Liturgiereformen im 20. Jahrhundert

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Das Zwanzigste Jahrhundert war geprägt von einer Reihe von Liturgiereformen, die in der Neuordnung der Liturgie der Kirche durch das Zweite Vatikanische Konzil gipfelte. Sie wurde ausgelöst und getragen von wegweisenden Entscheidungen der Päpste, liturgiegeschichtlichen und liturgietheologischen Forschungen und seelsorgerlichen Bemühungen, vornehmlich in Mitteleuropa.

"Jede große Reform ist in irgendeiner Weise verbunden mit der Wiederentdeckung des Glaubens an die eucharistische Gegenwart des Herrn inmitten seines Volkes." (Sacramentum caritatis, Nr. 6).

Die Notwendigkeit und das Prinzip der Erneuerung - Leitmotive

"Liturgiereform" meint den Prozess der Entwicklung und Erneuerung der Liturgie der Kirche. Bei Liturgiereformen hat die Kirchenleitung (Papst und Bischofskollegium, davon abgeleitet die Teilkirchen und Bistümer) eine maßgebliche normative Funktion.

Die Liturgie der Kirche unterlag in der Kirchengeschichte ständig Reformprozessen. Auslöser waren kulturelle Weiterentwicklungen und Veränderungen in Kirche und Gesellschaft, aber auch zeitbedingte Praktiken, welche dem wahren Wesen der Liturgie entweder fremd waren oder ihm sogar widersprachen. So veränderte im frühen Mittelalter der Einfluss iroschottischer Mönche im Frankenreich die stadtrömische Liturgie; die Etablierung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation durch Kaiser Karl den Großen förderte eine einheitliche Liturgie im ganzen Reich, die die bis dahin verbreitete gallisch-fränkische Mischliturgie ablöste. Die Einführung der deutschen Sprache in den Gottesdienst durch die Reformation hatte zur Folge, dass auch eine Vielzahl katholischer deutscher Kirchenlieder entstanden, die im 20. und 21. Jahrhundert auch amtskirchlich anerkannten Eingang in die Liturgie bekamen.

Ein allgemeiner Grundsatz zur Erneuerung jeder Liturgie wird im 1. Kapitel von Sacrosanctum concilium, der Liturgiekonstitution des II. Vatikanums, erwähnt:

"Damit das christliche Volk in der heiligen Liturgie die Fülle der Gnaden mit größerer Sicherheit erlange, ist es der Wunsch der heiligen Mutter Kirche, eine allgemeine Erneuerung der Liturgie sorgfältig in die Wege zu leiten. Denn die Liturgie enthält einen kraft göttlicher Einsetzung unveränderlichen Teil und Teile, die dem Wandel unterworfen sind. Diese Teile können sich im Laufe der Zeit ändern, oder sie müssen es sogar, wenn sich etwas in sie eingeschlichen haben sollte, was der inneren Wesensart der Liturgie weniger entspricht oder wenn sie sich als weniger geeignet herausgestellt haben. Bei dieser Erneuerung sollen Texte und Riten so geordnet werden, dass sie das Heilige, dem sie als Zeichen dienen, deutlicher zum Ausdruck bringen, und so, dass das christliche Volk sie möglichst leicht erfassen und in voller, tätiger und gemeinschaftlicher Teilnahme mitfeiern kann." (Sacrosanctum concilium, Nr. 21).

Die Liturgiereformen beim Konzil von Trient und beim Zweiten Vatikanischen Konzil nannten jeweils an einer Stelle als Kriterium für Kontinuität bei den vorzunehmenden Veränderungen die so genannte "Altehrwürdige Norm der Väter" (lat.: pristina sanctorum Patrum norma).<ref>Der Verweis auf die "Norm der Väter" bedeutet nach Hans Bernhard Meyer, "die als legitim anerkannte Tradition der Kirche zu respektieren". Die für die Weiterentwicklung der Liturgie bleibende Aufgabe ist das "doppelte Bemühen um Treue gegenüber Stiftung und Tradition sowie um Zeitgemäßheit des Verständnisses und der Gestalt der Eucharistiefeier (Adaption, Inkulturation)." in: Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral; Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft, Teil 4; Regensburg 1989; ISBN 3-7917-1200-4; S. 520. </ref> Papst Pius V. betonte bei der Veröffentlichung des Römischen Messbuches im Jahre 1570 in seiner Bulle Quo primum, dass "ausgesuchte Gelehrte" nach sorgfältiger Untersuchung alter Quellen "das Missale nach Vorschrift und Ritus der Heiligen Väter" wieder hergestellt hätten. Dasselbe Kriterium wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil verwendet.

Die Allgemeinen Einführung des aktuellen Römischen Messbuches (Nr. 6, 8, 10) führt in Umsetzung dieses Konzilsbeschlusses hierzu aus:

"Bei den Vorschriften zur Neubearbeitung der Messordnung hat das Zweite Vatikanische Konzil unter anderem bestimmt, einige Riten sollten nach der ehrwürdigen Norm der Väter wiederhergestellt werden. Es sind dieselben Worte, die der heilige Pius V. in seiner Apostolischen Konstitution "Quo primum" gebraucht hat, mit der im Jahre 1570 das Tridentinische Messbuch veröffentlicht wurde. Die Übereinstimmung der zitierten Worte weist bereits darauf hin, wie beide römischen Messbücher trotz eines Zeitabstandes von vier Jahrhunderten gleiche Überlieferung wahren wollen. Betrachtet man den Inhalt dieser Überlieferung, so erkennt man auch, wie das alte Messbuch durch das neue vorteilhaft verbessert wird. [...] Heute ist die "Norm der Väter", welcher die Bearbeiter des Messbuches Pius' V. folgten, durch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten klarer zu erkennen. [...] Das neue Messbuch bezeugt daher die Gebetsweise der Römischen Kirche und schützt das von den letzten Konzilien überlieferte Glaubensgut: gleichzeitig ist es aber auch ein großer Fortschritt in der liturgischen Überlieferung."

