Katholizismus

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Begriff

Um das zentrale Stichwort, dem sämtliche Beiträge zur Kathpedia zuzuordnen sind, in angemessen kurzer Form zu erläutern, nämlich den Katholizismus als Begriff, sei es gestattet, auf einige Gedanken zu verweisen, die Jean Guitton auf dem Höhepunkt der nachkonziliaren Krise 1972 formulierte.

Wir können den Katholizismus verstehen als geistlichen Raum, dessen Einheit (vgl. Johannes XXIII., Enz. Ad petri cathedram (1959)) sich durch dreierlei Dimensionen auszeichnet: Zuerst ist derselbe als eine Lehre aufzufassen, diesbezüglich erinnert der Katholizismus an sämtliche Philosophien und Ideensysteme. Zum andern ist der Katholizismus aber auch ein Gott verehrender Kult. Insofern erinnert er an alle anderen Religionen. Schließlich ist der Katholizismus auch eine sichtbare, in der Geschichte greifbare Organisation, ein durch die Hierarchie gegliedertes Volk. Also erinnert er auch überdies an andere Gewalten.

Die katholische Kirche ist somit zugleich eine Schule, ein Tempel und eine Herde, sie vereinigt mithin Lehre, Kult und Volk zu einer "ethnischen Entität sui generis" (so Papst Paul VI., 23. Juli 1975). Sie ist ein wirkliches Volk eigener Art. Die in ihr zuverlässig verfasste geistliche Anleitung (Hierarchie) wirkt folglich zugleich lehrhaft, priesterlich und pastoral. Der Katholizismus ist als Wahrheit, geistliches Leben und verantworteter Weg in der Zeit zu charakterisieren.

"Celui qui ne peut pas suivre en esprit cette triple histoire à la fois et maintenir ces trois aspects sous un même regard ne comprendra jamais pleinement la réalité catholique." (Jean Guitton 1972, s.u.)

Sinngemäß übersetzt: Um die katholische Wirklichkeit vollends zu erfassen, ist es unabdingbar, diese dreifache Geschichte stets unter dem gemeinsamen Aspekt der Nachfolge Christi gleichermaßen zu betrachten.

Herkunft

Die Geschichte der Glaubensspaltungen der Christenheit ist von daher auch als die Geschichte der unterschiedlichen Wertung dieser drei Aspekte des Katholizismus zu erklären. Während die Orthodoxie die Einheit der Kirche als supranationale "Herde" verlor, im "Autokephalismus", hat die Reformation überdies die priesterliche Dimension des Katholizismus abgeschwächt, so dass (in den diversen protestantischen Konfessionen) die christliche Lehre ganz stark in den Vordergrund tritt, sowohl bei Martin Luther als auch im Calvinismus. Diese docta ignorantia kann aber als immer mehr ausdifferenzierte Gelehrsamkeit keine kultische Einheit mehr bewahren. (Das erklärt die relativ unproblematische Integration des fortan subjektiv vollzogenen protestantischen Bekenntnisses in das Gefüge moderner Staatlichkeit, insb. der Monarchien/Diktaturen.)

Der Katholizismus der Gegenwart hält daran fest, dass die Autorität des Evangeliums für die Lebenswirklichkeit der Menschen nur dann erkennbar, erfahrbar und wirksam ist, wenn das kirchliche Leben sich in dieser dreifachen Dimension vollzieht, die das II. Vatikanum auf die Ämter Christi bezog. Doktrinär, liturgisch und organisatorisch beruht der Absolutheitsanspruch des Glaubenslebens auf der Nachfolge der Apostel. Das supranationale und (so) weltweit präsente Kollegium der Bischöfe kann diese universale Realität jedoch nur ins Werk setzen, wenn und soweit es die Einheit mit dem Papst als dem befugten Nachfolger Petri wahrt (vgl. Lumen Gentium, insb. Nr. 23). Nur so ist der "katholische Internationalismus" möglich und wirksam. Nur eine so orientierte ("kephale") Verständigung über den Episkopat als Struktur wird sich als Schlüssel zur sichtbaren Ökumene erweisen können, zumal eine Konvergenz der Lehre(n) an der je eigenen Tradition auch weiterhin scheitern muss.

