Oggi, al compiersi del quinto anno (Wortlaut)

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Rundfunkbotschaft
Oggi, al compiersi del quinto anno

von Papst
Pius XII.
anlässlich des 5. Jahr des gegenwärtigen Krieges
1. September 1944

(Offizieller italienischer Text: AAS 36 [1944] 249-258)

(Quelle: Arthur Fridolin Utz OP, Joseph-Fulko Groner O.P, Hrsg.: Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, Soziale Summe Pius' XII. (1939-1958), Übersetzerkollegium: Herausgeber und Franz Schmal u. H. Schäufele, Paulus Verlag Freiburg/Schweiz 1954; Imprimatur Friburgi Helv., die 5. Maii 1954 N. Luyten O.P. Imprimatur Friburgi Helv., die 29. Junii 1954 R. Pittet, v.g.; Band I, S. 341-355; Nrn. 724-745)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Inhaltsverzeichnis

I. Die Verteidigung der christlichen Kultur

1. Am Ende des fünften Kriegsjahres : entschlossener Wille zu einem besseren Wiederaufbau der Welt

Heute, am Ende des fünften Jahres nach Ausbruch des Krieges, schaut die Menschheit zurück auf den Weg voll Blut und Tränen, den sie in diesem düsteren Zeitraum von fünf Jahren gegangen ist, und schaudert vor dem Abgrund von Elend, in den der Geist der Gewalt und die Willkürherrschaft der Macht sie gestürzt haben. Doch sie verzagt nicht über der Erinnerung an das Vergangene, vielmehr forscht sie begierig nach den Ursachen einer so unheilvollen geistigen und materiellen Katastrophe, entschlossen, unbedingt jedes noch wirksamere Mittel zu ergreifen, um eine Wiederholung der ungeheuren Tragödie in andern Formen zu verhüten.

Erschüttert ob dem Gebirge von Ruinen erwachen viele gutgesinnte Geister wie aus einem Angsttraum und halten Ausschau, ob sich nicht auch in andern Lagern - wo man sieh bisher fern stand und voneinander nichts wissen wollte Mitarbeiter fänden, Weg- und Kampfgefährten beim großen Wiederaufbauwerk einer Welt, deren Fundamente unterwühlt sind und deren innerstes Gefüge zerborsten ist.

Nichts ist gewiss natürlicher als das, nichts ist angebrachter und - die unerlässlichen Vorsichtsmaßregeln vorausgesetzt nichts verpflichtender !

Für jene sodann, die sich des christlichen Namens rühmen und ihren Glauben an Christus bekennen durch einen Lebenswandel von unbeirrbarer Treue gegen seine Gesetze, bedeutet diese Willigkeit und innere Bereitschaft zu einer von echt brüderlich-solidarischem Geist getragenen Zusammenarbeit nicht bloß sittliche Gehorsamspflicht zur Erfüllung der bürgerlichen Gebote; sie erhebt sich zur Würde einer Gewissensforderung, die ausgeht und geleitet wird von der Liebe zu Gott und zum Nächsten und die noch Nachdruck erhält durch die Mahnzeichen der gegenwärtigen Stunde und die Kraftanspannung, welche die Rettung der Völker erheischt.

2. Nur ein Wiederaufbau im Geist des Christentums wird wahre Kultur und echten Frieden schaffen

Ja, der Uhrzeiger der Geschichte meldet heute eine schicksalsschwere, für die ganze Menschheit entscheidende Stunde an.

Eine alte Welt liegt in Trümmern. Aus den Ruinen so bald wie möglich eine neue Welt aufsteigen zu sehen, eine gesündere, eine rechtlich besser geordnete, eine Welt, die mit den Forderungen der Menschennatur mehr in Einklang steht: das ist die brennende Sehnsucht der gequälten Völker.

Wie werden die Baumeister heißen, welche die Grundlinien des neuen Baues entwerfen? Wie heißen die Geister, die ihm das endgültige Gepräge geben werden?

Sollen etwa auf die schmerzlichen und unheilvollen Irrtümer der Vergangenheit andere, nicht minder beklagenswerte folgen? Soll die Welt immerfort von einem Extrem ins andere pendeln? Oder wird doch endlich der Pendel stehen bleiben dank der Tätigkeit von weisheitsvollen Staatsführern, unter dem Einfluss von Richtlinien und Lösungen, die nicht in Widerspruch stehen zum göttlichen Recht und nicht im Gegensatz zum menschlichen und insbesondere zum christlichen Gewissen?

