Misericordia Dei (Wortlaut)

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Motu proprio
Misericordia Dei

von Papst
Johannes Paul II.
über über einige Aspekte der Feier des Sakramentes der Buße
7. April 2002
(Offizieller lateinischer Text: AAS 94 [2002] 452-459)

(Quelle: Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite; auch in: VAS 153)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Durch die Barmherzigkeit Gottes, des Vaters, der versöhnt, hat das Wort Fleisch angenommen im reinen Schoß der seligen Jungfrau Maria, um »sein Volk von seinen Sünden« zu erlösen (Mt 1,21) und ihm »den Weg des ewigen Heiles« zu erschließen.<ref>Missale Romanum, Präfation vom I. Adventssonntag.</ref> Der heilige Johannes der Täufer bestätigt diese Sendung, indem er auf Jesus hinweist als das »Lamm Gottes«, »das die Sünden der Welt hinwegnimmt« (Joh 1, 29). Das gesamte Handeln und die Verkündigung des Vorläufers Jesu sind ein nachdrücklicher und beherzter Ruf zur Buße und zur Umkehr, dessen Ausdruck die in den Wassern des Jordans gespendete Taufe ist. Jesus selbst unterwarf sich jenem Bußritus (vgl. Mt 3, 13-17), nicht weil er gesündigt hätte, sondern weil »er sich unter die Sünder rechnen läßt. Er ist schon ,,das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt “(Joh 1,29). Er nimmt schon die ,,Taufe“ seines blutigen Todes vorweg«.<ref>Katechismus der Katholischen Kirche, 536.</ref> Das Heil ist insbesondere Erlösung von der Sünde, die ein Hindernis für die Freundschaft mit Gott ist, Befreiung aus dem Zustand der Sklaverei, in dem der Mensch steht, der der Versuchung des Bösen nachgab und die Freiheit der Kinder Gottes verloren hat (vgl. Röm 8, 21).

Die von Christus den Aposteln anvertraute Sendung ist die Ankündigung des Reiches Gottes und die Verkündigung des Evangeliums im Hinblick auf die Bekehrung (vgl. Mk 16, 15; Mt 28, 18-20). Der Abend desselben Tages seiner Auferstehung, unmittelbar vor Beginn der apostolischen Sendung, schenkt Jesus den Aposteln, auf Grund der Kraft des Heiligen Geistes, die Macht, die reuigen Sünder mit Gott und mit der Kirche zu versöhnen: »Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert« (Joh 20, 22-23).<ref>Vgl. Ökum. Konzil von Trient, 14. Sitzung, Über das Sakrament der Buße, can. 3: DH 1703.</ref>

Im Laufe der Geschichte und in der ununterbrochenen Praxis der Kirche hat sich der »Dienst der Versöhnung« (2 Kor 5, 18), der durch die Sakramente der Taufe und der Buße gespendet worden ist, als eine pastorale Aufgabe erwiesen, die immer lebendig im Bewusstsein blieb und die gemäß dem Auftrag Jesu als ein wesentlicher Bestandteil des priesterlichen Amtes erfüllt worden ist. Die Feier des Sakramentes der Buße hat im Laufe der Jahrhunderte eine Entwicklung erfahren, die verschiedene Formen hervorgebracht hat, wobei die Grundstruktur jedoch immer bewahrt worden ist. Neben der Handlung des Beichtvaters — dieser ist immer ein Bischof oder ein Priester, der im Namen Jesu Christi richtet und freispricht, heilt und gesund macht — besteht diese notwendigerweise aus den Akten des Büßers: die Reue, das Bekenntnis und die Genugtuung.