Zukunft

Bereits in seiner ersten Enzyklika Ecclesiam Suam hat der sel. Konzilspapst Paul VI. 1964 dazu aufgefordert, das Selbstbewusstsein der Kirche zu vertiefen. Dies aber nicht als Selbstzweck: Die erste Frucht der Vertiefung des Bewusstseins der Kirche von sich selber ist die erneute Entdeckung ihrer lebendigen Beziehung zu Christus.

Aus diesem Grund ist die katholische Religion wesentlich als sakramentale Tradition zu begreifen, da die Kirche aus ihrer Beziehung zur realen Gegenwart Christi zu allen Zeiten lebt. Die Kirche ist tatsächlich Kontinuität des Gotteswortes; und in dieser dürfen die Konzilien der letzten beiden Jahrhunderte ebensowenig fehlen wie wesentliche Aussagen des päpstlichen Lehramts, etwa von Leo XIII. die Enzyklika Satis cognitum von 1896 oder Mystici corporis von Pius XII. (1943). Die Bischofssynode von 1985 prägte daher (im Rückblick auf das II. Vatikanum) zur Identität des Katholizismus die kurze Formel:

Die Kirche unter dem Wort Gottes feiert die Geheimnisse Christi zum Heil der Welt.

Mehr denn je zuvor in der Kulturgeschichte der Menschheit hat das Werk des hl. Papstes Johannes Paul II. das Wesen des Katholizismus weltweit präsent gemacht. Nicht obwohl, sondern weil sie "Papstkirche" ist, lebt die katholische auch als volksfähige Kirche, also in der vermutlich einzigen Form wahrer Religion. So werden in der Vielfalt der Lebenswelten Wege in die Einheit aller eröffnet. Vielleicht wurde der Christ in der Gegenwart zum Zeugen einer Aussaat, deren Früchte der Zivilisation nach und nach immer mehr zugute kommen. Denn die Welt von heute ist einerseits zwar gekennzeichnet durch die erstmalige Fähigkeit der Menschen, die Schöpfung zu zerstören, aber auch andererseits ausgezeichnet durch die nie zuvor dagewesene Chance, das gemeinsame Leben weltweit unter das Wort Christi zu stellen. Um Christi Gegenwart zu vervollkommnen, ruft die Kirche die Katholiken im Namen des Herrn dazu auf, ihren Glauben im Dialog zu bewähren.

So sagte Paul VI. bei der Generalaudienz am 12. August 1970 über den Pluralismus innerhalb des Katholizismus: "Ein Pluralismus also? Ja, ein Pluralismus, der den Empfehlungen des Konzils aber Rechnung trägt und sich also auf die Weisen bezieht, in der die Wahrheit des Glaubens ausgesagt wird, nicht auf den Gehalt, wie es mit so großer Kraft und Klarheit Unser verehrter Vorgänger Johannes XXIII., im berühmten Wort zur Eröffnung des Konzils bekräftigte, sich stillschweigend, aber offenkundig, beziehend auf die klassische Formel des Commonitoriums des hl. Vinzenz von Lerins: Die Wahrheit des Glaubens kann auf verschiedene Weise ausgedrückt, aber mit derselben Bedeutung. Der Pluralismus darf keine Zweifel erzeugen, Äquivokationen oder Kontradiktionen; er darf keinen Subjektivismus der Meinungen legitimieren, in dogmatischer Materie, welcher die Identität kompromittieren könnte; und so die Einheit des Glaubens: Voranschreiten? Ja, die Kultur bereichern, die Forschung fördern. Zerstören? Nein."<ref>Generalaudienz am 12. Aug. 1970: Un pluralismo, allora? Sì, un pluralismo, che tenga conto delle raccomandazioni del Concilio (Cfr. AAS. 54 (1962), pp. 790, 792) e purché riferito ai modi, con cui le verità della fede sono enunciate, non al contenuto, come affermò con tanta forza e con tanta chiarezza il nostro venerato Predecessore Papa Giovanni XXIII, nel celebre discorso d’apertura del Concilio (...), riferendosi tacitamente, ma evidentemente, alla classica formula del «Commonitorium» di S. Vincenzo di Lérins († 450): le verità della fede possono essere espresse in modo diverso, purché «con lo stesso significato» (Cfr. DS 2802). Il pluralismo non deve generare dubbi, equivoci o contraddizioni; non deve legittimare un soggettivismo di opinioni in materia dogmatica, che comprometterebbe l’identità e quindi l’unità della fede: progredire, sì, arricchire la cultura, favorire la ricerca; demolire, no.</ref> Diese kurze Aussage ist eine besonders prägnante Zusammenfassung der Wege der Kirche heute für morgen (vgl. Enz. Ecclesiam suam, 1964).

