken inspiriert, mit denen die einzelnen Gläubigen und die Gemeinden der Kirche auf den anderen Kontinenten den Verlauf der Synode begleitet haben. Und wie könnte man daran zweifeln, dass ihr im Geheimnis kirchlicher Verbundenheit auch die Gebete der Heiligen im Himmel Halt gegeben haben?

Als ich verfügte, dass die erste Phase der Arbeiten der Sonderversammlung in Rom stattfinden sollte, wollte ich damit noch deutlicher die Gemeinschaft unterstreichen, die die Kirche in Afrika mit der Universalkirche verbindet, ja das Engagement aller Gläubigen für Afrika herausstellen.

20. Der feierliche Eröffnungsgottesdienst der Synode, dem ich in der Petersbasilika vorstand, hat die Universalität der Kirche auf wunderbare und ergreifende Weise herausgestellt. Diese Universalität, »die nicht Gleichförmigkeit, sondern Gemeinschaft der mit dem Evangelium zu vereinbarenden Unterschiede ist«,<ref> Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Botschaft der Synode (6. Mai 1994),7: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 4. </ref> wurde von allen Bischöfen erlebt. Alle waren sich bewusst, als Glieder des in der Nachfolge des Apostelkollegiums stehenden Episkopates nicht nur für eine Diözese, sondern für das Heil der ganzen Welt die Weihe empfangen zu haben.<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, 38. </ref>

Ich danke Gott dem Allmächtigen für die Gelegenheit, die er uns geschenkt hat, durch die Sonderversammlung zu erfahren, was echte Katholizität bedeutet. »Kraft dieser Katholizität bringen die einzelnen Teile ihre eigenen Gaben den übrigen Teilen und der ganzen Kirche hinzu«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 13. </ref>

Eine Botschaft, die ankommt und glaubwürdig ist

21. Die Hauptfrage, der sich die Kirche in Afrika stellen muss, besteht nach den Synodenvätern darin, mit aller nur möglichen Klarheit zu beschreiben, was diese Kirche ist und was sie in Fülle verwirklichen soll, damit ihre Botschaft ankommt und glaubwürdig sei.<ref> Vgl. Relatio ante disceptationem (11. April 1994),34: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 5. </ref> Alle Diskussionen in der Versammlung haben auf dieses wirklich wesentliche Grunderfordernis, das eine echte Herausforderung für die Kirche in Afrika darstellt, Bezug genommen.

Gewiss stimmt es, dass »der Heilige Geist der Erstbeweger der Evangelisierung ist: Er ist es, der antreibt, das Evangelium zu verkünden, und er ist es auch, der die Heilsbotschaft in den Tiefen des Bewusstseins annehmen und verstehen lässt«.<ref> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975),75: AAS 68 (1976), 66. </ref> Aber während die Sonderversammlung diese Wahrheit bestätigte, hat sie mit Recht hinzugefügt, dass die Evangelisierung auch eine Sendung ist, die Jesus, der Herr, seiner Kirche anvertraut hat unter der Führung und in der Kraft des Heiligen Geistes. Es bedarf unserer Mitwirkung durch inniges Gebet, intensives Nachdenken, angemessene Pläne und Mobilisieren von Hilfsmitteln«.<ref> Vgl. Relatio ante disceptationem (11. April 1994),34: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 5. </ref>

Die Synodendebatte über das Thema der Botschaft der Kirche in Afrika, die ankommt und glaubwürdig ist, mubte auch eine Überlegung zur Glaubwürdigkeit der Verkünder dieser Botschaft beinhalten. Die Synodenväter sind mit grober Aufrichtigkeit und ohne jede Nachsicht direkt die Frage angegangen. Dieses Problems hatte sich bereits Papst Paul VI. angenommen, als er mit denkwürdigen Worten mahnte: »Oft wird heute gesagt, unser Jahrhundert dürste geradezu nach Authentizität (Echtheit). Vor allem von der Jugend sagt man, sie habe einen Abscheu vor allem Gekünstelten, Unechten und suche vor allem Wahrheit und Transparenz. Diese Zeichen der Zeit sollten uns wachsam finden. Schweigend oder lautstark, immer aber voller Eindringlichkeit fragt man uns: Glaubt ihr wirklich an das, was ihr verkündet? Lebt ihr, was ihr glaubt? Predigt ihr wirklich, was ihr lebt? Das Zeugnis des Lebens ist mehr denn je eine wesentliche Bedingung für die Tiefenwirkung der Verkündigung geworden. Aus diesem Grund sind wir bis zu einem gewissen Grade verantwortlich für den Erfolg des Evangeliums, das wir verkünden«.<ref> Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975),76: AAS 68 (1976), 67. </ref>

Ich selbst habe darum bezüglich des Evangelisierungsauftrags der Kirche im Bereich der Gerechtigkeit und des Friedens gesagt: »Die Kirche ist sich heute mehr denn je dessen bewusst, dass ihre soziale Botschaft mehr im Zeugnis der Werke als in ihrer inneren Folgerichtigkeit und Logik Glaubwürdigkeit finden wird«.<ref> Enzyklika Centesimus annus (1. Mai 1991),57: AAS 83 (1991), 862. </ref>

22. Sollte man hier etwa nicht daran erinnern, dass die 1987 in Lagos, Nigeria, abgehaltene achte Vollversammlung von S.E.C.A.M. bereits mit bemerkenswerter Klarheit die Frage der glaubwürdigen und treffenden Botschaft der Kirche in Afrika erwogen hatte? Jene selbe Versammlung hatte erklärt, die Glaubwürdigkeit der Kirche in Afrika hänge ab von Bischöfen und Priestern, die fähig sind, nach dem Beispiel Christi das Zeugnis eines vorbildlichen Lebens zu geben; von Ordensleuten, die durch ihre den evangelischen Räten entsprechende Lebensführung wirklich treue, glaubwürdige Zeugen sind; von einem dynamischen Laienstand, mit tiefgläubigen Eltern, ihrer Verantwortung bewussten Erziehern, von tiefem Moralgefühl beseelten politischen Führern.<ref> vgl. Botschaft der VIII. Vollversammlung von SECAM (19. Juli 1987): La Documentation catholique 84 (1987), 1024-1026. </ref>

Familie Gottes auf dem Weg zur Synode

23. Als ich am 23. Juni 1989 zu den Mitgliedern des Rates des Generalsekretariats sprach, bestand ich sehr stark auf der Beteiligung des ganzen Volkes Gottes auf allen Ebenen, besonders in Afrika, an der Vorbereitung der Sonderversammlung. »Wenn sie gut vorbereitet ist — so sagte ich —, wird die Tagung der Synode die Einbeziehung sämtlicher Bereiche der christlichen Gemeinschaft ermöglichen: einzelne, kleine Gemeinden, Pfarreien, Diözesen und lokale, nationale und internationale Einrichtungen«.<ref> Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode (23. Juni 1989),6: AAS 82 (1990), 76. </ref>

Zwischen dem Beginn meines Pontifikats und der Eröffnung der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode habe ich Afrika und Madagas- kar zehn Pastoralbesuche abstatten und dabei sechsunddreissig Nationen erreichen können. Bei den apostolischen Reisen nach Einberufung der Sonderversammlung nahmen in meinen Begegnungen mit dem Volk Gottes in Afrika das The- ma der Synode und die Notwendigkeit für alle Gläubigen, sich auf die Synodenversammlung vorzubereiten, stets einen vorrangigen Platz ein. Ich habe auch die Ad-limina-Besuche der Bischöfe jenes Kontinents zum Anlass genommen, um auf die Mitarbeit aller an der Vorbereitung der Sonderversammlung für Afrika zu drängen. Bei drei anderen Gelegenheiten habe ich sodann zusammen mit dem Rat des Generalsekretariats der Synode Arbeitssitzungen auf afrikanischem Boden abgehalten: in Yamoussoukro, Elfenbeinküste (1990), in Luanda, Angola (1992) und in Kampala, Uganda (1993), immer in der Absicht, die Afrikaner zur aktiven und gemeinsamen Teilnahme an der Vorbereitung der Synodenversammlung aufzurufen.

24. Die Vorlage der Lineamenta am 25. Juli 1990 in Lomé, Togo, anlässlich der neunten Vollversammlung von S.E.C.A.M. war zweifellos ein neuer und bedeutsamer Abschnitt auf dem Vorbereitungsweg zur Sonderversammlung. Man darf wohl sagen, dass die Veröffentlichung der Lineamenta die Synodenvorbereitungen in allen Teilkirchen Afrikas entscheidend in Gang gebracht hat. Die Versammlung von S.E.C.A.M. in Lomé hat ein Gebet für die Sonderversammlung angenommen und ersucht, dass es bis nach Abhaltung der Synode sowohl öffentlich wie privat in allen afrikanischen Pfarreien verrichtet werden sollte. Das war eine wirklich gelungene Initiative von S.E.C.A.M., die auch in der Universalkirche nicht unbeachtet geblieben ist.

Um dann die Verbreitung der Lineamenta zu fördern, haben zahlreiche Bischofskonferenzen und Diözesen das Dokument in ihre Sprache übersetzt, wie zum Beispiel in Swahili, ins Arabische, ins Madagassische und andere Sprachen. »Von verschiedenen Bischofskonferenzen, theologischen Institituten und Priesterseminaren, Vereinigungen von Ordensinstituten, Diözesen,einigen wichtigen Tageszeitungen und Zeitschriften, von einzelnen Bischöfen und Theologen wurden über die Themen der Synode Veröffentlichungen her- ausgegeben und Vorträge und Symposien veranstaltet«.<ref> Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Bericht des Generalsekretärs (11. April 1994), VI: L'Osservatore Romano, 11.-12. April 1994, S. 10. </ref>

25. Ich danke Gott dem Allmächtigen für die grobe Sorgfalt, mit der die Lineamenta und das Instrumentum laboris<ref> Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Die Kirche in Afrika und ihr Evangelisierungsauftrag im Hinblick auf das Jahr 2000: "Ihr werdet meine Zeugen sein" (Apg 1,8), Lineamenta, Vatikanstadt 1990; lnstrumentum laboris, Vatikanstadt 1993. </ref> der Synode erstellt worden sind. Es war eine Aufgabe, die von afrikanischen Bischöfen und Experten, angefangen von der Vorbereitungskommission der Synode, im Januar und März 1989 übernommen und dann entfaltet worden war. Die Kommission wurde dann von dem von mir am 20. Juni 1989 errichteten Rat des Generalsekretariats der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode abgelöst. Zutiefst dankbar bin ich ausserdem der Arbeitsgruppe, die für die Eucharistiefeiern zur Eröffnung und zum Abschluss der Synode so gut Sorge getragen hat. Die Gruppe, zu deren Mitgliedern Theologen, Liturgiker und Experten in afrikanischen liturgischen Gesängen und Instrumenten zählten, wollte es meinem Wunsch gemäss bewerkstelligen, dass der Eröffnungs- und der Schlussgottesdienst von einem klaren afrikanischen Charakter geprägt wären.

26. Nun muss ich noch hinzufügen, dass die Antwort der Afrikaner auf meinen Appell, sich an der Vorbereitung der Synode zu beteiligen, wahrhaft bewundernswürdig gewesen ist. Die Aufnahme, die die Lineamenta sowohl innerhalb wie ausserhalb der afrikanischen Teilkirchen und Gemeinden fanden, hat jede Voraussage weit übertroffen. Viele Ortskirchen haben sich der Lineamenta bedient, um die Gläubigen in Bewegung zu bringen, und wir können schon jetzt sagen, dass die Früchte der Synode sich in einem neuen Engagement und in einem erneuerten Bewusstwerden der Christen Afrikas zu zeigen beginnen.<ref> Vgl. lnstrumentum laboris. Von den 34 Bischofskonferenzen in Afrika und Madagaskar haben 31 ihre Bemerkungen eingesandt, während die drei anderen wegen der schwierigen Situation, in der sie sich befanden, nicht dazu in der Lage waren. </ref>

Im Laufe der verschiedenen Vorbereitungsphasen der Sonderversammlung haben sich zahlreiche Mitglieder der Kirche in Afrika — Klerus, Ordensleute, Laien — auf beispielhafte Weise auf den Synodenweg begeben, indem sie »miteinander gingen«, jeder seine Talente in den Dienst der Kirche stellte und sie miteinander inbrünstig für den Erfolg der Synode beteten. Die Synodenväter selbst haben im Verlauf der Synodenversammlung mehr als einmal darauf hingewiesen, dass durch die »sorgfältige und gewissenhafte Vorbereitung dieser Synode, im aktiven Einbezogensein der ganzen Kirche in Afrika auf allen Ebenen« ihre Arbeit erleichtert wurde.<ref> Relatio ante disceptationem (11. April 1994), 1: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4; vgl. Relatio post disceptationem (22. April 1994), 1: L'Osservatore Romano, 24. April 1994, S. 8. </ref>

Gott will Afrika retten

27. Der Völkerapostel sagt uns, dass Gott »will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen. Denn: Einer ist Gott, Einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle« (1 Tim 2, 4-6). Da Gott alle Menschen zu ein und derselben Bestimmung beruft, die göttlich ist, »müssen wir festhalten, dass der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 22; vgl. Katechismus der Katholischen Kirche, 1260. </ref> Die erlösende Liebe Gottes umfasst die ganze Menschheit, jede Rasse, jeden Stamm, jede Nation: sie umfasst also auch die Völker des afrikanischen Kontinents. Die göttliche Vorsehung wollte es, dass Afrika während des Leidens und Sterbens Christi zugegen war in der Person Simons von Kyrene, den römische Soldaten gezwungen hatten, dem Herrn das Kreuz tragen zu helfen (vgl. Mk 15, 21).

28. Die Liturgie des sechsten Ostersonntags 1994 während des feierlichen Gottesdienstes zum Abschluss der Sitzungsperiode der Sonderversammlung bot mir die Gelegenheit zu einer Reflexion über Gottes Heilsplan für Afrika. Eine der biblischen Lesungen, die der Apostelgeschichte entnommen war, erinnerte an ein Ereignis, das als der erste Schritt in der Sendung der Kirche zu den Heiden angesehen werden kann: der Bericht darüber, dass Petrus auf Eingebung des Heiligen Geistes das Haus eines Heiden, des Hauptmannes Cornelius, besuchte. Bis dahin war das Evangelium vor allem unter den Juden verkündet worden. Nachdem Petrus zunächst ziemlich gezögert hatte, beschloss er, vom Geist erleuchtet, sich in das Haus eines Heiden zu begeben. Als er dort eintraf, war er freudig davon überrascht, dass der Hauptmann auf Christus und die Taufe wartete. Das Buch der Apostelgeschichte berichtet: »Die gläubig gewordenen Juden, die mit Petrus gekommen waren, konnten es nicht fassen, dass auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde. Denn sie hörten sie in Zungen reden und Gott preisen« (10, 45-46). Im Hause des Cornelius wiederholte sich gewissermassen das Pfingstwunder. Da sagte Petrus: »Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist [...]. Kann jemand denen das Wasser zur Taufe verweigern, die ebenso wie wir den Heiligen Geist empfangen haben?« (Apg 10, 34-35.47).

So begann die Mission der Kirche ad gentes, deren wichtigster Bote Paulus von Tarsus werden sollte. Die ersten Missionare, die in das Innere Afrikas gelangten, haben sicher ein ähnliches Wunder erlebt, wie es die Christen der apostolischen Zeit angesichts der Ausgiessung des Heiligen Geistes erfahren haben.

29. Der Plan Gottes für die Rettung Afrikas steht am Anfang der Ausbreitung der Kirche auf dem afrikanischen Kontinent. Da jedoch nach dem Willen Christi die Kirche ihrem Wesen nach missionarisch ist, folgt daraus, dass die Kirche in Afrika aufgerufen ist, selbst eine aktive Rolle im Dienst am Heilsplan Gottes zu übernehmen. Darum habe ich oft gesagt, »die Kirche in Afrika ist missionarische Kirche und zugleich Missionskirche«.<ref> Ansprache bei der Generalaudienz am 21. August 1985, 3: lnsegnamenti VIII, 2 (1985), 512. </ref>

Die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode hatte die Aufgabe, die Mittel zu untersuchen, mit deren Hilfe die Afrikaner besser den Auftrag erfüllen können, den der auferstandene Herr seinen Jüngern erteilt hat: »Darum geht zu allen Völkern [...] und lehrt sie« (Mt 28, 19-20).

KAPITEL II: DIE KIRCHE IN AFRIKA

I. Kurzegeschichte der Evangelisierung auf dem Kontinent

30. Am Eröffnungstag der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode, der ersten Versammlung dieser Art in der Geschichte, haben die Synodenväter an einige der Wunder erinnert, die im Verlauf der Evangelisierung Afrikas von Gott vollbracht worden sind. Es ist eine Geschichte, die in die Entstehungszeit der Kirche selbst zurückreicht. Die Verbreitung des Evangeliums hat sich in verschiedenen Phasen vollzogen. Die ersten Jahrhunderte des Christentums erlebten die Evangelisierung Ägyptens und Nordafrikas. Eine zweite Phase, die die südlich der Sahara gelegenen Gebiete des Kontinents betraf, erfolgte im 15. und 16. Jahrhundert. Eine von ausserordentlicher missionarischer Anstrengung gekennzeichnete dritte Phase hat im 19. Jahrhundert begonnen.

Erste Phase

31. In einer die Förderung des materiellen und geistigen Wohlergehens des Kontinents betreffenden Botschaft an die Bischöfe und an alle Völker Afrikas erinnerte mein verehrter Vorgänger Paul VI. in Worten von historischer Bedeutung an die ruhmreiche und glanzvolle christliche Vergangenheit Afrikas: »Wir denken an die christlichen Kirchen Afrikas, deren Ursprung in die apostolische Zeit zurückreicht und der Überlieferung nach mit dem Namen und der Lehre des Evangelisten Markus verbunden ist. Wir denken an die zahllose Schar von Heiligen, Märtyrern, Bekennern, Jungfrauen, die ihnen angehören. Tatsächlich gab es zwischen dem zweiten und vierten Jahrhundert in den nördlichen Regionen Afrikas ein intensives christliches Leben, das sowohl in der theologischen Forschung wie in der literarischen Ausdrucksweise führend war. Da fallen uns die Namen der großen Gelehrten und Schriftsteller ein, wie Origenes, die hll. Athanasius und Kyrillos, Leuchten der alexandrinischen Schule, und am anderen Ende der afrikanischen Mittelmeerküste Tertullian, der hl. Cyprian und vor allem der hl. Augustinus, eine der leuchtendsten Gestalten der Christenheit. Wir werden an die großen Wüstenheiligen erinnert, Paulus, Antonius, Pachomius, die ersten Begründer des Mönchtums, das sich dann nach ihrem Vorbild im Osten und im Abendland verbreitete. Und unter den vielen anderen wollen wir den Namen des hl. Frumentius, genannt Abba Salama, nicht vergessen, der, vom hl. Athanasius zum Bischof geweiht, der Apostel Äthiopiens war«.<ref> Botschaft Africae terrarum (29. Oktober 1967),3: AAS 59 (1967),1074-1075. </ref> Während dieser ersten Jahrhunderte der Kirche in Afrika haben auch einige Frauen Zeugnis von Christus abgelegt. Unter ihnen verdienen besondere Erwähnung die hll. Felicitas und Perpetua, die hl. Monika und die hl. Thekla.

»Diese leuchtenden Beispiele sowie auch die Gestalten der heiligen afrikanischen Päpste Victor I., Miltiades und Gelasius I. gehören zum gemeinsamen Erbe der Kirche, und die Schriften der christlichen Autoren Afrikas sind noch heute grundlegend für eine Vertiefung der Heilsgeschichte im Lichte des Wortes Gottes. Mit der Erinnerung an die antike Glanzzeit des christlichen Afrika möchten wir unsere tiefe Achtung gegenüber den Kirchen zum Ausdruck bringen, mit denen wir nicht in voller Gemeinschaft stehen: der griechischen Kirche des Patriarchats von Alexandrien, der koptischen Kirche Ägyptens und der äthiopischen Kirche, die den Ursprung und das lehrmässige und spirituelle Erbe der großen Kirchenväter und Heiligen nicht nur ihres Landes, sondern der ganzen alten Kirche mit der katholischen Kirche gemeinsam haben. Sie haben viel getan und gelitten, um den christlichen Namen in Afrika durch die Wechselfälle der Zeiten hindurch lebendig zu erhalten«.<ref> Ebd., 3-4: a.a.O., 1075. </ref> Diese Kirchen erbringen noch heute das Zeugnis für die christliche Lebenskraft, die sie aus ihren apostolischen Wurzeln besonders in Ägypten und in Äthiopien und, bis zum 17. Jahrhundert, in Nubien schöpfen. Auf dem übrigen Kontinent begann damals ein zweiter Abschnitt der Evangelisierung.

Zweite Phase

32. Im 15. und 16. Jahrhundert war die Erforschung der afrikanischen Küste durch die Portugiesen schon bald von der Evangelisierung der südlich der Sahara gelegenen Gebiete Afrikas begleitet. Dieses Bemühen betraf unter anderen die Gebiete der heutigen Staaten Benin, Sâo Tomé, Angola, Mozambique und Madagaskar.

Am Pfingstsonntag, dem 7. Juni 1992, habe ich anlässlich der 500-Jahrfeier der Evangelisierung Angolas in Luanda unter anderem gesagt: »Die Apostelgeschichte nennt mit Namen die Bewohner der verschiedenen Gegenden, die unmittelbar an der Geburt der Kirche unter dem Wirken und Wehen des Heiligen Geistes teilnahmen. Und alle sagten: 'Wir hören sie in unserer Sprache Gottes grobe Taten verkünden' (Apg 2,11). Vor fünfhundert Jahren traten in diesen Chor der Sprachen auch die Völkerschaften Angolas ein. Damals hat sich in eurer afrikanischen Heimat der Pfingsttag von Jerusalem erneuert. Eure Vorfahren hörten die Frohbotschaft, die die Sprache des Geistes ist. Ihre Herzen nahmen zum ersten Mal dieses Wort auf, und sie neigten ihr Haupt unter dem Wasser des Taufbrunnens, in dem der Mensch unter dem Wirken des Heiligen Geistes zusammen mit dem gekreuzigten Christus stirbt und zum neuen Leben in seiner Auferstehung wiedergeboren wird [...]. Es war gewiss der gleiche Geist, der diese Männer des Glaubens, die ersten Missionare, angetrieben hat, die im Jahre 1491 an der Mündung des Flusses Zaire in Pinda an Land gingen und ein wirklich grobartiges Missionswerk begannen. Es war der Heilige Geist, der auf seine Weise in den Herzen der Menschen wirkt, der den großen König von Kongo, Nzinga-a-Nkuwu, veranlasste, um Missionare für die Verkündigung des Evangeliums zu bitten. Es war der Heilige Geist, der im Leben jener vier ersten Christen von Angola am Werk war, die nach der Rückkehr aus Europa den Wert des christlichen Glaubens bezeugten. Nach den ersten Missionaren kamen viele weitere aus Portugal und anderen europäischen Ländern, um das begonnene Werk weiterzuführen, auszuweiten und zu festigen«.<ref> Predigt zum 500-Jahr-Jubiläum der Evangelisierung Angolas (Luanda, 7. Juni 1992), 2: AAS 85(1993), 511-512. </ref>

In dieser Zeit wurde eine gewisse Anzahl von Bischofssitzen errichtet, und eine der ersten Taten dieses missionarischen Einsatzes war im Jahr 1518 in Rom die Weihe von Don Henrique, Sohn des kongolesischen Königs Alphons I., zum Titularbischof von Utica durch Papst Leo X. Don Henrique wurde so der erste einheimische Bischof Schwarzafrikas.

In jener Epoche, genau im Jahr 1622, errichtete mein Vorgänger Gregor XV. als ständige Einrichtung die Kongregation De Propaganda Fide zum Zweck einer besseren Organisation und Weiterentwicklung der Missionen.

Wegen verschiedenartiger Schwierigkeiten fand die zweite Phase der Evangelisierung Afrikas im 18. Jahrhundert mit der Auslöschung nahezu aller Missionen in den südlich der Sahara gelegenen Regionen ein jähes Ende.

Dritte Phase

33. Die dritte Phase der systematischen Evangelisierung Afrikas begann im 19. Jahrhundert, einer Zeit, die von einem ausserordentlichen, von großen Aposteln und Anregern der Afrikamission vorangetriebenen Aufschwung geprägt war. Es war eine Zeit raschen Wachstums, wie die der Synodenversammlung von der Kongregation für die Evangelisierung der Völker vorgelegten Statistiken deutlich beweisen.<ref> vgl. Situation der Kirche in Afrika und Madagaskar (einige Aspekte und Bemerkungen): L'Osservatore Romano, 16. April 1994, S. 6-8; Statistisches Amt der Kirche, Kirche in Afrika: Zahlen und Statistiken: L'Osservatore Romano, 15. April 1994, S. 6. </ref> Afrika hat sehr grobzügig auf den Anruf Christi geantwortet. In den letzten Jahrzehnten haben zahlreiche afrikanische Länder das Hundertjahr-Jubiläum des Beginns ihrer Evangelisierung begangen. Das Wachstum der Kirche in Afrika seit hundert Jahren stellt wahrlich ein Wunder der Gnade Gottes dar.