Papst Pius XII. sagte in seiner Ansprache Vous Nous avez vom 23. September 1956: "In Bezug auf die Liturgie wie auf viele anderen Gebiete muss man gegenüber der Vergangenheit zwei übertriebene Haltungen meiden: eine blinde Anhänglichkeit und eine völlige Verachtung. Es finden sich in der Liturgie unveränderliche Elemente, ein heiliger Inhalt, der über die Zeit hinausgeht, jedoch auch veränderliche, vergängliche und manchmal mangelhafte Elemente."

Das Zweite Vatikanische Konzil formuliert: "Schließlich sollen keine Neuerungen eingeführt werden, es sei denn, ein wahrer und sicherer Nutzen für die Kirche erfordere dies. Dabei muss auch Sorge getragen werden, dass die neuen Formen aus den schon bestehenden gewissermaßen organisch herauswachsen" (Sacrosanctum concilium, Nr. 23).

Papst Pius X.

Der heilige Papst Pius X. nahm bald nach Beginn seines Pontifikats 1903 die Reformbestrebungen auf, die im 19. Jahrhundert in einigen Benediktinerabteien in Frankreich und Belgien entstanden waren, ferner die Impulse der Cäcilienbewegung vor allem in Deutschland, die zur Gründung zahlreicher Kirchenchöre geführt hatten. Es formte sich die Überzeugung, dass Musik und Gesang von Schola und Chor im Gottesdienst nicht nur dienende und ausschmückende Funktionen hätten, sondern einen integrierenden Teil, einen Wesensbestandteil der gesamten Liturgie darstellten.<ref>Albert Gerhards, Benedikt Kranemann: Einführung in die Liturgiewissenschaft, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2. Auflage, Darmstadt 2008, S. 100f.</ref> Dem Gregorianischen Choral kam dabei eine überragende Bedeutung zu.

Liturgie ist jetzt nicht mehr allein Amt der zelebrierenden Kleriker: "Die Sänger bekleiden in der Kirche ein liturgisches Amt im eigentlichen Sinne", so der Papst in seinem Motu Proprio Tra le sollecitudini vom 22. November 1903 (Nr. 13). Somit ist "die Liturgie weder privater noch klerikaler Natur", sondern "wesensgemäß Feier der Kirche".<ref>Theodor Maas-Ewerd, Art. Liturgische Bewegung in LThK, 3. Auflage, Bd. 6, Sp. 992.</ref> Damals wurde allerdings aus dieser Aussage gefolgert, "dass die Frauen, die doch zu einem solchen Amt nicht 'fähig' sind, zu keiner Partie des Chores und überhaupt zu keiner Mitwirkung beim Kirchenchor zugelassen werden dürfen. Will man Sopran und Altstimmen verwenden, so haben nach uraltem Brauch der Kirche Knaben diese Aufgabe zu erfüllen." (Tra le sollecitudini Nr. 13)

In dem Motu Proprio gab der Papst ein wichtiges Leitmotiv der liturgischen Erneuerung im ganzen 20. Jahrhundert lehramtlich vor: Er sprach zum ersten Mal von der „actuosa communicatio“ bzw. Participatio actuosa, der "tätigen Teilnahme [der Gläubigen] an den heiligen Mysterien und am öffentlichen feierlichen Gebet der Kirche" als erster, unentbehrlicher Quelle, aus der die Gläubigen "wahrhaft christlichen Geist" schöpfen können.<ref>Albert Gerhards, Benedikt Kranemann: Einführung in die Liturgiewissenschaft." Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2. Aufl.,Darmstadt 2008, S. 102f.</ref>

Eine zweite bahnbrechende Entscheidung von Papst Pius X. war es, die häufigere eucharistische Kommunion der Gläubigen zu fördern, nachdem bis dahin die Meinung verbreitet war, die Kommunion dürfe den Gläubigen nur selten und unter besonderen Bedingungen gestattet werden. In dem Dekret Sacra tridentina synodus (20. Dezember 1905) heißt es: "Die häufige und tägliche Kommunion ist Christus dem Herrn und der Katholischen Kirche sehr erwünscht; daher soll sie allen Christgläubigen jeden Ranges und jeden Standes zugänglich sein, so dass niemand, der im Stande der Gnade und mit rechter und frommer Absicht kommuniziert, vom Tische des Herrn ferngehalten werden kann." Als Voraussetzung nannte der Papst, dass die Kommunikanten "von Todsünden frei seien und den Vorsatz haben, in Zukunft nicht mehr zu sündigen. Wenn dieser aufrichtige Vorsatz vorhanden ist, wird sich die Seele ohne Zweifel durch die tägliche Kommunion auch von lässlichen Sünden und vom Hang dazu allmählich befreien." (Nr. 14-15) Auf dieser Linie lag auch die Entscheidung des Papstes, Kinder früher als bis dahin üblich zum ersten Empfang der heiligen Kommunion zu führen: "Das Unterscheidungsalter, sowohl für die Beichte, als auch für die heilige Kommunion, ist dann, wenn das Kind zu denken beginnt, das bedeutet, ungefähr ab dem siebten Lebensjahr, manchmal etwas später, jedoch auch früher. Von dieser Zeit an beginnt die Pflicht, dem Doppelgebot der Beichte und der Kommunion Genüge zu leisten." (Dekret Quam singulari, 8. August 1910)

In die Zeit dieses Pontifikats fiel als Ergebnis der hymnologischen Forschungen in den Benediktinerabteien, vor allem in Solesmes und Beuron, auch die Veröffentlichung des Kyriale (1905) und des Graduale Romanum (1908), die beide für die Belebung des Choralgesanges in den Pfarrgemeinden sehr wichtig wurden.

