Ecclesiae sponsae imago (Wortlaut)

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Instruktion
Ecclesiae sponsae imago

Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens
im Pontifikat von Papst
Franziskus
über die gottgeweihte Jungfrauen (für den Ordo virginum)
8. Juni 2018

(Quelle: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 216)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Das Bild der Kirche als Braut Christi stellt sich im Neuen Testament als eindrucksvolle Ikone dar, in der sich die innige Natur der Verbindung offenbart, die der Herr zur Gemeinschaft der Gläubigen herstellen wollte (vgl. Eph 5,23–32; Apg 19,7–9; 21,2–3.9).

Seit der apostolischen Zeit manifestiert sich dieser Ausdruck des Mysteriums der Kirche in ganz besonderer Weise im Leben jener Frauen, die sich gemäß dem Charisma, das der Heilige Geist in ihnen erweckt hat, dem Herrn Jesus in bräutlicher Liebe jungfräulich hingeben, um die spirituelle Fruchtbarkeit der innigen Beziehung zu ihm zu erfahren und der Kirche und der Welt deren Früchte zu schenken.

2. Wie einige Stellen des Neuen Testaments und Schriften aus den ersten christlichen Jahrhunderten aufzeigen, entstand diese Form des Lebens nach dem Evangelium spontan in den verschiedenen Regionen, in denen sich kirchliche Gemeinschaften entwickelten,1 <ref> Zu den ältesten Belegen zählen die Zeugnisse von Clemens Romanus (CLEMENS ROMANUS, Ep. Ad Corinthios 38, 2: SCh 167,162) und Ignatius von Antiochien (IGNATIUS ANTIOCHENSIS, Ep. Ad Smyrnenses XIII: PG 5, 717–718; Ep. Ad Polycarpum V, 2: PG 5, 723–724).</ref> und fand Eingang in die anderen Formen asketischer Lebensführung, die im Kontext der heidnischen Gesellschaften ein deutliches Zeichen für die Neuheit des Christentums und seine Fähigkeit darstellten, auf die ureigenen Fragen nach dem Sinn des menschlichen Lebens eine Antwort zu geben.<ref>Im Jahr 150 formulierte Justinus dies so: „Es gibt viele Männer und Frauen, die von Kindesbeinen an Jünger Christi wurden und bis zu sechzig, siebzig Jahren rein geblieben sind. Und ich rühme mich, sogar Beispiele aus allen Schichten der Gesellschaft nennen zu können“, JUSTINUS, Apol. pro christ., c. 15: PG 6, 349. Athenagoras von Athen schrieb im Jahr 177 an Mark Aurel: „Du könntest viele von uns finden, Männer und Frauen, die ohne zu heiraten alt geworden sind, in der Hoffnung, sich noch enger mit Gott zu vereinen“: ATHENAGORAS ATHENIENSE, Legatio pro christianis XXXII: OTAC VII, 172.</ref> Ähnlich wie bei den Witwen, die sich für ein Leben „zu Ehren des Fleisches des Herrn“<ref>IGNATIUS ANTIOCHENSIS, Ep. Ad Polycarpum V, 2: PG 5, 723–724.</ref> entschieden hatten, wurde auch die geweihte Jungfräulichkeit bei den Frauen schließlich öffentlich von der Kirche als Lebensstand anerkannt.<ref>Da diese Lebensform ursprünglich eng mit der der geweihten Witwen verbunden war, gab es keine deutliche Unterscheidung, wie auch in den Schriften von Ignatius von Antiochien zu lesen ist, der Anfang des 2. Jahrhunderts die „Witwen genannten Jungfrauen“ der Gemeinde von Izmir begrüßte: IGNATIUS ANTIOCHENSIS, Ep. ad Smyrn. XIII: PG 5, 717– 718. In den Apostolischen Konstitutionen aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts sind die Jungfrauen neben den Witwen und Diakonissen als institutioneller Teil der christlichen Gemeinschaft dargestellt.</ref>

In den ersten Jahrhunderten starben zahlreiche geweihte Jungfrauen aus Treue zum Herrn als Märtyrerinnen. Zu diesen zählen Agatha von Catania, Lucia von Syrakus, Agnes und Cäcilia von Rom, Thekla von Ikonium, Apollonia von Alexandria, Restituta von Karthago und Justa und Rufina von Sevilla. Bis in die heutige Zeit wird das Andenken an diese Märtyrerjungfrauen als lebendiger Aufruf zur vollständigen Selbsthingabe, wie die Jungfrauenweihe sie fordert, in Ehren gehalten.

In den Frauen, die diese Berufung empfingen und sie durch den Entschluss, ihre Jungfräulichkeit ein Leben lang zu bewahren, erwiderten, sahen die Kirchenväter den Widerschein des Abbildes der Kirche als Braut, die sich ihrem Bräutigam vollständig hingibt: Sie nannten sie daher sponsæ Christi, Christo dicatæ, Christo maritate und Deo nuptæ.<ref>Vgl. z. B. ATHANASIUS, Apol. ad Constant. 33: PG 25, 640; AMBROSIUS, De virginibus, Lib. I, c. 8, n. 52: PL 16, 202.</ref> In dem lebendigen Leib der Kirche stellten diese einen institutionalisierten coetus (Verband) dar, der als Ordo virginum bezeichnet wurde.<ref>Dieser Ausdruck findet sich bei BASILIUS, Ep. 199 Ad Amphilochium: PG 32, 717.</ref>

3. Ab dem 4. Jahrhundert erfolgte der Eintritt in den Ordo virginum im Rahmen eines feierlichen liturgischen Ritus unter Leitung des Diözesanbischofs. Vor der zur Eucharistiefeier versammelten Gemeinde bezeugte die Frau den sanctum propositum, aus Liebe zu Christus ein Leben lang Jungfrau zu bleiben, wozu der Bischof das Weihegebet sprach. Wie in den Schriften des hl. Ambrosius und später in den ältesten liturgischen Quellen belegt, wurde der hochzeitliche Symbolismus des Ritus besonders dadurch verdeutlicht, dass der Bischof der Jungfrau ähnlich wie bei der velatio (Erteilung des Schleiers) während der Eheschließung den Schleier auflegte.<ref>Vgl. AMBROSIUS, De virginibus, Lib. III, cc. 1–3, nn. 1–14: PL 16, 219–224; De institutione virginis, c. 17, nn. 104–114: PL 16, 333–336. Vgl. Sacramentarium Leonianum XXX: PL 55, 129.</ref>

4. Die Wertschätzung und seelsorgerische Fürsorge, die den Weg der geweihten Jungfrauen begleiteten, sind in der patristischen Literatur umfangreich belegt. Die Väter beschränkten sich nicht allein darauf, das Verhalten derjenigen Geweihten zu rügen, die ihrer keuschen Lebensführung in der ergebenen Nachfolge Christi nicht pflichtgemäß nachkamen, sondern sie begegneten und widersprachen mit Nachdruck sowohl den Argumenten derer, die den Wert der geweihten Jungfräulichkeit verneinten, als auch ketzerischen Verirrungen, die das Ideal der Jungfräulichkeit und Enthaltsamkeit auf der Grundlage einer negativen Auffassung von Ehe und Sexualität verfochten. Sie setzten sich mit den theologischen Grundlagen der Jungfrauenweihe auseinander und beleuchteten ihren charismatischen Ursprung, ihre Begründung vom Evangelium her, ihre kirchliche und gesellschaftliche Bedeutung, ihre beispielhafte Beziehung zur Jungfrau Maria, ihren prophetischen Wert der Vorwegnahme und der wachsamen Erwartung der vollständigen Vereinigung mit dem Herrn, die sich erst bei dessen glorreicher Rückkehr am Ende der Zeiten verwirklichen wird. Sie wandten sich an die geweihten Jungfrauen „mehr in Zuneigung als in der Autorität“<ref>CYPRIANUS, De habitu virginum III: PL 4, 443.</ref> ihres Amtes und ermahnten sie, ihre Liebe zu Christus, ihrem Bräutigam, durch ein unermüdliches Studium der Heiligen Schrift und beharrliches persönliches und liturgisches Gebet zu nähren und zu leben, asketisch und tugendhaft zu leben und Werke der Barmherzigkeit zu verrichten, eine fügsame Einstellung gegenüber dem Lehramt des Bischofs zu kultivieren und sich zur Bewahrung der kirchlichen Gemeinschaft zu verpflichten, wodurch sie ein nach dem Evangelium klares und überzeugendes Zeugnis innerhalb der christlichen Gemeinschaft und des gesellschaftlichen Umfelds ablegen sollten, in das sie weiter eingebunden waren, da sie im Allgemeinen weiter in ihren eigenen Herkunftsfamilien und zuweilen auch in Gemeinschaften lebten.

Zur selben Zeit wurde durch die päpstlichen Dekretale und die Konstitutionen der Provinzkonzile auch mit der Festschreibung der Regeln für die wesentlichen Aspekte dieser Lebensform begonnen.

5. Während die geweihten Jungfrauen in den ersten Jahrhunderten im Allgemeinen in ihrem familiären Umfeld lebten, verband die Kirche im Zuge der Entwicklung des zönobitischen Mönchstums die Jungfrauenweihe mit dem Leben in der Gemeinschaft, d. h. mit der Einhaltung einer gemeinsamen Regel und dem Gehorsam gegenüber der Oberin. Im Laufe der Jahrhunderte verschwand die ursprüngliche Lebensform des Ordo virginum mit ihrer typischen Verwurzelung in der örtlichen Kirchengemeinde unter der Leitung des Diözesanbischofs.

Die Riten für den Eintritt in das klösterliche Leben begleiteten die Feier der Consecratio virginum (Jungfrauenweihe) und traten in den meisten Klöstern an deren Stelle. Nur einige Klostergemeinschaften, in denen feierliche Gelübde abgelegt wurden, behielten diesen Ritus weiter bei. Seine wesentlichen Merkmale bestanden in ihrer ursprünglichen Ausgestaltung zwar weiter fort, wurden aber durch den Beitrag der Sensibilität des Volkes, in dem er sich verbreitete, bereichert und später mehrmals überprüft, wodurch neue euchologische Formeln und symbolische Gesten eingeführt wurden.

6. Der Impuls zur kirchlichen Erneuerung, von dem sich das Zweite Vatikanische Konzil leiten ließ, weckte auch Interesse für den liturgischen Ritus der Consecratio virginum und des Ordo virginum. Viele Jahrhunderte nach ihrem Verschwinden entwickelte diese alte Form des geweihten Lebens in einem radikal veränderten historischen Kontext, in dem der Status der Frau in Kirche und Gesellschaft einem tiefgreifenden Veränderungsprozess unterworfen wurde, eine überraschend große Anziehungskraft und schien so in der Lage, nicht nur den Wunsch vieler Frauen nach vollständiger Hingabe an den Herrn und ihre Brüder und Schwestern zu erfüllen, sondern gleichzeitig auch die Identität der Teilkirche in der Verbundenheit mit dem einzigen Leib Christi wiederzuentdecken.

Gemäß den Bestimmungen der Liturgiekonstitution Sacrosanctum Concilium Nr. 80 wurde der Ritus der Consecratio virginum aus dem Römischen Pontifikale in der Nachkonzilszeit anhand der Grundsätze, die das Konzil für die Liturgiereform festgelegt hatte, auf den Prüfstand gestellt. Der neue Ordo Consecrationis virginum wurde am 31. Mai 1970 von der Heiligen Kongregation für den Gottesdienst auf besonderes Geheiß von Papst Paul VI. verkündet und trat am 6. Januar 1971<ref>Pontificale Romanum ex Decreto Sacrosancti Concilii Œcumenici Vaticani II instauratum auctoritate Pauli PP. VI promulgatum, Ordo Consecrations Virginum, Editio typica, Typis Polyglottis Vaticanis, Civitas Vaticana 1970.</ref> in Kraft. In Rückbesinnung auf die älteste Kirchentradition und unter Berücksichtigung der nachfolgenden geschichtlichen Entwicklung wurden zwei Formen der Feier ausgearbeitet und verabschiedet. Die erste gilt für Frauen, die in saeculo bleiben, also wie bisher weiterleben und vom Diözesanbischof zur Weihe zugelassen werden, die zweite für Nonnen in Gemeinschaften, in denen der Ritus Usus ist, für Professe mit ewigem Gelübde oder jene, die während der Feier die ewigen Gelübde ablegen und die Consecratio virginum empfangen.

7. Auf diese Weise hat die Jungfrauenweihe von Frauen, die in ihrem herkömmlichen Lebensumfeld bleiben und in der Diözesangemeinde des Bischofs nach dem Modus des alten Ordo virginum ohne Zugehörigkeit zu einem Institut des geweihten Lebens verwurzelt sind, wieder eine ausdrückliche kirchliche Anerkennung erhalten. Der liturgische Text und die darin festgelegten Vorschriften zeigen die wesentlichen Punkte der Erscheinungsform (Physiognomie) und Regeln dieser Form des geweihten Lebens auf, deren institutioneller Charakter – im Unterschied zu den Instituten des geweihten Lebens – später durch den Codex des kanonischen Rechtes (Can. 604) bestätigt wurde. Analog dazu erwähnte auch der Codex des kanonischen Rechtes der Ostkirchen explizit die Möglichkeit, dass in den Ostkirchen das besondere Recht bestand, Jungfrauen zu weihen, die „aus eigenen Stücken“, also ohne die verbindliche Zugehörigkeit zu einem Institut des geweihten Lebens, öffentlich ewige Keuschheit gelobten (Can. 570).

Dementsprechend wurde der Ordo virginum im Rahmen der Neuordnung der Römischen Kurie durch die Apostolische Konstitution Pastor Bonus der Zuständigkeit der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des Apostolischen Lebens (Art. 105) zugeordnet.<ref>PAPST JOHANNES PAUL II., Apostolische Konstitution über die Römische Kurie Pastor bonus (28. Juni 1988), 105.</ref>

Auch der Katechismus der Katholischen Kirche,<ref>Katechismus der Katholischen Kirche, 922–924.</ref> die Überlegungen der Bischofssynode zum Thema „Das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt“ und das Nachsynodale Apostolische Schreiben Vita Consecrata<ref>PAPST JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata über das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt (25. März 1996).</ref> (und hier insbesondere Nr. 7 und Nr. 41) trugen dazu bei, die kirchliche Verortung des Ordo virginum inmitten der anderen Formen geweihten Lebens zu klären und betonten das besondere Band, das zwischen den geweihten Jungfrauen und der Teil- und Weltkirche geknüpft wird.

Die Instruktion Neubeginn in Christus: Ein neuer Aufbruch des geweihten Lebens im Dritten Jahrtausend<ref>KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE DES GEWEIHTEN LEBENS UND DIE GESELLSCHAFTEN DES APOSTOLISCHEN LEBENS, Instruktion Neubeginn in Christus. Ein neuer Aufbruch des geweihten Lebens im Dritten Jahrtausend (19. Mai 2002), 19.</ref> unterstrich daher die Forderung, der Diözesanbischof und sein Presbyterium sollten den geweihten Jungfrauen besondere Aufmerksamkeit entgegenbringen.

Später bestätigte das Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe Apostolorum Successores<ref>KONGREGATION FÜR DIE BISCHÖFE, Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe (22. Februar 2004), 104.</ref> nochmals, dass der Diözesanbischof besondere Sorge für den Ordo virginum aufbringen müsse, da die Jungfrauen durch seine Hände Gott geweiht und seiner Seelsorge anvertraut seien, und setzte damit die alte kirchliche Überlieferung fort.

8. Seitdem diese Form des geweihten Lebens in der Kirche wieder aufgelebt ist, stehen wir im wahrsten Sinne des Wortes vor einer Blüte des Ordo virginum, dessen Lebenskraft sich in dem mannigfaltigen Reichtum persönlicher Charismen im Dienste der Erbauung der Kirche und der Erneuerung der Gesellschaft nach dem Geist des Evangeliums manifestiert. Das Phänomen erhält nicht nur aufgrund der Anzahl der betroffenen Frauen äußerste Relevanz, sondern auch aufgrund seiner Verbreitung auf allen Kontinenten, in zahlreichen Ländern und Diözesen, geografischen Gebieten und kulturellen Kontexten unterschiedlichster Art.

Dazu beigetragen hat zweifelsohne, dass die verschiedenen Bischofskonferenzen die Übersetzung der lateinischen Standardausgabe des Ordo Consecrationis virginum in die meisten gängigen Sprachen herausgegeben haben.

Eine Vielzahl von Bischöfen hat durch ihre Lehre und seelsorgerische Arbeit den Ordo virginum in ihren Diözesen gefördert und unterstützt und so dem Beitrag eben jener geweihten Jungfrauen, die sich zum Nachdenken über ihre persönliche Erfahrung, die Aktualität dieser Berufung in der heutigen Kirche und Welt und die nötige Aufmerksamkeit aufgerufen fühlen, einen besonderen Stellenwert zugemessen und es ihnen ermöglicht, ihre Überzeugung authentisch zu leben. In eben dieser Absicht haben einige Bischofskonferenzen für ihre Gebiete gemeinsame Kriterien und Leitlinien für die Seelsorge des Ordo virginum ausgearbeitet.

Im Einklang mit der Lehre und Tätigkeit der Diözesanbischöfe hat der Apostolische Stuhl dem Ordo virginum weiterhin stetige Beachtung geschenkt und sich in den Dienst der Teilkirchen gestellt, um das Wiederaufleben und die Entwicklung dieser Lebensform gemäß ihren besonderen Eigenschaften zu fördern.

9. Der Dienst an der Gemeinschaft, den der Nachfolger Petri auch gegenüber dem Ordo virginum versieht, wurde im Rahmen der ersten beiden internationalen Treffen in Rom, zu denen sich geweihte Jungfrauen aus zahlreichen Ländern versammelten, besonders deutlich. 1995<ref>PAPST JOHANNES PAUL II., Ansprache an die Teilnehmerinnen der internationalen Tagung des Ordo Virginum zum 25. Jubiläum der Verkündigung des Ritus, Rom (2. Juni 1995).</ref> erhielten die geweihten Jungfrauen vom hl. Johannes Paul II. und 2008<ref>PAPST BENEDIKT XVI., Ansprache an die Teilnehmerinnen am Kongress des Ordo virginum zum Thema „Geweihte Jungfräulichkeit in der Welt: ein Geschenk in der Kirche und für die Kirche“, Rom (15. Mai 2008).</ref> von Papst Benedikt XVI. wertvolle Lehranweisungen zur Orientierung auf ihrem Weg.

Ein drittes internationales Treffen fand 2016 statt, als geweihte Jungfrauen aus aller Welt nach Rom eingeladen wurden, um an den Abschlusstagen des von Papst Franziskus ausgerufenen Jahres des geweihten Lebens teilzunehmen. Unter der Führung des Nachfolgers Petri, der Geweihte aus allen Lebensformen dazu aufforderte, die gemeinsamen Grundfeste des geweihten Lebens wiederzuentdecken, wurde ersichtlich, wie harmonisch sich die charakteristische Verwurzelung des Ordo virginum in den Teilkirchen mit der Erfahrung in der Gemeinschaft verbindet, die von den geweihten Jungfrauen überall in der Weltkirche gelebt wird und durch die sie sich an der alleinigen kirchlichen Sendung beteiligen.

10. In den letzten Jahren wurde an dieses Dikasterium von mehreren Seiten das Anliegen herangetragen, den Diözesanbischöfen Hinweise an die Hand zu geben, die ihnen als Orientierung bei der Anwendung der Vorschriften aus dem Römischen Pontifikale und implizit aus Can. 604 des Codex des Kanonischen Rechtes sowie auch bei der Festlegung einer vollständigeren und organischer gestalteten Ordnung dienen sollten und die auf der Grundlage der gemeinsamen Grundsätze für das Recht des geweihten Lebens in seinen unterschiedlichen Formen präzise für die Besonderheiten des Ordo virginum festgelegt werden sollten.

Aufgrund des Wiedererstarkens dieser Form des geweihten Lebens in der Kirche, deren Wiederaufleben eng mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in Verbindung steht, und ihrer schnellen Verbreitung in vielen Teilkirchen erweist es sich als angebracht, auf diese Forderungen einzugehen, um die besondere Identität des Ordo virginum im Rahmen der notwendigen Anpassung an die unterschiedlichen kulturellen Kontexte zu bewahren.