Im Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte habe ich geschrieben: »Sodann bitte ich um einen neuen pastoralen Mut, damit die tägliche Pädagogik der christlichen Gemeinden überzeugend und wirksam die Praxis des Sakramentes der Versöhnung vorzulegen vermag. Wie ihr euch erinnert, habe ich mich im Jahre 1984 zu diesem Thema mit dem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben Reconciliatio et paenitentia geäußert. Dieses Dokument faßte die Früchte der Überlegungen zusammen, die eine Generalversammlung der Bischofssynode zu diesem Problem hervorgebracht hatte. Damals habe ich darum gebeten, mit aller Anstrengung die Krise des ,,Sündenbewußtseins“ anzugehen, die sich in der zeitgenössischen Kultur feststellen läßt. (...) Als die schon erwähnte Synode das Problem behandelte, hatten alle die Krise des Sakramentes vor Augen, die sich besonders in einigen Gebieten der Welt zeigt. Die Gründe, die an der Wurzel liegen, sind in dieser kurzen Zeitspanne nicht geschwunden. Doch war das Jubiläumsjahr besonders von einer Rückkehr zur sakramentalen Buße geprägt; so hält es eine ermutigende Botschaft bereit, die man nicht unterschlagen sollte: Wenn viele Gläubige, darunter auch zahlreiche Jugendliche, dieses Sakrament fruchtbar empfangen haben, dann müssen wahrscheinlich die Hirten mehr Vertrauen, mehr Phantasie und einen längeren Atem haben, um das Bußsakrament in der Verkündigung vorzulegen und seine Wertschätzung zu fördern«.<ref>Nr. 37: AAS 93 (2001) 292.</ref>

Mit diesen Worten hatte und habe ich die Absicht, meinen Mitbrüdern im bischöflichen Amt — und durch diese allen Priestern — Mut zu machen und sie gleichzeitig mit Nachdruck einzuladen, für eine rasche Erneuerung des Sakramentes der Versöhnung zu sorgen. Dies ist auch eine Forderung echter Nächstenliebe und wahrer pastoraler Gerechtigkeit.<ref>Vgl.CIC, can. 213 und 843 § I.</ref> Ich erinnere sie auch daran, dass jeder Gläubige, der die geforderte innere Disposition mitbringt, das Recht hat, persönlich die Gabe dieses Sakramentes zu empfangen.

Damit das Urteil über die Disposition des Büßers hinsichtlich der Gewährung bzw. der Verweigerung der Vergebung und der Auferlegung der angemessenen Buße von seiten des Spenders des Sakramentes gefällt werden kann, ist es notwendig, dass der Gläubige über das Bewusstsein um die begangenen Sünden, den Schmerz darüber und den Willen, nicht wieder darin zurückzufallen,<ref> Vgl. Ökum. Konzil von Trient, 14. Sitzung, Über das Sakrament der Buße, Kap. 4: DH 1676.</ref> hinaus seine Sünden bekennt. In diesem Sinn erklärte das Konzil von Trient, dass es »nach göttlichem Recht notwendig sei, die Todsünden samt und sonders zu bekennen«.<ref>Ebd., can. 7: DH 1707.</ref> Die Kirche sah schon immer einen wesentlichen Zusammenhang zwischen dem Urteil, das den Priestern in diesem Sakrament anvertraut ist, und der Notwendigkeit, dass die Büßer die eigenen Sünden bekennen,<ref>Ebd., Kap. 5: DH 1679; Ökum. Konzil von Florenz, Dekret für die Armenier (22. November 1439): DH 1323.</ref> außer bei Unmöglichkeit. Weil das vollständige Bekenntnis der schweren Sünden kraft göttlicher Einsetzung grundlegender Bestandteil des Sakramentes ist, ist es keineswegs der freien Verfügbarkeit der Hirten anheimgestellt (Dispens, Interpretation, örtliche Gewohnheiten, usw.). Allein die zuständige kirchliche Autorität gibt genau — im Rahmen der entsprechenden Disziplinarnormen — die Kriterien zur Unterscheidung an, um die echte Unmöglichkeit, die Sünden zu bekennen, zu unterscheiden von anderen Situationen, in denen die Unmöglichkeit nur scheinbar vorliegt oder jedenfalls überwindbar ist.