Die Liturgische Bewegung und die Gemeinschaftsmesse

Hauptartikel: Liturgische Bewegung

Neben den liturgischen Forschungen vorwiegend der Benediktiner im Raum der Kirchenmusik und der Liturgiegeschichte wurden Reformen der Liturgie von der kirchlichen Jugendseelsorge und der katholischen Jugendbewegung vorangetrieben, die ebenfalls bestimmt waren von einer bewussteren Mitfeier der Eucharistie durch die Gläubigen. Dasselbe gilt von der pfarrliche zentrierten "volksliturgischen Bewegung" in Österreich (Pius Parsch, Klosterneuburg) und im Leipziger Oratorium.

Die Mysterientheologie des Maria Laacher Benediktiners Odo Casel ergänzte die Opfer- und Sakramententheologie um den Aspekt der "feiernden Vergegenwärtigung" des unsichtbaren Geheimnisses der Kirche in der Liturgie. Auch die von Romano Guardini inspirierte "Entdeckung der Kirche als Mysterium" bedeutete eine Überwindung eines rein juridischen Kirchen- und Liturgieverständnisses.<ref>Albert Gerhards, Benedikt Kranemann: Einführung in die Liturgiewissenschaft, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2. Auflage, Darmstadt 2008, S. 103f.</ref> Papst Pius XII. nahm diese Impulse in seine Enzykliken Mystici corporis (1943) und Mediator Dei (1947) auf.

Ihren sichtbaren Ausdruck fanden die Reformen in der Gemeinschaftsmesse, die Ende der 1920er-Jahre entstand und sich zunächst im Bereich der Jugendseelsorge verbreitete. Sie wurde von den deutschen Bischöfen empfohlen und erhielt 1943 offizielle die kirchliche Duldung.

Die Reform der Karwochenliturgie durch Papst Pius XII.

Die Auferstehungsfeier am Morgen des Karsamstags war in der Liturgischen Bewegung zunehmend als unpassend empfunden worden. Zum einen führte der frühe Zeitpunkt der Feier dazu, dass die Auferstehungsfeier mitten im Tag der eigentlichen Grabesruhe Christi lag, zum anderen wurde anschließend trotz des Osterjubels in der Heiligen Messe weiter gefastet, denn das Osterfasten endete erst um Mitternacht. Die Gläubigen konnten zudem an den morgendlichen Gottesdiensten des Triduum Sacrum in der Regel nicht teilnehmen, weil die Kartage nicht mehr, wie im Mittelalter, als Feiertage begangen wurden. Die wichtigsten Feiern im Kirchenjahr fanden nun oft als reine Klerikergottesdienste statt.<ref>P. Ferdinando Antonelli OFM: Die Reform der heiligen Woche, ihre Bedeutung und ihr pastoraler Charakter. In: Johannes Wagner, Balthasar Fischer (Hrsg.): Die Feier der Heiligen Woche. Ein Werkbuch. Paulinus-Verlag, Trier 1957, S. 28-36, hier S. 30.</ref>

Schon in den 1930er-Jahren gab es daher Versuche auf Gemeindeebene, die Auferstehungsfeier in die Osternacht zurückzuverlegen. In den 1940er-Jahren wurde das Anliegen dem Papst vorgetragen. Pius XII. beauftragte die Kongregation für die Riten 1946 mit der Überarbeitung des Ordo Hebdomadae Sanctae, der liturgischen Ordnung für die Heilige Woche. Am 9. Februar 1951 erließ diese Kongregation auf Geheiß des Papstes und nach Zuarbeit durch die vom Papst 1948 gegündete Kommission für die Liturgiereform das Dekret Dominicae resurrectionis vigiliam zur Wiederherstellung der Ostervigil. Die Regelungen galten zunächst „ad experimentum“ für ein Jahr, 1952 wurden sie für drei weitere Jahre verlängert. Am 16. November 1955 erließ die Ritenkongregation das Generaldekret Maxima redemptionis, mit dem die ganze Liturgie der Heiligen Woche in einem Ordo hebdomadae sanctae restitutus („Erneuerte Ordnung der Heiligen Woche“) neu gefasst wurde.<ref>Dies geschah nicht aus historischen Gründen durch „Musealrestauration“ einer bestimmten Phase ihrer Entwicklungsgeschichte, sondern aus seelsorglichen Gründen: „dass die Gläubigen die ehrwürdigen Gottesdienste dieser Tage [...] leichter besuchen und frömmer und fruchtbarer mitfeiern können“</ref>

Wesentliche Neuerung war die Anordnung einer hora competens („angemessenen Uhrzeit“)<ref>Maxima redemptionis, Abschnitt II.</ref> für die liturgischen Feiern. So fand jetzt die Messe vom Letzten Abendmahl am Gründonnerstag wieder am Abend statt, die Feier vom Leiden und Sterben Christi am Karfreitag zur biblisch überlieferten Sterbestunde Jesu (der „neunten Stunde“ = 15 Uhr) und die Auferstehungsfeier in der Nacht zum Ostersonntag. Damit sollte erreicht werden, dass alle Gläubigen leichter an den Feiern teilnehmen könnten und die Gottesdienste nicht weiter von Klerikern ecclesiarum aulis saepe quasi desertis („in oft leeren, verlassenen Kirchen“) vollzogen würden.<ref>Maxima redemptionis, Einleitung.</ref> Die Ritenkongregation gab die Instruktion am 15. März 1956 über die rechte Durchführung der neuen Ordnung der Heiligen Woche heraus.' <ref>P. Josef Löw CSSR: Eine Großaufgabe für die Seelsorge. Die Erneuerung der Karwochenliturgie durch Pius XII. In: Johannes Wagner, Balthasar Fischer (Hrsg.): Die Feier der Heiligen Woche. Ein Werkbuch. Paulinus Verlag Trier 1957, S. 37-59, hier S. 45; Hansjörg Auf der Maur: Feiern im Rhythmus der Zeit I. Herrenfeste in Woche und Jahr. Regensburg 1983, ISBN 3-7917-0788-4 (Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft. Teil 5.), S. 129.</ref>

