Penitus commoto animo (Wortlaut)

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Ansprache
Penitus commoto animo

von Papst
Pius XII.
an das Kardinalskollegium
über die feierliche dogmatische Definition der Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele
2. November 1950

(Offizieller lateinischer Text: AAS 42 [1950] 784-792)

(Quelle: Arthur Fridolin Utz OP, Joseph-Fulko Groner O.P, Hrsg.: Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, Soziale Summe Pius' XII. (1939-1958), Übersetzerkollegium: Herausgeber und Franz Schmal u. H. Schäufele, Paulus Verlag Freiburg/Schweiz 1954; Imprimatur Friburgi Helv., die 5. Maii 1954 N. Luyten O.P. Imprimatur Friburgi Helv., die 29. Junii 1954 R. Pittet, v.g.; Band I, S. 242-254; Nrn. 549-571)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Einleitend

Begrüßung der Kardinäle

Mit einer Ergriffenheit, wie Wir sie selten im Laufe der Jahre Unseres Pontifikates erlebt haben, grüßen Wir Euch heute, ehrwürdige Brüder, Ihr, Unsere auserlesene Freude. Der Grund dieser Erhebung des Herzens ist Euch bekannt. Der Ratschluss des ewigen Gottes, dessen Natur Güte ist, hat Uns, die Wir von früher Jugend an die hehre Gottesmutter in inniger Andacht verehren, ohne Unser Verdienst erwählt, dass Wir durch den Ausspruch Unseres höchsten Lehramtes bekräftigten und mit irrtumsloser Erklärung verkündeten: es ist eine vom Himmel geoffenbarte Wahrheit, dass die erhabene, von der Erbschuld freie und jungfräuliche Gottesgebärerin mit Seele und Leib in den Himmel aufgenommen wurde.

Darob empfinden Wir Trost und Freude, wie Wir Uns auch gestern sehr gefreut haben, als Ihr in so großer Zahl bei der Ausübung der höchsten Vollmacht Unseres heiligen Amtes um Uns versammelt ward und durch Eure Gegenwart Eure vorher geäußerten, fast einstimmigen Urteile bestätigt habt, zugleich als Zeugen des Glaubens Eurer Herden an dieses so große Geheimnis, das Gott und auch unsere Mutter betrifft.

Die Feierlichkeiten des Heiligen Jahres, ein Symbol der Einheit der Kirche

Es ist fürwahr eine große Stunde, die Wir mit Euch verbringen. Wenn Wir von der Zeit des Allgemeinen Vatikanischen Konzils absehen, ist in der Kirchengeschichte kein Fall bekannt, wo eine größere Schar von Bischöfen als jetzt den Nachfolger des Apostelfürsten Petrus umgeben hatte. Die Fortschritte der Technik und die organisatorischen Erfahrungen haben dies ermöglicht, und zwar nicht ohne großen Nutzen der kirchlichen Einheit. Deshalb sagen Wir dem vorsorgenden Gott Dank dafür, dass jene Errungenschaften in die heutige Zeit fallen, in der, durch die himmlische Gnade angeregt, sowohl bei den geweihten Hirten wie bei den ihrer Sorge anvertrauten Gläubigen ein starker Wille zur Einheit sich so wirksam wie kaum jemals in der Geschichte regt.

Wenn Ihr aus entlegenen Ländern, ja von den äußersten Enden der Welt hier zusammengekommen seid, so ist das ein neues und klares Zeugnis für die Natur der Kirche Christi, die in ihrem weiten Schoß alle Völker umfasst. In dem vielfältigen Schauspiel, das dieses Heilige Jahr wie kein anderes vor ihm bot, ist diese Eure Zusammenkunft und Versammlung gleichsam der Höhepunkt, da sie mit besonderer Deutlichkeit beweist, wie die Katholiken aller Stämme und Zungen im Glauben und in der Liebe zusammenwachsen.