In den aktuellen pastoralen Situationen und indem ich den besorgten Anträgen zahlreicher Mitbrüder im Episkopat entgegenkomme, halte ich es für angebracht, auf einige der geltenden kanonischen Normen bezüglich der Feier dieses Sakramentes aufmerksam zu machen und dabei einige Aspekte zu präzisieren, um — im Geiste der Gemeinschaft mit der Verantwortung, die dem gesamten Episkopat eigen ist<ref>Vgl.CIC, can. 392; II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nr. 23. 27; Dekret über das Amt der Bischöfe Christus dominus, Nr.16.</ref> —, eine bessere Spendung des Sakramentes zu begünstigen. Es geht darum, die Feier der Gabe, die der Herr Jesus Christus nach seiner Auferstehung der Kirche anvertraut hat, wirksamer zu gestalten, sie immer treu zu wahren, und auf diese Weise fruchtbarer werden zu lassen (vgl. Joh 20,19- 23). Dies scheint besonders notwendig zu sein, da in einigen Gegenden die Tendenz sichtbar wird, die persönliche Beichte fallen zu lassen, und gleichzeitig unerlaubterweise auf die »Generalabsolution« bzw. die »kollektive Absolution« zurückzugreifen, so dass diese nicht mehr als außerordentliches Mittel in ganz außergewöhnlichen Situationen erkennbar ist. Aufgrund einer willkürlichen Ausweitung der Bedingung einer schweren Notlage<ref>Vgl. can. 961, § 1, 2º.</ref> verliert man praktisch die Treue zum göttlichen Charakter des Sakramentes aus den Augen, und konkret die Notwendigkeit der Einzelbeichte, was zu schweren Schäden für das geistliche Leben der Gläubigen und für die Heiligkeit der Kirche führt.

Nachdem ich diesbezüglich die Kongregation für die Glaubenslehre, die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung und den Päpstlichen Rat für die Auslegung von Gesetzestexten angehört sowie die Meinung der verehrten Brüder Kardinäle, die den Dikasterien der Römischen Kurie vorstehen, eingeholt habe, bestätige ich die katholische Lehre über das Sakrament der Buße und der Versöhnung, die im Katechismus der Katholischen Kirche<ref>Vgl. Nr. 980-987; 1114-1134; 1420-1498.</ref> zusammenfassend dargestellt ist. Deshalb bestimme ich im Wissen um meine pastorale Verantwortung und im vollen Bewusstsein über die immer aktuelle Notwendigkeit und Wirksamkeit dieses Sakramentes folgendes:

1. Die Ordinarien sollen alle Spender des Sakramentes der Buße daran erinnern, dass das universale Gesetz der Kirche unter Anwendung der diesbezüglichen katholischen Lehre folgendes bestätigt hat:

a) »Das persönliche und vollständige Bekenntnis und die Absolution bilden den einzigen ordentlichen Weg, auf dem ein Gläubiger, der sich einer schweren Sünde bewußt ist, mit Gott und der Kirche versöhnt wird; allein physische oder moralische Unmöglichkeit entschuldigt von einem solchen Bekenntnis; in diesem Fall kann die Versöhnung auch auf andere Weisen erlangt werden«.<ref>Can. 960.</ref>

b) Deshalb ist »jeder, dem von Amts wegen die Seelsorge aufgetragen ist, zur Vorsorge dafür verpflichtet, dass die Beichten der ihm anvertrauten Gläubigen gehört werden, die in vernünftiger Weise darum bitten; des weiteren, dass ihnen an festgesetzten Tagen und Stunden, die ihnen genehm sind, Gelegenheit geboten wird, zu einer persönlichen Beichte zu kommen«.<ref>Can.986, § 1.</ref>

Ferner sollen alle Priester, die die Befugnis zur Spendung des Bußsakramentes haben, dazu allgemein und stets bereit sein, sooft die Gläubigen begründeter Weise darum bitten.<ref>Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis, 13; Ordo Paenitentiae, editio typica, 1974, Praenotanda, Nr. 10,b.</ref> Der Mangel an Bereitschaft, die verwundeten Schafe aufzunehmen, vielmehr ihnen entgegenzugehen, um sie in den Schafstall zurückzuführen, wäre für den, der durch die Priesterweihe in sich das Bild des Guten Hirten tragen soll, ein schmerzliches Zeichen eines fehlenden pastoralen Empfindens.

