Indulgentiarum doctrina (Wortlaut)

Aus kathPedia
Zur Navigation springenZur Suche springen
Apostolische Konstitution
Indulgentiarum doctrina

unseres Heiligen Vaters
Paul VI.
über die Neuordnung des Ablasswesens
1. Januar 1967

(Offizieller lateinischer Text AAS 59 [1967] 5-24)

(Quelle: Nachkonziliare Dokumentation – im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, Band 2, lateinisch und deutscher Text, S. 72-118, Normen 118-127. Imprimatur No. 61/1967 Treveris, die 28 m. Junii 1967 Vicarius Generalis Dr. Hofmann; Die Nummerierung ist mit der englischen Fassung identisch.)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Paulus Bischof

Diener der Diener Gottes

zur fortwährenden Erinnerung

I. Kapitel

Die Offenbarung als Fundament der Ablasslehre und -praxis

1 Ablasslehre und -praxis gelten seit vielen Jahrhunderten in der Kirche. Sie gründen wie auf einem festen Fundament auf der göttlichen Offenbarung<ref>Vgl. Konzil von Trient, 25. Sitzung, Dekret über die Ablässe: „Da von Christus der Kirche die Vollmacht gegeben wurde, Ablässe zu gewähren und da die Kirche diese von "Gott gegebene Vollmacht seit den ältesten Zeiten gebrauchte,..." (DS [= Denzinger-Schönmetzer] 1835); vgl. Mt 28,18.</ref>, die, von den Aposteln überliefert, "unter dem Beistand des Heiligen Geistes in der Kirche fortschreitet", indem "die Kirche... im Gang der Jahrhunderte ständig der Fülle der göttlichen Wahrheit entgegen strebt, bis an ihr sich Gottes Worte erfüllen<ref>2. Vatikanisches Konzil, Dogm. Konstitution über die Göttliche Offenbarung „Dei Verbum", Art. 8 (AAS 58 [1966], 821); vgl. l. Vatikanisches Konzil, Dogm. Konstitution über den katholischen Glauben „Dei Filius", 4. Kap. „Über Glauben und Vernunft" (DS 3020).</ref>".

Zum richtigen Verständnis dieser Lehre und ihrer heilsamen Anwendung müssen wir uns gewisse Wahrheiten ins Gedächtnis rufen, an denen die gesamte Kirche im Lichte des göttlichen Wortes allzeit im Glauben festgehalten hat und die die Bischöfe als Nachfolger der Apostel und besonders die Päpste als Nachfolger des heiligen Petrus in der seelsorglichen Praxis wie auch in den Urkunden der Lehrverkündigung im Lauf der Jahrhunderte gelehrt haben und noch lehren.