In der hier vorliegenden Instruktion sind daher einige Vorschriften und Orientierungskriterien festgelegt, die von den Hirten der Diözesen und der diesen gleichgestellten Teilkirchen in der Seelsorge des Ordo virginum umgesetzt werden müssen.

Nach der Darstellung der biblischen Grundlagen sowie der typischen Merkmale der Berufung und des Zeugnisses der geweihten Jungfrauen (Teil I) behandelt die Instruktion die besondere Gestalt des Ordo virginum im Bereich der Teilkirche und der Weltkirche (Teil II) und befasst sich anschließend mit der Berufungsunterscheidung, den Ausbildungswegen im V orfeld der Weihe und der ständigen Weiterbildung (Teil III).

I. Berufung und Zeugnis des Ordo virginum

Das biblische Fundament der geweihten Jungfräulichkeit

11. „Seid fruchtbar und mehrt euch“ lautet der Befehl des Schöpfers an das erste Menschenpaar (Gen 1,28), der später auch Noah und seinen Söhnen (vgl. Gen 9,1.7) erteilt wird. Er zieht sich tief durch die jüdische Mentalität und den gesamten Aufbau des Alten Testaments und wird mit dem Versprechen einer zahlreichen Nachkommenschaft und der Vollendung messianischer Zeiten verbunden. Eine möglichst kinderreiche Ehe erscheint daher als Idealprofil eines jeden frommen Israeliten, und jeder andere Lebensstil ist der biblischen Mentalität fremd.

Im Pentateuch und den historischen Büchern wird sexuelle Enthaltsamkeit nur als vorübergehende Bedingung der Loslösung von allem Weltlichen gefordert, um in die Sphäre des von der Heiligkeit Gottes Berührten einzutreten: z. B. um sich auf das Treffen mit dem Herrn auf dem Sinai (vgl. Ex 19,15) vorzubereiten oder auf den Krieg gegen die Feinde des Herrn (vgl. 1 Sam 21,2–7) oder während des Kultdienstes durch die Leviten (vgl. Lev 22,1–9) oder um an einem heiligen Mahl teilnehmen zu können (vgl. 1 Sam 21,5). Die Jungfräulichkeit wird nur in Verbindung mit der zukünftigen Ehe und mit dem ausdrücklichen Verweis auf den Zustand der Frau (vgl. Dtn 22,13–21) als positive Eigenschaft geschätzt, da sie jene Intimität darstellt, die dem Bräutigam vorbehalten ist. Insbesondere dem Hohepriester wird aus Gründen der rituellen Reinheit auferlegt, eine Jungfrau zu heiraten (vgl. Lev 21,10–14). Die immerwährende Jungfräulichkeit wird hingegen als große Demütigung betrachtet (siehe Tochter Jiftachs in Ri 11,37), während die körperlich bedingte Unfruchtbarkeit als große moralische Qual ertragen wird (siehe Rahel in Gen 30,23; Anna in 1 Sam 1,11; Elisabeth in Lk 1,25).

12. Die Lobpreisung der bräutlichen Liebe in den Schriften der Weisheit – die im Hohelied ihren poetischen Höhepunkt erreicht – ist in dem durch die Tradition überlieferten Ideal vom Familienleben verwurzelt, das in seiner Schönheit betrachtet (z. B.: Ps 127,3–5; 128,1–3; Sir 25,1) und in moralischer und pädagogischer Perspektive wieder aufgenommen wird (z. B.: Spr 5,15–19; Sir 7,23–28; 9,1.9). Die Jungfräulichkeit wird als Tugend der Frau geschätzt, die in Erwartung der Ehe als Beweis für die Rechtschaffenheit und Ehre ihrer Familie (vgl. Ijob 31,1; Sir 9,5; 42,10) bewahrt und respektiert werden muss, und zwar in dem Maße, dass das Buch Jesus Sirach sie durch die Personifizierung der göttlichen Weisheit als jungfräuliche Braut darstellt, die sich dem hingibt, der den Herrn fürchtet (vgl. Sir 15,2). Und da die Tugend Gott willkommen ist, liegt auch die Einsicht nahe, dass in guten Werken eine spirituelle Fruchtbarkeit liegt, die sogar die unfruchtbare Frau und alle, die keine Familie gründen können oder keine Nachkommen haben, von der Sterblichkeit erlöst (vgl. Weish 3,13–14; 4,1).

13. Seit der Predigt Hoseas – die eng mit dessen persönlich erlittenem Leid verbunden ist – wird die Metapher der Braut immer wieder in den Büchern der Propheten aufgegriffen, um die Erwählung ohne jegliche Gegenleistung und die unermüdliche Treue Gottes zum Bund hervorzuheben (vgl. Hos 1–2, Ez 16; 23), während das Volk der Versuchung anderer Gottheiten und ihrer Riten erliegt. In diesem symbolischen Rahmen wird das gesamte Volk Gottes an mehreren Stellen mit der Figur einer Jungfrau verglichen oder als solche personifiziert: einmal um den Götzendienst anzuprangern, wodurch ihm wie bei einer Jungfrau, die ohne Nachkommen stirbt (vgl. Am 5,2), das Aussterben droht, dann um dem Klagen über seinen Untergang Ausdruck zu verleihen (vgl. Klgl 2,13) und schließlich, um es zur Reue aufzurufen (vgl. Jer 31,21). Aber manchmal auch, um das Erlösungsversprechen, mit dem Gott Israel von der Verwüstung und dem Verlassensein erlöst, erklingen zu lassen, damit es sich wieder freudig als mit ewiger Liebe geliebt erkennt (vgl. Jer 31,4.13; Jes 62,5).

Auch die Ehelosigkeit von Jeremias – dem Gott als Einzigem ausdrücklich befiehlt, sich keine Frau zu nehmen – ist eine prophetische Ankündigung der Strafe (vgl. Jer 16,2), die über das Volk hereinbrechen wird. Als ausdrucksstarkes Werkzeug des Wortes Gottes, als Todessymbol bzw. schmerzliche Verkörperung seiner Urteilsbotschaft, kündigt sie die bevorstehende Zerstörung als Strafe für die Untreue des Volkes gegenüber Gott an.

14. Im rabbinischen Gedankengut gilt der Ledige als Mann ohne Hilfe, ohne Freude, ohne Segen (Bereschit Rabba 17,2) und wird gleichgesetzt mit jemandem, der Blut vergießt oder das Gottesbild herabwürdigt (Traktat Yevamot des babylonischen Talmud 63b). Allerdings gibt es unter den Rabbinern und einigen religiösen Gruppen wie den Essenern und Heilern sowie in der bekannten Gemeinschaft von Qumran auch Ausnahmen davon.

An der Schwelle zum Neuen Testament wird uns dann Johannes der Täufer als Figur präsentiert, der sich als Freund des Bräutigams (vgl. Joh 3,29) bezeichnet und mit seinem asketischen Leben und seinen Predigten die Ankunft des Messias und den Anbruch des Reiches Gottes vorbereitet.

15. Im Neuen Testament ist dann zum ersten Mal von der Ehelosigkeit als Fleisch gewordene Prophezeiung des Jetzt schon und Noch nicht [Gegenwärtig- und Zukünftigkeit] des Reiches Gottes die Rede, die ihren Ursprung und ihre Daseinsberechtigung aus eben jener Neuheit des anbrechenden Reiches in der Geschichte herleitet. Da das Reich Gottes in den Evangelien mit den Predigten, Werken und der Person Jesu gleichgesetzt wird, erhält die Motivation für die Ehelosigkeit einen stark christozentrischen Charakter. Die Kindheitsevangelien nach Matthäus (vgl. 1,18–25) und insbesondere nach Lukas (vgl. 1,26–38) präsentieren die Neuheit der Jungfräulichkeit (carnis et cordis) der Mutter Jesu als sichtbares Zeichen der unsichtbaren Fleischwerdung des Gottessohnes und bräutlichen Ausdruck des Bundes mit Gott, zu dem das gesamte Volk der Gläubigen gerufen wird. Die Evangelien stellen uns Jesus außerdem als Wanderprediger vor, der frei von jeglicher Bindung (vgl. Mt 8,19–20) die Dringlichkeit des nunmehr gegenwärtigen Reiches manifestiert und zum Glauben und zur Umkehr aufruft. Die Wanderschaft Jesu führt nämlich zu einer beständigen Abkehr von Orten und Menschen und fügt sich nicht den Notwendigkeiten des Familienlebens, wo das Interesse eines Mitglieds so stark mit dem Interesse aller anderen Mitglieder verbunden ist, dass daraus eine starke Solidarität und die Politik der Verwandtschaftsbeziehungen entsteht.

Trotz der verschiedenen Verweise auf die Familienmitglieder Jesu wird in den Evangelien an keiner Stelle auf eine Ehefrau oder Kinder angespielt (vgl. Mk 3,31–32; 6,3; Joh 6,42; Apg 1,14). Jesus nennt indes seine Jünger Kinder (tékna: Mk 10,24; teknía: Joh 13,33; paidía: Joh 21,5), worunter eine Abstammung spiritueller Art zu verstehen ist. Als seine Familienmitglieder ihn aufsuchen (vgl. Mt 12,47; Mk 3,31; Lk 8, 20) bzw. ihn sogar abholen wollen, um ihn nach Hause zu bringen (vgl. Mk 3,21), verkündet er die Gründung seiner neuen Familie, die nicht auf Blutsbanden beruht, sondern auf einer spirituellen Realität, die sich in dem Wunsch ausdrückt, den Willen Gottes zu erfüllen (vgl. Mt 12,50; Mk 3, 31–35) oder das Wort des Herrn zu hören und in die Praxis umzusetzen (vgl. Lk 8,21). Diese weitere Geburt oder Wiedergeburt im Geiste jenseits von Fleisch und Blut ist auch im Johannes-Prolog (vgl. Joh 1,12–13) und im Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus (vgl. Joh 3,3– 8) belegt.

Jesus nimmt freiwillig ein Leben ohne familiäre Bindungen und Pflichten an, um sich ganz und gar der Ankündigung des Reiches und der Verwirklichung des Plans der Liebe seines Vaters gegenüber der Menschheit hinzugeben. Diese radikale Freiheit von Bindungen, die Jesus verkörpert, fordert er auch von seinen Anhängern: Er verlangt, alles (panta: Mt 19,27; Mk 10,28) bzw. allen Besitz (ta idia: die vertrauten Dinge, den eigenen Bereich des Vertrauten, Lk 18,28) zu verlassen (afíemi: in allen drei Synoptikern), wozu nicht nur das Verlassen von Eltern oder Geschwistern zählt, sondern sogar das Verlassen der Ehefrau (gyne-ʼ: Lk 18,29) und der Kinder (tékna: Mt 19,29; Mk 10,29; Lk 18,29). Zu seinen Jüngern spricht er von eunuchia als einem absolut neuen Zustand, der nicht als Demütigung oder geringschätzige Haltung gegenüber der Frau zu verstehen ist, sondern als eine besondere Gabe, die Gott denen gegeben hat, die dazu berufen sind.

Hier sei an das berühmte logion erinnert: Nicht alle können dieses Wort erfassen, sondern nur die, denen es gegeben ist (Mt 19,11). Grammatikalisch gesehen handelt es sich bei dem Ausdruck denen es gegeben ist (dédotai) um ein göttliches Passiv, das bedeutet: denjenigen, denen Gott es gegeben hat. Nur diejenigen, die das Geheimnis des von Christus eingesetzten Reiches erfassen, sind fähig, diese Gabe zu verstehen, die eine freie Entscheidung aus eigenen Stücken verlangt und sowohl theologisch als auch eschatologisch begründet ist, da sie um des Himmelreiches willen (Mt 19,12) erfolgt.

Die Ehelosigkeit wird so als freie Entscheidung dargestellt, die auch in jenem Beziehungsraum erfolgt, welcher der Leib ist, und mit der dem Ruf des Gottes der Liebe geantwortet wird, der sich in Christi Antlitz offenbart.<ref>„Die Worte Christi (Mt 19,11–12) gehen von dem gesamten Realismus der Situation des Menschen aus und führen ihn mit demselben Realismus aus dieser heraus zu einem Ruf, in dem er auf neue Weise, während er von Natur aus ein duales Wesen bleibt (d. h. als Mann auf die Frau und als Frau auf den Mann gerichtet), in der Lage ist, in dieser Einsamkeit, die immerwährend eine persönliche Dimension der Duplizität eines jeden bleibt, eine neue und sogar noch erfülltere Form der intersubjektiven Gemeinschaft mit anderen zu entdecken. Diese Ausrichtung des Rufs erklärt der Ausdruck ,um des Himmelreiches willenʻ auf explizite Weise; denn die Verwirklichung dieses Reiches muss sich in einer Linie mit der authentischen Entwicklung des Abbildes und der Ähnlichkeit Gottes einstellen, in seiner dreifaltigen, d. h. eben jener ,gemeinschaftlichenʻ Bedeutung. Der Mensch ist sich aufgrund seiner Entscheidung für die Enthaltsamkeit um des Himmelreiches willen bewusst, dass er sich selbst auf diese Weise ,andersʻ und in gewissem Sinne ,stärkerʻ verwirklichen kann als in der Ehe, indem er zur ,ehrlichen Gabe für die anderen wirdʻ“: PAPST JOHANNES PAUL II., Audienz (7. April 1982).</ref> Sie ist weder eine Flucht vor der Beziehung, noch die Frucht einer menschenunwürdigen Anstrengung, sondern gehört als Gabe zur Dynamik der Verklärung der Beziehungsfähigkeit, die den von Jesus eingesetzten Stil prägt: Brüderlichkeit nach dem Evangelium als Grundlage einer versöhnten Menschheit und Fundament der koinonía, auf der das Leben der Kirche begründet ist.<ref>„Die Enthaltsamkeit ,um des Himmelreiches willenʻ, die Entscheidung für eine lebenslange Jungfräulichkeit oder Ehelosigkeit, wurde in der Erfahrung der Jünger und Anhänger Christi zu einem Akt der besonderen Antwort auf die Liebe des göttlichen Bräutigams und erhielt damit die Bedeutung eines Aktes bräutlicher Liebe, d. h. der bräutlichen Selbsthingabe, um die bräutliche Liebe des Erlösers auf besondere Weise zu erwidern; eine als Verzicht verstandene Selbsthingabe, die jedoch vor allem aus Liebe erfolgt“: PAPST JOHANNES PAUL II., Audienz (28. April 1982).</ref>

Mit der Ankündigung des Reiches erschließt sich somit den Jüngern eine neue eschatologische Situation, der gegenüber alles an zweite Stelle rückt (vgl. Mt 10,37; Lk 14,26; Mt 19,27–29; Mk 10,28–30; Lk 18,29). In Mt 22,23–33; Mk 12, 18–27 und Lk 20, 27–40, wo von dem eschatologischen Zustand der Auferstandenen die Rede ist, zeigt sich nämlich, dass die in Christus und dem Evangelium begründete Entscheidung für Ehelosigkeit und Jungfräulichkeit bereits die Jünger – symbolisch antizipierend – in der Realität des Reiches ansiedelt.<ref>„Das lebende Menschsein als Mann und Frau [...] wählt nach freiem Willen die Enthaltsamkeit ,um des Himmelreiches willenʻ [...], weist [...] auf die eschatologische ,Jungfräulichkeitʻ des Auferstandenen hin, in dem sich die absolute, ewige bräutliche Bedeutung des Leibes offenbaren wird, der in der Vereinigung mit Gott selbst durch seinen Anblick ,von Angesicht zu Angesichtʻ glorifiziert wird; und glorifiziert wird er auch durch die Vereinigung einer vollkommenen Intersubjektivität, die alle vereint, die ,an der anderen Welt teilhabenʻ, Männer und Frauen, im Mysterium der Gemeinschaft der Heiligen. Die irdische Enthaltsamkeit ,um des Himmelreiches willenʻ ist zweifelsohne ein Zeichen, das auf diese Wahrheit und diese Realität hindeutet. Sie ist das Zeichen, dass der Leib, dessen Ende nicht der Tod ist, der Glorifizierung entgegenstrebt und bereits deswegen, wie ich meine, unter den Menschen ein Zeugnis ist, das die zukünftige Wiederauferstehung vorwegnimmt. Dieses charismatische Zeichen der anderen Welt ist jedoch Ausdruck der authentischsten Kraft und Dynamik des Mysteriums der ,Auferstehung des Leibesʻ: ein Mysterium, das von Christus in die irdische Geschichte des Menschen hineingeschrieben und tief von ihm in dieser Geschichte verankert wurde. So trägt also die Enthaltsamkeit ,um des Himmelreiches willenʻ vor allem den Stempel der Ähnlichkeit mit Christus, der durch das Werk seiner Erlösung selbst diese Entscheidung ,um des Himmelreiches willenʻ getroffen hat“: PAPST JOHANNES PAUL II., Audienz (24. März 1982).</ref>

16. In seinem Schreiben an die Korinther nennt Paulus die Ehe in einem Atemzug mit der Jungfrauenschaft und präsentiert diese nicht etwa im Befehlston, sondern als Empfehlung (vgl. 1 Kor 7,25), als einen persönlichen Ruf Gottes, als Charisma (vgl. 1 Kor 7,7). Er charakterisiert sie als jene Lebensweise, die eine größere Hingabe an den Herrn ermöglicht (vgl. 1 Kor 7, 32–35), als Zeugnis dafür, dass wir als Christen nicht dieser Welt angehören, als Zeichen für die Ausrichtung der Kirche auf das letzte Ziel und Vorgriff auf den Zustand der Auferstehung (vgl. 1 Kor 7,29.31). Die Betonung wird nicht auf den körperlichen Zustand gelegt, sondern auf die vollständige Hingabe des Menschen an Christus und den Dienst um des Reiches willen. In diesem Sinne ist in Paulus’ Augen die Gemeinschaft selbst die Jungfrau, die er als Vater mit Christus verlobt hat, damit sie all ihre Energie und Hingabe (vgl. 2 Kor 11,2–4) auf ihn ausrichten möge, indem sie den durch die Predigten der Apostel erweckten Glauben in seiner Unversehrtheit bewahrt.

Im himmlischen Jerusalem werden alle Erwählten Jungfrauen (vgl. Apg 14,4) genannt, um zum Ausdruck zu bringen, dass sie die Treue zum Bund gehalten und sich nicht durch Götzen verunreinigt haben. In der Apokalypse erscheint die Jungfräulichkeit als Zeichen der Anerkennung der Zugehörigkeit zur himmlischen Stadt, zur Braut des Lamms (vgl. Apg 21,2.9).

Wenn Jesus als Geweihter schlechthin seine Weihe nicht als Trennung von allem Weltlichen oder Unreinen zur Erfüllung der Gesetzesvorschriften lebt, sondern als Annahme jenes Leibes, den der Vater ihm geschenkt hat, und als Selbsthingabe am Kreuz, ist sein Leib der konkrete Ort und das Zeichen, in dem sich seine Weihe nach dem Plan des Vaters verwirklicht (vgl. Hebr 10,5–10). So geschieht es auch bei jedem, der den Weg der Ehelosigkeit oder Jungfräulichkeit einschlägt: Der Leib wird Wort, Ankündigung, dass man ganz dem Herrn angehört und in Freude den Brüdern und Schwestern dient.

17. Die christliche Jungfräulichkeit stellt sich also als manifestes Zeichen des zukünftigen Reiches in die Welt, weil ihre Präsenz die Relativität alles materiellen Besitzes und die Vergänglichkeit der Welt offenbart. In diesem Sinne ist sie wie die Ehelosigkeit des Propheten Jeremia Prophezeiung des bevorstehenden Endes und kündet gleichzeitig aufgrund der bräutlichen Verbindung mit Christus auch den Beginn des Lebens in der zukünftigen Welt an, einer neuen Welt nach dem Heiligen Geist. Das Zeichen ist so, wie es in der Sicht der Bibel geschieht, eben kein rein konventioneller Hinweis bzw. das blasse Abbild einer fernen Wirklichkeit, sondern es ist die Wirklichkeit selbst in ihrer beginnenden Manifestierung. In dem Zeichen ist die zukünftige Wirklichkeit enthalten, auch wenn sie noch versteckt ist.

