Nos Chers Fils (Wortlaut): Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 26. Juni 2018, 11:50 Uhr

Apostolischer Brief
Nos Chers Fils

von Papst
Pius XII.
an die Bischöfe Frankreichs
über sittliche Leitgedanken zum sozialen Wiederaufbau
6. Januar 1945

(Offizieller französischer Text: AAS 37 [1945] 180-183)

(Quelle: Arthur Fridolin Utz OP, Joseph-Fulko Groner O.P, Hrsg.: Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, Soziale Summe Pius' XII. (1939-1958), Übersetzerkollegium: Herausgeber und Franz Schmal u. H. Schäufele, Paulus Verlag Freiburg/Schweiz 1954; Imprimatur Friburgi Helv., die 5. Maii 1954 N. Luyten O.P. Imprimatur Friburgi Helv., die 29. Junii 1954 R. Pittet, v.g.; Band I, S. 261-268; Nrn. 588-603)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Geliebte Söhne, Gruß und Apostolischen Segen!

Hoffnungsvolle und schmerzliche Gedanken zur Lage des französischen Volkes kurz vor Abschluss des zweiten Weltkrieges

Im Augenblick, wo Euer teures Vaterland von der furchtbaren Prüfung getroffen wurde, hielten Wir es für angebracht, zu Euch vom tiefen Nachempfinden zu sprechen, das durch die gleiche Drangsal in Unserem Herzen verursacht wurde, und von dem lebhaften Mitleid, das Wir mit Eurem Schmerze hegten.

Da Wir jedoch wussten, welche Quellen Frankreich besaß, um selbst in seinem Unglück den Antrieb zu einem neuen Aufstieg zu finden, richteten Wir an Euch Worte der Ermunterung und des begründeten Vertrauens, und Wir erneuerten sie jedes Mal, wenn sich Gelegenheit hierzu bot. Neulich noch konnten Wir zu Unserer Freude, sozusagen als Vorspiel zu seiner Verwirklichung, die hl. Theresia vom Kinde Jesu, zusammen mit der hl. Jeanne d'Arc, zur zweiten Schutzherrin Frankreichs erheben unter dem Hauptpatronat des hohen Geheimnisses der Himmelfahrt Unserer Lieben Frau. Doch seht, entgegen allen menschlichen Erwartungen hat sich der göttliche Wille zu Gunsten Eures heißgeliebten Vaterlandes kundgetan, und schon nimmt das Werk des nationalen Wiederaufbaus ein beschleunigteres Maß an.

Darum wollen Wir Euch wissen lassen, mit welch inniger Freude Wir mit der ersten Stunde dieser Wiedererstehung verbunden sind, so wie Wir es zur Zeit des Schmerzes und der Niedergeschlagenheit waren.

Gewiss wissen Wir wohl, dass das wiedererstandene Frankreich noch die Narben trägt, von denen es durch den verheerenden Krieg gezeichnet wurde, der ohne Schonung von Menschen und Dingen das menschliche Elend auf einen Höhepunkt trieb, den es in der Vergangenheit sicherlich noch nie erreicht hatte.

Wenn Wir Uns jedoch daran erfreuen, die sichtlichen Zeichen des neuen Aufschwungs festzustellen, für das der Herr Euer Land vorbereitet, so teilen Wir doch auch die Sorgen, die noch auf Euren Söhnen lasten, seien sie daheim oder noch weit fort. Wüssten doch alle, selbst jene, die sich vielleicht von Uns getrennt glauben, wie sehr der gemeinsame Vater die Schmerzen seiner Kinder empfindet, aller ohne Ausnahme, und wie innig er die göttliche Vorsehung anfleht, sie zu trösten und durch eine beschleunigte Wiederkehr des Friedens einer so harten und so vielfachen Trennung ein Ende zu machen.

Vor allem möchten Wir, dass die im gemeinsamen Leid gereiften Herzen, weit davon entfernt, sich zu verbittern und zu verschließen, sich im Gegenteil, den Spuren des Herrn folgend, weiten in einem gegenseitigen und brüderlichen Verstehen, in der Überzeugung vom reinigenden und erlösenden Wert des Schmerzes und des Kreuzes. Schließlich möchten Wir gerne die ganze Aktivität auf die Grundlage jener urechten Liebe gestellt sehen, von der Ihr in der Prüfung so herrliche Beispiele gegeben habt, und die unbedingt nötig ist für den Wiederaufbau einer bis auf die Fundamente erschütterten Welt.