Leuchtenden Ruhm und Glanz verleihen der Evangelisierung Afrikas in der heutigen Zeit auf wunderbare Weise die Heiligen, die das moderne Afrika der Kirche geschenkt hat. Papst Paul VI. hat dieser Wirklichkeit beredten Ausdruck verliehen, als er anlässlich des Weltmissionstages 1964 die Märtyrer Ugandas in der Petersbasilika heiligsprach: »Diese afrikanischen Märtyrer fügen der Liste der Siegreichen, die das Martyrologium ist, eine tragische und grobartige Seite hinzu, die wahrhaft würdig ist, zu jenen wunderbaren Seiten des antiken Afrika hinzuzukommen [...]. Getaucht in das Blut dieser Märtyrer, der ersten der Neuzeit (gebe Gott, dass es die letzten seien, so grobartig und kostbar ihr Opfer auch ist!), ersteht Afrika wieder, frei und erlöst«.<ref> Predigt bei der Heiligsprechung der seligen Carlo Lwanga, Matthias Mulumba Kalemba und ihrer 20 ugandischen Märtyrergefähten (18. Oktober 1964): AAS 56 (1964), 905-906. </ref>

34. Die Liste der Heiligen, die Afrika der Kirche schenkt, eine Liste, die ihr höchster Ehrentitel ist, wird ständig länger. Wie könnten wir unter den jüngsten Clementina Anwarite, Jungfrau und Märtyrerin aus Zaire, unerwähnt lassen, die ich 1985 auf afrikanischem Boden seliggesprochen habe, Victoria Rasoamanarivo aus Madagaskar und Josephine Bakhita aus dem Sudan, die gleichfalls während meines Pontifikats seliggesprochen wurden? Und muss man nicht an den seligen Isidor Bakanja, Märtyrer aus Zaire, erinnern, den ich während der Sonderversammlung für Afrika zur Ehre der Altäre erheben durfte?

»Weitere Prozesse stehen vor dem Abschluss. Die Kirche in Afrika muss für ihr eigenes Martyrologium sorgen, indem sie zu den grobartigen Gestalten der ersten Jahrhunderte [...] die Märtyrer und Heiligen der letzten Zeit hinzufügt«.<ref> Johannes Paul II., Predigt anlässlich der Eucharistiefeier zum Abschluss der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode (8. Mai 1994),6: L'Osservatore Romano, 9.-10. Mai 1994, S. 5. </ref>

Für das ausserordentliche Wachstum der Kirche in Afrika in den letzten hundert Jahren, für die Früchte an Heiligkeit, die erreicht worden sind, gibt es nur eine einzige mögliche Erklärung: das alles ist Gabe Gottes, denn keine menschliche Anstrengung hätte im Laufe einer relativ so kurzen Zeit ein derartiges Werk zu vollbringen vermocht. Menschlicher Triumphalismus ist jedoch nicht angebracht. Wenn die Synodenväter an die Glanzzeit der Kirche in Afrika erinnerten, wollten sie damit lediglich die von Gott für die Befreiung und das Heil Afrikas vollbrachten Wunder preisen.

»Das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen

geschah dieses Wunder« (Ps 118 [117],23). 
»Der Mächtige hat Grobes an mir getan,

und sein Name ist heilig« (Lk 1, 49).

Anerkennung für die Missionare=

35. Das grobartige Wachstum und das Werk der Kirche in Afrika sind großenteils der heroischen, selbstlosen Hingabe von Generationen von Missionaren zu verdanken. Das wird von allen zugegeben. Die gesegnete Erde Afrikas ist in der Tat übersät von Gräbern tapferer Boten des Evangeliums.

Als die Bischöfe Afrikas in Rom zur Sonderversammlung zusammentraten, waren sie sich sehr wohl der Dankesschuld bewusst, die ihr Kontinent ihren Vorfahren im Glauben gegenüber hat.

In seiner Ansprache an die erste Versammlung von S.E.C.A.M. am 31. Juli 1969 in Kampala nahm Papst Paul VI. Bezug auf diese Dankesschuld: »Ihr Afrikaner seid nunmehr eure eigenen Missionare. Die Kirche Christi ist wirklich in diese gesegnete Erde eingepflanzt (vgl. Dekret Ad gentes, 6). Eine Verpflichtung müssen wir erfüllen: wir müssen die Erinnerung an diejenigen wachhalten, die in Afrika vor euch das Evangelium verkündet haben und es noch heute mit euch verkündigen, wie uns die Heilige Schrift ermahnt: 'Denkt an eure Vorsteher, die euch das Wort Gottes verkündet haben; schaut auf das Ende ihres Lebens und ahmt ihren Glauben nach' (Hebr 13, 7). Eine Geschichte, die wir nicht vergessen dürfen; sie verleiht der Ortskirche das Kennzeichen ihrer Glaubwürdigkeit und Vortrefflichkeit; ihren 'apostolischen' Charakter; sie ist ein Drama der Liebe, des Heroismus und des Opfers, das die afrikanische Kirche seit ihren Anfängen grob und heilig macht«.<ref> Ansprache beim Symposion der Bischofskonferenzen Afrikas und Madagaskars (31. Juli 1969), I: AAS 61 (1969), 575. </ref>

36. Die Sonderversammlung hat auf würdige Weise diese Dankesschuld beglichen, als sie bei ihrer ersten Generalkongregation erklärte: »An dieser Stelle müssen die Missionare eine warm- empfundene Würdigung erfahren, Männer und Frauen aller Orden und Säkularinstitute, und ebenso alle Länder, die sich während der etwa 2000 Jahre der Evangelisierung des afrikanischen Kontinents [...] intensiv dafür eingesetzt haben, die Fackel des christlichen Glaubens weiterzugeben [...]. Darum ist es uns, den glücklichen Erben dieses wunderbaren Abenteuers, ein Anliegen, Gott bei diesem feierlichen Anlass Dank zu sagen«.<ref> Relatio ante disceptationem (11. April 1994), 5: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S.4. </ref>

In der Botschaft an das Volk Gottes haben die Synodenväter noch einmal ausdrücklich die Missionare gewürdigt, aber nicht vergessen, den Söhnen und Töchtern Afrikas, die besonders als Katechisten und Übersetzer mit ihnen zusammenarbeiteten, ihre Anerkennung auszusprechen.<ref> Vgl. N. 10: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 4. </ref>

37. Dank des großen Missionsepos, für das besonders in den letzten zwei Jahrhunderten der afrikanische Kontinent die Bühne abgab, konnten wir in Rom zusammentreten, um die Sonderversammlung für Afrika abzuhalten. Der in Afrika einst ausgesäte Same hat überreiche Frucht getragen. Meine Brüder im Bischofsamt, Söhne der Völker Afrikas, sind dafür beredte Zeugen. Zusammen mit ihren Priestern tragen sie nunmehr den Grobteil der Evangelisierungsarbeit auf ihren Schultern. Davon zeugen auch die zahlreichen Söhne und Töchter Afrikas, die den alten Missionsorden angehören oder in die neuen, in Afrika entstandenen Institute eintreten, indem sie mit ihren Händen die Fackel der totalen Hingabe an den Dienst Gottes und des Evangeliums ergreifen.

Verwurzelung und Wachstum der Kirche

38. Der Umstand, dass innerhalb von fast zwei Jahrhunderten die Zahl der Katholiken in Afrika rasch gewachsen ist, stellt an sich in jeder Hinsicht ein bemerkenswertes Ergebnis dar. Die Konsolidierung der Kirche auf dem Kontinent wird besonders durch Faktoren bekräftigt wie die beachtliche und rasche zahlenmässige Zunahme der Kirchenbezirke, das Ansteigen des einheimischen Klerus, der Seminaristen und der Kandidaten in den Instituten des geweihten Lebens, sowie die schrittweise Ausdehnung des Netzes der Katechisten, deren Beitrag zur Ausbreitung des Evangeliums unter den afrikanischen Völkern allen wohl bekannt ist. Schliesslich verdient der hohe Prozentsatz der einheimischen Bischöfe Afrikas besonders erwähnt zu werden, die nunmehr die Hierarchie des Kontinents bilden.

Die Synodenväter haben zahlreiche sehr bedeutsame Schritte zur Kenntnis genommen, die von der Kirche in Afrika auf den Gebieten der Inkulturation und des ökumenischen Dialogs vollzogen worden sind.<ref> Vgl. Relatio post disceptationem (22. April 1994), 22-26: L'Osservatore Romano, 24. April 1994, S. 8. </ref> Die beachtlichen und verdienstvollen Leistungen im Erziehungsbereich werden allgemein anerkannt.

Obwohl die Katholiken nur vierzehn Prozent der afrikanischen Bevölkerung bilden, stellen die katholischen Einrichtungen im Bereich des Gesundheitswesens siebzehn Prozent der Gesamtstrukturen des Gesundheitswesens des ganzen Kontinents dar.

Die Initiativen, die von den jungen Kirchen Afrikas mutig ergriffen wurden, um das Evangelium »bis an die Grenzen der Erde« (Apg 1,8) zu tragen, sind zweifellos bemerkenswert. Die in Afrika errichteten Missionsinstitute haben an Zahl zugenommen und damit begonnen, nicht nur für die Länder des Kontinents, sondern auch für andere Regionen der Erde Missionare bereitzustellen. Afrikanische Diözesanpriester, deren Zahl langsam wächst, stellen sich für begrenzte Zeiträume als fidei donum-Priester in anderen, personalschwachen Diözesen in ihrer Nation oder anderswo zur Verfügung. Die afrikanischen Provinzen sowohl der männlichen wie der weiblichen Ordensinstitute päpstlichen Rechts haben gleichfalls eine Zunahme ihrer Mitglieder erfahren. Auf diese Weise stellt sich die Kirche in den Dienst der afrikanischen Völker; sie akzeptiert ausserdem, in den »Gabenaustausch« mit anderen Teilkirchen im Rahmen des ganzen Gottesvolkes einbezogen zu werden. All das zeigt auf greifbare Weise, zu welcher Reife die Kirche in Afrika gelangt ist: dies ist es denn auch, was die Abhaltung der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode möglich gemacht hat.

Was ist aus Afrika geworden?

39. Vor knapp dreissig Jahren erlangten nicht wenige afrikanische Länder ihre Unabhängigkeit von den Kolonialmächten. Das hat grobe Erwartungen geweckt hinsichtlich der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung der afrikanischen Völker. Obgleich »sich in manchen Ländern die innere Lage leider noch nicht gefestigt hat und die Gewalt die Oberhand hatte und manchmal noch immer hat, darf das nicht Anlass zu einer allgemeinen Verurteilung geben, die ein ganzes Volk oder eine ganze Nation oder, noch schlimmer, einen ganzen Kontinent einbezieht«.<ref> Paul VI., Botschaft Africae terrarum (29. Oktober 1967), 6: AAS 59 (1967), 1076. </ref>

40. Aber wie sieht die tatsächliche Gesamtsituation des afrikanischen Kontinents heute aus, besonders unter dem Gesichtspunkt des Evangelisierungsauftrags der Kirche? In diesem Zusammenhang haben sich die Synodenväter vor allem eine Frage gestellt: »Inwiefern ist auf einem Kontinent, der der schlechten Nachrichten überdrüssig ist, die christliche Verkündigung eine 'gute Nachricht' für unser Volk? Wo sind, mitten in der Verzweiflung, die alles befällt, die Hoffnung und der Optimismus, die das Evangelium mit sich bringt? Die Evangelisierung fördert viele der wesentlichen Werte, die unserem Kontinent so sehr fehlen: Hoffnung, Frieden, Freude, Harmonie, Liebe und Einheit«.<ref> Relatio ante disceptationem (11. April 1994), 2: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. </ref>

Nachdem sie zu Recht betont hatten, dass Afrika ein riesiger Kontinent mit ganz unterschiedlichen Gegebenheiten sei und man sich daher sowohl bei der Einschätzung von Problemen wie bei Lösungsvorschlägen vor jeder Verallgemeinerung zu hüten habe, mubte die Synodenversammlung schmerzvoll feststellen: »Eine allgemein verbreitete Situation ist ohne Zweifel die Tatsache, dass Afrika voller Probleme ist: in fast allen unseren Ländern herrscht eine schreckliche Verelendung, schlechte Verwaltung der ohnehin kargen verfügbaren Mittel, politische Instabilität und soziale Orientierungslosigkeit. Das Ergebnis haben wir vor Augen: Elend, Kriege, Verzweiflung. In einer von den reichen und mächtigen Nationen kontrollierten Welt ist Afrika praktisch zu einem unbedeutenden, oft vergessenen und von allen vernachlässigten Anhängsel geworden«.<ref> Ebd., 4: a.a.O. </ref>

41. Für viele Synodenväter kann das heutige Afrika mit jenem Mann verglichen werden, der von Jerusalem hinab nach Jericho ging; er fiel Räubern in die Hände, die ihn ausplünderten, ihn niederschlugen, dann weggingen und ihn halbtot liegen lieben (vgl. Lk 10, 30-37). Afrika ist ein Kontinent, in dem zahllose Menschen — Männer und Frauen, Kinder und Jugendliche — gleichsam am Strabenrand liegen, krank, verwundet, ohnmächtig, an den Rand geschoben und verlassen. Sie bedürfen dringend barmherziger Samariter, die ihnen zu Hilfe kommen.

Ich wünsche mir, dass die Kirche weiterhin geduldig und unermüdlich als guter Samariter tätig ist. Denn lange Zeit haben Regime, die heute verschwunden sind, die Afrikaner auf eine harte Probe gestellt und ihr Reaktionsvermögen geschwächt: der verwundete Mensch muss alle Möglichkeiten seines Menschseins wieder entdecken. Die Söhne und Töchter Afrikas brauchen verständnisvolle Präsenz und pastorale Sorge. Es gilt, ihnen zu helfen, ihre eigenen Kräfte zu sammeln, um sie in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen.

Positive Werte der afrikanischen Kultur

42. Afrika befindet sich trotz seiner reichen Naturschätze in einer Situation wirtschaftlicher Armut. Trotzdem besitzt es eine Vielfalt von kulturellen Werten und unschätzbaren menschlichen Qualitäten, die es den Kirchen und der ganzen Menschheit anbieten kann. Die Synodenväter haben einige dieser kulturellen Werte hervorgehoben, die gewiss eine willkommene Vorbereitung auf die Weitergabe des Evangeliums darstellen; es sind Werte, die eine positive Entwicklung der dramatischen Situation des Kontinents fördern und jenen Gesamtaufschwung in Gang bringen können, von dem die ersehnte Entwicklung der einzelnen Nationen abhängt.

Die Afrikaner haben einen tiefen Sinn für das Religiöse, einen Sinn für das Heilige, für die Existenz des Schöpfergottes und einer spirituellen Welt. Die Realität der Sünde in ihren individuellen und sozialen Formen ist dem Bewusstsein jener Völker sehr gegenwärtig, und empfunden wird auch das Bedürfnis nach Reinigungs- und Sühneriten.

43. In der afrikanischen Kultur und Tradition gilt die Rolle der Familie allgemein als grundlegend. Da der Afrikaner offen ist für diesen Sinn für die Familie, für die Liebe und Achtung des Lebens, liebt er die Kinder, die voll Freude als ein Gottesgeschenk angenommen werden. »Die Söhne und Töchter Afrikas lieben das Leben. Gerade diese Liebe zum Leben lässt sie der Verehrung der Vorfahren so grobe Bedeutung beimessen. Sie glauben instinktiv, dass jene Toten weiterleben und in Gemeinschaft mit ihnen bleiben. Ist das nicht irgendwie eine Vorbereitung auf den Glauben an die Gemeinschaft der Heiligen? Die Völker Afrikas achten das Leben, das empfangen und geboren wird. Sie freuen sich über dieses Leben. Sie lehnen den Gedanken ab, es dürfe zerstört werden, auch wenn die sogenannten 'fortschrittlichen Zivilisationen' sie in diese Richtung drängen möchten. Lebensfeindliche Praktiken aber werden ihnen durch Wirtschaftssysteme auferlegt, die dem Egoismus der Reichen dienen«.<ref> Johannes Paul II., Predigt beim Eröffnungsgottesdienst der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode (10. April 1994), 3: AAS 87 (1995),180-181. </ref> Die Afrikaner bekunden Achtung für das Leben bis zu seinem natürlichen Ende und halten für alte Menschen und Angehörige einen Platz im Schoße der Familie bereit.

Die afrikanischen Kulturen besitzen einen scharfen Sinn für Solidarität und Gemeinschaftsleben. Ein Fest wird in Afrika nur mit der ganzen Dorfgemeinschaft vorbereitet und begangen. Das Gemeinschaftsleben in den afrikanischen Gesellschaften ist tatsächlich Ausdruck der Grobfamilie. Ich bete inbrünstig darum und bitte darum zu beten, dass Afrika dieses kostbare kulturelle Erbe für immer bewahren und nie der Versuchung des Individualismus erliegen möge, der seinen besten Traditionen so fremd ist.

Einige Optionen der afrikanischen Völker

44. Auch wenn die bereits angeführten tragischen Aspekte der Lage in Afrika keineswegs bagatellisiert werden dürfen, ist es der Mühe wert, hier einige positive Leistungen der Völker des Kontinents zu erwähnen, die Lob und Ermutigung verdienen. Die Synodenväter haben in ihrer Botschaft an das Volk Gottes zum Beispiel mit Freude auf die Anbahnung des Demokratisierungsprozesses in vielen afrikanischen Ländern hingewiesen und den Wunsch ausgesprochen, dass sich dieser Demokratisierungsprozess festigen möge und alsbald durch die Zusammenarbeit aller massgeblich Beteiligten und ihren Sinn für das Gemeinwohl die Hindernisse und Widerstände gegen den Rechtsstaat beseitigt würden.<ref> Vgl. N. 36: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. </ref>

Auf dem Kontinent weht vielerorts ein starker »Wind der Veränderung«, und das Volk verlangt immer eindringlicher die Anerkennung und Förderung der Rechte und Freiheiten des Menschen. In diesem Zusammenhang stelle ich mit Befriedigung fest, dass sich die Kirche in Afrika getreu ihrer Berufung entschieden auf die Seite der Unterdrückten, der Völker stellt, die keine Stimme haben und an den Rand gedrängt sind. Ich ermutige sie nachhaltig dazu, fortzufahren in diesem Zeugnis. Die Vorzugsoption für die Armen ist »eine besondere, vorrangige Form bei der Ausübung der christlichen Liebe, eine Option, die von der ganzen Tradition der Kirche bezeugt wird [...]. Die aufrüttelnde Sorge für die Armen — nach einer aufschlussreichen Formulierung die 'Armen des Herrn' — muss auf allen Ebenen in konkrete Taten einmünden, bis schliesslich mit Entschlossenheit eine Reihe notwendiger Reformen erreicht ist«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 42-43: AAS 80 (1988), 572-574. </ref>

45. Trotz der Armut und der geringen verfügbaren Mittel hat die Kirche in Afrika eine erstrangige Rolle, was die menschliche Gesamtentwicklung betrifft; ihre beachtlichen Leistungen auf diesem Gebiet finden häufig Anerkennung bei den Regierungen und bei den internationalen Experten.

Die Sonderversammlung für Afrika hat »allen Christen und allen Menschen guten Willens, die auf dem Gebiet der Fürsorge und der Entwicklungsförderung gemeinsam mit unserer Caritas oder mit unseren Entwicklungsorganisationen tätig sind«, tiefe Anerkennung ausgesprochen.<ref> Botschaft der Synode (6. Mai 1994),39: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. </ref> Die Hilfe, die sie gleich barmherzigen Samaritern den afrikanischen Opfern von Kriegen und Katastrophen, den Flüchtlingen und Vertriebenen leisten, verdient von seiten aller Bewunderung, Anerkennung und Unterstützung.

Ich halte es für meine Pflicht, der Kirche in Afrika lebhaften Dank für die Rolle auszusprechen, die sie im Laufe der Jahre zugunsten von Frieden und Versöhnung in zahlreichen Konfliktsituationen, politischen Umstürzen oder Bürgerkriegen gespielt hat.

II. Aktuelle Probleme der Kirche in Afrika

46. Die Bischöfe Afrikas stehen vor zwei grundlegenden Fragen: wie soll die Kirche ihren Evangelisierungsauftrag beim Näherrücken des Jahres 2000 voranbringen? Wie werden die afrikanischen Christen zu immer treueren Zeugen des Herrn Jesus werden können? Um auf diese Fragen adäquate Antworten zu bieten, haben die Bischöfe vor und während der Sonderversammlung die wichtigsten Herausforderungen untersucht, denen sich die afrikanischen Ortskirchen heute stellen müssen.

Intensive Evangelisierung

47. Die erste grundlegende Feststellung der Synodenväter betrifft den Hunger der afrikanischen Völker nach Gott. Um eine entsprechende Erwartung nicht zu enttäuschen, müssen die Glieder der Kirche vor allem ihren Glauben vertiefen.<ref> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Relatio ante disceptationem (11. April 1994),6: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. </ref> Denn gerade weil sie Trägerin der Evangelisierung ist, muss die Kirche »damit beginnen, sich selbst zu evangelisieren«.<ref> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975),15: AAS 68 (1976), 14. </ref> Sie muss die Herausforderung aufgreifen, die enthalten ist »in diesem Thema von der Kirche, die sich durch eine beständige Bekehrung und Erneuerung selbst evangelisiert, um die Welt glaubwürdig zu evangelisieren«.<ref> Ebd., a.a.O., 15. </ref>

Die Synode hat Kenntnis genommen von der dringenden Notwendigkeit, in Afrika Millionen von Menschen, die noch nicht evangelisiert sind, die Frohe Botschaft zu verkünden. Sicher respektiert und schätzt die Kirche die nichtchristlichen Religionen, zu denen sich unzählige Menschen auf dem afrikanischen Kontinent bekennen, da sie ja lebendiger Ausdruck der Seele breiter Bevölkerungsgruppen sind. Doch »weder die Achtung und Wertschätzung gegenüber diesen Religionen noch die Vielschichtigkeit der aufgeworfenen Fragen können für die Kirche eine Aufforderung darstellen, eher zu schweigen als Jesus Christus vor den Nichtchristen zu verkünden. Im Gegenteil, die Kirche ist der Auffassung, dass diese vielen Menschen das Recht haben, den Reichtum des Geheimnisses Christi (vgl. Eph 3,8) kennenzulernen, worin, nach unserem Glauben, die Menschheit in unerschöpflicher Fülle alles das finden kann, was sie suchend und tastend über Gott, über den Menschen und seine Bestimmung, über Leben und Tod und über die Wahrheit in Erfahrung zu bringen sucht«.<ref> Ebd., 53: a.a.O., 42. </ref>

48. Die Synodenväter sagen mit Recht, dass »sich ein tiefschürfendes Interesse für eine echte und ausgewogene Inkulturation des Evangeliums als notwendig erweist, um in unserer, einer rapiden Entwicklung unterworfenen Gesellschaft Verwirrung und Entfremdung zu vermeiden«.<ref> Relatio ante disceptationem (11. April 1994),6: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S.4. </ref> Anlässlich meines Besuches in Malawi im Jahr 1989 sagte ich: »Ich stelle euch heute vor eine Herausforderung, eine Herausforderung, die darin besteht, eine Lebensweise, die der Qualität eurer lokalen Traditionen und dem christlichen Glauben nicht entspricht, abzulehnen. Viele Menschen in Afrika schauen nach der sogenannten 'Freiheit der modernen Lebensweise' jenseits von Afrika aus. Ich lege euch heute inständig ans Herz, in euch selber zu blicken. Blickt auf den Reichtum eurer Traditionen, blickt auf den Glauben, den wir bei dieser Zusammenkunft feiern. Da werdet ihr wahre Freiheit finden, da werdet ihr Christus finden, der euch zur Wahrheit führt«.<ref> Predigt zum Abschluss des sechsten Pastoralbesuchs in Afrika (Lilongwe,6. Mai 1989), 6: lnsegnamenti XII, I (1989), 1183. </ref>

Überwindung der Gegensätze

49. Eine weitere Herausforderung, die von den Synodenvätern hervorgehoben wurde, betrifft die verschiedenen Formen von Uneinigkeit und Zwietracht, die es durch eine ehrliche Praxis des Dialogs zu beheben gilt.<ref> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Relatio ante disceptationem (11. April 1994),6: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. </ref> Mit Recht wurde darauf hingewiesen, dass innerhalb der von den Kolonialmächten ererbten Grenzen die Koexistenz unterschiedlicher ethnischer Gruppen, Traditionen, Sprachen und auch Religionen oft auf Hindernisse stösst, die auf schwerwiegende wechselseitige Feindseligkeiten zurückgehen. »Die Stammesgegensätze bringen bisweilen, wenn auch nicht den Frieden, so zumindest die Erreichung des Gemeinwohls der Gesellschaft als ganzer in Gefahr und rufen auch Schwierigkeiten hervor für das Leben der Kirchen und für die Annahme von Bischöfen aus anderen ethnischen Gruppen«.<ref> Päpstliche Kommission ,,JUSTITIA ET PAX", Dokument Rassenvorurteile. Die Kirche und der Rassismus (3. November 1988), 12: Ench. Vat., 11, 918. </ref> Deshalb fühlt sich die Kirche in Afrika genau zu der Aufgabe ermahnt, solche Feindschaften abzubauen. Auch unter diesem Gesichtspunkt hat die Sonderversammlung die Bedeutung des ökumenischen Dialogs mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften sowie das Gespräch auch mit der traditionellen afrikanischen Religion und mit dem Islam hervorgehoben. Die Synodenväter haben sich zudem die Frage gestellt, mit welchen Mitteln dieses Ziel erreicht werden könnte.

Ehe und geistliche Berufe

50. Eine wichtige Herausforderung, die von den Bischofskonferenzen Afrikas in ihren Antworten auf die Lineamenta nahezu einstimmig unterstrichen wurde, betrifft die christliche Ehe und das Familienleben.<ref> Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, lnstrumentum laboris, 68; Relatio ante disceptationem (11. April 1994), 17: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 5; Relatio post disceptationem (22. April 1994), 6, 9, 21: L'Osservatore Romano, 24. April 1994, S. 8. </ref> Der Einsatz, der auf dem Spiel steht, ist sehr hoch: denn »die Zukunft der Welt und der Kirche führt über die Familie«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), 75: AAS 74 (1982), 173. </ref>

Eine weitere fundamentale Aufgabe, welche von der Sonderversammlung hervorgehoben wurde, stellt die Sorge um die Berufungen zum Priestertum und zum gottgeweihten Leben dar: es gilt, die Berufenen weise zu erkennen, sie von fähigen Ausbildern begleiten zu lassen, die Qualität der tatsächlich gebotenen Ausbildung zu überprüfen. Von der Sorge, die auf die Lösung dieses Problems verwandt wird, hängt es ab, ob sich die Hoffnung auf ein blühendes Anwachsen von afrikanischen Missionsberufen bewahrheitet, wie es von der Verkündigung des Evangeliums in allen Teilen des Kontinents und auch über seine Grenzen hinaus gefordert wird.

