Kreuzweg am Kolosseum 2012

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Der Kreuzweg am Kolosseum unter Vorsitz Papst Benedikt XVI., wurde am Karfreitag dem 6. April 2012 meditiert bzw. gebetet. Die Kreuzweg-Meditationen wurden von Danilo und Anna Maria Zanzucchi, Fokolar-Bewegung - Gründer der Bewegung "Famiglie Nuove", verfasst. (Einführung und Meditationen auf der Vatikanseite; Video auf Kathtube).

EINFÜHRUNG

Jesus sagt: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ Das ist eine Aufforderung, die allen gilt, Ledigen und Verheirateten, Jugendlichen, Erwachsenen und alten Menschen, Reichen und Armen, Menschen aller Nationalitäten. Sie gilt auch für jede Familie, für ihre einzelnen Mitglieder oder für die kleine Gemeinschaft als Ganze.

Bevor Jesus in die Schlußphase seines Leidens eintrat, als er sich am Ölberg von den Aposteln allein gelassen sah, weil sie eingeschlafen waren, hatte er Angst vor dem, was ihn erwartete, und wendete sich an den Vater mit der Bitte: „Wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber.“ Und sogleich fügte er hinzu: „Nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen.“

In diesem dramatischen und weihevollen Moment liegt eine tiefe Lehre für alle, die sich in Jesu Nachfolge begeben haben. Wie jeder Christ, so hat auch jede einzelne Familie ihren Kreuzweg: Krankheit, Tod, schwere finanzielle Probleme, Armut, Untreue, unmoralisches Verhalten des einen oder anderen, Zwietracht mit den Verwandten, Naturkatastrophen.

Doch jeder Christ, jede Familie kann auf diesem Leidensweg den Blick fest auf Jesus richten, der Mensch und Gott zugleich ist.

Laßt uns gemeinsam die letzte Erfahrung Jesu auf Erden nachleben, die von den Händen des Vaters aufgenommen wurde: eine schmerzvolle und erhabene Erfahrung, in der Jesus uns in verdichteter Form das wertvollste Beispiel und die kostbarste Lehre hinterlassen hat für ein Leben in Fülle nach dem Vorbild seines Lebens

VORBEREITUNGSGEBET

Der Heilige Vater: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

R. Amen.

Der Lektor: Laßt uns beten.

Kurzes Schweigen.

Jesus,

in der Stunde, in der wir deines Todes gedenken, wollen wir unseren Blick voller Liebe auf die unsagbaren Leiden richten, die du durchgemacht hast.

Leiden, verdichtet in dem geheimnisvollen Schrei, den du am Kreuz vor deinem Sterben ausgestoßen hast: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Jesus, es schien, als seist du ein Gott, der unterging wie die sinkende Sonne am Horizont: der Sohn ohne den Vater, der Vater ohne den Sohn.

Dieser dein menschlich-göttlicher Schrei, der auf Golgota schneidend die Luft durchdrang, stellt uns noch heute vor Fragen, versetzt uns in Verwunderung, zeigt uns, daß etwas Unglaubliches geschehen ist.

Etwas Heilbringendes: Aus dem Tod ging das Leben hervor, aus der Finsternis das Licht, aus der äußersten Trennung die Einheit.

Das Verlangen, dir ähnlich zu werden, läßt uns dich erkennen als den Verlassenen, wo und wie auch immer: in den persönlichen und den gemeinsamen Leiden, in den Nöten deiner Kirche und in den Nächten der Menschheit,

um dein Leben einzupflanzen, dein Licht zu verbreiten, deine Einheit zu schaffen, wo und wie auch immer.

Heute wie damals gäbe es ohne deine Verlassenheit kein Ostern.

R. Amen.

ERSTE STATION: Jesus wird zum Tode verurteilt

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes,18, 38b-40

Nachdem er [Pilatus] das gesagt hatte, ging er wieder zu den Juden hinaus und sagte zu ihnen: „Ich finde keinen Grund, ihn zu verurteilen. Ihr seid gewohnt, daß ich euch am Paschafest einen Gefangenen freilasse. Wollt ihr also, daß ich euch den König der Juden freilasse?“ Da schrien sie wieder: „Nicht diesen, sondern Barabbas!“ Barabbas aber war ein Straßenräuber.

Pilatus findet keine besondere Schuld, die man Jesus anrechnen könnte; er weicht dem Druck der Ankläger, und so wird der Nazarener zum Tode verurteilt.

Es ist uns, als hörten wir dich: „Ja, ich bin zum Tode verurteilt worden. Viele, die mich zu lieben und zu verstehen schienen, haben auf die Lügen gehört und mich angeklagt. Sie haben nicht verstanden, was ich sagte. Verraten, haben sie mich vor Gericht gebracht und verurteilt. Zum Tode. Durch Kreuzigung, die schmachvollste Form des Todes.“

Nicht wenige unserer Familien leiden unter der Untreue des Ehepartners, des liebsten Menschen. Wo ist die Freude des Einander-nahe-Seins geblieben, des Lebens im Einklang? Wo ist das Gefühl des Einsseins? Wo ist jenes „für immer“, das man einander versprochen hatte?