Von der Antwort auf diese Frage hängt das Schicksal der christlichen Kultur in Europa und in der Welt ab. Eine Kultur, die weit davon entfernt ist, die vielen eigenständigen und so mannigfaltigen Formen bürgerlichen Lebens, in denen die Eigenart eines jeden Volkes zum Ausdruck kommt, zu verdächtigen oder zu beargwöhnen, die vielmehr in ihnen Wurzel schlägt und die höchsten ethischen Grundsätze zur Geltung bringt: das Sittengesetz, vom Schöpfer den Menschen in die Herzen geschrieben (Vgl. Röm. 2, 15), das Naturrecht, das von Gott ausgeht, die Grundrechte und die unantastbare Würde der menschlichen Person. Und um den Willen diesen Gesetzen fügsamer zu machen, flößt sie den einzelnen Menschen, dem ganzen Volk und der Gesamtheit der Nationen Kräfte ein, wie sie keine Menschenmacht auch nur im entferntesten zu verleihen vermöchte, während sie gleichzeitig, nach Art der Naturkräfte, vor den Giftkeimen schützt, welche die Sittenordnung mit Untergang bedrohen.

So kommt es, dass die christliche Kultur die gesunden Elemente der mannigfaltigsten Urkulturen weder erstickt noch zurückdrängt, sondern nur in den grundwesentlichen Belangen untereinander in Einklang bringt und auf diese Weise eine umfassende Einheit im Empfinden und in den sittlichen Geboten schafft, - die stärkste Grundlage für einen wahren Frieden, für soziale Gerechtigkeit und brüderliche Liebe unter allen Gliedern der großen Menschheitsfamilie.

3. Das unverwüstliche Erbe christlicher Kultur in den Völkern Europas

Die letzten Jahrhunderte waren Zeugen einer jener sonderbaren Entwicklungen voller Widersprüche, wie sie die Geschichte immer wieder aufweist: auf der einen Seite wurden sogar die Fundamente der christlichen Kultur systematisch untergraben, indes auf der andern das Erbgut dieser selben Kultur sich immer noch weiter ausbreitete unter allen Völkern. Europa und die andern Erdteile leben ja, in verschiedenem Grad, noch immer von den Lebenskräften und den Grundsätzen, die sie als Erbschaft des christlichen Denkens in einer Art geistiger Blutübertragung erhalten haben.

Manche kommen so weit, dieses kostbare Erbe zu vergessen, sie vernachlässigen es oder weisen es gar zurück; doch die Tatsache dieser Erbfolge bleibt bestehen. Ein Sohn kann wohl seine Mutter verleugnen; er hört deswegen nicht auf, ihr biologisch und geistig verbunden zu sein. So geht es auch den Söhnen, die dem Vaterhaus entlaufen und entfremdet sind: immer noch vernehmen sie, manchmal unbewusst, gleich der Stimme des Blutes, das Echo jenes christlichen Erbes, das sie oft davor bewahrt, sich im Denken und Handeln völlig überwältigen und bestimmen zu lassen von den falschen Ideen, denen sie gewollt oder tatsächlich doch ergeben sind.

4. Aufruf an die Völker, sich für eine Neugestaltung der Welt auf den Fundamenten des Christentums zu entscheiden

Die Hellsichtigkeit, die Hingabe, der Mut, der Erfindergeist und das Gefühl brüderlicher Liebe aller Gutgesinnten und Hochgemuten werden das Maß und den Grad bestimmen, in dem es dem christlichen Denken vergönnt sein wird, tragend und aufbauend mitzuwirken am Riesenwerk der Wiederherstellung des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und internationalen Lebens auf einer Ebene, wo es keinen Gegensatz gibt zum religiösen und sittlichen Gehalt der christlichen Kultur.