Soziale und politische Schwierigkeiten

51. »In Afrika ist die Notwendigkeit, das Evangelium auf das konkrete Leben anzuwenden, stark zu spüren. Wie könnte man Christus auf diesem riesigen Kontinent verkünden und dabei vergessen, dass es sich um eines der ärmsten Gebiete der Welt handelt? Wie könnte man die leiderfüllte Geschichte eines Landes unberücksichtigt lassen, wo viele Nationen sich noch immer mit Hunger, Krieg, Rassenspannungen und Stammesfehden, politischer Unsicherheit und Verletzung der Menschenrechte herumschlagen? Das alles bedeutet eine Herausforderung für die Evangelisierung«.<ref> Johannes Paul II., Angelus (20. März 1994): L'Osservatore Romano, 21.-22. März 1994, S.5. </ref>

Sämtliche Vorbereitungsdokumente wie auch die Diskussionen im Verlauf der Versammlung haben ausführlich die Tatsache hervorgehoben, dass Fragen wie die wachsende Armut in Afrika, die Urbanisierung, die internationale Verschuldung, der Waffenhandel, das Problem der Flüchtlinge und Vertriebenen, die Bevölkerungsprobleme und Bedrohungen, die auf der Familie lasten, die Emanzipation der Frauen, die Ausbreitung von AIDS, das Fortbestehen der Sklaverei in einigen Gegenden, der Ethnozentrismus und die Stammesfehden zu den wesentlichen Herausforderungen gehören, die von der Synode untersucht wurden.

Vordringen der Massenmedien

52. Schliesslich hat sich die Sonderversammlung mit den sozialen Kommunikationsmitteln beschäftigt, einem Problem von enormer Bedeutung, da es sich zugleich um Werkzeuge im Dienst der Evangelisierung und um Mittel zur Verbreitung einer neuen Kultur handelt, die evangelisiert werden muss.<ref> vgl. Botschaft der Synode (6. Mai 1994),45-48: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S.5. </ref> So wurden die Synodenväter mit der traurigen Tatsache konfrontiert, dass »die Entwicklungsländer, anstatt sich zu selbständigen Nationen zu entwickeln, die sich um ihren eigenen Weg zur gerechten Teilhabe an den für alle bestimmten Gü- tern und Dienstleistungen bemühen, zu Rädern eines Mechanismus, zu Teilen einer gewaltigen Maschinerie werden. Das geschieht oft auch auf dem Gebiet der sozialen Kommunikationsmittel: Weil diese meistens von Zentren im Norden der Welt aus geleitet werden, berücksichtigen sie nicht immer in gebührender Weise die eigenen vorrangigen Anliegen und Probleme dieser Länder, noch achten sie deren kulturelle Eigenart, sondern drängen ihnen nicht selten ein entstelltes Bild vom Leben und vom Menschen auf und entsprechen so nicht den Anforderungen einer echten Entwicklung«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 22: AAS 80 (1988), 539. </ref>

III. Ausbildung der träger der Evangelisierung

53. Mit welchen Ressourcen wird es der Kirche in Afrika gelingen, die eben erwähnten Herausforderungen aufzugreifen? »Die bedeutendste ist, nach der Gnade Christi, offensichtlich die des Volkes. Das Volk Gottes — verstanden im theologischen Sinn von Lumen gentium, dieses Volk, das die Glieder des Leibes Christi in seiner Ganzheit umfasst — hat den Auftrag erhalten, der eine Ehre und eine Pflicht zugleich ist, die Botschaft des Evangeliums zu verkündigen [...]. Die ganze Gemeinschaft muss für die Evangelisierung vorbereitet, motiviert und gestärkt werden, ein jeder nach seiner spezifischen Rolle in der Kirche«.<ref> Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Relatio ante disceptationem (11. April 1994),8: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. </ref> Darum hat die Synode starkes Gewicht auf die Ausbildung derer gelegt, die für die Evangelisierung in Afrika tätig sind. Die Notwendigkeit einer geeigneten Ausbildung der Priesteramtskandidaten und derjenigen, die zum Ordensleben berufen sind, habe ich bereits erwähnt. Die Versammlung hat in gleicher Weise der Ausbildung der gläubigen Laien gebührende Aufmerksamkeit gewidmet, in Anerkennung ihrer unverzichtbaren Rolle bei der Evangelisierung Afrikas. Besonders Wert gelegt wurde zu Recht auf die Ausbildung der Laienkatechisten.

54. Noch eine letzte Frage drängt sich auf: Hat die Kirche in Afrika die Laien genügend dafür ausgebildet, ihre Verantwortlichkeiten im zivilen Leben sachkundig wahrzunehmen und die gesellschaftlich-politischen Probleme im Lichte des Evangeliums und des Glaubens an Gott zu bedenken? Das ist zweifellos eine Aufgabe, die die Christen herausfordert; auf das Gesellschaftsgefüge einen Einfluss auszuüben, der nicht nur die Denkweisen, sondern die eigentlichen Strukturen der Gesellschaft so umwandeln soll, dass sich darin Gottes Pläne bezüglich der menschlichen Familie besser widerspiegeln. Gerade deshalb habe ich für die Laien eine vollständige Ausbildung gewünscht, die ihnen dazu verhilft, ein völlig kohärentes Leben zu führen. Der Glaube, die Hoffnung und die Liebe müssen für das Verhalten des echten Jüngers Christi in jeder seiner Handlungen, Situationen und Verantwortlichkeiten richtunggebend sein. Da »evangelisieren besagt, die Frohbotschaft in alle Bereiche der Menschheit zu tragen, sie durch deren Einfluss von innen her umzuwandeln und die Menschheit selbst zu erneuern«,<ref> Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 18: AAS 68 (1976), 17. </ref> müssen die Christen dazu ausgebildet werden, die sozialen Auflagen des Evangeliums so zu leben, dass ihr Zeugnis zu einer prophetischen Herausforderung gegenüber allem wird, was dem wahren Wohl der Menschen Afrikas wie jedes anderen Erdteils schadet.

KAPITEL III: EVANGELISIERUNG UND INKULTURATION

Sendung der Kirche

55. »Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!« (Mk 16, 15). Das ist der Auftrag, den der auferstandene Christus, ehe er zum Vater aufstieg, den Aposteln hinterlassen hat: »Sie aber zogen aus und predigten überall« (Mk 16, 20). »Die Aufgabe, allen Menschen die Frohbotschaft zu verkündigen, ist die wesentliche Sendung der Kirche [...]. Evangelisieren ist die Gnade und eigentliche Berufung der Kirche, ihre tiefste Identität. Sie ist da, um zu evangelisieren«.<ref> Ebd., 14: a.a.O., 13. </ref> Entstanden aus dem evangelisierenden Wirken Jesu und der Zwölf, ist sie ihrerseits gesandt, »Hüterin der Frohbotschaft zu sein, die es zu verkündigen gilt [...] Die Kirche beginnt damit, sich selbst zu evangelisieren«. In der Folge »entsendet die Kirche selbst Glaubensboten. Sie legt ihnen das Wort in den Mund, das rettet«.<ref> Ebd., 15: a.a.O., 15. </ref> Wie der Völkerapostel kann die Kirche sagen: »Wenn ich das Evangelium verkünde, [...] liegt ein Zwang auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!« (1 Kor 9,16).

Die Kirche verkündet die Frohbotschaft nicht allein durch die Verkündigung des Wortes, das sie vom Herrn empfangen hat, sondern auch durch das Zeugnis des Lebens, durch das die Jünger Christi Rechenschaft geben über den Glauben, die Hoffnung und die Liebe, die sie in sich tragen (vgl. 1 Petr 3, 15).

Dieses Zeugnis des Christen von Christus und vom Evangelium kann bis zum äussersten Opfer führen: dem Martyrium (vgl. Mk 8, 35). Denn die Kirche und der Christ verkündigen den, der »ein Zeichen [ist], dem widersprochen wird« (Lk 2, 34). Sie verkündigen »Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit« (1 Kor 1, 23). Wie ich oben ausführte, kann sich Afrika nicht nur berühmter Märtyrer der ersten Jahrhunderte rühmen, sondern auch seiner Märtyrer und Heiligen aus unserer Zeit.

Die Evangelisierung hat zum Ziel, »die Menschheit selbst von innen her umzuwandeln und zu erneuern«.<ref> Ebd., 18: a.a.O., 17. </ref> In dem einen Sohn und durch ihn sollen die Beziehungen der Menschen zu Gott, zu den anderen Menschen und zur ganzen Schöpfung erneuert werden. Dadurch kann die Verkündigung des Evangeliums zur inneren Umwandlung aller Menschen guten Willens beitragen, die ein offenes Herz für das Wirken des Heiligen Geistes haben.

56. Das Evangelium durch Worte und Taten bezeugen: das ist der Auftrag, den die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode erhalten hat und den sie nun an die Kirche des Kontinents weitergibt. »Ihr werdet meine Zeugen sein« (Apg 1, 8): das ist der Einsatz, der auf dem Spiel steht, das sollen in Afrika die Früchte der Synode in allen Bereichen des menschlichen Lebens sein.

Entstanden aus der Verkündigung mutiger Bischöfe und Missionspriester mit wirksamer Unterstützung durch die Katechisten — »Anerkennung verdient die Schar der Katechisten, die so grobe Verdienste um das Werk der Heidenmission haben«,<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, 17. </ref> —, ist die Kirche in Afrika, der Erde, die zur »neuen Heimat Christi«<ref> Paul VI., Predigt bei der Heiligsprechung der seligen Charles Lwanga, Matthias Mulumba Kalemba und 20 Märtyrer-Gefährten aus Uganda (18. Oktober 1964): AAS 56 (1964), 907-908. </ref> geworden ist, nunmehr verantwortlich für die Mission auf ihrem Erdteil und in der Welt: »Afrikaner, ihr seid jetzt eure eigenen Missionare«, sagte mein Vorgänger Paul VI. in Kampala.<ref> Ansprache beim Symposion der Bischofskonferenzen Afrikas und Madagaskars (31. Juli 1969), I: AAS 61 (1969), 575; vgl. Propositio 10. </ref> Da die grobe Mehrheit der Einwohner des afrikanischen Kontinents die Verkündigung der Frohbotschaft vom Heil noch nicht empfangen hat, empfiehlt die Synode, zu Missionsberufen zu ermutigen, und ersucht, die Darbringung von Gebeten, Opfern und konkreten Hilfen zugunsten der Missionsarbeit der Kirche zu fördern und aktiv zu unterstützen.<ref> Vgl. Propositio 10. </ref>

Verkündigung

57. »Die Synode erinnert daran, dass Evangelisieren besagt, durch das Wort und das Leben die Frohbotschaft von Jesus Christus zu verkünden, der gekreuzigt wurde, gestorben und auferstanden ist, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist«.<ref> Propositio 3. </ref> Dem von allen Seiten von aufbrechendem Hab und Gewalt, von Konflikten und Kriegen erdrückten Afrika sollen die Verkünder des Evangeliums die im Ostergeheimnis verwurzelte Hoffnung auf das Leben verkünden. Jesus hat gerade zu dem Zeitpunkt, als sein Leben menschlich gesprochen zum Scheitern verurteilt zu sein schien, die Eucharistie, das »Unterpfand der ewigen Herrlichkeit«,<ref> Antiphon O sacrum convivium: zweite Vesper des Fronleichnamsfestes, ad Magnificat. </ref> eingesetzt, um seinen Sieg über den Tod in Zeit und Raum zu verewigen. Deshalb wollte sich die Sonderversammlung für Afrika zu diesem Zeitpunkt, da sich der afrikanische Kontinent in verschiedener Hinsicht in einer kritischen Lage befindet, als »Synode der Wiedererstehung, Synode der Hoffnung« vorstellen [...] . »Christus, unsere Hoffnung, lebt, auch wir werden leben!«.<ref> Botschaft der Synode (6. Mai 1994), 2: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 4. </ref> Afrika ist nicht dem Tod, sondern dem Leben geweiht!

Daher muss sich »die Neuevangelisierung auf die Begegnung mit der lebendigen Person Christi konzentrieren«.<ref> Propositio 4. </ref> »Die Erstverkündigung muss das Ziel haben, dieses erschütternde und begeisternde Erleben Christi, der uns anzieht und mitreibt, schliesslich in ein Abenteuer des Glaubens zu verwandeln«.<ref> Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Botschaft der Synode (6. Mai 1994),9: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 4. </ref> Eine Aufgabe, die auf einzigartige Weise dadurch erleichtert wird, dass »der Afrikaner von seinem Leben und seiner traditionellen Religion her an Gott, den Schöpfer, glaubt. Er ist daher auch offen für die vollständige und endgültige Offenbarung Gottes in Jesus Christus, Gott-mit-uns, fleischgewordenes Wort. Jesus, die Frohe Botschaft, ist Gott, der den Afrikaner [...] aus Unterdrückung und Sklaverei rettet«.<ref> Propositio 4. </ref>

Die Evangelisierung muss »den Menschen und die Gesellschaft auf allen Bereichen ihres Daseins erreichen. Sie äussert sich in verschiedenen Aktivitäten, insbesondere in den Betätigungsfeldern, die von der Synode ausdrücklich in Betracht gezogen wurden: Verkündigung, Inkulturation, Dialog, Gerechtigkeit und Frieden, soziale Kommunikationsmittel«.<ref> Propositio 3. </ref>

Damit diese Mission vollständig gelingt, muss »bei der Evangelisierung die eindringliche Anrufung des Heiligen Geistes erfolgen, auf dass sich ein ständiges Pfingsten ereigne, in dem, wie schon beim ersten Pfingsten, Maria ihren Platz haben wird«.<ref> Propositio 4. </ref> In der Tat führt die Kraft des Heiligen Geistes die Kirche in die ganze Wahrheit ein (vgl. Joh 16, 13) und lässt sie auf die Welt zugehen, damit sie mit vertrauensvoller Gewissheit Zeugnis gibt von Christus. 58. Das Wort, das aus dem Mund Gottes kommt, ist lebendig und kraftvoll und kehrt nie leer zu ihm zurück (vgl. Jes 55, 11; Hebr 4, 12-13). Man muss es daher unaufhörlich verkünden, bei jeder Gelegenheit »dafür eintreten, ob man es hören will oder nicht [...] in unermüdlicher und geduldiger Belehrung« (2 Tim 4, 2). Das zuerst der Kirche anvertraute geschriebene Wort Gottes »darf nicht eigenmächtig ausgelegt werden« (2 Petr 1, 20); seine authentische Auslegung ist Sache der Kirche.<ref> Vgl. Propositio 6. </ref>

Um zu erreichen, dass das Wort Gottes bekannt, geliebt, bedacht und im Herzen der Gläubigen bewahrt werde (vgl. Lk 2, 19.51), ist es notwendig, die Anstrengungen für einen erleichterten Zugang zur Heiligen Schrift zu intensivieren, speziell durch Gesamt- oder Teilübersetzungen der Bibel, die möglichst in Zusammenarbeit mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften erstellt werden und von Leseanleitungen für das Gebet und das Studium des Textes in Familie und Gemeinde begleitet sein sollen. Ausserdem gilt es, für die Mitglieder des Klerus, für die Ordensleute, für die Katechisten und für die Laien im allgemeinen die Bibelausbildung zu fördern; für entsprechende Wortgottesdienste zu sorgen; das Bibelapostolat zu fördern mit Hilfe des biblischen Zentrums für Afrika und Madagaskar und anderer ähnlicher Einrichtungen, die auf allen Ebenen Unterstützung verdienen. Kurz gesagt, man wird trachten müssen, allen Gläubigen von Kindheit an die Heilige Schrift in die Hand zu geben.<ref> Vgl. ebd. </ref>

Dringlichkeit und Notwendigkeit der Inkulturation

59. Die Synodenväter haben wiederholt die besondere Bedeutung unterstrichen, die bei der Evangelisierung der Inkulturation zukommt, also jenem Prozess, durch den »sich die Katechese in den unterschiedlichen Kulturen 'inkarniert'«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Catechesi tradendae (16. Oktober 1979), 53: AAS 71 (1979), 1319. </ref> Die Inkulturation weist eine doppelte Dimension auf: einerseits »die innere Umwandlung der authentischen kulturellen Werte durch deren Einfügung ins Christentum« und andererseits »die Verwurzelung des Christentums in den verschiedenen Kulturen«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990),52: AAS 83 (1991) 229; vgl. Propositio 28. </ref> Die Synode betrachtet die Inkulturation als eine Priorität und Dringlichkeit im Leben der Teilkirchen für eine tatsächliche Verwurzelung des Evangeliums in Afrika,<ref> Vgl. Propositio 29. </ref> als »ein Erfordernis der Evangelisierung«,<ref> Propositio 30. </ref> als »einen Weg zur vollen Evangelisierung«,<ref>Propositio 32. </ref> als eine der gröbten Herausforderungen für die Kirche auf dem Kontinent angesichts des nahenden dritten Jahrtausends.<ref> Vgl. Propositio 33. </ref>

Theologische Grundlagen

60. »Als aber die Zeit erfüllt war« (Gal 4, 4), ist das Wort, zweite Person der Heiligen Dreifaltigkeit, Gottes eingeborener Sohn, »Fleisch geworden vom Heiligen Geist aus Maria, der Jungfrau, und ist Mensch geworden«.<ref>Nizänisch-konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis, DS 150. </ref> Das ist das erhabene Geheimnis von der Fleischwerdung des Wortes, ein Geheimnis, das in der Geschichte stattgefunden hat: unter genau feststehenden zeitlichen und räumlichen Umständen, in einem Volk, das über seine eigene Kultur verfügt, das Gott auserwählt und durch die ganze Heilsgeschichte begleitet hatte, um durch alles, was er in ihm vollbrachte, zu zeigen, was er für die ganze Menschheit zu tun beabsichtigte.

Als offenkundiger Beweis der Liebe Gottes zu den Menschen (vgl. Röm 5, 8) hat Jesus Christus mit seinem Leben, mit der den Armen verkündeten Frohbotschaft, mit dem Leiden, dem Tod und der glorreichen Auferstehung die Vergebung unserer Sünden und unsere Wiederversöhnung mit Gott, seinem Vater und, dank ihm, unserem Vater, erwirkt. Das Wort, das die Kirche verkündet, ist eben das menschgewordene Wort Gottes, er selbst ist Subjekt und Objekt dieses Wortes. Die Frohbotschaft ist Jesus Christus.

Wie »das Wort Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat« (Joh 1, 14), so muss sich die Frohe Botschaft, das den Völkern verkündete Wort Jesu Christi, in das Lebensmilieu seiner Hörer hineinlassen. Die Inkulturation ist genau diese Einverleibung der Botschaft des Evangeliums in die Kulturen.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Catechesi tradendae (16. Oktober 1979),53: AAS 71 (1979), 1319. </ref> Die Menschwerdung des Gottessohnes war in der Tat, eben weil sie vollständig und konkret war,<ref> Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an der Universität von Coimbra (15. Mai 1982).5: lnsegnamenti V ,2 (1982), 1695. </ref> auch Inkarnation in einer spezifischen Kultur.

61. In Anbetracht der engen, organischen Beziehung, die zwischen Jesus Christus und dem von der Kirche verkündeten Wort besteht, kann die Inkulturation der geoffenbarten Botschaft gar nicht umhin, der dem Geheimnis der Erlösung eigenen »Logik« zu folgen. Die Menschwerdung des Wortes stellt ja kein isoliertes Ereignis dar, sondern strebt auf »die Stunde« Jesu und das Ostergeheimnis zu: »Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht« (Joh 12,24). »Und ich, sagt Jesus, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen« (Joh 12,32). Diese Selbstentäusserung, diese Kenosis, derer es für die Verherrlichung bedarf, der Weg Jesu und jedes seiner Jünger (vgl. Phil 2, 6-9) ist Leuchtkraft für die Begegnung der Kulturen mit Christus und seinem Evangelium. »Jede Kultur muss von den Wer- ten des Evangeliums im Lichte des Ostergeheimnisses umgewandelt werden«.<ref> Propositio 28. </ref>

Mit dem Blick auf das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung muss man zwischen den Werten und den Unwerten der Kulturen unterscheiden. Wie das Wort Gottes in allem uns ähnlich geworden ist ausser der Sünde, so übernimmt die Inkulturation der Frohen Botschaft alle authentischen menschlichen Werte, reinigt sie von der Sünde und gibt ihnen ihre volle Bedeutung zurück.

Die Inkulturation besitzt auch tiefe Bande zum Pfingstgeheimnis. Durch die Ausgiessung und das Wirken des Heiligen Geistes, der Gaben und Talente vereint, erleben alle Völker der Erde, wenn sie in die Kirche eintreten, ein neues Pfingsten, bekennen in ihrer Sprache den einen Glauben an Jesus Christus und verkündigen die Wundertaten, die der Herr für sie vollbracht hat. Der Geist, der auf der natürlichen Ebene Urquelle der Weisheit der Völker ist, führt die Kirche durch eine übernatürliche Erleuchtung zur Erkenntnis der ganzen Wahrheit. Die Kirche ihrerseits wird, wenn sie die Werte der verschiedenen Kulturen aufnimmt, zur »sponsa ornata monilibus suis«, »Braut, die ihr Geschmeide anlegt« (Jes 61, 10).

Kriterien und Bereiche der Inkulturation

62. Das ist eine schwierige und heikle Aufgabe, denn sie stellt die Treue der Kirche zum Evangelium und zur apostolischen Überlieferung in der ständigen Entwicklung der Kulturen in Frage. Zu Recht haben die Synodenväter daher bemerkt: »Was die raschen kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Veränderungen betrifft, so werden unsere Ortskirchen an einem immer wieder erneuerten Inkulturationsprozess arbeiten und dabei folgende zwei Kriterien beachten müssen: die Vereinbarkeit mit der christlichen Botschaft und die Gemeinschaft mit der Universalkirche [...]. Auf jeden Fall wird man dafür sorgen müssen, jeden Synkretismus zu vermeiden«.<ref>Propositio 3 I. </ref>

»Als Weg zu einer vollständigen Evangelisierung zielt die Inkulturation darauf ab, den Menschen in die Lage zu versetzen, angesichts der vollen Anhänglichkeit an Gottvater und eines heiligmässigen Lebens durch die Wirkung des Heiligen Geistes Jesus Christus in die Gesamtheit des persönlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Daseins aufzunehmen«.<ref> Propositio 32. </ref>

Indem die Synode Gott für die Früchte dankte, die die Anstrengungen der Inkulturation für das Leben der Kirchen des Kontinents, besonders für die alten orientalischen Kirchen Afrikas bereits erbracht haben, empfahl sie »den Bischöfen und allen Bischofskonferenzen, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Inkulturation sämtliche Bereiche des Lebens der Kirche und der Evangelisierung einbezieht: Theologie, Liturgie, Leben und Aufbau der Kirche. Das alles unterstreicht, dass es einer Untersuchung im Bereich der afrikanischen Kulturen in ihrer ganzen Komplexität bedarf«. Aus diesem Grund hat die Synode die Hirten aufgefordert, »sich weitestgehend die vielfältigen Möglichkeiten zunutze zu machen, die die derzeitige Disziplin der Kirche diesbezüglich bereits vorsieht«.<ref> Ebd. </ref>

Kirche als Familie Gottes

63. Die Synode hat nicht nur von Inkulturation gesprochen, sondern hat sie auch konkret angewandt, wenn sie als Leitgedanken für die Evangelisierung Afrikas die Idee von der Kirche als Familie Gottes<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 6. </ref> übernahm. Darin erkannten die Sy- nodenväter einen für Afrika besonders passenden Ausdruck für das Wesen der Kirche. Dieser bildhafte Ausdruck betont nämlich die Sorge um den anderen, die Solidarität, die Herzlichkeit der Beziehungen, die Annahme, den Dialog und das Vertrauen.<ref> Vgl. Propositio 8. </ref> Die Neuevangelisierung wird daher den Aufbau der Kirche als Familie anstreben, wobei jeder Ethnozentrismus und jeder übertriebene Partikularismus ausgeschlossen und stattdessen versucht werden soll, auf die Aussöhnung und eine echte Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Völkerschaften hinzuarbeiten durch Förderung der Solidarität und der Verteilung des Personals und der Mittel zwischen den Teilkirchen, ohne Ansehen der ethnischen Herkunft.<ref> Vgl. ebd. </ref> »Man kann nur wünschen, dass die Theologen die Theologie von der Kirche als Familie erarbeiten, mit dem ganzen Reichtum, der diesem Begriff innewohnt, und dabei die Komplementarität dieses Begriffes durch andere Kirchenbilder entwickeln«.<ref> Ebd. </ref>

Das setzt ein gründliches Nachdenken über das biblische und das Erbe der Überlieferung voraus, wie es das II. Vatikanische Konzil in der dogmatischen Konstitution Lumen gentium vorgestellt hat. Der wunderbare Text legt die Lehre über die Kirche dar und greift dabei auf Bilder aus der Heiligen Schrift zurück, wie Mystischer Leib, Volk Gottes, Tempel des Geistes, Herde und Schafstall, Haus, in dem Gott mit den Menschen wohnt. Nach Aussage des Konzils ist die Kirche Braut Christi und unsere Mutter, heilige Stadt und Anfang des künftigen Reiches. Diesen eindrucksvollen Bildern wird man aufgrund der Empfehlung der Synode Rechnung tragen müssen, wenn eine auf den Begriff Kirche als Familie Gottes eingestellte Ekklesiologie entwickelt werden soll.<ref> Vgl. ebd. </ref> So wird man die Aussage, von der die Konzilskonstitution ausgeht, in ihrer ganzen Fülle und Dichte bewerten können: »Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, I. Siehe die Kapitel I und II in ihrer Gesamtheit. </ref>

Anwendungsgebiete

64. Ohne jegliches Vorurteil gegenüber den Traditionen, die jeder Kirche, der lateinischen bzw. der orientalischen Kirche, eigen sind, wird man in der Praxis »die Inkulturation der Liturgie vorantreiben müssen — wobei freilich dafür zu sorgen ist, dass an den wesentlichen Elementen nichts verändert wird —, damit das gläubige Volk die liturgischen Feiern besser verstehen und miterleben kann«.<ref> Propositio 34. </ref>

Die Synode hat zudem noch einmal beteuert, dass es auch dann, wenn sich trotz einer langen Periode der Evangelisierung die Lehre schwerlich assimilieren lässt oder wenn ihre praktische Handhabung ernste pastorale Probleme, vor allem im sakramentalen Leben, mit sich bringt, geboten ist, der Lehre der Kirche treu zu bleiben und gleichzeitig die Menschen in Gerechtigkeit und mit echter pastoraler Liebe zu respektieren. Unter dieser Voraussetzung hat die Synode den Wunsch ausgesprochen, die Bischofskonferenzen mögen, was die Fragen Ehe, Ahnenverehrung und Geisterwelt betrifft, in Zusammenarbeit mit den Universitäten und den katholischen Instituten Studienkommissionen ins Leben rufen, um alle kulturellen Aspekte der Probleme gründlich zu untersuchen, die sich unter theologischem, sakramentalem, rituellem und kirchenrechtlichem Gesichtspunkt stellen.<ref> Vgl. Propositiones 35-37. </ref>

Dialog

65. »Die Dialoghaltung ist die Verhaltensweise des Christen innerhalb seiner Gemeinschaft sowie gegenüber den anderen Gläubigen und Menschen guten Willens«.<ref>Propositio 38. </ref> Der Dialog muss yor allem in der Kirhe als Familie gepflegt werden, und zwar auf allen Ebenen: zwischen Bischöfen, Bischofskonferenzen oder Versammlungen der Hierarchie und Apostolischem Stuhl, zwischen den Bischofskonferenzen bzw. Bischofsversammlungen der verschiedenen Nationen desselben Kontinents und jenen der anderen Kontinente und in jeder Teilkirche zwischen dem Bischof, dem Presbyterium, den Ordensleuten, den pastoralen Mitarbeitern und den gläubigen Laien; sowie auch zwischen den verschiedenen Riten innerhalb ein und derselben Kirche. S.E.C.A.M. soll für seine Ausstattung »mit Strukturen und Mitteln« sorgen, »die die Ausübung dieses Dialogs gewährleisten«,<ref> Propositio 39. </ref> um insbesondere eine organisch gewachsene pastorale Solidarität zu fördern.