Die Ritenkongregation veranlasste mit dem Dekret Cum nostra vom 23. März 1955 die Vereinfachung der liturgischen Rubriken des Breviers und des Missale Romanum. Dieses trat am 1. Januar 1956 in Kraft.

Die Reform der Rubriken durch Papst Johannes XXIII.

Das Motu proprio von Papst Johannes XXIII. vom 25. Juli 1960, leitete eine vorläufige Reform der Rubriken im römischen Brevier und Missale ein. Sie ist nicht nur eine Kodifizierung der Dekrete früherer Päpste, sondern auch eine Verkürzung des Breviers und in etwa eine Vereinfachung, die aber keine grundlegenden Änderungen brachte (vgl. Die Rubriken für das Römische Brevier und Missale im Pontifikat Johannes XXIII., Pontifikat Johannes' XXIII, Nr. 2).

Liturgiereform durch das Zweite Vatikanische Konzil

Leitlinien der Reform (Auszug)

SC Nr. 14: Die Mutter Kirche wünscht sehr, alle Gläubigen möchten zu der vollen, bewussten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern geführt werden, wie sie das Wesen der Liturgie selbst verlangt und zu der das christliche Volk, "das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, der heilige Stamm, das Eigentumsvolk" ({{#ifeq: 1. Brief des Petrus | Liturgiereformen im 20. Jahrhundert |{{#if: 1 Petr|1 Petr|1. Brief des Petrus}}|{{#if: 1 Petr |1 Petr|1. Brief des Petrus}}}} 2{{#if:9|,9}} Petr%202{{#if:9|,9}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Petr%202{{#if:9|,9}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}; vgl. 2{{#if:4-5|,4-5}} Petr%202{{#if:4-5|,4-5}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Petr%202{{#if:4-5|,4-5}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}) kraft der Taufe berechtigt und verpflichtet ist. Diese volle und tätige Teilnahme des ganzen Volkes ist bei der Erneuerung und Förderung der heiligen Liturgie aufs stärkste zu beachten, ist sie doch die erste und unentbehrliche Quelle, aus der die Christen wahrhaft christlichen Geist schöpfen sollen. Darum ist sie in der ganzen seelsorglichen Arbeit durch gebührende Unterweisung von den Seelsorgern gewissenhaft anzustreben. Es besteht aber keine Hoffnung auf Verwirklichung dieser Forderung, wenn nicht zuerst die Seelsorger vom Geist und von der Kraft der Liturgie tief durchdrungen sind und in ihr Lehrmeister werden. Darum ist es dringend notwendig, dass für die liturgische Bildung des Klerus gründlich gesorgt wird.

SC Nr. 19: Die Seelsorger sollen eifrig und geduldig bemüht sein um die liturgische Bildung und die tätige Teilnahme der Gläubigen, die innere und die äußere, je nach deren Alter, Verhältnissen, Art des Lebens und Grad der religiösen Entwicklung. Damit erfüllen sie eine der vornehmsten Aufgaben des treuen Spenders der Geheimnisse Gottes. Sie sollen ihre Herde dabei nicht bloß mit dem Wort, sondern auch durch das Beispiel führen.

Nr. 23: "Schließlich sollen keine Neuerungen eingeführt werden, es sei denn, ein wirklicher und sicher zu erhoffender Nutzen der Kirche verlange es. Dabei ist Sorge zu tragen, dass die neuen Formen aus den schon bestehenden gewissermaßen organisch herauswachsen."

SC Nr. 33: Obwohl die heilige Liturgie vor allem Anbetung der göttlichen Majestät ist, birgt sie doch auch viel Belehrung für das gläubige Volk in sich.

SC Nr. 34: Die Riten mögen den Glanz edler Einfachheit an sich tragen und knapp, durchschaubar und frei von unnötigen Wiederholungen sein.

Zur Reform der Messe:

[Sacrosanctum concilium, KAPITEL II (Nr. 47-56; ohne Anmerkungen)]

DAS HEILIGE GEHEIMNIS DER EUCHARISTIE

47. Unser Erlöser hat beim Letzten Abendmahl in der Nacht, da er überliefert wurde, das eucharistische Opfer seines Leibes und Blutes eingesetzt, um dadurch das Opfer des Kreuzes durch die Zeiten hindurch bis zu seiner Wiederkunft fortdauern zu lassen und so der Kirche, seiner geliebten Braut, eine Gedächtnisfeier seines Todes und seiner Auferstehung anzuvertrauen: das Sakrament huldvollen Erbarmens, das Zeichen der Einheit, das Band der Liebe, das Ostermahl, in dem Christus genossen, das Herz mit Gnade erfüllt und uns das Unterpfand der künftigen Herrlichkeit gegeben wird.