Die geweihte Jungfräulichkeit fügt sich daher in den Horizont der Brautschaft ein, die nicht theogam (also kein Ehebündnis mit Gott), sondern theologal ist, also Taufcharakter hat, weil sie die bräutliche Liebe Christi zur Kirche betrifft (vgl. Eph 5,25– 26). Es handelt sich um eine übernatürliche, heilbringende und nicht nur um eine menschliche Wirklichkeit, die sich nicht mit der Logik der Vernunft erklären lässt, sondern mit dem Glauben, denn – wie die Heilige Schrift sagt – dein Schöpfer ist dein Gemahl (Jes 54,5). Sie ist eines der großen Werke der neuen Ordnung, die mit der österlichen Auferstehung Christi und der Ausgießung des Heiligen Geistes eingeführt wird, eine für den Menschen aus Fleisch und Blut schwer zu begreifende Erfahrung, die nur erfassen kann, wer sich vom Geiste Gottes lehren lässt (vgl. 1 Kor 2,12–13).

Charisma und Berufung

18. Die Frauen, in denen der Heilige Geist das Charisma der Jungfräulichkeit erweckt (vgl. Mt 19,11–12), empfangen die Gnade einer besonderen Berufung, mit der Gottvater sie an den Kern des Ehebündnisses (vgl. Apg 19,7–9) bindet, das er nach seinem ewigen Plan der Liebe mit der Menschheit schließen wollte und das in der Menschwerdung und im Osterfest seines Sohnes vollzogen wurde.

Dies ist das „große Mysterium“ (vgl. Eph 5,32), das sich in der Kirche verwirklicht, der Braut, für die Christus sich hingegeben hat, damit sie heilig und makellos werde (vgl. Eph 5,25–27), als Sakrament der Gemeinschaft Gottes mit den Menschen.<ref>Vgl. ZWEITES ÖKUMENISCHES VA TIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 1.</ref> Aus diesem ehelichen Mysterium, in das alle Getauften eingetaucht werden, schöpfen die christlichen Eheleute die Gnade des Sakraments, das sie in ihrem Bund festigt.

Aufgrund ihrer besonderen Berufung schöpfen aus diesem auch die Frauen, die in der Kirche die Jungfrauenweihe empfangen: Aus Liebe zu Christus, dem über alles geliebten, verzichten sie auf die Erfahrung der Ehe unter Menschen, um über das bräutliche Band mit ihm verbunden zu werden, um über ihren jungfräulichen Stand (vgl. 1 Kor 7,34) die Fruchtbarkeit dieser Vereinigung zu erfahren und zu bezeugen und so die Realität der endgültigen Gemeinschaft mit Gott vorwegzunehmen, zu der die gesamte Menschheit berufen ist (vgl. Lk 20,34–36).

Propositum, Weihe und Stand

19. Diese spirituelle Realität drückt sich in der Liturgiefeier der Consecratio virginum aus, in der die Kirche die Gnade Gottes und die Ausgießung des Heiligen Geistes<ref>Vgl. Ordo consecrationis virginum, Prænotanda, 1; Katechismus der Katholischen Kirche, 1667–1672; Codex des kanonischen Rechtes, Cann. 1166–1169.</ref> für die Jungfrauen erfleht, und wird in ihr wirksam.

In diesem Ritus bekunden die zu weihenden Jungfrauen den Sanctum propositum (heilige Entschlossenheit), sprich, ihren festen, endgültigen Willen, ein Leben lang in vollständiger Keuschheit und im Dienste Gottes und der Kirche auszuharren und dabei Christus nach den Vorgaben des Evangeliums zu folgen, um der Welt ein lebhaftes Zeugnis der Liebe vorzuleben und offensichtliches Zeichen des zukünftigen Reiches zu sein.<ref>Vgl. Ordo consecrationis virginum, 17 und 22–23.</ref>

Das Propositum der zu weihenden Jungfrauen wird von der Kirche durch das feierliche Gebet des Bischofs entgegengenommen und bestätigt. Dieser erbittet und erhält für sie die geistliche Salbung, durch die das bräutliche Band mit Christus geknüpft wird und sie in neuer Weise Gott geweiht werden.<ref>Vgl. Ordo consecrationis virginum, Prænotanda, 1; Ordo consecrationis virginum, 16, 24.</ref>

Auf diese Art werden die Jungfrauen als geweihte Personen konstituiert, als erhabenes Zeichen der Liebe der Kirche zu Christus und eschatologisches Bild von der himmlischen Braut und dem zukünftigen Leben.<ref>Vgl. Ordo consecrationis virginum, Prænotanda, 1.</ref>

Ihre durch das eheliche Bündnis begründete ausschließliche Zugehörigkeit zu Christus lässt in ihnen die wachsame Aufmerksamkeit für die Rückkehr des glorreichen Bräutigams (vgl. Mt 25,1–13) wachsen, bindet sie auf besondere Weise an sein erlösendes Opfer und weiht sie für die Erbauung und Sendung der Kirche in der Welt (vgl. Kol 1,24).

20. Im Leben der geweihten Jungfrauen spiegelt sich die Natur der Kirche wider, die sowohl in der Kontemplation als auch in der Aktion von der Liebe [caritas] beseelt ist, Jüngerin und Missionarin, die der eschatologischen Erfüllung entgegenstrebt und gleichzeitig die Freuden, Hoffnungen, Trauer und Ängste der Menschen ihrer Zeit<ref>Vgl. ZWEITES ÖKUMENISCHES VATIKANISCHES KONZIL, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 1.</ref> und insbesondere der schwächsten und ärmsten teilt, die eintaucht in das Geheimnis der göttlichen Transzendenz und in der Geschichte der Völker Fleisch wird.

Aus diesem Grund begründet die Weihe ein besonderes gemeinschaftliches Verhältnis zur Teil- und Weltkirche,<ref>Vgl. PAPST JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata über das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt (25. März 1996), 7 und 42.</ref> sie versteht sich als besonderes Band, durch das die Jungfrauen einen neuen Stand im Leben erhalten und in den Ordo virginum eingeführt werden.<ref>Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, Can. 604.</ref>

Die institutionelle Gestalt und Seelsorge dieser Lebensform finden daher ihre notwendige Vermittlung im Amt des Diözesanbischofs bzw. in einer der Diözese gleichgestellten Teilkirche<ref>Vgl. ebd., Can. 368 und Can. 381 § 2.</ref> im Amt des Hirten, der sie in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri leitet.

Das spirituelle Erscheinungsbild

21. Wie jede christliche Berufung ist auch die Berufung der geweihten Jungfrauen in den Ordo virginum eine Erfahrung des Dialogs zwischen göttlicher Gnade und menschlicher Freiheit. Die Selbsthingabe der Jungfrauen ist Folge, Werk und Erfüllung der freien und unentgeltlichen Initiative Gottes, auf dem Fundament der Taufberufung und im generativen, brüderlichen Zusammenwirken der kirchlichen Beziehungen.<ref>Vgl. PAPST JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata über das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt (25. März 1996), 14.</ref> Sie kann daher nur ausgehend von der radikalen Einheit des Volkes Gottes erfasst werden, die sich aus dem einzigen Heiligen Geist ableitet und auf den Aposteln begründet ist und in der Vielfalt der Charismen und Sendungen erstrahlt, die sich alle ergänzen und alle ihren Teil zu der einen Sendung der Kirche beitragen (vgl. Röm 12,4–5).

22. Wie in der ältesten Kirchentradition zeichnet sich das spirituelle Erscheinungsbild der Geweihten, die dem Ordo virginum angehören, durch die Verwurzelung in der um den Bischof als Hirten versammelten Teilkirche aus und wird insbesondere im Ritus der Weihe, vorrangig unter Bezugnahme auf das Vorbild der durch ihren unbeschadeten Glauben jungfräulichen Kirche, als unauflöslich mit Christus vermählte Braut und als Mutter aufgrund der zahlreichen für ein Leben in Gnade gezeugten Kinder dargestellt.<ref>Vgl. Ordo consecrationis virginum, 16.</ref>

Jungfräulichkeit, Brautschaft und Mutterschaft<ref>Vgl. PAPST JOHANNES PAUL II., Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem über die Würde und Berufung der Frau anlässlich des Marianischen Jahres (15. August 1988), 17–20.</ref> sind die drei Perspektiven, mit denen sich die spirituelle Erfahrung der geweihten Jungfrauen beschreiben lässt: Sie beziehen sich nicht auf Eigenschaften, die nebeneinander bestehen oder sich aufsummieren, sondern auf spirituelle Dynamiken, die sich ineinander verwirklichen und in die Grundkoordinaten des Tauflebens eingezeichnet sind, wodurch die Geweihten zu Töchtern der Kirche und Schwestern werden, die mit allen Männern und Frauen durch geschwisterliche Bande verbunden sind.

23. Die Jungfräulichkeit der Geweihten findet im Glauben der Kirche ihre Begründung und ihren Ausdruck: Sie wird nämlich im Lichte Christi und um seiner Liebe willen gelebt und verweist auf die vollständige, grenzen- und bedingungslose Annahme der Offenbarung, die sich in Christus endgültig erfüllt hat.<ref>„Die Keuschheit der unverheirateten Männer und der Jungfrauen als Bekundung der ungeteilten Hingabe an Gott (vgl. 1 Kor 7,32–34) stellt einen Abglanz der grenzenlosen Liebe dar, die die drei göttlichen Personen in der geheimnisvollen Tiefe des trinitarischen Lebens verbindet“: PAPST JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata über das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt (25. März 1996), 21. „Die Unversehrtheit des Glaubens wurde auch in Verbindung mit dem Bild der Kirche als Jungfrau gesehen, mit ihrer Treue in der bräutlichen Liebe zu Christus: Den Glauben zu beschädigen bedeutet, der Gemeinschaft mit dem Herrn Schaden zuzufügen“: PAPST FRANZISKUS, Enzyklika Lumen fidei über den Glauben (29. Juni 2013), 48.</ref>

In ihr drückt sich daher die vollständige Hingabe an Jesus aus, der den Menschen im Herzen seines Menschseins erreicht, in seiner originären Einsamkeit, genau dort, wo das Ebenbild Gottes und die Ähnlichkeit mit ihm unauslöschlich eingeprägt sind und wo sich das Leben nach dem Heiligen Geist trotz aller Fehltritte und sündenbedingten Wunden erneuern kann. Das von der Frau empfangene und von der Kirche durch die Weihe bestätigte Charisma der Jungfräulichkeit kommt als Gabe vom Vater durch den Sohn im Heiligen Geist: Er hütet, läutert, heilt und erhöht die Fähigkeit des Menschen zu lieben, indem alle Bruchstücke seiner Geschichte sowie die verschiedenen Dimensionen seines Menschseins – Geist, Seele und Leib – wieder zu einem Ganzen zusammengefügt werden, damit er die Gnade in der ungeschmälerten, freien und freudigen Hingabe seines Seins erwidern kann.

24. Deshalb ist die christliche Jungfräulichkeit die Erfahrung einer innigen, ausschließlichen, unauflöslichen bräutlichen Vereinigung mit dem göttlichen Bräutigam, der sich der Menschheit vorbehaltlos für immer hingegeben und so die Kirche als heiliges Volk gewonnen hat. Die Brautschaft ist im menschlichen Wesen als Fähigkeit angelegt, die Gemeinschaft in der Verschiedenheit – zwischen Mann und Frau – zu leben, und stellt für die geweihten Jungfrauen die Erfahrung der Transzendenz und der überraschenden Umgänglichkeit Gottes dar. Die Weihe vollzieht sich durch den Bündnis- und Treuepakt, der die Jungfrau mit dem Herrn in einer mystischen Hochzeit vereint, damit die Teilnahme an seinen Gefühlen und die Gleichgestaltung mit seiner Sehnsucht zu lieben immer mehr an Tiefe und Erfüllung gewinnen.

25. Die bräutliche Vereinigung offenbart so ihre generative Fähigkeit, in der sich das Übermaß göttlicher Gnade manifestiert.<ref>„Die bräutliche Liebe trägt die besondere Bereitschaft in sich, sich all jener anzunehmen, die in ihrem Umkreis leben. In der Ehe besteht diese Bereitschaft, obwohl offen für alle, insbesondere in der Liebe der Eltern zu ihren Kindern. In der Jungfräulichkeit ist diese Bereitschaft offen für alle Menschen, die von der Liebe des Bräutigams Christus umfangen sind“: PAPST JOHANNES PAUL II., Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem über die Würde und Berufung der Frau anlässlich des Marianischen Jahres (15. August 1988), 21.</ref> Nach dem Abbild der Kirche, deren Töchter sie sind, öffnen sich die geweihten Jungfrauen der Gabe der spirituellen Mutterschaft, indem sie sich zu Mitwirkenden des Heiligen Geistes machen. Die spirituelle Mutterschaft ist die Gabe einer fruchtbaren und gastlichen Innerlichkeit, die sich in den Beziehungen zum Nächsten als aufmerksame, mutige Hüterin der Menschenwürde ausdrückt; sie ist erzieherische Weisheit, die günstige Bedingungen für eine Begegnung mit Gott anzubieten versucht, sie einführt und Begleiterin auf den Wegen des Heiligen Geistes ist.

26. Besonders schön und harmonisch verbinden sich Jungfräulichkeit, Braut- und Mutterschaft in der Jungfrau Maria,<ref>Vgl. ZWEITES ÖKUMENISCHES VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, VIII.</ref> in der sich als Erster die Menschheit in Christus erneuert hat. Sie ist die vollkommene Ikone der Kirche als Mysterium der Gemeinschaft, die Frau, in der die künftige Herrlichkeit, zu der die gesamte Menschheit berufen ist, bereits vollendet ist, die „Mutter des lebendigen Evangeliums“.<ref>PAPST FRANZISKUS, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute (24. November 2013), 287.</ref> In der Kecharitomēne, – der Begnadeten (vgl. Lk 1,28) –, hat die Kirche schon immer die Virgo virginum erkannt, den unübertrefflichen Prototypen der geweihten Jungfrau.<ref>Vgl. AMBROSIUS, De virginibus, Lib. II, c. 3, n. 19: PL 16, 211.</ref> Maria ist daher Mutter, Schwester und Lehrerin der geweihten Jungfrauen. In ihr finden die Geweihten das Vorbild für die Haltungen ihres Herzens: dem Zuhören und der Annahme des Wortes Gottes (vgl. Lk 8,21), der aktiven Suche nach seinem Willen, dem Vorankommen auf dem Pilgerweg des Glaubens (vgl. Joh 2,1–5),<ref>Vgl. PAPST JOHANNES PAUL II., Enzyklika Redemptoris Mater über die selige Jungfrau Maria im Leben der pilgernden Kirche (25. März 1987), 6.</ref> „zu einer Bestimmung des Dienstes und der Fruchtbarkeit“,<ref>PAPST FRANZISKUS, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute (24. November 2013), 287.</ref> ihrer absoluten und bedingungslosen Bereitschaft, Gottes Plan zu vollenden, in der sie „das Geheimnis Gottes in der Welt, in der Geschichte und im täglichen Leben von jedem und allen Menschen“ betrachtet,<ref>Ebd., 288.</ref> ihrer jungfräulichen Mutterschaft (vgl. Lk 1,38); ihrer Fähigkeit, „betende und arbeitende Frau aus Nazaret“ zu sein [...] „unsere Frau von der unverzüglichen Bereitschaft, die aus ihrem Dorf ausbricht, um den anderen ,eilendsʻ (vgl. Lk 1,39) zu helfen“;<ref>Ebd.</ref> die am Fuße des Kreuzes steht und entgegen jeder Hoffnung hofft (vgl. Joh 19,25), in ihrer Fürsorge für die entstehende Kirche (vgl. Apg 1,14).

Lebensform

Die Nachfolge des Evangeliums und persönliche Charismen

27. Im Evangelium finden die geweihten Jungfrauen eine unerschöpfliche Quelle der Freude, die ihrem Leben, der Ausrichtung ihres Weges und ihrer Grundregel<ref>Vgl. PAPST FRANZISKUS, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute (24. November 2013), 1.</ref> Sinn verleiht. Sie treten so in die Nachfolge Christi ein und nehmen seinen keuschen, armen und gehorsamen Lebensstil<ref>Vgl. PAPST BENEDIKT XVI., Ansprache an die Teilnehmerinnen am Kongress des Ordo Virginum zum Thema „Geweihte Jungfräulichkeit in der Welt: Ein Geschenk in der Kirche und für die Kirche“, Rom (15. Mai 2008), 5; PAPST JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata über das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt (25. März 1996), 18.</ref> an. So gibt sich jede gemäß ihrer Charismen dem Gebet, der Buße, barmherzigen Werken und dem Apostolat hin.<ref>Vgl. Ordo consecrationis virginum, Prænotanda, 2.</ref>

Da sich im Ordo virginum die Berufung zur Jungfräulichkeit harmonisch mit den Charismen verbindet, die dem Zeugnis und dem kirchlichen Dienst jeder einzelnen Geweihten konkrete Gestalt verleihen,<ref>„Die charismatischen Gaben werden frei vom Heiligen Geist verliehen, damit die sakramentale Gnade im christlichen Leben in unterschiedlicher Weise und auf allen Ebenen Frucht trage. Da diese Charismen ,den Nöten der Kirche besonders angepasst und nützlich sindʻ, kann das Volk Gottes durch ihren vielfältigen Reichtum die Sendung zur Evangelisierung in Fülle leben, die Zeichen der Zeit erforschen und im Licht des Evangeliums deuten. Denn die charismatischen Gaben drängen die Gläubigen, in voller Freiheit und in einer der Zeit entsprechenden Weise auf die Gabe des Heils zu antworten, indem sie aus ihrem Leben eine Liebesgabe für die anderen und ein authentisches Zeugnis des Evangeliums vor allen Menschen machen“: KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Schreiben Iuvenescit Ecclesia über die Beziehung zwischen hierarchischen und charismatischen Gaben im Leben und in der Sendung der Kirche (15. Mai 2016), 15.</ref> reifen in ihr verschiedene Empfindsamkeiten, spirituelle Einsichten, Pläne und Lebensstile heran, die zum Ausdruck der absoluten und vollständigen Hingabe an den Herrn werden.<ref>„Bei euch gibt es verschiedene Stile und Formen, das Geschenk der geweihten Jungfräulichkeit zu leben [...]. Ich fordere euch auf, über den Schein hinauszugehen, indem ihr das Geheimnis der zarten Liebe Gottes, die jede in sich trägt, erfasst und euch trotz eurer Verschiedenheit als Schwestern erkennt“: PAPST BENEDIKT XVI., Ansprache an die Teilnehmerinnen am Kongress des Ordo Virginum zum Thema „Geweihte Jungfräulichkeit in der Welt: Ein Geschenk in der Kirche und für die Kirche“, Rom (15. Mai 2008), 5.</ref>

28. Damit die persönlichen Charismen in ihrer Authentizität erkannt, angenommen und gelebt werden können, lassen die geweihten Jungfrauen sich von der Kirche in der stetigen Praxis einer demütigen Berufungsunterscheidung begleiten und unterstützen, um zu verstehen, was der Wille Gottes für ihr Leben ist (vgl. Röm 12,2). Hier geht es darum, die spirituelle Erfahrung einer jeden Geweihten unter Berücksichtigung ihrer Biografie und ihrer Einbindung in ihr konkretes kirchliches und soziales Lebensumfeld klug und weise nach dem Evangelium zu deuten.

Zu den Hilfestellungen der Kirche im Rahmen dieser Unterscheidung gehört die geistliche Begleitung,<ref>„Um auf dem Weg des Evangeliums, besonders während der Ausbildungszeit und in bestimmten Augenblicken des Lebens, Fortschritte zu machen, ist die vertrauensvolle, demütige Inanspruchnahme der geistlichen Führung sehr hilfreich; durch sie wird dem Menschen geholfen, auf die Motivationsanstöße des Geistes hochherzig einzugehen und sich entschlossen nach der Heiligkeit auszurichten“: PAPST JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata über das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt (25. März 1996), 95.</ref> die von den Geweihten nicht vernachlässigt werden darf. Das ehrliche, fügsame und reife Gespräch mit einem behutsamen und erfahrenen Menschen, der dieses Amt ausübt, bietet jeder Einzelnen wertvolle Gelegenheiten zur Vertiefung, Prüfung und Bestätigung und gibt qualifizierte Hilfsmittel an die Hand, um in der Antwort an den Herrn zu wachsen, der zur Heiligkeit und in Harmonie mit der Person ruft.

