Personen des geweihten Lebens und ihre Sendung in der Schule

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Rundschreiben
Personen des geweihten Lebens und ihre Sendung in der Schule

Kongregation für das katholische Bildungswesen
im Pontifikat von Papst
Johannes Paul II.
Betrachtungen und Orientierungen
zum 37. Jahrestag des Erlasses der Erklärung „Gravissimum educationis“ des II. Vatikanischen Konzils
28. Oktober 2002

(Quelle: Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


EINLEITUNG

Am Anfang des dritten Jahrtausends

1. Die 2000-Jahr-Feier der Menschwerdung des Wortes war für viele Gläubige eine Zeit der Umkehr und der Öffnung gegenüber dem Plan Gottes für den Menschen, den er nach seinem Bild geschaffen hat. Die Gnade des Jubiläumsjahres hat im Gottesvolk das dringende Bedürfnis geweckt, durch das Zeugnis des eigenen Lebens das Geheimnis Jesu Christi „gestern, heute und immer” zu verkünden und in Ihm die Wahrheit über die menschliche Person. Insbesondere die Jugendlichen haben ein überraschendes Interesse an einer eindeutig verkündete Botschaft Jesu gezeigt. Die Personen des geweihten Lebens haben ihrerseits den eindringlichen Anruf zur ständigen Bekehrung empfangen, um in der Kirche ihren besonderen Auftrag zu erfüllen: Zeugen Christi zu sein, Offenbarung der Liebe Gottes in der Welt, erkennbare Zeichen einer versöhnten Menschheit.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, 25. März 1996, Nrn. 72-73, AAS 88 (1996), 447-449.</ref>

Eine prophetische Aufgabe

2. Die komplexen kulturellen Umstände am Anfang des 21. Jahrhunderts sind ein weiterer Appell an die Verantwortung, die Gegenwart als kairós, als begünstigte Zeit zu leben, damit das Evangelium die Männer und Frauen wirksam erreicht. In dieser problematischen und zugleich faszinierenden Zeit<ref> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, 7. Dezember 1990, Nr. 38, AAS 83 (1991), 286.</ref> spüren Personen des geweihten Lebens die Bedeutsamkeit ihrer prophetischen Aufgabe, die ihnen die Kirche anvertraut: „sich auf Gottes Plan in bezug auf die Menschen zu besinnen und ihm zu dienen, wie es von der Schrift verkündet wird und wie es aus einem aufmerksamen Lesen der Zeichen des weisen Wirkens Gottes in der Geschichte hervorgeht“.<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, Nr. 73, AAS 88 (1996), 448.</ref> Ein solcher Auftrag erfordert den Mut zum Zeugnis und zum ständigen Dialog: eine Pflicht angesichts kultureller Tendenzen, die die Würde des menschlichen Lebens besonders in den kritischen Phasen seines Beginns und seines Endes bedrohen, wie auch die Harmonie der Schöpfung, die Existenz der Völker und den Frieden.

Warum diese Überlegungen

3. Zu Beginn des neuen Jahrtausends, im Kontext tiefgreifender Veränderungen auch in der Welt von Schule und Erziehung, will die Kongregation für das Katholische Bildungswesen einige Gedanken mitteilen, einige Orientierungen anbieten und ein vertieftes Nachdenken anregen über den Erziehungsauftrag und die Präsenz der Personen des geweihten Lebens nicht nur in der katholischen Schule. Dieses Dokument richtet sich vorzugsweise an die Mitglieder der Institute geweihten Lebens und der Gesellschaften apostolischen Lebens sowie an jene im Erziehungsauftrag der Kirche, die in verschiedenen Formen die evangelischen Räte angenommen haben.

In Kontinuität mit früheren kirchlichen Leitlinien

4. Die vorliegenden Betrachtungen stehen in einer Linie mit dem II. Vatikanischen Konzil, mit dem Lehramt der Weltkirche und den Dokumenten der Kontinentalsynoden, die sich mit der Evangelisierung, mit dem geweihten Leben und insbesondere mit der schulischen Erziehung befassen. Diese Kongregation hat in den vergangenen Jahren Orientierungen zur katholischen Schule<ref> Vgl. Heilige Kongregation für das katholische Bildungswesen, Die Katholische Schule, 19. März 1977; vgl. Kongregation für das katholische Bildungswesen, Die Katholische Schule an der Schwelle zum dritten Jahrtausend, 28. Dezember 1997.</ref> und über die Laien als Zeugen des Glaubens in der Schule vorgelegt.<ref> Vgl. Heilige Kongregation für das katholische Bildungswesen, Der katholische Laie – Zeuge des Glaubens in der Schule, 15. Oktober 1982.</ref> In Kontinuität mit dem Dokument über die Laien möchte die Kongregation über den besonderen Beitrag nachdenken, den die Personen des geweihten Lebens zum katholischen Erziehungsauftrag in der Schule im Licht des Nachsynodalen Apostolischen Schreibens Vita Consecrata und der jüngsten Entwicklungen der Kulturpastoral leisten,<ref> Vgl. Päpstlicher Rat für die Kultur, Für eine Kulturpastoral, 23. Mai 1999.</ref> und geht dabei von der Überzeugung aus: „Ein Glaube, der nicht Kultur wird, ist kein voll angenommener, kein ganz durchdachter und kein treu gelebter Glaube“.<ref> Johannes Paul II., Schreiben zur Gründung des Päpstlichen Rates für die Kultur, 20. Mai 1982, AAS 74 (1982), 685.</ref>

Die kulturelle Vermittlung des Glaubens heute

5. Die Notwendigkeit der kulturellen Vermittlung des Glaubens ist eine Einladung an die Personen des geweihten Lebens, die Bedeutung ihrer Präsenz in der Schule zu bedenken. Die veränderten Bedingungen, unter denen sie arbeiten – in einem oftmals säkularisierten Umfeld und als Minderheit unter den Erziehenden –, fordern eine klare Benennung ihres spezifischen Beitrags, den sie in Zusammenarbeit mit anderen an der Schule tätigen Berufsgruppen leisten. Es zeichnet sich eine Zeit ab, in der es notwendig ist, Antworten auf die grundlegenden Fragen der jungen Generation zu finden und einen klaren kulturellen Vorschlag darüber zu machen, zu welcher Art von Person und Gesellschaft man erziehen will. Es ist notwendig, den Bezug zur anthropologischen Vision klar auszudrücken, die beseelt ist von den Werten des Evangeliums – in einem respektvollen und konstruktiven Dialog mit den anderen Lebensentwürfen.

Ein erneuertes Engagement im Erziehungsbereich

6. Die derzeitigen Herausforderungen geben neue Motivationen für den Auftrag der Personen des geweihten Lebens, die gerufen sind, nach den evangelischen Räten zu leben und den Humanismus der Seligpreisungen in das Feld der Erziehung und der Schule zu tragen, was dem Auftrag der Kirche, allen Völkern das Heil zu verkünden, durchaus nicht fremd ist.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, Nr. 96, AAS 88 (1996), 471.</ref> „Gleichzeitig nehmen wir aber schmerzlich wahr, dass einige Schwierigkeiten auftreten, die dann geistliche Gemeinschaften dazu veranlassen, den Schulbereich aufzugeben. Das Fehlen geistlicher Berufe, die Abneigung gegenüber dem Erziehungsauftrag der Schule, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten für die Trägerschaft katholischer Schulen und die Attraktivität anderer scheinbar befriedigenderer Formen des Apostolats...“.<ref> Kongregation für das katholische Bildungswesen, Rundschreiben an die Hochwürdigsten Generaloberen, an die Hochwürdigsten Generaloberinnen und an die Vorsitzenden der Gesellschaften Apostolischen Lebens mit Verantwortung für das katholische Schulwesen, 15. Oktober 1996, in: Enchiridion Vaticanum, Bd. 15, 837.</ref> Statt zu entmutigen, können solche Schwierigkeiten Quelle der Läuterung sein und eine Zeit der Gnade und des Heils anzeigen (vgl. 2 Kor 6,2). Diese Schwierigkeiten laden ein zur Unterscheidung der Geister und zu einer Haltung der ständigen Erneuerung. Darüber hinaus leitet der Heilige Geist dazu an, das Charisma, die Wurzeln und die Formen der Präsenz in der Welt der Schule wiederzuentdecken in der Konzentration auf das Wesentliche: auf den Primat des Zeugnisses Christi, des Armen, Demütigen und Keuschen; auf den Vorrang der Person und der Beziehungen, die in der Liebe gründen; auf die Suche nach der Wahrheit; auf die Synthese von Glaube, Leben und Kultur und die Vision vom Menschen, die den Plan Gottes achtet.

Evangelisieren durch Erziehung

So führen offensichtlich die Personen des geweihten Lebens in der Schule gemeinsam mit den Bischöfen einen kirchlichen Auftrag von lebensnotwendiger Bedeutung aus, insofern sie in der Erziehung zusammenarbeiten, um zu evangelisieren. Dieser Auftrag erfordert den Einsatz der Heiligkeit, Großzügigkeit und fachkundiger erzieherischer Professionalität, damit die Wahrheit über die Person, geoffenbart in Jesus, das Heranreifen der jungen Generationen und der ganzen Menschheit erleuchte. Deshalb erscheint es diesem Dikasterium angebracht, an das Profil der Personen des geweihten Lebens zu erinnern und über einige charakteristische Merkmale ihres erzieherischen Auftrags in der Schule heute nachzudenken.

I. PROFIL DER PERSONEN DES GEWEIHTEN LEBENS

In der Schule des Lehrers Christus

Ein Geschenk an die Kirche zur Offenbarung des Wortes

7. „Das Geweihte Leben, tiefverwurzelt im Beispiel und in der Lehre Christi, des Herrn, ist ein Geschenk Gottes des Vaters durch den Geist an seine Kirche. Mit dem Bekenntnis zu den evangelischen Räten erlangen die Wesenszüge Jesu – Jungfräulichkeit, Armut und Gehorsam – eine typische und beständige ‚Sichtbarkeit’ mitten in der Welt, und der Blick der Gläubigen wird auf jenes Geheimnis des Gottesreiches gerichtet, das bereits in der Geschichte wirksam ist, seine Vollendung aber im Himmel erwartet”.<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, Nr. 1, AAS 88 (1996), 377.</ref> Das Ziel des geweihten Lebens ist die „Gleichgestaltung mit dem Herrn Jesus“ und die „Ganzhingabe an ihn“,<ref> Ebd., Nr. 65, 441.</ref> weshalb jede Person des geweihten Lebens gerufen ist, „seine Gefühle und seine Lebensform“<ref> Ebd., Nr. 18, 391.</ref> anzunehmen, die Art zu denken, zu sein und zu lieben.

Identität des geweihten Lebens

8. Der unmittelbare Bezug auf Christus und das innerste Wesen der Gabe für die Kirche und für die Welt<ref> Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, Nrn. 43-44.</ref> sind Elemente, die Identität und Ziel des geweihten Lebens ausmachen. In ihnen findet sich das geweihte Leben selbst, seinen Ausgangspunkt: Gott und seine Liebe, und seinen Endpunkt: die menschliche Gemeinschaft und ihre Bedürfnisse. Aufgrund dieser Elemente erhält jede Ordensfamilie ihr je eigenes Gesicht, von der Spiritualität zum Apostolat, vom Stil des Gemeinschaftslebens bis zum Konzept der Askese und zum Miteinander-Teilen und zur Teilhabe am Reichtum der eigenen Charismen.

In der Schule Christi, um gesinnt zu sein wie er

9. In gewisser Weise kann das geweihte Leben verglichen werden mit einer Schule, in die zu gehen jede Person des geweihten Lebens für ihr ganzes Leben lang gerufen ist. Die Gesinnung des Sohnes in sich zu tragen will in der Tat heißen, jeden Tag in seine Schule zu gehen und von Ihm zu lernen, ein sanftmütiges und demütiges, ein mutiges und leidenschaftliches Herz zu haben. Es will heißen, sich von Christus erziehen zu lassen – dem ewigen Wort des Vaters – und sich von Ihm – dem Herz und der Mitte der Welt – anziehen zu lassen, indem man seine Lebensform wählt.

Sich von Christus erziehen und formen lassen, um ihm gleich zu sein

10. Das Leben der Person des geweihten Lebens ist somit ein erzieherisch-bildendes Gleichnis, das zur Wahrheit des Lebens erzieht und sie zur Freiheit der Selbsthingabe führt, gemäß dem Vorbild des Pascha des Herrn. Jeder Augenblick des geweihten Lebens ist Teil dieses Gleichnisses – in seinem zweifachen, erzieherischen und bildenden Aspekt. Die Person des geweihten Lebens lernt tatsächlich schrittweise, in sich die Gesinnung des Sohnes zu haben und diese in einem Leben, das dem seinen immer ähnlicher wird, zum Ausdruck zu bringen, auf der persönlichen wie auf der gemeinschaftlichen Ebene, in der Ausbildung und in der Fortbildung. So sind die Gelübde Ausdruck jener Lebensweise, die Jesus auf dieser Erde wählte, auf das Wesentliche bezogen, keusch und ganz und gar dem Vater ergeben. Das Gebet setzt auf Erden die Lobpreisungen des Sohnes an den Vater fort: zum Heil der ganzen Menschheit. Das gemeinschaftliche Leben bezeugt, dass im Namen des Herrn stärkere Bindungen geknüpft werden können als jene aus Fleisch und Blut, die das zu überwinden vermögen, was trennen kann. Das Apostolat ist die leidenschaftliche Verkündigung dessen, der uns für sich gewonnen hat.

Gabe für alle

11. Die Schule der Gesinnung des Sohnes öffnet schrittweise das geweihte Leben auch für das drängende Zeugnis, damit die empfangene Gabe zu allen komme. Tatsächlich „hielt“ Christus „aber nicht daran fest, wie Gott zu sein“ (Phil 2,6), er behielt nichts für sich, sondern teilte mit allen Menschen den eigenen Reichtum, Sohn zu sein. Aus diesem Grund, auch wenn das Zeugnis einige Elemente der es umgebenden Kultur enthält, streben Personen des geweihten Lebens danach, in einen Dialog einzutreten, um die Güter zu teilen, deren Überbringer sie sind. Das will heißen: Das Zeugnis muss klar und unmissverständlich sein, klar und verständlich für alle, um so zu zeigen, dass die geweihte Lebensform jeder Kultur vieles sagen kann, insofern sie hilft, die Wahrheit des Menschseins zu enthüllen.