Straffolgen aus den Sünden

2 Nach der Lehre der göttlichen Offenbarung folgen aus den Sünden von Gottes Heiligkeit und Gerechtigkeit auferlegte Strafen. Sie müssen in dieser Welt durch Leiden, Not und Mühsal des Lebens und besonders durch den Tod<ref>Vgl. Gen 3,16-19: „Zur Frau sprach er (Gott): ,Zahlreich will ich deine Beschwerden machen und deine Schwangerschaften; unter Schmerzen sollst du Kinder gebären. Und doch steht dein Begehren nach deinem Mann, er aber soll herrschen über dich'. Zum Manne sprach er: ,Du hast auf die Stimme deiner Frau gehört und vom Baume gegessen, von dem zu essen ich dir streng verboten habe; darum soll der Ackerboden verflucht sein um deinetwillen; mühsam sollst du dich von ihm nähren alle Tage deines Lebens! Dornen und Gestrüpp soll er dir sprießen... Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot verzehren, bis du zum Ackerboden wiederkehrst, von dem du genommen bist. Denn Staub bist du, und zum Staube sollst du heimkehren." 
Vgl. auch Lk 19,41-44; Rom 2,9 und l Kor 11,30. 
Vgl. Augustinus, Erklärungen zu den Psalmen 58, l, 13: „Jegliche Bosheit, ob klein oder groß, muss gebüßt werden, entweder durch freiwillige Buße des Menschen oder durch die Strafe Gottes" (CCL 39,739; PL 36,701). 
Vgl. Thomas v. Aquin, S. Th. l-2, q. 87, a. l: „Da aber die Sünde eine ungeordnete Handlung ist, ist klar, dass jeder, der sündigt, gegen irgendeine Ordnung handelt. Daher folgt es aus der Ordnung selbst, dass er bedrückt wird. Und diese Bedrückung ist Strafe."</ref>, oder in der künftigen Welt durch Feuer und Qual oder Reinigungsstrafen abgebüßt werden<ref>Vgl. Mt 25, 41 f.: „Weichet von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das dem Teufel bereitet ist und seinen Engeln. Denn ich war hungrig, und ihr habt mich nicht gespeist." Siehe auch Mk 9, 42 f.; Joh 5, 28 f.; Rom 2,9; Gal 6,6-8. 
Vgl. 2. Konzil von Lyon, 4. Sitzung, Glaubensbekenntnis des Kaisers Michael Paläologus (DS 856-858). 
Vgl. Konzil von Florenz, Dekret für die Griechen (DS 1304-1306). 
Vgl. Augustinus, Handbüchlein 66,17: „Vieles scheint auf dieser Welt verziehen und nicht bestraft zu werden; doch werden die Strafen dafür auf später aufbewahrt. Nicht umsonst wird ja auch jener Tag im eigentlichen Sinn als Gerichtstag bezeichnet, an dem der Richter über Lebende und Tote kommen wird. So wird umgekehrt hier manches bestraft und schadet dann, nachdem es verziehen ist, in der kommenden Welt nicht mehr. Deshalb sagt der Apostel (l Kor 11,31 f.) von gewissen zeitlichen Strafen, die in diesem Leben den Sündern, deren Sünden getilgt werden, auferlegt werden, damit sie nicht bis zum Ende aufbewahrt werden: Gingen wir nämlich mit uns selbst ins Gericht, würden wir vom Herrn nicht gerichtet werden; werden wir aber gerichtet vom Herrn, dann erfahren wir Züchtigung, damit wir nicht mit dieser Welt verdammt werden" (Ausg. Scheel, Tübingen 1930. 42; PL 40, 263).</ref>. Die Christgläubigen waren daher immer überzeugt, dass der Weg des Sünders vielerlei Anstoß biete und dass er für jene, die ihn gehen, hart, dornenreich und schaden-bringend sei<ref>Vgl. Pastor Hermae, Mand. 6, l, 3 (Funk, Apostolische Väter 1,487).</ref>.

Verschiedene Dimensionen der Sünde

Diese Strafen werden nach Gottes gerechtem und barmherzigem Urteil auferlegt zur Reinigung der Seelen, zum Schutz der Heiligkeit der sittlichen Ordnung und zur Wiederherstellung der Ehre Gottes in ihrer ganzen Majestät. Jede Sünde bringt nämlich eine Störung der universellen Ordnung, die Gott in unaussprechlicher Weisheit und unendlicher Liebe gesetzt hat, und eine Zerstörung unermesslicher Güter für den Sünder selbst wie auch für die Gesamtheit der Menschen mit sich. Der Christenheit aller Zeiten war es klar, dass die Sünde nicht nur eine Übertretung des göttlichen Gesetzes ist, sondern darüber hinaus, wenn auch nicht immer direkt und offenkundig, eine Geringschätzung und Vernachlässigung der persönlichen Freundschaft zwischen Gott und Mensch<ref>Is l,2f: „Söhne zog ich heran und erhöhte ich, sie aber lehnten sich gegen mich auf. Ein Ochs kennt seinen Besitzer, ein Esel die Krippe seines Herrn, Israel aber hat keinen Verstand." Vgl. auch Dt 8,11 und 32,15 ff; Ps 105,21 und 118 an vielen Stellen; Weish 7,14; Is 17,10 und 44, 21; Jer 33,8; Ez 20, 27. 
Vgl. 2. Vatikanisches Konzil, Dogm. Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei Verbum", Art. 2: „In dieser Offenbarung redet der unsichtbare Gott (vgl. Kol l, 15; l Tim l, 17) aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex 33,11; Joh 15,14 f) und verkehrt mit ihnen (vgl. Bar 3, 38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen" (AAS 58,1966, 818). Vgl. auch ebd. Art. 21 (a.a.O.) 827-828).</ref> und eine wahre, niemals hinreichend einzuschätzende Beleidigung Gottes, ja eine undankbare Zurückweisung der uns in Christus dargebotenen Liebe Gottes; hat doch Christus seine Jünger Freunde genannt, nicht Knechte <ref>Vgl. Joh 15,14 f. 
Vgl. 2. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes", Art. 22 (AAS 58, 1966,1042) und Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche „Ad gentes divinitus", Art. 13 (AAS 58, 1966, 962).</ref>.