Deshalb richten Wir an alle Unsere Söhne und Töchter in der weiten Welt, wie auch an jene, die, obgleich nicht zur Kirche gehörig, sich doch in dieser Stunde vielleicht unwiderruflicher Entscheidungen mit Uns verbunden fühlen, die dringliche Mahnung, doch ja die außerordentliche Schwere des Augenblicks richtig einzuschätzen und zu bedenken, dass hoch über jedem Zusammenarbeiten mit ideologischen Richtungen und sozialen Kräften anderer Art - zu dem bisweilen rein zufällige Beweggründe den Anlass gaben - die Treue zum Erbgut der christlichen Kultur und deren mannhafte Verteidigung gegen alle gottlosen und widerchristlichen Strömungen der Angelpunkt ist, der niemals und für nichts geopfert werden darf, nicht für einen flüchtigen Vorteil und nicht für irgendwelche wandelbare Kombinationen.

Wir haben das Vertrauen, diese Unsere Aufforderung werde in Millionen von Seelen auf der Erde einen günstigen Widerhall finden. Was Wir damit vor allem bezwecken, ist eine aufrichtige und wirksame Zusammenarbeit auf allen jenen Gebieten, wo die Schaffung besserer rechtlicher Zustände gerade auch vom christlichen Standpunkt aus als ganz besonders geboten erscheint.

Das gilt vorzüglich für den ganzen Komplex von ungeheuren Problemen, die sich beziehen auf die Errichtung einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die dem ewigen Gottesgesetz mehr entsprechen und mit der Menschenwürde in besserem Einklang stehen. Ein wesentliches Element dabei ist nach christlicher Auffassung die Hebung des Proletariats, ein Werk, dessen entschiedene und großmütige Durchführung für jeden echten Gefolgsmann Christi nicht bloß einen irdischen Fortschritt, sondern auch die Erfüllung einer sittlichen Pflicht bedeutet.

II. Einige Seiten der wirtschaftlichen und sozialen Frage

Nach Jahren bitterer Entbehrungen, harter Einschränkungen und vor allem beängstigender Unsicherheit erwarten die Menschen nach Schluss dieses Krieges eine tiefgreifende und endgültige Besserung dieses tieftraurigen Zustandes.

1. Das allgemeine Recht auf Privateigentum

Die Versprechen von Staatsmännern, die zahlreichen Ideen und Vorschläge von Gelehrten und Technikern haben bei den Opfern einer unseligen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung eine trügerische Erwartung einer völligen Neugeburt der Welt wachgerufen, eine überspannte Hoffnung auf ein tausendjähriges Reich allgemeinen Glücks.

Eine solche Stimmung bietet ein günstiges Erdreich für die Propaganda der radikalsten Programme; sie versetzt die Gemüter in eine zwar verständliche, aber unvernünftige und ungerechtfertigte Ungeduld, die sich aus organischen Reformen nichts verspricht, sondern alles von Umstürzen und Gewalttaten erwartet.

Auch der Christ sinnt ernsthaft nach über die Not und das Elend seiner Zeit; aber im Gegensatz zu jenen extremen Strömungen bleibt er in der Wahl der Heilmittel den Richtlinien treu, welche die Erfahrung, die gesunde Vernunft und die christliche Sozialethik als die Fundamente und Prinzipien einer jeden gerechten Reform aufzeigen.

Schon Unser Vorgänger, Leo XIII. unsterblichen Angedenkens, verkündete in seinem berühmten Rundschreiben Rerum novarum den Grundsatz, dass für jede richtige Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung « das Recht auf Privateigentum als unerschütterliches Fundament feststehen muss ».

2. Die Ethik des Privateigentums

Die Arbeit als Rechtstitel des Privateigentums

Hat die Kirche allzeit « das naturgegebene Recht auf Eigentum und auf erbliche Weitergabe seiner eigenen Güter» (Enzyklika Quadragesimo anno) anerkannt, so ist nicht weniger gewiss, dass dieses Privateigentum vornehmlich die natürliche Frucht der Arbeit darstellt, das Produkt einer angespannten Tätigkeit des Menschen, der es erwirbt auf Grund seines entschlossenen Willens, mit seiner Hände Kraft die Grundlage der eigenen Existenz und der seiner Familie zu sichern und auszuweiten, für sich und die Seinen einen Raum gerechter Freiheit zu schaffen, und zwar nicht nur in wirtschaftlichen, sondern auch in politischen, kulturellen und religiösen Belangen.