Eine radikale Antwort

Die anthropologische Bedeutung des geweihten Lebens

12. Zu den Herausforderungen, die sich heute dem geweihten Leben stellen, gehört, dass sie die auch anthropologische Bedeutung der Weihe an Gott offenbaren kann. Es geht darum, zu zeigen, dass ein Leben in Armut, Keuschheit und Gehorsam die innerste menschliche Würde hervorhebt; dass alle gerufen sind, auf verschiedene Weise nach ihrer je eigenen Berufung arm, gehorsam und keusch zu sein. Die evangelischen Räte verwandeln tatsächlich die wahrhaft menschlichen Werte und Wünsche, aber sie relativieren auch das Menschliche, indem sie „Gott als absolutes Gut“ zeigen.<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, Nr. 87, AAS 88 (1996), 463.</ref> Das geweihte Leben muss zudem zeigen können, dass die Botschaft des Evangeliums eine beachtliche Bedeutung für das gesellschaftliche Leben unserer Zeit besitzt und auch für diejenigen verständlich ist, die in einer Wettbewerbsgesellschaft wie der unseren leben. Schließlich ist es Aufgabe des geweihten Lebens, zu bezeugen, dass Heiligkeit das Angebot der höchsten Humanisierung des Menschen und der Geschichte ist: Es ist ein Programm, das jeder auf dieser Erde sich zu eigen machen kann.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte, 6. Januar 2001, Nr. 30, AAS 93 (2001), 287.</ref>

Austausch der Charismen

13. In dem Maße, in dem die Personen des geweihten Lebens radikal die Verpflichtung leben, die aus der Weihe herrührt, teilen sie den Reichtum ihrer besonderen Berufung mit. Auf der anderen Seite weckt ein solches Mitteilen auch im Empfänger die Fähigkeit, eine bereichernde Antwort zu geben durch die Teilnahme seiner persönlichen Gabe und seiner besonderen Berufung. Dieser „gegenseitige Austausch“ zwischen Kirche und Welt ist von großer Bedeutung für die Lebendigkeit der verschiedenen religiösen Charismen und für deren Deutung, die dem heutigen Kontext und den jeweiligen spirituellen Wurzeln in gleicher Weise treu bleibt. Es ist das Prinzip vom Austausch der Charismen, dank dessen das Charisma in gewisser Weise zu seinem Ursprung zurückkehrt, ohne sich einfach zu wiederholen. Auf diese Weise erneuert sich das geweihte Leben selbst, beim Zuhören und beim Deuten der Zeichen der Zeit und in der schöpferischen und tätigen Treue zu jenem Ursprung.

Konstruktiver Dialog in Vergangenheit und Gegenwart

14. Die Gültigkeit dieses Prinzips ist durch die Geschichte bestätigt: Seit jeher hat das geweihte Leben einen konstruktiven Dialog mit der jeweiligen Kultur gepflegt, in dem es sie zum einen hinterfragte und provozierte, zum anderen verteidigte und schützte, sich auf jeden Fall von ihr anregen und herausfordern ließ – in einem Gegenüber, das manchmal dialektisch, immer aber fruchtbar war. Es ist notwendig, dass ein solcher Dialog weitergeht auch in diesen Zeiten der Erneuerung für das geweihte Leben und der kulturellen Orientierungslosigkeit, die Gefahr läuft, das unzerstörbare Verlangen des menschlichen Herzens nach Wahrheit zu enttäuschen.

In der Kirche als Gemeinschaft

Die Kirche – Geheimnis der Gemeinschaft

15. Die Vertiefung in ihr Wesen als Geheimnis der Gemeinschaft hat die Kirche unter dem Wirken des Geistes dazu gebracht, sich selbst immer mehr als Volk Gottes auf dem Weg zu verstehen und zugleich als Leib Christi, dessen Glieder in gegenseitiger Beziehung zueinander und zum Haupt stehen.

Auf pastoraler Ebene „die Kirche zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft“<ref> Ebd., Nr. 43, 296.</ref> zu machen, das ist die große Herausforderung, der wir uns am Anfang des neuen Jahrtausends zu stellen haben, um damit dem Plan Gottes und den tief gehenden Erwartungen der Welt treu zu bleiben. Wir müssen vor allem eine Spiritualität der Gemeinschaft fördern, die überall dort zum erzieherischen Prinzip werden kann, wo die menschliche Person geformt wird. Diese Spiritualität erlernen wir, wenn wir den Blick des Herzens auf das Geheimnis der Dreieinigkeit lenken, deren Licht auf dem Angesicht jeder Person widerscheint – empfangen und verstanden als Geschenk.

Die Personen des geweihten Lebens in der Gemeinschaft der Kirche

16. Das Bedürfnis nach Gemeinschaft hat den Personen des geweihten Lebens die Möglichkeit gegeben, die Wechselbeziehung mit den anderen Berufungen im Volk Gottes wiederzuentdecken. In der Kirche sind sie gerufen, auf besondere Weise deutlich zu bezeugen, dass die Teilhabe an der Gemeinschaft im dreifaltigen Gott die menschlichen Beziehungen wandeln kann, indem sie eine neue Art von Solidarität schafft. Die Personen des geweihten Lebens, die geloben, für Gott und aus Gott zu leben, sind offen für die Aufgabe, Zeugnis abzulegen für die friedensstiftende Macht der Gnade, die die widerstreitenden Kräfte überwindet, die im Herzen des Menschen sind.

Mit der Dynamik des besonderen Charismas

17. Die Personen des geweihten Lebens sind kraft ihrer Berufung – welches besondere Charisma sie auch immer voneinander unterscheiden mag – aufgefordert, Experten der Gemeinschaft zu sein, menschliche und geistliche Verbindungen zu fördern, die den Austausch der Gaben zwischen allen Gliedern des Volkes Gottes begünstigen. Die Anerkennung der Vielgestaltigkeit der Berufungen in der Kirche verleiht der Präsenz von Personen des geweihten Lebens auf dem Gebiet der schulischen Erziehung eine neue Bedeutung. Die Schule ist für sie der Ort der Mission, an dem der prophetische Auftrag wirksam wird. Er wurde ihnen in der Taufe geschenkt, und sie erfüllen ihn gemäß der den evangelischen Räten eigenen Radikalität. Die Gabe der besonderen Weihe, die sie empfangen haben, wird sie dahin führen, in der Schule und im Erziehungsauftrag den fruchtbaren Acker zu erkennen, auf dem das Reich Gottes wachsen und Frucht bringen kann.

Die Person des geweihten Lebens als Erzieher

18. Diese Aufgabe entspricht ganz und gar dem Wesen und der Zielsetzung gerade des geweihten Lebens, und sie wird verwirklicht in jener doppelten, erzieherischen und bildenden Ausrichtung, die das Reifen der einzelnen Person des geweihten Lebens begleitet. Die Personen des geweihten Lebens im Schuldienst erziehen die Jugendlichen und helfen ihnen dabei, ihre eigene Identität zu finden, und wecken jene wahren Bedürfnisse und Wünsche, die jedem Menschenherzen innewohnen, die aber oft verborgen und unentfaltet bleiben: der Durst nach Echtheit und Redlichkeit, nach Liebe und Treue, nach Wahrheit und Kohärenz, nach Glück und nach der Fülle des Lebens. Wünsche, die letztlich mit dem größten Wunsch des Menschen übereinstimmen: das Antlitz Gottes zu schauen.

... und als Bildender

19. Die zweite Aufgabe ist die Bildung. Die Schule bildet, wenn sie ein präzises Angebot für die Verwirklichung jener Wünsche vorlegt und so verhindert, dass diese entstellt oder auch nur teilweise und schlecht befriedigt werden. Die Personen des geweihten Lebens, die in die Schule des Herrn gehen, bringen mit dem Zeugnis ihres eigenen Lebens jene Form der Existenz ein, die sich aus Christus nährt, damit auch die Jugend die Freiheit der Gotteskinder leben und die wahre Freude und die authentische Selbstverwirklichung erfahren kann, die die Annahme des Plans gewährt, den der Vater für den Menschen hat. Das ist jene von der Vorsehung ausgehende Sendung der Personen des geweihten Lebens in der Schule unserer Tage, da die erzieherischen Entwürfe immer ärmer zu werden scheinen und die Sehnsüchte des Menschen immer weniger eine Antwort finden!

In der Schule als Erziehungsgemeinschaft

20. In der Erziehungsgemeinschaft müssen die Personen des geweihten Lebens nicht notwendigerweise exklusive Aufgaben für sich vorbehalten. Das Spezifikum des geweihten Lebens besteht darin, Zeichen für und prophetische Erinnerung an die Werte des Evangeliums zu sein. Das Charakteristikum des geweihten Lebens ist es, „das radikale Zeugnis der Güter des Reiches (...) in den Erziehungshorizont einzubringen“<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, Nr. 96, AAS 88 (1996), 472.</ref> – in Zusammenarbeit mit den Laien, die besonders berufen sind, die Wirklichkeit der Menschwerdung Gottes mitten unter uns zu bezeugen: „die tiefe Abhängigkeit der irdischen Wirklichkeit von Gott in Christus“.<ref> Heilige Kongregation für das katholische Bildungswesen, Der katholische Laie – Zeuge des Glaubens in der Schule, Nr. 43.</ref>

Die besondere Ausprägung der jeweiligen Berufung in der Erziehungsgemeinschaft

21. Die verschiedenen Berufungen dienen dem Wachsen des Leibes Christi und seiner Sendung in der Welt. Aus dem Auftrag zum Zeugnis für das Evangelium – gemäß der je eigenen Form der Berufung – erwächst eine Lebendigkeit gegenseitiger Hilfe, um die Fülle der Teilhabe am Geheimnis Christi und der Kirche in ihren vielfältigen Dimensionen zu leben; ein Antrieb für jeden, den evangeliumsgemäßen Reichtum der eigenen Berufung voller Dankbarkeit im Respekt gegenüber den anderen zu entdecken.

Wenn man sowohl Konfrontation als auch Gleichmacherei vermeidet, ist die Wechselbeziehung der verschiedenen Berufungen eine besonders fruchtbare Perspektive, die kirchliche Bedeutung der Erziehungsgemeinschaft zu bereichern. In ihr entfalten die verschiedenen Berufungen einen Dienst an der Verwirklichung einer Kultur der Gemeinschaft. Es sind verschiedene und wechselseitige Wege, die untereinander in Beziehung stehen und die an der vollkommenen Verwirklichung des höchsten Charismas mitwirken: der Liebe.

Gegenüber der Welt

Rechenschaft geben von der Hoffnung

22. Das Bewusstsein, in einer Welt voller Herausforderungen und neuer Möglichkeiten zu leben, drängt die Personen des geweihten Lebens, die mit der Erziehung in der Schule betraut sind, die erhaltene Gabe zu nutzen, indem sie Rechenschaft geben von der Hoffnung, die sie erfüllt. Die Hoffnung – Frucht des Glaubens an den Gott der Geschichte – gründet auf dem Wort und dem Leben Jesu, der in der Welt gelebt hat, ohne von der Welt zu sein. Dieselbe Haltung erwartet Er von denen, die ihm nachfolgen: leben und arbeiten in der Geschichte, ohne sich jedoch von ihr vereinnahmen zu lassen. Die Hoffnung verlangt das Sich-Einlassen auf die Welt, aber auch den Bruch mit ihr; verlangt Prophetie und verpflichtet jeweils, sich zu nähern oder sich zu distanzieren, um zur Freiheit der Kinder Gottes zu erziehen in einem Kontext von Bedingungen, die zu neuen Formen der Sklaverei führen.

Unterscheidung der Geister und kontemplative Betrachtung

23. Diese Art, in der Geschichte zu sein, erfordert eine ausgeprägte Fähigkeit zur Unterscheidung der Geister. Sie erwächst aus dem täglichen Hören auf das Wort Gottes, erleichtert das Verstehen der Ereignisse und befähigt, sozusagen zum kritischen Gewissen zu werden. Je tiefer und authentischer diese Verpflichtung wahrgenommen wird, um so mehr wird es möglich, das Wirken des Geistes im Leben der Menschen und in den Ereignissen der Geschichte zu erfassen. Eine solche Fähigkeit hat ihr Fundament in der Kontemplation und im Gebet, die uns lehren, Personen und Dinge mit den Augen Gottes zu sehen. Dies ist das Gegenteil eines oberflächlichen, flüchtigen Blicks und eines Aktivismus, der unfähig ist, beim Wichtigen und Wesentlichen zu verharren. Wenn Kontemplation und Gebet fehlen – und die Personen des geweihten Lebens sind nicht frei von dieser Gefahr –, schwinden die Leidenschaft für die Verkündigung des Evangeliums und die Fähigkeit, für das Leben und Heil der Menschen zu kämpfen.

In der Schule zum Schweigen und zur Begegnung mit Gott erziehen

24. Indem die Personen des geweihten Lebens ihre Berufung in selbstlos und mit Eifer leben, tragen sie die Erfahrung ihrer Beziehung zu Gott in die Schule. Diese Beziehung wurzelt im Gebet, in der Eucharistie, im Sakrament der Versöhnung und in der Spiritualität der Gemeinschaft und prägt das Leben der Ordensgemeinschaft. Die daraus folgende evangeliumsgemäße Haltung erleichtert die Unterscheidung und die Bildung eines kritischen Geistes als grundlegendem und notwendigem Aspekt des Erziehungsprozesses. Welche auch immer ihre spezifische Aufgabe sei, die Präsenz der Personen des geweihten Lebens in der Schule spornt zur kontemplativen Betrachtung an, indem sie zum Schweigen erzieht. Das Schweigen führt dazu, auf Gott zu hören und auf den anderen, auf die uns umgebende Wirklichkeit und auf die Schöpfung zu achten. Indem sich die Personen des geweihten Lebens darüber hinaus auf das Wesentliche konzentrieren, erwecken sie das Bedürfnis authentischer Begegnungen, lernen sie wieder, über die anderen zu staunen und ihnen geschwisterlich nahe zu sein.

