Humanae vitae

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Humanae vitae sind die Anfangsworte der siebten und letzten Enzyklika des Papstes Paul VI. vom 25. Juli 1968 über die rechte Ordnung der Weitergabe menschlichen Lebens.

Über vier Jahre hinweg bereitete Papst Paul VI. die Enzyklika gründlich vor. Er erließ nach seiner Darlegung der Ehelehre nur noch, jedoch beachtliche, Apostolische Schreiben). Das damals viel Aufsehen erregende (und immer noch hochaktuelle) Rundschreiben widmet sich der vernunftgemäßen und christlichen Ehelehre insgesamt und insbesondere der Frage nach der Weitergabe des Lebens. Die "Antibaby-Pille" wird übrigens im Text nicht einmal erwähnt.

Text der Enzyklika

Inhalt

In Weiterführung der von Papst Pius XI. mit der Enzyklika Casti connubii 1930 vorgelegten Lehre, räumt der Papst ein, dass den Eltern eine gewissenhafte Entscheidung über die Zahl und den Geburtszeitpunkt ihrer Kinder zwar zustehe (conscia paternitas; "verantwortliche Elternschaft", HV Nr. 10), dass aber das natürliche Sittengesetz aus Sicht der katholischen Kirche für verbindlich erachtet wird. Eine Herabminderung des Ideals der Ehe auf den Standard durchschnittlicher Sittlichkeit wird verworfen (HV Nr. 7-9). In Konsequenz des Leitbildes einer christlichen Ehe scheidet damit für Eheleute die Zuflucht zu künstlichen Hilfsmitteln der Empfängnisregelung aus; quilibet matrimonii usus (HV Nr. 11), jedweder Ehegebrauch soll für die Weitergabe des Lebens offen bleiben (näher: HV Nr. 12-14).

Diese Linie hatten bereits die Vorgängerpäpste Pius XII. und Johannes XXIII. vorgezeichnet (Etenim hominum vita pro sacra re est omnibus ducenda; so: Mater et Magistra: AAS 53 (1961), p. 447). Papst Johannes berief 1963 die Expertenkommission ein, die sein Nachfolger erweiterte. Diese und auch ein bischöfliches Gremium sprachen sich, keineswegs einmütig (und letzteres nur knapp), für die relative Freigabe moderner Kontrazeptiva aus, wie es die Anglikanische Kirche bereits auf der Lambeth-Konferenz 1930 beschlossen hatte. Fast der gesamte Protestantismus gab in der Folgezeit, nach diesem Beispiel, schrittweise den christlichen Widerstand gegen die "Verhütungsdoktrin" auf.

Während die Kirche bislang einmütig dem seit Thomas Robert Malthus propagierten Gedanken der planmäßigen "Geburtenkontrolle" entgegentrat (und Katholiken allenfalls schlechten Gewissens sündigten), hielt eine beachtliche Strömung "modern" empfindender Kleriker und Laien, wie teils schon zuvor, dann offen in den 1960-er Jahren, den Zeitpunkt für gekommen, gleichfalls den vollen Konsens (ein nur virtuelles Projekt!) mit der gegenwärtigen Zivilisation zu deklarieren. Es ging dabei auch darum, diesen Schritt "vorwärts" mit Hilfe des (untauglichen) Mittels einer "Öffnung" der katholischen Ehemoral, hin zu einer als zeitgemäß empfundenen, freizügigen "Sexualmoral" bewusst unumkehrbar zu machen. Hingegen hat schon das II. Vatikanum in Gaudium et spes (Nr. 51 mit Anm. 14 bzw. lat. 119) die Katholiken ermahnt, eine zukünftige Entscheidung des Lehramtes zu akzeptieren.

Zitat: Von diesen Prinzipien her ist es den Kindern der Kirche nicht erlaubt, in der Geburtenregelung Wege zu beschreiten, die das Lehramt in Auslegung des göttlichen Gesetzes verwirft (Anm. 14*). Mögen alle daran denken: Das menschliche Leben und die Aufgabe, es weiterzuvermitteln, haben nicht nur eine Bedeutung für diese Zeit und können deshalb auch nicht von daher allein bemessen und verstanden werden, sondern haben immer eine Beziehung zu der ewigen Bestimmung des Menschen.