»In ihrem Zeugnis in Afrika mit Christus verbunden, sind die Katholiken eingeladen, einen ökumenischen Dialog mit allen getauften Brüdern und Schwestern der anderen christlichen Konfessionen in Gang zu bringen, damit die Einheit, für die Christus gebetet hat, Wirklichkeit werde und auf diese Weise ihr Dienst an den Völkern des Kontinents das Evangelium in den Augen aller Männer und Frauen, die Gott suchen, glaubwürdiger mache«.<ref> Propositio 40. </ref> Dieser Dialog kann konkrete Gestalt annehmen in Initiativen wie der ökumenischen Bibelübersetzung, der theologischen Vertiefung des einen oder anderen Aspekts des christlichen Glaubens oder auch durch das gemeinsam dargebrachte evangelische Zeugnis für die Gerechtigkeit, den Frieden und die Achtung der Menschenwürde. Man sollte sich daher um die Errichtung von Ökumenismus-Kommissionen auf nationaler und diözesaner Ebene kümmern.<ref>Vgl. ebd. </ref> Die Christen sind gemeinsam für das Zeugnis des Evangeliums auf dem Kontinent verantwortlich. Die Fortschritte im Ökumenismus haben auch zum Ziel, diesem Zeugnis gröbere Wirksamkeit zu verleihen.

66. »Das Bemühen um den Dialog muss auch die Muslime guten Willens einbeziehen. Die Christen dürfen nicht vergessen, dass viele Muslime willens sind, den Glauben Abrahams nachzuahmen und nach den Vorschriften der Zehn Gebote zu leben«.<ref> Propositio 41. </ref> In diesem Zusammenhang unterstreicht die Botschaft der Synode, dass der lebendige Gott, Schöpfer des Himmels und der Erde und Herr der Geschichte, der Vater der großen Menschheitsfamilie ist, der wir angehören. Als solcher will er, dass wir seine Zeugen sind, indem wir die Werte und religiösen Traditionen eines jeden achten, gemeinsam für die Förderung und Entwicklung des Menschen auf allen Ebenen arbeiten. Weit davon entfernt, jemand sein zu wollen, in dessen Namen andere Menschen sich umbringen, verpflichtet er die Gläubigen dazu, sich gemeinsam in den Dienst am Leben in Gerechtigkeit und Frieden zu stellen.<ref> Vgl. Nr. 23: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. </ref>

Man wird daher besondere Aufmerksamkeit darauf legen müssen, dass der islamisch-christliche Dialog auf beiden Seiten die Ausübung der Religionsfreiheit respektiert, und zwar mit allem, was dazugehört, einschliesslich der äusseren, öffentlichen Glaubenskundgebungen.<ref> vgl. Propositio 41. </ref> Christen und Muslime sind aufgerufen, sich um die Förderung eines Dialogs zu bemühen, der von den aus einer falschen Irenik oder einem militanten Fundamentalismus herrührenden Gefahren frei ist, und ihre Stimme ebenso gegen unlautere politische Mabnahmen und Praktiken zu erheben wie gegen jedes Fehlen tatsächlicher Reziprozität der Religionsfreiheit.<ref> vgl. ebd. </ref>

67. Was die traditionelle afrikanische Religion betrifft, so wird ein offener und kluger Dialog einerseits vor negativen Einflüssen, die selbst die Lebensweise vieler Katholiken prägen, schützen können und andererseits die Übernahme positiver Werte, wie den Glauben an ein höchstes, ewiges Wesen, einen Schöpfer und vorsorglichen und gerechten Richter sicherstellen, die sich sehr wohl mit dem Inhalt des Glaubens in Einklang bringen lassen. Ja, sie können als eine Vorbereitung auf das Evangelium angesehen werden, da sie kostbare semina Verbi, Samenkörner des Wortes, enthalten, die, wie bereits in der Vergangenheit geschehen, imstande sind, eine grobe Anzahl von Personen zu veranlassen, »sich der Fülle der Offenbarung in Jesus Christus durch die Verkündigung des Evangeliums zu öffnen«.<ref>Propositio 42. </ref> Es gilt daher, alle Anhänger der traditionellen Religion mit grober Achtung und Wertschätzung zu behandeln und jede unpassende und respektlose Redeweise zu vermeiden. Zu diesem Zweck soll an den Priesterseminaren und Ausbildungshäusern der Orden der erforderliche Unterricht über die traditionelle Religion gehalten werden.<ref>vgl. ebd. </ref>

Volle menschliche Entfaltung

68. Die volle menschliche Entfaltung — die Entfaltung jedes Menschen und des ganzen Menschen, besonders des bedürftigsten und aus der Gemeinschaft ausgegrenzten — steht im Zentrum der Evangelisierung. »Zwischen Evangelisierung und menschlicher Entfaltung — Entwicklung und Befreiung — bestehen in der Tat enge Verbindungen. Verbindungen anthropologischer Natur, denn der Mensch, dem die Evangelisierung gilt, ist kein abstraktes Wesen, sondern sozialen und wirtschaftlichen Problemen unterworfen. Verbindungen theologischer Natur, da man ja den Schöpfungsplan nicht vom Erlösungsplan trennen kann, der hineinreicht bis in die konkreten Situationen des Unrechts, das es zu bekämpfen, und der Gerechtigkeit, die es wiederherzustellen gilt. Verbindungen schliesslich jener ausgesprochen biblischen Ordnung, wie sie die der Liebe ist: Wie könnte man in der Tat das neue Gebot der Liebe verkünden, ohne in der Gerechtigkeit und im Frieden das wahre, echte Wachstum des Menschen zu fördern?«.<ref>Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 31: AAS 68 (1976), 26. </ref>

So wählte der Herr Jesus, als er in der Synagoge von Nazaret sein öffentliches Wirken aufnahm, zur Erläuterung seiner Sendung den messianischen Text aus dem Buch des Jesaja: »Der Geist des Herrn ruht auf mir: denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht: damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe« (Lk 4, 18-19; vgl. Jes 61, 1-2).

Der Herr sieht sich also als den, der gesandt worden ist, um das Elend der Menschen zu lindern und jede Form von Ausgrenzung zu bekämpfen. Er ist gekommen, den Menschen zu befreien; er ist gekommen, um unsere Leiden auf sich zu nehmen und unsere Krankheiten zu tragen: »In der Tat galt der ganze Dienst Jesu der Aufmerksamkeit für alle jene in seiner Umgebung, die von einem Leiden betroffen waren: Menschen in Leid und Schmerz, Lahme, Aussätzige, Blinde, Taube, Stumme (vgl. Mt 8, 17)«.<ref> Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Lineamenta, 79. </ref> »Es ist unmöglich, dass das Werk der Evangelisierung die äusserst schwierigen und heute so stark erörterten Fragen vernachlässigen kann und darf, die die Gerechtigkeit, die Befreiung, die Entwicklung und den Frieden in der Welt betreffen«:<ref>Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975),31: AAS 68 (1976), 26. </ref> die Befreiung, die die Evangelisierung verkündet, »kann sich nicht einfach auf die begrenzte wirtschaftliche, politische, soziale oder kulturelle Dimension beschränken, sondern muss den ganzen Menschen in allen seinen Dimensionen sehen, einschliesslich seiner Öffnung auf das Absolute hin, das Gott ist«.<ref> Ebd., 33: a.a.O., 27. </ref>

Zu Recht führt das II. Vatikanische Konzil aus: »In Verfolgung ihrer eigenen Heilsabsicht vermittelt die Kirche nicht nur den Menschen das göttliche Leben, sondern lässt dessen Widerschein mehr oder weniger auf die ganze Welt fallen, vor allem durch die Heilung und Hebung der menschlichen Personwürde, durch die Festigung des menschlichen Gemeinschaftsgefüges, durch die Erfüllung des alltäglichen menschlichen Schaffens mit tieferer Sinnhaftigkeit und Bedeutung. So glaubt die Kirche durch ihre einzelnen Glieder und als ganze viel zu einer humaneren Gestaltung der Menschenfamilie und ihrer Geschichte beitragen zu können«.<ref> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 40. </ref> Die Kirche verkündet das Reich Gottes und beginnt es nach dem Beispiel Jesu zu verwirklichen, denn »die Natur des Reiches [ist] die Gemeinschaft aller Menschen untereinander und mit Gott«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 15: AAS 83 (199 I), 263. </ref> So ist »das Reich Quelle der völligen Befreiung und des ganzen Heiles für die Menschen: Die Kirche lebt und geht mit ihnen in tiefer und wahrer Solidarität mit der Menschheitsgeschichte«.<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988),36: AAS 81 (1989), 459. </ref>

69. Die Geschichte der Menschen erhält ihre wahre Sinnhaftigkeit in der Menschwerdung des Wortes Gottes, die das Fundament der wiederhergestellten menschlichen Würde ist. Durch Christus, »Ebenbild des unsichtbaren Gottes, Erstgeborener der ganzen Schöpfung« (Kol 1, 15), ist der Mensch erlöst worden; ja, »der Sohn Gottes hat sich in seiner Menschwerdung gewissermassen mit jedem Menschen vereinigt«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 22. </ref> Muss man da nicht mit dem hl. Leo dem Großen ausrufen: »Christ, werde dir deiner Würde bewusst«?<ref> Sermo XXI, 3: SCh 22a, 72. </ref>

Christus verkündigen heißt also dem Menschen seine unveräusserliche Würde offenbaren, die Gott durch die Menschwerdung seines eingeborenen Sohnes wiederhergestellt hat. Und das II. Vatikanische Konzil fährt fort: »Da es aber der Kirche anvertraut ist, das Geheimnis Gottes, des letzten Zieles der Menschen, offenkundig zu machen, erschliesst sie dem Menschen gleichzeitig das Verständnis seiner eigenen Existenz, das heißt die letzte Wahrheit über den Menschen und seine Bestimmung«.<ref> Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 41. </ref>

Da der Mensch nun einmal mit dieser unvergleichlichen Würde ausgestattet ist, kann er nicht unter menschenunwürdigen sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Lebensbedingungen leben. Das ist die theologische Grundlage des Kampfes für die Verteidigung der Personenwürde, für Gerechtigkeit und sozialen Frieden, für die Förderung, Befreiung und vollständige Entfaltung des Menschen und jedes Menschen. Das auch deshalb, weil mit Rücksicht auf diese Würde die Entwicklung der Völker — innerhalb jeder Nation und in den internationalen Beziehungen — auf solidarische Weise erfolgen muss, wie mein Vorgänger Paul VI. äusserst treffend bemerkte.<ref> vgl. Enzyklika Populorum progressio (26. März 1967),48: AAS 59 (1967), 281. </ref> Genau aus dieser Sicht konnte er feststellen: »Entwicklung ist der neue Name für Friede«.<ref> Ebd., 87: a.a.O., 299. </ref> Man kann also mit Recht sagen, dass »die volle Entwicklung und Entfaltung die Achtung der Menschenwürde voraussetzt, die sich nur in Gerechtigkeit und Frieden verwirklichen kann«.<ref> Propositio 45. </ref>

Sich zum Sprecher derer machen, die keine Stimme haben

70. Gestärkt im Glauben und in der Hoffnung auf die Heilskraft Jesu haben die Synodenväter zum Abschluss ihrer Arbeiten die Verpflichtung zur Annahme der Herausforderung erneuert, nämlich in jedem noch so unterschiedlichen Lebensbereich der afrikanischen Völker Heilswerkzeuge zu sein. »Die Kirche — so erklärten sie — muss weiter ihre prophetische Rolle ausüben und sich zur Stimme derjenigen machen, die keine Stimme haben«,<ref> Ebd. </ref> damit überall jeder Person die menschliche Würde zuerkannt werde und stets der Mensch im Mittelpunkt jedes Regierungsprogrammes stehe. Die Synode »interpelliert an das Gewissen der Staatsoberhäupter und der für das öffentliche Leben Verantwortlichen, in zunehmendem Maße die Befreiung und Entwicklung ihrer Völker zu garantieren«.<ref> Ebd. </ref> Nur um diesen Preis lässt sich der Friede unter den Völkern aufbauen.

Die Evangelisierung muss jene Initiativen fördern, die dazu beitragen, den Menschen in seiner geistigen und materiellen Existenz zur Entfaltung zu bringen und zu adeln. Es geht um die Entwicklung und Entfaltung jedes Menschen und des ganzen Menschen, der nicht bloss für sich alleinstehend, sondern auch und besonders im Rahmen einer solidarischen und harmonischen Entwicklung aller Mitglieder einer Nation und aller Völker der Erde zu verstehen ist.<ref> Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio (26. März 1967),48: AAS 59 (1967), 281. </ref>

Schliesslich muss die Evangelisierung alles offenlegen und bekämpfen, was den Menschen entwürdigt und zerstört. »Die Durchführung des Verkündigungsauftrages im sozialen Bereich, der ein Aspekt der prophetischen Dimension der Kirche ist, umfasst auch die Offenlegung der Übel und Ungerechtigkeiten. Doch ist die Klarstellung angebracht, dass Verkündigung wichtiger ist als Anklage, und dass diese nicht von jener absehen darf, da sie nur von dort ihre wahre Berechtigung und die Kraft einer höchsten Motivation erhält«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 41: AAS 80 (1988), 572. </ref>

Soziale Kommunikationsmittel

71. »Seit jeher ist Gott charakterisiert durch seinen Willen sich mitzuteilen. Er tut dies auf verschiedenste Weise. Allen beseelten oder unbeseelten Geschöpfen schenkt er das Leben. Besonders zum Menschen knüpft er bevorzugte Beziehungen. 'Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn' (Hebr 1, 1-2)«.<ref>Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, lnstrumentum laboris, 127. </ref> Das Wort Gottes ist seiner Natur nach Wort, Dialog und Kommunikation. Er ist gekommen, um einerseits die Kommunikation und die Beziehungen zwischen Gott und den Menschen und andererseits die der Menschen untereinander wiederherzustellen.

Die Massenmedien haben die Aufmerksamkeit der Synode unter zwei wichtigen und sich ergänzenden Aspekten auf sich gezogen: als aufkommendes neues Kulturphänomen und als eine Gesamtheit von Mitteln im Dienst an der Kommunikation. Sie stellen von Anfang an eine neue Kultur dar, die ihre eigene Sprache und vor allem eigene spezifische Werte und Unwerte hat. Daher müssen sie, wie alle Kulturen, evangelisiert werden.<ref>Vgl. Botschaft der Synode, (6. Mai 1994), 45-46: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. </ref>

In unseren Tagen stellen die Massenmedien in der Tat nicht nur eine Welt, sondern eine Kultur und Zivilisation dar. Und auch in diese Welt wird die Kirche gesandt, um ihr die Frohe Botschaft vom Heil zu bringen. Die Boten des Evangeliums müssen also eintreten und sich von dieser neuen Zivilisation und Kultur durchdringen lassen, doch zu dem Zweck, sich ihrer auf passende Weise zu bedienen. »Der erste Areopag der neuen Zeit ist die Welt der Kommunikation, die die Menschheit immer mehr eint und, wie man zu sagen pflegt, zu einem 'Weltdorf' macht. Die Massenmedien spielen eine derartig wichtige Rolle, dass sie für viele zum Hauptinstrument der Information und Bildung, der Führung und Beratung für individuelles, familiäres und soziales Verhalten geworden sind«.<ref>Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990),37, c: AAS 83 (1991), 285. </ref>

Die Ausbildung zum Gebrauch der Massenmedien ist daher eine Notwendigkeit; das gilt nicht nur für den, der das Evangelium verkündet und der unter anderem über den Kommunikationsstil verfügen muss, sondern auch für den Leser, den Rundfunkhörer und das Fernsehpublikum, die auf Grund einer Schulung zum Verständnis der jeweiligen Kommunikationsart imstande sein sollen, deren Beiträge kritisch zu beurteilen. In Afrika, wo die mündliche Weitergabe eines der Wesensmerkmale der Kultur darstellt, kommt einer solchen Ausbildung eine grundlegende Bedeutung zu. Eben dieser Kommunikationstyp muss die Hirten, besonders die Bischöfe und die Priester, daran erinnern, dass die Kirche gesandt ist, zu sprechen, durch Wort und Zeichen das Evangelium zu verkünden. Sie kann also nicht schweigen auf die Gefahr hin, ihren Auftrag nicht zu erfüllen; es sei denn, dass unter bestimmten Umständen gerade das Schweigen eine Form des Sprechens und Zeugnisgebens wäre. Wir müssen also immer, bei jeder Gelegenheit das Wort verkünden, ob man es hören will oder nicht (vgl. 2 Tim 4, 2), um aufzubauen in Liebe und Wahrheit.

KAPITEL IV: IM AUSBLICK AUF DAS DRITTE CHRISTLICHE JAHRTAUSEND

I. Die gegenwärtigen Herausforderungen

72. Die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode wurde einberufen, um der über den Kontinent verbreiteten Kirche Gottes die Möglichkeit zu geben, über ihren Evangelisierungsauftrag im Hinblick auf das dritte Jahrtausend nachzudenken und, wie ich gesagt habe, »eine organische pastorale Solidarität auf dem gesamten Territorium Afrikas und den dazugehörigen Inseln«<ref>Angelus (6. Januar 1989) 2: Insegnamenti XII, 1(1989), 40. </ref> vorzubereiten. Dieser Auftrag bringt, wie bereits hervorgehoben wurde, Dringlichkeiten und Herausforderungen mit sich, die durch die tiefgreifenden und raschen Veränderungen der afrikanischen Gesellschaften und durch die Auswirkungen des Versuchs, sich als Weltzivilisation durchsetzen zu wollen, hervorgerufen werden.

Die Notwendigkeit der Taufe

73. An erster Stelle der Dringlichkeiten steht natürlich die Evangelisierung selber. Die Kirche muss sich einerseits die Botschaft, als deren Hüterin sie der Herr eingesetzt hat, immer besser aneignen und sie leben. Andererseits muss sie von dieser Botschaft Zeugnis geben und sie allen, die noch nichts von Jesus Christus wissen, verkünden. Denn ihretwegen hat der Herr zu den Aposteln gesagt: »Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern« (Mt 28, 19).

Wie zu Pfingsten hat die Verkündigung des kérygma als natürliches Ziel, den, der hört, zur metànoia und zur Taufe zu veranlassen: »Die Verkündigung des Wortes Gottes hat die christliche Bekehrung zum Ziel, das heißt die volle und ehrliche Zugehörigkeit zu Christus und seinem Evangelium durch den Glauben«.<ref>Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990),46: AAS 83 (1991), 292. </ref> Die Bekehrung zu Christus ist allerdings »eng mit der Taufe verbunden: diese Verbindung besteht nicht nur wegen der Praxis der Kirche, sondern auf Grund des Willens Christi und seines Aussendungsauftrags, alle Völker zu seinen Jüngern zu machen und sie zu taufen (vgl. Mt 28, 19); sie besteht auch aus einem inneren Zusammenhang heraus, um die Fülle des neuen Lebens in Ihm zu erhalten: 'Amen, Amen, ich sage dir — unterweist Jesus Nikodemus —: wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes eingehen' (Joh 3, 5). Die Taufe schafft uns in der Tat neu zum Leben als Kinder Gottes. Sie verbindet uns mit Jesus Christus und salbt uns im Heiligen Geist. Die Taufe ist nicht einfach die Besiegelung der Bekehrung, gleichsam ein äusseres Zeihen der Bestätigung; sie ist vielmehr das Sakrament, das diese Neugeburt im Geist bezeichnet und bewirkt, das reale und unlösbare Bande mit der Trinität knüpft und die Getauften zu Gliedern Christi und seiner Kirche macht«.<ref>Ebd., 47, a.a.O., 293-294. </ref> Deshalb würde ein Bekehrungsweg, der nicht bis zur Taufe gelangte, auf halbem Weg stehen bleiben.

Tatsächlich werden die Menschen guten Willens, die ohne ihre Schuld von der Verkündigung des Evangeliums nicht erreicht wurden, aber in Übereinstimmung mit ihrem Gewissen nach dem Gesetz Gottes leben, von Christus und in Christus gerettet werden. An jeden Menschen ergeht in der Tat immer der Ruf Gottes, der darauf wartet, erkannt und angenommen zu werden (vgl. 1 Tim 2,4). Um dieses Erkennen und diese Annahme zu erleichtern, sind die Jünger Christi aufgefordert, solange sich nicht zufrieden zu geben, bis allen die Frohbotschaft vom Heil überbracht ist.

Dringlichkeit der Evangelisierung

74. Der Name Jesu Christi ist tatsächlich der einzige, durch den gesichert ist, dass wir gerettet werden können (vgl. Apg 4, 12), und da es in Afrika Millionen von Menschen gibt, die das Evangelium noch nicht erreicht hat, steht die Kirche vor der notwendigen und dringenden Aufgabe, die Frohe Botschaft allen zu verkünden und diejenigen, die auf sie hören, zur Taufe und zum christlichen Leben zu führen. »Die Dringlichkeit missionarischer Tätigkeit geht aus der von Christus gebrachten und von seinen Jüngern gelebten grundlegenden Erneuerung des Lebens hervor. Dieses neue Leben ist Gabe Gottes. Von seiten des Menschen ist erforderlich, sie anzunehmen und ihr zum Wachstum zu verhelfen, wenn er sich selbst entsprechend seiner ganzheitlichen Berufung nach dem Bild Christi verwirklichen will«.<ref>Ebd., 7, a.a.O., 255-256. </ref> Dieses neue Leben in der radikalen Ursprünglichkeit des Evangeliums ist für jedes Volk der Erde hinsichtlich seiner Gewohnheiten und seiner Kultur auch mit Brüchen verbunden, denn das Evangelium ist niemals ein inneres Produkt eines bestimmten Landes, sondern es kommt immer »von ausserhalb«, von oben. Für die Getauften wird die grobe Herausforderung immer in der Konsequenz bestehen, eine den Verpflichtungen der Taufe entsprechende christliche Existenz zu führen, was den Tod der Sünde und tägliche Auferstehung zu einem neuen Leben bedeutet (vgl. Röm 6, 4-5). Ohne diese konsequente Haltung werden die Jünger Christi kaum »Salz der Erde« und »Licht der Welt« (Mt 5, 13.14) sein können. Wenn sich die Kirche in Afrika mit Nachdruck und ohne Zögern auf diesen Weg einlässt, wird überall auf dem Kontinent zur Rettung der Völker, die ohne Furcht dem Erlöser die Türen öffnen, das Kreuz eingepflanzt werden können.

Bedeutung der Ausbildung

75. In allen Bereichen des kirchlichen Lebens kommt der Ausbildung vorrangige Bedeutung zu. Denn niemand vermag die Glaubenswahrheiten zu verstehen, die er nie hat lernen können, oder Handlungen zu vollbringen, zu denen er nie angeleitet worden ist. Daher »muss die ganze Gemeinschaft für die Evangelisierung vorbereitet, motiviert und gestärkt werden, ein jeder entsprechend seiner spezifischen Rolle in der Kirche«.<ref>Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Relatio ante disceptationem (11. April 1994),8: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. </ref> Das gilt auch für die Bischöfe, die Priester, die Mitglieder der Ordensinstitute und der Gesellschaften apostolischen Lebens, für die Angehörigen der Säkularinstitute und für alle Laien.