48. So richtet die Kirche ihre ganze Sorge darauf, dass die Christen diesem Geheimnis des Glaubens nicht wie Außenstehende und stumme Zuschauer beiwohnen; sie sollen vielmehr durch die Riten und Gebete dieses Mysterium wohl verstehen lernen und so die heilige Handlung bewußt, fromm und tätig mitfeiern, sich durch das Wort Gottes formen lassen, am Tisch des Herrenleibes Stärkung finden. Sie sollen Gott danksagen und die unbefleckte Opfergabe darbringen nicht nur durch die Hände des Priesters, sondern auch gemeinsam mit ihm und dadurch sich selber darbringen lernen. So sollen sie durch Christus, den Mittler, von Tag zu Tag zu immer vollerer Einheit mit Gott und untereinander gelangen, damit schließlich Gott alles in allem sei.

49. Damit also das Opfer der Messe auch in der Gestalt seiner Riten seelsorglich voll wirksam werde, trifft das Heilige Konzil im Hinblick auf die mit dem Volk gefeierten Messen, besonders jene an Sonntagen und gebotenen Feiertagen, folgende Anordnungen.

50. Der Mess-Ordo soll so überarbeitet werden, dass der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten und die fromme und tätige Teilnahme der Gläubigen erleichtert werde.

Deshalb sollen die Riten unter treulicher Wahrung ihrer Substanz einfacher werden. Was im Lauf der Zeit verdoppelt oder weniger glücklich eingefügt wurde, soll wegfallen. Einiges dagegen, was durch die Ungunst der Zeit verlorengegangen ist, soll, soweit es angebracht oder nötig erscheint, nach der altehrwürdigen Norm der Väter wiederhergestellt werden.

51. Auf dass den Gläubigen der Tisch des Gotteswortes reicher bereitet werde, soll die Schatzkammer der Bibel weiter aufgetan werden, so dass innerhalb einer bestimmten Anzahl von Jahren die wichtigsten Teile der Heiligen Schrift dem Volk vorgetragen werden.

52. Die Homilie, in der im Laufe des liturgischen Jahres aus dem heiligen Text die Geheimnisse des Glaubens und die Richtlinien für das christliche Leben dargelegt werden, wird als Teil der Liturgie selbst sehr empfohlen. Ganz besonders in den Messen, die an Sonntagen und gebotenen Feiertagen mit dem Volk gefeiert werden, darf man sie nicht ausfallen lassen, es sei denn, es liege ein schwerwiegender Grund vor.

53. Nach dem Evangelium und der Homilie soll - besonders an den Sonntagen und gebotenen Feiertagen - das "Allgemeine Gebet" oder "Gebet der Gläubigen" wiedereingeführt werden, damit unter Teilnahme des Volkes Fürbitten gehalten werden für die heilige Kirche, für die Regierenden, für jene, die von mancherlei Not bedrückt sind, und für alle Menschen und das Heil der ganzen Welt.

54. Der Muttersprache darf im Sinne von Art. 36 dieser Konstitution in den mit dem Volk gefeierten Messen ein gebührender Raum zugeteilt werden, besonders in den Lesungen und im "Allgemeinen Gebet" sowie je nach den örtlichen Verhältnissen in den Teilen, die dem Volk zukommen. Es soll jedoch Vorsorge getroffen werden, dass die Christgläubigen die ihnen zukommenden Teile des Mess-Ordinariums auch lateinisch miteinander sprechen oder singen können. Wenn indes darüber hinaus irgendwo der Gebrauch der Muttersprache bei der Messe in weiterem Umfang angebracht zu sein scheint, so ist die Vorschrift des Artikels 40 dieser Konstitution einzuhalten.

55. Mit Nachdruck wird jene vollkommenere Teilnahme an der Messe empfohlen, bei der die Gläubigen nach der Kommunion des Priesters aus derselben Opferfeier den Herrenleib entgegennehmen. Unbeschadet der durch das Konzil von Trient festgelegten dogmatischen Prinzipien kann in Fällen, die vom Apostolischen Stuhl zu umschreiben sind, nach Ermessen der Bischöfe sowohl Klerikern und Ordensleuten wie auch Laien die Kommunion unter beiden Gestalten gewährt werden, so etwa den Neugeweihten in der Messe ihrer heiligen Weihe, den Ordensleuten in der Messe bei ihrer Ordensprofess und den Neugetauften in der Messe, die auf die Taufe folgt.

56. Die beiden Teile, aus denen die Messe gewissermaßen besteht, nämlich Wortgottesdienst und Eucharistiefeier, sind so eng miteinander verbunden, dass sie einen einzigen Kultakt ausmachen. Daher mahnt die Heilige Versammlung die Seelsorger eindringlich, sie sollen in der religiösen Unterweisung die Gläubigen mit Eifer belehren, an der ganzen Messe teilzunehmen, vor allem an Sonntagen und gebotenen Feiertagen.

[Kommentar (pro Reform) zur "neuen" Messe im Detail, Teil I , Teil II (engl.)]

Stundengebet

[Sacrosanctum concilium, Kapitel IV: Das Stundengebet (Nr. 83-101)]

SC Nr. 88: Da die Heiligung des Tages Ziel des Stundengebetes ist, soll die überlieferte Folge der Gebetsstunden so neugeordnet werden, dass die Horen soweit wie möglich ihren zeitgerechten Ansatz wiedererhalten. Dabei soll zugleich den heutigen Lebensverhältnissen Rechnung getragen werden, in denen vor allem jene leben, die apostolisch tätig sind.

Nr. 89 gibt als Richtlinien für die Reform des Stundengebetes vor: Die Laudes als Morgengebet und die Vesper als Abendgebet (die beiden Angelpunkte des täglichen Stundengebetes) sollen als die vornehmsten Gebetsstunden angesehen und als solche gefeiert werden. Die Komplet soll so eingerichtet werden, dass sie dem Tagesabschluß voll entspricht.