Das christliche Gewissen kann nicht eine Gesellschaftsordnung als gerecht hingehen lassen, die das natürliche Recht auf Eigentum sowohl an den Verbrauchsgütern wie an den Produktionsmitteln entweder grundsätzlich leugnet oder doch praktisch aufhebt oder gegenstandslos macht.

Die soziale Gefahr des Kapitalismus

Aber ebenso wenig kann es jene Systeme annehmen, die das Recht auf Privateigentum zwar anerkennen, jedoch in einem völlig falschen Sinn, und daher im Gegensatz stehen zur wahren und gesunden Gesellschaftsordnung.

Darum hat die Kirche zum Beispiel den « Kapitalismus », falls er auf solch irrigen Auffassungen gründet und ein unbeschränktes Recht auf das Eigentum ohne jede Unterordnung unter das Gemeinwohl beansprucht, verurteilt als im Widerspruch stehend zum Naturrecht.

Wir sehen heute tatsächlich oft, wie eine ständig zunehmende Masse von Arbeitern sich ungeheuren Zusammenballungen von Wirtschaftsgütern gegenüber findet, die - häufig unter dem Deckmantel anonymer Formen - sich ihren sozialen Pflichten zu entziehen wissen und den Arbeiter sozusagen in die Unmöglichkeit versetzen, für sich wirkliches Eigentum zu bilden.

Wir sehen, wie das kleine und mittlere Eigentum zurückgeht und seine Stellung im gesellschaftlichen Leben einbüßt, da es schwer bedrängt und zu einem immer härteren und aussichtslosen Abwehrkampf gezwungen wird.

Wir sehen auf der einen Seite ungeheure Reichtümer, welche die private und öffentliche Wirtschaft, ja oft sogar das bürgerliche Leben beherrschen, auf der andern Seite die zahllose Menge derer, die, jeder unmittelbaren oder mittelbaren Existenzsicherheit bar, keinen Sinn mehr für die wahren und hohen Werte des Geistes aufbringen, sich der Sehnsucht nach einer echten Freiheit verschließen, sich bedenkenlos der Knechtschaft irgend einer politischen Partei verschreiben und zu Sklaven eines jeden werden, der ihnen auf irgendeine Weise Brot und Ruhe verspricht. - Und die Erfahrung hat bewiesen, welcher Tyrannei die Menschheit unter solchen Umständen auch zu unsern Zeiten noch fähig ist.

3. Die Kirche angesichts der augenblicklich bestehenden Privateigentumsordnung

Wenn also die Kirche den Grundsatz des Privateigentums verteidigt, so verfolgt sie dabei ein hohes ethisch-soziales Ziel. Sie beabsichtigt keineswegs, den gegenwärtigen Stand der Dinge einfachhin und ohne Abstriche zu befürworten, als ob sie darin etwa den Ausdruck des göttlichen Willens sähe, noch grundsätzlich den Reichen und Plutokraten gegenüber dem Armen und Habenichts zu schützen. Ganz im Gegenteil! Von allem Anfang an war sie der Anwalt des unterdrückten Schwachen gegenüber der Tyrannei der Mächtigen und immer ist sie eingetreten für die gerechten Forderungen der arbeitenden Gruppen gegenüber jeder Ungerechtigkeit. Worauf die Kirche vielmehr abzielt, das ist, die Einrichtung des Privateigentums zu dem zu machen, was sie nach den Plänen der göttlichen Weisheit und den Anordnungen der Natur sein soll: ein Element der Gesellschaftsordnung, eine notwendige Voraussetzung für die menschliche Unternehmungslust, ein Ansporn zum Wirken für die zeitlichen und ewigen Lebensziele und damit für die Freiheit und Würde des nach Gottes Ebenbild geschaffenen Menschen, desselben Gottes, der ihm gleich von Anfang an zu seinem Nutz und Frommen eine Herrschaft über die materiellen Dinge zuwies.