Die missionarische Erziehung muss einen vorrangigen Platz einnehmen. Sie ist »Aufgabe der Ortskirche unter Mithilfe der Missionare und ihrer Institute, aber ebenso von Leuten der jungen Kirchen. Diese Arbeit darf nicht nebenbei, sondern muss ganz zentral das christliche Leben bestimmen«.<ref>Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 83: AAS 83 (1991), 329. </ref>

Das Bildungsprogramm soll in besonderer Weise die Schulung der Laien dahingehend einschliessen, dass sie ihre Rolle einer christlichen Durchdringung der zeitlichen (politischen, kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen) Ordnung voll ausfüllen, worin ja das charakteristische Engagement der weltlichen Berufung der Laien besteht. Man wird in diesem Zusammenhang nicht versäumen dürfen, sachverständige und motivierte Laien zu ermutigen, sich im politischen Bereich zu engagieren,<ref> Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Botschaft der Synode (6. Mai 1994),33: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. </ref> wo sie durch eine entsprechende Erfüllung öffentlicher Aufgaben »dem Gemeinwohl dienen und zugleich dem Evangelium einen Weg bahnen« können.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Apostolat der Laien Apostolicam actuositatem, 14. </ref>

Den Glauben vertiefen

76. Die Kirche in Afrika muss, um Trägerin der Evangelisierung zu sein, »damit beginnen, sich selbst zu evangelisieren [...]. Sie muss unablässig selbst vernehmen, was sie glauben muss, welches die Gründe ihrer Hoffnung sind und was das neue Gebot der Liebe ist. Als Volk Gottes, das mitten in dieser Welt lebt und oft durch deren Idole versucht wird, muss die Kirche immer wieder die Verkündigung der Grobtaten Gottes hören«. <ref>Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 15: AAS 68 (1976), 14. </ref>


Im heutigen Afrika »ist die Glaubensbildung [...] nur allzu oft im ersten Anfangsstadium steckengeblieben, und die Sekten nützen diese Unwissenheit schonungslos aus«.<ref>Johannes Paul II., Ansprache an die Bischofskonferenz von Kamerun (Yaounde, 13. August 1985),4: lnsegnamenti VIIU2 (1985), 378. </ref> Es bedarf daher dringend einer ernsthaften Glaubensvertiefung, weil die rasche Entwicklung der Gesellschaft immer neue Herausforderungen mit sich bringt. Die wichtigsten Phänomene in diesem Zusammenhang sind Entwurzelung der Familien, Verstädterung und Arbeitslosigkeit, verbunden mit materiellen Versuchungen aller Art, sowie eine gewisse Säkularisierung und eine intellektuelle Erschütterung, die eine Lawine unkritisch hingenommener, von den Medien verbreiteter Ideen auslöst.<ref>Vgl. ebd., 5, a.a.O. </ref>

Die Kraft des Zeugnisses

77. Ziel der Glaubensbildung muss es sein, den Christen nicht nur ein technisches Geschick zur besseren Weitergabe der Glaubensinhalte zu vermitteln, sondern auch eine tiefe persönliche Überzeugung, um von diesen Inhalten wirksam im Leben Zeugnis zu geben. Alle, die zur Verkündigung des Evangeliums berufen sind, sollen sich daher bemühen, in vollständiger Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist zu handeln. Denn er ist es, der »heute wie in den Anfängen der Kirche in all jenen am Werk ist, die das Evangelium verkünden und sich von ihm ergreifen und führen lassen«.<ref>Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975),75: AAS 68 (1976), 65. </ref> »Die Methoden der Evangelisierung sind sicher nützlich, doch können auch die vollkommensten unter ihnen das verborgene Wirken des Heiligen Geistes nicht ersetzen. Ohne ihn richtet auch die geschickteste Vorbereitung des Verkündigers nichts aus. Ohne ihn bleibt auch die überzeugendste Dialektik bei den Menschen wirkungslos. Ohne ihn erweisen sich auch die höchstentwickelten soziologischen und psychologischen Methoden als wert- und inhaltslos«.<ref>Ebd., a.a.O., 65-66. </ref>

In Afrika kommt es heute wesentlich auf ein wahrhaftiges Zeugnis von seiten der Gläubigen an, um den Glauben authentisch zu verkünden. Besonders ist es unerläblich, dass sie Zeugnis geben von einer aufrichtigen wechselseitigen Liebe. »'Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast' (Joh 17, 3). Letzter Sinn der Sendung ist es, Anteil zu geben an der Gemeinschaft, die zwischen Vater und Sohn besteht. Die Jünger sollen die Einheit untereinander leben, sie sollen im Vater und im Sohn 'bleiben', damit die Welt erkennt und glaubt (vgl. Joh 17, 21-23). Dies ist ein bezeichnender missionarischer Text, der begreifen lässt: Missionar ist man zuallererst durch das, was man ist, als Kirche, die zutiefst die Einheit in der Liebe lebt, bevor man es ist durch das, was man sagt oder tut«.<ref>Johannes Paul II. Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990),23: AAS 83 (1991), 269-270. </ref>

Den Glauben inkulturieren

78. Aus der tiefen Überzeugung, dass »die Synthese zwischen Kultur und Glauben nicht nur eine Forderung der Kultur, sondern auch des Glaubens ist«, weil »ein Glaube, der nicht zu Kultur wird, ein Glaube ist, der nicht voll angenommen, nicht unverkürzt gedacht, nicht getreu gelebt wird«,<ref>Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer am Nationalen Kongress der kirchlichen Bewegung für kulturelles Engagement (16. Januar 1982), 2: lnsegnamenti, V, I (1982), 131. </ref> hat die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode die Inkulturation zu einer Priorität und Dringlichkeit im Leben der Teilkirchen in Afrika erklärt: nur so kann das Evangelium in den christlichen Gemeinden des Kontinents feste Wurzeln fassen. Im Gefolge des II. Vatikanischen Konzils<ref>Vgl. Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, 22. </ref> erklärten die Synodenväter die Inkulturation als einen Prozess, der die ganze Weite des christlichen Lebens umfasst — Theologie, Liturgie, Gewohnheiten und Strukturen —, ohne natürlich das göttliche Recht und die grobe Ordung der Kirche anzurühren, die im Lauf der Jahrhunderte durch ausserordentliche Leistungen der Tugend und des Heroismus bestätigt worden ist.<ref>Vgl. Propositio 32; II. Vatikanisches Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, 37-40. </ref>

Die Herausforderung der Inkulturation in Afrika besteht darin zu bewirken, dass die Jünger Christi die Botschaft des Evangeliums immer besser aufnehmen und dabei doch allen echten afrikanischen Werten treu bleiben. Den Glauben in sämtlichen Bereichen des christlichen und menschlichen Lebens zu inkulturieren stellt freilich eine schwierige Aufgabe dar, zu deren Lösung der Beistand des Geistes des Herrn notwendig ist, der die Kirche in die ganze Wahrheit einführt (vgl. Joh 16, 13).

Eine versöhnte Gemeinschaft

79. Die Herausforderung des Dialogs ist im Grunde genommen die Herausforderung der Umwandlung der Beziehungen zwischen den Menschen, zwischen den Nationen und zwischen den Völkern im religiösen, politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben. Es ist die Herausforderung der Liebe Christi zu allen Menschen, einer Liebe, die der Jünger in seinem Leben wiedergeben soll: »Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt« (Joh 13, 35).

«Die Evangelisierung setzt den Dialog Gottes mit der Menschheit fort, einen Dialog, der seinen Höhepunkt in der Person Jesu Christi erreicht«.<ref>Propositio 38. </ref> Durch das Kreuz hat er in sich selbst die Feindschaft zerstört (vgl. Eph 2, 16), die die Menschen voneinander trennt und entfernt.

Freilich ist trotz der heutigen Zivilisation des »Weltdorfes« in Afrika wie anderswo auf der Welt der Geist des Dialogs, des Friedens und der Versöhnung noch weit davon entfernt, in den Herzen aller Menschen zu wohnen. Kriege, Konflikte, rassistische und fremdenfeindliche Haltungen beherrschen noch immer allzu sehr die Welt der menschlichen Beziehungen. Die Kirche in Afrika empfindet das Bedürfnis, durch das Zeugnis ihrer Söhne und Töchter für alle zum Ort einer echten Versöhnung zu werden. Wenn sie sich gegenseitig verziehen und miteinander versöhnt haben, werden sie der Welt die Vergebung und die Versöhnung bringen können, die Christus, unser Friede (vgl. Eph 2, 14), der Menschheit durch seine Kirche anbietet. Andernfalls wird die Welt immer mehr einem Schlachtfeld gleichen, wo allein egoistische Interessen zählen und wo das Gesetz der Stärke regiert, das die Menschheit unseligerweise von der erwünschten Zivilisation der Liebe entfernt.

II. Die Familie

Die Familie evangelisieren

80. »Die Zukunft der Welt und der Kirche führt über die Familie«.<ref>Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), 75: AAS 74 (1982), 173. </ref> In der Tat ist die Familie nicht nur die erste Zelle einer lebendigen Kirchengemeinschaft sondern auch der Gesellschaft. Besonders in Afrika stellt die Familie einen Stütz- pfeiler dar, auf dem das Gebäude der Gesellschaft errichtet ist. Darum betrachtet die Synode die Evangelisierung der afrikanischen Familie als eine der wichtigsten Prioritäten, wenn man will, dass sie ihrerseits die Rolle eines aktiven Subjekts im Hinblick auf die Evangelisierung der Familien durch die Familien wahrnehme.

Unter pastoralem Gesichtspunkt stellt dies eine echte Herausforderung dar, wenn man die Schwierigkeiten politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Natur bedenkt, mit denen sich im Zusammenhang mit den großen Veränderungen in der modernen Gesellschaft die Kernfamilien in Afrika konfrontiert sehen. Auch wenn die afrikanische Familie die positiven Werte der heutigen Zeit annimmt, wird sie dennoch die eigenen wesentlichen Werte bewahren müssen.

Die Heilige Familie als Vorbild

81. In diesem Zusammenhang ist die Heilige Familie, die nach dem Evangelium (vgl. Mt 2, 14-15) eine Zeitlang in Afrika gelebt hat, »Urbild und Beispiel für alle christlichen Familien«,<ref>Ebd., 86, a.a.O., 189-190. </ref> »Vorbild und geistliche Quelle« für jede christliche Familie.<ref>Vgl. Propositio 14. </ref> Um die Worte Papst Pauls VI., der als Pilger ins Heilige Land gekommen war, aufzugreifen: »Nazaret ist die Schule, wo man begonnen hat, das Leben Jesu zu erfassen: die Schule des Evangeliums [...]. Hier, in dieser Schule, begreift man die Notwendigkeit, dass einer religiöse Belehrung erhalten muss, wenn er [...] Jünger Christi werden will«.<ref>Ansprache in der Verkündigungsbasilika in Nazaret (5. Januar 1964): AAS 56 (1964), 167. </ref> In seiner tiefgründigen Meditation über das Geheimnis von Nazaret fordert Paul VI. dazu auf, daraus eine dreifache Lehre zu ziehen: Schweigen, Familienleben und Arbeit. Im Haus zu Nazaret lebt jeder seine Sendung in vollkommener Harmonie mit den anderen Gliedern der Heiligen Familie.

Würde und Rolle des Mannes und der Frau

82. Die Würde des Mannes und der Frau rührt daher, dass Gott, als er den Menschen »als Abbild Gottes schuf, sie als Mann und Frau schuf« (Gen 1, 27). Sowohl der Mann wie die Frau sind »nach dem Abbild Gottes« geschaffen, das heißt sie sind mit Verstand und Willen und infolgedessen mit Freiheit ausgestattet. Das zeigt der entsprechende Bericht vom Sündenfall der Stammeltern (vgl. Gen 3). Der Psalmist besingt die unvergleichliche Würde des Menschen so: »Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füsswen gelegt« (Ps 8, 6-7).

Da sie beide, Mann und Frau, als Abbild Gottes erschaffen wurden, sind sie, trotz Unterschieden, unter dem Gesichtspunkt des Menschseins im wesentlichen gleich. »Beide sind von Anfang an Personen, zum Unterschied von den anderen Lebewesen der sie umgebenden Welt. Die Frau ist ein anderes 'Ich' im gemeinsamen Menschsein«,<ref>Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988), 6: AAS 80 (1988), 1662-1664; Brief an die Frauen (29. Juni 1995),7: L'Osservatore Romano, 10.-11. Juli 1995, S. 5. </ref> und jeder stellt eine Hilfe für den anderen dar (vgl. Gen 2, 18-25).

»Indem Gott den Menschen 'als Mann und Frau' erschuf, schenkte er dem Mann und der Frau in gleicher Weise personale Würde und gab ihnen jene unveräusserlichen Rechte und Verantwortlichkeiten, die der menschlichen Person zukommen«.<ref>Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981),22: AAS 74 (1982), 107. </ref> Die Synode hat jene afrikanischen Bräuche und Praktiken mibbilligt, die »die Frauen ihrer Rechte und der ihnen gebührenden Achtung berauben«,<ref>Propositio 48. </ref> und hat von der Kirche auf dem Kontinent verlangt, dass sie sich bemühe, die Einhaltung dieser Rechte zu fördern.

Würde und Rolle der Ehe

83. Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, ist die Liebe (vgl. 1 Joh 4, 8). »Die Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen findet ihre endgültige Erfüllung in Jesus Christus, dem liebenden Bräutigam, der sich hingibt als Erlöser der Menschheit und sie als seinen Leib mit sich vereint. Er offenbart die Urwahrheit über die Ehe, die Wahrheit des 'Anfangs', und macht den Menschen fähig, sie vollends zu verwirklichen, indem er ihn von seiner Herzenshärte befreit. Diese Offenbarung gelangt zur endgültigen Vollendung in der Liebesgabe, die das göttliche Wort der Menschheit macht, indem es die menschliche Natur annimmt, und im Opfer, mit dem Jesus Christus sich am Kreuz für seine Braut, die Kirche, darbringt. In diesem Opfer wird der Plan vollständig enthüllt, den Gott dem Menschsein des Mannes und der Frau seit ihrer Schöpfung eingeprägt hat (vgl. Eph 5, 32-33); die Ehe der Getauften wird so zum Realsymbol des neuen und ewigen Bundes, der im Blut Christi geschlossen wurde«.<ref>Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 1981), 13: AAS 74 (1982), 93-94. </ref>

Die gegenseitige Liebe zwischen den getauften Eheleuten offenbart die Liebe Christi und der Kirche. Als Zeichen der Liebe Christi ist die Ehe ein Sakrament des Neuen Bundes: »Die Eheleute sind für die Kirche eine ständige Erinnerung an das, was am Kreuz geschehen ist. Sie sind füreinander und für die Kinder Zeugen des Heils, an dem sie durch das Sakrament teilhaben. Wie jedes andere Sakrament ist die Ehe Gedächtnis, Vollzug und Prophetie des Heilsgeschehens«.<ref>Ebd. </ref>

Sie ist daher ein Lebensstand, ein Weg christlicher Heiligkeit, eine Berufung, die zur glorreichen Auferstehung und zu dem Reich führen soll, wo »die Menschen nicht mehr heiraten« (Mt 22, 30). Dank dieser ihrer Beständigkeit vermag sie wirksam zur vollen Verwirklichung der aus der Taufe erwachsenen Berufung der Eheleute beizutragen.

Die afrikanische Familie schützen

84. In zahlreichen Wortmeldungen wurde in der Synodenaula auf die Bedrohungen hingewiesen, die den afrikanischen Familien gegenwärtig bevorstehen. Die Sorgen der Synodenväter waren um so berechtigter, als das Vorbereitungsdokument einer im September 1994 in Kairo, also auf afrikanischem Boden, abgehaltenen Konferenz der Vereinten Nationen ganz offensichtlich zur Annahme von Entschliessungen bereit schien, die zu vielen Werten der afrikanischen Familie im Gegensatz standen. Indem sie sich die Besorgnisse zu eigen machten, die zuvor von mir gegenüber der genannten Konferenz und gegenüber den Staatsoberhäuptern der ganzen Welt geäussert worden waren,<ref>vgl. Botschaft an Frau Nafis Sadik, Generalsekretärin der internationalen Konferenz von 1994 über Bevölkerung und Entwicklung (18. März 1994): AAS 87 (1995), 190-196. </ref> erlieben sie einen eindringlichen Appell zum Schutz der Familie: »Labt nicht zu — so riefen sie —, dass man die afrikanische Familie gerade auf ihrem eigenen Boden erniedrigt! Labt nicht zu, dass das internationale Jahr der Familie zu einem Jahr der Zerstörung der Familie wird!«<ref>Bischofssynode. Sonderversammlung für Afrika, Botschaft der Synode (6. Mai 1994),30: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. </ref>

Die für die Gesellschaft offene Familie

85. Die Ehe geht ihrer Natur nach über das Paar hinaus, da ihre besondere Sendung darin besteht, für den Fortbestand der Menschheit zu sorgen. Desgleichen geht die Familie ihrer Natur nach über die Grenzen des häuslichen Herdes hinaus: sie ist auf die Gesellschaft hin ausgerichtet. »Die Familie ist in lebendiger, organischer Weise mit der Gesellschaft verbunden; denn durch ihren Auftrag, dem Leben zu dienen, bildet sie deren Grundlage und ständigen Nährboden. In der Familie wachsen ja die Bürger heran und dort finden sie auch ihre erste Schule für jene sozialen Tugenden, die das Leben und die Entwicklung der Gesellschaft von innen her tragen und gestalten. So ergibt sich aus der Natur und Berufung der Familie, dass sie sich auf keinen Fall in sich selbst verschliessen darf, sondern sich vielmehr auf die anderen Familien und die Gesellschaft hin öffnen und so ihre gesellschaftliche Aufgabe wahrnehmen muss«.<ref>Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 198 I), 42: AAS 74 (1982), 134. </ref>

In diesem Sinne bekräftigt die Sonderversammlung für Afrika, dass es Ziel der Evangelisierung ist, die Kirche als Familie Gottes aufzubauen, als — wenn auch unvollkommene — Vorwegnahme des Reiches Gottes auf Erden. Auf diese Weise werden die christlichen Familien Afrikas zu echten »Hauskirchen« und zum Fortschritt der Gesellschaft hin zu einem brüderlicheren Leben beitragen. Auf diese Weise soll sich die Umgestaltung der afrikanischen Gesellschaften durch das Evangelium vollziehen!

KAPITEL V: »IHR WERDET MEINE ZEUGEN SEIN« IN AFRIKA

Zeugnis und Heiligkeit

86. Die Herausforderungen, auf die hingewiesen wurde, zeigen, wie nützlich die Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode war: die Aufgabe der Kirche auf dem Kontinent ist ungeheuer; um sie zu bewältigen, braucht es die Zusammenarbeit aller. Das zentrale Element dieser Zusammenarbeit ist das Zeugnis. Christus wendet sich an seine Jünger in Afrika und erteilt ihnen den Auftrag, den er den Aposteln am Himmelfahrtstag erteilt hat: »Ihr werdet meine Zeugen sein« (Apg 1, 8) in Afrika.

87. Die Verkündigung der Frohen Botschaft durch Wort und Werke öffnet das Herz der Menschen für die Sehnsucht nach Heiligkeit, nach Gleichgestaltung mit Christus. In seinem ersten Brief an die Korinther wendet sich der hl. Paulus »an die Geheiligten in Christus Jesus, berufen als Heilige mit allen, die den Namen Jesu Christi, unseres Herrn, überall anrufen, bei ihnen und bei uns« (1,2). Die Verkündigung des Evangeliums hat auch den Aufbau der Kirche Gottes im Hinblick auf den Anbruch des Reiches zum Ziel, das Christus am Ende der Zeiten dem Vater übergeben wird (vgl. 1 Kor 15, 24).

»Der Eintritt in das Reich Gottes verlangt einen Wandel in Gesinnung (metànoia) und Verhalten und ein Leben des Zeugnisses in Wort und Tat, das in der Kirche aus der Teilnahme an den Sakramenten, besonders an der Eucharistie, dem Heilssakrament, genährt wird«.<ref>Propositio 5. </ref>

Einen Weg zur Heiligkeit stellt auch die Inkulturation dar, durch die der Glaube das Leben der Menschen und ihrer ursprünglichen Gemeinschaften durchdringt. Wie Christus bei der Menschwerdung die menschliche Natur mit Ausnahme der Sünde angenommen hat, so nimmt analog die christliche Botschaft durch die Inkulturation die Werte der Gesellschaft an, der sie verkündet wird, wobei sie alles verwirft, was von der Sünde gezeichnet ist. In dem Maße, in dem die Gemeinschaft der Kirche imstande ist, die positiven Werte einer bestimmten Kultur zu integrieren, wird sie zum Werkzeug dafür, dass sich diese Kulturen den Dimensionen der christlichen Heiligkeit öffnen. Eine klug durchgeführte Inkulturation reinigt und erhebt die Kulturen der verschiedenen Völker.

Unter diesem Gesichtspunkt ist die Liturgie berufen, eine wichtige Rolle zu spielen. Wenn sie die Heilsgeheimnisse wirksam verkündet und lebt, kann sie wirkungsvoll dazu beitragen, spezifische Ausdrucksweisen der Kultur eines bestimmten Volkes zu erheben und zu bereichern. Es wird deswegen Aufgabe der zuständigen Autorität sein, nach künstlerisch wertvollen Modellen für die Inkulturation jener liturgischen Elemente zu sorgen, die im Lichte der geltenden Normen verändert werden können.<ref>Vgl. Propositio 34. </ref>

I. Träger der Evangelisierung

88. Die Evangelisierung braucht Träger. Denn »wie sollen sie nun den [den Herrn] anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt? Wie aber soll jemand verkündigen, wenn er nicht gesandt ist?« (Röm 10, 14-15). Die Verkündigung des Evangeliums kann nur durch Mitwirkung aller Gläubigen auf allen Ebenen sowohl der Weltkirche wie der Ortskirche voll erfüllt werden.

Insbesondere dieser unter die Verantwortung des Bischofs gestellten Ortskirche obliegt es, das Werk der Evangelisierung dadurch zu koordinieren, dass sie die Gläubigen sammelt, sie durch das Wirken der Priester und Katechisten im Glauben festigt und ihnen bei der Erfüllung der jeweiligen Sendungen beisteht. Zu diesem Zweck wird die Diözese für die Schaffung der notwendigen Strukturen für Begegnung, Dialog und Planung sorgen. Wenn der Bischof sich dieser Strukturen bedient, wird er die Arbeit von Priestern, Ordensleuten und Laien entsprechend ausrichten, indem er Gaben und Charismen eines jeden annimmt, um sie in den Dienst einer zeitnahen und ausgeprägten Pastoral zu stellen. Sehr nützlich werden in diesem Sinn die verschiedenen, von den geltenden Normen des Kirchenrechts vorgesehenen Räte sein.

Lebendige Kirchengemeinden

89. Die Synodenväter haben gleich erkannt, dass die Kirche als Familie nur dann in vollem Ausmaß Kirche sein kann, wenn sie sich in Gemeinden gliedert, die klein genug sind, um enge menschliche Beziehungen zu erlauben. Die Merkmale solcher Gemeinden wurden von der Versammlung folgendermassen zusammengefasst: sie sollen Räume sein, innerhalb derer man zunächst für die eigene Evangelisierung sorgt, um dann die Frohe Botschaft den anderen zu bringen; sie sollen daher Orte des Betens und Hörens des Wortes Gottes sein; des Verantwortungsbewusstmachens der Mitglieder selbst; einer Lehrzeit in kirchlichem Leben und des Nachdenkens über die verschiedenen menschlichen Probleme im Lichte des Evangeliums. Vor allem soll man sich in ihnen darum bemühen, die universale Liebe Christi zu leben, die die Schranken der natürlichen Solidaritäten der Clans, der Stämme oder anderer Interessensgruppen übersteigt.<ref>Vgl. Propositio 9. </ref>

Laien

90. Den Laien soll man helfen, sich der Rolle, die sie in der Kirche übernehmen sollen, immer bewusster zu werden durch Anerkennung ihrer spezifischen Sendung, die ihnen gemäss der Lehre des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens Christifideles laici<ref>vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici (30. Dezember 1988), 45-56: AAS 81 (1989), 481-506. </ref> und der Enzyklika Redemptoris missio<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990),71-74: AAS 83 (1991), 318-322. </ref> als Getauften und Gefirmten zusteht. Sie müssen infolgedessen an eigens dazu bestimmten Zentren oder Schulen eine bibelkundliche und pastorale Ausbildung erhalten. In ähnlicher Weise sollen die Christen, die verantwortungsvolle Posten bekleiden, durch eine solide Ausbildung in kirchlicher Soziallehre sorgfältig auf ihre politische, ökonomische und soziale Aufgabe vorbereitet werden, um in ihrem Tätigkeitsbereich treue Zeugen des Evangeliums zu sein.<ref>Vgl. Propositio 12. </ref>

Katechisten

91. «Die Rolle der Katechisten war und bleibt entscheidend bei der Gründung und Ausbreitung der Kirche in Afrika. Nach Empfehlung der Synode sollen die Katechisten nicht nur eine vollkommene Grundausbildung empfangen [...], sondern auch eine ständige lehrmässige Weiterbildung sowie moralische und geistliche Unterstützung erhalten«.<ref>Propositio 13. </ref> Sowohl den Bischöfen wie den Priestern sollen ihre Katechisten insofern ein Herzensanliegen sein, als sie dafür Sorge tragen, dass sie sichere und annehmbare Lebens- und Arbeitsbedingungen haben, um ihren Auftrag gut erfüllen zu können. Ihre Aufgabe soll innerhalb der christlichen Gemeinschaft anerkannt und geachtet werden.