Auf dich, Jesus, den Verratenen, schauen und mit dir den Moment leben, in dem die Liebe und die Freundschaft zusammenbrechen, die sich in unserer Zweisamkeit gebildet hatten; im Herzen die Verwundungen des verratenen Vertrauens, der verlorenen Vertrautheit, der entschwundenen Sicherheit verspüren.

Auf dich, Jesus, schauen, gerade jetzt, da ich verurteilt werde von dem, der sich nicht an die Bindung erinnert, die uns einte in der völligen Hingabe unserer selbst. Allein du, Jesus, kannst mich verstehen, kannst mir Mut geben, kannst mir Worte der Wahrheit sagen, auch wenn ich Mühe habe, sie zu verstehen. Du kannst mir jene Kraft geben, die mir ermöglicht, nicht meinerseits zu verurteilen, nicht zu erliegen, aus Liebe zu jenen Geschöpfen, die mich zu Hause erwarten und für die ich jetzt die einzige Stütze bin.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo. Amen.

Stabat Mater dolorosa iuxta crucem lacrimosa, dum pendebat Filius.

ZWEITE STATION: Jesus nimmt das Kreuz auf sich

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes, 19, 16-17

Da lieferte Pilatus ihnen Jesus aus, damit er gekreuzigt würde. Sie übernahmen Jesus. Er trug sein Kreuz und ging hinaus zur sogenannten Schädelhöhe, die auf Hebräisch Golgota heißt.

Pilatus liefert Jesus in die Hände der führenden Priester und der Wachleute aus. Die Soldaten legen ihm einen purpurroten Mantel über die Schultern und setzen ihm eine Krone aus dornigen Zweigen aufs Haupt, sie verhöhnen ihn in der Nacht, richten ihn übel zu und geißeln ihn. Am Morgen laden sie ihm dann ein schweres Holz auf, den Kreuzesbalken, an den die Räuber angenagelt werden, damit alle sehen, welches Ende die Übeltäter nehmen. Viele der Seinen flüchten.

Dieses Ereignis von vor 2000 Jahren wiederholt sich in der Geschichte der Kirche und der Menschheit. Auch heute. Der Leib Christi ist es, die Kirche, die geschlagen und verwundet wird, immer wieder neu.

Wenn wir dich so sehen, Jesus, blutend, allein, verlassen, verlacht, dann fragen wir uns: „Jene Leute, die du so sehr geliebt, mit Wohltaten bedacht und erleuchtet hattest, jene Männer und jene Frauen, sind das nicht vielleicht auch wir, heute? Auch wir haben uns versteckt, aus Angst, mit hineingezogen zu werden, und haben vergessen, daß wir deine Anhänger sind.“

Doch das Schlimmste ist, Jesus, daß auch ich zu deinem Schmerz beigetragen habe. Auch wir Eheleute und unsere Familien. Auch wir haben dazu beigetragen, dir eine unmenschliche Last aufzubürden. Jedesmal wenn wir einander nicht geliebt, wenn wir uns gegenseitig die Schuld zugeschoben haben, wenn wir einander nicht verziehen und nicht wieder angefangen haben, einander wohlgesinnt zu sein.

Statt dessen hören wir immer wieder auf unseren Hochmut, wollen stets Recht haben, demütigen diejenigen, die uns nahestehen, sogar den, der sein Leben an das unsere gebunden hat. Wir erinnern uns nicht mehr daran, daß du, Jesus, selber zu uns gesagt hast: „Was ihr für einen dieser Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.“ Genau das hast du gesagt: „Mir“.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo. Amen.

Cuius animam gementem, contristatam et dolentem pertransivit gladius.

DRITTE STATION: Jesus fällt zum ersten Male unter dem Kreuz

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus, 11, 28-30

„Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht.“

Jesus fällt. Die Wunden, das Gewicht des Kreuzes, die ansteigende, holprige Straße. Und das Gedränge der Menschen. Aber nicht nur das hat ihn so entkräftet. Vielleicht ist es die Last der Tragödie, die sich in seinem Leben auftut. Es gelingt nicht mehr, Gott in Jesus zu sehen, in dem Menschen, der sich als so gebrechlich erweist, daß er stolpert und fällt.

Jesus, nachdem du dort, auf jener Straße, mitten unter all diesem Volk, das schreit und lärmt, zu Boden gestürzt bist, erhebst du dich wieder und versuchst, den Aufstieg fortzusetzen. Auf dem Grund deines Herzens weißt du, daß dieses Leiden einen Sinn hat, spürst du, daß du die Last unserer vielen Verfehlungen, unseres Verrates und unserer Schuld auf dich genommen hast.