2. Die Ortsordinarien sowie die Pfarrer und Rektoren von Kirchen und Heiligtümern müssen periodisch überprüfen, dass tatsächlich die größtmöglichen Erleichterungen für die Beichte der Gläubigen bestehen. Empfohlen wird insbesondere die sichtbare Anwesenheit der Beichtväter in den Kultstätten während der vorgesehenen Zeiten, die Anpassung dieser Zeiten an die reale Lebenssituation der Pönitenten und die spezielle Bereitschaft dazu, vor den Meßfeiern die Beichte abzunehmen und, sofern andere Priester zur Verfügung stehen, dem Bedürfnis der Gläubigen nach der Beichte auch während der Meßfeier nachzukommen.<ref>Vgl. Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Responsa ad dubia proposita: Notitiae 37 (2001) 259-260.</ref>

3. Da »der Gläubige verpflichtet ist, alle nach der Taufe begangenen schweren Sünden, deren er sich nach einer sorgfältigen Gewissenserforschung bewußt ist, nach Art und Zahl zu bekennen, sofern sie noch nicht durch die Schlüsselgewalt der Kirche direkt nachgelassen sind und er sich ihrer noch nicht in einem persönlichen Bekenntnis angeklagt hat«,<ref>Can. 988, § 1.</ref> muss jede Praxis missbilligt werden, die die Beichte auf ein allgemeines oder auf das Bekenntnis nur einer oder mehrerer für gewichtiger gehaltener Sünden beschränkt. Indem man der Berufung aller Gläubigen zur Heiligkeit Rechnung trägt, wird ihnen andererseits empfohlen, auch ihre lässlichen Sünden zu bekennen.<ref>Vgl. can. 988, § 2; Johannes Paul II., Apostol.Schreiben Reconciliatio et paenitentia (2. Dezember 1984), 32: AAS 77 (1985) 267; Katechismus der Katholischen Kirche, 1458.</ref>

4. Die in can. 961 des kirchlichen Gesetzbuches vorgesehene Absolution, die mehreren Pönitenten gleichzeitig und ohne vorausgehende Einzelbeichte erteilt wird, muss im Licht und im Rahmen der vorangehenden Normen verstanden und entsprechend angewendet werden. Sie hat nämlich »den Charakter einer Ausnahme«<ref>Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Reconciliatio et paenitentia (2. Dezember 1984), 32: a.a.O.</ref> und »kann in allgemeiner Weise nur erteilt werden:

1º wenn Todesgefahr besteht und für den oder die Priester die Zeit nicht ausreicht, um die Bekenntnisse der einzelnen Pönitenten zu hören;

2º wenn eine schwere Notlage besteht, das heißt, wenn unter Berücksichtigung der Zahl der Pönitenten nicht genügend Beichtväter vorhanden sind, um die Bekenntnisse der einzelnen innerhalb einer angemessenen Zeit ordnungsgemäß zu hören, so dass die Pönitenten ohne eigene Schuld gezwungen wären, die sakramentale Gnade oder die heilige Kommunion längere Zeit zu entbehren; als ausreichend begründete Notlage gilt aber nicht, wenn allein aufgrund eines großen Andrangs von Pönitenten, wie er bei einem großen Fest oder bei einer Wallfahrt vorkommen kann, nicht genügend Beichtväter zur Verfügung stehen können«.<ref>Can. 961, § 1.</ref> Was den Fall der schweren Notlage betrifft, gilt präzise folgendes:

a) Es handelt sich um objektive Ausnahmesituationen, wie sie in Missionsgebieten oder in Gemeinden abgeschieden lebender Gläubiger vorkommen können, wo der Priester nur einmal oder wenige Male im Jahr vorbeikommen kann, wenn es ihm die kriegsbedingten oder meteorologischen Verhältnisse oder andere ähnliche Umstände gestatten.