Die Familie

92. Die Synode hat einen ausdrücklichen Appell dahingehend erlassen, dass jede christliche Familie zu »einem bevorzugten Raum evangelischen Zeugnisses«,<ref>Propositio 14. </ref> zu einer echten »Hauskirche«,<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 11. </ref> zu einer glaubenden und verkündigenden Gemeinschaft,<ref>Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio (22. November 198 I), 52: AAS 74 (1982), 144-145. </ref> zu einer Gemeinschaft im Dialog mit Gott<ref>vgl. ebd., 55, a.a.O., 147-148. </ref> und grobherzig offen für den Dienst am Menschen<ref>Vgl. ebd., 62, a.a.O., 155. </ref> werde. »Im Schoss der Familie sollen die Eltern durch Wort und Beispiel für ihre Kinder die ersten Glaubensboten sein«.<ref>Katechismus der katholischen Kirche, 1656, der das II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 11, zitiert. </ref> »Hier wird das durch die Taufe erworbene Priestertum des Familienvaters, der Mutter, der Kinder, aller Glieder der Familie aufs schönste ausgeübt 'im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, durch das Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe'. Die Familie ist so die erste Schule des christlichen Lebens und 'eine Art Schule reich entfalteter Humanität'«.<ref>Katechismus der katholischen Kirche, 1657, der das II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 10 und Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 52, zitiert. </ref>

Die Eltern sollen sich um die christliche Erziehung der Kinder kümmern. Indem man sich der konkreten Hilfe gefestigter, unbeschwerter und engagierter christlicher Familien bedient, werden die Diözesen das Familienapostolat im Rahmen der Gesamtpastoral planen. Als »Hauskirche«, die auf den festen kulturellen Grundlagen und auf den reichen Werten der afrikanischen Familientradition errichtet ist, ist die christliche Familie dazu berufen, eine wirksame Zelle christlichen Zeugnisses in der von raschen und tiefgreifenden Veränderungen gezeichneten Gesellschaft zu sein. Als besonders dringlich hat die Synode diesen Appell im Rahmen des Jahres der Familie gehalten, das die Kirche zusammen mit der gesamten internationalen Gemeinschaft damals beging.

Die Jugendlichen

93. Die Kirche in Afrika weiss sehr wohl, dass die Jugend nicht nur die Gegenwart, sondern vor allem die Zukunft der Menschheit ist. Es gilt daher, den jungen Menschen bei der Überwindung der Hindernisse zu helfen, die ihre Entwicklung bremsen: der Analphabetismus, das Nichtstun, der Hunger und die Drogen.<ref>Vgl. Propositio 15. </ref> Um diese Herausforderungen zu bewältigen, wird man die jungen Leute dazu heranziehen müssen, sich in ihren Kreisen als Boten des Evangeliums zu betätigen. Keiner kann das nämlich besser als sie. Es ist notwendig, dass in der Gesamtpastoral der Diözesen und der Pfarreien die Jugendseelsorge ausdrücklich vertreten ist, um den Jugendlichen Gelegenheit zu geben, sehr bald den Wert der Selbsthingabe als wesentlichen Weg zur Entwicklung der Persönlichkeit zu entdecken.<ref>Vgl. ebd. </ref> In diesem Zusammenhang stellt die Feier des Weltjugendtages ein bevorzugtes Mittel der Jugendpastoral dar, der die Formung der Jugendlichen durch Gebet, Studium und Reflexion fördert.

Ordensleute

94. »In einer Kirche als Familie Gottes fällt dem Ordensleben nicht nur darum eine besondere Rolle zu, um alle auf den Aufruf zur Heiligkeit hinzuweisen, sondern auch, um Zeugnis zu geben vom brüderlichen Leben in der Gemeinschaft. Die Ordensleute sind daher eingeladen, im Geist der Gemeinschaft und Zusammenarbeit mit den jeweiligen Bischöfen, mit dem Klerus und mit den Laien ihrer Berufung zu entsprechen«.<ref>Propositio 16, die sich ausdrücklich auf das II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 43-47, bezieht. </ref>

In der derzeitigen Lage der Mission in Afrika ist die Förderung der Ordensberufe zum beschaulichen und tätigen Leben dringend geboten; dabei gilt es vor allem eine umsichtige Auswahl zu treffen und dann für die Vermittlung einer soliden menschlichen, geistlichen und lehrmässigen, apostolischen und missionarischen, biblischen und theologischen Ausbildung zu sorgen. Diese Ausbildung muss im Laufe der Jahre in steter Regelmässigkeit erneuert werden. Was die Gründung neuer Ordensinstitute betrifft, muss man mit grosser Vorsicht und erleuchtetem Unterscheidungsvermögen vorgehen, indem man sich an die vom II. Vatikanischen Konzil angegebenen Kriterien und an die geltenden kirchenrechtlichen Normen hält.<ref>Vgl. Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, 18 und Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Perfectae caritatis , 19. </ref> Sobald die Institute einmal gegründet sind, muss man ihnen helfen, die Rechtspersönlichkeit zu erwerben und die Autonomie sowohl bei der Durchführung ihrer Arbeit als auch bei der Handhabung der Finanzangelegenheiten zu erlangen. Nachdem die Synodenversammlung mahnend darauf hingewiesen hat, dass »die Ordensinstitute, die keine Häuser in Afrika haben, sich nicht als authorisiert betrachten dürfen, ohne Vorgespräch mit dem Ortsbischof dort nach neuen Berufen zu suchen«,<ref>Propositio 16. </ref> forderte sie dann die Verantwortlichen der Ortskirchen sowie auch der Institute des geweihten Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens auf, den Dialog untereinander zu fördern, um im Geiste der Kirche als Familie gemischte Studiengruppen ins Leben zu rufen als Zeugnis der Brüderlichkeit und Zeichen der Einheit im Dienst der gemeinsamen Sendung.<ref>Vgl. Propositio 22. </ref> Im Hinblick darauf habe ich auch die Einladung der Synodenväter angenommen, wenn nötig, einige Punkte des Dokuments Mutuae relationes<ref>Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute und Kongregation für die Bischöfe, Grundsätze und Richtlinien für die Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche Mutuae relationes (14. Mai 1978): AAS 70 (1978), 473-506. </ref> für eine bessere Definition der Rolle des Ordenslebens in der Ortskirche zu überprüfen.<ref>Vgl. Propositio 22. </ref>

Künftige Priester

95. »Mehr denn je — so versicherten die Synodenväter — wird man heute dafür Sorge tragen müssen, die künftigen Priester zu den echten kulturellen Werten der jeweiligen Länder zu erziehen, zum Sinn für Ehrlichkeit, Verantwortung und Treue zum gegebenen Wort. Sie sollen dahingehend ausgebildet werden, dass sie die Eigenschaften von Repräsentanten Christi, von echten Dienern und Animatoren christlicher Gemeinden aufweisen [...], dass sie geistlich gefestigte Priester sind, verfügbar, der Sache des Evangeliums ergeben, fähig, das Vermögen der Kirche transparent zu verwalten und ein einfaches, ihrer Umgebung entsprechendes Leben zu führen«.<ref> Propositio 18. </ref> Bei aller Achtung vor den eigenen Traditionen der orientalischen Kirchen sollen die Seminaristen so ausgebildet werden, »dass sie eine echte affektive Reife erwerben, klare Vorstellungen haben und zutiefst davon überzeugt sind, dass Zölibat und Keuschheit des Priesters untrennbar zusammengehören«.<ref>Ebd. </ref> Ausserdem »sollen sie eine entsprechende Ausbildung darüber erhalten, welchen Sinn und Platz die Weihe an Christus im Priestertum hat«.<ref>Ebd. </ref>

Diakone

96. Dort, wo auf Grund der pastoralen Situation Wertschätzung und Verständnis für dieses alte Amt in der Kirche gegeben sind, sollen die Bischofskonferenzen und -versammlungen die zweckmässigsten Mittel erwägen, um den ständigen Diakonat »als Dienstamt und auch als Mittel der Evangelisierung«<ref> Propositio 17. </ref> zu fördern und zu ermutigen. Und dort, wo es bereits Diakone gibt, muss man sich bemühen, ihnen eine organische und vollständige Fortbildung zu bieten.

Priester

97. Mit grober Dankbarkeit an alle Priester — Welt- und Ordenspriester — für die von ihnen geleistete apostolische Arbeit und im Wissen um die Erfordernisse, die von der Evangelisierung der Völker Afrikas und Madagaskars gestellt sind, hat die Synodenversammlung sie ermahnt, »in totaler Selbsthingabe an die Sendung und in voller Gemeinschaft mit ihrem Bischof die Treue zu ihrer Berufung« zu leben.<ref>Propositio 20. </ref> Aufgabe der Bischöfe wird es sein, sich der ständigen Weiterbildung der Priester, vor allem in deren ersten Amtsjahren, anzunehmen<ref> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Pastores dabo vobis (25. März 1992),70-77: AAS 84 (1992), 778-796; Propositio 20. </ref> und ihnen insbesondere zu helfen, den Sinn des heiligen Zölibats zu vertiefen und in seiner treuen Befolgung auszuhalten »in der Erkenntnis der hohen Gnadengabe, die ihnen vom Vater gegeben wurde und die der Herr so offenkundig gepriesen hat. Sie sollen dabei immer jene Geheimnisse vor Augen haben, die durch sie bezeichnet werden und ihre Erfüllung finden«.<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyteorum ordinis , 16. </ref> Aufmerksamkeit muss bei diesem Ausbildungsgang auch den gesunden Werten des Lebensumfeldes der Priester gelten. Darüber hinaus ist es gut daran zu erinnern, das das II. Vatikanische Konzil unter den Priestern zu »einem gemeinsamen Leben« ermuntert hat, d.h. einer Art der Lebensgemeinschaft in den verschiedenen, durch die konkreten persönlichen und pastoralen Bedürfnisse bedingten Formen. Dies soll dazu beitragen, das geistliche und intellektuelle Leben, die apostolische und pastorale Arbeit, die Wohltätigkeit und die Sorge füreinander, besonders den alten, kranken und in Schwierigkeiten befindlichen Priestern gegenüber zu fördern.<ref>Ebd., 8. </ref>

Bischöfe

98. Die Bischöfe selbst werden in Erfüllung der Aufgabe, die ihnen vom Heiligen Geist übertragen ist, als Hirten für die Kirche sorgen, die Gott sich durch das Blut seines eigenen Sohnes erworben hat (vgl. Apg 20, 28). In dem Bemühen, sich entsprechend der Konzilsempfehlung »ihrer apostolischen Aufgabe als Zeugen Christi vor allen Menschen zuzuwenden«,<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe Christus Dominus, 11. </ref> sollen sie persönlich in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den Priestern und mit den anderen in der Seelsorge tätigen Personen den unersetzlichen Dienst der Einheit in der Liebe ausüben, indem sie sorgsam die Aufgaben der Lehre, der Heiligung und der pastoralen Führung wahrnehmen. Ausserdem sollen sie nicht versäumen, für die Vertiefung ihrer theologischen Bildung und für die Stärkung ihres geistlichen Lebens zu sorgen, indem sie nach Möglichkeit an den von den Bischofskonferenzen oder vom Apostolischen Stuhl veranstalteten Fortbildungstagungen teilnehmen.<ref>Vgl. Propositio 21. </ref> Sie sollen insbesondere nie die Mahnung des hl. Gregor des Großen vergessen, wonach der Hirte vor allem durch ein vorbildliches und von Heiligkeit geprägtes sittliches Verhalten ein Licht für seine Gläubigen ist.<ref>Vgl. Epistolarum liber, VIII, 33: PL 77, 935. </ref>

II. Strukturen der Evangelisierung

99. Es ist Anlass zu Freude und Trost festzustellen, dass »die gläubigen Laien mehr und mehr an der Sendung der Kirche in Afrika und Madagaskar teilnehmen«; das beruht besonders »auf der Dynamik der Bewegungen der Katholischen Aktion, der Apostolatsvereinigungen und der neuen Bewegungen für Spiritualität«. Die Synodenväter haben den inständigen Wunsch ausgesprochen, dass »dieser Schwung anhalten und sich bei den Laien auf allen Ebenen entfalten möge, bei den Erwachsenen, bei den Jugendlichen und selbst bei den Kindern«<ref>Propositio 23; vgl. Relatio ante disceptationem (I11. April 1994), 11: L'Osservatore Romano, 13. April 1994, S. 4. </ref>

Pfarreien

100. Die Pfarrei ist ihrer Natur nach der übliche Lebens- und Kultraum der Gläubigen. Dort können sie die Initiativen zum Ausdruck bringen und verwirklichen, die der christliche Glaube und die christliche Liebe der Gemeinschaft der Gläubigen nahelegen. Die Pfarrei ist der Ort, wo das Miteinander der verschiedenen Gruppen und Bewegungen in Erscheinung tritt, die hier geistlichen Beistand und materielle Hilfe finden. Priester und Laien müssen alle Mühe darauf verwenden, dass das Leben der Pfarrei harmonisch ist, in einer Kirche als Familie, in der alle »an der Lehre der Apostel und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten« (Apg 2, 42) festhalten.

Bewegungen und Vereinigungen

101. Der brüderliche Zusammenschluss um eines lebendigen Zeugnisses des Evangeliums willen soll auch die Zielsetzung der apostolischen Bewegungen und der Vereinigungen religiösen Charakters sein. In der Tat finden die gläubigen Laien dort eine vorzügliche Gelegenheit, um Sauerteig sein zu können (vgl. Mt 13, 33), besonders was die gottgemäße Verwaltung der zeitlichen Angelegenheiten und den Kampf zur Förderung von Menschenwürde, Gerechtigkeit und Frieden betrifft.

Schulen

102. »Die katholischen Schulen sind zugleich Orte der Evangelisierung, der ganzheitlichen Erziehung, der Inkulturation und des Erlernens eines wichtigen Dialogs zwischen Jugendlichen unterschiedlicher Religionen und sozialer Schichten«.<ref>Propositio 24. </ref> Die Kirche in Afrika und in Madagaskar soll deswegen im Rahmen der katholischen Schule ihren Beitrag zur Förderung der »Schule für alle«<ref>Ebd. </ref> anbieten, ohne aber dabei »die christliche Erziehung der Schüler der nicht-katholischen Schulen zu vernachlässigen. Was die Universitätsstudenten betrifft, so soll ihnen ein relgiöses Bildungsprogramm angeboten werden, das ihrem Studienniveau entspricht«.<ref>Ebd. </ref> Das alles setzt natürlich die menschliche, kulturelle und religiöse Vorbereitung der Erzieher selber voraus.

Universitäten und Hochschulen

103. »Die katholischen Universitäten und Hochschulen in Afrika spielen eine wichtige Rolle bei der Verkündigung des heilbringenden Gotteswortes. Sie sind ein Zeichen für das Wachstum der Kirche, weil sie in ihre Forschungen die Wahrheiten und Erfahrungen des Glaubens einbeziehen und sie zu verinnerlichen helfen. Diese Studienzentren dienen somit der Kirche, indem sie sie mit gut ausgebildetem Personal versorgen; wichtige theologischen und soziale Fragen erforschen; die afrikanische Theologie entwickeln; die Inkulturationsarbeit besonders in der liturgischen Feier fördern; Bücher publizieren und das katholische Gedankengut verbreiten; die ihnen von den Bischöfen aufgetragenen Untersuchungen vornehmen und zu einer wissenschaftlichen Erforschung der Kulturen beitragen«.<ref>Propositio 25. </ref>

In dieser Zeit allgemeiner gesellschaftlicher Umwälzungen auf dem ganzen Kontinent vermag der christliche Glaube die afrikanische Gesellschaft wirksam zu erleuchten. »Die katholischen Kulturzentren bieten der Kirche einzigartige Möglichkeiten für ihre Präsenz und Wirksamkeit auf dem Gebiet der kulturellen Veränderungen. Sie stellen in der Tat öffentliche Foren dar, die durch den kreativen Dialog die weitreichende Verbreitung der christlichen Anschauungen über den Menschen, die Familie, die Arbeit, die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Politik, über das internationale Leben und über die Umwelt ermöglichen«.<ref>Propositio 26. </ref> Sie sind so Stätten des Anhörens, der Achtung und der Toleranz.

Materielle Mittel

104. Gerade in dieser Hinsicht haben die Synodenväter es als notwendig hervorgehoben, dass jede christliche Gemeinde in die Lage versetzt werde, soweit als möglich allein für ihre Bedürfnisse zu sorgen.<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, 15. </ref> Die Evangelisierung erfordert ausser qualifiziertem Personal beachtliche materielle und finanzielle Mittel, und die Diözesen verfügen sehr oft keineswegs in ausreichendem Maße über solche Mittel. Es ist also dringend geboten, dass sich die Teilkirchen Afrikas zum Ziel setzen, sobald als möglich selbst für ihre Bedürfnisse aufzukommen und auf diese Weise ihre Unabhängigkeit sicherzustellen. Ich fordere daher die Bischofskonferenzen, die Diözesen und alle christlichen Gemeinden der Kirchen des Kontinents dringend auf, sich im Rahmen ihrer Zuständigkeit darum zu bemühen, dass diese Unabhängigkeit immer mehr Wirklichkeit werde. Gleichzeitig appelliere ich an die Schwesterkirchen der Welt, die Päpstlichen Missionswerke grobzügiger zu unterstützen, so dass sie durch ihre Hilfseinrichtungen den bedürftigen Diözesen wirtschaftliche Hilfe gewähren können, die für Investitionsvorhaben bestimmt sind und Möglichkeiten für eine fortschreitende Eigenfinanzierung schaffen können.<ref>Vgl. Propositio 27. </ref> Man darf allerdings nicht vergessen, dass eine Kirche nur dann zur materiellen und finanziellen Unabhängigkeit gelangen kann, wenn das ihr anvertraute Volk nicht unter äussersten Armutsbedingungen zu leiden hat.

KAPITEL VI: DAS REICH GOTTES AUFBAUEN

O.

Das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens

105. Der Auftrag, den Jesus den Jüngern unmittelbar vor seiner Himmelfahrt erteilt hat, ist an die Kirche Gottes aller Zeiten und an allen Orten gerichtet. Die Kirche als Familie Gottes in Afrika muss auch durch die Förderung von Gerechtigkeit und Frieden auf dem Kontinent und in der ganzen Welt Zeugnis geben von Christus. »Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich« (Mt 5, 9-10), sagt der Herr. Das Zeugnis der Kirche muss von dem entschlossenen Einsatz jedes Gliedes des Volkes Gottes für Gerechtigkeit und Solidarität begleitet sein. Das gilt ganz besonders für die Laien, die öffentliche Ämter bekleiden, weil dieses Zeugnis eine stetige geistliche Haltung und einen Lebensstil erfordert, der im Einklang mit dem christlichen Glauben steht.

Die kirchliche Dimension des Zeugnisses

106. Unter Betonung der kirchlichen Dimension dieses Zeugnisses erklärten die Synodenväter feierlich: »Die Kirche wird weiterhin ihre prophetische Rolle erfüllen und die Stimme derer sein, die keine Stimme haben«.<ref>Propositio 45. </ref>

Um das aber wirksam in die Tat umzusetzen, muss die Kirche als Glaubensgemeinschaft auch in ihren eigenen Strukturen und in den Beziehungen ihrer Mitglieder untereinander ein unbeugsamer Zeuge der Gerechtigkeit und des Friedens sein. Die Botschaft der Synode erklärt mutig: »Die afrikanischen Kirchen haben auch zugegeben, dass in ihrem Bereich gegenüber denen, die in ihrem Dienst stehen, nicht immer die Gerechtigkeit geachtet wird. Die Kirche muss Zeuge der Gerechtigkeit sein und anerkennt deshalb, dass jeder, der es wagt, zu den Menschen von Gerechtigkeit zu sprechen, sich selbst bemühen muss, in deren Augen gerecht zu sein. Daher müssen die Vorgehensweisen, die Güter und der Lebensstil der Kirche sorgfältig überprüft werden«.<ref>Nr. 43: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. </ref>

Was die Förderung der Gerechtigkeit und insbesondere die Verteidigung der menschlichen Grundrechte betrifft, darf das Apostolat der Kirche nicht der Improvisation überlassen bleiben. Angesichts der Tatsache, dass in zahlreichen Ländern Afrikas offenkundige Verletzungen der Würde und der Rechte des Menschen begangen werden, ersuche ich die Bischofskonferenzen, überall dort, wo es noch keine gibt, Kommissionen für »Gerechtigkeit und Frieden« einzurichten, und zwar auf den verschiedenen Ebenen. Sie sollen die Christengemeinden empfänglich machen für die ihnen aus dem Evangelium erwachsenden Verantwortlichkeiten bezüglich der Verteidigung der Menschenrechte.<ref>vgl. Propositio 46. </ref>

107. Wenn die Verkündigung der Gerechtigkeit und des Friedens wesentlicher Bestandteil der Evangelisierungsaufgabe ist, folgt daraus, dass die Förderung dieser Werte gleichfalls zum Pastoralprogramm jeder christlichen Gemeinde gehören muss. Deshalb bestehe ich auf der Notwendigkeit, alle in der Seelsorge tätigen Personen für dieses Apostolat entsprechend auszubilden: »Die Ausbildung, die dem Klerus, den Ordensleuten und den Laien in den jeweiligen Bereichen ihres Apostolats zuteil wird, muss besonderes Gewicht auf die Soziallehre der Kirche legen. Jeder muss sich, seinem Lebensstand entsprechend, seiner Rechte und seiner Pflichten bewusst werden, den Sinn und den Dienst für das Gemeinwohl sowie die Kriterien einer anständigen Verwaltung der öffentlichen Güter und einer einwandfreien Präsenz im politischen Leben erlernen, um so angesichts der sozialen Ungerechtigkeiten glaubwürdig eingreifen zu können«.<ref>Propositio 47. </ref>

Als organisierter Körper innerhalb der Gemeinde und der Nation hat die Kirche das Recht und die Pflicht, sich am Aufbau einer gerechten und friedlichen Gesellschaft mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln voll zu beteiligen. Zu erwähnen ist hier ihr Apostolat in den Bereichen der Erziehung, des Gesundheitswesens, der sozialen Sensibilisierung und anderer Hilfsprogramme. In dem Maße, in dem die Kirche mit diesen ihren Aktivitäten zum Abbau der Unwissenheit, zur Verbesserung der öffentlichen Wohlfahrt und Gesundheit und zur Förderung einer stärkeren Beteiligung aller an den Problemen der Gesellschaft im Geiste der Freiheit und Mitverantwortung beiträgt, schafft sie die Bedingungen für den Fortschritt von Gerechtigkeit und Frieden.

Das Salz der Erde

108. In der pluralistischen Gesellschaft unserer Tage ist es vor allem dem Engagement der Katholiken im öffentlichen Leben zu verdanken, dass die Kirche einen wirksamen Einfluss auszuüben vermag. Von den Katholiken — ob es sich um freiberuflich tätige Akademiker oder Lehrer, Geschäftsleute oder Angestellte, Polizeibeamte oder Politiker handelt — erwartet man sich, dass sie in ihrer alltäglichen Arbeit ein Zeugnis von Güte, Wahrheit, Gerechtigkeit und Gottesliebe ablegen. »Rolle des gläubigen Laien ist es [...], im alltäglichen Leben Salz der Erde und Licht der Welt zu sein [...], besonders überall dort, wo nur er eingreifen kann«.<ref>Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Botschaft der Synode (6. Mai 1994),57: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 6. </ref>

Mit den Andersgläubigen zusammenarbeiten

109. Die Verpflichtung, sich für die Entwicklung der Völker einzusetzen, ist keine rein individuelle und noch weniger eine individualistische Pflicht, als ob es möglich wäre, sie mit den isolierten Anstrengungen eines jeden zu erfüllen. Es ist eine Pflicht für jeden Mann und jede Frau sowie für die Gesellschaften und die Nationen; im besonderen ist sie ein Imperativ für die katholische Kirche und für die anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, mit denen die Katholiken zur Zusammenarbeit auf diesem Gebiet bereit sind.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Ut unum sint (25. Mai 1995),40: L'Osservatore Romano, 31. Mai 1995, S. 4. </ref> Wie die Katholiken die christlichen Brüder und Schwestern einladen, sich an ihren Initiativen zu beteiligen, so nehmen sie die an sie gerichteten Einladungen an und erklären sich in diesem Sinne bereit, an deren Vorhaben mitzuarbeiten. Um die ganzheitliche Entwicklung des Menschen zu fördern, können die Katholiken vieles auch zusammen mit den Gläubigen der anderen Religionen vollbringen, wie sie dies übrigens bereits an verschiedenen Orten tun.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 32: AAS 80 (1988), 556. </ref>

Eine gute Führung und Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten

110. Die Synodenväter erkannten übereinstimmend an, dass die gröbte Herausforderung, um die Gerechtigkeit und den Frieden in Afrika zu verwirklichen, darin besteht, die öffentlichen Angelegenheiten in den beiden miteinander verquickten Bereichen, der Politik und der Wirtschaft, gut zu führen und zu verwalten. Manche Probleme haben ihren Ursprung ausserhalb des Kontinents und unterstehen deshalb nicht zur Gänze der Kontrolle der nationalen Regierungen und Führer. Die Synode hat aber zugegeben, dass viele Problematiken des Kontinents die Folge eines häufig von Korruption durchsetzten Regierungsstils sind. Ein kräftiges Aufrütteln der Gewissen, verbunden mit einem starken Willensentschluss, ist notwendig, um jene Lösungen zu verwirklichen, für die nunmehr kein Aufschub mehr möglich ist.