In Kontinuität mit dem Weg der Berufungsunterscheidung, der zur Zulassung zur Weihe geführt hat, besprechen sich die geweihten Jungfrauen in töchterlichem Gehorsam mit dem Diözesanbischof, um sich hinsichtlich der wichtigsten Aspekte ihrer Lebensplanung Orientierung einzuholen, und überprüfen mit ihm die gefällten Entscheidungen.<ref>Vgl. PAPST BENEDIKT XVI., Ansprache an die Teilnehmerinnen am Kongress des Ordo Virginum zum Thema „Geweihte Jungfräulichkeit in der Welt: Ein Geschenk in der Kirche und für die Kirche“, Rom (15. Mai 2008), 4–5.</ref>

Gebet und Weg der Askese

29. Das Gebet ist für die Geweihten ein Bedürfnis der Liebe, um „die Schönheit dessen, der sie liebt, zu betrachten“,<ref>AUGUSTINUS, De sancta virginitate, c. 54: PL 40, 428.</ref> und der Gemeinschaft mit dem Geliebten und der Welt, in der sie verwurzelt sind.

Deshalb lieben sie die kontemplative Stille,<ref>„Die große patristische Überlieferung lehrt uns, dass die Geheimnisse Christi an die Stille gebunden sind, und nur in ihr kann das Wort Raum in uns finden, wie in Maria“: PAPST BENEDIKT XVI., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Verbum Domini über das Wort Gottes im Leben und in der Sendung der Kirche (30. September 2010), 66.</ref> die günstige Bedingungen schafft, um das Wort Gottes zu hören und sich mit dem Bräutigam von Herz zu Herz zu unterhalten. In dem Wunsch, ihn noch besser kennenzulernen und den Dialog des Gebets zu vertiefen, machen sie sich vor allem durch die Lectio divina und ein eingehendes Studium der Schriften<ref>„Unkenntnis der Schriften ist nämlich Unkenntnis Christi“: HIERONYMUS, Commentarii in Isaiam, Prologus; CCL 73, 1: PL 24, 17.</ref> mit der biblischen Offenbarung vertraut.

30. Sie erkennen in der Liturgie den Quell des theologalen Lebens, der Gemeinschaft und der kirchlichen Sendung und sorgen dafür, dass ihre Spiritualität ausgehend von der Feier der Sakramente und der Stundenliturgie unter gehorsamer Einhaltung des Ablaufs des liturgischen Jahres geformt wird, damit auch die sonstige Gebetspraxis, der Weg der Askese und ihr gesamtes Leben Einheit und Orientierung finden.

31. Für die geweihten Jungfrauen ist das liturgische Jahr der Königsweg, den sie gemeinsam mit ihren Brüdern und Schwestern beschreiten, um Christus, dem Bräutigam, entgegenzugehen. Sie vertrauen sich daher der Pädagogik der Kirche an, die sie leitet, damit sie die Geheimnisse Christi in ihrer ganzen Tiefe verstehen, feiern und aufnehmen können.

32. In den Mittelpunkt ihres Lebens stellen sie die Eucharistie, das Sakrament des Ehebündnisses, aus dem die Gnade ihrer Weihe strömt.<ref>„Die Eucharistie [...] ist das Sakrament des Bräutigams und der Braut. Die Eucharistie vergegenwärtigt und verwirklicht auf sakramentale Weise aufs Neue den Erlösungsakt Christi, der die Kirche als seinen Leib ,erschafftʻ. Mit diesem ,Leibʻ ist Christus verbunden wie der Bräutigam mit der Braut“: PAPST JOHANNES PAUL II., Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem über die Würde und Berufung der Frau anlässlich des Marianischen Jahres (15. August 1988), 26.</ref> Sie sind aufgerufen, die innige Vertrautheit mit dem Herrn zu leben, sich in ihn einzufühlen und mit ihm eins zu werden, indem sie möglichst täglich an der Eucharistiefeier teilnehmen und das Brot des Lebens vom Tisch des Wortes Gottes und des Leibes Christi empfangen.<ref>„Hier kann die Intimität mit Christus in Fülle gelebt werden, das Gleichwerden mit ihm, die vollständige Gleichförmigkeit mit ihm, zu der die Geweihten berufen sind“: KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE DES GEWEIHTEN LEBENS UND DIE GESELLSCHAFTEN DES APOSTOLISCHEN LEBENS, Instruktion Neubeginn in Christus. Ein neuer Aufbruch des geweihten Lebens im Dritten Jahrtausend (19. Mai 2002), 26.</ref>

Sie bezeugen die Liebe der Kirche als Braut Christi zur Eucharistie auch in der Anbetung des eucharistischen Leibes des Herrn und schöpfen aus ihm die tätige Liebe zu den Gliedern seines mystischen Leibes.

33. Durch die häufige Feier des Sakraments der Versöhnung „können [sie] mit Händen die Größe der Barmherzigkeit greifen“. Sie ist „Quelle wahren inneren Friedens“<ref>PAPST FRANZISKUS, Verkündigungsbulle Misericordiae vultus zum Außerordentlichen Jubiläum der Barmherzigkeit (11. April 2015), 17.</ref> und führt sie zu der einzigen Liebe ihres Lebens zurück. Indem sie sich vertrauensvoll an das Amt der Kirche wenden, feiern und preisen sie die vorausschauende und heilende Liebe Gottes, bekennen ihre Schuld, erneuern das Bekenntnis des Glaubens an seine Barmherzigkeit und kosten von der Freude der Vergebung, die ihnen neue Kraft auf dem Weg der Umkehr und der Treue zum Herrn spendet.<ref>„Das Sakrament der Versöhnung feiern bedeutet, in eine liebevolle Umarmung hineingenommen zu sein: Es ist die Umarmung der unendlichen Barmherzigkeit des Vaters“: PAPST FRANZISKUS, Audienz (19. Februar 2014).</ref>

34. In täglicher Treue zum Stundengebet, das sie als Gabe erhalten und im Ritus der Weihe als Pflicht übernommen haben, tragen sie das Heilsgedenken in der Zeit weiter und lassen den außergewöhnlichen Reichtum des österlichen Geheimnisses in jede Stunde ihres Lebens zurückströmen und sich dort ausbreiten. In der Feier der Stundenliturgie und insbesondere in Laudes und Vesper<ref>Vgl. Ordo consecrationis virginum, Prænotanda, 2.</ref> lassen sie Christi Gefühle in sich erklingen und eindringen, verbinden ihre Stimme mit der Stimme der gesamten Kirche und tragen dem Vater den häufig unbewussten Freuden- und Schmerzensruf vor, der sich aus der Menschheit und der gesamten Schöpfung erhebt.

35. Um die Beziehung zu Jesus zu vertiefen und mit Leben zu füllen, reservieren sie angemessene Zeiten für Einkehr und Exerzitien. Sie wertschätzen auch die zur Tradition der Kirche gehörenden Gebetsformen und -methoden wie fromme Übungen und andere Ausdrucksformen der Volksfrömmigkeit.

Die Jungfrau Maria, „Meisterin der Jungfräulichkeit“,<ref>AMBROSIUS, De institutione virginis, c. 6, n. 46: PL 16, 320.</ref> Vorbild und Patronin allen geweihten Lebens,<ref>Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, Can. 663 § 4.</ref> von der sie jeden Tag lernen, den Herrn zu verherrlichen, verehren sie voller Zuneigung und töchterlichem Vertrauen.

36. Bewegt von dem Wunsch, die Liebe des Bräutigams durch eine immer reiner und großherziger werdende Liebe zu erwidern, schöpfen sie aus dem Gebet die Eingebung für ihre Entscheidungen; sie geben stets auf ihr Verhalten und ihre Einstellungen acht; gelassen nehmen sie die Opfer an, die das tägliche Leben ihnen abverlangt; sie kämpfen gegen Versuchungen, Gedanken, Beeinflussungen und Wege, die zum Bösen führen; sie lernen, die Hilfe brüderlicher Korrektur in Demut zu empfangen.

Sie nehmen die von der Kirche angebotenen Bußpraktiken an und eine jede legt in Rücksprache mit dem geistlichen Begleiter die Formen oder Übungen der Askese<ref>„Da die Askese die Neigungen der von der Sünde verletzten menschlichen Natur zu beherrschen und zu korrigieren hilft, ist sie für die Person des geweihten Lebens wirklich unentbehrlich, um ihrer Berufung treu zu bleiben und Jesus auf dem Kreuzweg zu folgen“: PAPST JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata über das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt (25. März 1996), 38.</ref> fest, die ihr helfen, in der Freiheit und den evangelischen Tugenden zu wachsen, in einer Haltung der Unterscheidung und Umkehr,<ref>„Denn die Berufung der Personen des geweihten Lebens, vor allen anderen Dingen das Reich Gottes zu suchen, ist vor allem ein Ruf zur völligen Umkehr, in der Selbstaufgabe, um ganz vom Herrn zu leben, damit Gott alles in allen sei. Die Personen des geweihten Lebens sind berufen, das verklärte Angesicht Christi zu betrachten und zu bezeugen; sie sind aber auch zu einem ,verklärtenʻ Dasein berufen“: ebd., 35.</ref> die ein Leben lang währt.<ref>„Dies ist also die Regel für die Umkehr: sich vom Bösen zu entfernen und zu lernen, Gutes zu tun. Umzukehren ist ein Weg. Es ist ein Weg, der Mut fordert, um sich vom Bösen zu entfernen, und Demut, um zu lernen, Gutes zu tun. Und der vor allem konkreter Dinge bedarf“: PAPST FRANZISKUS, Morgenandacht in der Kapelle von Domus Sanctae Marthae, Lernen, Gutes zu tun (14. März 2017).</ref>

Lebensbedingungen, Leben in der Mitte der Gemeinschaft und Dienst

37. Typisch für diese Lebensform ist die Verwurzelung der geweihten Jungfrauen in der Ortskirche und somit in einem bestimmten kulturellen und gesellschaftlichen Umfeld: Durch die Weihe sind sie Gott vorbehalten, ohne dass sie jedoch ihrem Lebensumfeld entfremdet werden, in dem sie Zeugnis ablegen sollen.<ref>Vgl. PAPST BENEDIKT XVI., Ansprache an die Teilnehmerinnen am Kongress des Ordo virginum zum Thema „Geweihte Jungfräulichkeit in der Welt: ein Geschenk in der Kirche und für die Kirche“, Rom (15. Mai 2008), 4–5.</ref>

Sie können alleine, in der Familie, zusammen mit anderen Geweihten oder in anderen Umständen leben, die für ihre Berufung und die Umsetzung ihres konkreten Lebensplanes günstig sind. Sie sorgen mit den Früchten ihrer Arbeit und persönlichen Mitteln für ihren eigenen Unterhalt.

38. Aus dem Wunsch heraus, die Würde und Schönheit ihrer Berufung durch einen Lebensstil inmitten der Menschen ihrer Zeit auszustrahlen, behalten sie in ihrem Kleidungsstil die Gewohnheiten ihres Lebensumfeldes bei und verbinden gemäß den Anforderungen ihres gesellschaftlichen Standes Anstand und Ausdruck ihrer Persönlichkeit mit dem Wert der Nüchternheit.<ref>Vgl. PAPST FRANZISKUS, Enzyklika Laudato si’ über die Sorge für das gemeinsame Haus (24. Mai 2015), 222–227.</ref>

Außer in begründeten Ausnahmefällen tragen sie den während des Weiheritus erhaltenen Ring als Zeichen für das bräutliche Bündnis mit Christus, dem Herrn.

Den Schleier, den sie während der Weihe erhalten haben können, tragen sie an Orten, an denen verheiratete christliche Frauen ihr Haupt üblicherweise nicht mit einem Schleier bedecken, in der Regel nicht als normalen Bestandteil ihrer Kleidung. Sie halten sich an die Weisungen des Diözesanbischofs oder der Bischofskonferenz, die unter Berücksichtigung der verschiedenen Umstände und der Entwicklung der soziokulturellen Bedingungen das Tragen des Schleiers bei liturgischen Feierlichkeiten oder in anderen Situationen, in denen das Tragen dieses sichtbaren Zeichens ihrer vollständigen Hingabe an den Dienst Christi und der Kirche angemessen erscheint, gestatten können.

39. Ihre Hingabe an die Kirche manifestiert sich in der „Mission, Licht zu bringen, zu segnen, zu beleben, aufzurichten, zu heilen, zu befreien“,<ref>PAPST FRANZISKUS, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute (24. November 2013), 273.</ref> in der Leidenschaft für die Verkündung des Evangeliums, für die Erbauung der christlichen Gemeinde und für ihr prophetisches Zeugnis brüderlicher Gemeinschaft und Freundschaft mit allen Mitmenschen sowie in der aufmerksamen Aufgeschlossenheit für die geistlichen und materiellen Bedürfnisse der Menschen ihrer Zeit und der Pflicht, das Gemeinwohl der Gesellschaft zu verfolgen.<ref>„Um aus tiefster Seele Verkünder des Evangeliums zu sein, ist es auch nötig, ein geistliches Wohlgefallen daran zu finden, nahe am Leben der Menschen zu sein, bis zu dem Punkt, dass man entdeckt, dass dies eine Quelle höherer Freude ist. Die Mission ist eine Leidenschaft für Jesus, zugleich aber eine Leidenschaft für sein Volk. [...]. So entdecken wir wieder neu, dass er uns als Werkzeug nehmen will, um seinem geliebten Volk immer näher zu kommen. Er nimmt uns aus der Mitte des Volkes und sendet uns zum Volk, sodass unsere Identität nicht ohne diese Zugehörigkeit verstanden werden kann.“: Ebd., 268.</ref>

Dies bringt sie dazu, die konkreten Formen ihres kirchlichen Dienstes zu erkennen, der sich auch in der Bereitschaft äußern kann, pastorale Ämter und Aufgaben zu übernehmen.

Da das Verständnis des Mysteriums Christi die Dienste der Kirche leichter begreifen lässt, ist es in diesem Sinne wichtig, dass in ihnen in Gebet und Andacht sowie in konkreter Erfahrung ein tiefes und richtiges Dienstbewusstsein heranreift, das der geheimnisvollen evangeliumsgetreuen und kirchlichen Weisheit Rechnung trägt, die sich auch in den Anordnungen der Diözesanbischöfe und der Bischofskonferenzen ausdrückt. Durch die Erziehung in dieser Schule der Weisheit lernen sie auch durch Erfahrung sowohl diejenigen Anregungen aufzugreifen, die sich aus dem Leben der Kirche ergeben, die Mysterium und Gemeinschaft ist, als auch „alle christlichen, vom Evangelium her gegebenen Möglichkeiten, die zwar verborgen, aber dennoch in den Dingen der Welt schon vorhanden sind und sich aktiv auswirken“,<ref>PAPST P AUL VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi über die Evangelisierung in der Welt von heute (8. Dezember 1975), 70.</ref> sodass neue Chancen erkannt werden, die ein neues Bewusstsein des Dienstes bilden, das ihrer tatsächlichen Fähigkeit entspricht, sich hochherzig hinzugeben.

Darauf bedacht, die Rufe aus ihrem Lebensumfeld aufzunehmen und eifrig dem Herrn die von ihm empfangenen Gaben zur Verfügung zu stellen, sind sie aufgerufen, ihren Beitrag zur Erneuerung der Gesellschaft im Geiste des Evangeliums zu leisten, indem sie ohne Naivität oder Reduktionismus die Pflicht der kulturellen Erarbeitung des Glaubens annehmen und sich die Vorliebe der Kirche für die Armen, Leidenden und Ausgegrenzten zu eigen machen.<ref>Vgl. Ordo consecrationis virginum, 16; PAPST JOHANNES PAUL II., Ansprache an die Teilnehmerinnen der internationalen Tagung des Ordo Virginum zum 25. Jubiläum der Verkündigung des Ritus, Rom (2. Juni 1995), Nr. 6; PAPST FRANZISKUS, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute (24. November 2013), 197–216. „Für die Kirche ist die Option für die Armen in erster Linie eine theologische Kategorie und erst an zweiter Stelle eine kulturelle, soziologische, politische oder philosophische Frage.“: Ebd., 198.</ref>

40. Im Bewusstsein um diese Verantwortung wählen sie eine Erwerbstätigkeit, die ihren Veranlagungen, Neigungen und tatsächlichen Möglichkeiten entspricht, und sehen darin eine konkrete Möglichkeit zu bezeugen, dass Gott die Menschheit dazu aufruft, an seinem Schöpfungs- und Erlösungswerk mitzuwirken, um sie im Innersten an jener Liebe teilhaben zu lassen, mit der er die Welt und ihre ganze Geschichte an sich zieht.

In der Befriedigung und den Mühen der Arbeit verfeinern die Geweihten ihre Fähigkeit, über den ursprünglichen, tiefen Sinn menschlichen Handelns nachzudenken und diesen weiter auszubilden und tragen dazu bei, die Welt zu einem gastlichen Haus für alle zu machen, das offen ist, die Gestalt des Reiches Gottes zu empfangen. Deshalb setzen sie sich dafür ein, dass im beruflichen Bereich jene „vielseitige persönliche Entfaltung“ erfolgt, die „die Kreativität, die Planung der Zukunft, die Entwicklung der Fähigkeiten, die Ausübung der Werte, die Kommunikation mit den anderen, eine Haltung der Anbetung“<ref>PAPST FRANZISKUS, Enzyklika Laudato si’ über die Sorge für das gemeinsame Haus (24. Mai 2015), 127.</ref> einschließt, wobei sie darauf achten, beruflich kompetent, verantwortungsvoll und gut informiert aufzutreten und allem entgegenzuwirken, das die Würde der menschlichen Tätigkeit herabwürdigen und trüben könnte.

41. Sie lassen sich zu einem Gefühl der Dankbarkeit für das Werk Gottes<ref>Vgl. ebd., 220.</ref> erziehen, zur Kontemplation voller Lob, zum Geschmack an der Schönheit und zu einem Sinn für das Feiern und die Ruhe<ref>Vgl. ebd., 237.</ref> unter Beachtung aller Dimensionen des Menschen.

Von dem gütigen und von Herzen demütigen Bräutigam lernen sie, hoffnungsvoll zu leben und in Gott aufzugehen und auch in den späteren Lebensphasen, in körperlicher Krankheit, in moralischem Leid und in anderen Situationen, in denen sie die Dramatik, Zerbrechlichkeit und Unsicherheit des Lebens erfahren, mit dem Alter zu reifen.<ref>Vgl. PAPST JOHANNES PAUL II., Ansprache an die Teilnehmerinnen der internationalen Tagung des Ordo Virginum zum 25. Jubiläum der Verkündigung des Ritus, Rom (2. Juni 1995), 4.</ref>

Indem sie bis zum Ende die bräutliche Liebe des auferstandenen Christus empfangen, vertrauen sie sich ihm an, um auch im Tod den österlichen Sinn des Seins zu erleben.

Durch ihre Weihe erinnern sie jeden daran, dass Ursprung, Sinn und Bestimmung der Menschengeschichte im heiligen Mysterium Gottes liegen, in seiner unendlichen, fürsorglichen und barmherzigen Güte, in der Liebe, an der er alle Geschöpfe teilhaben lassen will.

II. Die Gestalt des Ordo virginum in den Teilkirchen und in der Weltkirche

Die Verwurzelung in der Diözese

42. Dazu aufgerufen, in ihrem Leben jene Liebe erstrahlen zu lassen, die den Ursprung der Einheit und Heiligkeit des gesamten Leibes der Kirche darstellt, bleiben die Frauen, die diese Weihe empfangen, in jenem Teil des Volkes Gottes verwurzelt, in dem sie bereits leben und in dem sie ihre Berufungsunterscheidung vollzogen und sich auf die Weihe vorbereitet haben.

Mit dieser Teilkirche sind sie daher durch ein besonderes Band der Liebe und gegenseitigen Zugehörigkeit verbunden.