4. Sinn und Zweck des Privateigentums

Nehmt dem Arbeiter die Hoffnung, irgendwelche Güter als persönliches Eigentum zu erwerben; welchen anderen Anreiz könntet ihr ihm dann noch bieten, um ihn zu hingebender Arbeit anzuspornen, zum Sparen, zur Maßhaltung, gerade heute, wo doch nicht wenige Menschen und Völker alles verloren haben und nichts mehr ihr eigen nennen als ihre Arbeitskraft. - Oder will man etwa die Kriegswirtschaft für immer beibehalten, um deretwillen in manchen Ländern die staatliche Gewalt alle Produktionsmittel in Händen hat und zwar für alle und alles sorgt - freilich mit der Peitsche einer harten Zucht? Oder gedenkt man etwa, sich der Diktatur einer politischen Gruppe zu unterwerfen, die als herrschende Klasse über die Produktionsmittel verfügt - aber zugleich auch über das Brot und folglich über den Arbeitswillen der einzelnen?

5. Eingriffsrecht, bzw. Schutzpflicht des Staates im Bereich des Privateigentums

Die Sozial- und Wirtschaftspolitik der Zukunft, die ordnende Tätigkeit des Staates, der Gemeinden und der beruflichen Einrichtungen werden ihr hohes Ziel, eine wirkliche Fruchtbarkeit des Gesellschaftslebens und das normale Erträgnis der Volkswirtschaft, auf die Dauer nur erreichen können, wenn sie die lebenswichtige Rolle des Privateigentums in seiner persönlichen und sozialen Bedeutung achten und schützen. - Wo die Verteilung des Privateigentums diesem Ziele hinderlich im Wege steht - was nicht notwendig und nicht immer von der Ausdehnung des Privatvermögens herrührt -, darf der Staat im Interesse der Allgemeinheit eingreifen und den Gebrauch des Privateigentums regeln oder auch, falls sich auf eine andere billige Weise kein Ausweg findet, gegen angemessene Entschädigung die Enteignung verfügen. Zum selben Zweck müssen die kleinen und mittleren Besitzstände in der Landwirtschaft, in Handwerk und Gewerbe, in Handel und Industrie garantiert und gefördert werden; die genossenschaftlichen Vereinigungen sollen ihnen die Vorteile des Großunternehmens verschaffen; und wo sich die Großunternehmung noch heute als produktionsfähiger erweist, soll die Möglichkeit geboten werden, den Arbeitsvertrag durch einen Gesellschaftsvertrag mildernd zu ergänzen (Vgl. Enzyklika Quadragesimo anno).

6. Der technische Fortschritt darf das Privateigentum nicht zerstören

Man sage nicht, der technische Fortschritt stehe einer solchen Ordnung entgegen und treibe in unwiderstehlichem Lauf überall zu Riesenunternehmungen und Riesenorganisationen, denen gegenüber ein gesellschaftliches System, das auf dem Privateigentum der einzelnen gründet, unausweichlich zusammenbrechen müsse. Nein, der technische Fortschritt bestimmt das Wirtschaftsleben nicht wie eine schicksalhafte und notwendige Tatsache. Er hat sich nur allzu häufig fügsam gebeugt vor den Forderungen egoistisch berechnender Machenschaften zum Zwecke unersättlicher Kapitalvermehrung; warum also sollte er sich nicht auch beugen vor der Notwendigkeit, den Privatbesitz aller, diesen Eckstein der Gesellschaftsordnung, zu erhalten und sicherzustellen? Auch der technische Fortschritt ist nur ein Faktor im Gesellschaftsleben und darf als solcher dem Allgemeinwohl nicht vorgehen; er muss vielmehr auf dieses hin ausgerichtet und ihm untergeordnet sein.

7. Aufruf an die Katholiken, sich nach dem Krieg für die christliche Soziallehre einzusetzen

Am Ende dieses Krieges, der alle Tätigkeiten des menschlichen Lebens aus der alten Bahn geworfen und in neue Richtungen geschleudert hat, wird um die Frage der künftigen Gestaltung der sozialen Ordnung zwischen den verschiedenen Strömungen und Meinungen ein heißer Kampf entbrennen. In seinem Brennpunkt fällt dann der christlichen Gesellschaftsauffassung eine schwierige, aber auch edle Aufgabe zu, den Anhängern anderer Lehren theoretisch und praktisch klarzumachen und zu beweisen, wie auf diesem für die friedliche Entwicklung des menschlichen Zusammenlebens so wichtigen Gebiet die Forderungen der wahren Billigkeit mit den christlichen Grundsätzen einen engen Bund eingehen können, einen Bund, dem Heil und Wohlfahrt entsprießen für alle, die, auf Vorurteile und Leidenschaften verzichtend, den Lehren der Wahrheit ihr Ohr zu leihen wissen. Wir vertrauen fest, dass Unsere getreuen Söhne und Töchter der katholischen Welt, als Herolde der christlichen Sozialidee, beitragen werden - sei es auch um den Preis bedeutender Verzichte - zur fortschreitenden Verwirklichung jener sozialen Gerechtigkeit, nach der alle wahren Jünger Christi Hunger und Durst haben müssen.