Die Nation aufbauen

111. Im politischen Bereich stösst der schwierige Prozess des Aufbaus nationaler Einheiten auf dem afrikanischen Kontinent auf besondere Hindernisse, da es sich beim Grobteil der Staaten um relativ junge politische Gebilde handelt. Tiefgreifende Unterschiede in Einklang zu bringen, alte ethnisch bedingte Feindschaften zu überwinden und sich in eine Weltordnung zu integrieren erfordert grobe Geschicklichkeit in der Kunst des Regierens. Darum hat die Synodenversammlung ein inständiges Gebet an den Herrn gerichtet, dass in Afrika heiligmässige Politiker — Männer und Frauen — erstehen mögen; dass es heilige Staatsoberhäupter geben möge, die das eigene Volk bis zum äussersten lieben und lieber dienen wollen als sich zu bedienen«.<ref>vgl. Botschaft der Synode (6. Mai 1994), 35: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. </ref>

Der Weg des Rechtes

112. Die Fundamente einer guten Regierung müssen auf der soliden Basis der Gesetze stehen, die die Rechte schützen und die Pflichten der Bürger definieren.<ref>Vgl. Propositio 56. </ref> Ich muss mit grober Trauer feststellen, dass nicht wenige afrikanische Nationen noch immer unter autoritären und Gewaltregimen zu leiden haben, die ihren Staatsbürgern die persönliche Freiheit und die menschlichen Grundrechte verweigern, im besonderen die Freiheit zu Vereinsbildung und zu politischer Äusserung und das Recht, durch freie und reguläre Wahlen ihre Regierenden zu wählen. Solche politischen Ungerechtigkeiten rufen Spannungen hervor, die häufig in bewaffnete Konflikte und in Kriege im Innern ausarten und schwere Konsequenzen nach sich ziehen wie Hungersnöte, Ausbrüche von Seuchen, Zerstörungen, ganz zu schweigen von Vernichtungen und vom Skandal und der Tragödie der Flüchtlinge. Aus diesem Grund hat die Synode zu Recht versichert, dass eine authentische Demokratie unter Achtung des Pluralismus »einer der wichtigsten Wege [ist], den Kirche und Volk gemeinsam gehen [...]. Der in den demokratischen Auseinandersetzungen im Geist des Evangeliums engagierte christliche Laie ist das Zeichen einer Kirche, die dazu dasein will und dazu da ist, um in ganz Afrika einen Rechtsstaat aufzubauen«.<ref>vgl. Botschaft der Synode (6. Mai 1994), 34: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. </ref>

Das gemeinsame Vermögen verwalten

113. Ausserdem appelliert die Synode an die afrikanischen Regierungen, eine geeignete Politik zu betreiben, um das Wirtschaftswachstum und die Investionen im Hinblick auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu fördern.<ref>Vgl. Propositio 54. </ref> Das beinhaltet die Pflicht, eine gesunde Wirtschaftspolitik zu verfolgen und einwandfreie Prioritäten für die Ausnutzung und Verteilung der bisweilen spärlichen Mittel zu setzen und anzuwenden, um für die Grundbedürfnisse der Menschen zu sorgen sowie eine ehrliche und gerechte Verteilung der Vergünstigungen und der Lasten sicherzustellen. Die Regierungen haben insbesondere die unabdingbare Pflicht, das gemeinsame Vermögen gegen jede Form von Verschwendung und widerrechtlicher Aneignung durch Staatsbürger ohne jeden Gemeinsinn oder durch skrupellose Ausländer zu schützen. Den Regierungen obliegt es auch, geeignete Initiativen zu ergreifen, um die internationalen Handelsbedingungen zu verbessern.

Verschärft wurden die wirtschaftlichen Probleme Afrikas durch die Unredlichkeit mancher korrupter Regierender, die in stillem Einverständnis mit lokalen oder ausländischen Privatinteressen die nationalen Ressourcen zu ihrem Vorteil stornieren, indem sie öffentliche Gelder auf Privatkonten bei ausländischen Banken transferieren. Hier handelt es sich wirklich um Diebstahl im eigentlichen Sinn, welche gesetzliche Deckung auch immer gegeben sein mag. Ich wünsche mir sehr, dass die internationalem Organismen und integre Personen afrikanischer und anderer Länder der Welt geeignete Rechtsmittel bereitstellen mögen, um das unrechtmässig unterschlagene Kapital wieder zurückflieben zu lassen. Auch bei der Gewährung von Krediten ist es wichtig, sich bezüglich Verantwortlichkeit und Transparenz der Empfänger zu vergewissern.<ref>Vgl. ebd. </ref>

Die internationale Dimension

114. Als Bischofsversammlung der Universalkirche unter dem Vorsitz des Nachfolgers Petri war die Synode eine willkommene Gelegenheit, um den Platz und die Rolle Afrikas im Rahmen der Gesamtkirche und der Weltgemeinschaft positiv zu bewerten. Dadurch, dass wir in der die Welt, in der wir leben, immer mehr voneinander abhängen, sind das Schicksal und die Probleme der verschiedenen Regionen miteinander verbunden. Die Kirche als Familie Gottes auf Erden muss lebendiges Zeichen und wirksames Werkzeug der weltweiten Solidarität im Hinblick auf den Aufbau einer Gemeinschaft der Gerechtigkeit und des Friedens von planetarischen Dimensionen sein. Eine bessere Welt wird nur dann erstehen, wenn sie auf den festen Fundamenten gesunder ethischer und geistlicher Grundsätze errichtet wird. In der gegenwärtigen Weltlage gehören die afrikanischen zu den am meisten benachteiligten Nationen. Die reichen Länder müssen sich ganz klar ihrer Verpflichtung zur Unterstützung der Anstrengungen der Länder bewusst werden, die darum kämpfen, aus Armut und Elend herauszufinden. Im übrigen liegt es im eigenen Interesse der reichen Nationen, sich für den Weg der Solidarität zu entscheiden, denn nur auf diese Weise können der Menschheit dauerhaft Friede und Eintracht gewährleistet werden. Sodann darf die Kirche in den entwickelten Ländern nicht die zusätzliche Verantwortung übersehen, die ihr aus der christlichen Aufgabe für Gerechtigkeit und Nächstenliebe erwächst: weil alle, Männer und Frauen, das Abbild Gottes in sich tragen und berufen sind, zu derselben durch Christi Blut erlösten Familie zu gehören, muss für jeden ein gerechter Zugang zu den Ressourcen der Erde verbürgt sein, die Gott allen zur Verfügung gestellt hat.<ref>Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio (26. März 1967): AAS 59 (1967),257-299; Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987): AAS 80 (1988), 513-586, Enzyklika Centesimus annus (I. Mai 1991): AAS 83 (1991),793-867; Propositio 52. </ref>

Die zahlreichen praktischen Implikationen, die eine solche Aufgabe mit sich bringt, lassen sich unschwer erahnen. Es gilt zunächst, sich dadurch für bessere soziale und politische Beziehungen zwischen den Nationen einzusetzen, dass für diejenigen unter ihnen, die nach Erlangung ihrer Unabhängigkeit erst vor kurzer Zeit in die internationale Gemeinschaft eingetreten sind, gerechtere und würdigere Verhältnisse sichergestellt werden. Sodann muss mit innerer Anteilnahme dem Angstschrei der armen Nationen Gehör geschenkt werden, die auf besonders wichtigen Gebieten um Hilfe bitten: die Unterernährung, die allgemeine Verschlechterung der Lebensqualität, unzureichende Mittel für die Ausbildung der jungen Menschen, das Fehlen der elementaren Dienste bei der medizinischen und sozialen Versorgung mit der Konsequenz des Anhaltens endemischer Krankheiten, die Ausbreitung der entsetzlichen Geisel AIDS, die drückende und bisweilen untragbare Last der internationalen Verschuldung, der Schrecken der von einem skrupellosen Waffenhandel genährten Bruderkriege, das beschämende und beklagenswerte Drama der Flüchtlinge und Vertriebenen. Das sind einige Bereiche, bei denen sofortiges Eingreifen notwendig ist, das opportun bleibt, auch wenn es aus der Gesamtsicht der Probleme unzulänglich zu sein scheint.

I. Bereiche, die zu Besorgnis Anlass geben

Der Jugend die Hoffnung wiedergeben

115. Die Situation wirtschaftlicher Armut hat eine besonders negative Auswirkung auf die jungen Menschen. Auf Grund einer von zahlreichen Frustrationen gezeichneten Gegenwart treten sie mit wenig Enthusiasmus in das Erwachsenenleben ein und blicken mit noch geringerer Hoffnung in die Zukunft, die ihnen traurig und düster erscheint. Deshalb trachten sie, aus den vernachlässigten ländlichen Gebieten zu fliehen und scharen sich in den Städten zusammen, die ihnen im Grund nicht viel Besseres zu bieten haben. Viele von ihnen gehen ins Ausland gleichsam wie ins Exil, wo sie ein prekäres Dasein als Wirtschaftsflüchtlinge führen. Ich halte es für meine Pflicht, das Anliegen dieser jungen Menschen zu vertreten: es ist notwendig und dringend geboten, eine Lösung für ihr ungeduldiges Verlangen zu finden, am Leben der Nation und der Kirche teilzunehmen.<ref>Vgl. Bischofssynode, Sonderversammlung für Afrika, Botschaft der Synode (6. Mai 1994),63: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 6. </ref>

Gleichzeitig jedoch möchte ich zusammen mit den Synodenvätern auch an die Jugendlichen selbst einen Aufruf richten: Liebe junge Menschen: die Synode trägt euch auf, euch für die Entwicklung eurer Nationen einzusetzen, die Kultur eures Volkes zu lieben und euch für ihre Revitalisierung zu verwenden in Treue zu eurem kulturellen Erbe, durch die Schärfung des wissenschaftlichen und technischen Geistes und vor allem durch das Zeugnis des christlichen Glaubens.<ref>Vgl. ebd. </ref>

Die Geisel AIDS

116. Vor diesem Hintergrund allgemeiner Armut und unzulänglicher Gesundheitsdienste befasste sich die Synode mit AIDS, jener tragischen Geisel, die in zahlreichen Zonen Afrikas Schmerz und Tod sät. Die Synode stellte fest, welche Rolle unverantwortliches sexuelles Verhalten bei der Verbreitung jener Krankheit spielt, und formulierte folgende entschlossene Empfehlung: »Das Gefühl, die Freude, das Glück und der Friede, wie sie die christliche Ehe und die Treue erzeugen, sowie die von der Keuschheit gewährte Sicherheit müssen den Gläubigen, vor allem den Jugendlichen, ständig vor Augen geführt werden«.<ref>Propositio 51. </ref>

Der Kampf gegen AIDS muss von allen aufgenommen werden. Ich stimme den Synodenvätern bei und ersuche gleichfalls alle in der Seelsorge tätigen Personen, den von AIDS befallenen Brüdern und Schwestern jede nur mögliche materielle Unterstützung und jeden moralischen und geistlichen Trost zu spenden. Die Wissenschaftler und die verantwortlichen Politiker in aller Welt bitte ich sehr eindringlich, aus der jeder menschlichen Person geschuldeten Liebe und Achtung nicht mit den Mitteln zu sparen, die imstande sind, dieser Geisel ein Ende zu setzen.

»Schmiedet Pflugscharen aus den Schwertern!«:(vgl. Jes 2,4): nie wieder Krieg!

117. Die Tragödie der Kriege, die Afrika zerfleischen, wurde von den Synodenvätern mit scharfen Worten beschrieben: »Seit mehreren Jahrzehnten ist Afrika Schauplatz von Bruderkriegen, die die Bevölkerung dezimieren und ihre Natur- und Kulturschätze zerstören«.<ref>Propositio 45. </ref> Das so schmerzliche Phänomen hat neben Ursachen ausserhalb Afrikas auch interne Ursachen, wie »Tribalismus, Nepotismus, Rassismus, religiöse Intoleranz, der Machthunger, der sich in den die Rechte und die Würde des Menschen straflos verhöhnenden totalitären Regimen bis zum Äussersten steigert. Die missachtete und zum Schweigen gebrachte Bevölkerung erduldet als unschuldige und sich ergebende Opfer alle diese Unrechtssituationen«.<ref>Ebd. </ref>

Ich kann nicht anders, als mich mit meiner Stimme jenen Mitgliedern der Synodenversammlung anzuschliessen und die Zustände unsagbaren Leides zu beklagen, die von den vielen bereits im Gang befindlichen oder potentiellen Konflikten hervorgerufen werden, sowie alle, die die Möglichkeit dazu haben, zu bitten, sich mit allen Kräften für die Beendigung solcher Tragödien einzusetzen.

Darüber hinaus fordere ich zusammen mit den Synodenvätern zu aktivem Einsatz auf, dass auf dem Kontinent Verhältnisse von gröberer sozialer Gerechtigkeit und gerechterer Machtausübung gefördert werden, um so den Boden für den Frieden zu bereiten. »Wenn du den Frieden willst, arbeite für die Gerechtigkeit«.<ref>Paul VI., Ansprache an die "Stadt der Kinder" anlässlich des V. Weltfriedenstag (1. Januar 1972): AAS 64 (1972), 44. </ref> Es ist besser — und auch leichter —, den Kriegen eher zuvorzukommen als zu versuchen sie anzuhalten, wenn sie einmal ausgebrochen sind. Es ist an der Zeit, dass die Völker ihre Schwerter zerbrechen, um aus ihnen Pflugscharen zu schmieden, und ihre Lanzen, um aus ihnen Winzermesser zu machen (vgl. Jes 2, 4).

118. Bei der Suche nach Verhandlungslösungen für die in zahlreichen Zonen des Erdteils aus gebrochenen bewaffneten Konflikte hat die Kirche in Afrika — besonders durch einige ihrer Verantwortlichen — in vorderster Linie gestanden. Diese Befriedungsmission muss weitergehen und sich von der Verheißung des Herrn in den Seligpreisungen ermutigen lassen: »Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden« (Mt 5, 9). Diejenigen, die durch den Waffenhandel die Kriege in Afrika anfachen, sind Komplizen abscheulicher Verbrechen gegen die Menschheit. In diesem Zusammenhang mache ich mir die Empfehlungen der Synode zu eigen, die, nachdem sie erklärt hatte: »Der Waffenhandel, der Tod sät, ist ein Skandal«, an alle Länder, die Waffen an Afrika verkaufen, mit der flehentlichen Bitte appellierte, »diesen Handel einzustellen«, und die afrikanischen Regierungen ersuchte, »auf die übermässigen Militärausgaben zu verzichten, um mehr Mittel für die Erziehung, das Gesundheitswesen und den Wohlstand ihrer Völker aufzuwenden«.<ref>Propositio 49. </ref>

Afrika muss weiter nach friedlichen und wirksamen Mitteln suchen, damit die Militärregime die Macht an Zivilregierungen übergeben. Ebenso stimmt es freilich, dass die Militärs zu ihrer besonderen Rolle im Land berufen sind. Deshalb lobt die Synode »unsere Brüder, die Soldaten, für den Dienst, den sie im Namen unserer Nationen verrichten«,<ref>Botschaft der Synode (6. Mai 1994),35: L'Osservatore Romano, 8. Mai 1994, S. 5. </ref> um sie aber sofort ausdrücklich daran zu erinnern, dass »sie jede Gewalttat gegen unschuldige Menschenleben unmittelbar vor Gott werden verantworten müssen«.<ref>Ebd. </ref>

Flüchtlinge und Vertriebene

119. Eine der bittersten Folgen der Kriege und der wirtschaftlichen Schwierigkeiten ist das traurige Phänomen der Flüchtlinge und Vertriebenen, eine Erscheinung, die, wie die Synode ausführt, tragische Dimensionen erreicht hat. Die ideale Lösung besteht in der Wiederherstellung eines gerechten Friedens, in der Versöhnung und in der wirtschaftlichen Entwicklung. Es ist daher dringend notwendig, dass die nationalen, regionalen und internationalen Organisationen die Probleme der Flüchtlinge und Vertriebenen auf gerechte und dauerhafte Weise lösen.<ref> Propositio 53. </ref> Da der Kontinent jedoch weiter unter der Massenwanderung von Flüchtlingen leidet, erlasse ich unterdessen einen dringenden Appell, damit diesen Menschen überall, wo sie sich befinden, in Afrika oder auf anderen Kontinenten, materielle Hilfe gewährt und pastoraler Beistand geleistet werde.

Die Last der internationalen Verschuldung

120. Die Frage der Verschuldung der armen Nationen gegenüber den reichen bereitet der Kirche grobe Sorgen, wie sich aus zahlreichen offiziellen Dokumenten und vielen Interventionen des Heiligen Stuhls bei verschiedenen Anlässen ergibt.<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes , 86; Paul VI., Enzyklika Populorum progressio (26. März 1967), 54: AAS 59 (1967), 283-284; Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 19: AAS 80 (1988),534-536; Enzyklika Centesimus annus (I. Mai 1991), 836-838; Apostolisches Schreiben Tertio millenio adveniente (10. November 1994) 51: AAS 87 (1995),36, in dem "eine erhebliche Reduzierung, wenn nicht überhaupt der totale Erlass der internationalen Schulden, die auf dem Schicksal vieler Nationen lasten", als angemessene Initiative im Hinblick auf das große Jubiläumsjahr 2000 vorgeschlagen wird; Päpstliche Kommission ,,JUSTITIA ET PAX", Dokument Im Dienste der menschlichen Gemeinschaft: ein ethischer Ansatz zur Überwindung der internationalen Schuldenkrise (27. Dezember 1986), Vatikanstadt 1986. </ref>

Wenn ich jetzt die Worte der Synodenväter aufgreife, halte ich es zuallererst für meine Pflicht, »die Staatsoberhäupter und ihre Regierungen in Afrika« zu ermahnen, »das Volk nicht mit inneren und äusseren Schulden zu erdrücken«.<ref> Propositio 49. </ref> Sodann richte ich einen dringenden Appell »an den Internationalen Währungsfonds, an die Weltbank sowie an alle Gläubiger, sie mögen die die afrikanischen Nationen erdrückende Schuldenlast erleichtern«.<ref>Ebd. </ref> Schliesslich ersuche ich eindringlich »die Bischofskonferenzen der Industrieländer, sich bei ihren Regierungen und anderen interessierten Stellen zu Anwälten für diese Sache zu machen«.<ref>Ebd. </ref> Die Lage zahlreicher afrikanischer Länder ist so dramatisch, dass Verhaltensweisen der Gleichgültigkeit und Tatenlosigkeit nicht möglich sind.

Würde der afrikanischen Frau

121. Eines der typischen Merkmale unserer Zeit ist das wachsende Bewusstsein für die Würde der Frau und ihre spezifische Rolle in der Kirche und in der Gesellschaft im allgemeinen. »Gott schuf den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie« (Gen 1, 27).

Ich habe selbst wiederholt die fundamentale Gleichheit und die bereichernde gegenseitige Ergänzung angeführt, die zwischen Mann und Frau besteht.<ref>vgl. Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem (15. August 1988), 6-9: AAS 80 (1988), 1662-1670; Brief an die Frauen (29. Juni 1995),7: L'Osservatore Romano, 10.-11. Juli 1995, S. 5. </ref> Die Synode hat diese Prinzipien auf die Lage der Frauen in Afrika angewandt. Ihre Rechte und Pflichten in bezug auf den Aufbau der Familie und die volle Beteiligung an der Entwicklung der Kirche und der Gesellschaft wurden nachdrücklich unterstrichen. Was speziell die Kirche angeht, so ist es opportun, dass die in adäquater Weise ausgebildeten Frauen auf den geeigneten Ebenen an der apostolischen Tätigkeit der Kirche beteiligt werden.

Die Kirche beklagt und verurteilt, sofern sie in verschiedenen afrikanischen Gesellschaften noch vorhanden sind, alle »Gepflogenheiten und Praktiken, die die Frauen ihrer Rechte und der ihnen gebührenden Achtung berauben«.<ref>Propositio 48. </ref> Es ist überaus wünschenswert, dass die Bischofskonferenzen Sonderkommissionen ins Leben rufen, um, wo es möglich ist, in Zusammenarbeit mit den zuständigen Regierungsbehören die Probleme der Frau gründlicher zu studieren.<ref>Vgl. ebd. </ref>

II. Die Frohbotschaft bekannt machen

Christus folgen, dem Verkünder im wahrsten Sinne des Wortes

122. Zum Thema soziale Kommunikation im Bereich der Evangelisierung Afrikas hatte die Synode viel zu sagen, wobei sie klar die gegenwärtigen Verhältnisse vor Augen hatte. Der theologische Ausgangspunkt ist Christus, der Verkünder im wahrsten Sinne des Wortes, der denen, die an ihn glauben, die Wahrheit, das Leben und die Liebe mitteilt, die er mit dem himmlischen Vater und dem Heiligen Geist innehat. Deshalb »ist sich die Kirche der Pflicht bewusst, die soziale Kommunikation ad intra und ad extra zu fördern. Durch eine verbesserte Informationsverbreitung unter ihren Mitgliedern trachtet sie die Kommunikation innerhalb der Kirche zu fördern«.<ref>Propositio 57. </ref> Das soll ihr von Nutzen dabei sein, wenn sie der Welt die Frohe Botschaft von der in Jesus Christus geoffenbarten Liebe Gottes mitteilt.

Herkömmliche Formen der Kommunikation

123. Die herkömmlichen Formen der sozialen Kommunikation dürfen auf keinen Fall unterschätzt werden. Sie erweisen sich in zahlreichen Bereichen der afrikanischen Welt noch immer als sehr nützlich und wirksam. Ausserdem sind sie »nicht so kostspielig und leichter zugänglich«.<ref>Ebd. </ref> Sie erfassen die Gesänge und die Musik, die Mimik und das Theater, die Sprichwörter und die Erzählungen. Als Träger der Volksweisheit und des Volksgeistes stellen sie eine wertvolle Quelle von Inhalten und Inspiration für die modernen Medien dar.

Evangelisierung der Welt der Kommunikationsmittel

124. Die modernen Massenmedien stellen nicht nur Kommunikationsmittel dar; sie sind auch eine Welt, die es zu evangelisieren gilt. Was die von ihnen übermittelten Botschaften betrifft, muss man sich vergewissern, dass dabei das Gute, das Wahre und das Schöne dargestellt werden. Indem ich mich der Sorge der Synodenväter anschliesse, äussere ich meine Besorgnis hinsichtlich des moralischen Gehalts sehr vieler Programme, die die Kommunikationsmittel auf dem afrikanischen Kontinent verbreiten; insbesondere warne ich vor Pornographie und Gewalt, mit denen man die armen Nationen zu überfluten trachtet. Andererseits hat die Synode zu Recht »das sehr negative Bild« beklagt, »das die Massenmedien vom Afrikaner bieten, und fordert, dass dies sofort abgestellt werde«.<ref>Propositio 61. </ref>

Jeder Christ soll sich darum kümmern, dass die sozialen Kommunikationsmittel Träger der Evangelisierung sind. Doch der auf diesem Gebiet beruflich tätige Christ hat hier eine besondere Rolle zu übernehmen. Seine Pflicht ist es nämlich, darauf hinzuwirken, dass die christlichen Grundsätze die praktische Berufsausübung, den technischen und administrativen Sektor eingeschlossen, beeinflussen. Um ihm zu ermöglichen, diese Rolle in geeigneter Weise wahrzunehmen, muss ihm eine gesunde menschliche, religiöse und geistliche Bildung geboten werden.

Anwendung der sozialen Kommunikationsmittel

125. Die Kirche unserer Tage kann über eine Vielfalt von sozialen Kommunikationsmitteln verfügen, sowohl herkömmlicher wie moderner Art. Ihre Pflicht ist es, den besten Gebrauch davon zu machen, um die Botschaft vom Heil zu verbreiten. Was die Kirche in Afrika betrifft, wird der Zugang zu diesen Medien durch zahlreiche Hindernisse, nicht zuletzt ihre hohen Kosten, erschwert. An vielen Orten bestehen zudem Regierungsverordnungen, die diesbezüglich eine ungebührliche Kontrolle auferlegen. Es gilt, jede Anstrengung zur Beseitigung solcher Hindernisse zu unternehmen: die Kommunikationsmittel, ob privat oder öffentlich, müssen ausnahmslos im Dienst der Menschen stehen. Ich lade daher die Teilkirchen Afrikas ein, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um dieses Ziel zu erreichen.<ref>Vgl. Propositio 58. </ref>

Zusammenarbeit und Koordinierung der Massenmedien

126. Die Kommunikationsmittel, vor allem in ihren modernsten Formen, üben einen alle Grenzen überschreitenden Einfluss aus; in diesem Bereich ist daher eine strenge Koordinierung notwendig, die eine wirksamere Zusammenarbeit auf allen Ebenen erlaubt: auf diözesaner, nationaler, kontinentaler und Weltebene. In Afrika bedarf die Kirche dringend der Solidarität der Schwesterkirchen der reicheren und in technologischer Hinsicht fortschrittlicheren Länder. In Afrika selbst sollten einige bereits eingerichtete Programme für kontinentale Zusammenarbeit, wie das »Pan-afrikanische bischöfliche Komitee für soziale Kommunikationsmittel«, ermutigt und wiederbelebt werden. Und wie die Synode nahelegte, wird es eine engere Zusammenarbeit auf anderen Gebieten geben müssen, wie die berufliche Ausbildung, die Produktionsstrukturen von Rundfunk und Fernsehen und die Stationen, deren Sendebereich den ganzen Kontinent umfasst.<ref>Vgl. Propositio 60. </ref>

KAPITEL VII: »IHR WERDET MEINE ZEUGEN SEIN BIS AN DIE GRENZEN DER ERDE«

127. Die Synodenväter haben während der Sonderversammlung die Situation in Afrika in ihrer Gesamtheit gründlich untersucht, um zu einem immer konkreteren und glaubwürdigeren Zeugnis von Christus in jeder Ortskirche, in jeder Nation, in jeder Region und auf dem ganzen afrikanischen Kontinent anzuspornen. Alle Überlegungen und Empfehlungen, die von der Sonderversammlung angestellt wurden, lassen den vorherrschenden Wunsch durchscheinen: von Christus Zeugnis zu geben. Darin erkannte ich den Geist der Worte wieder, die ich an eine Gruppe von Bischöfen in Afrika gerichtet habe: »Wenn ihr die eigentlichen Werte und die Reichtümer des kulturellen Erbes eures Volkes respektiert, bewahrt und fördert, werdet ihr in der Lage sein, es zu einem besseren Verständnis des Geheimnisses Christi hinzuführen, das in den vortrefflichen, konkreten täglichen Erfahrungen des afrikanischen Lebens erlebt und gelebt werden muss. Es geht nicht darum, das Wort Gottes zu verfälschen oder das Kreuz um seine Kraft zu bringen (vgl. 1 Kor 1, 17), sondern vielmehr darum, Christus dem Herzen des afrikanischen Lebens nahezubringen und das afrikanische Leben als ganzes zu erhöhen bis hin zu Christus. So erweist sich nicht nur das Christentum für Afrika geeignet, sondern Christus selbst ist in den Gliedern seines Leibes Afrikaner«.<ref>Ansprache an die Bischöfe von Kenya (Nairobi, 7. Mai 1980), 6: AAS 72 (1980), 497. </ref>

Offen für die Mission

128. Die Kirche in Afrika ist nicht aufgerufen, nur auf ihrem Erdteil Christus zu bezeugen; denn das Wort des auferstandenen Herrn: »Ihr werdet meine Zeugen sein [...] bis an die Grenzen der Erde« (Apg 1, 8) ist auch an sie gerichtet. Eben darum haben die Synodenväter im Verlauf der Diskussionen über das Thema der Synode jede Tendenz zur Isolierung der Kirche in Afrika sorgfältig vermieden. Die Sonderversammlung ist zu jedem Zeitpunkt bei der Perspektive des Missionsauftrags geblieben, den die Kirche von Christus empfangen hat, nämlich ihn in der ganzen Welt zu bezeugen.<ref>Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), 50: AAS 58 (1976), 40. </ref> Die Synodenväter haben den Aufruf erkannt, den Gott an Afrika richtet, dass es auf Weltebene seine Rolle im Heilsplan des Menschengeschlechtes vollgültig erfülle (vgl. 1 Tim 2, 4).