Jesus, dein Sturz läßt uns leiden, weil wir begreifen, daß wir die Ursache sind; oder vielleicht unsere Hinfälligkeit, nicht nur die physische, sondern die unseres ganzen Seins. Wir möchten niemals fallen; doch dann genügt wenig, eine Schwierigkeit, eine Versuchung oder ein Unglück, und wir lassen uns gehen, und wir fallen.

Wir hatten versprochen, Jesus nachzufolgen, die Menschen, die er uns beigesellt hatte, zu achten und uns um sie zu kümmern. Ja, in Wirklichkeit lieben wir sie, oder wir haben zumindest den Eindruck, daß es so ist. Wenn sie uns genommen würden, würden wir sehr leiden. Doch dann erliegen wir in den konkreten Situationen des Alltags.

Wie viele Situationen des Fallens es in unseren Familien gibt! Wie viele Trennungen, wie viel Untreue! Und dann die Scheidungen, die Abtreibungen, das Verlassen des Partners! Jesus, hilf uns begreifen, was Liebe ist, lehre uns, um Verzeihung zu bitten!

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo. Amen.

O quam tristis et afflicta fuit illa benedicta Mater Unigeniti!

VIERTE STATION: Jesus begegnet seiner Mutter

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes, 19, 25

Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala.

Beim Aufstieg nach Golgota sieht Jesus seine Mutter. Ihre Blicke treffen sich. Sie verstehen einander. Maria weiß, wer ihr Sohn ist. Sie weiß, woher er kommt. Sie weiß, welches seine Sendung ist. Maria weiß, daß sie seine Mutter ist; doch sie weiß auch, daß sie seine Tochter ist. Sie sieht ihn leiden, für alle Menschen von gestern, heute und morgen. Und auch sie leidet.

Jesus, sicher leidest du darunter, daß du deiner Mutter auf diese Weise Leid zufügst. Aber du mußt sie einbeziehen in dein göttliches und schreckliches Erleben. Es ist der Plan Gottes, zum Heil der gesamten Menschheit.

Für alle Männer und Frauen der Welt, aber besonders für uns Familien ist die Begegnung Jesu mit seiner Mutter dort auf dem Weg nach Golgota ein äußerst lebendiges, stets aktuelles Ereignis. Jesus hat auf seine Mutter verzichtet, damit wir, jeder von uns – auch wir Eheleute – eine stets verfügbare und gegenwärtige Mutter hätten. Manchmal vergessen wir das leider. Doch wenn wir darüber nachdenken, werden wir uns bewußt, daß wir uns in unserem Familienleben unzählige Male an sie gewendet haben. Wie sehr ist sie uns nahe gewesen in den schwierigen Momenten! Wie oft haben wir ihr unsere Kinder anempfohlen, haben sie angefleht für deren physische Gesundheit und noch mehr für einen moralischen Schutz!

Und wie oft hat Maria uns erhört, haben wir gespürt, daß sie uns nahe war, um uns mit ihrer mütterlichen Liebe zu trösten.

Im Kreuzweg jeder Familie ist Maria das Vorbild des Schweigens, das – obschon unter qualvollem Schmerz – das neue Leben gebiert.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo. Amen.

Quæ mærebat et dolebat pia Mater, cum videbat Nati poenas incliti.

FÜNFTE STATION: Simon von Zyrene hilft Jesus das Kreuz tragen

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas, 23, 26

Als sie Jesus hinausführten, ergriffen sie einen Mann aus Zyrene namens Simon, der gerade vom Feld kam. Ihm luden sie das Kreuz auf, damit er es hinter Jesus hertrage.

Vielleicht steht Simon von Zyrene für uns alle, wenn plötzlich eine Schwierigkeit auf uns zukommt, eine Krankheit, eine unvorhergesehene Last, ein manchmal schweres Kreuz. Warum? Warum gerade für mich? Warum gerade jetzt? Der Herr ruft uns, ihm zu folgen; wir wissen nicht wohin und wie.

Das Beste, was man tun kann, Jesus, ist dir nachzugehen, verfügbar für das zu sein, was du von uns verlangst. Viele Familien können das aus ihrer unmittelbaren Erfahrung bestätigen: Es nützt nichts, sich aufzulehnen; es ist besser, Dir ein Ja zu sagen, denn du bist der Herr des Himmels und der Erde.

Aber nicht nur deshalb können und wollen wir Ja zu dir sagen. Du liebst uns mit unendlicher Liebe. Mehr als Vater und Mutter, als die Geschwister, die Ehefrau, der Ehemann, die Kinder. Du liebst uns mit einer weitblickenden Liebe, mit einer Liebe, die jenseits von allem, auch von unserem Elend, unser Heil will, daß wir glücklich, für immer bei dir sind.

Auch in der Familie, in den schwierigsten Momenten, wenn eine gewichtige Entscheidung zu fällen ist, werden wir, sofern der Friede in unserem Herzen wohnt und wir aufmerksam zu erfassen suchen, was Gott von uns will, von einem Licht erleuchtet, das uns Einsicht vermittelt und uns hilft, unser Kreuz zu tragen.