Notwendigkeit starker Persönlichkeiten für den moralischen and sakralen Wiederaufbau Frankreichs

Es ist wahrhaftig eine neue Welt, die aus den Trümmern erstehen soll, die der jetzige Krieg aufgetürmt hat, eine Welt, die in ihrem rechtlichen Aufbau besser geordnet ist, eine ausgeglichenere, gesündere Welt, in der die Menschen daran gehen, die schreiendsten Ungerechtigkeiten zu beseitigen und eher nach Beweggründen für eine brüderliche Annäherung als nach Anlässen für Zwietracht und Rache zu suchen.

Das ist eines der brennendsten Probleme, von dem die Zukunft der Zivilisation abhängt, das jedoch keineswegs die Kirche zu entmutigen vermag, die ebenso über stark geschichtsgebundene wie über außerordentlich zeitgemäße Einrichtungen verfügt. Als Verwalterin des Erbes von Wahrheiten und Heilsmitteln, die ihr von ihrem göttlichen Stifter hinterlassen wurden, macht sie sich, heute wie ehedem, die Worte zu eigen, die der Apostel vor der heidnischen Welt aussprach : «Omnia possum in eo, qui me confortat» - «Ich vermag alles in dem, der mich stark macht» (Phil. 4, 13). Im übrigen kann die Kirche auf die Mitarbeit der Geistlichen und der Laien zählen Die einen wie die anderen haben, vor allem auf französischer Erde, durch ihr Beispiel bewiesen, was, allein schon auf der Ebene des Menschlichen, die Hingabe, die fähig ist, sich bis zum Opfer der Freiheit und des Lebens zu erheben, im großmütigen Einsatz für die höchsten Belange des Vaterlandes vermag. Könnten Wir aus den Reihen Eurer glänzenden Organisationen doch bald eine große Anzahl von Leuten hervorgehen sehen, die grundsatzfest und genau bewandert sind in der kirchlichen Lehre, fähig, die Bereiche des Sozialen, Wirtschaftlichen und Juristischen mit dem wahren christlichen Geiste zu durchdringen und durch ihre bürgerliche und politische Tätigkeit die Rettung der religiösen Belange zu gewährleisten.

Könnten Wir vor allem, dank der gemeinsamen Bemühungen von Kirche und Staat und der Familienorganisationen, die Familie - die natürliche Heimstätte, wo sich normalerweise die menschliche Person entwickelt, und die der Krieg leider zu einem seiner Opfer gemacht hat - möglichst bald in Frankreich ihre Festigkeit und ihre Fruchtbarkeit wiedererlangen sehen.

Werdet indessen nicht müde, Euren Söhnen in Erinnerung zu rufen, dass sie der Welt nur in dem Maße etwas geben können, als sie es selbst verstanden haben, an der «Fülle Christi» teilzunehmen. Sie sollen es wohl wissen, dass sie, die berufen sind, die geheimen Sehnsüchte der Gesellschaft zu erfüllen, ihre Sendung nur insoweit erfüllen können, als sie fortgeschritten sind in der Kenntnis Christi, seines Werkes, seiner Lehre und der Kirche, die er gegründet hat zur Fortdauer seines Lebens in den Seelen.

Die Wichtigkeit der Heranbildung und gründlichen Ausbildung von Priestern

Dies alles geht in besonderer Weise die Geistlichkeit und die jungen Leute an, die sich im Schatten des Heiligtums darauf vorbereiten, eines Tages das Salz und das Licht der Welt zu werden. Wir verkennen bestimmt nicht, mit welch hingebender Sorge Ihr sie in Euren Seminarien betreut, mit welchem Eifer und Opfergeist Ihr Geist und Herz von ihnen zu bilden sucht. Zudem sind diese Sorge und dieser Eifer schon, teilweise wenigstens, durch die göttliche Güte vergolten worden. In der Tat kommt Uns in den Sinn, dass mehrere Seminarien trotz der großen Schwierigkeiten der gegenwärtigen Stunde dieses Jahr ihre Tore wieder geöffnet haben mit einer sehr tröstlichen Anzahl von jungen Priesterkandidaten, ganz wie es Uns auch in den Sinn kommt, dass selbst bis in die Kriegsgefangenenlager mehr als eine Berufung Wurzel geschlagen hat. Möge es Gott gefallen, dass Wir sehen können, wie in allen Euren Seminarien die großen Traditionen der Wissenschaft und Frömmigkeit fortgesetzt werden, die in der Vergangenheit so viele Priester und berühmte Prälaten gebildet haben.