Die Teilkirche ist in ihren verschiedenen Teilen dazu aufgerufen, die Berufung der Geweihten anzunehmen, sie auf ihrem Weg zu begleiten und zu unterstützen und zu erkennen, dass die Jungfrauenweihe und die persönlichen Charismen jeder einzelnen Geweihten Gaben für die Verkündung des Evangeliums, die Erbauung der Gemeinde und die Sendung der Kirche sind.

43. Die Geweihten entwickeln ihr Bewusstsein für die Anerkennung aller Gaben weiter, die sie in der Gemeinschaft der Heiligen erhalten haben und durch das Zeugnis und das Leben der Teilkirchen, in denen sie leben, weiter erhalten: den Glauben an Jesus, die Jungfrauenweihe und die gemeinsam erlebte Geschichte Fleisch gewordener Heiligkeit in einer geistlichen Tradition, die sich im Rahmen der kulturellen und institutionellen Gegebenheiten einer spezifischen menschlichen Gemeinschaft entwickelt hat, die in einem bestimmten Gebiet wohnt.

Sie richten ihre Aufmerksamkeit stets auf das Lehramt des Diözesanbischofs und lassen sich in seine pastoralen Entscheidungen für die Diözese einbeziehen, um sie verantwortungsvoll, klug und kreativ aufzunehmen.

Sie schließen die Bedürfnisse der Diözesen und insbesondere die Anliegen des Bischofs in ihr Gebet ein.

Das Zeugnis anderer Berufungen, die das Leben der christlichen Gemeinschaft bereichern, erkennen sie als Gabe des Heiligen Geistes an und sie nutzen Gelegenheiten der gegenseitigen Erbauung und seelsorgerischen, missionarischen und caritativen Zusammenarbeit.<ref>Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, Can. 680.</ref>

Durch ihre weibliche Empfindsamkeit<ref>Vgl. PAPST FRANZISKUS, Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute (24. November 2013), 103–104.</ref> leisten sie einen wertvollen Erfahrungs- und Gedankenbeitrag zur Unterscheidung nach dem Evangelium, die die christliche Gemeinschaft zu jeder Zeit darüber durchführen muss, wie sie im konkreten gesellschaftlichen Kontext präsent sein und handeln soll.

Gemeinschaft und Mitverantwortung im Ordo virginum der Diözese

44. Durch die Mitgliedschaft im Ordo virginum entsteht ein starkes gemeinschaftliches Band zwischen allen Geweihten aus der Diözese. Sie erkennen sich gegenseitig als geliebte Schwestern an, die durch dieselbe Weihe und eine brennende Leidenschaft für den Weg der Kirche verbunden sind. Daher nehmen sie den Geist der Gemeinschaft als Geschenk an und verpflichten sich, ihn durch gegenseitige Achtung, durch die Wertschätzung der Gaben jeder Einzelnen, die Förderung von Freundschaft und die Aufmerksamkeit für besondere Notsituationen wachsen zu lassen (vgl. Röm 12,10.13.15–16). Die Verbindung zu den verstorbenen Schwestern halten sie im Gebet aufrecht und bewahren das Andenken an deren Zeugnis der Liebe und Treue gegenüber dem Herrn.

45. Die Geweihten nehmen aktiv an den mit dem Bischof vereinbarten Bildungsangeboten teil und wirken soweit wie möglich in der Ausbildung der Anwärterinnen und Kandidatinnen der Weihe mit.

Unter Berücksichtigung der Anzahl der Geweihten und der konkreten Umstände legen sie mit dem Diözesanbischof die Bedingungen für die Einrichtung eines Gemeinschaftsdienstes fest, der das gegenseitige Kennenlernen und eine stabile Verbindung unter ihnen sowie die Ausübung der Mitverantwortung im Synodalstil<ref>„Genau dieser Weg der Synodalität ist das, was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet“: PAPST FRANZISKUS, Ansprache anlässlich der 50-Jahr-Feier der Errichtung der Bischofssynode, Rom (17. Oktober 2015).</ref> fördert und den gemeinsamen Initiativen Kontinuität und Einheitlichkeit verleiht, ohne dabei unter den Geweihten ein Gefüge der hierarchischen Unterordnung herzustellen.

In Verbindung mit dem Gemeinschaftsdienst können auch ein Dienst bzw. ein Team für Berufungsunterscheidung und Ausbildung vor der Weihe sowie ein Weiterbildungsdienst oder -team eingerichtet werden.

Die Verantwortung des Diözesanbischofs

46. Aufgabe des Diözesanbischofs ist es, die Berufungen zur Weihe in den Ordo virginum als Gabe des Heiligen Geistes anzunehmen und die Bedingungen dafür zu fördern, damit die Verwurzelung der Geweihten in der ihm anvertrauten Kirche einen Beitrag auf dem Weg zur Heiligkeit des Volkes Gottes und seiner Sendung darstellt.

In Fortführung der alten Kirchentradition umreißt der Ordo consecrationis virginum die Figur des Diözesanbischofs nicht nur in seiner priesterlichen Aufgabe als Spender der Gnade Gottes,<ref>Vgl. Ordo consecrationis virginum, Prænotanda, 6.</ref> sondern auch als Meister, der den Glaubensweg aufzeigt,<ref>Vgl. Ordo consecrationis virginum, 14 und 16.</ref> und bestätigt ihn als Hirten, der sich liebevoll der ihm Anvertrauten annimmt.<ref>Vgl. Ordo consecrationis virginum, Prænotanda, 5; Ordo consecrationis virginum, 2 und 16.</ref>

Die pastorale Fürsorge gegenüber dem Ordo virginum gehört daher zur ordentlichen Amtsausübung des Diözesanbischofs, bestehend aus Heiligung, Lehre und Leitung, und verpflichtet ihn sowohl gegenüber den einzelnen Geweihten und Anwärterinnen auf die Weihe als auch gegenüber dem Ordo virginum seiner Diözese als coetus von Personen.

47. Als Verantwortlicher für die Zulassung zur Weihe ist der Diözesanbischof dafür zuständig, Informationen über die Kandidatin einzuholen, die Bedingungen für einen angemessenen Ausbildungsweg festzulegen und ihre Berufungsunterscheidung zum Abschluss zu bringen.

In der Weihefeier stellt der Bischof die Geweihten der Kirchengemeinde als Zeichen der Kirche vor, die Braut Christi ist. Da der Diözesanbischof der ordentliche Spender der Weihe ist,<ref>Vgl. Ordo consecrationis virginum, Prænotanda, 6.</ref> kann sie während der Sedisvakanz nicht gefeiert werden, und nur, wenn dies tatsächlich vonnöten ist, darf der Bischof die Spendung der Weihe delegieren. Durch die Feier des Ritus, auch wenn nur eine einzige Person geweiht wird, wird der Ordo virginum in der Teilkirche gegenwärtig, ohne dass noch ein weiterer Stiftungsakt durch den Bischof notwendig wäre.

48. Gegenüber den Geweihten leistet der Diözesanbischof Seelsorge, indem er sie ermutigt, in freudiger Treue zu ihrer Berufung zu leben, auf ihre einzelnen Bedürfnisse auf diesem Wege achtet und sicherstellt, dass ihnen geeignete Mittel für die ständige Weiterbildung zur Verfügung stehen.

Er unterstützt die Gemeinschaft unter den Geweihten und das Verantwortungsgefühl für die Lebendigkeit ihres kirchlichen Zeugnisses, indem er zu Treffen, Initiativen und gemeinsamen Ausbildungswegen anregt und mit den Geweihten die Bedingungen für die Gestaltung des Gemeinschaftsdienstes unter Berücksichtigung der konkreten Umstände auf Diözesanebene vereinbart. Er ermutigt zu Kontakten und zur Zusammenarbeit mit den Geweihten anderer Diözesen.

49. Er teilt mit den Geweihten die Sorge um jene Geweihten, die wegen ihres fortgeschrittenen Alters, aus gesundheitlichen Gründen oder anderen schwierigen Umständen Augenblicke schweren Leides oder Kummers durchmachen.

Unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten und konkreten örtlichen Umstände gibt er Anweisungen, damit die Geweihten das Fürbittgebet für die Verstorbenen gewährleisten, das Andenken an ihr Zeugnis des Glaubens und der Liebe zum Herrn bewahren und sich, soweit möglich, bereit erklären, an den christlichen Exequien für ihre Schwestern teilzunehmen und diese gemeinsam mit den Angehörigen und anderen ihnen nahestehenden Menschen vorzubereiten.

50. Auch wenn er jemanden als Seelsorgebeauftragten des Ordo virginum benannt hat, ist der Diözesanbischof weiterhin für die endgültige Entscheidung über die wichtigsten Handlungen zuständig. Diese beinhalten: die Zulassung zur Weihe; die Aufnahme einer Geweihten aus einer anderen Diözese in den Ordo virginum der Diözese; die Dispens von den Pflichten der Weihe; die Entlassung aus dem Ordo virginum; die Festlegung der Richtlinien für die Ausbildung vor der Weihe und für die ständige Weiterbildung; die Genehmigung der Arbeitsweise des Gemeinschaftsdienstes des Ordo virginum der Diözese; die Einrichtung kirchenrechtlicher Stiftungen zur Unterstützung und Verwaltung der Aktivitäten des Ordo virginum und die eventuelle Genehmigung, deren zivilrechtliche Anerkennung zu beantragen; die Anerkennung und Verabschiedung der Satzungen der Diözesanvereinigungen der geweihten Jungfrauen sowie die eventuelle Genehmigung, deren zivilrechtliche Anerkennung zu beantragen.

51. Der Bischof erteilt die notwendigen Anordnungen, damit die erfolgte Weihe in einem speziellen Buch vermerkt wird, das in der Diözesankurie verwahrt wird, und die den Ordo virginum betreffenden Unterlagen sorgfältig archiviert werden. Insbesondere muss eingetragen werden, wenn Geweihte verstorben sind, wenn aus anderen Diözesen stammende Geweihte sich vorübergehend im Ordo virginum der Diözese anmelden oder dort aufgenommen werden, wenn Geweihte aus anderen Diözesen vorübergehend oder endgültig versetzt werden, zu Instituten des geweihten Lebens wechseln, die Dispens von den Pflichten der Weihe erteilt wird oder eine Entlassung aus dem Ordo virginum erfolgt. Ebenfalls werden die Ausbildungswege der einzelnen Weiheanwärterinnen und -kandidatinnen dokumentiert.

Kooperationen in der Seelsorge des Ordo virginum

52. Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände wägt der Diözesanbischof ab, auf welche Kooperationen er zurückgreifen möchte, um eine angemessene, auf die Besonderheiten dieser Lebensform abgestimmte Seelsorge<ref>Vgl. KONGREGATION FÜR DIE BISCHÖFE, Direktorium für den Hirtendienst der Bischöfe (22. Februar 2004), 104.</ref> für den Ordo virginum sicherzustellen.

Er kann einen eigenen Beauftragten für die Seelsorge des Ordo virginum ernennen, der möglichst aus dem Diözesanpresbyterium ausgewählt wird, oder eine eigene Beauftragte, die möglichst aus dem Kreis der geweihten Jungfrauen der Diözese ausgewählt wird, deren Arbeitsbereich und spezifische Aufgaben festlegen und angeben, auf welche Weise er sich mit dem Bischofsvikar für das geweihte Leben abzusprechen hat, sofern es diesen gibt.

Sofern ein Gemeinschaftsdienst eingerichtet ist, legt der Bischof fest, auf welche Weise die Tätigkeit des bzw. der Beauftragten in diesen und seine eventuellen Abteilungen, insbesondere die Teams für die Ausbildung vor der Weihe und für die ständige Weiterbildung, integriert sein muss.

53. Je nach den Weisungen des Bischofs kann die seelsorgerische Zusammenarbeit das Kennenlernen der einzelnen Anwärterinnen und Kandidatinnen betreffen, um die nötigen Informationen für die Unterscheidung für deren Zulassung zur Weihe zu sammeln, sowie die Förderung der Ausbildung vor der Weihe und die ständige Weiterbildung, indem sowohl bei der Ausarbeitung der persönlichen Ausbildungswege als auch durch den Vorschlag gemeinsamer Bildungsangebote Hilfestellung geleistet wird.

Da es sich um eine seelsorgerische Kooperation im äußeren Bereich handelt, bauen diejenigen, die mit diesen Aufgaben betraut werden, keine Beziehung der geistlichen Begleitung zu den Anwärterinnen, Kandidatinnen und Geweihten auf. Sie verstehen es jedoch, den persönlichen Dialog mit jeder Einzelnen als besonderen Raum zu nutzen, um dieser zuzuhören, sich mit ihrem Weg auseinanderzusetzen und ihn zu prüfen und die Betreffende ebenfalls dazu aufzufordern, sich an den Diözesanbischof zu wenden, wenn eine Orientierung oder eine Überprüfung der wichtigsten Aspekte ihres Lebensplans sinnvoll erscheint.

54. In der Seelsorge des Ordo virginum wird darauf abgezielt, jeder Anwärterin, Kandidatin und Geweihten bei der Weiterentwicklung der vom Herrn empfangenen Gaben zu helfen, die Gemeinschaft unter allen Geweihten sowie das Gefühl der Mitverantwortung für die Annahme berechtigter Unterschiede zu fördern, die kluge und verantwortungsbewusste Annahme des Lehramts und der pastoralen Entscheidungen des Diözesanbischofs zu begünstigen und im Volk Gottes die Kenntnis über den Ordo virginum zu fördern.

Gemeinschaft und Mitverantwortung unter den Geweihten verschiedener Diözesen

55. Die Geweihten nehmen die durch den Empfang der Weihe entstandene Gabe der Gemeinschaft an und pflegen sie auch in den Beziehungen zu den Geweihten anderer Diözesen.

Die Verwurzelung in der Diözese verbindet sich daher harmonisch mit dem Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Ordo fidelium, der in der gesamten katholischen Kirche dieselben konstituierenden Merkmale hat.

Dadurch, dass die Geweihten füreinander beten, sich gegenseitig kennenlernen, gemeinsame Erfahrungen machen und Ausbildungsangebote teilen, bringen sie auf unterschiedliche Weise ihre Mitverantwortung für das Zeugnis zum Ausdruck, das sie in Kirche und Welt ablegen sollen.

Gemeinsame Initiativen, Gemeinschaftsdienst<ref>Anm. d. Übers: servizio di comunione, im italienischen Original, bezeichnet eine Institution innerhalb des Ordo virginum zur Förderung der Gemeinschaft unter den geweihten Jungfrauen (vgl. Erklärung im Abschnitt 45).</ref> und zuständiger Bischof

56. In Gruppierungen von Teilkirchen können die Geweihten mit Zustimmung der Bischöfe der jeweiligen Bischofskonferenzen gemeinsame Initiativen und, wenn die Umstände es erlauben, einen festen Gemeinschaftsdienst ins Leben rufen, der den Austausch von in der eigenen Diözese gelebten Erfahrungen und die Vertiefung von für alle interessanten Themen erleichtert. Sie können adäquatere Inhalte und Methoden für alle Stufen der Ausbildung vorschlagen, den Bischöfen Anregungen und nützliche Hinweise für die Präsenz des Ordo virginum in den jeweiligen kirchlichen und soziokulturellen Kontexten unterbreiten und im Volk Gottes die Kenntnis über den Ordo virginum fördern.

Die gemeinsamen Initiativen und der Gemeinschaftsdienst müssen die Verwurzelung dieser Lebensform in der Diözese immer respektieren und schätzen und die Geweihten der betreffenden Diözesen im Stile der synodalen Beteiligung einbeziehen.

57. Bischöfe einer Bischofskonferenz können für ihre Diözesen gemeinsame Richtlinien für die Seelsorge des Ordo virginum ausarbeiten. Sie können auch einen Bischof als zuständigen Referenten für den Ordo virginum beauftragen.

Unter Berücksichtigung der unersetzlichen Rolle der Diözesanbischöfe in der Seelsorge der geweihten Jungfrauen ihrer Diözesen macht sich der zuständige Bischof zum Fürsprecher für die Interessen, die Fürsorge und die Nähe seiner Mitbrüder gegenüber dieser Form des geweihten Lebens.

Da es dem zuständigen Bischof am Herzen liegt, dass die besondere Identität des Ordo virginum angemessen im kirchlichen und soziokulturellen Umfeld der jeweiligen Diözesen zum Ausdruck kommt, führt er seinen Auftrag als Dienst an der effektiven Ausübung der Mitverantwortung vonseiten der Geweihten aus den verschiedenen Diözesen aus. Aufmerksam verfolgt er die gemeinsamen Initiativen der Geweihten aus den betreffenden Diözesen und leistet dem festen Gemeinschaftsdienst unter den Geweihten, sofern dieser eingerichtet worden ist, mit seinem Amt Beistand.

Ansprechpartner beim Apostolischen Stuhl und Sekretariat für den Ordo virginum

58. Die geweihten Jungfrauen erkennen im Amt des Nachfolgers Petri den Bezugspunkt an, auf den sie sich ausrichten, um auch auf weltkirchlicher Ebene die Gabe der Gemeinschaft und Mitverantwortung der Zugehörigkeit zu demselben Ordo fidelium zu leben.

Im Einklang mit dem Lehramt und dem Handeln der Diözesanbischöfe dient die Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens gemäß ihrer eigenen Kompetenzen dem Wachstum des Ordo virginum, damit diese Form des geweihten Lebens in ihrer besonderen Identität und kirchlichen Ausprägung anerkannt und wertgeschätzt wird.

59. Im Dikasterium ist ein Sekretariat für den Ordo virginum eingerichtet. Gemäß den Weisungen des Präfekten betreut das Sekretariat die Erfassung von Angaben über die Lage des Ordo virginum in den verschiedenen Ländern und berücksichtigt dabei auch, was die Bischöfe in den Berichten anlässlich der Adlimina-Besuche vorgetragen haben.

Außerdem ist es Ansprechpartner für Initiativen, die den Ordo virginum betreffen und vom Dikasterium selbst gefördert oder unterstützt werden.

Das Sekretariat kann in seiner Tätigkeit die Unterstützung von Geweihten unterschiedlicher Herkunft, der Bischofskonferenzen sowie der für den Ordo virginum zuständigen Bischöfe in Anspruch nehmen, sofern diese benannt wurden.

Aufenthalt in einer anderen Diözese und Versetzung

60. Obwohl die Weihe eine besondere Verwurzelung in der Teilkirche darstellt, in der sie gefeiert wird, hindert sie die Geweihte nicht daran, vorübergehend oder dauerhaft zu einer anderen Teilkirche zu wechseln, sofern dies zum Beispiel aus beruflichen, familiären, seelsorgerischen oder anderen vernünftigen und verhältnismäßigen Beweggründen erforderlich sein sollte.

61. Beabsichtigt eine Geweihte, sich für lange Zeit in einer anderen Diözese als ihrer Heimatdiözese aufzuhalten, kann sie in Rücksprache mit ihrem Bischof den Bischof der Diözese ad quem bitten, an den Ausbildungsinitiativen des örtlichen Ordo virginum teilnehmen zu dürfen. Der Bischof der Diözese ad quem vereinbart mit der Interessentin, nachdem diese ihm von ihrem Diözesanbischof vorgestellt wurde, die Modalitäten für diese Teilnahme.

62. Beabsichtigt eine Geweihte, dauerhaft in eine andere Diözese zu wechseln, erläutert sie ihrem Bischof die Gründe dafür und dieser nimmt dazu Stellung. Danach kann sie den Bischof der Diözese ad quem um Aufnahme in den örtlichen Ordo virginum bitten. Nachdem der Bischof der Diözese a quo diesem die Geweihte vorgestellt und ihm deren Beweggründe für den Wechsel sowie seine Stellungnahme dazu mitgeteilt hat, entscheidet Letzterer über den Fall und unterrichtet die Interessentin sowie den Bischof der Diözese a quo zur Kenntnisnahme über seine Antwort. Im Falle eines positiven Bescheides nimmt der Bischof der Diözese ad quem die Geweihte auf, führt sie in seine Teilkirche ein, nimmt sie in den ggf. existierenden Kreis der Geweihten seiner Diözese auf und vereinbart mit ihr alles, was in ihrem persönlichen Fall notwendig und sinnvoll ist. Je nach Beurteilung kann der Bischof der Diözese ad quem den Übertritt auch ablehnen oder in Absprache mit dem Bischof a quo eine Probezeit festlegen. In diesem Fall hält die Geweihte ihre Verbindung zur Diözese a quo zwar aufrecht, darf jedoch ihren kirchenrechtlichen Wohnsitz in die Diözese ad quem verlegen, wobei sie sich an die Hinweise zu halten hat, die mit den betroffenen Bischöfen für ihre persönliche Situation vereinbart worden sind.