I. Die kirchenfeindliche Welt

Gedenken der Gläubigen hinter dem Eisernen Vorhang

Doch zu Unserem großen Schmerz können Wir nicht verschweigen, was nicht Schuld der Kirche ist, sondern Gewalt und Zwang von außen. Leider, leider fehlen in Euren Reihen und in der Schar der Pilger die Christgläubigen aus jenen Ländern, wo die Freiheit verwehrt ist, sich friedlich mit den Glaubensbrüdern zu treffen in dieser ehrwürdigen Stadt, der geliebten und liebenden Heimat und Hauptstadt des christlichen Erdkreises. O teuerste Kinder, der heiligen Freiheitsrechte elend beraubt, Ihr bleibt keineswegs bei Uns vergessen, noch Unserem Gebete fern. Ja, wenn es in Unserer Liebe zu den Schäflein Christi Grade geben dürfte, so ständet ihr in Unserem Wohlwollen an erster Stelle. Täglich richten Wir zu Gott inständige Gebete für Euch und für die Völker, denen Ihr angehört. Wir wissen das Gerade vom Krummen zu trennen, Wir wissen die Völker von den Ideologien zu unterscheiden, die, obgleich sie zeitlichen und ewigen Ruin mit sich bringen, ihnen aufgezwungen werden. Wir haben zwar gewisse Ideologien verworfen und verurteilt, aber damit haben Wir weder gegen einige Völker noch gegen irgendein Staatswesen als solches etwas unternommen, sondern Wir haben nur vor den irrigen Meinungen gewarnt, die darauf ausgehen, den Begriff des ewigen Gottes auf dem Erdkreis zu verwischen und den christlichen Glauben zu zerstören, und die sich zur Verwirklichung dieser gottlosen Absicht der Macht politischer Parteien bedienen. Wir haben nichts anderes gesagt und getan, als was das Bewusstsein Unserer Pflicht verlangt, das Uns Gebot ist.

Der Papst ist kein « Kriegstreiber»

Es ist wohl nicht nötig, in der Ansprache, die Wir jetzt an Euch richten, noch die Anklage zurückzuweisen, womit einige - Ihr alle wisst, wen Wir meinen - lügnerisch behaupten, der Papst wolle den Krieg, arbeite auf den Krieg hin und mache sich dabei zum Helfer eines großen und mächtigen Staates. Wenn in den letztvergangenen Jahren, kaum dass der Weltkrieg beendet war, die Völker aus Furcht vor einem neuen bewaffneten Zusammenstoß nicht aus der Unruhe und Erregung herauskamen, ähnlich wie wenn die Erde durch Beben immer wieder erschüttert wird, so trifft die Schuld hierfür in keiner Weise die Kirche und ihr Oberhaupt, die unablässig die Sachwalter und Verteidiger des Rechtes, der Gerechtigkeit und des Friedens waren und sind. Soweit Wir es als Unsere Pflicht erachten, über Krieg und Frieden zu urteilen, haben Wir es - um von Unseren anderen Verlautbarungen zu schweigen - offen und freimütig getan in der Rundfunkbotschaft, die Wir am Heiligen Abend des Jahres 1948 an alle Völker richteten. Damals glaubten Wir tatsächlich nicht, dass schon bald die Ereignisse Unsere Worte bestätigen würden. Dennoch sei es ferne von Uns, dass Wir die Hoffnung auf die Möglichkeit aufgeben, den Frieden ohne die Gefahr kriegerischer Verwicklungen zu bewahren und zu verteidigen. Die vorauszusehenden, unheilvollen Übel möge Gott, bei dem kein Ding unmöglich ist, fernhalten (Vgl. Lk. 1, 37). Und bei Gott möge die gütigste Mutter der Gnaden, die Mutter der Barmherzigkeit, Maria, für die Sache eines wahren Friedens eintreten. - Das ist die erste, inständige Bitte, die Wir an die Himmelskönigin richten, deren Lobpreis und Ehre zu mehren Wir die große Freude hatten. Ihr aber, ehrwürdige Brüder, sollt den Klerus und das Eurer Wachsamkeit anvertraute Volk ermahnen, dass sie der Förderung des echten Friedens durch Nächstenliebe, Gebet und Selbstaufopferung jederzeit und mit allen Kräften zu dienen suchen.