Persönliche Umkehr und Wiederherstellung der gestörten Ordnung

3 Zur völligen Nachlassung und sogenannten Wiedergutmachung der Sünden muss daher nicht nur in aufrichtiger Umkehr der Gesinnung die Freundschaft mit Gott erneuert und die seiner Weisheit und Güte zugefügte Beleidigung gesühnt werden, sondern alle persönlichen, gesellschaftlichen und zur allgemeinen Ordnung gehörenden Güter, die durch die Sünde geschädigt oder zerstört worden sind, müssen auch vollgültig wiederhergestellt werden. Dies kann geschehen durch freiwillige Wiedergutmachung, der der Strafcharakter nicht fehlt, aber auch durch das Ertragen der Sündenstrafen, die Gott weise, heilig und gerecht bestimmt hat. Sie sollen die Heiligkeit und den Glanz der Ehre Gottes in der ganzen Welt aufleuchten lassen. Am Bestehen und an der Schwere der Strafen aber erkennt man die Torheit und Bosheit sowie die schlimmen Folgen der Sünde.

Bleibende Strafen nach 'Vergebung der Schuld

Dass auch nach der Sündenvergebung noch Strafen abzubüßen und Überbleibsel der Sünden zu tilgen bleiben können und oft tatsächlich bleiben<ref>Vgl. Num 20,12: „Der Herr sprach zu Moses und Aaron: ,Weil ihr kein Vertrauen in mich gesetzt und mich vor den Augen der Israeliten nicht als den Heiligen geehrt habt, werdet ihr diese Gemeinde nicht in das Land, das ich für sie bestimmt habe, hineinführen.'" 
Vgl. Num 27,13 f: „Hast du es geschaut, so wirst du zu deinen Stammesgenossen versammelt werden, gleich wie dein Bruder Aaron. Denn ihr habt in der Wüste Zin, als die Gemeinde haderte, Widerwillen gezeigt, mich als den Heiligen zu ehren vor ihren Augen durch die Wasserspende." 
Vgl. 2 Kon 12, 13 f; „Da sprach David zu Nathan: ,Ich habe gegen den Herrn gesündigt.' Nathan entgegnete: ,Gut, der Herr vergibt dir deine Sünde. Du wirst nicht' sterben. Weil du aber den Herrn durch diesen Frevel offen verhöhnt hast, muss der Sohn, der dir geboren wird, des Todes sterben.'" 
Vgl. Innozenz IV., Instruktion für die Griechen (DS 838). 
Vgl. Konzil von Trient, 6. Sitzung, Kanon 30: „Wer behauptet, nach erlangter Rechtfertigungsgnade werde dem bußfertigen Sünder die Schuld so erlassen und die Strafwürdigkeit für die ewige Strafe so getilgt, dass auch keine Strafwürdigkeit zu einer zeitlichen Strafe mehr abzubüßen bleibe, sei es in diesem Leben oder im zukünftigen im Reinigungsort, bevor der Zugang zum Himmelreich offen steht, der sei ausgeschlossen." 