Simon von Zyrene erinnert uns auch an die vielen Gesichter von Menschen, die uns nahe waren in den Momenten, in denen ein schweres Kreuz über uns oder über unsere Familie hereinbrach. Er läßt uns an die zahlreichen Freiwilligen denken, die sich in vielen Teilen der Welt großherzig einsetzen, um denen Trost und Hilfe zu bringen, die leiden und in Not sind. Er lehrt uns, uns demütig helfen zu lassen, wenn wir es nötig haben, und auch selber ein Simon von Zyrene für die anderen zu sein.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo. Amen.

Quis est homo qui non fleret, Matrem Christi si videret in tanto supplicio?

SECHSTE STATION: Veronika reicht Jesus das Schweißtuch

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther, 4, 6

Gott, der sprach: „Aus Finsternis soll Licht aufleuchten!“, er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi.

Veronika ist eine der Frauen, die Jesus nachfolgen, eine, die intuitiv erfaßt hat, wer er ist, die ihn liebt und darum leidet, als sie ihn leiden sieht. Nun sieht sie in sein Gesicht, in jenes Gesicht, das so viele Male zu ihrer Seele gesprochen hatte. Sie sieht es verstört, blutend und entstellt, auch wenn es nach wie vor Milde und Demut ausdrückt.

Sie erträgt es nicht. Sie will seine Leiden mildern. Sie nimmt ein Tuch und versucht, Blut und Schweiß von diesem Gesicht abzuwischen.

Manchmal hatten wir in unserem Leben die Gelegenheit, Tränen und Schweiß leidender Menschen abzutrocknen. Vielleicht haben wir einem Sterbenskranken in einem Krankensaal beigestanden, einem Einwanderer oder einem Arbeitslosen geholfen, einem Gefangenen zugehört. Und in dem Versuch, ihn innerlich aufzurichten, haben wir vielleicht sein Gesicht abgetrocknet und ihn voll Mitleid angeschaut.

Und doch erinnern wir uns nur selten daran, daß in jedem unserer notleidenden Brüder du, der Sohn Gottes, dich verbirgst. Wie anders wäre unser Leben, wenn wir uns daran erinnerten! Allmählich würden wir uns der Würde eines jeden Menschen bewußt, der auf der Erde lebt. Jeder Mensch, schön oder häßlich, begabt oder unbegabt, vom ersten Augenblick an im Schoß seiner Mutter oder bereits in vorgerücktem Alter, stellt dich dar, o Jesus. Nicht nur das: Jeder Mitmensch – bist du. Sähen wir dich, entwürdigt und elend dort am Kalvarienberg, würden wir mit Veronika begreifen, daß wir in jedem Menschenwesen dich erkennen können.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo. Amen.

Qui non posset contristari, Christi Matrem contemplari dolentem cum Filio?

SIEBTE STATION: Jesus fällt zum zweiten Male unter dem Kreuz

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem Ersten Petrusbrief, 2, 24

Er hat unsere Sünden in seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot seien für die Sünden und für die Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt.

Zum zweiten Mal fällt Jesus, während er auf dem engen Weg des Kalvarienbergs voranschreitet. Wir erahnen seine körperliche Schwäche nach einer schrecklichen Nacht, nach den Folterungen, die sie ihm zugefügt haben. Vielleicht sind es nicht nur die Mißhandlungen, die Erschöpfung und das Gewicht des Kreuzesbalkens auf seinen Schultern, was ihn zu Fall bringt. Auf Jesus liegt eine unermeßliche Last, etwas tief Innerliches, das von Schritt zu Schritt immer deutlicher spürbar wird.

Wir sehen dich wie einen beliebigen armen Menschen, der in seinem Leben einen Fehler gemacht hat und nun dafür bezahlen muß. Und du scheinst keine körperliche oder geistige Kraft mehr zu haben, den neuen Tag anzutreten. Und du fällst. Wie wir uns in dir wiedererkennen, Jesus, auch in diesem neuerlichen Sturz aus Erschöpfung! Du aber stehst wieder auf, du willst es schaffen. Für uns, für uns alle, um uns den Mut zu geben, wieder aufzustehen. Wir sind schwach, aber deine Liebe ist größer als unsere Mängel, sie kann uns immer aufnehmen und verstehen.

Unsere Sünden, die du dir aufgeladen hast, erdrücken dich, aber deine Barmherzigkeit ist unendlich viel größer als unsere Armseligkeit. Ja, Jesus, dank dir erheben wir uns wieder. Wir haben Fehler gemacht. Wir haben uns von den Versuchungen der Welt einfangen lassen, vielleicht für das Aufflackern einer Befriedigung, um zu hören, daß wir noch für jemanden begehrenswert sind, daß jemand sagt, er habe uns gern, er liebe uns sogar. Manchmal fällt es uns sogar schwer, die übernommene Verpflichtung zur ehelichen Treue aufrechtzuerhalten. Wir haben nicht mehr die Frische und den Elan von früher. Alles ist eine ständige Wiederholung, jede Handlung erscheint beschwerlich; es kommt der Wunsch auf, auszubrechen.