II. Stellungnahme zu sittlich-sozialen Fragen

1. Verschwenderische Vergnügungssucht

Werke der Buße als Ausgleich für das eingeschränkte Fasten- und Abstinenzgebot

Sie sollen die Waffen des Geistes ergreifen und einen heiligen Feldzug unter dem Zeichen des Kreuzes beginnen. Bei dieser sich Uns bietenden Gelegenheit wollen Wir Euch, ehrwürdige Brüder, und allen, die sich katholisch nennen, etwas kundtun, was Wir schon lange und häufig im Herzen erwägen. Ihr wisst, dass das kirchliche Abstinenz- und Fastengebot in diesen letzten Jahren sehr gemildert wurde. Dazu trieben die Lebensmittelverhältnisse einer ganz großen Zahl von Katholiken, besonders jener, die in Großstädten wohnen und in Fabriken arbeiten. Für diese wäre die Beobachtung des früheren Gesetzes schwer, ja fast unmöglich gewesen. Deshalb wurde seinerzeit die erwähnte, zeitweise Änderung getroffen.

Die Gläubigen unserer Tage würden aber hinter der Tugend der Vorfahren zurückbleiben, wenn sie nicht durch freiwillige, unserer Zeit entsprechende Werke der Buße jene Milderung des althergebrachten Gebotes ausgleichen würden, und dies gerade heute, wo mehr als einer von jenen bösen Geistern so schrecklich wütet, die nach den Worten des göttlichen Meisters nur durch Gebet und Fasten ausgetrieben werden können (Vgl. Mt. 17,20), und daher die geistige Hinopferung seiner selbst höchst notwendig ist, um so viele Übelstände sittlicher und sozialer Art zu überwinden und zu beseitigen.

Dieser Ausgleich geschieht auch schon. Was nämlich die Taten der Mildtätigkeit angeht, die nach dem letzten Weltkrieg während des Krieges selbst geleistet wurden, so gestehen Wir zu Unserem nicht geringen Trost: die Freigebigkeit der Katholiken war so groß, dass sie keinen Vergleich mit irgendeinem Beispiel der Wohltätigkeit vergangener Zeiten zu scheuen braucht. Von Unserer Seite sagen Wir, ebenfalls bei dieser Gelegenheit, den Bischöfen des katholischen Erdkreises, vor allem jenen, die in wohlhabenden Gegenden ihr heiliges Amt versehen, sowie den ihrer Hirtensorge anvertrauten Gläubigen Dank dafür, dass sie Uns in reichem Maße die Mittel verschafften, um der Not so vieler Bedürftiger wirksam abzuhelfen.

Neben der erwähnten, hochherzigen Mildtätigkeit haben Wir aus Erfahrung festgestellt, dass auch jetzt in der Kirche der Bußgeist lebendig ist, was sich dann sehr deutlich zeigt, wenn widrige Umstände und Not, die Gott zulässt oder schickt, starkmütig und gelassen ertragen werden, oder wenn man sich freiwillig der Vergnügungen und übermäßigen Genusses enthält.

Materialistische Einstellung als innere Ursache der Genusssucht

Wir können aber nicht die Worte «Vergnügen» und « Genuss » in den Mund nehmen, ohne dass Wir schmerzlich den in unerträglicher Weise wachsenden luxuriösen Aufwand beklagen, der zum Elend und der Not vieler anderer in so schreiendem Gegensatz steht. Luxus und Vergnügungssucht sind die Folge einer Lebensauffassung und Lebensführung, die vom Materialismus durchsetzt sind, und sie rufen entsprechende Sitten hervor. Könnte es denn anders sein? Wenn der Mensch das Bewusstsein der eigenen Würde verliert, wenn er das Maß und Gleichgewicht im Handeln vernachlässigt, wenn das Geistige, das Übernatürliche und Ewige nicht beachtet, geschweige denn als wahre Quelle des Glücks angesehen wird, dann nehmen Habsucht und zügellose Gier nach den irdischen Gütern überhand, und statt der Ehrfurcht vor dem Namen und der Majestät Gottes werden die Technik und die stumpfe und blinde Gewalt verehrt. Wir nehmen das vorhin gespendete Lob nicht zurück und widerrufen es nicht. Aber es darf diese Gier nach Vergnügen und Luxus nicht übersehen und nicht geleugnet werden, die gleich einem reißenden Strom sich ausbreitet und nicht dahinflutet, ohne auch die Katholiken zu berühren und hier und dort sogar bedenklich in ihr Gebiet und Territorium einzudringen. Als gütige und nachsichtige Mutter schränkt die Kirche die Freiheit nur in den Dingen ein, die im Widerspruch stehen mit der Einfachheit christlicher Lebensführung, mit der Beobachtung der Sittengesetze und mit der Pflicht, fremder Not zu helfen. Ist nicht die Freude gleichsam ein Kennzeichen und eine Zier für katholische Völker? Es geht aber nicht an, dass das Streben nach den Genüssen des Lebens die Grenzen des Billigen und Ehrbaren überschreite.