b) Die beiden im Kanon festgelegten Voraussetzungen für die schwere Notlage dürfen nicht voneinander getrennt werden; deshalb reicht allein die Unmöglichkeit, wegen Priestermangels den einzelnen die Beichte »ordnungsgemäß« »innerhalb einer angemessenen Zeit« abzunehmen, niemals aus; diese Unmöglichkeit muss mit dem Umstand verbunden sein, dass andernfalls die Pönitenten gezwungen wären, ohne ihre Schuld »längere Zeit« die sakramentale Gnade zu entbehren. Daher muss die Gesamtsituation der Pönitenten und der Diözese im Hinblick auf ihre pastorale Organisation und auf die Zugangsmöglichkeit der Gläubigen zum Sakrament der Buße berücksichtigt werden.

c) Die erste Voraussetzung, die Unmöglichkeit, die Bekenntnisse »ordnungsgemäß« »innerhalb einer angemessenen Zeit« hören zu können, bezieht sich nur auf die Zeit, die für die unerlässliche, gültige und würdige Spendung des Sakramentes berechtigterweise erforderlich ist. Ein längeres Seelsorgsgespräch, das auf günstigere Umstände verschoben werden kann, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Diese berechtigterweise angemessene Zeit, innerhalb welcher die Bekenntnisse gehört werden können, wird von den realen Möglichkeiten des Beichtvaters bzw. der Beichtväter und der Pönitenten selbst abhängen.

d) Was die zweite Voraussetzung betrifft, wird eine kluge Beurteilung abschätzen, wie lange, sofern keine Todesgefahr besteht, die Zeit der Entbehrung der sakramentalen Gnade sein muss, damit tatsächlich die Unmöglichkeit, gemäß can. 960 gegeben ist. Diese Beurteilung ist unklug, wenn sie den Sinn der physischen oder moralischen Unmöglichkeit verzerrt, wie es zum Beispiel mit der Annahme der Fall wäre, bei einem Zeitabschnitt unter einem Monat läge eine solche Entbehrung für »längere Zeit« vor.

e) Es ist nicht zulässig, Situationen einer scheinbaren schweren Notlage zu erzeugen oder entstehen zu lassen, die sich aus der wegen Nichtbeachtung der oben angeführten Normen<ref>Vgl. oben Nr. 1 und 2.</ref> versäumten ordentlichen Spendung des Sakramentes ergeben, und noch weniger solche, die aus der Option der Gläubigen für die Generalabsolution entstehen, so als handele es sich um eine normale und den beiden im Rituale beschriebenen ordentlichen Formen gleichwertige Möglichkeit.

f) Der große Andrang von Pönitenten stellt allein keine ausreichende Notlage dar, weder bei hohen Festen oder Wallfahrten, noch aus tourismusbedingten oder anderen Gründen, die mit der zunehmenden Mobilität der Menschen zusammenhängen.

5. Das Urteil darüber, ob die gemäß can. 961, § 1, 2º erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, steht nicht dem Beichtvater, sondern dem »Diözesanbischof zu; dieser kann unter Berücksichtigung der Kriterien, die mit den übrigen Mitgliedern der Bischofskonferenz abgestimmt sind, feststellen, wann solche Notfälle gegeben sind«.<ref>CIC, can. 961, § 2.</ref> Diese pastoralen Kriterien werden, nach den Gegebenheiten der jeweiligen Gebiete, Ausdruck des Bemühens um die vollkommene Treue zu den von der universalen Ordnung der Kirche formulierten Grundkriterien sein müssen, die sich im übrigen auf die aus demselben Sakrament der Buße in seiner göttlichen Stiftung herrührenden Forderungen stützen.

6. Da es in einem für das Leben der Kirche so wesentlichen Gegenstand von grundsätzlicher Bedeutung ist, dass unter den verschiedenen Episkopaten der Welt völlige Harmonie herrscht, sollen die Bischofskonferenzen gemäß can. 455, § 2 des CIC so bald wie möglich der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung den Text der Normen zukommen lassen, die sie im Lichte des vorliegenden Motu proprio, unter Anwendung von can. 961 des CIC zu erlassen oder zu aktualisieren beabsichtigen. Damit wird man nicht fehlgehen, eine immer größere Gemeinschaft zwischen den Bischöfen der ganzen Kirche zu fördern, indem man überall die Gläubigen dazu anspornt, reichlich aus den im Sakrament der Versöhnung immer sprudelnden Quellen der göttlichen Barmherzigkeit zu schöpfen.