Die sogenannte Matutin soll zwar im Chor den Charakter als nächtliches Gotteslob beibehalten, aber so eingerichtet werden, dass sie sinnvoll zu jeder Tageszeit gebetet werden kann. Sie soll aus weniger Psalmen und längeren Lesungen bestehen und wird daher nach der Reform "Lesehore" genannt. Die Prim soll wegfallen, und die kleinen Horen Terz, Sext und Non sollen im Chor beibehalten werden, außerhalb des Chores darf eine davon ausgewählt werden, die der betreffenden Tageszeit am besten entspricht (heute: "Tageshore").

Die Psalmen sollen nicht mehr auf eine Woche, sondern auf einen längeren Zeitraum verteilt werden. (Nr. 91)

Die Lesungen sollen so geordnet werden, dass Texte aus der Heiligen Schrift "leicht und in reicherer Fülle zugänglich werden", hingegen sollen die Lesungen aus den Werken der Väter, der Kirchenlehrer und Kirchenschriftsteller "besser ausgewählt werden", und "die Leidensgeschichten und Lebensbeschreibungen der Heiligen sollen so gefaßt werden, dass sie der geschichtlichen Wahrheit entsprechen". (Nr. 92) Auch die Hymnen im Stundengebet sollen einer kritischen Durchsicht unterworfen werden, und was darin "mythologische Züge an sich trägt oder der christlichen Frömmigkeit weniger entspricht", soll entfernt oder geändert werden. (Nr. 93)

Überarbeitung des Generalkalenders

[Sacrosanctum concilium, Kapitel V: Das liturgische Jahr (Nr. 102-111)]

Die Liturgiekonstitution stellte die Bedeutung des Paschageheimnisses für die Liturgie besonders heraus und gibt dem Osterfest und seinem wöchentlichen Gedächtnis, dem Sonntag als "Herrentag", besonderes Gewicht, ferner auch den Herrenfesten:

SC Nr. 102: Als liebende Mutter hält die Kirche es für ihre Aufgabe, das Heilswerk ihres göttlichen Bräutigams an bestimmten Tagen das Jahr hindurch in heiligem Gedenken zu feiern. In jeder Woche begeht sie an dem Tag, den sie Herrentag genannt hat, das Gedächtnis der Auferstehung des Herrn, und einmal im Jahr feiert sie diese Auferstehung zugleich mit dem seligen Leiden des Herrn an Ostern, ihrem höchsten Fest. Im Kreislauf des Jahres entfaltet sie das ganze Mysterium Christi von der Menschwerdung und Geburt bis zur Himmelfahrt, zum Pfingsttag und zur Erwartung der seligen Hoffnung und der Ankunft des Herrn. Indem sie so die Mysterien der Erlösung feiert, erschließt sie die Reichtümer der Machterweise und der Verdienste ihres Herrn, so dass sie jederzeit gewissermaßen gegenwärtig gemacht werden und die Gläubigen mit ihnen in Berührung kommen und mit der Gnade des Heiles erfüllt werden.

SC Nr. 108: Die Herzen der Gläubigen sollen vor allem auf die Herrenfeste hingelenkt werden, in denen die Heilsgeheimnisse das Jahr hindurch begangen werden. Daher soll das Herrenjahr den ihm zukommenden Platz vor den Heiligenfesten erhalten, damit der volle Kreis der Heilsmysterien in gebührender Weise gefeiert wird.

SC Nr. 111: [...] Die Feste der Heiligen sollen nicht das Übergewicht haben gegenüber den Festen, welche die eigentlichen Heilsmysterien begehen. Eine beträchtliche Anzahl von ihnen möge der Feier in den einzelnen Teilkirchen, Nationen oder Ordensgemeinschaften überlassen bleiben, und nur jene sollen auf die ganze Kirche ausgedehnt werden, die das Gedächtnis solcher Heiligen feiern, die wirklich von allgemeiner Bedeutung sind.

Im Jahr 1969 wurde daraufhin das Calendarium Romanum Generale, der für die ganze Kirche geltende Festkalender des Kirchenjahres neu festgelegt. (Siehe auch: Verlegte Heiligenfeste der Liturgiereform 1970).

"Inkulturation"

Insbesondere Nr. 37-40 der Liturgiekonstitution gestatten ausdrücklich, das Spektrum des römischen Typs der Liturgie im Interesse der Inkulturation des Evangeliums zu überschreiten, insbesondere in den Missionen, aber nicht nur dort. Man kann daher sagen, dass z.B. die Approbation neuer Eucharistischer Hochgebete (über preces I-IV des MR 1970 hinaus), stillschweigend auf die "Inkulturations"-Ermächtigung von Sacrosanctum concilium gestützt wurde. Manche sehen in Nr. 40 SC auch die Ermächtigung für die rasche weitere Ausdehnung der Volkssprache in der Liturgie (s.o.).

Weitere Themen

Auch für die Liturgie der Sakramente und Sakramentalien beschließt das Konzil Revisionen; auch diese Feiern sollen "im Sinne des obersten Grundsatzes von der bewußten, tätigen und leicht zu vollziehenden Teilnahme der Gläubigen und im Hinblick auf die Erfordernisse unserer Zeit" (SC 79) überarbeitet werden.