Sinn und Zweck eines maßvollen lind entsagenden Lebens

Gegenüber einer solchen Unbeherrschtheit richten Wir an alle die dringende Mahnung, dass sie willig kämpfen unter dem Zeichen christlicher Entsagung und Selbstaufopferung über das hinaus, was die sittlichen Gesetze vorschreiben, jeder nach dem Maß seiner Kräfte, nach dem Antrieb der Gnade Gottes, nach den Möglichkeiten, die der Beruf bietet. Vielfache Ziele sind da zu erreichen. Vor allem wird jeder einzelne durch Buße seine Vergehen sühnen, die Makel der Sünden aus der Seele tilgen und so immer heiliger und stärker werden. Dann wird er den Glaubensbrüdern und denen, die außerhalb stehen, zum Beispiel und Ansporn dienen; was er der Eitelkeit entzieht, wird er für die Nächstenliebe verwenden und wird barmherzig den Bedürfnissen der Kirche und der Armen abhelfen. So haben es die Gläubigen der Urkirche gehalten, fastend und auch von Erlaubtem sich enthaltend, haben sie die Quellen wohltätiger Nächstenliebe gespeist. Solchen Beispielen zu folgen ist lobenswert und völlig der Lage und dem Zustand unserer Zeit entsprechend, nicht bloß in dieser oder jener Gegend, die von selbst sich durch die Tugend der Freigebigkeit hervortut und den Bedürfnissen der Kirche abhilft, sondern ausnahmslos in allen Teilen der Welt.

Es liegt Uns, ehrwürdige Brüder, sehr am Herzen, dass auch voll verwirklicht werde, was Wir nahelegen. Auch uns gilt, wie den ersten Christen, die Mahnung des Apostels Paulus: « Ich ergänze an meinem Fleische, was von den Leiden Christi noch fehlt, zugunsten seines Leibes, das ist die Kirche » (Kol. 1,24). Es ist unser aller Pflicht, wie derselbe Apostel sagt, uns zu mühen, « in Geduld ... in Arbeiten, in Nachtwachen und Fasten ... in ungeheuchelter Liebe » (2 Kor. 6, 46), zum Aufbau des Reiches Gottes. Wurde nicht ausdrücklich für die Priester jenes Wort gesagt: « Ich züchtige meinen Leib und mache ihn mir dienstbar, damit ich nicht etwa, nachdem ich andern gepredigt habe, selbst verworfen werde » ? (1 Kor. 9, 27) - Dies ist tatsächlich das zweite Anliegen, das Uns dringende Gebete an die Gottesmutter richten lässt: Möge Maria, die in den Himmel aufgenommen wurde und deren Seele und Leib vollkommen und gänzlich frei waren von jeder Schuld, von jeder ungeordneten Verwirrung, von jeder unbeherrschten Regung, die Erfüllung Unserer Hoffnung von ihrem göttlichen Sohn erflehen.

2. Ehe und Familie

Die Ehe in Gefahr

Wenn man die Zeitverhältnisse genauer ins Auge fasst, so fordern außer den obigen die Fragen über Ehe und Familie Unsere besondere Aufmerksamkeit. Wir glauben auch richtig zu sehen, wenn Wir bei der Betrachtung der Unordnung, die Ehe und Familie weithin und tiefgehend stört, der Ansicht sind, dass sie die moderne menschliche Gesellschaft wie eine Pest vergiftet und die Seelen verdirbt. Obgleich über die theoretische und praktische Seite dieser Frage unglaublich viel geschrieben wurde, nimmt das Übel doch immer mehr zu und verschlimmert sich noch. Es ist dies auch kaum anders möglich, da jene, welche die Wunde zu heilen versuchen, und jene, denen das Heilmittel verordnet werden muss, die Ehe vom göttlichen Gesetz trennen, das die menschliche Natur überall verkündet und die Lehre der Kirche in gleicher Weise vertritt.