63. Der Bischof trägt persönlich bzw. über seine/n Beauftragte/n dafür Sorge, dass die Geweihten in angemessener Weise über den vorübergehenden bzw. dauerhaften Wechsel einer Geweihten in eine andere Diözese sowie auch über die Aufnahme einer Geweihten in eine andere Diözese informiert werden.

Stiftungen, Vereinigungen und Entscheidung zum gemeinsamen Leben

64. Auch unter Berücksichtigung der zivilrechtlichen Vorschriften für die Unterstützung und den wirtschaftlichen Betrieb von Initiativen des Ordo virginum kann der Diözesanbischof eine nicht selbstständige oder selbstständige<ref>Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, Can. 1303 § 1.</ref> kirchenrechtliche Stiftung einrichten und den Antrag auf deren zivilrechtliche Anerkennung gegebenenfalls genehmigen.

65. Damit sie ihren Vorsatz noch treuer befolgen und sich gegenseitig bei der Ausübung des ihrem Stand entsprechenden Dienstes für die Kirche helfen können, können die Geweihten sich zu Vereinigungen zusammenschließen und die zuständige kirchliche Behörde um kirchenrechtliche Anerkennung der Satzung und gegebenenfalls deren Genehmigung bitten.<ref>Vgl. ebd., Can. 604 § 2.</ref>

Die Bildung einer Vereinigung sowie auch die Mitgliedschaft in einer bereits bestehenden Vereinigung ist ausschließlich das Ergebnis einer freien und freiwilligen Entscheidung einer jeden Geweihten, die beschließt, deren Ziele und Satzung zu unterstützen. Der Austritt einer Geweihten aus der Vereinigung führt nicht zur Beendigung ihrer Zugehörigkeit zum Ordo virginum.

66. Geweihte Jungfrauen, die dies wünschen, können sich frei dazu entscheiden, im selben Haushalt zu leben. Diese Möglichkeit ist als verantwortungsvolle Entscheidung, sich gegenseitig zu helfen und ein gemeinsames Leben auf spiritueller, seelsorgerischer bzw. auch finanzieller Ebene zu führen, die Umsetzung eines freien Entschlusses der einzelnen geweihten Jungfrauen und ergibt sich nicht direkt aus der Weihe oder der Mitgliedschaft in einer Vereinigung, außer wenn diese in ihrer Satzung das gemeinsame Leben als konstituierendes Element der Vereinigung vorschreibt.

Die Zugehörigkeit zum Ordo virginum und Beziehung zu anderen kirchlichen Zusammenschlüssen

67. Die typische Lebensform des Ordo virginum stellt einen besonderen Weg der Heiligung dar, dem eine charakteristische spirituelle Identität entspricht, die das gesamte Leben der Betreffenden zusammenhält und ausrichtet. Es ist die Aufgabe einer jeden Geweihten, ein heiteres, frohes Zeugnis ihrer Weihe abzulegen, um so zum Ansporn für alle Glieder der christlichen Gemeinschaft zu werden und diese zu bereichern.

Dies hindert eine geweihte Jungfrau nicht daran, aus der Vielfalt der Charismen und spirituellen Formen zu schöpfen, mit denen der Heilige Geist die Kirche bereichert, und gegebenenfalls im Kontakt zu einem bestimmten kirchlichen Zusammenschluss (Drittorden, Vereinigung, Bewegung), zu dessen Charisma und Spiritualität, eine Hilfe zu finden, um ihr eigenes Jungfrauencharisma zum Ausdruck zu bringen.<ref>Vgl. KONGREGATION FÜR DIE GLAUBENSLEHRE, Schreiben Iuvenescit Ecclesia über die Beziehung zwischen hierarchischen und charismatischen Gaben im Leben und in der Sendung der Kirche (15. Mai 2016), 16.</ref>

68. Die Authentizität einer solchen spirituellen Erfahrung wird im Rahmen der geistlichen Begleitung sowie auch im Gespräch mit dem Diözesanbischof und, sofern vorhanden, der bzw. dem Delegierten für die Seelsorge des Ordo virginum geprüft, damit das Interesse an den Initiativen des Zusammenschlusses und die Einbeziehung in diese den Wert der Verwurzelung in der Diözese, die maßgeblich für die im Ordo virginum gelebte Weihe ist, nicht schmälert.

Die Geweihte soll daher darauf achten, die Erfahrung der Gemeinschaft mit der Teilkirche, der sie angehört, über die notwendige Vermittlung durch den Diözesanbischof und die getreue Annahme seiner Lehre und Seelsorge lebendig zu halten. Außerdem sorgt sie dafür, die gemeinschaftliche Beziehung zu den anderen geweihten Jungfrauen zu pflegen und den speziellen Ausbildungsangeboten für den Ordo virginum Vorrang vor eventuellen Initiativen des Zusammenschlusses, zu dem sie Kontakt hat, zu geben.

Trennung vom Ordo virginum

Der Wechsel in ein Institut des geweihten Lebens oder eine Gesellschaft des apostolischen Lebens

69. Sollte eine Geweihte nach sorgfältiger Erwägung im Gebet, im Rahmen der geistlichen Leitung und im Gespräch mit dem Bischof beabsichtigen, in ein Institut des geweihten Lebens oder eine Gesellschaft des Apostolischen Lebens einzutreten, teilt sie ihre Absicht dem Diözesanbischof schriftlich mit und fügt eine Bestätigung der obersten Leiterin des Instituts über die Kontakte bei, welche die Geweihte zu dem Institut oder der Gesellschaft gehabt hat.<ref>Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, Cann. 684 und 685.</ref>

Der Bischof sorgt dafür, dass das Gesuch sowie seine eventuellen Anmerkungen dazu an den Heiligen Stuhl übermittelt werden. Der Wechsel zu dem Institut erfolgt zu den für diesen Einzelfall vom Heiligen Stuhl vorgegebenen Bestimmungen.

Austritt aus dem Ordo virginum

70. Sollte eine Geweihte aus sehr schwerwiegenden Gründen, die sie vor Gott in sorgfältiger Überlegung erwogen hat, beabsichtigen, um Dispens von ihren Pflichten aus der Weihe zu bitten, wendet sie sich mit einem schriftlichen Gesuch an den Diözesanbischof. Der Bischof darf es nicht versäumen, der Betroffenen geeignete Hilfen und eine angemessene Zeit für die Unterscheidung anzubieten, und er darf die Dispens erst nach eingehender Prüfung der Beweggründe für das Gesuch erteilen.

Entlassung aus dem Ordo virginum

71. Ist bekannt, dass eine Geweihte offenkundig vom katholischen Glauben abgefallen ist oder eine wenn auch nur standesamtlich geschlossene Ehe eingegangen ist, holt der Bischof Beweiselemente dafür ein und erklärt die Entlassung aus dem Ordo virginum, sodass sie als rechtlich festgestellt gilt.

72. Wird eine Geweihte schwerster Delikte <ref>Vgl. ebd., Can. 695.</ref> oder schwerster externer Versäumnisse in Bezug auf die sich aus der Weihe ergebenden Pflichten beschuldigt, die einen Skandal im Volk Gottes hervorrufen, leitet der Bischof das Entlassungsverfahren ein. Er unterrichtet die Betroffene über die Vorwürfe und eingeholten Beweise und gibt ihr die Möglichkeit, sich zu verteidigen. Hält der Bischof die Verteidigung für unzureichend und gibt es keine andere Möglichkeit, die Geweihte zur Besserung zu bewegen, wieder Gerechtigkeit herzustellen und den Skandal aus der Welt zu räumen, entlässt er sie aus dem Ordo virginum. In dem Entlassungsdekret müssen die Gründe für die Entscheidung mindestens zusammenfassend dargelegt werden. Es wird erst wirksam, nachdem es vom Heiligen Stuhl, dem alle Unterlagen übermittelt werden müssen, bestätigt wurde. Zudem hat es keine Gültigkeit, wenn der Geweihten darin nicht das Recht gewährt wird, innerhalb von zehn Tagen nach Zustellung des Dekrets Beschwerde bei der zuständigen Behörde einzulegen; diese Beschwerde hat aufschiebende Wirkung.

Vermerk und Mitteilung über die Trennung

73. In allen Fällen, in denen die Trennung einer Geweihten vom Ordo virginum erfolgt ist, ordnet der Diözesanbischof an, diese im Weihebuch zu vermerken und sorgt persönlich oder über die/den Beauftragten dafür, dass die anderen Geweihten und der zuständige Pfarrer unterrichtet werden, damit dieser dies im Taufregister vermerken kann.

III. Berufungsunterscheidung und Ausbildung für den Ordo virginum

Die Aufgabe der Unterscheidung und der Ausbildung

Glaubensweg, Berufungsunterscheidung und Ausbildungswege

74. Kraft ihres Glaubens, der Taufgnade, des Jungfrauencharismas und der eigenen persönlichen Charismen ist die zur Weihe in den Ordo virginum berufene Frau in einen christlichen Lebensweg in der Nachfolge Jesu eingebunden, dessen Dynamik durch den Heiligen Geist ausgelöst wird und ihre aktive Antwort und fügsame Mitwirkung erfordert.

Die Nachfolge Jesu besteht in einer beständigen Umkehr, einer fortschreitenden Umgestaltung in Ihn.<ref>Vgl. PAPST JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata über das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt (25. März 1996), 19.</ref> Sie ist ein Prozess, der alle Dimensionen des Seins betrifft – Körper, Gefühle, Intellekt, Willen und Geist – und sich auf die gesamte Lebensdauer erstreckt, da die Person des geweihten Lebens „niemals annehmen kann, sie habe das Heranwachsen jenes neuen Menschen vollendet, der in sich in jeder Lebenssituation die Gesinnung Christi erfährt“.<ref>Ebd., 69.</ref>

75. Die Gnade der Weihe in den Ordo virginum bestimmt und formt das spirituelle Erscheinungsbild der Person dauerhaft, leitet sie auf ihrem Lebensweg und unterstützt und stärkt sie in ihrer immer hochherziger werdenden Antwort auf den Ruf.

Die Weihe erfordert daher nicht nur einen menschlichen und christlichen Reifeprozess, der im Rahmen einer sorgfältigen Berufungsunterscheidung und spezifischen Anfangsausbildung bewertet wird, sondern auch eine überzeugte, ständige Sorge um Weiterbildung, die es der Geweihten durch die Vertiefung und Erneuerung der Beweggründe für die getroffene Entscheidung ermöglicht, sich in der Berufung zu festigen, während sie die ihr innewohnende Dynamik lebt.<ref>Vgl. ebd., 65 und 69–70.</ref>

76. Aufgrund der Verwurzelung dieser Form des geweihten Lebens in der Teilkirche erfolgen die Berufungsunterscheidung, die Ausbildung vor der Weihe und die Sorgfalt in der ständigen Weiterbildung über kirchliche Bildungswege, die nicht nur die Verantwortung der betroffenen Frauen selbst, sondern auch die Aufmerksamkeit und Begleitung der christlichen Gemeinde erfordern und insbesondere die pastorale Verantwortung des Diözesanbischofs verlangen.

Bei der Einholung der notwendigen Anhaltspunkte für die Berufungsunterscheidung sowie bei der Orientierung und Begleitung auf den Ausbildungswegen der Anwärterinnen, Kandidatinnen und Geweihten kann der Bischof sich von der bzw. dem Beauftragten für den Ordo virginum unterstützen lassen und den Beitrag, den die Geweihten in der Lage sind anzubieten, positiv mit einbeziehen.

Zu diesem Zweck kann der Bischof, unter Berücksichtigung der Anzahl der in der Diözese lebenden Geweihten, deren diesbezüglicher Stellungnahme sowie der anderen konkreten Umstände, in Verbindung mit dem Gemeinschaftsdienst im Ordo virginum auch einen Dienst bzw. ein Team für Berufungsunterscheidung und die Ausbildung vor der Weihe einrichten sowie einen Dienst bzw. ein Team für ständige Weiterbildung. Diese Dienste bzw. Teams bestehen aus der bzw. dem Beauftragten, sofern der Bischof diese Position eingerichtet hat, sowie aus Geweihten mit den erforderlichen Begabungen, die vom Bischof oder der bzw. dem Beauftragten nach Anhörung der Geweihten bestimmt werden.

77. Das Ausbildungsangebot soll in erster Linie darauf abzielen, in der Betreffenden eine Grundeinstellung der Docibilitas entstehen und sich festigen zu lassen, d. h. die Freiheit, den Wunsch und die Fähigkeit, aus allen Lebenslagen zu lernen, indem sie sich aktiv und verantwortlich in den persönlichen Entwicklungsprozess während ihres gesamten Lebens einbringt.<ref>„Es wird also wichtig sein, dass jede geweihte Person zur Freiheit erzogen werde, ein Leben lang zu lernen, in jedem Alter und jedem Lebensabschnitt, in jedem Umfeld und menschlichen Milieu, von jeder Person und Kultur, um sich auch vom kleinsten Splitter der Wahrheit und Schönheit bilden zu lassen, den sie in ihrem Umfeld antrifft. Doch vor allem muss sie lernen, sich vom Alltag formen zu lassen, von der eigenen Gemeinschaft und ihren Mitbrüdern und Mitschwestern, von den gewöhnlichen Dingen, den ordentlichen wie den außerordentlichen, vom Gebet wie von der apostolischen Mühe, in Freud und Leid, bis zum Augenblick des Todes“: KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE DES GEWEIHTEN LEBENS UND DIE GESELLSCHAFTEN DES APOSTOLISCHEN LEBENS, Instruktion Neubeginn in Christus. Ein neuer Aufbruch des geweihten Lebens im Dritten Jahrtausend (19. Mai 2002), 15.</ref>

Aus diesem Grunde soll bei der Gestaltung der Ausbildungswege darauf geachtet werden, dass diese nicht auf standardisierte oder allgemeine Angebote reduziert werden, die die besonderen Bedürfnisse und Charismen jeder Einzelnen nicht ausreichend berücksichtigen würden. Gleichzeitig soll über das Risiko individualistischer Tendenzen<ref>„Die V ersuchung des Individualismus. Es ist die V ersuchung der Egoisten, die auf dem Weg ihr Ziel verlieren und anstelle der anderen an sich selbst denken und dabei keinerlei Scham empfinden, ja vielmehr sich selbst rechtfertigen. Die Kirche ist die Gemeinschaft der Gläubigen, der Leib Christi, in dem die Rettung eines Gliedes mit der Heiligkeit aller verknüpft ist. Der Individualist hingegen gibt Grund zum Ärgernis und zum Konflikt.“: PAPST FRANZISKUS, Gebetsbegegnung mit dem Klerus, Ordensleuten und Seminaristen, Kairo (29. April 2017).</ref> gewacht werden, die die Entstehung und Weiterentwicklung eines echten Zugehörigkeitsgefühls zur Kirche und eines Gemeinschaftsgeistes innerhalb des Ordo virginum verhindern.

78. Da es darum geht, die Entwicklung der Fähigkeit zu fördern, die Wirklichkeit nach den Kriterien des Evangeliums zu interpretieren, müssen die Ausbildungswege folgende unverzichtbare Punkte enthalten: eine theologische, kulturelle und pastorale Ausbildung, die sich an der Art des Zeugnisses orientiert, zu dem die Geweihten aufgerufen sind, und durch persönliches Studium und Ausbildungstreffen auch mit Fachleuten erworben, ständig erweitert und vertieft wird; spirituelle Erfahrungen wie das persönliche und liturgische Gebet, der Weg der Buße, Einkehrtage und Exerzitien, welche die Geweihte dazu anhalten, den Willen Gottes aufmerksam zu hören und beständig zu suchen; die Eingliederung in das kirchliche Beziehungsgeflecht, das die persönliche Weiterentwicklung fördert und insbesondere den potenziellen Erfahrungsaustausch zwischen den Geweihten und die Beziehungen zwischen den Anwärterinnen und Geweihten des Ordo virginum und vor allem jenen, die im Ausbildungsdienst zusammenarbeiten, besonders zur Geltung bringt.

Es ist dafür zu sorgen, dass aufeinander aufgebaute Bildungswege angeboten werden, die zeitlich klar strukturiert sind und regelmäßig überprüft werden und in deren Rahmen die Sorge um die Ausbildung der einzelnen Anwärterinnen, Kandidatinnen und Geweihten durch Vorschläge begleitet und ergänzt wird, die einheitlich an alle Anwärterinnen, Kandidatinnen und Geweihten gerichtet sind.

Die Praxis der geistlichen Begleitung

79. In allen Phasen des Unterscheidungs- und Ausbildungsweges ist die Praxis der geistlichen Begleitung erforderlich: Das konstante, vertrauensvolle Verhältnis zu einer Person mit tiefem Geist des Glaubens und christlicher Weisheit, die jede Anwärterin, Kandidatin und Geweihte frei auswählen kann, ist nicht nur für die Berufungsunterscheidung, sondern auch für die Entscheidungen, die sie in ihrem Leben am stärksten beschäftigen, eine wertvolle Hilfe.

Um die Freiheit der Person im Rahmen der Gewissensbezeugung zu gewährleisten, üben die bzw. der Seelsorgebeauftragte des Ordo virginum und die im Ausbildungsdienst mitwirkenden Geweihten ihren Dienst im äußeren Bereich aus und stellen zu den Anwärterinnen, Kandidatinnen und Geweihten keine Beziehung der geistlichen Begleitung her. Außerdem unterlassen sie es, von den jeweiligen geistlichen Leitern oder Begleitern und Beichtvätern Informationen oder Meinungen über die Anwärterinnen, Kandidatinnen und Geweihten einzuholen.

Berufungsunterscheidung und Ausbildungsweg im Vorfeld der Weihe

Die Dynamik der Berufungsunterscheidung und der Ausbildung im Vorfeld der Weihe

80. Die Berufungsunterscheidung besteht in der Erforschung der Zeichen, in denen sich das Charisma des Ordo virginum mit seiner besonderen Verwurzelung in der Teilkirche und seiner charakteristischen Art und Weise, im gesellschaftlichen und kulturellen Kontext gegenwärtig zu sein, ausdrückt.

Zum Wohle der betreffenden Personen und der Kirche müssen Bedingungen gefördert werden, die eine unbeschwerte und freie Unterscheidung erlauben, in der im Lichte des Glaubens und der möglichen Kontraindikationen die Echtheit der Berufung und die Lauterkeit der Absichten geprüft wird.<ref>Vgl. KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE DES GEWEIHTEN LEBENS UND DIE GESELLSCHAFTEN DES APOSTOLISCHEN LEBENS, Instruktion Neubeginn in Christus. Ein neuer Aufbruch des geweihten Lebens im Dritten Jahrtausend (19. Mai 2002), 18.</ref>

Der Ausbildungsweg im Vorfeld der Weihe muss Gelegenheit bieten, die anfängliche Eingebung der Berufung zu prüfen und gleichzeitig in den Anwärterinnen und Kandidatinnen den Wunsch nach einer tieferen Vereinigung mit dem Herrn Jesus entfachen, nach einer freieren und hochherzigeren Antwort auf den Ruf des Vaters und einer immer aufmerksamer, klüger und fügsamer werdenden Übereinstimmung mit dem Wirken des Heiligen Geistes. Hier kann nur von einem echten Ausbildungsweg gesprochen werden, wenn eine wahrhaftige Erfahrung der Umkehr stattfindet, d. h. der Erleuchtung, Läuterung und tieferen und überzeugteren Einbeziehung in die Nachfolge des Herrn.

