Laizismus

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Mit Laizismus (von griech. laos, das Volk) wird im allgemeinen das moderne Phänomen bezeichnet, dass die öffentliche Ordnung des Zusammenlebens der Menschen frei von jeder religiösen Orientierung der Rechtsordnung gestaltet werden soll. Der Gebrauch des Wortes ist in seiner Bedeutung jedoch oft unbestimmt.

Einem notwendigen, in heutiger Zeit nicht mehr aufhebbaren Laizismus der Staatsordnung steht noch immer ein radikal ideologischer Laizismus gegenüber, der die Religionsfreiheit auf ein Minimum persönlicher Frömmigkeit (in dem vom allein zuständigen Staat gesetzten Rahmen) herabsetzt, eigentlich aber die Verwirklichung nur negativer Religionsfreiheit im öffentlichen Leben fordert: Religion habe keine Bedeutung für Staat und Gesellschaft zu haben.

Die deutlichste Negation religiöser Gehalte im öffentlichen Leben finden sich auch heute noch in der Frankreichfranzösischen Staatsordnung, die seit der Trennungsgesetzgebung von 1905 insbesondere die katholische Kirche, aber auch alle anderen Konfessionen und Religionen, auf den Charakter rein privatrechtlicher Gesellschaften zur Ausübung persönlicher Überzeugungen beschränkte. Diese Trennung ist in mehreren Phasen zwar aufgelockert worden (u.a. Wiederanknüpfung diplomatischer Beziehungen zwischen dem Papsttum und der frz. Republik 1920 unter Papst Benedikt XV.). Jedoch stellt sich das Problem einer zweifelhaften Legitimation der strikt laizistischen Staatsverfassung, vor dem Hintergrund der europäischen Identität, heute neu. Auch in Frankreich stimmen wachsende Teile der Öffentlichkeit der Einsicht zu, dass es zur Gleichheit der Religionsausübung im öffentlichen Leben auch gehört, "Ungleiches ungleich" zu behandeln ("suum cuique tribue"), eine teilweise Höherachtung der christlichen und jüdischen Bekenntnisse gegenüber anderen Religionen also akzeptabel erscheinen kann.

Diese jüngere Entwicklung zieht Konsequenzen aus der Selbstkorrektur der katholischen Gesellschaftslehre, wie sie in Dokumenten des II. Vatikanums zum Ausderuck kam. Demnach besteht für den einzelnen Menschen zwar kein moralischer Anspruch auf "jedwede Religiosität" (Indifferentismus), aber das Zusammenleben im Staat muss von solchen Privilegien öffentlich-rechtlicher Natur zugunsten der Kirche freibleiben, die das persönliche, frei gewählte Glaubensleben eher beschweren als ermöglichen. In diesem gesellschaftspolitischen Sinn unterstützt der Katholizismus heute eine Laizität des öffentlichen Lebens und billigt dem Volk der Gläubigen (und jedem einzelnen Christen) in weltlichen Sachbereichen eine relative Autonomie seiner Zuständigkeit zu. Der Gehorsamsanspruch der Kirche gegenüber der Öffentlichkeit nimmt mithin weder klösterliche Ideale zum Vorbild noch staatskirchliche Konzepte des Ancien regime, sondern vertrautr auf die Überzeugungskraft der Wahrheit selber (vgl. Dignitatis humanae). Andererseits kann die Kirche mithin auch nicht mehr zugunsten des Staates als "Abteilung der Polizei" (so der österreichische Kaiser Joseph II. im sogen. Josephinismus) oder auch bloß des Erziehungswesens benutzt werden.

Grenzen dieser Autonomie ergeben sich aber weiterhin aus dem Vorrang des kirchlichen Absolutheitsanspruchs, hergeleitet aus dem Wahrheitsanspruch des Evangeliums, vorrangig vor Staat, Politik und Gesellschaft. In diesem Sinne nimmt der Katholizismus die doppelte Funktion wahr, mittels seiner Glaubensverkündigung in Wort und Sakrament die Menschen zu Gott zu führen, mit Hilfe seiner Soziallehre, zu Gerechtigkeit und Caritas, aber der Öffentlichkeit ein Angebot für die Lösung der Probleme der zeitlichen Ordnung zu unterbreiten. Dieses Angebot will die Kirche nicht unter Benutzung der Staatsgewalt durchsetzen noch könnte sie es. In Deutschland und Österreich ergeben sich im Spannungsfeld zwischen Kirche und Politik jedoch etliche Probleme daraus, dass in vergangenen Epochen -- auf unterschiedliche Weise (Josephinismus, Staatskirchenverfassung) -- eine sehr große Nähe zwischen Kirche und Staat bestand, die von Vertretern christdemokratischer Konzepte (z.B. Hans Maier) unter bestimmten Aspekten weiterhin für eine vorzügliche Synthese aus repräsentativer, parlamentarischer Demokratie-Idee und aufgeklärtem Christentum erachtet werden.

Ausblick

Unter dem Eindruck der Erstrezeption des II. Vatikanum treten jedoch Fragen in Erscheinung, die nahelegen, dass selbst von strukturell (teilweise) kirchennahen Organisationen oder Parteien dominierte Parlamente nicht den Idealzustand des Laizismus darstellen können. Anstelle voreiliger Synthesen im Wege des Kompromisses muss in einer europaweit immer noch überwiegend religionslosen Zeit das unterscheidend Christliche mit hinreichender Deutlichkeit, und inmitten sämtlicher Gesellschaftsordnungen, vertreten werden. Somit darf vermutet werden, dass auf eine erste Phase relativ euphorischer Zustimmung zur partiellen Laizität seitens der Kirche, dennoch die Besinnung darauf, in welchen Erscheinungsformen diese doch nur einen Rückfall in einen inakzeptablen Laizismus verdeckt, erst begonnen hat.

Literatur

Hans Maier, Demokratie in der Kirche, Freiburg i. Br. 2005.