III. Gedanken der Liebe

1. Die durch Krieg und Kriegsmethoden in Italien hervorgerufene Notlage

Über der Mahnung an alle Christen zur Wachsamkeit und Bereitschaft für die Riesenaufgaben einer allem Anschein nach nun nahen Zukunft dürfen Wir nicht die brennenden Nöte der Gegenwart aus dem Auge verlieren. Und niemand wird sich wundern, wenn Wir - obschon alle Völker der Erde mit gleicher Liebe umfassend - Unsere Sorge auf diesem Gebiet und in diesem Augenblick in besonderer Weise Italien und Rom zuwenden.

Die eigentlichen Kriegshandlungen, die einen großen Teil des italienischen Bodens zerwühlt haben, sind nun auch von der Ewigen Stadt weit entfernt. Aber die unmittelbaren und mittelbaren Folgen des Kampfes sind noch bei weitem nicht vorüber. Rom, das Maria, die «Salus populi Romani», das «Heil des römischen Volkes» und die «Mutter von der göttlichen Liebe», in der Stunde der Gefahr beschirmt hat, widerhallt nicht mehr vom Lärm der Schlacht. Doch der Kampf gegen das Elend, gegen den Hunger, die Arbeitslosigkeit, die wirtschaftliche Not hat in vielen Gegenden Italiens solche Ausmaße angenommen, dass, vor allem angesichts des bevorstehenden Winters, rasche und wirksame Hilfe Not tut.

Jedermann weiß, wie tatsächlich in großen Kriegen die harten Notwendigkeiten militärischen Charakters für gewöhnlich jeder andern Rücksicht und Erwägung vorgehen. Anderseits wird jeder, der sich nicht von ganz einseitigen Gesichtspunkten leiten lässt, sondern auch bedenkt, dass die gleichzeitige Sorge für die wesentlichen Bedürfnisse des zivilen Lebens eine gebieterische Notwendigkeit bleibt, die unheilvollen Auswirkungen und Schäden zugeben und anerkennen, welche die systematische Requirierung, Wegschaffung oder Zerstörung kostbarer Transportmittel für die Versorgung mit ausreichenden und zu vernünftigen Preisen erstehbaren Lebensmitteln mit sich gebracht haben. Ebenso begreift jedermann, dass dieser abnormale Zustand, im Verein mit der nicht minder ausgedehnten Zerstörung, Requirierung oder Wegschaffung von gewaltigen Produktionsmitteln, eine Lähmung im Wirtschaftsleben hervorgerufen hat, deren materielle und geistige Auswirkungen auf die Bevölkerung täglich bezeichnender und bedrohlicher werden.

2. Aufruf an die Italiener zu großzügiger und uneigennütziger Selbsthilfe

Nicht fruchtlose Anklagen werden einem so großen Übelstand abzuhelfen vermögen, sondern die aufrichtige und großmütige Zusammenarbeit aller, in deren Macht und Möglichkeit es steht, den Interessen des Landes zu dienen. Ist es etwa nicht wünschenswert, dass Leute, die unbescholten, ehrlich, erfahren und von jedweder Makel eines Vergehens oder einer tatsächlichen Verfehlung völlig frei sind, sich für das Gemeinwohl einsetzen, auch wenn sie früher in einem andern politischen Lager standen? Würde dies zudem nicht einer Einigung der Geister den Weg ebnen?

Kein Volk, das unter der Last physischer und moralischer Schicksalsschläge zusammengebrochen ist, vermag sich allein und aus eigener Kraft von seinem Fall zu erheben.