Die Fülle des Evangeliums leben

25. Kraft ihrer Identität sind sie „lebendige Erinnerung an die Lebens- und Handlungsweise Jesu als fleischgewordenes Wort gegenüber dem Vater und gegenüber den Brüdern und Schwestern”.<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, Nr. 22, AAS 88 (1996), 396.</ref> Der erste und grundlegende Beitrag der Personen des geweihten Lebens zur erzieherischen Sendung in der Schule ist ihr Leben aus der Fülle des Evangeliums. Diese Lebensform gründet in der selbstlosen Antwort auf Gottes Ruf und wird zur Einladung an alle Mitglieder der Erziehungsgemeinschaft, damit alle – in ihren jeweils verschiedenen Lebensbedingungen – ihr eigenes Leben als eine Antwort an Gott gestalten.

Ein Leben in Keuschheit, Armut und Gehorsam bezeugen

26. In dieser Hinsicht bezeugen die Personen des geweihten Lebens, dass die Reinheit des Herzens, des Leibes und des Lebens der vollkommene und kraftvolle Ausdruck einer totalen Liebe zu Gott ist, die den Menschen freimacht, ihn mit tiefer Freude erfüllt und zur Mission befähigt. So tragen die Personen des geweihten Lebens dazu bei, junge Frauen und Männer dahin zu führen, ihre Liebesfähigkeit voll zu entfalten und zu einer ganzheitlichen Reife ihrer Persönlichkeit zu finden. Es ist ein sehr wichtiges Zeugnis gegenüber einer Kultur, die immer mehr dazu neigt, die menschliche Liebe zu banalisieren und sich vor dem Leben zu verschließen. In einer Gesellschaft, die dazu neigt, sich gegen alles abzusichern, nehmen die Personen des geweihten Lebens durch die freigewählte Armut einen bescheidenen und auf das Wesentliche bezogenen Lebensstil an, indem sie ein rechtes Verhältnis zu den Dingen fördern und sich der Vorsehung Gottes anvertrauen. Die Freiheit von den Dingen lässt sie ohne Vorbehalte den erzieherischen Dienst an der Jugend tun, der zum Zeichen der bedingungslosen und unverdienten Liebe Gottes wird – in einer Welt, in der der Materialismus und das Haben dem Sein überlegen zu sein scheinen. Indem sie schließlich den Gehorsam leben, erinnern sie alle an die Macht des einen Gottes, warnen vor der Versuchung der Macht und bezeugen eine Glaubensentscheidung, die sich den Formen des Individualismus und der Selbstgenügsamkeit widersetzt.

Die eigene Begabung ausdrücken

27. Wie Jesus für seine Jünger, so leben die Personen des geweihten Lebens ihre Begabung zum Wohl derjenigen, denen ihre Sendung gilt: die Schülerinnen und Schüler an erster Stelle, aber auch die Eltern und anderen Erzieherinnen und Erzieher. Das ist es, was sie ermutigt, das Gebet und die tägliche Antwort in der Nachfolge Christi zu leben, um ein immer geeigneteres Instrument für das Werk zu werden, das Gott durch sie vollbringt.

Der Ruf, in großer Freiheit ganz für die Schule da zu sein, bewirkt, dass die Personen des geweihten Lebens lebendiges Zeugnis für den Herrn werden, der sich für alle hingibt. Dieser Überfluss an bedingungsloser und ungeschuldeter Liebe macht ihre Hingabe jenseits jeglicher Zweckhaftigkeit bewundernswert.<ref> Vgl ebd., Nr. 105, 481.</ref>

Im Blick auf Maria

28. Die Personen des geweihten Lebens finden in Maria das Vorbild, von dem sie sich in ihrer Beziehung zu Gott und im Leben der menschlichen Geschichte inspirieren lassen. Maria ist die Ikone der prophetischen Hoffnung aufgrund ihrer Fähigkeit, das Wort anzunehmen, es tief in ihrem Herzen zu erwägen, die Geschichte nach dem Plan Gottes zu verstehen und Gottes Anwesenheit und Wirken in der Zeit zu erkennen. In ihrem Blick leuchtet die Weisheit auf, in der die Ekstase ihrer Gottesbegegnung und der größtmögliche kritische Realismus gegenüber der Welt harmonisch zusammenfinden. Das Magnificat ist schlechthin die Prophetie der Jungfrau, die stets von neuem ihren Widerhall findet im Geist der Person des geweihten Lebens, als das nie endende Lob auf den Herrn, der sich herabbeugt zu den Kleinen und Armen, um ihnen Leben und Barmherzigkeit zu schenken.

II. DER ERZIEHUNGSAUFTRAG DER PERSONEN DES GEWEIHTEN LEBENS HEUTE

29. Das Profil der Personen des geweihten Lebens verdeutlicht, dass der Erziehungsauftrag in der Schule ganz der Natur des geweihten Lebens entspricht. „Dank der besonderen Erfahrung der Gaben des Geistes im ständigen Hören auf das Wort und in der wachen Unterscheidung wie auch dank des reichen Schatzes an erzieherischen Traditionen, die im Laufe der Zeit vom eigenen Institut angesammelt wurden, sind die Geweihten“ tatsächlich „in der Lage, eine besonders wirksame Tätigkeit“ auf dem Gebiet der Erziehung „zu entfalten.“<ref> Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, Neubeginn in Christus, 19. Mai 2002, Nr. 39.</ref> So ist im Innersten des geweihten Lebens einerseits „ein neuer kultureller Einsatz zu fördern, der es gestattet, das Niveau der persönlichen Vorbereitung anzuheben“,<ref> Ebd., Nr. 39.</ref> andererseits eine ständige Umkehr in der Nachfolge Jesu, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist (vgl. Joh 14, 6). Es ist ein unbequemer und beschwerlicher Weg, der jedoch ermöglicht, die Herausforderungen des Augenblicks anzunehmen und sich in den Dienst des Erziehungsauftrags zu stellen, mit dem die Kirche betraut ist. Die Kongregation für das Katholische Bildungswesen ist sich bewusst, dass sie das Thema nicht ausschöpfen kann. So will sie sich auf die Betrachtung einiger Elemente dieses Auftrags beschränken. Besonders will sie über drei spezifische Beiträge der Personen des geweihten Lebens in der schulischen Erziehung nachdenken: vor allem über die Verbindung zwischen Erziehung und Evangelisierung, dann über die Anleitung zu einer persönlichen Gottesbeziehung („vertikal“) und schließlich über die Befähigung zur Beziehung zum anderen in dessen liebevoller Annahme und zum Leben in Gemeinschaft („horizontal“).

Erzieher – gerufen zu evangelisieren

Geht hinaus… verkündet das Evangelium allen Menschen (Mk 16,15)

Die Erziehererfahrung der Personen des geweihten Lebens

30. „In der Erfüllung des Auftrags ihres göttlichen Stifters soll die heilige Mutter Kirche das Heilsmysterium allen Menschen verkünden und alles in Christus erneuern. Ihrer Sorge ist daher auch das ganze irdische Leben des Menschen aufgegeben, insofern es mit der himmlischen Berufung im Zusammenhang steht; so hat sie auch bei der Förderung und Ausweitung der Erziehung ihre Aufgabe zu erfüllen.”<ref> II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die christliche Erziehung Gravissimum educationis, Einleitung.</ref> Das erzieherische Engagement, sei es in katholischen oder anderen Schulen, ist für die Personen des geweihten Lebens Berufung und Lebensentscheidung, ein Weg der Heiligkeit, ein Verlangen nach Gerechtigkeit und Solidarität besonders gegenüber den ärmsten jungen Frauen und Männern, die durch verschiedene Verirrungen und Risiken bedroht sind. Indem sie sich dem Erziehungsauftrag an der Schule widmen, tragen sie dazu bei, dem Bedürftigsten das Brot der Kultur zu reichen. Sie sehen in der Kultur eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass der Mensch sich ganzheitlich verwirklichen und eine Stufe des Lebens, die seiner Würde entspricht, erreichen und sich für die Begegnung mit Christus und dem Evangelium öffnen kann. Solches Engagement wurzelt im Erbe pädagogischer Weisheit, die die Bedeutung der Erziehung als eine Kraft bestätigt, die das Reifen der Persönlichkeit begünstigt, ihr den Glauben nahe bringt und auf die Herausforderungen der heute so komplexen Gesellschaft antwortet.

Angesichts der aktuellen Herausforderungen

Der Globalisierungsprozess

31. Der Prozess der Globalisierung prägt das neue Jahrhundert. Es handelt sich um ein in seiner Dynamik komplexes Phänomen. Er wirkt sich positiv aus auf die Möglichkeit der Begegnung von Völkern und Kulturen, hat aber auch negative Aspekte mit der Gefahr, weiterhin Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten und Ausgrenzungen zu schaffen. Die Geschwindigkeit und die Komplexität der durch die Globalisierung verursachten Veränderungen spiegeln sich auch in der Schule wider. Sie läuft Gefahr, instrumentalisiert zu werden durch wirtschaftliche Strukturen der Produktion oder durch ideologische Vorurteile und politisches Kalkül, die ihren Erziehungsauftrag verdunkeln. Diese Situation drängt die Schule dazu, mit Nachdruck ihre besondere Rolle zu bekräftigen, nämlich zum Nachdenken und zur Kritik anzuregen. Aufgrund ihrer Berufung verpflichten sich Personen des geweihten Lebens, die Würde der menschlichen Person zu fördern und zusammenzuarbeiten, damit die Schule Ort ganzheitlicher Erziehung wird, Ort der Evangelisierung und des Einübens in einen lebendigen Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturen, Religionen und sozialer Lebensverhältnisse.<ref> Vgl. Kongregation für das katholische Bildungswesen, Die Katholische Schule an der Schwelle zum dritten Jahrtausend, Nr. 11.</ref>

Die neuen Technologien

32. Die zunehmende Entwicklung und Verbreitung neuer Technologien stellen Mittel und Instrumente zur Verfügung, die bis vor wenigen Jahren unvorstellbar waren. Aber sie werfen auch Fragen auf, die die Zukunft der menschlichen Entwicklung betreffen. Die umfangreichen und tief greifenden technologischen Neuerungen beeinflussen die Prozesse des Wissenszugangs, der Sozialisation, der Beziehung zur Natur und kündigen radikale, nicht immer positive Veränderungen in weiten Gebieten des menschlichen Lebens an. Die Personen des geweihten Lebens können sich mit Blick auf den Einfluss, den solche Technologien auf die Menschen, auf die Möglichkeiten der Kommunikation und auf die Zukunft der Gesellschaft haben, den sich damit stellenden Fragen nicht entziehen.

Auftrag der Schule

33. Im Zusammenhang mit solchen Veränderungen kommt der Schule eine bedeutende Rolle in der Bildung der Persönlichkeit in den kommenden Generationen zu. Der verantwortungsvolle Umgang mit den neuen Technologien, besonders mit dem Internet, verlangt nach einer angemessenen ethischen Erziehung.<ref> Vgl. Päpstlicher Rat für die sozialen Kommunikationsmittel, Ethik im Internet, 22. Februar 2002, Nr. 15.</ref> Zusammen mit denen, die an der Schule arbeiten, empfinden die Personen des geweihten Lebens das Bedürfnis, die Prozesse, Sprachen, Chancen und Herausforderungen der neuen Technologien zu verstehen, aber vor allem Erzieher zur Kommunikation zu werden, damit diese Technologien klug und fachgerecht genutzt werden.<ref> Vgl. Päpstlicher Rat für die sozialen Kommunikationsmittel, Kirche und Internet, 22. Februar 2002, Nr. 7.</ref>

…für die Zukunft des Menschen

34. Zu den Herausforderungen der jetzigen Gesellschaft, denen die Schule sich zu stellen hat, gehören die Bedrohungen für das Leben und die Familie, die genetischen Manipulationen, die zunehmende Umweltverschmutzung, die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, das ungelöste Drama von Unterentwicklung und Armut, das ganze Völker auf der südlichen Erdhalbkugel zugrunde richtet. Dies sind Fragen von entscheidender Bedeutung, denen man mit einer umfassenden und verantwortungsvollen Vision begegnen muss, die ein Lebenskonzept fördert, das die Würde des Menschen und der Schöpfung achtet. Das heißt, es müssen Persönlichkeiten herangebildet werden, die in der Lage sind, im Sinne der Menschlichkeit und der Solidarität Prozesse und Instrumente zu beherrschen und zu steuern. Diese Sorge wird von der ganzen internationalen Gemeinschaft geteilt, die darauf hinarbeitet, dass die Politik und die nationalen Erziehungskonzepte dazu beitragen, in diese Richtung gehende Bildungsinitiativen zu entwickeln.<ref> Vgl. UNESCO, Vollversammlung, Résolution adoptée sur le rapport de la Commission V. Séance plénière, 12. November 1997.</ref>

Eine ausdrückliche anthropologische Vision

Notwendigkeit eines anthropologischen Fundaments

35. Die ausführliche Darstellung des anthropologischen Fundaments des schulischen Bildungsangebots ist angesichts der komplexen Gesellschaften von einer Dringlichkeit, der man nicht ausweichen kann.

Die menschliche Person ist durch die Rationalität definiert, das heißt durch ihre intelligente und freie Natur, und durch das Angewiesensein auf die Beziehung zu anderen Personen. Das Mit-dem-anderen-Leben bezieht die Ebene des Menschseins – Mann/Frau – ebenso ein wie die ethische Ebene des Handelns. Das Fundament des menschlichen Ethos liegt darin, Gottes Abbild und ihm ähnlich zu sein, Dreieinigkeit der Personen in Gemeinschaft. Die Existenz der Person versteht sich so als Ruf und Pflicht, füreinander da zu sein.

