Situationsethik: Unterschied zwischen den Versionen

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Die '''Situationsethik''' ist ein [[Relativismus|relativistisches]] Moralystem, das die entscheidende und höchste Norm des Handelns, in einem individuellen Urteil und einer geistigen Erleuchtung sieht, die es zu erkennen gelte, was man in der gegebenen Situation zu tun habe.  
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Die '''Situationsethik''' ist ein nicht-katholisches Moralystem, das die entscheidende und höchste Norm des Handelns, in einer subjektiven, einmaligen und individuellen "Entscheidung" (statt [[Urteil]]) des [[Gewissen]]s sieht. Das objektive allgemein gültige [[Sittengesetz]], dessen letzte Grundlage das [[Sein]] ist, sei höchstens eine Orientierung (vgl. [[Contra doctrinam]]; [[Veritatis splendor|VS]], [[Veritatis splendor (Wortlaut)#Wohl dem Mann, der Freude hat an der Weisung des Herrn (vgl. Ps 1, 1-2)|Nr. 47]]).
  
Die Vertreter der Situationsethik sind der Meinung, der Mensch dürfe sich beim sittlichen Handeln nicht von allgemeinen Grundsätzen und Gesetze leiten lassen. Denn jede Handlung geschehe unter so einmaligen Bedingungen und Umständen, dass das Einzelgewissen nur nach den augenblicklich gegebenen Verhältnissen und Umständen und aus der guten Absicht des Handelnden heraus sich zu entscheiden habe.  
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Nach den Autoren der Situationsethik genüge der überkommene Begriff von der "menschlichen [[Natur]]" nicht. Man muss zu einem Begriff der "[[Existentialismus|existierenden]]" menschlichen Natur kommen, der in der Mehrzahl der Fälle keine absolute objektive Gültigkeit, sondern nur einen relativen Wert besitze, der deshalb auch wandelbar sei, wenn man von den wenigen Elementen und Grundsätzen absehe, die sich aus der absoluten und unveränderlichen [[Metaphysik|metaphysischen]] [[Natur]] des [[Mensch]]en ergeben (vgl. [[Contra doctrinam]]).
  
Man könnte diese Auffassung "ethischen [[Existentialismus]]", "ethischen Aktualismus", "ethischen [[Individualismus]]" nennen. Die neue Morallehre geht aus dem Existentialismus hervor, der entweder von Gott absieht oder ihn geradewegs leugnet, auf jeden Fall aber den Menschen ganz auf sich selbst stellt (vgl. Ansprache [[Soyez les bienvenues]]). Die Situationsethik ist eine nicht-katholische  Auffassung des sittlichen Lebens.
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[[Papst]] [[Pius XII.]] stellt sich in den 50-Jahren des [[20. Jahrhundert]]s gegen eine vorgebliche [[Reform]] der sittlichen Normen. Diese stelle "jedes sittliche Kriterium dem persönlichen [[Gewissen]] anheim, das, stolz in sich verschlossen, der absolute Richter über seine Entscheidungen" sei. Wie in der dogmatischen Lehre, so möchte man auch in der [[Christliches Sittengesetz|katholischen Sittenordnung]] eine radikale Revision vornehmen, um daraus eine neue Wertung abzuleiten. Die "neue Moral" könnte man "ethischen [[Existentialismus]]", "ethischen Aktualismus" oder "ethischen [[Individualismus]]" nennen. Die Moral soll von den Spitzfindigkeiten der [[Kasuistik|kasuistischen]] Methode befreit, zu ihrer ursprünglichen Form zurückgeführt und einfach hin der [[Einsicht]] und der Bestimmung des individudlen Gewissens anheimgestellt werden."<ref>[[Pius XII.]]: Rundfunkansprache ''[[La famiglia è la culla]]''.</ref> Das besondere Merkmal dieser Moral bestehe darin, dass sie nicht [immer] von den allgemeingültigen Moralgesetzen, wie z. B. den [[Zehn Gebote]]n, ausgehe, sondern von den tatsächlichen konkreten Umständen und Bedingungen, in denen der Mensch handeln muss und denen entsprechend das individuelle Gewissen zu wählen und zu entscheiden habe. Dieser Tatbestand sei einmalig und sei nur einmal für jede menschliche Handlung gültig. Darum könne nach der Auffassung der Anhänger dieser Ethik die Gewissensentscheidung nicht von allgemeingültigen Ideen, Prinzipien und Gesetzen diktiert werden. So sehr auch solche Gewissensentscheidungen auf den ersten Blick den göttlichen Geboten zu widersprechen scheinen, sollen sie dennoch vor [[Gott]] gültig sein, weil, wie man sagt, das aufrichtige und wohlgebildete Gewissen auch vor Gott mehr gilt als das "Gebot" und das "Gesetz". Eine solche Entscheidung entspreche dem Stande der "Mündigkeit" des Menschen und nehme die objektiven Normen nicht einfach "passiv" und "rezeptiv" entgegen, sondern man verhalte sich "aktiv" und "schöpferisch". Pius XII. stellt fest: nur "da, wo es keine absolut verpflichtenden und von allen Umständen und Eventualitäten unabhängigen Normen gibt, erfordert die "einmalige" Situation in ihrer Einzigkeit tatsächlich eine sorgfältige Prüfung, um zu entscheiden, welche Gebote hier anzuwenden sind und in welcher Weise.<ref> [[Pius XII.]]: Ansprache ''[[Soyez les bienvenues]]''.</ref>
  