Aber auch kein Volk, das mit Recht etwas auf seine Ehre hält, dürfte sich damit abfinden, seine Auferstehung einzig von fremder Hilfe zu erwarten und nicht zu gleicher Zeit von der Anspannung des eigenen Willens und der eigenen Kräfte.

Deshalb rufen Wir - im Wissen um das tiefe Elend, das über weite Gegenden Italiens gekommen ist - in erster Linie denen, die im Lande selbst noch umfassende Vorräte und ausgiebige Mengen an Lebensmitteln besitzen, die ernste Pflicht in Erinnerung, sie aus bloßer Gier nach noch größeren Gewinnen den Hungerleidenden nicht vorzuenthalten, eingedenk der furchtbaren Strafen, die der ewige Richter demjenigen androht, der ohne Erbarmen ist für seinen leidenden Bruder ! - Sodann bitten Wir die Völker, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch den Krieg nicht wesentlich gelitten hat - im Rahmen des Möglichen und ohne Schmälerung dessen, was andern, ebenso notleidenden Nationen gebührt -, der Bevölkerung Italiens jene Hilfe zu leisten, deren sie besonders in der Anfangsperiode ihrer Wiedergeburt bedarf.

3. Dank an die Völker, die der Not Italiens zu Hilfe kamen

Von Herzen gern anerkennen Wir, was in dieser Hinsicht von den alliierten Mächten getan wurde - und Wir wissen, dass man noch mehr zu tun gewillt ist -, und ebenso wissen Wir die unternommenen Anstrengungen der italienischen Behörden sehr zu schätzen. Niemand empfindet mehr als Wir - die Wir durch die Sorgen des apostolischen Amtes enger als andere vertraut werden mit den Leiden der Armen und Unterdrückten - im Herzen tiefe Dankbarkeit gegen alle Regierungen, Bischöfe, Klerus und Laien -, die in Italien und im Ausland an diesem edlen Ziel mitgewirkt haben und mitwirken. - Leider war es Uns bis dahin nicht möglich, für den Transport von Lebensmitteln und die Rückführung von Flüchtlingen in ihre Heimat Frachtdampfer oder andere Schiffe zur Benützung zu erhalten. Doch haben Wir die Hoffnung, sehr bald andere Mittel zur Hand zu haben, um zahlreichen Unglücklichen Erleichterung zu bringen. Und wie in der Vergangenheit, so werden Wir auch in der Zukunft tiefe Dankbarkeit hegen gegen alle jene, die Uns in die Lage versetzen, das schmerzliche Missverhältnis zwischen der Kleinheit Unserer Hilfsguellen und der unermesslichen Größe der dringlichsten Bedürfnisse zu mildern.

Wir begrüßen in dieser Hilfeleistung von Volk zu Volk, wie sie schon während des Krieges und noch in den engen Grenzen, die dieser gestattet, begonnen wurde, das Wiedererwachen eines Großmut verratenden Sinnes, der ebenso menschlich edel wie politisch klug ist. Dieser Sinn kann in der Hitze des Kampfes und im leidenschaftlichen Behaupten der gegensätzlichen Interessen wohl geschwächt werden, aber nie ganz erlöschen; gründet er ja in der Natur selbst und in der christlichen Auffassung vom Leben und muss daher wieder voll zu Ehren kommen, sobald das Schwert seine harte Arbeit getan hat.

IV. Gedanken des Friedens

1. Weckung des Zusammengehörigkeilsgefühls unter den Völkern

Nichts wünschen Wir ohne Zweifel sehnlicher, als sobald wie möglich den Tag aufsteigen zu sehen, an dem der Lärm der Waffen verstummt und einem so großen Teil der Menschheit, der da gefoltert beinahe am äußersten Ende seiner physischen und moralischen Kräfte steht, Friede, Sicherheit und Wohlfahrt wiedergegeben werden.

Unzählige Herzen sehnen diesen Tag herbei, wie Schiffbrüchige den Aufgang des Morgensterns. Viele machen jedoch schon jetzt darauf aufmerksam, dass der Übergang von der Wut des Sturmes zur großen Ruhe des Friedens noch sehr peinvoll und bitter sein kann; sie ahnen, dass die Etappen des Weges von der Einstellung der Feindseligkeiten bis zur Herstellung normaler Lebensbedingungen größere Schwierigkeiten in sich bergen könnten als man denkt. Umso notwendiger ist es daher, dass ein neues, starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit unter den Völkern erstehe, damit die Heilung der Welt beschleunigt werde und dauerhafter sei.