In Kapitel VI. (Nr. 112-121) wird die Kirchenmusik besonders gewürdigt, der Volksgesang soll in jeder liturgischen Feier als die der gesamten Gemeinde der Gläubigen zukommende tätige Teilnahme ermöglicht werden (Nr. 114). Die Pfeifenorgel soll "als traditionelles Musikinstrument in hohen Ehren gehalten werden" (Nr. 120), und der Gregorianische Choral nimmt weiterhin in den liturgischen Vollzügen den ersten Platz ein (Nr. 116), aber auch andere - landes- und kulturtypische - Gesänge und Instrumente sollen Wertschätzung und angemessenen Raum bekommen, sofern die Instrumente "sich für den heiligen Gebrauch eignen oder für ihn geeignet gemacht werden können, der Würde des Gotteshauses angemessen sind und die Erbauung der Gläubigen wirklich fördern" (Nr. 120) und die Regionen "eine eigene Musiküberlieferung besitzen, die in ihrem religiösen und sozialen Leben große Bedeutung hat" (Nr. 119).

Die Durchführung von Sacrosanctum concilium

Im Zuge der Liturgiereform nach dem 2. Vatikanischen Konzil, wurde ab dem 7. März 1965 (dem 1. Fastensonntag) erlaubt, dass die Landessprachen in der gesamten Liturgie verwendet werden. Obgleich "Schwierigkeiten und einigen Liturgiemissbräuchen, hat sich die verwirklichte Liturgiereform seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil das Leben der Kirche segensreich ausgeübt. Es war in ihr die Führung des Heiligen Geistes wirksam."<ref>vgl. Benedikt XVI.; Sacramentum caritatis über die Eucharistie - Quelle und Höhepunkt von Leben und Sendung der Kirche vom 22. Februar 2007, Nr. 3.</ref>

Instruktionen zur Ausführung der Liturgiekonstitution

In Umsetzuung der Konzilesbeschlüsse erließen die Heilige Ritenkongregation, die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung und der Rat zur rechten Ausführung der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils mehrere Instruktionen:

Weitere päpstliche Dokumente

Kritik an der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils

Religionspsychologen und "actuosa participatio"

Bezüglich der Liturgiereform meinte Bischof Rudolf Graber: "Vielleicht war es auch ein Fehler, dass man zur Liturgiereform nicht auch Religionspsychologen beigezogen hat." Es sei in der Tat unverständlich, dass man in einer Zeit, die den ganzen Menschen in den Mittelpunkt rücke, die für östlichen Yoga und byzantinische Liturgie schwärme, hier nur den halben Menschen, den Menschen der Ratio, der Vernunft, in Rechnung setze, den rein zweckhaft handelnden, der nur dann etwas vollziehe, wenn ein humanitärer Zweck damit verbunden sei, oder wenn damit ein pastoraltheologisches Ziel erreicht werden könne. Eine weitere Frage sei aber die, ob man die "actuosa participatio" nicht zu sehr im typisch abendländischen Sinn verstanden habe, ob immer etwas, und zwar etwas Äußerliches zu geschehen habe, als ob immer "Betrieb" sein müsse. <ref> vgl. Rudolf Graber: Kirche nach dem Konzil. Veritas Verlag Wien, S. 17 (1967 herausgegeben unter dem Titel: Zur nachkonziliaren Situation der Kirche 1967. Unterteilt ist das 32 Seiten und DIN 5 Heft in drei Kapitel: I. Die zweite Reformation; II. Die zweite Aufklärung; III: Der Neo-Modernismus </ref>

Konkrete Gesten der Anbetung

Kritiker behaupten, eine Verminderung der Gesten in der Liturgie<ref>"Die Riten mögen den Glanz edler Einfachheit an sich tragen und knapp, durchschaubar und frei von unnötigen Wiederholungen sein." SC 34</ref> habe zu einer Verarmung des Aspektes des Heiligen, der Ehrfurcht und Anbetung geführt. Der kasachische Weihbischof Athanasius Schneider kritisierte die Liturgiereform und behauptete: "Gestenreduzierung statt Vermehrung ist ein offensichtlicher Widerspruch zu den patristischen Zeugnissen und zeigt eine Haltung, welche das Lehramt der Kirche als liturgischen Archäologismus in der Enzyklika Mediator dei von Papst Pius XII. verurteilte." Der Weihbischof weiter: "Eine liturgische Erneuerung, welche den christozentrischen und transzendenten Charakter der Liturgie betont, muss sich auf konkrete Gesten der Anbetung, wie sie am Beispiel der Engel gezeigt wird und den Geist der Heiligen Schrift und der Väter ausdrückt, stützen und diese erhalten."<ref>vgl. Die Heiligkeit der Liturgie im Zeugnis der Kirchenväter (IV. Teil) von Weihbischof Athanasius Schneider</ref>

Reform der Reform"

Joseph Kardinal Ratzinger warb seit langem für eine „Reform der Reform".<ref>vgl. Ratzinger fordert 'Reform der Reform'</ref> Damit meint er eine neue liturgische Bewegung.<ref>so Kardinal Kurt Koch Das Motu proprio ‚Summorum Pontificum’ als ökumenische Brücke Kath.net am 16. Mai 2011 von Armin Schwibach</ref>Er wirbt für eine "eine Wiederentdeckung des Wesentlichen in der Liturgie. Liturgie sei allgemein ein Überschreiten des alltäglichen Lebens. Selbstüberschreitung sei in den Kern christlicher Liturgie eingeschrieben (Von mir weg zu einem Höheren). Es geht darum, die Ehrfurcht und das Übernatürliche wieder aufleuchten zu lassen - die Liturgie nicht zu banalisieren und zu profanieren, und das geht auch in der Volkssprache."<ref>40 Jahre Liturgiereform-Festakt in Trier mit Joseph Kardinal Ratzinger, Die Tagespost 6. Dez. 2003; Michael Schneider, Zur Grundlegung und Erneuerung der Liturgie nach der Theologie Joseph Ratzingers - Papst Benedikts XVI.</ref>