36. Der Einsatz für eine Spiritualität der Gemeinschaft für das 21. Jahrhundert ist Ausdruck eines Konzeptes der menschlichen Person, die nach dem Bild Gottes geschaffen ist. Eine solche Vision erleuchtet das Geheimnis des Mannes und der Frau. Die menschliche Person macht die Erfahrung der eigenen Menschlichkeit, insoweit sie fähig ist, am Menschsein des anderen Anteil zu nehmen, der Träger eines originellen und unwiederholbaren Entwurfs ist. Es handelt sich um einen Entwurf, dessen Verwirklichung nur gelingen kann im Kontext der Beziehung und des Dialogs mit dem Du in einem Horizont der Gegenseitigkeit und der Öffnung für Gott. Die so verstandene Gegenseitigkeit ist Grundlage der Selbsthingabe und der Nähe als solidarisches Sich-Öffnen gegenüber jeder Person. Solche Nähe hat ihre wahrhaftigste Wurzel im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes, Christus, der dem Menschen nahe sein wollte.

Im Horizont eines vollkommenen Humanismus

37. Angesichts eines ideologischen Pluralismus und der Weiterverbreitung von Wissen tragen die Personen des geweihten Lebens also die Vision eines vollkommenen Humanismus, der offen ist für Gott,<ref> Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 26. März 1967, Nr. 42, AAS 59 (1967), 278.</ref> der jede Person liebt und sie einlädt, immer mehr „an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben” (vgl. Röm 8,29). Dieses göttliche Zeichen ist das Herz des christlichen Humanismus: „Christus ... macht eben in der Offenbarung ... dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung”.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22.</ref> Die Größe der menschlichen Kreatur bekräftigen heißt nicht ihre Hinfälligkeit verkennen: Das sich in den Personen spiegelnde Bild Gottes ist in Wahrheit von der Sünde entstellt. Die Illusion, sich von jeder Abhängigkeit, auch der von Gott, zu befreien, läuft immer auf neue Formen von Sklaverei, Gewalt und Unterdrückung hinaus. Dies bewahrheitet sich in der Erfahrung jedes menschlichen Wesens, in der blutigen Geschichte im Namen der Ideologien und der Regime, die eine neue Menschheit ohne Gott aufbauen wollten.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris missio, Nr. 8, AAS 83 (1991), 256.</ref> Die Freiheit hingegen muss, um authentisch zu sein, sich an der Wahrheit der Person messen lassen, deren Fülle in Christus geoffenbart ist, und zur Befreiung von allem führen, was ihre unabhängige Würde leugnet und sie hindert, das eigene und das Wohl der anderen zu erreichen.

Zeugen der Wahrheit über die menschliche Person

38. Die Personen des geweihten Lebens verpflichten sich, in der Schule Zeugen der Wahrheit über die menschliche Person und der verwandelnden Kraft des Heiligen Geistes zu sein. Mit ihrem Leben bestätigen sie, dass der Glaube das ganze Gebiet der Erziehung erleuchtet, indem er die menschlichen Werte erhebt und verstärkt. Die katholische Schule im besonderen hat einen vorrangigen Auftrag: „im Kanon des schulischen Wissens eine christliche Vision von der Welt, vom Leben, von der Kultur und von der Geschichte hervorzubringen”.<ref> Kongregation für das katholische Bildungswesen, Die Katholische Schule an der Schwelle zum dritten Jahrtausend, Nr. 14.</ref>

... durch die Vermittlung der Kultur

39. Daher die Wichtigkeit, die humanistische und spirituelle Dimension des Wissens und der verschiedenen Schulfächer erneut zu bekräftigen, und zwar in einem pädagogischen Kontext, der dazu neigt, sie in den Hintergrund zu drängen. Durch Studium und Forschung trägt die Person dazu bei, sich selbst und die eigene Menschlichkeit zu vervollkommnen. Das Studium wird zum Weg für die persönliche Begegnung mit der Wahrheit, „Ort“ der Begegnung mit Gott selbst. So verstanden kann das Wissen helfen, einen Menschen zu bewegen, sich für die Gottsuche zu öffnen. Und das Wissen kann eine große Erfahrung des Frei-Seins für die Wahrheit bedeuten: Es dient dem Reifen und der Förderung der Menschlichkeit des Einzelnen und der gesamten Gemeinschaft.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Rede bei der Vollversammlung der Päpstliche Akademie der Wissenschaften, 13. November 2000, AAS 93 (2001), 202-206.</ref> Eine solche Verpflichtung erfordert von den Personen des geweihten Lebens eine gewissenhafte Überprüfung der Qualität ihres eigenen Erziehungsentwurfs wie auch eine ständige Wachheit für die eigene kulturelle und berufliche Bildung.

... und die Verpflichtung auf dem Gebiet der nichtformalen Erziehung

40. Ein anderes gleichermaßen wichtiges Gebiet der Evangelisierung und Humanisierung ist die nichtformale Erziehung derjenigen, die keinen Zugang zu einer normalen Schullaufbahn haben konnten. Die Personen des geweihten Lebens fühlen, dass sie präsent sein und innovative Pläne im Kontext sozialer Missstände fördern müssen. Unter solchen Umständen ist es notwendig, den Armen unter den jungen Menschen die Möglichkeit einer angemessenen Bildung zu verschaffen, die ihr moralisches, spirituelles und religiöses Reifen beachtet, die Sozialisation fördert und die Diskriminierung überwindet. Dies ist nicht neu, weil die Erziehung von Kindern aus sozial benachteiligten Schichten die erste Aufgabe verschiedener Ordensgemeinschaften war. Heute geht es darum, mit angemessenen Formen und Maßnahmen eine unverminderte Aufmerksamkeit zu zeigen.

Erzieher – gerufen, Weggefährte zum Anderen zu sein

Wir möchten Jesus sehen (Joh 12,21)

Die Dynamik der Wechselbeziehung

In der Erziehungsgemeinschaft

41. Der Erziehungsauftrag wird in der Zusammenarbeit mehrerer Subjekte erfüllt – Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrer, nichtlehrendes Personal und Schulleitung –, die die Erziehungsgemeinschaft bilden. Sie hat die Möglichkeit, Lebensbedingungen zu verwirklichen, in denen die Werte durch authentische zwischenmenschliche Beziehungen ihrer Glieder vermittelt werden. Ihr höchstes Ziel ist die ganzheitliche Erziehung der Persönlichkeit. In dieser Hinsicht können Personen des geweihten Lebens einen entscheidenden Beitrag leisten – im Licht ihrer Erfahrung von Gemeinschaft, die ihr Gemeinschaftsleben trägt. Indem sie sich selbst darauf festlegen, die Spiritualität der Gemeinschaft zu leben und in der Schulgemeinschaft zu vermitteln – durch einen Dialog, der konstruktiv und fähig ist, Unterschiede zu harmonisieren –, schaffen sie nämlich ein Klima, das in den evangeliumsgemäßen Werten der Wahrheit und Liebe wurzelt. Die Personen des geweihten Lebens sind als Sauerteig fähig, immer tiefere Beziehungen zu schaffen, die in sich selbst erzieherisch wirken. Sie fördern die Solidarität, die gegenseitige Wertschätzung und die Mitverantwortung für das Erziehungskonzept und geben vor allem das ausdrückliche christliche Zeugnis, indem sie ihre Erfahrung mit Gott und der Botschaft des Evangeliums mitteilen, bis hin zum gemeinsam getragenen Bewußtsein, Werkzeuge Gottes und der Kirche zu sein, Träger eines Charismas im Dienst aller.

In der Sicht der Kirche als Gemeinschaft

42. Die Aufgabe, die „Spiritualität der Gemeinschaft“ in der Schulgemeinschaft weiterzugeben, gründet darin, Teil der Kirche als Gemeinschaft zu sein. Das verlangt von den in der Erziehung eingesetzten Personen des geweihten Lebens, sich ihrem Charisma gemäß in die Pastoral der Ortskirche einzugliedern, üben sie doch ein kirchliches Amt im Dienst einer konkreten Gemeinschaft und in Gemeinschaft mit dem Bischof aus. Der gemeinsame, ihnen von der Kirche anvertraute Erziehungsauftrag erfordert deshalb auch eine Zusammenarbeit und ein übergreifendes Zusammenwirken der verschiedenen Ordensgemeinschaften. Abgesehen davon, dass ein solches Zusammenwirken zu einem qualifizierteren Erziehungsdienst führt, bietet es die Möglichkeit, die Charismen zum Nutzen der gesamten Kirche einzubringen. Deshalb überschreitet die Gemeinschaft, in der die Personen des geweihten Lebens zu leben gerufen sind, sehr wohl die eigene Ordensgemeinschaft oder das eigene Institut. Im Gegenteil, indem sie sich der Gemeinschaft mit den anderen Formen geweihten Lebens öffnen, können die Personen des geweihten Lebens „die gemeinsamen evangelischen Wurzeln neu entdecken und miteinander mit größerer Klarheit die Schönheit der eigenen Identität innerhalb der Verschiedenheit der Charismen, als Zweige des einen Rebstocks erkennen”.<ref> Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, Neubeginn in Christus, Nr. 30.</ref>

Die Dimension der Beziehung

Authentische Beziehungen fördern

43. Die Erziehungsgemeinschaft drückt die Wahrheit und Schönheit der verschiedenen Berufungen und die Fruchtbarkeit auf der erzieherischen Ebene aus, so dass dies zum Leben der Institution Schule beiträgt.

Der Einsatz zur Förderung der Beziehungsfähigkeit der Person und die Sorge um authentische erzieherische Beziehungen zu den jungen Menschen sind zweifellos Aspekte, die die Präsenz der Personen des geweihten Lebens in der Schule erleichtern können. Im Mikrokosmos Schule werden Grundlagen geschaffen für verantwortliches Leben im Makrokosmos der Gesellschaft. Nicht selten ist jedoch auch in der Schule der Verfall der zwischenmenschlichen Beziehungen festzustellen als Folge der Funktionalisierung der Rollen, als Folge der Flüchtigkeit, der Ermüdung und anderer Faktoren, die zu Konfliktsituationen führen. Die Schule als Übungsraum zu organisieren, in dem man sich bemüht, positive Beziehungen zwischen den verschiedenen Gliedern aufzubauen und nach friedlichen Konfliktlösungen zu suchen, ist ein grundlegendes Ziel, nicht nur für das Leben der Erziehungsgemeinschaft, sondern auch für den Aufbau einer friedlichen und einträchtigen Gesellschaft.

Erziehung zur Gegenseitigkeit

44. In der Schule sind gewöhnlich Mädchen und Jungen sowie Frauen und Männer mit Lehrauftrag oder Verwaltungsaufgaben. Die Beachtung der auf das Du angelegten Dimension der menschlichen Person schließt die Forderung ein, zur gegenseitigen Anerkennung zu erziehen, im Respekt und in der Wertschätzung der Verschiedenartigkeit. Die Erfahrung der Wechselbeziehung Mann/Frau kann sich beispielhaft im positiven Umgehen mit anderen Verschiedenartigkeiten erweisen, bis zu den ethnischen und religiösen. Sie entwickelt und fördert in der Tat positive Haltungen wie das Wissen, dass jede Person geben und nehmen kann, die Bereitschaft, den anderen aufzunehmen, die Fähigkeit zum ernsthaften Dialog und die Chance, die eigene Erfahrung zu reinigen und zu klären, während man versucht, sie mitzuteilen und mit anderen zu vergleichen.

Beziehungen in Wertschätzung

45. In der Wechselbeziehung kann die Interaktion im Blick auf die Rollen asymmetrisch sein, wie es notwendigerweise bei der Erziehung ist, aber nicht im Blick auf die Würde und die Einmaligkeit jeder menschlichen Person. Das Lernen wird einfacher, wenn die erzieherische Interaktion – ohne unangemessenes Verwischen der Rollen – auf einer Ebene stattfindet, die die Gleichheit der Würde einer jeden menschlichen Person voll anerkennt. So ist man in der Lage, Persönlichkeiten zu formen, die fähig sind zu einer eigenen Sicht des Lebens und die ihre Entscheidung rechtfertigen können. Die Einbindung der Familien und der Lehrerschaft bereitet ein Klima des Vertrauens und des Respekts. Es begünstigt die Entwicklung zur Dialogfähigkeit und zum friedlichen Zusammenleben bei der Suche nach dem, was das Gemeinwohl fördert.

Die Erziehungsgemeinschaft

Ein die Erziehung förderndes Umfeld schaffen

46. Aufgrund der Erfahrung ihres Gemeinschaftslebens sind die Personen des geweihten Lebens in einer besonders günstigen Lage, daran mitzuarbeiten, dass das Erziehungskonzept der schulischen Einrichtung die Bildung einer wirklichen Gemeinschaft fördert. Im Besonderen bieten sie ein Modell des Zusammenlebens an, das eine Alternative zu dem einer vermassten oder individualistischen Gesellschaft ist. Konkret setzen sich die Personen des geweihten Lebens gemeinsam mit ihren Kollegen, die Laien sind, dafür ein, dass die Schule als Ort der Begegnung, des Hörens, der Kommunikation gestaltet wird, an dem die Schüler und Schülerinnen auf lebendige Weise die Werte vermittelt bekommen. Gezielt helfen sie, pädagogische Entscheidungen so zu treffen, dass sie die Überwindung des einseitigen Individualismus, die Solidarität anstelle des Konkurrenzdenkens, die Hilfe für den Schwachen anstelle der Marginalisierung und die verantwortliche Teilnahme anstelle von Desinteresse fördern.