Doch wir versuchen, uns wieder zu erheben, Jesus, ohne der größten aller Versuchungen nachzugeben, nämlich der, nicht zu glauben, daß deine Liebe alles vermag.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo. Amen.

Pro peccatis suæ gentis vidit Iesum in tormentis et flagellis subditum.

ACHTE STATION: Jesus begegnet den Frauen von Jerusalem

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas, 23, 27-28

Es folgte eine große Menschenmenge, darunter auch Frauen, die um ihn klagten und weinten. Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: „Ihr Frauen von Jerusalem, weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder!“

In der Menschenmenge, die ihm folgt, ist eine Gruppe Jerusalemer Frauen: Sie kennen ihn. Als sie ihn in dieser Lage sehen, mischen sie sich unter die Menge und gehen hinauf nach Golgota. Sie weinen.

Jesus sieht sie, er begreift ihr Gefühl des Mitleids. Und sogar in diesem tragischen Augenblick möchte er ein Wort hinterlassen, das über das bloße Mitleid hinausgeht. Er möchte, daß in ihnen – in uns – nicht nur Mitleid herrsche, sondern eine Umkehr des Herzens, die eingesteht, sich verfehlt zu haben, die um Verzeihung bittet und mit der ein neues Leben beginnt.

Jesus, wie oft schließen wir die Augen aus Überdruß oder aus Unwissenheit, aus Egoismus oder aus Furcht und wollen uns der Wirklichkeit nicht stellen! Vor allem beziehen wir uns nicht selber ein, wir engagieren uns nicht, um am Leben und an den Bedürfnissen unserer nahen und fernen Mitmenschen in tiefgreifender und aktiver Weise Anteil zu nehmen.

Wir leben weiter bequem dahin, verwerfen das Böse und die, die es tun, ändern aber nicht unser eigenes Leben und lassen es uns persönliche nichts kosten, daß die Dinge sich ändern, das Böse überwunden und Gerechtigkeit hergestellt wird.

Oft bessern sich die Situationen nicht, weil wir uns nicht dafür eingesetzt haben, daß sie geändert werden. Wir haben uns zurückgezogen, ohne jemandem etwas Böses anzutun, aber auch ohne das Gute zu tun, das wir hätten tun können und sollen. Und irgend jemand bezahlt vielleicht auch für uns, für unsere feige Abwesenheit.

Jesus, mögen diese deine Worte uns wachrütteln, uns ein wenig von jener Kraft geben, welche die Zeugen des Evangeliums bewegt, oft bis zum Martyrium, Väter oder Mütter oder Kinder, die mit ihrem Blut, vereinigt mit dem deinen, dem Guten in der Welt den Weg geöffnet haben und auch heute noch öffnen.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo. Amen.

Eia, Mater, fons amoris, me sentire vim doloris fac, ut tecum lugeam.

NEUNTE STATION: Jesus fällt zum dritten Male unter dem Kreuz

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas, 22, 28-30a

„In allen meinen Prüfungen habt ihr bei mir ausgeharrt. Darum vermache ich euch das Reich, wie es mein Vater mir vermacht hat: Ihr sollt in meinem Reich mit mir an meinem Tisch essen und trinken.“

Der Weg bergauf ist kurz, aber Jesu Schwäche ist extrem. Er ist erschöpft, körperlich, aber auch geistig. Er spürt, wie der Haß der Oberen, der Priester und der Menge auf ihm liegt, die anscheinend ihre aufgestaute Wut über vergangene und gegenwärtige Unterdrückung an ihm auslassen wollen. Als suchten sie eine Revanche, indem sie Jesus gegenüber ihre Macht zur Geltung bringen.

Und du fällst, Jesus, fällst zum dritten Mal. Du scheinst zu erliegen. Doch siehe, mit äußerster Anstrengung erhebst du dich und nimmst den schrecklichen Weg nach Golgota wieder auf. Sicherlich erleiden viele unserer Mitmenschen in aller Welt schreckliche Prüfungen, weil sie dir folgen, Jesus. Sie steigen mit dir hinauf nach Golgota und mit dir fallen sie sogar unter den Verfolgungen, die sich seit zweitausend Jahren gegen deinen Leib, die Kirche, richten.

Mit diesen unseren Brüdern und Schwestern wollen wir innerlich unser Leben, unsere Gebrechlichkeiten, unser Elend, unsere kleinen und großen täglichen Leiden darbringen. Oft leben wir betäubt vom Wohlstand, ohne uns mit aller Kraft zu bemühen, uns wieder zu erheben und die Menschheit wieder zu erheben. Doch wir können wieder aufstehen, weil Jesus die Kraft gefunden hat, wieder aufzustehen und den Weg wieder aufzunehmen.