Wachet also darüber, dass Eure jungen Kleriker von den ersten Jahren an in der Wissenschaft der Heiligen wachsen, das heißt in der Praxis des Opfers und des Gebetes, und dass sich ihre Bildung auf einem reichen und fruchtbaren Gebiet entfalte.

Da Gott andererseits seine Kinder dazu beruft, unter bestimmten Umständen der Zeit und des Ortes, der Personen und konkreter Erfordernisse ihre Tätigkeit zu entfalten, seid überdies besorgt, dass Euer Klerus, zwar in ganz unverbrüchlicher Treue zu den Grundsätzen, in aller Klugheit ständig bemüht sei, sich in seiner Tätigkeit den Notwendigkeiten der gegenwärtigen Stunde anzupassen. Von Eurem Wort und Eurem Beispiel ermutigt, wird er sich über diese Notwendigkeiten Rechenschaft abzulegen suchen durch das Studium der sozialen Fragen, wovon, für den Fall, dass sie im Licht des Evangeliums und der von diesem höchsten Stuhl vorgetragenen Lehren gelöst werden, der Aufstieg der Arbeiter auf eine angemessene und der Würde der menschlichen Person entsprechendere Lebensebene abhängt.

Ermahnung zum Gehorsam gegenüber der Hierarchie

Unser apostolisches Amt legt es Uns in gleicher Weise auf, die Aufmerksamkeit Unserer lieben Söhne aus dem französischen Kleriker- und Laienstand auf etwas zu lenken, was man mit gutem Recht als die oberste Bedingung für jede rechtmäßige und fruchtbare Zusammenarbeit mit dem hierarchisch gestuften Apostolat betrachten kann, nämlich die kindliche Abhängigkeit in Bezug auf jene, die der Heilige Geist gesetzt hat zur Regierung der Kirche Gottes.

Diese Gleichförmigkeit der Ziele und Mittel, welche die Bischöfe unter sich und die Gläubigen mit ihren Hirten einigen muss, wollen Wir gerne als gutes Vorzeichen nehmen für den Erfolg einer Tätigkeit, die ganz für das allgemeine Wohl bestimmt ist und für den Wiederaufbau des Vaterlandes, die ganz ausgerichtet ist auf die Abschaffung jener menschlichen « Vetustas » - « des früheren Zustandes », welchen die Ankunft Christi beseitigt hat, um in der Gesellschaft jene Lehren erstrahlen zu lassen, die der Welt Licht und Frieden bringen.

Schlussgedanken

Mit noch mehr Überzeugung als vor bald acht Jahren wieder holen Wir Euch die Worte, die Wir von der hohen Kanzel von Notre-Dame aus sagten: «Bleibt treu Eurer geschichtlichen Berufung! Niemals noch hat eine schwerere Stunde Euch ihre Verpflichtungen auferlegt, aber niemals gab es eine schönere Stunde, um ein Ja zu sagen. Lasset die Stunde nicht vorübergehen, lasset die Gaben nicht verkümmern, die Gott Euch schenkt, entsprechend den Aufgaben, die er Euch anvertraut. Vergeudet sie nicht, entweiht sie nicht im Dienste irgendeines trügerischen Ideals, das unbeständig ist oder weniger edel und Eurer weniger würdig! »

Zum Zeichen eines ganz besonderen Wohlwollens und als Unterpfand inniger Wünsche, mit denen Wir Euch in der Ausführung dieser großen Aufgabe begleiten, erteilen Wir Euch von ganzem Herzen, Euch, geliebte Söhne, dem Klerus und dem Eurer Sorge anvertrauten Volk, der edlen französischen Nation und denen, die seine Geschicke leiten, Unseren väterlichen Apostolischen Segen.

Vatikan, an Dreikönig, 6. Januar, des Jahres 1945,

im sechsten Jahr Unseres Pontifikats.
PIUS PP. XII.