81. Üblicherweise ist die Berufungsunterscheidung ein Prozess, der aus einer anfänglichen Überprüfung in Bezug auf die Zulassung zum Ausbildungsweg hin zur Weihe besteht und dann fortgesetzt und abgeschlossen wird, wenn der Diözesanbischof über die Zulassung zur Weihe entscheidet. Zur Verdeutlichung und aus pädagogischen Gründen wird zwischen drei Zeiträumen bzw. Phasen unterschieden: einer Zeit der Annäherung bzw. Vorbereitung [Propädeutikum], einer in mehrere Phasen untergliederten Ausbildungszeit mit eigenen Zielen und Prüfungen und der abschließenden Unterscheidung und Bewertung.

82. In keinem Fall darf das Propädeutikum vor Vollendung des achtzehnten Lebensjahres begonnen werden; bei der Zulassung zur Weihe ist das Alter zu berücksichtigen, in dem in der Region gewöhnlich die Hochzeit<ref>Vgl. Codex des kanonischen Rechtes, Can. 1072.</ref> gefeiert wird, und üblicherweise wird die Weihe nicht gefeiert, bevor die Kandidatin das fünfundzwanzigste Lebensjahr erreicht hat.

83. Dem Diözesanbischof obliegt es, unter anderem im Gespräch mit den betreffenden Personen und unter Berücksichtigung der Situation und Bedürfnisse jeder einzelnen, die konkreten Bedingungen für die Durchführung der Ausbildungswege festzulegen, damit jeder die Möglichkeit geboten wird, ihre Kenntnisse über die grundlegenden Aspekte dieser Lebensform zu vertiefen und ihre persönliche spirituelle Erfahrung und konkrete Lebensweise ehrlich und realistisch mit diesen zu vergleichen.

Es soll darauf geachtet werden, dass die Berufungsunterscheidung und der Bildungsweg im Vorfeld der Weihe eng miteinander verbunden bleiben, weil die Zulassung zur Ausbildung weder die Pflicht der Kandidatin impliziert, um die Zulassung zur Weihe zu bitten, noch die Pflicht des Bischofs, sie zur Weihe zuzulassen.

Voraussetzungen und Kriterien für die Unterscheidung

84. Die Zulassung zur Weihe erfordert, dass die Kandidatin aufgrund ihres Alters, ihrer menschlichen und spirituellen Reife und der Wertschätzung, die sie in der christlichen Gemeinde genießt, in die sie integriert ist, den Beweis dafür erbringt, dass sie in der Lage ist, die aus der Weihe entspringenden Pflichten verantwortungsvoll zu übernehmen.<ref>Vgl. Ordo consecrationis virginum, Prænotanda, 5 b).</ref>

Dies erfordert auch, dass die Betreffende noch keine Hochzeit gefeiert und noch nie öffentlich, also offensichtlich, in einem gegen die Keuschheit verstoßenden Stand<ref>Vgl. ebd., 5 a) und 5 b).</ref> gelebt hat.

85. Bei der Berufungsunterscheidung wird das Augenmerk auf Zeichen gelegt, die bei der Anwärterin und Kandidatin auf ein intensives und lebendiges spirituelles Erleben, authentische Beweggründe auf dem Weg zur Weihe im Ordo virginum und die erforderlichen Einstellungen, um im geweihten Leben auszuharren und ein positives Zeugnis von der eigenen Berufung abzulegen, hinweisen.

Um die Zulassung zum Ausbildungsweg beurteilen zu können, soll pädagogisch klug und schrittweise überprüft werden, ob diese Zeichen bereits zum Zeitpunkt der Vorbereitung vorhanden sind. Für die Ausbildung im Vorfeld der Weihe und die abschließende Unterscheidung über die Zulassung zur Weihe stellen sie qualifizierte Referenzpunkte dar.

86. Für die Überprüfung der spirituellen Erfahrung sind von besonderer Bedeutung:

a) die persönliche Beziehung zu Christus und der Wunsch, ihre gesamte Existenz „mit dem Herrn Jesus und in der Ganzhingabe an ihn“<ref>PAPST JOHANNES PAUL II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata über das geweihte Leben und seine Sendung in Kirche und Welt (25. März 1996), 65.</ref> als Antwort der Liebe auf seine unendliche Liebe<ref>Vgl. PAPST JOHANNES PAUL II., Ansprache an die Teilnehmerinnen der internationalen Tagung des Ordo Virginum zum 25. Jubiläum der Verkündigung des Ritus, Rom (2. Juni1995), 4.</ref> zu gestalten;

b) das Zugehörigkeitsgefühl zur Kirche, das in der Teilnahme am christlichen Gemeindeleben konkret gelebt wird und auf einer tiefen Liebe zur kirchlichen Gemeinschaft, zur Feier der Sakramente und einer Haltung töchterlichen Gehorsams gegenüber dem Diözesanbischof beruht;

c) die Pflege der kontemplativen Dimension des Lebens und die Treue zur spirituellen Disziplin, zu den Gebetszeiten, zu ihren Rhythmen und unterschiedlichen Formen;

d) Ausdauer auf dem Weg der Buße, Askese und geistlichen Begleitung;

e) das Interesse, das eigene Wissen über die Schrift, den Glauben der Kirche und die kirchliche Lehre zu vertiefen;

f) die Leidenschaft für das Reich Gottes, die sie dahin führt, die Realität der eigenen Zeit nach den Kriterien des Evangeliums zu deuten und in ihr verantwortungsbewusst und aus vorrangiger Liebe zu den Armen zu handeln;

g) das Vorhandensein eines umfassenden und allgemeinen Verständnisses der persönlichen Berufung, das eine realistische Kenntnis ihrer persönlichen Geschichte und Eigenschaften nachweisen soll – ihrer Ressourcen, Grenzen, Wünsche, Bestrebungen, Motivationen – und mit der speziellen Lebensform des Ordo virginum im Einklang steht.

87. Bei der Überprüfung der menschlichen Reife sollen folgende Zeichen berücksichtigt werden:

a) eine realistische Selbstkenntnis und ein sachliches, objektives Bewusstsein für die eigenen Talente und Grenzen, gepaart mit einer klaren Selbstbestimmungsfähigkeit und einer angemessenen, ausreichenden Eignung zur Übernahme von Verantwortung;

b) die Fähigkeit, gesunde, unbeschwerte und selbstlose Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen, vereint mit einem rechtschaffenen Verständnis vom Wert der Ehe und Mutterschaft;

c) die Fähigkeit, die Sexualität in die persönliche Identität zu integrieren und die Energien auf der Gefühlsebene so auszurichten, dass die eigene Weiblichkeit in einem keuschen Leben zum Ausdruck kommt, das sich einer umfassenderen spirituellen Fruchtbarkeit öffnet;<ref>„Papst Benedikt XVI. sagte, dass es eine ,Ökologie des Menschenʻ gibt, denn ,auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kannʻ [Ansprache an den Deutschen Bundestag, Berlin (22. September 2011)]. Auf dieser Linie muss man anerkennen, dass unser Körper uns in eine direkte Beziehung zu der Umwelt und den anderen Lebewesen stellt. Das Akzeptieren des eigenen Körpers als Gabe Gottes ist notwendig, um die ganze Welt als Geschenk des himmlischen Vaters und als gemeinsames Haus zu empfangen und zu akzeptieren, während eine Logik der Herrschaft über den eigenen Körper sich in eine manchmal subtile Logik der Herrschaft über die Schöpfung verwandelt. Zu lernen, den eigenen Körper anzunehmen, ihn zu pflegen und seine vielschichtige Bedeutung zu respektieren, ist für eine wahrhaftige Humanökologie wesentlich. Ebenso ist die Wertschätzung des eigenen Körpers in seiner Weiblichkeit oder Männlichkeit notwendig, um in der Begegnung mit dem anderen Geschlecht sich selbst zu erkennen. Auf diese Weise ist es möglich, freudig die besondere Gabe des anderen oder der anderen als Werk Gottes des Schöpfers anzunehmen und sich gegenseitig zu bereichern“: PAPST FRANZISKUS, Enzyklika Laudato si’ über die Sorge für das gemeinsame Haus (24. Mai 2015), 155.</ref>

d) die Fähigkeit zu arbeiten und einen Beruf auszuüben, mit dem für einen würdigen Lebensunterhalt gesorgt werden kann;

e) die nachweisliche Eignung, Leid und Frustration zu verarbeiten sowie auch Vergebung zu schenken und anzunehmen, als mögliche Schritte zur Fülle des Menschseins;

f) Treue zu dem gegebenen Wort und den übernommenen Pflichten;

g) ein verantwortungsvoller Umgang mit Besitz, sozialen Kommunikationsmedien und Freizeit.

88. Bei der Ausrichtung der Berufung und der Darstellung der Merkmale dieser Berufung sowie den Voraussetzungen für die Zulassung zur Weihe wird die Jungfrauenschaft ausgehend von der symbolischen Dichte ihres biblischen Fundaments im Rahmen einer anthropologischen Sicht dargestellt, die fest auf der christlichen Offenbarung beruht, in welche die verschiedenen Dimensionen – Körper, Psyche und Geist – einfließen, die auch in ihrer dynamischen Verbindung mit der erlebten Geschichte der Person und in der Öffnung für das unablässige Wirken der göttlichen Gnade berücksichtigt werden, die diese auf dem Weg der Heiligwerdung führt, leitet und stärkt.

Als Schatz von unschätzbarem Wert, den Gott in zerbrechliche Gefäße gießt (vgl. 2 Kor 4,7), ist die Berufung nämlich ein unverdientes Geschenk, das die Person in ihrer konkreten Menschlichkeit erreicht, in der sie immer erlösungsbedürftig ist und für ihre Existenz eine Sinnfülle ersehnt. Sie findet ihren Ursprung und ihr dynamisches Zentrum in der Gnade Gottes, der mit der Zärtlichkeit und Kraft seiner barmherzigen Liebe unablässig in den nicht selten komplexen und zuweilen sogar widersprüchlichen menschlichen Geschehnissen wirkt, um dem Menschen zu helfen, die Einzigartigkeit und Einheit seiner Existenz zu begreifen, und ihn dazu befähigt, sich selbst vollständig hinzugeben. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Aufruf, die jungfräuliche, bräutliche und fruchtbare Liebe der Kirche zu Christus zu bezeugen, nicht auf das Zeichen der körperlichen Unversehrtheit reduzierbar ist und dass die Bewahrung des eigenen Körpers in vollendeter Enthaltsamkeit und ein bis dahin vorbildliches Leben in keuscher Tugendhaftigkeit zwar in Bezug auf die Berufungsunterscheidung eine große Rolle spielen können, aber nicht die maßgebenden Kriterien sind, in deren Ermangelung die Zulassung zur Weihe nicht möglich wäre.

Die Unterscheidung muss daher wohl erwogen und besonnen durchgeführt werden und individuell erfolgen. Jede Anwärterin und Kandidatin ist aufgerufen, ihre Berufung in Bezug auf ihre persönliche Geschichte wahrhaftig und authentisch vor Gott und mit Hilfe geistlicher Begleitung zu prüfen.

Die Hinzuziehung von Experten mit psychologischen Kompetenzen

89. Im Rahmen der Berufungsunterscheidung und während der Ausbildung vor der Weihe kann es in einigen Fällen sinnvoll sein, psychologische Experten hinzuzuziehen.<ref>Vgl. KONGREGA TION FÜR DAS KATHOLISCHE BILDUNGSWESEN, Leitlinien für die Anwendung der Psychologie bei der Aufnahme und Ausbildung von Priesterkandidaten (29. Juni 2008); KONGREGATION FÜR DEN KLERUS, Das Geschenk der Berufung zum Priestertum. Ratio Fundamentalis Institutionis Sacerdotalis (8. Dezember 2016), 146–147 und 191–196.</ref> Wenn also die Berufung zur geweihten Jungfräulichkeit als Frucht einer besonderen Gabe Gottes und die abschließende Unterscheidung über die spezifischen Kompetenzen der Psychologie hinausgehen, kann Letztere in den Gesamtzusammenhang der Unterscheidung und Ausbildung mit einbezogen werden, um die psychische Situation der Anwärterin oder Kandidatin und ihre Eignung zur Erfüllung der Berufung zum einen sicherer beurteilen zu können und sie zum anderen in ihrem menschlichen Entwicklungsprozess zu unterstützen.

Eine Beurteilung der Persönlichkeit kann in jenen Fällen behutsam angefordert werden, in denen Zweifel hinsichtlich einer psychischen Störung aufkommen.

90. Damit ein psychologischer Experte hinzugezogen werden kann, muss die Betroffene in jedem Fall vorher ihre freie, schriftliche Zustimmung in Kenntnis der Sachlage erteilt haben. Ihre Ehrbarkeit und ihr Recht auf Verteidigung ihrer Intimsphäre müssen immer geschützt sein.<ref>Vgl. ebd., 194.</ref>

Bei der Auswahl der hinzugezogenen Experten ist nicht nur deren berufliche Kompetenz sicherzustellen, sondern auch, dass sie sich an einer Anthropologie orientieren, welche die christliche Auffassung des Menschen und der Berufung zum geweihten Leben offen teilt.<ref>„Bei der Auswahl der Spezialisten ist über ihre menschliche Qualität und ihre spezifische Kompetenz hinaus ihr Profil als Glaubende zu berücksichtigen“: ebd., 146.</ref> Außerdem muss das Berufsgeheimnis des Experten immer gewahrt werden.

91. Sollte aus der vorgenommenen Beurteilung hervorgehen, dass eine psychische Störung oder eine gravierende Schwierigkeit vorliegt, so wird in der Berufungsunterscheidung deren Art und Schwere sowie deren Einfluss auf die Psyche der Person und dementsprechend deren Eignung für die Weihe berücksichtigt.

Die Vorbereitungszeit

92. Ziel der Vorbereitungszeit ist die Überprüfung der notwendigen Fähigkeiten und Voraussetzungen für einen fruchtbaren Ausbildungsweg bis hin zur Weihe.

Sie muss so lange dauern und konkret so erfolgen, dass der Bischof, die oder der Beauftragte und die im Ausbildungsdienst tätigen Geweihten die Anwärterin tatsächlich kennenlernen können und dass diese gleichzeitig die Möglichkeit hat, die wesentlichen Aspekte der Weihe und der besonderen Lebensform des Ordo virginum so gut kennenzulernen, dass sie diese mit ihrer eigenen Berufungsintuition vergleichen kann. Dafür ist üblicherweise ein Zeitraum von ein bis zwei Jahren vorgesehen.

93. Im Gespräch mit dem Bischof, mit der oder dem Beauftragten oder einer der im Ausbildungsdienst tätigen Geweihten soll die Anwärterin dazu eingeladen werden, ihre Geschichte, ihre gegenwärtige Lebensführung und ihre Beweggründe darzustellen, die sie zu dieser Lebensform geführt haben.

Bereits zu Beginn sollte überprüft werden, dass die Anwärterin die christlichen Initiationssakramente erhalten und niemals eine Ehe geschlossen hat, und außerdem sichergestellt werden, dass sie nicht öffentlich in unkeuschem Stand gelebt hat, d. h. in einem offensichtlichen, dauerhaften Konkubinat oder ähnlichen Verhältnissen, die öffentlich bekannt geworden sind.<ref>Ordo consecrationis virginum, Prænotanda, 5 a).</ref>

Unter Berücksichtigung des bisherigen Glaubensweges und somit der konkreten Situation und Vorbereitung einer jeden Anwärterin können Wege der Katechese, des Studiums und der Reflexion über das geweihte Leben im Allgemeinen und grundlegende Aspekte des christlichen Lebens angeboten werden.

94. Bei den regelmäßigen Treffen mit dem Bischof, der bzw. dem Beauftragten oder einer der im Ausbildungsdienst tätigen Geweihten soll die Anwärterin dazu eingeladen werden, ihre Glaubenserfahrung und die Berufungsintuition anhand der angebotenen Themen zu überprüfen.

Im Rahmen der geistlichen Begleitung soll sie weitere Möglichkeiten finden, ihre Erlebnisse zum Ausdruck zu bringen, auch die schmerzlichsten und dunkelsten Aspekte ihrer Lebensgeschichte im Lichte des Wortes Gottes neu zu lesen und Prozesse der inneren Heilung in Gang zu setzen oder zu konsolidieren, die es ihr ermöglichen, sich darauf vorzubereiten, die Gnade der Berufung freier und erfüllter zu empfangen.

Soweit möglich und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände sollen Bekanntschaften zwischen der Anwärterin und einigen Geweihten des Ordo virginum gefördert werden, die auch durch ihr persönliches Zeugnis bei der Berufungsunterscheidung helfen können.

Bei mehreren Bewerberinnen soll erwogen werden, ob es sinnvoll und angebracht ist, Treffen zum gegenseitigen Kennenlernen und gemeinsamem Nachdenken zu fördern, wobei auf jeden Fall ein angemessener Raum für das persönliche, vertrauliche Gespräch mit dem Bischof, der bzw. dem Beauftragten oder einer der im Ausbildungsdienst tätigen Geweihten beibehalten werden soll.

95. Besonderes Augenmerk wird darauf gelegt zu überprüfen, wie die Anwärterin am Leben der christlichen Gemeinschaft teilnimmt. Die Anhaltspunkte, welche die Interessentin dazu selbst vorträgt, sollen daher auf angemessene Weise durch Auskünfte von Priestern oder anderen Menschen, die sie gut kennen, ergänzt werden.

Außerdem kann die Interessentin darum gebeten werden, Unterlagen über ihren Studien- und Berufsweg einzureichen.

Bei Personen, die aus einer anderen Form des geweihten Lebens kommen, ist der Bischof dafür zuständig, von dem Institut oder der Gesellschaft, von denen diese kommen, entsprechende Auskünfte einzuholen, um nötige Anhaltspunkte zu erhalten, damit eine weise Unterscheidung erfolgen kann. Außerdem verlangt er von der Interessentin eine angemessene Zeit zur Verarbeitung der Loslösung und überprüft sorgfältig, wie sie sich in das kirchliche und gesellschaftliche Umfeld eingefügt hat.

96. Wenn die Anwärterin am Ende der Vorbereitungszeit darum bittet und die bisherigen Kenntnisse über sie zu der Ansicht führen, dass sie ihre Anfangsausbildung positiv fortsetzen kann, lässt der Bischof sie zum Ausbildungskurs vor der Weihe zu.

Der Ausbildungsweg im Vorfeld der Weihe

97. Der Ausbildungsweg im Vorfeld der Weihe verfolgt zweierlei Ziele: Er soll die christliche Ausbildung der Kandidatin festigen und zudem ihr die nötigen Hilfsmittel an die Hand geben, damit sie ihr grundlegendes Verständnis der charakteristischen Merkmale und der Verantwortung, die sich aus der Weihe in den Ordo virginum ergeben, vertiefen kann.

Er muss so lange dauern und konkret so erfolgen, dass jede Kandidatin die verschiedenen Ausbildungsinhalte effektiv persönlich verarbeiten kann, sodass die Entscheidung über den Antrag auf Zulassung zur Weihe ausreichend bewusst und frei reifen kann. Üblicherweise kann dafür ein Zeitraum von zwei bis drei Jahren vorgesehen werden.

Der Ausbildungsweg ist erfolgreich, wenn die Kandidatin in der Auseinandersetzung mit der besonderen Ausdrucksform der Berufung zu dieser Form des geweihten Lebens Schritt für Schritt die nötige Freiheit gewinnt, sich jeden Tag erneut durch die Erfahrung erziehen und formen zu lassen. Dabei kann sie ihre Kenntnisse über ihre persönlichen Ressourcen und Grenzen und das, was ihre Fähigkeit, sich Widerständen entgegenzustellen und ihre Übereinstimmung mit dem Wirken des Heiligen Geistes fördert, immer weiter vertiefen und lernen, in jeder existenziellen Situation die Fragmente der Wahrheit, Schönheit und Güte zu erfassen, in der die Gnade Gottes gegenwärtig und wirksam wird. Diese Grundhaltung, sich mit Aufmerksamkeit, Intelligenz und Verantwortungsbewusstsein der Realität zu stellen, die vom Wunsch, in der Liebe zu Christus zu wachsen, kommt, wird sie dazu führen, sich nach der Weihe mit überzeugter Bereitschaft für die ständige Weiterbildung einzusetzen.