Auch unsere Familien sind ein Teil dieses zerfaserten Gewebes, gebunden an ein Leben in Wohlstand, der zum Sinn des Lebens selbst wird. Unsere Kinder wachsen heran: Versuchen wir, sie mit Nüchternheit, Opfer und Verzicht vertraut zu machen. Bemühen wir uns, ihnen ein erfülltes gesellschaftliches Leben zu geben in den Sport-, Vereins- und Erholungszentren, aber ohne daß diese Aktivitäten nur eine Weise sind, den Tag zu füllen und alles zu haben, was man sich wünscht.

Darum, o Jesus, müssen wir auf deine Worte hören, für die wir Zeugnis ablegen wollen: „Selig die Armen, selig die Gewaltlosen, selig die Friedenstifter, selig, die leiden um der Gerechtigkeit willen …“

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo. Amen.

Fac ut ardeat cor meum in amando Christum Deum, ut sibi complaceam.

ZEHNTE STATION: Jesus wird seiner Kleider beraubt

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes, 19, 23

Die Soldaten … nahmen Jesu Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen. Sie nahmen auch sein Untergewand, das von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht war.

Jesus ist in den Händen der Soldaten. Wie jeder Verurteilte wird er ausgezogen, um ihn zu demütigen, ihn bis zum einem Nichts zu erniedrigen. Die Gleichgültigkeit, die Verachtung und die Nichtbeachtung der Menschenwürde verbinden sich mit der Gier, der Habsucht und dem Eigeninteresse: „Sie nahmen Jesu Kleider.“

Dein Untergewand, Jesus, war ohne Naht. Das zeigt die Fürsorge, die deine Mutter und die Menschen, die dir folgten, für dich hatten. Jetzt bist du entkleidet, Jesus, und empfindest die Beklommenheit derer, die in der Gewalt von Menschen sind, die keine Achtung vor der Person haben.

Wie viele Menschen haben unter diesem Mangel an Achtung vor der Person, vor der eigenen Privatsphäre gelitten und leiden noch darunter! Manchmal haben vielleicht auch wir nicht die Achtung, die der persönlichen Würde derer gebührt, die an unserer Seite stehen, indem wir die uns Nahestehenden „besitzen“ – den Sohn oder den Ehemann oder die Ehefrau oder den Verwandten, den Bekannten oder den Unbekannten. Im Namen unser vermeintlichen Freiheit verletzen wir die der anderen: Wie viel Unbekümmertheit gibt es, wie viel Nachlässigkeit in den Verhaltensweisen und in der Art einander zu begegnen!

Jesus, der sich in dieser Weise dem Blick der damaligen Welt und dem Blick der Menschheit aller Zeiten aussetzen läßt, erinnert uns an die Größe der menschlichen Person, an die Würde, die Gott jedem Mann und jeder Frau verliehen hat und die nichts und niemand verletzen dürfte, denn sie sind nach dem Bild Gottes gestaltet. Uns ist es aufgetragen, die Achtung vor dem Menschen und seinem Leib zu fördern. Insbesondere uns Eheleuten kommt die Aufgabe zu, diese zwei grundlegenden und untrennbaren Wirklichkeiten – die Würde und die völlige Selbsthingabe – miteinander zu verbinden.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo. Amen.

Sancta Mater, istud agas, Crucifixi fige plagas cordi meo valide.

ELFTE STATION: Jesus wird ans Kreuz genagelt

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes, 19, 18-19

Sie kreuzigten ihn und mit ihm zwei andere, auf jeder Seite einen, in der Mitte Jesus. Pilatus ließ auch ein Schild anfertigen und oben am Kreuz befestigen; die Inschrift lautete:“ Jesus von Nazaret, der König der Juden.“

Als sie zu dem Ort gelangt sind, der „Golgota“ heißt, kreuzigen die Soldaten Jesus. Pilatus läßt eine Inschrift anbringen: „Jesus von Nazaret, der König der Juden“, um ihn lächerlich zu machen und die Juden zu demütigen. Doch ohne es zu wollen, bescheinigt diese Inschrift eine Wirklichkeit: das Königtum Jesu, des Königs eines Reiches, das weder räumliche noch zeitliche Grenzen hat.

Wir können das Leiden Jesu während der blutigen und extrem schmerzhaften Kreuzigung nur erahnen. Hier begegnet man dem Mysterium: warum läßt sich Gott, der aus Liebe zu uns Mensch geworden ist, an einen Balken nageln und unter entsetzlichen körperlichen und geistigen Qualen von der Erde erhöhen?

Aus Liebe. Aus Liebe. Es ist das Gesetz der Liebe, das dazu führt, das eigene Leben für das Wohl des anderen hinzugeben. Das bestätigen jene Mütter, die sogar den Tod gewagt haben, um ihr Kind zur Welt zu bringen. Oder jene Eltern, die ein Kind im Krieg oder in Terroranschlägen verloren haben und sich entscheiden, sich nicht zu rächen.