Vgl. Augustinus, Traktat zum Johannesevangelium 124, 5: „Der Mensch wird genötigt, (dieses Leben) auch nach Verzeihung der Sünden zu ertragen, obwohl der Grund dafür, dass er in dieses Elend kam, die erste Sünde gewesen ist. Die Strafe dauert nämlich länger an als die Schuld, damit man die Schuld nicht für gering halte, da ja mit ihr auch die Strafe zu Ende ist. Zum Aufweis des zugezogenen Elends oder zur Besserung des hinfälligen Lebens oder zur Übung der notwendigen Geduld hält den Menschen die Strafe für eine Zeitlang noch fest, auch wenn ihn keine Schuld mehr der ewigen Verdammnis verfallen sein lässt."</ref>, zeigt ganz deutlich die Lehre vom Reinigungsort. Hier werden ja die Seelen der Verstorbenen, die "mit wahrer Buße in der Liebe Gottes gestorben sind, ohne zuvor durch würdige Früchte der Buße für ihre Vergehen und Unterlassungen Genugtuung geleistet zu haben<ref>2. Konzil von Lyon, 4. Sitzung (DS 856).</ref>", nach dem Tode durch Reinigungsstrafen geläutert. Auch die liturgischen Gebete zeigen das an, in denen die Gemeinschaft der Christen seit ältester Zeit bei der heiligen Versammlung betet: "Mit Recht leiden wir Not für unsere Sünden; doch um der Ehre deines Namens willen mach in deinem Erbarmen uns frei<ref>Vgl. Kirchengebet zum Sonntag Septuagesima:
Herr, unser Gott, erhöre in Güte das Flehen deines Volkes; mit Recht leiden wir Not für unsere Sünden; doch um der Ehre deines Namens willen mache in deinem Erbarmen uns frei.
Vgl. das „Gebet über das Volk" am Montag nach dem l. Fastensonntag: Wir bitten dich, Herr, unser Gott, löse die Ketten der Schuld; und was wir unserer Sünden wegen verdienen, in deiner Gnade wende es ab. 
Vgl. Schlussgebet am 3. Fastensonntag: Wir bitten dich, Herr, löse uns gnädig von aller Schuld und Gefahr, der du uns Anteil gewährst am hochheiligen Mahle.</ref>."

Lässliche Sünden

Alle Menschen aber begehen auf der Wanderschaft in dieser Welt zumindest die sogenannten lässlichen und alltäglichen Sünden<ref>Vgl. Jak 3,2: „In gar mancher Hinsicht fehlen wir alle." 
Vgl. 1 Joh l, 8: „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns." Diesen Text kommentiert das Konzil von Karthago folgendermaßen: „Ebenso: wer glaubt, das Wort des Apostels Johannes: ,Wenn wir sagen, wir haben keine Sünden, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns', müsse man so auffassen, als wolle er sagen: wir müssen aus Demut sagen, dass wir Sünde haben, nicht weil es wirklich so ist, der sei ausgeschlossen" (DS 228). 
Vgl. Konzil von Trient, 6. Sitzung, Dekret über die Rechtfertigung, Kapitel 2 (DS 1537).
Vgl. 2. Vatikanisches Konzil, Dogm. Konstitution über die Kirche „Lumen gentium", Artikel 40: „Da wir aber in vielem alle fehlen (vgl. Jak 3, 2), bedürfen wir auch ständig der Barmherzigkeit Gottes und müssen täglich beten: ,Und vergib uns unsere Schuld' (Mt 6,12)" (AAS 57,1965,45).</ref>. So bedürfen alle der Barmherzigkeit Gottes, um von den Straffolgen ihrer Sünden frei zu werden.