  • [Anm. 14: "Vgl. Pius XI., Enz. Casti connubii: AAS 22 (1930) 559-561; Denz.-Schönm. 3716-3718; Pius XII., Ansprache an die Hebammen, 29. Okt. 1951: AAS 43 (1951) 835-854; Paul VI., Ansprache an die Kardinäle, 23. Juni 1964: AAS 56 (1964) 581-589. Bestimmte Fragen, die noch anderer sorgfältiger Untersuchungen bedürfen, sind auf Anordnung des Heiligen Vaters der Kommission für das Studium des Bevölkerungswachstums, der Familie und der Geburtenhäufigkeit übergeben worden, damit, nachdem diese Kommission ihre Aufgabe erfüllt hat, der Papst eine Entscheidung treffe. Bei diesem Stand der Doktrin des Lehramtes beabsichtigt das Konzil nicht, konkrete Lösungen unmittelbar vorzulegen."]

Im Original: Filiis Ecclesiae, his principiis innixis, in procreatione regulanda, vias inire non licet, quae a Magisterio, in lege divina explicanda, improbantur (Anm. 119: Cf. PIUS XI, Litt. Encycl. Casti Connubii: AAS 22 (1930), pp. 559-561; DENZ.-SCHÖN. 3716-3718; PIUS XII, Allocutio Conventui Unionis Italicae inter Obstetrices, 29 oct. 1951: AAS 43 (1951), pp. 835-854; PAULUS VI, Allocutio ad Em.mos Patres Purpuratos, 23 iunii 1964: AAS 56 (1964), pp. 581-589. (...) ).

Konflikt um die Natur

Berater des Papstes argumentierten auch so: "Ändere" die Kirche ihre Meinung, so sei die päpstliche Autorität am Ende; Papst Paul schließt sich aber letztlich nicht deshalb der Minderheit an. Für Kardinal Karl Lehmann, wie er 1993 im Rückblick auf diese Entscheidung sagen wird (so Gernot Facius), hingegen war das nicht nur eine Brüskierung der "Autorität" der Kommissionsmehrheit, sondern ein Bruch mit der kollegialen Art der Wahrheitsfindung, wie sie auf dem II. Vatikanum eingeübt wurde. (Sollte Lehmann das wirklich gesagt haben, zeigt das nur, dass er nicht begriffen hat, was das Kollegium der Bischöfe eigentlich ist; jedenfalls kein Ort für "Diskursethik".)

Abzusehen war die Überzeugung des Papstes schon seit 1967, als das vom Vatikan geheim gehaltene Gutachten der Minderheit (wie zuvor das der Mehrheit) durch eine Indiskretion in Deutschland bekannt wurde. (Vielleicht sollte auch mit dem Credo des Gottesvolkes vorgebeugt werden, gegen den zu erwartenden Protest?) Dem "Konzilstheologen" Hans Küng fiel "es" wie Schuppen von den Augen: Es gehe keineswegs nur „um die Pille“ (vgl. Umstrittene Wahrheit (2007), S. 82 f.), sondern um das Amt des Papstes: um die „Kontinuität, Autorität, Unfehlbarkeit“ (ja, aber eben nicht um eine "fiktive", zur Schau gestellte, sondern um die zuverlässige). Tatsächlich: Es geht um die vom Heiligen Geist garantierte Irrtumslosigkeit der Kirche in wesentlichen Fragen (vgl. HV Nr. 4/6). Bei der Schlussabstimmung in der bischöflichen Kommission fehlte übrigens ein dann prominent gewordenes Mitglied: Karol Wojtyla. Aber Wojtyla hat sich deutlich geäußert, um die richtige, die (vermeintlich nur) "konservative" Position zu unterstützen. Als Papst Johannes Paul II. bekräftigt er schon drei Wochen nach seiner Wahl im Oktober 1978 im „Osservatore Romano“ die „Wahrheit der Enzyklika Humanae vitae“. Es bleibt dabei; und trägt weltweit Früchte: Was die Kirche über Empfängnisverhütung lehrt, ist kein Gegenstand, der von den Theologen frei diskutiert werden kann. Man kann zwar eine von der Wahrheit abweichende Meinung haben, aber das ist dann eben eine Meinung, nicht die Wahrheit; wie z.B. auch die "Meinung", Ostern sei ein Mythos, etc.

Papst Paul VI. entschied, nach jahrelangem Studium der Frage, also im Alleingang (gegen die Mehrheiten in den Beratergremien) und mutete der Kirche damit, inmitten der als nachkonziliare Krise bekannten Epoche, tatsächlich einen massiven Autoritätskonflikt zu. Eine bestimmte Art von "Autorität" ist seither tatsächlich unwiederbringlich verloren. Der Autoritätsverlust wäre aber andernfalls noch größer gewesen, beim Versuch, "neue Autorität" auf Gefälligkeit ("Hinterherlaufen" nach Art der EKD) zu gründen. Eine scheinbar freiwillige, bedingungslose Kapitulation des bischöflich-päpstlichen Lehramts vor der "modernen" (Moral-)Theologie, mit allen Konsequenzen, war aber von interessierter Seite "politisch" sehr wohl erwünscht. Nicht wenige Kritiker zielten genau darauf ab, einkalkulierend, wie schwer der religiöse Gehorsam in Ehedingen oft fällt; auch in anderen Fragen.