Jesus, auf Golgota stehst du für uns alle, für alle Menschen von gestern, heute und morgen. Am Kreuz hast du uns gelehrt zu lieben. Jetzt beginnen wir, das Geheimnis jener vollkommenen Freude zu verstehen, von der du beim Letzten Abendmahl zu den Jüngern sprachst. Du hast vom Himmel herabsteigen müssen, ein Kind werden, dann ein Erwachsener, und endlich auf Golgota leiden müssen, um uns mit deinem Leben zu sagen, was die wahre Liebe ist.

Indem wir dich dort oben am Kreuz betrachten, lernen auch wir als Familie – Eheleute, Eltern und Kinder – einander zu lieben und unter uns jene Aufnahmebereitschaft zu schätzen und zu pflegen, die sich selbst hinschenkt und die weiß, daß sie dankbar angenommen wird. Die zu leiden vermag und die es versteht, das Leiden in Liebe zu verwandeln.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo. Amen.

Tui Nati vulnerati, tam dignati pro me pati poenas mecum divide.

ZWÖLFTE STATION: Jesus stirbt am Kreuz

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V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus, 27, 45-46

Von der sechsten bis zur neunten Stunde herrschte eine Finsternis im ganzen Land. Um die neunte Stunde rief Jesus laut: „Eli, Eli, lema sabachtani?“, das heißt: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Jesus hängt am Kreuz. Stunden der Angst, entsetzliche Stunden, Stunden unmenschlicher körperlicher Leiden. „Mich dürstet“, sagt Jesus. Und es wird ihm ein mit Essig getränkter Schwamm an den Mund gehalten.

Plötzlich ein Schrei: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Gotteslästerung? Der Verurteilte ruft mit den Worten des Psalms? Wie kann man einen Gott akzeptieren, der schreit, der klagt, der nicht einsieht, nicht versteht? Den menschgewordenen Sohn Gottes, der das Empfinden hat, von seinem Vater verlassen zu sterben?

Jesus, bis zu diesem Punkt bist du einer von uns, einer mit uns geworden – ausgenommen die Sünde! Menschgewordener Sohn Gottes, du hast dich so weit in uns hineinversetzt, daß du, der Heilige schlechthin, unsere Situation der Sünder, der Entfernung von Gott, die Hölle der Gott-losen durchlebt hast. Du hast das Dunkel erfahren, um uns das Licht zu schenken. Du hast die Trennung erlebt, um uns die Einheit zu schenken. Du hast den Schmerz angenommen, um uns die Liebe zu hinterlassen. Du hast das Ausgeschlossensein empfunden, verlassen und zwischen Himmel und Erde hängend, um uns in das Leben Gottes aufzunehmen.

Ein Geheimnis legt sich um uns, wenn wir jeden Schritt deiner Passion nacherleben. Jesus, du hältst nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern wirst in allem arm, um uns reich zu machen.

„In deine Hände lege ich meinen Geist.“ Wie hast du es nur geschafft, Jesus, in diesem Abgrund der Verzweiflung dich der Liebe des Vaters anzuvertrauen, dich ganz in ihn hineinsinken zu lassen, in ihm zu sterben? Nur auf dich schauend, nur mit dir können wir den Tragödien, den Leiden der Unschuldigen, den Demütigungen, den Schmähungen, dem Tod entgegentreten.

Jesus durchlebt seinen Tod als Geschenk für mich, für uns, für unsere Familie, für jeden Menschen, für jede Familie, für jedes Volk, für die ganze Menschheit. In dieser Tat wird das Leben neu geboren.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo. Amen.

Vidit suum dulcem Natum moriendo desolatum, cum emisit spiritum.

DREIZEHNTE STATION: Jesus wird vom Kreuz abgenommen und in den Schoß seiner Mutter gelegt

V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes, 19, 38

Nach diesen Ereignissen kam Josef aus Arimathäa, der ein Jünger Jesu war, aber aus Furcht vor den Juden nur heimlich. Er bat Pilatus, den Leichnam Jesu abnehmen zu dürfen, und Pilatus erlaubte es. Also ging er und nahm den Leichnam ab.

Maria sieht, wie ihr Sohn, der Sohn Gottes und auch ihr Sohn, stirbt. Sie weiß, daß er unschuldig ist, aber er hat die Last unserer Trostlosigkeit auf sich genommen. Die Mutter gibt den Sohn hin, der Sohn gibt die Mutter hin. An Johannes, an uns.

Jesus und Maria – eine Familie, die auf Golgota die äußerste Loslösung erlebt und erleidet. Der Tod trennt sie oder scheint sie zumindest zu trennen, eine Mutter und einen Sohn mit einer unvorstellbaren zugleich menschlichen und göttlichen Verbindung. Aus Liebe schenken sie diese hin. Beide überlassen sich dem Willen Gottes.