129. Bezüglich dieses Einsatzes für die Katholizität der Kirche erklärten schon die Lineamenta der Sonderversammlung für Afrika: »Keine Teilkirche, auch nicht die ärmste, soll von der Verpflichtung dispensiert werden können, ihre spirituellen, zeitlichen und menschlichen Güter mit anderen Ortskirchen und mit der Universalkirche zu teilen (vgl. Apg 2, 44-45)«.<ref>Nr. 42. </ref> Die Sonderversammlung ihrerseits hat die Verantwortung Afrikas für die Mission »bis an die Grenzen der Erde« mit folgenden Worten nachdrücklich unterstrichen: »Der prophetische Satz Pauls VI. — 'Ihr Afrikaner seid aufgerufen, eure eigenen Missionare zu sein' — muss so verstanden werden: 'Ihr seid Missionare für die ganze Welt' [...]. An die Teilkirchen Afrikas wurde ein Aufruf erlassen für die Mission über die Grenzen ihrer eigenen Diözesen hinaus«.<ref>Relatio post disceptationem (22. April 1994), 11: L'Osservatore Romano, 24. April 1994, S. 8. </ref>

130. Während ich diese Erklärung der Sonderversammlung voll Freude und Anerkennung gutheisse, möchte ich für alle meine Mitbrüder im Bischofsamt in Afrika wiederholen, was ich vor einigen Jahren sagte: »Die Verpflichtung der Kirche in Afrika, missionarisch im eigenen Bereich zu sein und den Kontinent zu evangelisieren, schliesst die Zusammenarbeit zwischen Teilkirchen innerhalb jedes afrikanischen Landes ein sowie innerhalb der verschiedenen Nationen des Kontinents und auch mit Teilkirchen anderer Kontinente. Auf diese Weise integriert sich Afrika voll in die Missionstätigkeit«.<ref>Ansprache an die Bischofskonferenz von Senegal, Mauritanien, Kap verde und Guinea Bissau (Poponguine, 21. Februar 1992), 3: AAS 85 (1993), 150. </ref> In einem früheren Appell an alle Teilkirchen, die jungen und die alten, sagte ich: » Die Welt findet immer mehr zusammen, der Geist des Evangeliums muss zur Überwindung von kulturellen und nationalistischen Barrieren führen und jedes Sich-Verschliessen zu vermeiden suchen«.<ref>Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 39: AAS 83 (199 I), 287. </ref>

Die von der Sonderversammlung an den Tag gelegte mutige Entschlossenheit, die jungen Kirchen Afrikas in der Mission »bis an die Grenzen der Erde« einzusetzen, spiegelt das Verlangen wider, eine der wichtigsten Weisungen des II. Vatikanischen Konzils möglichst grobzügig zu befolgen: »Damit dieser missionarische Eifer bei den eigenen Landsleuten blühe, ist es sehr nützlich, dass die jungen Kirchen sobald wie möglich an dem gesamten Missionswerk der Kirche aktiven Anteil nehmen, indem sie selbst Missionare ausschicken, die überall in der Welt das Evangelium verkünden sollen, auch wenn sie selbst an Priestermangel leiden; denn die Gemeinschaft mit der Gesamtkirche findet gleichsam ihre Krönung, wenn sie selbst an der Missionsarbeit bei anderen Völkern tätig teilnehmen«.<ref>Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, 20. </ref>

Organische pastorale Solidarität

131. Zu Beginn des vorliegenden Apostolischen Schreibens habe ich darauf hingewiesen, dass ich bei der Bekanntgabe der Einberufung der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode als Ziel die Förderung »eines organischen solidarischen Zusammenwirkens in der Pastoral auf dem gesamten afrikanischen Kontinent und den dazugehörigen Inseln«<ref>Angelus (6. Januar 1989),2: lnsegnamenti XII, I (1989), 40. </ref> im Blickfeld hatte. Zu meiner Freude kann ich feststellen, dass die Versammlung mutig dieses Ziel verfolgt hat. Die Diskussionen auf der Synode haben das eifrige und hochherzige Engagement der Bischöfe für diese pastorale Solidarität und für das Teilen ihrer Mittel mit anderen offenkundig gemacht, auch wenn sie selber Missionare nötig hatten.

132. Gerade an meine Mitbürger im Bischofsamt, die »mit mir unmittelbar für die Evangelisierung der Welt verantwortlich sind, sei es als Mitglieder des Bischofskollegiums, sei es als Hirten ihrer Ortskirchen«<ref>Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990),63: AAS 83 (1991), 311. </ref> will ich in diesem Zusammenhang ein besonderes Wort richten. Bei der täglichen Hingabe an die ihnen anvertraute Herde dürfen sie niemals die Bedürfnisse der Kirche als ganzer aus den Augen verlieren. Als katholische Bischöfe müssen sie die Sorge für alle Gemeinden (vgl. 2 Kor 11, 28) wahrnehmen, die dem Apostel im Herzen brannte. Sie müssen sie vor allem dann wahrnehmen, wenn sie miteinander überlegen und entscheiden als Mitglieder der entsprechenden Bischofskonferenzen, die durch die Verbindungsorgane auf regionaler und kontinentaler Ebene in der Lage sind, die in anderen Teilen der Welt anstehenden pastoralen Dringlichkeiten besser festzustellen und einzuschätzen. Einen hervorragenden Ausdruck apostolischer Solidarität verwirklichen die Bischöfe dann in der Synode: sie wird »unter den Obliegenheiten von allgemeiner Bedeutung der missionarischen Tätigkeit als der wichtigsten und heiligsten Aufgabe der Kirche besondere Aufmerksamkeit zuwenden« müssen.<ref>II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, 29. </ref>

133. Die Sonderversammlung hat ausserdem mit Recht darauf hingewiesen, dass zur Vorbereitung einer pastoralen Gesamtsolidarität in Afrika die Erneuerung der Ausbildung der Priester gefördert werden muss. Man wird gar nie genug die Worte des II. Vatikanischen Konzils bedenken können, wo festgestellt wird, dass »die Geistesgabe, die den Priestern in ihrer Weihe verliehen wurde, sie nicht für irgendeine begrenzte und eingeschränkte Sendung rüstet, sondern für die alles umfassende und universale Heilssendung 'bis an die Grenzen der Erde' (Apg 1, 8)«.<ref>Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis, 10. </ref>

Aus diesem Grund habe ich selbst die Priester aufgefordert, »sich dem Heiligen Geist und dem Bischof ganz konkret zur Verfügung zu stellen, um zur Verkündigung des Evangeliums jenseits der Grenzen ihres Landes ausgesandt zu werden. Das erfordert von ihnen nicht bloss eine ausgereifte Berufung, sondern auch eine ungewöhnliche Fähigkeit, sich vom eigenen Vaterland, dem eigenen Volk und der eigenen Familie loszulösen, sowie eine besondere Eignung, sich mit Klugheit und Ehrfurcht in die Kulturen einzuleben«.<ref>Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990),67: AAS 83 (1991), 316. </ref>

Ich bin Gott zutiefst dankbar, wenn ich erfahre, dass in zunehmender Zahl afrikanische Priester auf den Aufruf geantwortet haben, Zeugen »bis an die Grenzen der Erde« zu sein. Ich hoffe inständig, dass diese Tendenz in allen Ortskirchen Afrikas Ansporn und Festigung finden möge.

134. Es ist auch Anlass großen Trostes zu wissen, dass die schon lange in Afrika anwesenden Missionsinstitute »heute in steigender Zahl Kandidaten aus den jungen Kirchen aufnehmen, die sie selber gegründet haben«,<ref>Ebd., 66, a.a.O., 314. </ref> und es so eben diesen Kirchen ermöglichen, sich an der Missionstätigkeit der Gesamtkirche zu beteiligen. Desgleichen bringe ich dankbare Genugtuung gegenüber den jungen afrikanischen Missionsinstituten zum Ausdruck, die auf dem Kontinent entstanden sind und heute ihre Mitglieder ad gentes aussenden. Das ist eine willkommene und wunderbare Entwicklung, die die Reife und die Dynamik der Kirche in Afrika erweist.

135. Ich möchte mir in besonderer Weise die ausdrückliche Empfehlung der Synodenväter zu eigen machen, dass sich die vier Päpstlichen Missionswerke in jeder Teilkirche und in jedem Land niederlassen mögen, um mit ihrer Hilfe eine organisch gewachsene pastorale Solidarität zugunsten der Mission »bis an die Grenzen der Erde« zu verwirklichen. Als Werke des Papstes und des Bischofskollegiums nehmen sie mit Recht den ersten Platz ein, »da sie Mittel darstellen, die Katholiken von Kindheit an mit einer wahrhaft universalen und missionarischen Gesinnung zu erfüllen und zur tatkräftigen Sammlung von Hilfsmitteln zum Wohl aller Missionen gemäss den jeweiligen Bedürfnissen anzueifern«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, 38. </ref> Ein bedeutsames Ergebnis ihres Wirkens »ist die Weckung von Missionsberufen auf Lebenszeit, sowohl in den alten als auch in den jungen Kirchen. Ich empfehle wärmstens, dass sie ihren Dienst der Animation immer mehr auf dieses Ziel hin ausrichten«.<ref> Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990),84: AAS 83 (1991), 331. </ref>

Heiligkeit und Mission

136. Die Synode hat erneut beteuert, dass alle Söhne und Töchter Afrikas zur Heiligkeit und dazu berufen sind, überall in der Welt Zeugen Christi zu sein. »Die Geschichte bestätigt, dass durch das Wirken des Heiligen Geistes Evangelisierung vor allem durch das Zeugnis der Liebe, das Zeugnis der Heiligkeit, erfolgt«.<ref> Johannes Paul II., Ansprache an eine Gruppe von Bischöfen Nigerias anlässlich ihres Ad-limina-Besuchs (21. Januar 1982),4: AAS 74 (1982), 435-436. </ref> Darum will ich für alle Christen Afrikas die Worte wiederholen, die ich vor einigen Jahren geschrieben habe: »Jeder Missionar ist nur dann ein echter Missionar, wenn er sich auf den Weg der Heiligkeit einlässt [...]. Jeder Gläubige ist zur Heiligkeit und zur Mission berufen [...]. Der erneuerte Drang zur Mission unter den Völkern — ad gentes — erfordert heiligmässige Missionare. Es genügt weder die pastoralen Methoden zu erneuern noch die kirchlichen Kräfte besser zu organisieren bzw. zu koordinieren oder etwa die biblischen und theologischen Glaubensgrundlagen mit gröberer Klugheit zu erforschen: es gilt, ein neues glühendes Verlangen nach Heiligkeit' unter den Missionaren und in der ganzen christlichen Gemeinschaft zu wecken«.<ref>Enzyklika Redemptoris missio (7. Dezember 1990), 90: AAS 83 (199 I), 336-337. </ref>

Wie damals so wende ich mich auch jetzt an die Christen der jungen Kirchen, um sie vor ihre Verantwortung zu stellen: »Ihr seid heute die Hoffnung dieser unserer zweitausend Jahre alten Kirche: da ihr jung im Glauben seid, müsst ihr wie die ersten Christen sein und Enthusiasmus und Mut ausstrahlen in selbstloser Hingabe an Gott und an die Brüder: mit einem Wort, ihr sollt euch auf den Weg der Heiligkeit einlassen. Nur so könnt ihr Zeichen Gottes in der Welt sein und in euren Ländern die missionarischen Grobtaten der Urkirche neu beleben. Und ihr werdet auch Sauerteig für die älteren Kirchen sein«.<ref>Ebd., 91, a.a.O., 337-338. </ref>

137. Die Kirche in Afrika teilt mit der Universalkirche »die hohe Berufung, zuallererst bei sich selber jenseits ethnischer, kultureller, nationaler, sozialer und anderer Unterschiede die Einheit des Menschengeschlechts zu verwirklichen, um eben die Vergänglichkeit dieser durch das Kreuz Christi aufgehobenen Unterschiede aufzuzeigen«.<ref> Päpstliche Kommission ,,JUSTITIA ET PAX", Dokument Rassische Vorurteile. Die Kirche und der Rassismus (3. November 1988), 22: Ench. Vat., I 1,929. </ref> Dadurch, dass sie der Berufung entspricht, in der Welt das erlöste und versöhnte Volk zu sein, trägt die Kirche zu einer brüderlichen Koexistenz zwischen den Völkern bei und überwindet damit die durch Rasse und Nationalität bedingten Unterschiede.

Mit Rücksicht auf die besondere Berufung, die der Kirche von ihrem göttlichen Stifter aufgetragen wurde, bitte ich die Gemeinschaft der Katholiken in Afrika eindringlich, vor der ganzen Menschheit ein glaubwürdiges Zeugnis des christlichen Universalismus abzugeben, der Gottes Väterlichkeit entspringt. »Alle in Gott erschaffenen Menschen haben denselben Ursprung; wie grob ihre geographische Zersplitterung oder die Heraushebung ihrer Unterschiede im Laufe der Geschichte auch immer gewesen sein mag, sie sind dazu bestimmt, entsprechend dem 'im Anfang' gefassten Plan Gottes eine einzige Familie zu bilden«.<ref> Ebd., 20, a.a.O., 925. </ref> Die Kirche in Afrika ist aufgerufen, aus Liebe auf jeden Menschen zuzugehen, in dem festen Glauben, dass »sich der Sohn Gottes in seiner Menschwerdung gewissermassen mit jedem Menschen vereinigt hat«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 22.</ref>

Afrika muss insbesondere seinen Beitrag zur ökumenischen Bewegung leisten, deren Dringlichkeit im Hinblick auf das dritte Jahrtausend ich in der Enzyklika Ut unum sint erst kürzlich hervorgehoben habe.<ref> NN. 77-79: L'Osservatore Romano, 31. Mai 1995, S. 6. </ref> Afrika kann sicherlich auch im Dialog zwischen den Religionen eine wichtige Rolle spielen, vor allem bei der Pflege intensiver Beziehungen zu den Moslems und bei der Förderung einer respektvollen Achtung gegenüber den Werten der traditionellen afrikanischen Religion.

Solidarität üben

138. Wenn die Kirche in Afrika »bis an die Grenzen der Erde« Zeugnis von Christus gibt, wird sie dabei sicher durch die Überzeugung von dem »positiven und moralischen Wert« unterstützt, den »das wachsende Bewusstsein der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen den Menschen und den Nationen hat. Dab Männer und Frauen in verschiedenen Teilen der Welt Ungerechtigkeiten und Verletzungen der Menschenrechte, begangen in fernen Ländern, die sie vielleicht niemals besuchen werden, als ihnen selbst zugefügt empfinden, ist ein weiteres Zeichen einer Wirklichkeit, die sich zum Gewissen verinnerlicht hat und so eine moralische Qualität erhält«.<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 38: AAS 80 (1988),565. </ref>

Ich wünsche mir, dass sich die Christen in Afrika immer mehr dieser gegenseitigen Abhängigkeit zwischen den einzelnen Menschen und den Nationen bewusst werden und bereit sein mögen, ihr durch Übung der Tugend der Solidarität zu entsprechen. Die Frucht der Solidarität ist der Friede, ein so kostbares Gut für die Völker und die Nationen in allen Teilen der Welt. In der Tat, gerade durch Mittel, die die Solidarität zu fördern und zu stärken vermögen, kann die Kirche einen spezifischen und entscheidenden Beitrag zu einer wahren Kultur des Friedens leisten.

139. Indem die Kirche ohne Diskriminierung in Verbindung mit den Völkern der Welt tritt, bringt sie im Dialog mit den verschiedenen Kulturen diese einander näher und hilft jedem von ihnen, die echten Werte der anderen im Glauben anzunehmen.

Die Kirche in Afrika, die zur Zusammenarbeit mit jedem Menschen guten Willens und mit der internationalen Gemeinschaft bereit ist, sucht keine Vorteile für sich selbst. Die Solidarität, die sie zum Ausdruck bringt, »strebt danach, sich selbst zu übersteigen, um die spezifisch christlichen Dimensionen des völligen Ungeschuldetseins, der Vergebung und der Versöhnung anzunehmen«.<ref> Ebd., 40, a.a.O., 568. </ref> Die Kirche versucht, zur Umkehr der Menschheit dadurch beizutragen, dass sie sie veranlasst, sich dem Heilsplan Gottes durch das evangelische Zeugnis zu öffnen, ein Zeugnis, das begleitet ist vom karitativen Wirken im Dienst der Armen und Geringsten. Und dabei verliert sie nie den Vorrang des Transzendenten und jener geistlichen Wirklichkeiten aus den Augen, die die Anfänge des ewigen Heils des Menschen darstellen.

Während der Debatten über die Solidarität der Kirche gegenüber den Völkern und Nationen waren sich die Synodenväter zu jedem Zeitpunkt bewusst, dass »der irdische Fortschritt eindeutig vom Wachstum des Reiches Christi zu unterscheiden ist« und dass »er doch grobe Bedeutung für das Reich Christi [hat], insofern er zu einer besseren Ordnung der menschlichen Gesellschaft beitragen kann«.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 39. </ref> Gerade deswegen ist die Kirche in Afrika — und die Arbeit der Sonderversammlung hat dies deutlich gezeigt — überzeugt, dass die Erwartung der endgültigen Wiederkunft Christi »niemals eine Entschuldigung dafür sein kann, sich nicht für die Menschen in ihrer konkreten persönlichen Lage und ihrem gesellschaftlichen Leben zu interessieren, und dies auf nationaler wie auf internationaler Ebene«,<ref> Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis (30. Dezember 1987), 48: AAS 80 (1988), 583. </ref> denn die irdischen Bedingtheiten beeinflussen den Pilgerweg des Menschen zur Ewigkeit.

SCHLUSS

Auf dem Weg ins neue christliche Jahrtausend

140. Gleichsam zu einem Neuen Pfingsten um die Jungfrau Maria versammelt, haben die Mitglieder der Sonderversammlung für Afrika den Evangelisierungsauftrag der Kirche in Afrika an der Schwelle des dritten Jahrtausends eingehend untersucht. Zum Abschluss dieses Nachsynodalen Apostolischen Schreibens, in dem ich der Kirche in Afrika, in Madagaskar und auf den dazugehörigen Inseln sowie der ganzen katholischen Kirche die Früchte dieser Versammlung vorlege, danke ich Gott Vater, Sohn und Heiligem Geist, der uns das Privileg gewährt hat, diesen echten »Augenblick der Gnade«, der die Synode gewesen ist, zu erleben. Ich bin dem Volk Gottes in Afrika zutiefst dankbar für alles, was es für die Sonderversammlung getan hat. Diese Synode ist mit Eifer und Enthusiasmus vorbereitet worden, wie die dem Vorbereitungsdokument (Lineamenta) beigefügten Antworten auf den Fragebogen und die im »Arbeitsdokument« (Instrumentum laboris) gesammelten Überlegungen beweisen. Die christlichen Gemeinden Afrikas haben inbrünstig für das Gelingen der Arbeiten der Sonderversammlung gebetet, die vom Herrn reich gesegnet war.

141. Da die Synode einberufen wurde, um der Kirche in Afrika zu ermöglichen, ihren Evangelisierungsauftrag im Hinblick auf das dritte christliche Jahrtausend auf möglichst wirksame Weise wahrzunehmen, lade ich mit diesem Schreiben das Volk Gottes in Afrika — Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien — ein, sich entschlossen dem Großen Jubiläum zuzuwenden, das in einigen Jahren begangen werden wird. Die beste Vorbereitung auf das neue Jahrtausend kann für alle Völker Afrikas nur in dem entschlossenen Engagement bestehen, die Entscheidungen und Richtlinien, die ich mit der apostolischen Autorität des Nachfolgers des hl. Petrus in diesem Schreiben vorlege, mit grober Treue in die Tat umzusetzen. Es sind Entscheidungen und Richtlinien, die auf der unverfälschten Linie der Lehre und Anweisungen der Kirche und besonders des II. Vatikanischen Konzils liegen, das die wichtigste Inspirationsquelle der Sonderversammlung für Afrika gewesen ist.

142. Meine Einladung an das Volk Gottes in Afrika, sich auf das Grobe Jubiläum des Jahres 2000 vorzubereiten, will auch ein leidenschaftlicher Aufruf zur christlichen Freude sein. »Die grobe Freude, die der Engel in der Heiligen Nacht verkündet, ist tatsächlich dem ganzen Volke zugedacht (vgl. Lk 2, 10) [...]. Als erste hatte die Jungfrau Maria vom Erzengel Gabriel davon Kunde erhalten, und ihr Magnifikat war bereits das Freudenlied aller Demütigen. Die freudenreichen Geheimnisse stellen uns daher jedes Mal, wenn wir den Rosenkranz beten, neu vor das unaussprechliche Ereignis, das Zentrum und Höhepunkt der Geschichte ist: das Kommen des Emanuel, Gott mit uns, auf diese Erde«.<ref> Paul VI., Apostolisches Schreiben Gaudete in Domino (9. Mai 1975), III: AAS 67 (1975), 297. </ref>

Wir bereiten uns darauf vor, mit dem kommenden Großen Jubeljahr den zweitausendsten Jahrestag dieses freudenreichen Ereignisses feierlich zu begehen. Afrika, das »in gewissem Sinn die 'zweite Heimat' des Jesus von Nazaret ist, (der) als kleines Kind eben in Afrika Zuflucht gefunden hat vor der Verfolgung des Herodes«,<ref> Johannes Paul II., Predigt beim Eröffnungsgottesdienst der Sonderversammlung für Afrika der Bischofssynode (10. April 1994), I: AAS 87 (1995), 179. </ref> wird also zur Freude aufgerufen. Gleichzeitig »wird alles das vorrangige Ziel des Jubeljahres anstreben müssen, nämlich die Stärkung des Glaubens und des Zeugnisses der Christen«.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994), 42: AAS 87 (1995), 32. </ref>

143. Wegen der zahllosen Schwierigkeiten, Krisen und Konflikte, die soviel Elend und Leid über den Erdteil bringen, gibt es Afrikaner, die manchmal versucht sind zu glauben, der Herr habe sie verlassen, er habe sie vergessen (vgl. Jes 49, 14)! »Und Gott antwortet mit den Worten des großen Propheten: 'Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: ich vergesse dich nicht. Sieh her: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände' (Jes 49, 15-16). Ja, in die Hände Christi, von den Nägeln der Kreuzigung durchbohrt! Der Name eines jeden von euch (Afrikanern) ist in diese Hände eingezeichnet. Deshalb rufen wir voll Vertrauen: 'Der Herr ist meine Kraft und mein Schild, mein Herz vertraut Ihm. Mir wurde geholfen. Da jubelte mein Herz' (Ps 28 [27], 7)«.<ref> Johannes Paul II., Predigt bei der Messe in Khartum (10. Februar 1993), 8: AAS 85 (1993), 964. </ref>

Gebet zu Maria, Mutter der Kirche

144. Voller Dankbarkeit für die Gnade dieser Synode wende ich mich an Maria, den Stern der Evangelisierung, und während das dritte Jahrtausend näherrückt, vertraue ich ihr Afrika und seinen Evangelisierungsauftrag an. Ich wende mich an sie mit den im Gebet ausgedrückten Gedanken und Gefühlen, das meine Mitbrüder im Bischofsamt zum Abschluss der Arbeitssitzung der Synode in Rom verfasst haben:

O Maria, Mutter Gottes und Mutter der Kirche,

Dank Dir hat sich am Tag der Verkündigung,

am Morgen der neuen Zeit,

das ganze Menschengeschlecht

mit seinen Kulturen

voller Freude als bereit erkannt

für die Aufnahme des Evangeliums.

Am Vorabend eines neuen Pfingsten

für die Kirche in Afrika,

Madagaskar und auf den dazugehörigen Inseln

flehen das Volk Gottes und seine Hirten

zusammen mit Dir:

die Ausgießung des Heiligen Geistes

möge aus den afrikanischen Kulturen

Stätten der Gemeinschaft in der Verschiedenheit

und die Bewohner dieses großen Kontinents

zu grobherzigen Söhnen

und Töchtern der Kirche machen,

die Familie des Vaters ist,

Bruderliebe des Sohnes,

Ebenbild der Dreifaltigkeit,

Ursprung und Anfang auf Erden

jenes ewigen Reiches,

das seine Fülle haben wird

in der Stadt, deren Baumeister Gott ist:

der Stadt der Gerechtigkeit,

der Liebe und des Friedens.

Gegeben zu Yaoundé, in Kamerun,
am 14. September, dem Fest der Kreuzerhöhung, des Jahres 1995,
dem siebzehnten meines Pontifikats.

Johannes Paul II.

Anmerkungen

<references />

Weblinks