Kardinal Walter Kasper forderte im April 2011 beim Symposion „Die Liturgie der Kirche“ des „Kardinal Walter Kasper Instituts für Theologie–Ökumene–Spiritualität“ an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Vallendar eine „in die Tiefe gehende Reform unserer liturgischen Reformen“. Liturgie dürfe nicht entsakralisiert und ihrer Erhabenheit beraubt werden, betonte Kasper, denn sie sei Gottesdienst, nicht nur Gemeindefeier. Gerade in unserer Zivilisation, welche egalisierend, säkularisierend und weithin sinnentleerend sei, bedeute die Erfahrung der Erhabenheit und des Faszinosums des Heiligen gleichzeitig auch das Heilende.<ref>Kardinal Kasper fordert 'Reform unserer liturgischen Reformen' Kath.net am 7. April 2011</ref> Ähnliches äußerte im August 2015 der kirchenkritische „Humanistische Pressedienst“ (HPD) in einen Beitrag zur Liturgiereform. Er analysierte den Gottesdienstbesuch vor der Refom von 1950 bis 1965 und nach der Reform von 1965 bis 2013 und weist darauf hin, dass „mit der Liturgiereform [...] das ‚Geheimnisvolle‘ und ‚Erhabene‘ zum Banalen und Alltäglichen für die Gläubigen“ geworden sei. Es habe "nichts mehr mit überirdischem Glanz, Opfer und Mysterium zu tun“, schreibt der HPD.<ref>Nichts mehr mit überirdischem Glanz, Opfer und Mysterium? Kath.net am 21 August 2015</ref>

Kardinal Robert Sarah sprach bei der „Sacra Liturgia“ Konferenz Anfang Juli 2016 in London. In seinem Vortrag berichtete der Kardinal, er sei von Papst Franziskus mit einer „Reform der Reform“ der Liturgie nach dem II. Vatikanischen Konzil beauftragt worden. Einige der nach dem Konzil durchgeführten Reformen seien zu sehr vom damaligen Zeitgeist beeinflusst gewesen und über die Liturgiekonstitution „Sacrosanctum Concilium“ hinausgegangen. Eine vollständige Umsetzung der Konstitution bedürfe einer „Hermeneutik der Kontinuität“. Die Konzilsväter „beabsichtigten keine Revolution, sondern eine Evolution“, betonte Kardinal Sarah.<ref>Kardinal Sarah bittet Priester, ‚ad orientem’ zu zelebrieren Kath.net am 6. Juli 2016; Vollständige Rede der Londoner Rede von Kardinal Sarah] Kathnews am 15. Juli 2016.</ref>

Papst Franziskus zur Liturgiereform

Papst Franziskus pflegt persönlich einen sehr schlichten Stil in der Liturgie und lehnte von Anfang an die Verwendung prunkvoller Gewänder und Insignien ab. In einem Interview erklärte er im September 2013: "Die Arbeit der Liturgiereform war ein Dienst am Volk, wie eine neue Lektüre des Evangeliums, ausgehend von einer konkreten historischen Situation. Ja, da gibt es Linien, die auf eine Hermeneutik der Kontinuität und eine der Diskontinuität hinweisen. Aber eines ist klar: Die Dynamik der aktualisierten Lektüre des Evangeliums von heute, die dem Konzil eigen ist, ist absolut unumkehrbar. Dann gibt’s da spezielle Fragen, wie die der Liturgie nach dem Alten Ritus. Ich denke, dass die Entscheidung von Papst Benedikt klug abwägend gewesen ist als Hilfe für einige Personen, die diese besondere Sensibilität haben. Ich finde aber das Risiko einer Ideologisierung des Vetus Ordo, seine Instrumentalisierung, sehr gefährlich."<ref>Antonio Spadaro SJ: Das Interview mit Papst Franziskus. In: Stimmen der Zeit</ref>

Literatur

  • Dokumente zur Erneuerung der Liturgie mit dem Untertitel Dokumente des Apostolischen Stuhls (DEL) von 1963 bis 2003. Es besteht aus vier Bänden.
  • Klaus Gamber: Probleme der Liturgiereform: in: Hans Pfeil (Hrsg.): Unwandelbares im Wandel der Zeit, 19 Abhandlungen gegen die Verunsicherung im Glauben Paul Pattloch Verlag Aschaffenburg , Band I: 1976, S. 292-314 (440 Seiten; ISBN 3-557-91109-8).
  • Ralf van Bühren: Kunst und Kirche im 20. Jahrhundert. Die Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils (Konziliengeschichte, Reihe B: Untersuchungen), Verlag Ferdinand Schöningh Paderborn 2008 (ISBN 978-3-506-76388-4), S. 253-626, 640-646
  • Annibale Bugnini: Die Liturgiereform, Freiburg u.a. 1987
  • Stefan Heid: Operation am lebenden Objekt. Roms Liturgiereformen von Trient bis zum Vaticanum II. bebra wissenschaft Verlag 2014 (392 Seiten; ISBN 978-3-95410-032-3; [1], Inhalt und Vorwort).
  • Heidemarie Seblatnig (Hg.): Hetzendorf und der Ikonoklasmus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Facultas Universitätsverlag Wien 2010 (390 Seiten).
  • Georg May: Die Liturgiereform des Zweiten Vatkanischen Konzils. Bemerkungen eines Kirchenrechtlers, in: Becker, Hansjakob (Hrsg.), Gottesdienst-Kirche-Gesellschaft (Pietas Liturgica 5), St. Ottilien 1991; Una Voce-Korrespondenz (November 1992) 77-116 (Sonderdruck).

siehe: Experimente in der Liturgie

Weblinks

Anmerkungen

<references />