Literarische Erzeugnisse als Zerstörungsmächte der Ehemoral

Es ist unmöglich, den schmutzigen Strom der Bücher, Broschüren, Artikel und Zeitschriften aller Art zu beschreiben, die durch Wort und durch Bilder, die jeden Ernstes und jeder Ehrfurcht bar sind, das gesunde Urteil des Volkes und den rechtlichen Sinn der Menschen verderben. Wir kennen sehr wohl die Fortschritte, die man in der Medizin, der Psychologie und der Soziologie hervorhebt und wissen sie wohl zu würdigen, ja Wir wünschen sogar dringend, dass die Seelsorge der Eheberatung und der Institute zur Förderung des Wohles der Familien sich ihrer bedienen. Wir lehnen es aber ab und verwerfen es, dass sich außer den sittlich guten und ernstgemeinten Bemühungen und über sie hinaus, unter dem verlogenen Vorwand der Belehrung, eine armselige Literatur breitmacht, die in den ungebildeten und unwissenden Lesern krankhafte Reize hervorruft und unter dem Schein der Wissenschaft die bösen Anreize der Verführung beschönigt.

Es gehört sich nicht, dass Wissenschaftler und Künstler Wissen um Dinge, das nur ihnen selbst nützt, anderen in unkluger Weise zum Schaden für Leib und Seele mitteilen. Man muss sich vor der irrigen Auffassung aus der Zeit der Aufklärung hüten, das Wissen für sich allein sei bereits hinreichend, um den Menschen und seine Handlungen gut zu machen. Ist dieser Gedanke sonst schon gefährlich, auf diesem Gebiet wirkt er verheerend.

Erzeugung einer öffentlichen Meinung zum Schaden von Ehe und Familie

Nicht weniger Schaden richten auch Veröffentlichungen an, die in der ausdrücklichen Absicht geschehen, die öffentliche Meinung künstlich zu beeinflussen. Diese Meinung soll dann, nicht ohne Druck auf die sittliche und oft auch auf die wirtschaftliche Ordnung, die Beziehungen der beiden Geschlechter regeln und den Weg für die Schließung der Ehe und die Grundlage der Familie angeben. Wird da nicht jede sittliche Ordnung verkehrt, wenn der Mensch, das Ebenbild Gottes, sich in dem innersten Bereich seiner Persönlichkeit der Führung solcher überlässt, die nur ihren Vorteil suchen? Eine gesunde und unverdorbene öffentliche Meinung über Ehe und Familie ist zweifellos eine entscheidende Kraft, die fähig ist, Grundsätze und Lebensnormen nahezubringen. Darum ist sie auch dringend nötig.

Aber, wenn sie gesund genannt wird und es auch wirklich ist, dann ist nicht nur das vorgeschrieben, was von außen herangetragen wird, sondern immer und in erster Linie ist es die Lebensordnung, die sich aus der Gesamtschau der menschlichen Natur ergibt und die den Menschen an Gott und Gottes Gesetz bindet.

Die uneingeschränkte Geltung der christlichen Ehe- und Familiengesetze

Diese enge Verbindung der Ehe und Familie mit dem Gesetz Gottes ist der Gipfel und der Angelpunkt Unserer Erwägung. Nur dieser Gehorsam gewährt der ehelichen Verbindung den notwendigen Schutz und die Sicherheit gegen den Leichtsinn, die Unbeständigkeit und den Wankelmut des Menschen in den harten Schwierigkeiten des Lebens. Auch im Unglück zeigt er seine wohltuende Kraft, er verletzt nicht den Charakter der häuslichen Gemeinschaft, und verhindert, dass das Band, das die Gatten miteinander verbindet, falsch und treulos werde.