Doch im Prinzip leuchtet ja jedem recht und billig Denkenden ein, dass die "freie" Verhütung das gesamte Wesen der menschlichen Liebe verändert. Die Tatsachen sind unbestreitbar. Wer das nicht sehen will, hat die Manipulation bereits still mitvollzogen. Der Papst war mithin von der Richtigkeit seiner Entscheidung also nicht nur subjektiv überzeugt (wie sogar H. Küng zubilligte, a.a.O.), sondern um die notwendige Bestätigung der Gesetzmäßigkeit, die Gott in die Natur des Menschen legte.

Der ehelich würdiger Akt ist nur der naturgemäße.

"Wenn die Eheleute sich so verhalten, geben sie wirklich ein Zeugnis der rechten Liebe" (HV Nr. 16). Natur, christlich begriffen, meint aber nicht nur Biologie, sondern den ganzen Menschen, Leib und Seele, in Kommunikation mit der Schöpfungsordnung. Also: Es würdigt nicht das Wissen um seine Unfruchtbarkeit den einzelnen Akt herab, sondern erst die Herstellung der Unfruchtbarkeit. Das ist alles andere als spitzfindig, sondern evident. Daher ist der Spruch von Humanae vitae, noch vor jeder "moralisierenden" Spekulation, zunächst eine tatsächliche Feststellung, deren sachliche Richtigkeit inzwischen von den soziologischen Fakten ("Pillenknick", Rentenkrise) völlig offenkundig bewiesen wird. Viel Beifall erhielt der Papst deshalb schon damals aus der "Dritten Welt", der Kirche im armen Süden, während katholische Europäer und Nordamerikaner dem Papst das Amt fortan sehr schwer machten. (Aktuell gerät überdies speziell die Pille, wenn auch nicht die Verhütung insgesamt, mehr und mehr unter wissenschaftliche Kritik: Ihre Nebenfolgen gelten mehr und mehr als kaum akzeptabel, gesundheitlich, psychologisch, aber auch wegen mutmaßlich zunehmender Hormonverseuchung des Trinkwassers in den wohlhabenden Ländern.)


Ausblick

Schon die Begründung der Enzyklika war klar, lückenlos und ihre konsequente Vernunft für jeden Menschen guten Willens einsehbar (vgl. HV Nr. 20). Sämtliche damals noch "denkbare" Gegenargumente gegen Humanae vitae (das Problem war ja noch neu) sind übrerdies mittlerweile als widerlegt anzusehen; außer das eine "natürlich": Dass viele Menschen nunmal nicht ungern sündigen. Gerade die gekünstelte Empörung gegenüber dem katholischen Standpunkt beweist das. Kardinal Stafford nennt Beispiele, wie 1968 der Protest in USA inszeniert und organisiert wurde (s.u.). Wenn der Papst aber sagt "Du sollst nicht lügen", können alle eifrig zustimmen, lügen aber doch (denn die Lüge ist nur selten körperlich feststellbar); aber sobald es um "Anstand und Zucht" geht: Soll da die Sünde nicht mehr als solche zu benennen sein? "Ausrotten" kann die Kirche sie sowieso nicht. Das ist auch nicht ihr Projekt. (Die Beichte ist die einzige "Justiz" auf Erden, die den freispricht, der sich anklagt.) Aber die Wahrheit über den Menschen verschweigen? Dazu fehlt, nach Ansicht der Päpste und des Konzils (vgl. Gaudium et spes, Nr. 51, Fn. 14), der Kirche die Autorität, da sie verpflichtet ist, der Lehre Christi zu dienen, diese also ohne jede "moraltheologische" Spiegelfechterei, unverkürzt zu verkünden (vgl. HV Nr. 18, 28).

Es wäre ja schon ein halber Erfolg, wenn heute, wie vor Erfindung der "Pille", diskret und ohne frechen Stolz verhütet würde; aber stattdessen wird die Verhütungsmentalität im "freien Westen" als Wert an sich rigoros propagiert; und zwar schon für Jugendliche, die fast noch im Kindesalter sind. Da die staatliche Gesetzgebung, ehedem kulturell bedingt noch dem Jugendschutz und Eheideal nahe, sich zumeist und fast überall nicht mehr bereitfindet, katholische Haltungen zu begünstigen (vgl. HV Nr. 22-23), wird der Erfolg des katholischen Konzepts, im Laufe der Zeit, zunächst in Oasen christlichen Lebens, dann auf größeren Inseln, schließlich aber auch in größeren Räumen der Öffentlichkeit mehr und mehr Zuspruch finden. Denn die Menschheit kann die globale öffentliche Lüge in Liebesdingen nicht überleben (vgl. Ex 20,5). Eine Zeit der vitae humanae, des wahren "amour humain" (Jean Guitton) wird also unfehlbar kommen:

Kommet allesamt zur Zivilisation der Liebe!