2. Schaffung einer internationalen Organisation zur Sicherung des Friedens

Schon in Unserer Weihnachtsbotschaft von 1939 erklärten Wir als wünschenswert die Schaffung von internationalen Organisationen, welche unter Vermeidung der Mängel und Schwächen der Vergangenheit tatsächlich imstande wären, den Frieden nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit gegen jedwede Bedrohung in der Zukunft zu erhalten. Nachdem nun heute, nach so vielen fürchterlichen Erfahrungen, der Wunsch nach einem neuen derartigen allgemeinen Friedensinstitut die Aufmerksamkeit und Sorge der Staatsmänner und der Völker immer mehr auf sich lenkt, geben Wir gern Unserem Wohlgefallen über diesen Plan Ausdruck und wünschen, seine konkrete Verwirklichung möge wahrhaft in weitestem Maße der Höhe des Zieles entsprechen, das in der Erhaltung der Ruhe und Sicherheit in der Welt zum Vorteil aller besteht.

3. Zum Problem der Kriegsgefangenen und Fremdarbeiter

Niemand aber ersehnt wohl so brennend das Ende des Kampfes und das Wiedererstehen der gegenseitigen Eintracht unter den Nationen wie die Millionen von Gefangenen und Zivilinternierten, die der Krieg zwingt, das harte Brot der Gefangenschaft oder der Zwangsarbeit in fremdem Land zu essen. Sie vergehen und verzehren sich vor Schmerz über das andauernde Fernsein von ihren Müttern, ihren Bräuten, ihren Kindern, über die lange Trennung von allen geliebten Personen und Dingen; ein stechendes Gefühl der Qual und Verlassenheit steigt in ihnen auf, von dem nur der sich einen Begriff machen kann, der in den tiefen Kummer ihrer Herzen einzudringen versteht. Dieser Krieg und das, was zwangsläufig oder willkürlich mit ihm zusammenhängt, haben zur ungeheuerlichsten und tragischsten Völkerwanderung geführt, die die Geschichte kennt. Ein Werk hoher Menschlichkeit, weitsichtiger Gerechtigkeit und ordnender Weisheit wird es daher sein, wenn man diese Unglücklichen nicht mehr als unbedingt nötig auf ihre schon allzulang verzögerte Befreiung warten lässt.

Ein entsprechender Beschluss, der natürlich etwaige, für unumgänglich gehaltene Vorsichtsmaßnahmen nicht ausschließen würde, wäre für viele Unglückliche ein erster Sonnenstrahl in stockdunkler Nacht; er wäre der symbolische Künder einer neuen Zeit, einer Zeit, in der durch die zunehmende Entspannung der Gemüter alle friedliebenden Nationen, große und kleine, mächtige und schwache, siegreiche und besiegte, teilhaben werden nicht bloß an den Rechten und Pflichten, sondern auch an den Wohltaten einer echten Kultur.

4. Das Schwert und die Gerechtigkeit an der Pforte zum Frieden

Das Schwert kann und muss leider manchmal den Weg zum Frieden aufschließen. Der Schatten des Schwertes kann auch noch lasten auf der Übergangszeit von der Einstellung der Feindseligkeiten bis zum formellen Abschluss des Friedens.

Die Drohung des Schwertes kann schließlich noch nach Abschluss des Friedens, innerhalb der rechtlich notwendigen und sittlich zulässigen Grenzen, als unvermeidlich erscheinen, um die Einhaltung der gerechten Verpflichtungen zu verbürgen und etwaigen Versuchen zu neuen Konflikten zuvorzukommen.

Aber die Seele eines Friedens, der dieses Namens würdig ist, und sein belebender Geist kann nur eines sein: eine Gerechtigkeit, die mit unparteiischem Maßstab allen das gibt, was jedem gebührt, und von allen das fordert, wozu jeder gehalten ist, eine Gerechtigkeit, die nicht allen alles gibt, die aber allen Liebe gibt und keinem Unrecht tut, eine Gerechtigkeit, die eine Tochter der Wahrheit ist und Mutter einer gesunden Freiheit und sicheren Größe.

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