In diesem Punkt ist das Urteil nicht weniger Katholiken unklar und falsch. Eine falsche Philosophie lehrt nämlich, eine von außen auferlegte Norm sei unbedingt abzulehnen und zu verwerfen, als ob sie unvereinbar sei mit der wirklichen Natur des Menschen und feindselig die Kraft des unversehrten und fruchtbaren Lebens vernichte. Es ist sicher, dass aus einer so verwerflichen Philosophie der furchtbare Untergang jedes heiligen Ehe- und Familienlebens folgt, das nur dort in Blüte steht, wo die Lehre der Kirche herrscht. Darum gibt es kein wichtigeres Anliegen, als das Hauptstück dieser Lehre rechtzeitig und möglichst weit zu verbreiten, dass nämlich der Mensch zu einem zeitlichen und ewigen Glück geboren ist, aber keines von bei den erreicht, wenn er nicht seine Pflicht erfüllt und dem Gesetze Gottes gehorcht.

Ist aber diese Bindung gelöst, dann gibt es für einige Dinge weder eine Erklärung, noch kann man sie aufrecht halten: so das Recht, die eigene Person zu schützen und zu vervollkommnen, die Freiheit der Person, das Bewusstsein persönlicher Verantwortung. Wer sich auf das Recht der von Gott verliehenen Freiheit beruft, um sich von seiner Ordnung frei zu erklären, widerspricht sich selbst. Dieser Weg ist schmachvoll und schändlich und darf deshalb nie gewählt werden, auch wenn einer den Menschen in harten Schwierigkeiten des Ehelebens helfen wollte. Es ist also ein Verhängnis sowohl für die Kirche als auch für den Staat, wenn Menschen, die für andere verantwortlich sind, mit dem Mund und durch die Praxis ihres Lebens gewohnheitsmäßig und absichtlich schweigen, wenn in der Ehe Gesetze Gottes verletzt werden, die unter allen Umständen immer ihre Kraft behalten.

Entschuldigungen sucht man immer wieder in der Not, in der Bedürftigkeit, die für Ehe und Familie einen harten Stand zur Folge haben. In herzlicher Vaterliebe bedauern Wir diese Verhältnisse und betrauern sie. Aber sie geben dennoch kein Recht, von der unveränderlichen und festen Gottesordnung abzuweichen. Nie und nirgends darf sie weichen, aber die sozialen Verhältnisse müssen unter dem Druck solcher Not eine Besserung finden. Jeder, der sich Christ nennt, muss aus dem Beweggrund der Gerechtigkeit und Liebe zu einer heilsamen Abhilfe bereit sein. In besonderem Maße ist das aber zu beachten, wo es gilt, der Unzahl von Menschen zu helfen, die nur nach Beseitigung härtester Schwierigkeiten ein angemessenes, rechtes und glückliches Eheleben führen können.

Falsche und echte «soziale Sicherheit» für Ehe und Familie

Ein Wort geht heutzutage sehr häufig durch aller Mund: soziale Sicherheit. Wenn das, ehrwürdige Brüder, Sicherheit durch die menschliche Gesellschaft bedeuten soll, dann hegen Wir eine große Besorgnis, Ehe und Familie könnten zu Schaden kommen. Was für ein Schaden wäre dies? Wir fürchten nicht nur, dass die bürgerliche Gesellschaft sich mit Dingen befasst, die an sich nicht zu ihrer Befugnis gehören, sondern auch, dass der Sinn für ein christliches Leben und eine christliche Lebensauffassung abnimmt, ja ganz erlischt. Mit Berufung hierauf spricht man schon von den Forderungen des Malthusianismus; aus dem gleichen Grunde sucht man die Rechte auf Ehe und Nachkommenschaft einzuschränken, wie man andere persönliche Rechte oder ihren Gebrauch einschränkt. Für Christen und alle, die allgemein an Gott glauben, kann die soziale Sicherheit nur in der Sicherheit in der Gesellschaft und mit der Gesellschaft bestehen, in der das naturgemäße Leben des Menschen, der naturgemäße Ursprung und Fortschritt der Ehe und Familie gleichsam das Fundament sind, auf dem die Gesellschaft selbst in Ordnung und Sicherheit ihre Funktionen ausübt. Unter den unheilvollen Ereignissen der jüngsten Vergangenheit hat die Familie trotz vielfacher Schwächung doch klar bewiesen, welche Widerstandskraft sie besitzt. Diese ihre innere Kraft überwindet leicht alle anderen menschlichen Einrichtungen. Wenn man also der menschlichen Gesellschaft wirklich helfen will, so soll man nichts unterlassen, um die Familie zu erhalten, sie zu stützen und zu schützen. - Das ist das Dritte, um das Wir inständig die Jungfrau Maria bitten, die in den Himmel aufgenommen wurde. Wo sich Ehe und Familie in einer so ungünstigen und widerwärtigen Lage befinden, dass kaum noch eine Hoffnung bleibt, möge Maria in mächtiger Fürsprache Gott den Schöpfer und Erlöser bitten, dass die Menschen zur Hochachtung vor der erhabenen Auffassung der Ehe zurückkehren, die er selbst beabsichtigte und grundlegte, und dass auch alle Kinder der Kirche stets und nur unter sich unter dem Segen des Sakramentes des Ehebündnis schließen und durch ihre reine Vereinigung wie in einem heiligen Abbild die wunderbare Vereinigung Christi mit der Kirche darstellen (Vgl. Eph. 5, 25-33).