(vgl. Paul VI., Angelus an Pfingsten, dem 18. Mai 1975.)

Zitate

Kardinal Christoph Schönborn am 27. März 2008 zu den im Abendmahlssaal zu Jerusalem versammelten Bischöfen:

Ich möchte euch eine Sache sagen, die ich im Herzen trage. Ich denke, es ist ein Wort des Heiligen Geistes, das ich sagen muss. Welche ist die Schuld Europas? Die Schuld Europas, die Hauptschuld, ist das Nein zum Leben. Vor einigen Tagen habe ich im österreichischen Fernsehen auf die Frage eines Journalisten geantwortet: "Europa hat dreimal Nein zu seiner eigenen Zukunft gesagt". Das erste Mal im Jahre 1968, wir 'feiern' jetzt 40 Jahre, durch das Ablehnen von Humanae Vitae. Das zweite Mal im Jahre 1975, als die Abtreibungsgesetze Europa überschwemmt haben. Das dritte Mal zur Zukunft und zum Leben: Gerade gestern habe ich aus Österreich die Nachricht bekommen, dass die Regierung der homosexuellen Ehe zugestimmt hat, auch in Österreich: das ist das dritte Nein. Und dies ist nicht zuerst eine moralische Sache, sondern eine Frage der Gegebenheiten, der Fakten: Europa ist im Begriff zu sterben, da es Nein zum Leben gesagt hat.

Papst Benedikt XVI. in der Sozialenzyklika Caritas in veritate, Nr. 15:

Die Enzyklika Humanae vitae unterstreicht die zweifache Bedeutung der Sexualität als Vereinigung und als Zeugung und gründet damit die Gesellschaft auf das Fundament des Ehepaares, eines Mannes und einer Frau, die sich gegenseitig annehmen in ihrer Unterschiedenheit und Komplementarität; eines Paares also, das offen ist für das Leben. Es handelt sich nicht um eine bloß individuelle Moral: Humanae vitae zeigt die starken Verbindungen auf, die zwischen der Ethik des Lebens und der Sozialethik bestehen und hat damit eine lehramtliche Thematik eröffnet, die nach und nach in verschiedenen Dokumenten Gestalt gewonnen hat, zuletzt in der Enzyklika Evangelium vitae Papst Johannes Pauls II. Die Kirche betont mit Nachdruck diesen Zusammenhang zwischen der Ethik des Lebens und der Sozialethik, denn sie weiß: Unmöglich »kann eine Gesellschaft gesicherte Grundlagen haben, die – während sie Werte wie Würde der Person, Gerechtigkeit und Frieden geltend macht – sich von Grund auf widerspricht, wenn sie die verschiedensten Formen von Mißachtung und Verletzung des menschlichen Lebens akzeptiert oder duldet, vor allem, wenn es sich um schwaches oder ausgegrenztes Leben handelt«.

Papst Johannes Paul II. sagte 1988 zur Enzyklika Humane vitae: "Es geht nämlich nicht um eine vom Menschen erfundene Lehre: sie ist vielmehr von der Schöpferhand Gottes in die Natur der menschlichen Person eingeschrieben und von ihm in der Offenbarung bekräftigt worden. Sie zur Diskussion stellen, bedeutet daher, Gott selbst den Gehorsam unseres Verstandes verweigern. Es bedeutet, dass wir das Licht unserer Vernunft dem Licht der göttlichen Weisheit vorziehen und damit in die Finsternis des Irrtums fallen, um schließlich noch weiter grundlegende Eckpfeiler der christlichen Lehre anzugreifen. Man muss hier bedenken, dass die Gesamtheit der Wahrheiten, die dem Verkündigungsdienst der Kirche anvertraut sind, ein einziges Ganzes, eine Art Symphonie bildet, in der sich jede Einzelwahrheit harmonisch mit den anderen verbindet.<ref>Ansprache Con viva gioia an die Teilnehmer des Zweiten Internationalen Kongresses für Moraltheologie vom 12. November 1988, Nr. 3.</ref>

Papstschreiben

Johannes Paul II.

Literatur

Weblinks

Anmerkungen

<references />