II. Kapitel

Übernatürliche Verwandtschaft des Menschen

4 Aufgrund des verborgenen und gnadenvollen Mysteriums der göttlichen Heilsordnung sind die Menschen durch eine übernatürliche Verwandtschaft miteinander verbunden. Dadurch schädigt die Sünde des einen auch die übrigen, wie die Heiligkeit des einen den übrigen zum Wohle gereicht<ref>Vgl. Augustinus, Über die Taufe gegen die Donatisten l, 28 (PL 43,124).</ref>. So helfen die Christgläubigen sich gegenseitig, das übernatürliche Ziel zu erreichen. Diese Gemeinsamkeit bekundet sich schon in Adam, dessen Sünde aufgrund der Abstammung auf alle Menschen übergeht. Aber das erhabenere und vollkommenere Prinzip, Fundament und Urbild dieser übernatürlichen Verwandtschaft ist Christus, in dessen Gemeinschaft uns Gott berufen hat<ref>Vgl. Joh 15, 5: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben; wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viele Frucht." 
Vgl. 1 Kor 12,27: „Ihr aber seid Christi Leib und im einzelnen Glieder." Vgl. auch l Kor 1,9 und 10,17; Eph l, 20-23 und 4, 4. 
Vgl. 2. Vatikanisches Konzil, Dogm. Konstitution über die Kirche „Lumen gentium", Artikel 7 (AAS 57, 1965, 10 f. 
Vgl. Pius XII., Enzyklika Mystici Corporis: „Aus derselben Mitteilung des Geistes Christi kommt es, dass ... die Kirche wie die Fülle und Ergänzung Christi wird, dass Christus unter jeder Rücksicht in der Kirche gewissermaßen zur Fülle kommt (vgl. Thomas, Kommentar zum Epheserbrief l, Lektion 8). Mit diesen Worten erreichen wir den Grund dafür, dass ... das mystische Haupt, das Christus ist, und die Kirche, die hier auf Erden wie ein anderer Christus seine Rolle spielt, einen neuen Menschen bilden, in dem durch die Fortdauer des Heilswerkes am Kreuz Himmel und Erde verbunden sind: Christus das Haupt und der Leib, der ganze Christus" (DS 3813; AAS 35, 1943, 230 f). 
Vgl. Augustinus, 2. Erklärung zu Psalm 90, l: „Unser Herr Jesus Christus als ganzer, vollkommener Mann ist sowohl Haupt wie Leib: das Haupt sehen wir in jenem Menschen, der aus Maria, der Jungfrau, geboren wurde... Er ist das Haupt der Kirche. Der Leib dieses Hauptes ist die Kirche, nicht diese Ortskirche, sondern die Kirche an diesem Ort und auf dem ganzen Erdkreis:' und nicht die Kirche unserer Zeit, sondern die von Abel bis zu jenen, welche noch geboren und an Christus glauben werden bis zum Ende der Zeiten, das gesamte Volk der Heiligen, die zu einer Gemeinde gehören; diese Gemeinde ist der Leib Christi, für den Christus das Haupt ist" (CCL 39,1266; PL 37,1159).</ref>.

Die Gemeinschaft der Heiligen in Christus

5 Christus hat ja, "obwohl er keine Sünde begangen hat", "für uns gelitten<ref>Vgl. l Petr 2, 22 und 21.</ref>". "Wegen unserer Sünden wurde er verwundet, wegen unserer Missetaten ist er zerschlagen worden... Und durch seine Schmerzen wurden wir geheilt<ref>Vgl. Is 53,4-6 mit 1 Petr 2,21-25; vgl. auch Job 1, 29; Rom 4, 25 und 5, 9 ff; 1 Kor 15, 3; 2 Kor 5, 21; Gal 1.4; Eph 1,7ff; Hebr 1,3ff; 1 Joh 3, 5.</ref>."