Des Auftrags der Familie bewusst

47. Die Familie steht an erster Stelle in der Verantwortung für die Erziehung der Kinder. Die Personen des geweihten Lebens schätzen die Präsenz der Eltern in der Erziehungsgemeinschaft und verpflichten sich zu einer echten Beziehung auf Gegenseitigkeit. Die für das Zusammenwirken vorgesehenen Gremien, die persönlichen Begegnungen und andere Initiativen haben das Ziel, die Eltern immer aktiver in das Leben der Einrichtung einzubinden und sie für die Erziehungsaufgabe zu sensibilisieren. Diese Erziehungsaufgabe anzuerkennen ist heute angesichts der vielen Schwierigkeiten, die die Familie erlebt, notwendiger als in der Vergangenheit. Wenn der ursprüngliche Plan Gottes für die Familie im Bewusstsein verdunkelt wird, erleidet die Gesellschaft einen unabsehbaren Schaden und es wird das Recht der Kinder auf ein Leben in einem von menschlicher Liebe geprägten Umfeld verletzt. Wo die Familie dagegen Plan Gottes beachtet, wird sie zum Laboratorium, in dem Liebe und wahre Solidarität erfahren werden.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Predigt bei der Eucharistiefeier zur Heiligjahrfeier der Familien, Rom, 15. Oktober 2000, Nrn. 4-5, AAS 93 (2001), 90.</ref>

Die Personen des geweihten Lebens verkünden diese Wahrheit, die nicht nur die Gläubigen betrifft, sondern die Erbe der Menschheit ist, eingeschrieben in das Herz des Menschen. Die Möglichkeit des Kontakts mit den Familien der Kinder und der heranwachsenden Schüler ist eine günstige Gelegenheit, um mit ihnen wichtige Themen zu vertiefen, die das Leben, die menschliche Liebe und das Wesen der Familie betreffen, und der angebotenen Vision zuzustimmen im Vergleich zu anderen oftmals vorherrschenden Visionen.

... und der Bedeutung der Geschwisterlichkeit als prophetisches Zeichen

48. Indem die Personen des geweihten Lebens Christus bezeugen und die sie kennzeichnende Gemeinschaft leben, setzen sie für die gesamte Erziehungsgemeinschaft das prophetische Zeichen der Geschwisterlichkeit. Wenn es von tief gehenden Beziehungen durchwoben ist, dann ist das Gemeinschaftsleben „verwirklichte gegenwärtige Prophetie im Kontext einer Gesellschaft, die, ohne sich dessen manchmal bewusst zu sein, eine tiefe Sehnsucht nach einer Geschwisterlichkeit ohne Grenzen hat“.<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, Nr. 85, AAS 88 (1996), 462.</ref> Diese Überzeugung wird in der Verpflichtung sichtbar, das Leben der Gemeinschaft als Ort zu kennzeichnen, an dem Personen reifen und sich gegenseitig helfen bei der Suche und der Erfüllung der gemeinsamen Sendung. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass das Zeichen der Geschwisterlichkeit im Leben der Schulgemeinschaft stets deutlich erkennbar bleibt.

Mit anderen Erziehungsträgern vernetzt

49. Die Erziehungsgemeinschaft verwirklicht ihre Ziele im Zusammenwirken mit anderen Erziehungseinrichtungen im Land.

Die Koordinierung der Schule mit anderen Erziehungsträgern und im breiteren Kommunika­tionsnetzwerk ist ein Ansporn für den Prozess des persönlichen, beruflichen und sozialen Wachsens, indem sie eine Vielfalt von Anregungen in integrierter Form anbietet. Sie stellt so vor allem eine äußerst wichtige Hilfe dar, um verschiedenen Zwängen des gesellschaftlichen Umfeldes, insbesondere der Medien zu entkommen. Sie hilft den Jugendlichen, von schlicht passiven Konsumenten zu kritischen Gesprächspartnern zu werden, die in der Lage sind, positiv auf die öffentliche Meinung und sogar auf die Qualität der Information einzuwirken.

Auf dem Weg zum Anderen

Ein herausfordernder Lebensstil

50. Wenn das Leben der Erziehungsgemeinschaft durch den Beitrag der verschiedenen Fächer mit der ernsthaften Suche nach der Wahrheit befasst ist, wird es ständig herausgefordert, in der Reflektion zu reifen, die erreichten Standards zu überschreiten und existentielle Fragen zu stellen.

Mit ihrer Präsenz leisten die Personen des geweihten Lebens in diesem Kontext den spezifischen Beitrag ihrer Identität und Berufung. Die Jugendlichen – wenn auch nicht immer bewusst – erwarten von ihnen das Zeugnis eines als Antwort auf eine Berufung gelebten Lebens, als einen Weg zu Gott, als eine Suche nach Zeichen, in denen Er gegenwärtig wird. Sie wollen Personen begegnen, die dazu einladen, ernsthafte Fragen zu stellen und die tiefste Bedeutung der menschlichen Existenz und der Geschichte zu entdecken.

Zur Sinnsuche anleiten

Eine Haltung des Suchens entwickeln

51. Die Begegnung mit Gott ist immer ein personales Ereignis, eine Antwort auf das Geschenk des Glaubens, die ihrer Natur nach ein freier Akt der Person ist. Die Schule, auch die katholische, verlangt nicht, dass einer glauben müsse. Sie kann aber darauf vorbereiten. Durch das Erziehungskonzept können Bedingungen geschaffen werden, unter denen die Person die Haltung des Suchens entwickelt und dazu angeleitet wird, das Geheimnis des eigenen Daseins und der sie umgebenden Wirklichkeit zu entdecken und schließlich zur Schwelle des Glaubens zu gelangen.

Denen, die sich entscheiden, die Schwelle zu überschreiten, werden die nötigen Mittel angeboten, um in der Vertiefung der Glaubenserfahrung fortzufahren: durch das Gebet, die Sakramente, durch die Begegnung mit Christus im Wort, in der Eucharistie, in den Ereignissen und in den Personen.<ref> Vgl. Kongregation für das katholische Bildungswesen, Die religiöse Dimension der Erziehung in der katholischen Schule, 7. April 1988, Nrn. 98-112.</ref>

Erziehung zur Freiheit

52. Eine wesentliche Dimension des Weges auf der Suche ist die Erziehung zur Freiheit, das Kennzeichen jeder Schule, die ihrem Auftrag treu ist. Die Erziehung zur Freiheit ist ein von Menschlichkeit getragenes Handeln, weil sie die volle Entwicklung der Persönlichkeit anstrebt. Tatsächlich muss die Erziehung selbst als Erwerb, Wachsen und Besitz der Freiheit gesehen werden. Es geht darum, jeden Schüler so zu erziehen, dass er sich von Zwängen des gesellschaftlichen Umfeldes frei macht, die ihn daran hindern, ganz als Person zu leben, dass er sich zu einer starken und verantwortungsvollen Persönlichkeit entfaltet, fähig, eine freie und konsequente Wahl zu treffen.<ref> Vgl. Heilige Kongregation für das katholische Bildungswesen, Die Katholische Schule, Nr. 31.</ref>

Den Boden bereiten für die Glaubensentscheidung

Wirklich freie Personen erziehen heißt auch schon sie zum Glauben anzuleiten. Die Sinnsuche begünstigt die Entwicklung der religiösen Dimension der Person als Boden, auf dem die christliche Entscheidung heranreifen und sich das Geschenk des Glaubens entfalten kann. In der Schule stellt man – besonders in den westlichen Gesellschaften – immer häufiger fest, dass die religiöse Dimension der Person ein verlorener Ring geworden ist, nicht nur in der eigentlichen Schulzeit, sondern auch auf dem viel umfassenderen Bildungsweg, der in der Familie begonnen hat. Dennoch, ohne diesen Ring wird die Schulzeit insgesamt stark leiden, weil sein Fehlen jegliche Suche nach Gott erschweren wird. Das Unmittelbare, das Oberflächliche, das Nebensächliche, die vorgefertigten Lösungen, die Verirrung hin zur Magie und der Ersatz für das Geheimnis sind darauf angelegt, das Interesse der Jugendlichen ganz in Anspruch zu nehmen. Sie lassen keinen Raum für die Offenheit zur Transzendenz.

Heute wird auch von Lehrern, die von sich erklären, nicht gläubig zu sein, die Notwendigkeit wahrgenommen, die religiöse Dimension der Erziehung wiederzuentdecken. Sie sei notwendig, um eine Persönlichkeit zu formen, die in der Lage ist, die mächtigen Zwänge in der Gesellschaft zu zügeln und die neuen wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften nach ethischen Prinzipien zu gebrauchen.

Erziehung als Herausforderung

53. Die Personen des geweihten Lebens, die nach den evangelischen Räten leben, sind eine eindringliche Einladung, nach Gott und nach dem Geheimnis des Lebens zu fragen. Eine derartige Frage, die einen Erziehungsstil verlangt, der zu den fundamentalen Fragen nach dem Ursprung und dem Sinn des Lebens anzuregen vermag, ist erfolgreicher durch die Suche nach dem Warum als nach dem Wie. Aus diesem Grund ist zu prüfen, wie die Inhalte der verschiedenen Fächer dargeboten werden, damit die Schüler solche Fragen entwickeln und entsprechende Antworten suchen können. Außerdem werden die Kinder und die Jugendlichen ermutigt, dem Oberflächlichen und Banalen zu entfliehen, besonders bei wichtigen Lebensentscheidungen, in der Familie und in der menschlichen Liebe. Dieser Stil überträgt sich in eine Methodologie des Studierens und Forschens, die in das Nachdenken und in die Unterscheidung der Geister einübt. Er wird konkret in einer Strategie, die bereits von den ersten Lebensjahren an in der Persönlichkeit eine Innerlichkeit als den Ort entfaltet, an dem sie auf die Stimme Gottes hört, an dem sie den Sinn für das Heilige pflegt, sich entscheidet, an Werten festzuhalten, an dem sie die Erkenntnis der eigenen Grenzen und der Sünde reifen lässt und die Verantwortung für jegliches menschliche Wesen in sich wachsen fühlt.

Der Religionsunterricht

Unterschiedliche Wege religiöser Erziehung

54. In diesem Zusammenhang übernimmt der Religionsunterricht eine besondere Rolle. Gemeinsam mit den anderen Erziehern sind die Personen des geweihten Lebens aber oft mit einer stärkeren Verantwortung gerufen, gemäß den verschiedenen schulischen Bedingungen unterschiedliche Wege religiöser Erziehung zu gewährleisten: In einigen Schulen sind die Schülerinnen und Schüler in der Mehrheit Christen, in anderen überwiegen verschiedene Religionszugehörigkeiten oder Agnostiker und Atheisten.

Kulturelles Angebot für alle

Es ist ihre Aufgabe, den Wert des in den Stundenplan der Einrichtung und in das kulturelle Programm integrierten Religionsunterrichtes zu betonen. Auch durch die Erkenntnis, dass der Religionsunterricht an der katholischen Schule eine andere Aufgabe übernimmt als an einer anderen Schule, bewahrt dieser das Ziel, zum Verständnis der historischen Erfahrung des Christentums zu öffnen, zum Wissen von Jesus Christus und zur Vertiefung in sein Evangelium anzuleiten. In diesem Sinn erweist er sich als kulturelles Angebot, das allen gemacht werden kann, auch über ihre persönliche Glaubensentscheidung hinaus. In vielen Zusammenhängen bildet das Christentum bereits den spirituellen Horizont der betreffenden Kultur.

Religionsunterricht in katholischen Schulen

In katholischen Schulen aber hat der Religionsunterricht die Aufgabe, den Schülern zu helfen, eine persönliche Überzeugung in Sachen Religion zur Reife zu bringen, die kohärent und voller Respekt ist gegenüber der Überzeugung anderer, und so zu ihrem Wachsen und einem tieferen Verständnis der Wirklichkeit beizutragen. Es ist wichtig, dass die gesamte Erziehungsgemeinschaft, besonders in den katholischen Schulen, den Stellenwert und die Rolle des Religionsunterrichtes anerkennt und zu seiner Wertschätzung durch die Schüler beiträgt. Der Religionslehrer, der zur Vermittlung der religiösen Botschaft eine angemessene Sprache benutzt, ist aufgerufen, die Schüler zur Vertiefung der großen Fragen anzuregen: nach dem Sinn des Lebens, nach der Bedeutung der Wirklichkeit und nach dem verantwortlichen Engagement für die Umgestaltung der Wirklichkeit im Licht der Werte des Evangeliums. Er regt einen konstruktiven Vergleich der Inhalte und Werte der katholischen Religion und der zeitgenössischen Kultur an.

Weitere Möglichkeiten der religiösen Bildung

Die Gemeinschaft der katholischen Schule bietet neben dem Religionsunterricht weitere Möglichkeiten, weitere Momente und Wege, um zur Synthese von Glaube und Kultur, Glaube und Leben zu erziehen.<ref> Vgl. ebd., Nrn. 37-48.</ref>

Leben als Berufung

Leben als Gabe und Aufgabe

55. Gemeinsam mit den anderen christlichen Erziehern wissen die Personen des geweihten Lebens die dem Erziehungsprozess innewohnende Dimension der Berufung aufzugreifen und zu schätzen. Das Leben ist in der Tat eine Gabe, die sich in der freien Antwort auf einen besonderen Ruf verwirklicht, den es jeden Tag in den konkreten Gegebenheiten zu entdecken gilt. Die Sorge um die Dimension der Berufung führt die Person dazu, ihre eigene Erfahrung im Licht des Planes Gottes zu deuten.

Das gänzliche Fehlen oder die nur schwach entwickelte Aufmerksamkeit gegenüber der Dimension der Berufung beraubt nicht nur die Jugendlichen einer Hilfe, auf die sie ein Anrecht hätten bei der notwendigen Unterscheidung der Geister in den grundlegenden Entscheidungen für ihr eigenes Leben. Es lässt auch die Gesellschaft und die Kirche verarmen, die beide der Präsenz von Personen bedürfen, die fähig sind, sich beständig dem Dienst an Gott, den Schwestern und Brüdern und dem Gemeinwohl zu widmen.

Kultur der Berufung

Den Geschmack für die großen Fragen neu wecken

56. Die Förderung einer neuen Kultur der Berufung ist ein grundlegender Bestandteil der Neu-Evangelisierung. Durch sie ist es möglich, „Mut und Geschmack für die großen Fragen zu wecken (...) für jene Fragen, die die eigene Zukunft betreffen“.<ref> Päpstliches Werk für geistliche Berufe, Neue Berufungen für ein neues Europa. Schlussdokument In verbo tuo des Europäischen Kongresses über die Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben in Europa, Rom, 5. bis 10. Mai 1997, Nr. 13 b).</ref> Es sind Fragen, die neu geweckt werden auch durch persönlich gestaltete Erziehungsprozesse, die stufenweise dazu führen, die Existenz als Gabe und Aufgabe Gottes zu entdecken. Solche Prozesse können ein wirklicher Weg des Reifens der Berufung sein, der zu der Entdeckung einer besonderen Berufung führt.