98. Pflicht des Bischofs, des Beauftragten und der im Ausbildungsdienst tätigen Geweihten ist es daher, dafür zu sorgen, der Kandidatin das Charisma und die Erscheinungsform dieser Lebensform ganzheitlich zu vermitteln, sie zu begleiten, während sie ihr spirituelles Leben intensiver und tiefer gestaltet, und zu beobachten, wie sich ihr konkretes Leben harmonisch in Fügsamkeit gegenüber dem Wirken des Heiligen Geistes gestaltet. Auf diese Weise werden die erforderlichen Anhaltspunkte für die abschließende Unterscheidung über die Zulassung zur Weihe gesammelt.

Häufige und regelmäßige Treffen mit dem geistlichen Begleiter sind für die Kandidatin eine wertvolle Hilfe, darin zu reifen, den Plan Gottes zu erkennen, die Ausbildungsinhalte weise zu einem Ganzen zusammenzufügen und ihre verschiedenen Lebenserfahrungen wie Arbeit, Beziehungen und Dienst in der Kirche, Beziehungen zu Familienangehörigen, Freundschaften, kulturelles Studium und Vertiefung, caritatives und gesellschaftliches Engagement, das Erleben der eigenen Grenzen und Verletzlichkeit, die Pflicht der Askese usw. aus dem Blickwinkel des Glaubens zu deuten.

99. Wichtig ist, die Kandidatin dabei zu begleiten, dem Weg des Gebets durch die möglichst tägliche Teilnahme an der Eucharistie und die Feier des Stundengebets, mindestens von Laudes und Vesper, das Studium der Heiligen Schrift und die Marienverehrung eine regelmäßige und konstante Form zu verleihen. Vor allem soll versucht werden, ihr dabei zu helfen, die Liebe zum Gebet zu festigen und die Fähigkeit zu entwickeln, so nach dem Rhythmus des Tages, der Woche und des Jahres zu leben, dass das Gespräch mit dem Herrn als zentrale Erfahrung bewahrt wird.<ref>Vgl. KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE DES GEWEIHTEN LEBENS UND DIE GESELLSCHAFTEN DES APOSTOLISCHEN LEBENS, Instruktion Neubeginn in Christus. Ein neuer Aufbruch des geweihten Lebens im Dritten Jahrtausend, (19. Mai 2002), 25.</ref>

100. Da diese Form des geweihten Lebens in der Teilkirche verankert ist, pflegt die Kandidatin die Verbindung zur Kirchengemeinde, indem sie sowohl das geschwisterliche Beziehungsgeflecht ausschöpft, welches das normale, alltägliche Gefüge des kirchlichen Erlebens ausmacht, als auch möglichst an den wichtigsten Veranstaltungen der Diözese teilnimmt.

Um die Verbindung zur Teilkirche kontinuierlich zu gestalten, ist es ratsam, dass die Kandidatin entsprechende Kenntnisse über deren Geschichte, Institutionen, geistliche Traditionen, seelsorgerische Entscheidungen und die in ihr gegenwärtigen prophetischen Erfahrungen erwirbt und dass sie um die Schwierigkeiten weiß, mit denen sie konfrontiert ist, sowie um die Wunden, die Ursache für Leid sind.

Je nach ihren Begabungen, ihren tatsächlichen Möglichkeiten und Charismen kann sich das Engagement jeder Einzelnen für die Erbauung der Gemeinde im Pastoraldienst oder in einer anderen Form des Zeugnisses konkretisieren, das in ihrem gesellschaftlichen und kulturellen Lebensumfeld die Teilhabe an der Sendung der Kirche von Evangelisierung und Förderung des Menschen ausdrückt.

101. Für ein richtiges Verständnis des Ordo virginum werden der Kandidatin die Geschichte des geweihten Lebens und dessen Wert als prophetisches Zeichen in Kirche und Welt anhand von Grundlagentexten zum Studium und zur Meditation angeboten: die Heilige Schrift, die patristische Tradition, theologische Gedanken mit einem besonderen Schwerpunkt auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil und die neuesten Beiträge des kirchlichen Lehramts.

Besondere Sorgfalt wird auf die Darstellung der theologischen, historischen, liturgischen, ekklesiologischen und rechtlichen Grundlagen der besonderen Lebensform des Ordo virginum gelegt, indem den Kandidatinnen eingehende Kenntnisse über den Ritus der Jungfrauenweihe in seiner dynamischen Struktur und kirchlichen Bedeutung vermittelt werden.

102. Es soll auch dafür gesorgt werden, dass ihr entsprechende Kenntnisse der christlichen Anthropologie vermittelt werden und sie sich diese zu eigen macht, damit ihre Entscheidung für die Weihe auf der Grundlage eines ausgewogenen Verständnisses von Sexualität und menschlichem Gefühlsleben, von Relationalität und Freiheit, von Selbsthingabe, Opfer und Leiden heranreifen kann. In diesem Rahmen können auch die Humanwissenschaften und insbesondere die Psychologie und Pädagogik in die Ausbildung einfließen, um die Kandidatinnen in die Lage zu versetzen, bestimmte dynamische Muster in Beziehungen und in der menschlichen Entwicklung und somit auch in ihrer persönlichen Geschichte und ihrer eigenen Art und Weise, Beziehungen zu anderen aufzubauen, besser verstehen zu können.

Wenn die konkreten Lebensumstände und die Fähigkeiten der Kandidatin dies ermöglichen, soll sie zum Besuch von Kursen an theologischen Fakultäten, Instituten für Religionswissenschaften und anderen ähnlichen Einrichtungen ermutigt werden. In keinem Fall sollte eine angemessene theologische Vorbereitung im biblischen, liturgischen, spirituellen, ekklesiologischen und moralischen Bereich vernachlässigt werden.

103. Gelegenheiten zum Kennenlernen, zur Ausbildung und zum Erfahrungsaustausch mit den anderen Kandidatinnen und Geweihten aus der Diözese sollen gefördert werden. Sollte es dort niemanden geben, soll die Möglichkeit geprüft werden, ob das Kennenlernen und ein schwesterlicher Austausch mit Geweihten oder Kandidatinnen aus Nachbardiözesen möglich sind.

Die Zulassung zur Weihe und die Ausrichtung der Feier

104. Am Ende des mit dem Bischof vereinbarten Ausbildungsweges beantragt die Kandidatin, nach einer sorgfältigen persönlichen und mit dem geistlichen Begleiter durchgeführten Unterscheidung beim Bischof die Zulassung. Dieser Antrag sollte ein von Hand unterzeichnetes Schreiben sein und die Stellungnahme des geistlichen Begleiters enthalten.

Der Bischof ist dann zuständig für die endgültige Unterscheidung. Dazu holt er von allen Wegbegleitern der Kandidatin mit Ausnahme des geistlichen Begleiters entsprechende Auskünfte ein. Insbesondere soll er die bzw. den Beauftragten, falls diese bzw. dieser eingesetzt wurde, um eine begründete Stellungnahme zu der Zulassung bitten. An der Ausarbeitung dieser Stellungnahme sind auch die in dem eventuell vorhandenen Ausbildungsdienst tätigen Geweihten beteiligt.

105. Die Zulassung zur Weihe erfordert die moralische Gewissheit, dass die Berufung der Kandidatin authentisch und ihr Jungfrauencharisma tatsächlich vorhanden ist. Zudem müssen die Bedingungen und Voraussetzungen dafür vorliegen, dass die Interessentin die Gnade der Weihe annimmt und erwidert und in der Lage ist, ein beredtes Zeugnis von ihrer Berufung abzulegen, an ihr festzuhalten und in ihrer hochherzigen Selbsthingabe an den Herrn und die Brüder und Schwestern zu wachsen.

106. Führt die Beurteilung zu ihrer Zulassung zur Weihe, legt der Bischof mit der zu Weihenden unter Berücksichtigung der maßgeblichen Vorgaben aus dem Pontifikale das Datum und den Ort der Weihe fest.

Es ist angebracht, dass die Gemeinde sich auf eine fruchtbare Teilnahme an der Weiheliturgie vorbereitet und dazu eingeladen wird, die Weihekandidatin im Gebet zu begleiten, und dass eine spezielle Katechese über die Besonderheiten dieser Berufung erfolgt. Bei der Vorbereitung und Durchführung des Ritus soll darauf geachtet werden, die Gemeinde in das bräutliche Mysterium Christi und der Kirche, das durch die edle Nüchternheit von Gesten, Gesängen und Zeichen gefeiert wird, einzuführen.

107. Die erfolgte Weihe soll durch den Eintrag in ein Register des Ordo virginum dokumentiert werden, das vom Zelebranten, der Betroffenen und zwei Zeugen unterzeichnet und in der Regel in der Diözesankurie verwahrt wird. Der Betroffenen wird darüber eine Urkunde ausgestellt. Außerdem soll der Bischof Anweisung geben, dass die erfolgte Weihe dem zuständigen Pfarrer mitgeteilt wird, damit sie im Taufregister vermerkt wird.

Ständige Weiterbildung

Die Sorge für die ständige Weiterbildung

108. Die Sorge für die ständige Weiterbildung beruht auf der Forderung, der empfangenen Berufung immer besser zu entsprechen.<ref>Vgl. KONGREGATION FÜR DIE INSTITUTE DES GEWEIHTEN LEBENS UND DIE GESELLSCHAFTEN DES APOSTOLISCHEN LEBENS, Instruktion Neubeginn in Christus. Ein neuer Aufbruch des geweihten Lebens im Dritten Jahrtausend, (19. Mai 2002), 15.</ref>

Sie erfordert die konstante Bereitschaft, aus Erfahrungen zu lernen, d. h. die Gabe, sich in der Dynamik des Glaubens vom Heiligen Geist leiten zu lassen, indem die Bedeutung der verschiedenen Phasen des eigenen Lebens sowie die eigene Art und Weise, den Belastungen der modernen Kultur in christlicher Hoffnung zu begegnen, im Lichte des Evangeliums verarbeitet werden.

Da sich Aufgaben, Beziehungsumfeld und gesundheitliche Verfassung mit fortschreitendem Alter ändern, sind die Geweihten dazu aufgefordert, die Schönheit und Fruchtbarkeit ihrer Berufung in jeder Lebensphase neu zu entdecken und die Inhalte und Art der Ausbildung entsprechend anzupassen.

Alle Dimensionen des Daseins der Geweihten müssen hier einbezogen werden: ihr Frausein in einem bestimmten kulturellen und gesellschaftlichen Kontext, ihr Dasein als Jüngerin des Herrn in der pilgernden Kirche in der Geschichte und ihr Dasein als zu der besonderen Lebensform des Ordo virginum berufene Geweihte, als die sie ein besonderes Zeichen für die bräutliche Liebe Christi und der Kirche ist.

109. Die ständige Weiterbildung fordert daher von jeder einzelnen Geweihten Demut, Aufmerksamkeit, Klugheit, Verantwortungsbewusstsein und Kreativität.

In diesem Rahmen sind die spezifischen Weiterbildungsinitiativen begleitende Hilfsmittel, die zu einem immer tiefer gehenden persönlichen Verständnis des Jungfrauencharismas führen, die das Erlebte in der vollkommenen Hingabe an den Herrn weiter ergänzen und die Geweihten in der Verpflichtung unterstützen sollen, die sich aus der Weihe ergebende Verantwortung zu leben.

Der persönliche Einsatz und die gemeinschaftliche Dimension

110. Die Gestaltung fruchtbarer Weiterbildungswege verlangt, dass das persönliche Bildungsengagement mit der gemeinschaftlichen Dimension, die den Ordo virginum prägt, in Einklang gebracht wird.

Daher geht es darum, die Prioritäten und am besten geeigneten Mittel für eine solide Ausbildung zu ermitteln, die auf die Bedürfnisse und Charismen jeder einzelnen Jungfrau abgestimmt sind. Gleichzeitig sollen die Bildungswege das Erleben in der Gemeinschaft, in der die Geweihten des Ordo virginum vereint sind, zum Ausdruck bringen und unterstützen.

Dabei wird Mitverantwortung in zweierlei Hinsicht praktiziert: vonseiten der einzelnen Geweihten in ihrem Verhältnis zum Bischof oder der bzw. dem Beauftragten, um aufzuzeigen und zu prüfen, wie sie selbst ihre Ausbildungspflicht lebt; und vonseiten aller Geweihten der Diözese gegenüber dem Bischof oder der bzw. dem Beauftragten, um ein gemeinsames, spezielles Ausbildungsprogramm für die Geweihten des Ordo virginum aufzuzeigen, durchzuführen und zu prüfen.

111. In Bezug auf Letzteres fördern der Bischof oder die bzw. der Beauftragte unter Berücksichtigung der konkreten Umstände Treffen und Bildungsangebote für alle Geweihten, in die der Beitrag einfließt, den jede Einzelne zur Planung, Organisation, konkreten Umsetzung und erforderlichen Nachbereitung leisten kann. Damit diese Praxis der Mitverantwortung kontinuierlich und einheitlich umgesetzt wird, kann der Bischof mit den Geweihten die Bedingungen für die Einrichtung eines Weiterbildungsdienstes oder -teams als Teil des Gemeinschaftsdienstes vereinbaren.

Es soll darauf geachtet werden, dass Bedingungen geschaffen werden, die auch Geweihte mit einbeziehen, die wegen ihres Alters, aus gesundheitlichen oder anderen ernsthaften Gründen gar nicht oder nur unter Schwierigkeiten an den Ausbildungstreffen teilnehmen können.

Leben in einer Diözese nur eine einzige bzw. sehr wenige Geweihte, können in Rücksprache mit den betreffenden Bischöfen gemeinsame Bildungsmaßnahmen mit den Geweihten der Nachbardiözesen geplant werden.

Die Geweihten können außerdem für ihre Ausbildung auch andere Initiativen der christlichen Gemeinschaft berücksichtigen und alle Angebote nutzen, die in ihrem gesellschaftlichen und beruflichen Umfeld wertvolle Bildungsangebote darstellen.

Inhaltliche und methodische Weisungen

112. Die speziellen Bildungsangebote für Geweihte des Ordo virginum müssen pädagogisch klug aufgebaut sein und sowohl die Auseinandersetzung mit grundlegenden Thematiken des christlichen Lebens und insbesondere mit den zentralen Fragen dieser Form des geweihten Lebens umfassen als auch die Beschäftigung mit aktuellen Fragestellungen, die ein zuverlässiges Urteilsvermögen nach dem Evangelium erfordern.

Außerdem sollen Kenntnisse über die Heilige Schrift, theologisches Wissen und die Dynamik des spirituellen Weges vertieft und die Lehre sowie die seelsorgerischen Vorschläge des Diözesanbischofs und des Papstes aufmerksam verfolgt werden.

Es ist wichtig, dass die intellektuelle Dimension der Ausbildung nicht isoliert behandelt wird, sondern solide in die Weiterentwicklung eines Lebens nach dem Heiligen Geist einbezogen und kontinuierlich in Bezug auf die Fähigkeit, freundschaftliche Beziehungen einzugehen und zu pflegen, gefördert und überprüft wird.

Daher ist dafür Sorge zu tragen, dass die Treffen und Bildungsmaßnahmen für die Geweihten zu echten Gelegenheiten des Gesprächs im Glauben und der gegenseitigen Erbauung werden. Der Bildungsweg soll auch durch das gemeinsame Gebet unterstützt werden. Die pädagogische Aufmerksamkeit für die Beziehungsdynamik innerhalb des Ordo virginum soll nicht vernachlässigt und durch gegenseitige Akzeptanz und Wertschätzung und einen gutwilligen und klugen Umgang mit aufkommenden Spannungen und Konfliktsituationen gefördert werden, damit man auch an diesen Situationen wachsen kann.

113. Bei den Treffen und Bildungsangeboten kann es sich konkret um Unterricht und Vorträge handeln, um Erfahrungsaustausch, das Hören von Erfahrungsberichten, gemeinsame Lektüre, Seminare, Einkehrtage oder geistliche Exerzitien, Bibelwochen, Pilgerfahrten und die Auseinandersetzung mit kulturellen Themen usw.

Ergänzend zu den Bildungsangeboten der Diözese können auch Treffen und verschiedene Bildungsveranstaltungen auf diözesanübergreifender Ebene angeboten werden, insbesondere wenn sie von den in einem bestimmten Zusammenschluss von Teilkirchen vorhandenen festen Gemeinschaftsdiensten, sofern diese eingerichtet wurden, im gemeinsamen Einverständnis mit den jeweiligen Bischofskonferenzen und dem eventuell ernannten zuständigen Bischof für den Ordo virginum organisiert werden. In die Planung, Durchführung und Nachbereitung dieser Veranstaltungen müssen alle Geweihten der betroffenen Diözesen mitverantwortlich einbezogen werden.

Schlusswort

114. Der Herr Jesus hat aus allen Völkern eine einzige Kirche gebildet und sich mit ihr auf geheimnisvolle Weise in bräutlicher Liebe vereint. Dieses wundersame Geheimnis, das in der Eucharistiefeier auf wirkungsvolle Weise wahr wird, ist das Prinzip der Einheit und Heiligkeit der Kirche, ihrer weltweiten Sendung und ihrer Fähigkeit, durch die Verkündigung des Evangeliums jede menschliche Erfahrung und jede Kultur mit Leben zu erfüllen. Eingedenk dieses Mysteriums erkennt die Kirche in dem Wiederaufblühen des Ordo virginum eine Gabe des Heiligen Geistes und empfängt diese in Dankbarkeit.

Den Frauen, die diese Weihe empfangen, geht die Gnade Gottes voraus, die sie stützt. Sie sind dazu aufgerufen, in Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist zu leben, die verwandelnde Dynamik des Wortes Gottes zu erfahren, die viele verschiedene Frauen zu einer Gemeinschaft von Schwestern macht, und das Evangelium des Heils in Wort und Leben zu verkünden, um zum Bild für die Kirche als Braut zu werden, die Christus dadurch, dass sie einzig für ihn, den Bräutigam, lebt, in der Welt gegenwärtig werden lässt.

Auf Maria, die vollkommene Ikone der Kirche, richten sie ihren Blick, wie auf den Stern, der ihnen den Weg weist. Ihrem mütterlichen Schutz vertraut die Kirche sie an.

115. Wir loben dich,
Jungfrau, Mutter Gottes,
Frau des Bundes,
der Erwartung und Erfüllung.
Sei den geweihten Jungfrauen
Mutter und Lehrerin,
denn indem sie dich nachahmen,
empfangen sie in Freude das Evangelium,
und in ihm entdecken sie jeden Tag wieder
demütig und staunend den heiligen Ursprung
ihrer bräutlichen Berufung.

Jungfrau der Jungfrauen,
versiegelter Quell, Himmelstür,
leite und begleite
diese unsere Schwestern,
damit sie die Gabe
der geistlichen Unterscheidung erhalten
und als Pilgerinnen in der Geschichte
die Dynamik der Prophezeiung leben,
frei und mutig,
entschlossen und zärtlich.

Gnadenvolle Frau,
überreich an Liebe,
zur Kirche gewordene Jungfrau,
segne ihren Weg,
damit die Hoffnung
ihren Verstand beflügele und ihre Herzen weite,
indem du sie in jedem Schritt und im Glauben lenkst,
mache ihre Hände arbeitsam und kreativ,
damit ihr Leben fruchtbar werde und
sie das Volk Gottes hervorbringen und erbauen,
indem sie das Reich hier und jetzt Wirklichkeit werden lassen
und an seiner königlichen, prophetischen und priesterlichen
Sendung teilnehmen.

Wir preisen dich selig,
Frau des Magnifikat,
Mutter des lebendigen Evangeliums,
und bitten dich für diese unsere Schwestern:

Schließe sie ein in deinen Gesang,
reihe sie ein in deinen Tanz,
damit sie, indem sie dem Lamm
mit brennenden Lampen
auf all seinen Wegen folgen,
auch uns
zum ewigen Hochzeitsmahl führen können,
zur endgültigen Umarmung mit jener Liebe,
die niemals aufhört.
(Vom Heiligen Vater in der Audienz vom 8. Juni 2018 genehmigt)

Vatikanstadt, den 8. Juni 2018

Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu
Kardinal João Braz de Aviz
Präfekt
+ Erzbischof José Rodríguez Carballo, O.F.M.

Sekretär

Anmerkungen

<references />

Weblinks