Auf den Spuren Christi<ref>Vgl. 1 Petr 2,21. </ref> haben die Christgläubigen sich stets gegenseitig auf dem Weg zum himmlischen Vater durch Gebet, Darbietung geistlicher Güter und büßende Sühneleistung zu helfen gesucht. Je glühender aber ihre Liebe wurde, desto mehr folgten sie dem leidenden Christus, trugen das eigene Kreuz zur Sühne für ihre und anderer Sünden im sicheren Wissen, dass sie ihren Brüdern bei Gott, dem Vater der Erbarmungen, zur Erlangung des Heils Hilfe leisten könnten<ref>Vgl. Kol 1, 24: „Nun freue ich mich der Leiden für euch und will das, was an Christi Drangsalen noch aussteht, ergänzen an meinem Fleisch zum Besten seines Leibes, das ist die Kirche." 
Vgl. Clemens von Alexandrien, Buch Welcher Reiche gerettet wird, 42: Der heilige Apostel Johannes ermahnt einen jungen Räuber zur Buße mit den Worten: „An deiner Stelle will ich Christus Rechenschaft geben. Sollte es notwendig sein, so will ich sogar für dich den Tod erleiden, so wie der Herr den Tod für uns ertragen hat. Mein Leben will ich für das deine stellvertretend geben" (GCS Clemens 3,190; PG 9, 650). 
Vgl. Cyprian, Über die Gefallenen 17, 36: „Wir glauben freilich, dass die Verdienste der Märtyrer und die Werke der Gerechten vor dem Richter sehr viel erreichen können; aber erst, wenn der Tag des Gerichtes gekommen ist, wenn nach dem Untergang dieser Welt und Zeit das Volk Christi vor seinem Richterstuhle steht." „Dem, der büßt, wirkt und betet, kann er gnädig verzeihen, kann er auch annehmen, was für solche die. Märtyrer erbeten und die Priester getan haben" (CSEL 31, 249 und 263; PL 4, 495 und 508). 
Vgl. Hieronymus, Gegen Vigilantius 6: „Du sagst in deiner Schrift, wir könnten, solange wir leben, füreinander beten, nach unserem Tode aber gebe es keine Erhörung des Gebetes für andere; zumal die Märtyrer, als sie Rache für ihr Blut erflehten, das nicht hätten erlangen können (Offb 6,10). Wenn die Apostel und Märtyrer, noch im Leibe lebend, für die übrigen beten können, in einer Zeit, da sie noch für sich selbst besorgt sein müssen: wie viel mehr können sie es, nachdem sie Krone, Sieg und Triumph erlangt haben" (PL 23, 359).
Vgl. Basilius d. Gr., Homilie auf die Märtyrerin Julitta 9: „Wir müssen also weinen mit den Weinenden. Wenn du deinen Bruder aus Reue über seine Sünden weinen siehst, so weine mit einem solchen Menschen und erwecke dein Mitleid mit ihm; denn so kannst du aus den Sünden der anderen deine eigenen bessern. Wer nämlich für die Sünde des Nächsten heiße Tränen vergießt, heilt sich selbst, indem er über den Bruder weint... Trauere wegen der Sünde. Eine Seelenkrankheit ist die Sünde, sie ist der Tod der unsterblichen Seele: Die Sünde verdient Trauer und ruheloses Klagen" (PG 31, 258 f). 