Pflege der Jungfräulichkeit und Weckung gottgeweihter Berufe

Wo aber in christlicher Zucht die reine Ehe blüht, da blüht in gleicher Weise mehr und mehr die Jungfräulichkeit, die ihre Kraft aus der Liebe Christi empfängt. Wir bitten Euch, ermahnt Euren Klerus, diese Lebensform, die die Menschen den Engeln ähnlich macht, hochzuachten, sie in Gottesfurcht zu pflegen und auch andere auf diesen vornehmen Tugendweg zu führen, besonders das weibliche Geschlecht, da die Kirche großen Schaden erleidet, wenn dessen Hilfe in der Arbeit des Apostolates nachlässt.

Schlussgedanken und Segen

571 Das sind die drei Hauptanliegen, die Wir unter der Fürsprache der gütigen Jungfrau Maria Gott dem Herrn vortragen; Wir sind sicher, ehrwürdige Brüder, dass Ihr Euch, wie Wir es wünschen, bei diesem Gebet mit Uns vereinigt. Zu dem, was Wir zu Euch sagten, brauchen Wir zwei Gedanken nicht weiter auszuführen, die Uns sehr am Herzen liegen: einmal nämlich, die katholische Lehre rein und unversehrt zu bewahren, dann aber, um eine ausgezeichnete Bildung des Klerus und seine Heiligkeit besorgt zu sein. Dies haben Wir ja ausführlich in der Enzyklika Humani Generis und in der Apostolischen Ermahnung Menti nostrae behandelt. Dann wünschen und verlangen Wir in dieser so glanzvollen und einzigartigen Versammlung sehnlichst danach, zu sagen, dass Unser Herz in Liebe und Dankbarkeit bewegt ist, da Wir sehen, dass die katholischen Oberhirten des Erdkreises ihr hehres Amt so ausüben, dass sie in stets treuer Anhänglichkeit an den Nachfolger des heiligen Petrus sich abmühen in gewissenhaft tätiger Wachsamkeit, in weitsichtigem Eifer, den Glauben zu fördern, und im starken Willen zu rüstiger Arbeit.

Mögen die Fluten in wütendem Sturm schäumend heranjagen und unaufhörlich eine der anderen folgen, mögen die Stürme im Innern entstehen oder von außen die Kirche betrüben, ihr vergeblicher Angriff gegen den unveränderlichen Willen der Einheit, über den Wir sprachen, wird zusammenbrechen, wie der göttliche Erlöser es aussprach in seinem letzten priesterlichen Gebet (Vgl. Joh. 17, 21-23), oder wie Christus es verkündete in seiner Prophezeiung, dass die Pforten der Hölle die Kirche nicht überwinden können (Mt. 16, 18).

Mit einem Herzen voll Trost und Freude spenden Wir Euch allen, ehrwürdige Brüder, die Ihr hier zugegen seid, allen Euren Amtsbrüdern auf der ganzen Welt, wie auch den Priestern und Christgläubigen, die Eurer Sorge anvertraut sind, von Herzen gern den Apostolischen Segen.