Die Personen des geweihten Lebens sind insbesondere gerufen, in der Schule die Kultur der Berufung zu fördern. Sie sind für das ganze christliche Volk ein Zeichen einer klar bestimmten Berufung, aber auch einer Dynamik der Berufung als Lebensform, die in beredter Weise die Entscheidung dessen ist, der im Gehorsam gegenüber dem Ruf Gottes leben will.

Das eigene erzieherische Charisma mit anderen teilen

57. In der gegenwärtigen Lage wird der Erziehungsauftrag immer mehr mit Laien geteilt. „Wenn, wie in der Vergangenheit, die Zusammenarbeit zuweilen auf der Linie des Ersatzes für den Mangel an den für ein Apostolat notwendigen Ordensleuten geschah, so entsteht nun das Bedürfnis, die Verantwortungen nicht nur hinsichtlich der Führung der Werke des Instituts zu teilen, sondern vor allem mit dem Ziel, Aspekte und Zeiten zu leben, die zur Besonderheit der Spiritualität und der Sendung des Instituts gehören.“<ref> Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, Neubeginn in Christus, Nr. 31.</ref> Die Personen des geweihten Lebens haben also die Aufgabe, das erzieherische Charisma, das sie beseelt, weiterzugeben und die Bildung der Personen zu fördern, die sich zur selben Sendung gerufen fühlen. Um dieser Verantwortung nachzukommen, müssen sie darauf achten, dass sie sich nicht ausschließlich mit akademisch-administrativen Aufgaben befassen und sich nicht von Aktivismus erfassen lassen. Sie müssen stattdessen ihre Hauptaufmerksamkeit auf den Reichtum ihres Charismas richten und es als Antwort auf die neuen soziokulturellen Bedingungen weiterentwickeln.

Bevorzugte Gesprächspartner bei der Suche nach Gott

58. In der Erziehungsgemeinschaft können die Personen des geweihten Lebens das Reifen einer Gesinnung fördern, die inspiriert ist von den Werten des Evangeliums in der für ihr Charisma typischen Art. Dieser Dienst nimmt schon eine Schlüsselstellung in der Berufung ein. Tatsächlich erwarten die Jugendlichen und oft auch andere Glieder der Erziehungsgemeinschaft – mehr oder minder bewusst – in den Personen des geweihten Lebens bei der Suche nach Gott bevorzugte Gesprächspartner. Für diese Art des Dienstes, der für die Identität der Geweihten am bezeichnendsten ist, gibt es keine Altersgrenzen, die es rechtfertigen, sich für pensioniert zu halten. Selbst wenn sie sich aus der beruflichen Tätigkeit zurückziehen müssen, können die Personen des geweihten Lebens auch weiterhin für die Jugendlichen und Erwachsenen zur Verfügung stehen – als Experten für ein Leben im Geiste, als Erzieher und Erzieherinnen auf dem Gebiet des Glaubens.

Die Präsenz von Personen des geweihten Lebens an der Schule ist so ein Angebot evangeliumsgemäßer Spiritualität, ein Bezugspunkt für die Glieder der Erziehungsgemeinschaft auf dem Weg des Glaubens und des christlichen Heranreifens.

Dimension der Berufung im Lehrberuf

59. Die Qualität der Lehrer ist Voraussetzung für ein konstruktives und fruchtbares Erziehungsklima. Deshalb bieten die Institute geweihten Lebens und die Ordensgemeinschaften – besonders dann, wenn sie katholische Schulen leiten – Wege der Fortbildung für Lehrer an, die geeignet sind, die Dimension der Berufung im Lehrberuf zu verdeutlichen und so den Lehrern bewusst zu machen, dass sie teilhaben an der Sendung der Kirche, zu erziehen und zu heiligen.<ref> Vgl. Heilige Kongregation für das katholische Bildungswesen, Der katholische Laie – Zeuge des Glaubens in der Schule, Nr. 24.</ref> Die Personen des geweihten Lebens können denen, die es wünschen, den Reichtum der ihnen eigenen Spiritualität und das Charisma des Instituts öffnen und sie ermutigen, beide gemäß ihrer Laienidentität und in für Jugendliche geeigneten und zugänglichen Formen in der Erziehung zu leben.

Erzieher – gerufen, Gemeinschaft zu stiften

…daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt (Joh 13,35)

Nach dem Maß der menschlichen Person

Vorrangige Aufmerksamkeit gegenüber der Person

60. Die gemeinschaftliche Dimension der Schule ist nicht von der vorrangigen Aufmerksamkeit für die Person zu trennen, den Kern des schulischen Erziehungskonzepts. „Dies bedeutet insbesondere, dass die Kultur dem Menschen gerecht werden muss, indem sie der Versuchung eines Wissens widersteht, das vornehmlich pragmatisch ausgerichtet ist oder sich in den unendlichen Rinnsalen einer bloßen Belesenheit verliert und somit unfähig ist, dem Leben einen Sinn zugeben. (...) Das Wissen, das vom Glauben erleuchtet wird, vernachlässigt keineswegs die Bereiche des alltäglichen Lebens, sondern es wohnt ihnen inne mit der ganzen Kraft der Hoffnung und der Prophetie. Der Humanismus, den wir uns wünschen, setzt sich für eine Sicht von der Gesellschaft ein, bei der die menschliche Person und ihre unveräußerlichen Rechte, die Werte der Gerechtigkeit und des Friedens, gute Beziehungen zwischen den Individuen, zwischen Gesellschaft und Staat – gemäß den Prinzipien der Solidarität und der Subsidiarität – im Mittelpunkt stehen. Ein Humanismus also, dem es gelingt, den wirtschaftlichen Fortschritt zu beseelen, damit er sich auf die Entwicklung des ganzen Menschen und aller Menschen ausrichte“.<ref> Johannes Paul II., Ansprache bei der Heiligjahrfeier der Hochschullehrer, Rom, 9. September 2000, Nrn. 3, 6, AAS 92 (2000), 863-865.</ref>

In diesem Sinne die konkreten Entscheidungen qualifizieren

61. Die Personen des geweihten Lebens sind darauf bedacht, im Erziehungskonzept den Vorrang der Person zu bewahren, und arbeiten in diesem Sinne zusammen in den konkreten Entscheidungen über die allgemeine Aufgabe der Schule und über ihr Bildungsangebot. Jeder Schüler wird in seiner Individualität geachtet, indem man sein familiäres Umfeld berücksichtigt, seine persönliche Geschichte, seine Eigenschaften und Interessen. In einem Klima gegenseitigen Vertrauens entdecken die Personen des geweihten Lebens die Talente jeder Person und fördern sie. Sie helfen den Jugendlichen, für ihre eigene Formung Sorge zu tragen und an der ihrer Kameraden mitzuwirken. Diese Aufgabe fordert vollständige Hingabe und Selbstlosigkeit dessen, der den erzieherischen Dienst wie eine Sendung lebt. Hingabe und Selbstlosigkeit tragen zur Entwicklung eines lebendigen schulischen Erziehungsumfeldes bei, in dem das intellektuelle Reifen mit dem spirituellen, religiösen, gefühlsmäßigen und sozialen harmoniert.

Persönliche Weggefährtenschaft

Vorrang für Dialog und aufmerksames Zuhören

62. Mit der besonderen Sensibilität ihrer Bildung bieten die Personen des geweihten Lebens durch das aufmerksame Zuhören und den Dialog eine persönliche Weggefährtenschaft an. Sie sind in der Tat überzeugt, dass „die Erziehung Sache des Herzens ist“<ref> HL. Johannes Bosco, Rundschreiben vom 24. Januar 1883, in: CERIA E. (Hg.), Epistolario di S. Giovanni Bosco, SEI, Torino 1959, Bd. IV, 209.</ref> und dass folglich nur durch die persönliche Beziehung ein authentischer Bildungsprozess in Gang kommen kann.

Den Wunsch nach innerer Befreiung wiedererwecken

63. Jedes menschliche Wesen fühlt sich in seinem Innern von der Neigung zum Bösen bedrückt, auch wenn es grenzenlose Freiheit vortäuscht. Die Personen des geweihten Lebens bemühen sich, in den Jugendlichen den Wunsch nach einer inneren Befreiung wiederzuerwecken. Er ist Voraussetzung für den christlichen Weg zu einem neuen Leben der Seligpreisungen des Evangeliums. Die Sichtweise des Evangeliums macht es den Jugendlichen möglich, Konsumismus und Hedonismus gegenüber kritisch zu sein, die wie Unkraut in die Kultur und die Lebensform vieler Menschen eingedrungen sind.

Bekehrung des Herzens

Die Personen des geweihten Lebens sind sich voll bewusst, dass alle menschlichen Werte ihre volle Verwirklichung und ihre Einheit in Christus finden. Sie stehen ausdrücklich für die mütterliche Sorge der Kirche um das ganzheitliche Wachsen der Jugendlichen unserer Zeit. Sie vertreten die Überzeugung, dass es keine authentische Befreiung ohne Bekehrung des Herzens geben kann.<ref> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 8. Dezember 1975, Nr. 36, AAS 68 (1976), 29.</ref>

Würde der Frau und ihre Berufung

Präsenz und Handeln der Frau

64. Ihre Sensibilität und Gewissenhaftigkeit bewegt die Personen des geweihten Lebens, die auf das Du angelegte Dimension der menschlichen Person im Gehorsam gegenüber dem ursprünglichen Plan Gottes (vgl. Gen 2,18) zu entfalten. Diese Sensibilität hilft, die Verschiedenheiten in das Erziehungskonzept zu integrieren, sie aufzuwerten und so Gleichmacherei und Stereotypen zu überwinden. Die Geschichte ist Zeugnis für das Engagement der geweihten Frauen und Männer zugunsten der Frau. Auch heute empfinden die Personen des geweihten Lebens die Wertschätzung der Frau im Erziehungsprozess als ihre Pflicht. In vielen Teilen der Welt kämpfen die Schulen und zahlreiche Ordensgemeinschaften um den Zugang der Frauen zur Erziehung ohne jegliche Diskriminierung. Sie sollen befähigt werden, ihren besonderen Beitrag zum Wohl der gesamten Gesellschaft zu leisten. Niemandem entgeht der Beitrag der Frauen, den sie für das Leben und die Humanisierung der Kultur leisten,<ref> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles laici, 30. Dezember 1988, Nr. 51, AAS 81 (1989), 492-496.</ref> ihre Bereitschaft, sich um Personen zu kümmern und das oft durch Spannungen und Hass zersetzte und zerrissene soziale Netz wiederherzustellen. Viele Solidaritätsinitiativen, auch unter Völkern im Krieg, erwachsen aus jenem fraulichen Genius, der unter allen Umständen die Sensibilität für das Menschliche fördert.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem, 15. August 1988, Nr. 30, AAS 80 (1988), 1724-1727.</ref> Hier sind die geweihten Frauen in besonderer Weise berufen, ein Zeichen der Zärtlichkeit Gottes für das Menschengeschlecht zu sein durch ihre freudig gelebte Ganzhingabe.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, Nr. 57, AAS 88 (1996), 429.</ref> Die Präsenz der Frau und die Hochachtung ihr gegenüber ist daher wesentlich für die Entwicklung einer Kultur, die wirklich die Person in die Mitte stellt: die Suche nach friedlicher Konfliktlösung, die Einheit in der Verschiedenheit, die Subsidiarität und die Solidarität.

Interkulturelle Perspektive

Beitrag der Personen des geweihten Lebens zum interkulturellen Dialog

65. In der heutigen komplexen Gesellschaft ist die Schule berufen, für Jugendliche die nötigen Voraussetzungen zu schaffen für die Entwicklung einer interkulturellen Vision. Die in der Erziehung eingesetzten Personen des geweihten Lebens gehören oftmals Instituten an, die weltweit verbreitet und zugleich Ausdruck sind der „multikulturellen und internationalen Gemeinschaften, die ‚berufen sind, den Sinn für die Gemeinschaft unter den Völkern, Rassen und Kulturen zu bezeugen’ (...), wo gegenseitige Kenntnis, Respekt, Wertschätzung und Bereicherung erlebt wird“.<ref> Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, Neubeginn in Christus, Nr. 29.</ref> Deshalb können sie ohne Mühe den kulturellen Unterschied als Reichtum ansehen und gangbare Wege der Begegnung und des Dialogs vorschlagen. Diese Haltung ist ein wertvoller Beitrag zu einer wahrhaft interkulturellen Erziehung, die angesichts des Phänomens der Migration immer drängender geworden ist. Der Weg, den die Erziehungsgemeinschaft zu gehen hat, verlangt den Übergang von der bloßen Duldung der multikulturellen Wirklichkeit zu ihrer Annahme und zur Suche nach einem Ausgleich in gegenseitigem Verstehen und verlangt ebenso den interkulturellen Dialog, der Werte und Grenzen jeder Kultur erkennen lässt.