Vgl. Johannes Chrysostomus, Zum Brief an die Philipper l, Homilie 3, 3: „Deshalb wollen wir nicht allgemein über die Sterbenden trauern, ebenso wenig aber über die Lebenden uns allgemein freuen. Aber was sonst? Wir wollen trauern über die Sünder, und zwar nicht nur die sterbenden, sondern auch die lebenden; über die Gerechten aber wollen wir uns freuen, nicht nur, solange sie leben, sondern auch nach ihrem Tode" (PG 62, 203). 
Vgl. Thomas, S. Th. 1-2, q. 87, a. 8: „Wenn wir von der Genugtuungsstrafe sprechen, die man freiwillig auf sich nimmt, so kommt es vor, dass der eine die Strafe des anderen trägt, insofern sie gewissermaßen eins sind... Sprechen wir dagegen von der über die Sünde verhängten Strafe, insofern sie Strafe ist, so wird jeder nur für seine Sünde bestraft; denn der Akt der Sünde ist etwas Persönliches. Wenn wir aber von der Buße sprechen, die Medizinalcharakter hat, so kann es sein, dass einer für die Sünde des anderen bestraft wird. Es wurde nämlich gesagt, dass die Einbuße an körperlichen Dingen, oder auch am eigenen Leibe, gewisse Strafmedizinen in Hinordnung auf das Heil der Seele sind. Daher steht nichts im Wege, dass mit solchen Strafen von Gott oder von den Menschen jemand für die Sünde eines anderen belegt wird."</ref>. Das ist das uralte Dogma von der Gemeinschaft der Heiligen<ref>Vgl. Leo XIII., Enzyklika Mirae caritatis: „Nichts anderes ist nämlich die Gemeinschaft der Heiligen... als der gegenseitige Austausch von Hilfe, Sühne, Gebet .. und guten Werken unter den Gläubigen, mögen sie schon in die himmlische Heimat gelangt oder noch im Fegfeuer oder auch noch auf der irdischen Wanderschaft sein, die zu einer Gemeinde zusammengewachsen sind, deren Haupt Christus, deren Gestaltprinzip die Liebe ist" (Acta Leonis XIII. 22, 1902, 129; DS 3363).</ref>, nach dem das Leben jedes einzelnen Gotteskindes in Christus und durch Christus mit dem Leben aller anderen christlichen Brüder in der übernatürlichen Einheit des mystischen Leibes Christi wie in einer mystischen Person in wunderbarem Band verbunden ist<ref>Vgl. l Kor 12,12 f: „Denn wie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obschon ihrer viele sind, doch einen Leib darstellen, so auch Christus. Denn in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft." 
Vgl. Pius XII., Enzyklika Mystici Corporis: „(Christus) lebt gewissermaßen so in der Kirche, dass diese gleichsam eine andere Person Christi ist. Dies bekräftigt der Völkerlehrer in seinem Brief an die Korinther, wo er ohne sonstige Hinzufügung die Kirche .Christus' nennt (vgl. l Kor 12,12), wobei er tatsächlich den Meister selbst nachahmt, der ihm, als er die Kirche verfolgte, aus der Höhe zugeruten hatte: ,Saulus, Saulus, warum verfolgst du mich?' (vgl. Apg 9,4; 22,7; 26,14). Ja, wenn wir Gregor von Nyssa glauben, hat der Apostel des öfteren die Kirche ,Christus' genannt (vgl. Das Leben des Moses. PG 44,385). Es ist euch aber, Ehrwürdige Brüder, auch sehr wohl das Wort Augu-stins bekannt: .Christus verkündet Christus' (vgl. Predigten 354, l; PL 39, 1563)" (AAS 35, 1943, 218). 
Vgl. Thomas, S. Th. 3, q. 48, a. 2 ad l und q. 49, a. l.</ref>.