Die drei Charakteristika des Katholischen

Es gibt mithin Merkmale, die einen katholischen Christen gegenüber anderen christlichen Konfessionen auszeichnen. Darunter sind stets:

  1. Papsttreue: Sie bedeutet, dem Lehramt des Papstes und der mit ihm verbundenen Bischöfe geistlichen Gehorsam entgegen zu bringen. Der Katholik folgt also der wahren Lehre.
  2. Eucharistie: Die rechte Feier der Sakramente, insbesondere der Heiligsten Eucharistie in Theorie und Praxis auszuüben. Die Katholiken praktizieren mithin den wahren Kult.
  3. Marienverehrung: Auch in der Verehrung der Mutter Jesu lebt der Katholizismus als ein wahres Volk in der Nachfolge Christi, "der Dich, o Jungfrau, im Himmel gekrönt hat".
Papst Benedikt XVI. erklärt dazu: "immer war klar, dass Katholizität ohne marianische Besinnung nicht sein kann, und dass Katholischsein Marianischsein heißt; dass es die Liebe zur Mutter bedeutet, dass wir in der Mutter und durch die Mutter den Herrn finden“ <ref> Katholischsein heißt Marianischsein. Papst Benedikt XVI. am 28. Mai 2011</ref>

Literatur

  • Johannes Hartl und Leo Tanner: Katholisch als Fremdsprache - Einander verstehen, gemeinsam vorwärts gehen. WeG Verlag 2015 (160 Seiten; ISBN 9783909085958).
  • Christian Wessely: Einfach katholisch.Was katholische Christen glauben und wie sie feiern. Der Kirchen-Knigge. Tyrolia Verlag 2010 (Tb; 240 Seiten; 225 mm x 150 mm; ISBN 978-3-7022-3095-1).
  • Brigitte Martin, Johannes Roger Hanses: Gedanken und Argumente zum Katholischsein. Fe Medienverlag 2013 (304 Seiten).
  • Katholisch und trotzdem Okay. St. Benno Verlag 2012 (64 Seiten; SBN-13: 9783746234946; ISBN-10: 3746234948)
  • 24 Stunden im Leben der katholischen Kirche. Heyne Verlag (320 Seiten).
  • G. Jaquemet (Hg.), Catholicisme. Hier - aujourd'hui - demain, Paris 1948 ff. (Lexikon)
  • Jean Guitton, Le catholicisme hier, aujourd'hui et demain, Paris 1972.
  • Hans Dr. Rost: Die Kulturkraft des Katholizismus. Bonifatius-Druckerei Paderborn 1930 (484 Seiten; 4. Auflage).
  • Ignazia Maria Angelini: Der Katholizismus. Geistlicher Inhalt. Geschichte. Religiöses Leben. Paul Pattloch Verlag Aschaffenburg 1983 (96 Seiten; ISBN 3-557-91247-7).
  • Manuel Borutta: Antikatholizismus: Deutschland und Italien im Zeitalter der europäischen Kulturkämpfe. Vandenhoeck & Ruprecht Verlag ( 488 Seiten).
  • Johannes Roger Hanses: Briefe des Glaubens. Gedanken und Argumente zum Katholischsein. Fe Medienverlag (304 Seiten).

Anmerkungen

<references />