Interkulturelle Erziehung

Notwendiger Erziehungsanspruch

66. Aus christlicher Sicht gründet die interkulturelle Erziehung wesentlich auf dem Beziehungsmodell, das für Gegenseitigkeit öffnet. Analog zu dem, was Personen im Erziehungsmodell erfahren, entwickeln sich auch die Kulturen durch die typische Dynamik des Dialogs und der Gemeinschaft. Der „Dialog zwischen den Kulturen (...) (erhebt sich) als ein Bedürfnis, das der Natur des Menschen und der Kultur innewohnt. Als vielfältige und schöpferische historische Ausdrucksformen der ursprünglichen Einheit der Menschheitsfamilie finden die Kulturen im Dialog den Schutz ihrer Eigenart und des gegenseitigen Verstehens und der Gemeinschaft. Die Idee der Gemeinschaft, die ihre Quelle in der christlichen Offenbarung und das höchste Vorbild im dreieinigen Gott hat, ist niemals Einebnung in der Uniformität oder erzwungene Angleichung oder Vereinheitlichung; sie ist vielmehr Ausdruck des Aufeinander-Zustrebens einer vielgestaltigen Vielfalt und wird daher Zeichen des Reichtums und Verheißung der Entfaltung“.<ref> Johannes Paul II., Dialog zwischen den Kulturen für eine Zivilisation der Liebe und des Friedens, Botschaft zum Welttag des Friedens, 1. Januar 2001, Nr. 10, AAS 93 (2001), 239.</ref>

Nebeneinander der Verschiedenheiten

67. Die interkulturelle Perspektive bringt tatsächlich einen Paradigmenwechsel in der Pä­da­go­gik mit sich. Man geht vom Modell der Integration über zur Suche nach einem Nebeneinander der Verschiedenheiten. Es handelt sich dabei weder um ein einfaches Modell noch ist seine Verwirklichung leicht. In der Vergangenheit ist die Vielfalt der Kulturen oft eine Quelle des Nichtverstehens und der Konflikte gewesen. Und auch heute beobachtet man in verschiedenen Teilen der Welt den Überlegenheitsanspruch einiger Kulturen gegenüber anderen. Nicht weniger gefährlich ist die Tendenz zur Angleichung der Kulturen an Modelle der westlichen Welt, die inspiriert sind von Formen des radikalen Individualismus und von einer praktisch atheistischen Lebensauffassung.

Engagiert nach den ethischen Fundamenten der verschiedenen Kulturen suchen

68. Die Schule muss sich die Frage nach den fundamentalen ethischen Überzeugungen stellen, die die kulturelle Erfahrung einer bestimmten Gemeinschaft kennzeichnen. „…so wie der Mensch, der ihr Urheber ist, sind auch die Kulturen durchdrungen von der geheimen Macht der Gesetzwidrigkeit, die in der menschlichen Geschichte am Werk ist, und bedürfen genauso der Läuterung und Erlösung. Die Authentizität jeder menschlichen Kultur und die Qualität des Ethos, das sie vermittelt, das heißt die Zuverlässigkeit ihrer moralischen Einstellung, lassen sich in gewisser Weise daran messen, dass sie für den Menschen da sind und für die Förderung seiner Würde auf jeder Ebene und in jedem Umfeld“.<ref> Ebd., Nr. 8, 238.</ref>

In seiner Rede vor den Mitgliedern der 50. Vollversammlung der UNO unterstrich der Papst die fundamentale Gemeinsamkeit der Völker und betonte, dass die verschiedenen Kulturen in Wahrheit lediglich verschiedene Weisen sind, sich der Frage nach der Bedeutung der personalen Existenz zu stellen. Jede Kultur bemüht sich in der Tat, über das Geheimnis der Welt und des Menschen nachzudenken, eine Art und Weise, der transzendentalen Dimension des menschlichen Lebens Ausdruck zu geben. In diesem Licht kann der Unterschied – statt zu einer Bedrohung – durch einen respektvollen Dialog zur Quelle eines tiefen Verständnisses vom Geheimnis der menschlichen Existenz werden.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Insegnamenti, XVIII/2, 1995, 730-744.</ref>

Solidarisch teilen mit den Armen

Option für die Armen

69. Die Präsenz der Personen des geweihten Lebens in der Erziehungsgemeinschaft trägt dazu bei, die Sensibilität aller für die Armut zu schärfen, die auch heute junge Menschen, Familien und ganze Völker plagt. Diese Sensibilität kann Quelle tief greifender Veränderungen im Sinne des Evangeliums werden, wenn sie die Denkmuster von arroganter Überlegenheit umwandeln in solche des Dienens, des Sich-der-anderen-in-Sorge-Annehmens, und ein Herz formen, das offen ist für Solidarität.

Die Option für die Armen vermeidet jede Art von Ausgrenzung. Im Bereich der Schule gibt es zuweilen ein Erziehungskonzept, das die mehr oder minder vermögenden sozialen Gruppen bevorzugt, während die Aufmerksamkeit für die Bedürftigsten entschieden an zweiter Stelle steht. In vielen Fällen lassen die sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Gegebenheiten keine bessere Alternative zu. Dies darf aber eine klare Vorstellung vom Maßstab des Evangeliums nicht verhindern. Dieser Maßstab muss im persönlichen wie im Gemeinschaftsleben und in den schulischen Einrichtungen zur Geltung kommen.

Konzepte entwickeln im Blick auf die Geringsten

Die armen Jugendlichen im Mittelpunkt des Erziehungskonzepts

70. Wenn die Option für die Ärmsten im Zentrum des Erziehungskonzepts steht, werden die besten Ressourcen und die am besten vorbereiteten Personen zunächst in den Dienst der Geringsten gestellt, ohne deshalb jene auszuschließen, die weniger unter Schwierigkeiten und Mängeln leiden. Das ist die Logik des Evangeliums – so weit entfernt von der Logik der Welt. Die Absicht der Kirche ist es nämlich, ihren erzieherischen Dienst an erster Stelle „jenen” anzubieten, „die arm sind an zeitlichen Gütern, den Schutz und die Liebe der Familie entbehren müssen oder der Gnade des Glaubens fern stehen”.<ref> II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die christliche Erziehung Gravissimum educationis, Nr. 9.</ref> Ungerechte Situationen machen es bisweilen schwierig, diese Absicht auch umzusetzen. Hin und wieder sind es jedoch die katholischen Erziehungseinrichtungen, die sich von dieser Option entfernt haben, die den Beginn des größten Teils der Institute geweihten Lebens, die sich dem Unterricht gewidmet haben, gekennzeichnet hat.

Diese das geweihte Leben prägende Entscheidung wird darum von Anfang an entwickelt, damit sie nicht so angesehen wird, als sei sie nur den Selbstlosesten und Mutigsten vorbehalten.

Situationen der Armut erkennen

71. Auf den Spuren des Guten Hirten bemühen sich die Personen des geweihten Lebens, unter den Schülern die verschiedenen Situationen der Armut aufzudecken, die das ganzheitliche Reifen der Person behindern und sie vom sozialen Leben ausschließen: Sie forschen nach den Ursachen, zu denen unbestreitbar die Mittellosigkeit gehört. Dies bringt oft mit sich, dass sie keine Familie haben und nicht gesund sind, ebenso mangelnde Sozialisation, den Verlust der menschlichen Würde, die Unmöglichkeit, Zugang zur Kultur zu finden, und daraus folgend eine tiefe spirituelle Armut. Sich zur Stimme der Armen der Welt zu machen ist eine Herausforderung, der sich die Kirche gestellt hat und der sich alle Christen stellen müssen.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Tertio millennio adveniente, 10. November 1994, Nr. 51, AAS 87 (1995), 36.</ref> Wegen ihrer Entscheidung und ihrer vor der Öffentlichkeit eingegangenen Verpflichtung zu einem Lebensstil persönlicher und gemeinschaftlicher Armut sind die Personen des geweihten Lebens in höchstem Maße sensibilisiert für ihre Pflicht, die Gerechtigkeit und Solidarität dort zu fördern, wo sie arbeiten.

Armen eine Stimme geben

Im Einsatz für die Geringsten

72. Der Zugang zu Erziehung und Bildung vor allem für die Ärmsten ist eine Aufgabe, der sich die katholischen Bildungseinrichtungen auf verschiedenen Ebenen angenommen haben.<ref> Vgl. z. B. OFFICE INTERNATIONAL POUR L’ENSEIGNEMENT CATHOLIQUE (OIEC), Déclaration de la XIVème Assemblée Générale, Rom, 5. März 1994.</ref> Das bedeutet, das Erziehungsangebot zugunsten der Geringsten einzusetzen, unabhängig vom sozialen Stand der Schüler. Das schließt u. a. ein, dass die Inhalte der Soziallehre der Kirche über die Erziehungskonzepte angeboten werden, und verlangt, dass das Erziehungs- und Bildungsprofil überprüft wird, das die Schule für ihre Schüler vorsieht. Wenn eine Schule auf die ärmsten Leute hört und sich auf sie einstellt, dann weiß sie die Schulfächer in den Dienst am Leben zu stellen und mit deren Inhalten das ganzheitliche Wachsen und Reifen der Menschen zu fördern.

Engagement in der formalen und nichtformalen Erziehung

73. Das Hören auf die Armen macht den Personen des geweihten Lebens klar, wo sie sich auch im Bereich der nichtformalen Erziehung einsetzen müssen und wie sie die am meisten Benachteiligten ausbilden können. Das Wissen, dass es Länder gibt, in denen die Schule nur wenigen vorbehalten ist oder die Schule bei der Erfüllung ihres Auftrags ernste Schwierigkeiten hat, müsste in den Schulorden der entwickelteren Länder Solidaritätsinitiativen auslösen wie Partnerschaften zwischen Schulklassen oder Schulen. Die Vorteile für die Bildung wären für alle groß, besonders für die Schüler in den entwickelteren Ländern. Sie könnten konkret lernen, was im Leben wesentlich ist. Ihnen würde geholfen, nicht den durch den Konsumismus geprägten Moden zu folgen.

Verteidigung der Rechte der Kinder

74. Die Verteidigung der Rechte der Kinder stellt eine andere besonders wichtige Herausforderung dar. Die Ausbeutung der Kinder in verschiedenen, oft abartigen Formen gehört zu den beunruhigendsten Aspekten unserer Zeit. Für die im Erziehungsauftrag tätigen Personen des geweihten Lebens wird es zu einer unausweichlichen Pflicht, sich für den Schutz und die Förderung der Rechte der Kinder einzusetzen. Die konkreten Beiträge, die sie als Einzelne und als Erziehungseinrichtung leisten können, werden wahrscheinlich den Bedürfnissen nicht gerecht, aber immerhin helfen, die Wurzeln des Missbrauchs bewusst zu machen. Bereitwillig arbeiten die Personen des geweihten Lebens tatkräftig zusammen mit anderen zivilen und kirchlichen Organisationen und allen Menschen guten Willens, um die Achtung der Menschenrechte zu sichern und das Wohl aller zu fördern, angefangen bei den Schwächsten und Hilflosesten.

Uneingeschränkte Hingabe

75. Die Option für die Armen erfordert es, persönlich und in Gemeinschaft eine Haltung der Bereitschaft zu leben, wenn nötig auch das Leben hinzugeben. Es mag vielleicht notwendig sein, sich von Prestigeobjekten zu trennen, die erforderliche Erziehungsprozesse und das, was das geweihte Leben kennzeichnet, behindern. „Es könnte“ nämlich „sein, dass Katholische Schulen in didaktischer Hinsicht tadellos, zugleich aber im Zeugnis für den Glauben und in der Werteerziehung unzureichend sind“.<ref> Kongregation für das katholische Bildungswesen, Die religiöse Dimension der Erziehung in der katholischen Schule, Nr. 19.</ref>

Die Personen des geweihten Lebens müssen darum prüfen, ob sie im Schwerpunkt ihrer Erziehungstätigkeit akademisches Ansehen mehr verfolgen als das menschliche und christliche Heranreifen der Jugend; ob sie Konkurrenz eher begünstigen als Solidarität; ob sie alles tun, um zusammen mit den anderen Gliedern der Erziehungsgemeinschaft Persönlichkeiten zu erziehen, die frei sind, verantwortlich und gerecht im Verständnis des Evangeliums.

Bis an die Grenzen der Erde

76. Die religiöse Weihe macht die Personen des geweihten Lebens in besonderer Weise frei, alles zu verlassen und hinauszugehen, um das Evangelium bis an die Grenzen der Erde zu verkünden.<ref> Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 69, AAS 68 (1976), 58.</ref> Für sie hat – auch auf dem Feld der Erziehung – die Verkündigung der Frohen Botschaft „ad gentes“ Vorrang. Darum erkennen sie die fundamentale Rolle der katholischen Schule in den Missionsländern. Oftmals ist Schule die einzige Möglichkeit für die Kirche, präsent zu sein, ein andermal ist sie ein für die Evangelisierung und Humanisierung privilegierter Ort, an dem sie der menschlichen und kulturellen Entwicklung der ärmsten Völker dient. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Notwendigkeit, auf den Austausch im erzieherischen Charisma zwischen den Ordensgemeinschaften aus den alten christlichen Ländern und jenen aus den Missionsländern zu achten, der sie inspiriert. „Die alten Institute, von denen viele zwar härteste Prüfungen durchgemacht, aber sich Jahrhunderte lang tapfer gehalten haben, können“ nämlich „eine Bereicherung erfahren, wenn sie mit den in unserer Zeit entstehenden Gründungen den Dialog aufnehmen und Gaben austauschen.“<ref> Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, Nr. 62, AAS 88 (1996), 437.</ref> Ein solcher Austausch wirkt sich auch aus auf das Gebiet der Ausbildung der Personen des geweihten Lebens, auf die Unterstützung der neuen Ordensgemeinschaften und auf die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Instituten.