In den Abgrund, der sich im Herzen Marias aufgetan hat, tritt ein anderer Sohn ein, der die gesamte Menschheit vertritt. Und die Liebe Marias zu einem jeden von uns ist die Fortsetzung der Liebe, die sie zu Jesus gehabt hat. Ja, denn in den Jüngern sieht sie sein Gesicht. Und sie lebt für sie, um sie zu unterstützen, ihnen zu helfen, sie anzutreiben, sie zur Erkenntnis der Liebe Gottes zu führen, damit sie sich in ihrer Freiheit an den Vater wenden.

Was sagen mir, uns, unserer Familie diese Mutter und dieser Sohn auf Golgota? Vor dieser Szene kann jeder nur betroffen innehalten. Erahnen, daß diese Mutter, dieser Sohn uns ein einmaliges, unwiederholbares Geschenk machen. In ihnen finden wir nämlich die Fähigkeit, unser Herz zu weiten und unseren Horizont so zu öffnen, daß er alles umfaßt.

Dort auf Golgota neben dir, Jesus, der du für uns gestorben bist, empfangen die Familien die Gabe Gottes: das Geschenk einer Liebe, die ihre Arme bis ins Unendliche ausbreiten kann.

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo. Amen.

Fac me tecum pie flere, Crucifixo condolore, donec ego vixero.

VIERZEHNTE STATION: Jesus wird ins Grab gelegt

V. Adoramus te, Christe, et benedicimus tibi.

R. Quia per sanctam crucem tuam redemisti mundum.

Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes, 19, 41-42

An dem Ort, wo man ihn gekreuzigt hatte, war ein Garten, und in dem Garten war ein neues Grab, in dem noch niemand bestattet worden war. Wegen des Rüsttages der Juden und weil das Grab in der Nähe lag, setzten sie Jesus dort bei.

Tiefes Schweigen umhüllt den Kalvarienberg. Johannes bezeugt in seinem Evangelium, daß der Ort Golgota sich in einem Garten befindet, wo es ein noch unbenutztes Grab gibt. Genau dorthinein legen die Jünger Jesu seinen Leib.

Jener Jesus, den sie Schritt für Schritt allmählich als menschgewordenen Gott erkannt haben, ist dort, ein Leichnam. In nie gekannter Einsamkeit fühlen sie sich verloren, wissen nicht, was sie tun, wie sie sich verhalten sollen. Es bleibt ihnen nichts, als sich gegenseitig zu trösten, einander Mut zu machen, eng zusammenzurücken. Doch genau da reift in den Jüngern das Moment des Glaubens, der Erinnerung an das, was Jesus gesagt und getan hatte, als er in ihrer Mitte war, und was sie damals nur teilweise verstanden hatten.

Dort beginnen sie, Kirche zu sein, in Erwartung der Auferstehung und der Ausgießung des Geistes. Bei ihnen ist die Mutter Jesu, Maria, die der Sohn dem Johannes anvertraut hatte. Sie versammeln sich in ihrer Gruppe, mit Maria, um sie herum. In Erwartung. In Erwartung, daß der Herr sich offenbart.

Wir wissen, daß jener Leib nach drei Tagen auferstanden ist. So lebt Jesus nun für immer und begleitet uns, Er selbst, auf unserer irdischen Reise, in Freud und Leid.

Jesus, gib, daß wir einander lieben. Damit wir dich wieder in unserer Mitte haben, jeden Tag, wie du selbst verheißen hast: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“

Alle:

Pater noster, qui es in cælis: sanctificetur nomen tuum; adveniat regnum tuum; fiat voluntas tua, sicut in cælo, et in terra. Panem nostrum cotidianum da nobis hodie; et dimitte nobis debita nostra, sicut et nos dimittimus debitoribus nostris; et ne nos inducas in tentationem; sed libera nos a malo.

Quando corpus morietur, fac ut animæ donetur paradisi gloria. Amen.

ANSPRACHE DES HEILIGEN VATERS UND APOSTOLISCHER SEGEN

Der Heilige Vater richtet das Wort an die Anwesenden.

Am Ende der Rede erteilt der Heilige Vater den Apostolischen Segen:

V. Dominus vobiscum.

R. Et cum spiritu tuo.

V. Sit nomen Domini benedictum.

R. Ex hoc nunc et usque in sæculum.

V. Adiutorium nostrum in nomine Domini.

R. Qui fecit cœlum et terram.

V. Benedicat vos omnipotens Deus, X Pater, et X Filius, et X Spiritus Sanctus.

R. Amen.

Crux fidelis

Schola:

R. Crux fidelis, inter omnes arbor una nobilis, nulla silva talem profert, fronde, flore, germine! Dulce lignum dulces clavos dulce pondus sustinet!

1. Pange, lingua, gloriosi prœlium certaminis, et super crucis tropæo dic triumphum nobilem, qualiter Redemptor orbis immolatus vicerit. R.

2. De parentis protoplasti fraude factor condolens, quando pomi noxialis morte morsu corruit, ipse lignum tunc notavit, damna ligni ut solveret. R.