Aus diesem Blickwinkel wird es auch angebracht sein, dass die Diözesanbischöfe den jeweiligen Bischofskonferenzen berichten, ob in ihrem Jurisdiktionsbereich Fälle von schwerer Notlage aufgetreten sind oder nicht. Es wird sodann Aufgabe der Bischofskonferenzen sein, die obengenannte Kongregation über die tatsächliche Situation in ihrem Gebiet und über eventuelle Veränderungen, die womöglich später festgestellt werden, zu informieren.

7. Was die persönliche Disposition der Pönitenten betrifft, wird folgendes bekräftigt:

a) »Damit ein Gläubiger die sakramentale Absolution, die gleichzeitig mehreren erteilt wird, gültig empfängt, ist nicht nur erforderlich, dass er recht disponiert ist; er muss sich vielmehr gleich zeitig auch vornehmen, seine schweren Sünden, die er gegenwärtig nicht auf diese Weise bekennen kann, zu gebotener Zeit einzeln zu beichten«.<ref>Can. 962, § 1.</ref>

b) Soweit möglich, ist an die Gläubigen, selbst bei Todesgefahr, »die Aufforderung vorauszuschicken, dass sich jeder bemüht, einen Akt der Reue zu erwecken«.<ref>Can. 962, § 2.</ref>

c) Es ist klar, dass Pönitenten, die im Gewohnheitszustand der schweren Sünde leben und nicht beabsichtigen, ihre Situation zu ändern, die Absolution nicht gültig empfangen können.

8. Unbeschadet der Verpflichtung, »seine schweren Sünden wenigstens einmal im Jahr aufrichtig zu bekennen«,<ref>Can. 989.</ref> »hat der, dem durch Generalabsolution schwere Sünden vergeben werden, bei nächstmöglicher Gelegenheit, sofern nicht ein gerechter Grund dem entgegensteht, ein persönliches Bekenntnis abzulegen, bevor er eine weitere Generalabsolution empfängt«.<ref>Can. 963.</ref>

9. Bezüglich des Ortes und seiner Ausgestaltung für die Feier des Sakramentes ist zu berücksichtigen, dass:

a) »der für die Entgegennahme sakramentaler Beichten eigene Ort eine Kirche oder eine Kapelle ist«,<ref>Can. 964, § 1.</ref> wobei freilich klar ist, dass pastorale Gründe die Erteilung des Sakramentes auch an anderen Orten rechtfertigen können;<ref>Vgl. can. 964, § 3.</ref>

b) seine Gestaltung durch die von den jeweiligen Bischofskonferenzen erlassenen Normen geregelt wird, die gewährleisten müssen, dass sich die Stelle der Beichtgelegenheit »an einem offen zugänglichen Ort« befindet und auch »mit einem festen Gitter versehen« ist, so dass die Gläubigen und die Beichtväter selbst, die dies wünschen, frei davon Gebrauch machen können.<ref>Vgl. can. 964, § 2. Päpstlicher Rat für die Interpretation von Gesetzestexten, Responsa ad propositum dubium: de loco excipiendi sacramentales confessiones (7. Juli 1998): AAS 90 (1998) 711.</ref>

Ich bestimme, dass alles, was ich mit dem vorliegenden Apostolischen Schreiben in Form eines Motu proprio festgelegt habe, volle und bleibende Gültigkeit habe und vom heutigen Tag an eingehalten werde, ungeachtet jeder anderen gegenteiligen Anordnung. Alles, was ich in diesem Schreiben verfügt habe, hat seiner Natur entsprechend auch für die verehrungswürdigen katholischen Ostkirchen Geltung, in Übereinstimmung mit den jeweiligen Canones ihres eigenen Codex.

Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 7. April,

2. Sonntag der Osterzeit oder Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit (Weißer Sonntag),
im Jahr des Herrn 2002, dem 24. Jahr meines Pontifikats.

Johannes Paul II.

Anmerkungen

<references />

Weblinks