Kultur des Friedens

Frieden durch Gerechtigkeit

77. Der Weg zum Frieden führt über die Gerechtigkeit. „Der einzige Weg, der unserer Welt eine friedliche Zukunft sichern kann, besteht darin, die Ursachen der Konflikte und Kriege an der Wurzel zu packen: Denn der Frieden ist Frucht der Gerechtigkeit.“ „Eine Gerechtigkeit, die sich nicht darauf beschränkt, jedem das Seine zu geben, sondern danach strebt, unter den Bürgern gleiche Möglichkeiten zu schaffen. Auf diese Weise fördert man diejenigen, die auf Grund ihrer sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Lage Gefahr laufen, benachteiligt zu werden oder immer den letzten Platz in der Gesellschaft einzunehmen, ohne eine Möglichkeit, sich zu verbessern.“<ref> Johannes Paul II., Rede bei der Audienz anlässlich der Heiligjahrfeier der Regierungen, Parlamentarier und Politiker, Rom, 4. November 2000, Nrn. 3 u. 2, AAS 93 (2001), 167.</ref>

Aus dem Herzen zum Frieden erziehen

Friedensstifter im eigenen Umfeld

78. Das Bewusstsein, die Erziehung sei der Königsweg zum Frieden, ist eine Feststellung, die von der internationalen Gemeinschaft geteilt wird. Beredtes Zeichen dafür sind die verschiedenen von den internationalen Organisationen geförderten Projekte zur Sensibilisierung der öffentlichen Meinung und der Regierungen.<ref> Z. B. haben die Vereinten Nationen die Internationale Dekade der Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit ausgerufen (2000-2010).</ref> Als Zeugen Christi, des Friedensfürsten, spüren die Personen des geweihten Lebens die dringende Notwendigkeit, Erziehung zum Frieden unter die wichtigsten Erziehungsziele zu rechnen: Sie leisten ihren besonderen Beitrag, indem sie in den Herzen der Schülerinnen und Schüler den Willen zu stärken, Friedensstifter zu werden. Kriege beginnen in den Herzen der Menschen, und es sind die Herzen der Menschen, von denen die Verteidigung des Friedens ausgehen muss. Mit dem Gewicht, das die Personen des geweihten Lebens dem Erziehungsprozess beimessen, wecken sie im Herzen der Menschen des 3. Jahrtausends Haltungen des Friedens, der „nicht einfach die Abwesenheit von Konflikten ist, sondern auch einen positiven, dynamischen und partizipativen Prozess verlangt, bei dem zum Dialog ermutigt wird und Konflikte in einem Geist gegenseitigen Verstehens und Zusammenarbeitens gelöst werden”.<ref> UNO, Résolution 53/243: Déclaration et Programme d'action sur une culture de la paix, 6. Oktober 1999.</ref> Bei diesem Einsatz arbeiten die Personen des geweihten Lebens mit allen Menschen guten Willens zusammen, indem sie mit ihnen die Anstrengung und die Einsicht in die dringliche Notwendigkeit teilen, immer wieder nach neuen Ideen zu suchen, die für eine wirkungsvolle Erziehung geeignet sind, die „auf allen Ebenen eines der bedeutenden Mittel ist, eine Kultur des Friedens aufzubauen“.<ref> Ebd., A, Art. 1a; Art. 4.</ref>

Durch Werteerziehung

79. Eine wirkungsvolle Friedenserziehung braucht Konzepte und Strategien auf verschiedenen Ebenen. Unter anderem geht es darum, Schüler zu Werten und entsprechenden Haltungen zu erziehen, um Streit friedlich und mit Achtung vor der Würde des Menschen zu lösen; außerunterrichtliche Aktivitäten wie Sport und Theater zu organisieren, die Werte wie Ehrlichkeit und Respekt vor Regeln fördern; den gleichberechtigten Zugang der Frauen zur Erziehung zu sichern; dazu zu ermutigen, wo nötig die Unterrichtskonzepte einschließlich der Lehrbücher zu korrigieren.<ref> Vgl. ebd., B, Art. 9.</ref> Erziehung muss außerdem den Schülern das Bewusstsein ihrer eigenen kulturellen Wurzeln und den Respekt vor den anderen Kulturen vermitteln. Wenn dies auf der Basis solider ethischer Grundsätze verwirklicht wird, macht Erziehung die Grenzen bewusst, die die eigene und auch die Kultur der anderen haben, macht aber gleichzeitig ein gemeinsames „Werteerbe“ der ganzen Menschheit sichtbar. Auf diese Weise „hat die Erziehung eine besondere Funktion im Aufbau einer solidarischeren und friedlicheren Welt. Sie kann dazu beitragen, diesen ganzheitlichen Humanismus zu bekräftigen, der der ethischen und religiösen Dimension gegenüber offen ist, der der Kenntnis und der Wertschätzung der Kulturen und der spirituellen Werte der verschiedenen Zivilisationen die ihnen zukommende Bedeutung beizumessen weiß“.<ref> Johannes Paul II., Dialog zwischen den Kulturen für eine Zivilisation der Liebe und des Friedens, Botschaft zum Welttag des Friedens, 1. Januar 2001, Nr. 20, AAS 93 (2001), 245.</ref>

Erziehung zur Gemeinschaft

Aktive und verantwortungsbewusste Staatsbürger erziehen

80. Wegen der negativen Folgen einer ungesteuerten wirtschaftlichen und kulturellen Globalisierung gewinnt am Anfang des dritten Jahrtausends die verantwortliche Mitwirkung am Gemeinschaftsleben auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene zunehmend an Bedeutung. Eine solche Mitwirkung setzt voraus, dass sich alle die Ursachen der Phänomene bewusst machen, die das Zusammenleben der Völker und das menschliche Leben überhaupt bedrohen. Auch dieses Bewusstwerden findet in der Erziehung, besonders in der Schule, den bevorzugten Ort der Entfaltung. Eine neue wichtige Aufgabe stellt sich: die Erziehung zu einer aktiven und verantwortungsbewussten Staatsbürgerschaft. Auf dieser Linie sind die Worte des Papstes aufschlussreich: „Die Förderung des Rechts auf Frieden sichert in gewisser Weise die Achtung aller anderen Rechte, weil sie dem Aufbau einer Gesellschaft Vorschub leistet, in der im Hinblick auf das Gemeinwohl Beziehungen der Zusammenarbeit anstelle von Machtkämpfen treten“.<ref> Johannes Paul II., In der Achtung der Menschenrechte liegt das Geheimnis des wahren Friedens, Botschaft zum Welttag des Friedens, 1. Januar 1999, Nr. 11, AAS 91 (1999), 385.</ref> Hier können die Personen des geweihten Lebens das Zeichen einer verantwortlichen Geschwisterlichkeit setzen: „In einer wirklich brüderlichen Gemeinschaft fühlt ein jeder sich mitverantwortlich für die Treue des anderen; jeder leistet seinen Beitrag zu einer gelösten Atmosphäre echter Lebensgemeinschaft, die gekennzeichnet ist von Verständnis und gegenseitiger Hilfe...“.<ref> Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, Das brüderliche und schwesterliche Leben in Gemeinschaft, 2. Februar 1994, Nr. 57, in: Enchiridion Vaticanum, Bd. 14, 265.</ref>

SCHLUSS

81. Die obigen Überlegungen machen deutlich, dass die Präsenz der Personen des geweihten Lebens in der Welt der Erziehung als eine prophetische Wahl erscheint.<ref> Vgl. Kongregation für das katholische Bildungswesen, Die Katholische Schule an der Schwelle zum dritten Jahrtausend, Nr. 21.</ref> Die Synode über das geweihte Leben ruft dazu auf, den Erziehungsauftrag an allen Schularten, an den Universitäten und den Hochschulen mit neuer Hingabe anzunehmen.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, Nr. 97, AAS 88 (1996), 473.</ref> Die Aufforderung, den Weg weiterzugehen, den jene begonnen haben, die einen bedeutsamen Beitrag zum Erziehungsauftrag der Kirche geleistet haben, entspricht der Treue zum ursprünglichen Charisma: „Durch ihre besondere Weihe, durch die ihnen eigene Erfahrung der Gaben des Geistes, durch das sorgfältige Hören des Wortes und die Übung der Unterscheidung, durch das im Laufe der Zeit vom eigenen Institut gesammelte reiche Erbe an Traditionen, die die Erziehung betreffen, durch die vertiefte Erkenntnis der geistlichen Wahrheit (vgl. Eph 1,17) sind die Personen des geweihten Lebens in der Lage, eine besonders wirksame Erziehungstätigkeit zu entfalten und so einen spezifischen Beitrag zu den Initiativen der anderen Erzieher und Erzieherinnen zu leisten.“<ref> Ebd., Nr. 96, 472.</ref>

82. Im Horizont der Kirche als Gemeinschaft wächst in jeder Person des geweihten Lebens das Bewusstsein vom großen kulturellen und pädagogischen Reichtum, der aus der Teilhabe am gemeinsamen Erziehungsauftrag – auch in der Besonderheit der verschiedenen Ämter und Charismen – erwächst. Es geht um die Wiederentdeckung und Erneuerung des Bewusstseins von der eigenen Identität, um das Wiederfinden des inspirierenden Kerns einer erzieherischen Professionalität, die neu entdeckt wird als ein Lebensweg, der eine authentische Berufung darstellt.

Neubeginn in Christus =

Die Wurzel dieses erneuerten Bewusstseins ist Christus. Von Ihm müssen die Personen des geweihten Lebens, die in der Schule arbeiten, mit Entschiedenheit ausgehen, um die motivierende Quelle ihrer Sendung wiederzufinden. Neubeginn in Christus will heißen, sein Antlitz zu betrachten, im Gebet mit ihm zu verharren, um ihn dann den anderen zeigen zu können. Diesen Auftrag zu erfüllen ist die Kirche am Anfang des neuen Jahrtausends gerufen. Sie ist sich dabei bewusst, dass nur der Glaube das Geheimnis jenes Antlitzes ergründen kann.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte, Nr. 19, AAS 93 (2001), 278-279.</ref> Neubeginn in Christus heißt also auch für die Personen des geweihten Lebens, auszugehen vom Glauben, der von den Sakramenten genährt und von der Hoffnung gestützt wird, die nicht enttäuscht: „Ich bin bei euch alle Tage“ (Mt 28, 20).

Ein erneuertes Engagement

Von dieser Hoffnung beseelt, sind die Personen des geweihten Lebens gerufen, ihre erzieherische Leidenschaft zu verlebendigen und diese in der Schulgemeinschaft als Zeugnis für die Begegnung zwischen verschiedenen Berufungen und zwischen Generationen zu leben.

Die Aufgabe zu lehren: zu leben, indem man den tiefsten Sinn des Lebens und der Transzendenz entdeckt, aufeinander bezogen zu handeln, die Schöpfung zu lieben, frei und kritisch zu denken, sich in der Arbeit zu verwirklichen, die Zukunft zu planen – in einem Wort: zu sein, verlangt von den Personen des geweihten Lebens eine erneuerte Liebe zu ihrem erzieherischen und kulturellen Engagement in der Schule.

Ständige Erneuerung

83. Indem sich die Personen des geweihten Lebens vom Geist verändern lassen und in einer Haltung ständiger Erneuerung leben, werden sie fähig, ihren Horizont zu weiten und die tiefen Dimensionen der Ereignisse wahrzunehmen.<ref> Vgl. Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Vita consecrata, Nr. 98, AAS 88 (1996), 474.</ref> Ständige Erneuerung ist auch der Schlüssel, die erzieherische Sendung in der Schule wiederzuverstehen und sie der Wirklichkeit getreu zu entfalten, die sich so sehr verändert und gleichzeitig kompetentes, rechtzeitiges und prophetisches Handeln verlangt. Die kulturelle Vertiefung, zu der die Personen des geweihten Lebens gerufen sind, um ihre Professionalität in ihren Fächern, in der Verwaltung oder der Leitung zu verbessern, ist eine Pflicht der Gerechtigkeit, der man sich nicht entziehen kann.

Die Mitwirkung am Leben der Welt- und Ortskirche verpflichtet dazu, die Bindungen der Gemeinschaft zu festigen und die Richtlinien des Lehramts anzuerkennen, vor allem was Themen wie das Leben, die Familie, die Frauenfrage, die soziale Gerechtigkeit, den Frieden, die Ökumene und den interreligiösen Dialog betrifft. Im Klima des heutigen Pluralismus ist das Lehramt der Kirche Stimme, die maßgeblich die Phänomene im Licht des Evangeliums deutet.

Dank für den wichtigen und edlen Dienst

84. Die Kongregation für das Katholische Bildungswesen möchte diese Überlegungen mit einem herzlichen Dank an alle Personen des geweihten Lebens schließen, die im Bereich der schulischen Erziehung arbeiten. Sie ist sich der Komplexität und oftmals der Schwierigkeiten ihrer Aufgabe bewusst und unterstreicht den Wert dieses edlen Erziehungsdienstes am Leben und der Hoffnung der neuen Generationen – auf dem Weg über ein Wissen und eine Kultur, die kritisch erarbeitet werden, und auf der Grundlage eines Konzepts der Person und des Lebens, die von den Werten des Evangeliums inspiriert sind.

Jede Schule und jeder Ort der nichtformalen Erziehung können zum Knoten in einem viel größeren Netz werden, das vom kleinsten Dorf bis zur größten Metropole die Welt in Hoffnung einfängt. In der Erziehung liegt wahrhaft das Versprechen einer humaneren Zukunft und einer solidarischeren Gesellschaft.

Keine Schwierigkeit kann die Personen des geweihten Lebens vom Dienst in Schule und Erziehung abbringen, wenn die Überzeugung von der Berufung, den Armen und Kleinen die Frohe Botschaft vom Reich Gottes zu bringen, tief gründet und lebendig ist. Die Schwierigkeiten und die aktuellen Orientierungslosigkeiten sind zusammen mit den neuen Perspektiven, die sich am Morgen des dritten Jahrtausends eröffnen, ein mächtiger Anruf, das eigene Leben zur Erziehung der neuen Generationen einzusetzen und sich zu Vermittlern einer Kultur der Gemeinschaft zu machen, die jedes Volk und jede Person erreicht. Das Hauptmotiv und gleichzeitig das Ziel, auf das sich das Engagement jeder Person des geweihten Lebens richtet, ist es, die Fackel des Glaubens in den jungen Generationen zu entzünden und zu nähren, „beim Anbruch dieses neuen Jahrtausends zu Wächtern des Morgens zu werden (vgl. Jes 21,11-12)“.<ref> Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Novo millennio ineunte, Nr. 9, AAS 93 (2001), 272.</ref>

Der Heilige Vater hat im Verlauf einer dem unterzeichneten Präfekten gewährten Audienz das vorliegende Dokument approbiert und seine Veröffentlichung autorisiert.

Rom, den 28. Oktober 2002, am XXXVII. Jahrestag des Erlasses der Erklärung Gravissimum educationis des II. Vatikanischen Ökumenischen Konzils.
Zenon Kard. GROCHOLEWSKI
Präfekt
Joseph PITTAU, SJ
Sekretär

Anmerkungen

<references />

Weblinks