Der Kirchenschatz

Darin besteht der "Kirchenschatz<ref>Vgl. Klemens VI., Jubiläumsbulle Unigenitus Dei Filius: „Der eingeborene Gottessohn hat... der streitenden Kirche einen Schatz erworben ... Diesen Schatz hat er durch den heiligen Petrus, den Schlüsselträger des Himmels, und dessen Nachfolger, seine Stellvertreter auf Erden, bereitgestellt zur heilsamen Austeilung an die Gläubigen... Wir wissen, dass die Verdienste der seligen Gottesmutter und aller Erwählten vom ersten bis zum letzten Gerechten, den Reichtum dieses Schatzes noch fördern" (DS 1025, 1026, 1027). Vgl. Six-tus IV., Enzyklika Romani Pontiflcis: „ ... Uns ist die Vollmacht von oben erteilt. Wir haben den Wunsch, aus dem Schatz der universalen Kirche, der aus den Verdiensten Christi und der Heiligen besteht, und Uns anvertraut ist, den Seelen im Reinigungsort Hilfe und Beistand zu bringen ..." (DS 1406). 
Vgl. Leo X., Dekret Cum postquam an den päpstlichen Legaten Kajetan de Vio: „ ... den Schatz der Verdienste Jesu Christi und der Heiligen auszuteilen..." (DS 1448; vgl. DS 1467 und 2641).</ref>". Er ist nicht so etwas wie eine Summe von Gütern nach Art von materiellen Reichtümern, die im Lauf der Jahrhunderte angesammelt wurden. Vielmehr besteht er in dem unendlichen und unerschöpflichen Wert, den bei Gott die Sühneleistungen und Verdienste Christi, des Herrn, haben, die dargebracht wurden, damit die gesamte Menschheit von der Sünde frei werde und zur Gemeinschaft mit dem Vater gelange. Der Kirchenschatz ist Christus, der Erlöser, selbst, insofern in ihm die Genugtuungen und Verdienste seines Erlösungswerkes Bestand und Geltung haben<ref>Vgl. Hebr 7,23-25; 9, 11-28.</ref>. Außerdem gehört zu diesem Schatz auch der wahrhaft unermessliche, unerschöpfliche und stets neue Wert, den vor Gott die Gebete und guten Werke der seligen Jungfrau Maria und aller Heiligen besitzen. Sie sind den Spuren Christi, des Herrn, mit seiner Gnade gefolgt, haben sich geheiligt und das vom Vater aufgetragene Werk vollendet. So haben sie ihr eigenes Heil gewirkt und dadurch auch zum Heil ihrer Brüder in der Einheit des mystischen Leibes beigetragen.

Die Fürbitten der Heiligen im Himmel

"Alle nämlich, die Christus zugehören und seinen Geist haben, wachsen zu der einen Kirche zusammen und sind in ihm miteinander verbunden (vgl. Eph 4,16). Die Einheit der Erdenpilger mit den Brüdern, die im Frieden Christi entschlafen sind, hört keineswegs auf, wird vielmehr nach dem beständigen Glauben der Kirche gestärkt durch die Mitteilung geistlicher Güter. Dadurch nämlich, dass die Seligen inniger mit Christus vereinigt sind, festigen sie die ganze Kirche stärker in der Heiligkeit ... und tragen auf vielfältige Weise zum weiteren Aufbau der Kirche bei (vgl. 1 Kor 12, 12-27). Denn in die Heimat aufgenommen und dem Herrn gegenwärtig (vgl. 2 Kor 5, 8), hören sie nicht auf, durch ihn, mit ihm und in ihm beim Vater für uns Fürbitte einzulegen, indem sie die Verdienste darbieten, die sie durch den einen Mittler zwischen Gott und den Menschen, Christus Jesus (vgl. 1 Tim 2, 5), auf Erden erworben haben, zur Zeit, da sie in allem dem Herrn dienten und für seinen Leib, die Kirche, in ihrem Fleisch ergänzten, was an dem Leiden Christi noch fehlt (vgl. Kol 1, 24). Durch ihre brüderliche Sorge also findet unsere Schwachheit reichste Hilfe<ref>Vgl. 2. Vatikanisches Konzil, Dogm. Konstitution über die Kirche „Lumen gentium", Art. 49 (AAS 57, 1965, 54 f).</ref>."

Austausch der Güter unter den Gläubigen

Daher besteht unter den Gläubigen - seien sie bereits in der himmlischen Heimat oder sühnend im Reinigungsort oder noch auf der irdischen Wanderschaft - in der Tat ein dauerhaftes Band der Liebe und ein überreicher Austausch aller Güter, durch die nach Tilgung aller Sünden des ganzen mystischen Leibes die göttliche Gerechtigkeit versöhnt und Gottes Barmherzigkeit zur Verzeihung bewogen wird, auf dass die reumütigen Sünder um so schneller in den vollen Genuss der Güter gelangen, die der Familie Gottes eignen.

[Fortsetzung folgt]

Anmerkungen

<references />