Die Situationsethik erklärt sich unabhängig von den Grundsätzen der objektiven Moral (deren letzte Grundlage das [[Sein]] ist), die im [[Naturgesetz]] zum Ausdruck kommt. Die Autoren, welche der Situationsethik anhangen, erheben den Anspruch, der objektiven Moral nicht nur gleichwertig, sondern überlegen zu sein. Nach diesen Autoren genügt der überkommene Begriff von der "menschlichen Natur" nicht. Man muss zu einem Begriff der "[[Existentialismus|existierenden]]" menschlichen Natur kommen, der in der Mehrzahl der Fälle keine absolute objektive Gültigkeit, sondern nur einen relativen Wert besitzt, der deshalb auch wandelbar ist, wenn man von den wenigen Elementen und Grundsätzen absieht, die sich aus der absoluten und unveränderlichen [[Metaphysik|metaphysischen]] [[Natur]] des [[Mensch]]en ergeben.  
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Auch Papst [[Johannes Paul II.]] wendet sich [[1993]] in der [[Enzyklika]] [[Veritatis splendor]] ([[Veritatis splendor (Wortlaut)#Das Heiligtum des Menschen|Nr. 55+56]]) gegen die "neue Moral", seien es falsche Theologenmeinungen oder falsche "pastorale" Lösungen. "In sich" böse Handlungen könnten in bestimmten Situationen nie erlaubt sein, denn der Zweck heilige nicht die Mittel (vgl. [[Veritatis splendor|VS]], [[Veritatis splendor (Wortlaut)#Das "in sich Schlechte": Man darf nicht Böses tun, damit Gutes entsteht (vgl. Röm 3, 8)|Nr. 79-83]]).
  
Das besondere Merkmal dieser Moral besteht darin, dass sie nicht von den allgemeingültigen Moralgesetzen, wie z. B. den Zehn Geboten, ausgeht, sondern von den tatsächlichen konkreten Umständen und Bedingungen, in denen der Mensch handeln muss und denen entsprechend das individuelle Gewissen zu wählen und zu entscheiden hat. Diesen Tatbestand ist einmalig und ist nur einmal für jede menschliche Handlung gültig. Darum kann nach der Auffassung der Anhänger dieser Ethik die Gewissensentscheidung nicht von allgemeingültigen Ideen, Prinzipien und Gesetzen diktiert werden. Der christliche Glaube jedoch, gründet seine sittlichen Forderungen auf die Kenntnis der wesentlichen Wahrheiten und ihre Beziehungen.
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== Päpstliche Schreiben ==
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'''[[Pius XII.]]'''
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* [[23. März]] [[1952]] Rundfunkansprache ''[[La famiglia è la culla]]'' zum »Tag der [[Familie]]" der [[Katholische Aktion|Katholischen Aktion]] Italiens, über das [[Wesen]] des christlichen Gewissens, seine Bedeutung und Stellung innerhalb der christlichen Moral und über die Gewissens[[erziehung]].
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* 18. April  1952 Ansprache ''[[Soyez les bienvenues]]'' an den Kongress des Weltbundes der katholischen weiblichen Jugend über Situationsethik und christliche Sittenlehre ([[AAS]] XLIV [1952] 413-419).
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*2. Februar 1956 [[Kongregation für die Glaubenslehre|Kongregation des Heiligen Offiziums]]: [[Instruktion]] ''[[Contra doctrinam]]'' über die Situationsethik ([[AAS]] XLVIII abgedruckt am 14. März 1956; [[DS]] 3918ss).
  
Die Autoren der Situationethik leugnen nicht immer und ohne weiteres die allgemeinen Sittenbegriffe und -prinzipien (obgleich sie manchmal einer solchen Leugnung bedenklich nahe kommt), aber sie verrückt sie aus dem Zentrum gegen die äußerste Peripherie.
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'''[[Johannes Paul II.]]'''
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* [[6. August]] [[1993]] [[Enzyklika]] ''[[Veritatis splendor]]'' an alle [[Bischöfe]] der [[Katholische Kirche|Katholischen Kirche]] über einige grundlegende Fragen der kirchlichen [[Moral]]lehre.
  
== Päpstliche Schreiben ==
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==Literatur==
[[Pius XII.]]
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* [[Dietrich von Hildebrand]]: 1955 Wahre Sittlichkeit und Situationsethik (mit Alice Jourdain) (Band VIII, Situationsethik und kleinere Schriften 1973, S. 5-164 - ISBN 3-17-0821160-X in Leinen und 3-17-001236-3 kartoniert; 2. Auflage; (Wahre Sittlichkeit und Situationsethik, [[Patmos Verlag]] Düsseldorf 1957 = 1. Auflage).
* 18. April  1952 Ansprache [[Soyez les bienvenues]] an den Kongress des Weltbundes der katholischen weiblichen Jugend über Situationsethik und christliche Sittenlehre ([[AAS]] XLIV [1952] 413-419).
 
*2. Februar 1956 [[Kongregation für die Glaubenslehre|Kongregation des Heiligen Offiziums]]: [[Instruktion]] [[Contra doctrinam]] über die Situationsethik ([[AAS]] XLVIII abgedruckt am 14. März 1956; DS 3918ss).
 
  
==Literatur==
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== Anmerkungen ==
* [[Dietrich von Hildebrand]]: 1955 Wahre Sittlichkeit und Situationsethik (mit Alice Jourdain) (Band VIII, Situationsethik und kleinere Schriften 1973, S. 5-164 - ISBN 3-17-0821160-X in Leinen und 3-17-001236-3 kartoniert; 2. Auflage; (Wahre Sittlichkeit und Situationsethik, Patmos Verlag Düsseldorf 1957 = 1. Auflage).
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<references />
  
 
[[Kategorie:Allgemeine Ethik]]
 
[[Kategorie:Allgemeine Ethik]]
 
[[Kategorie:Irrlehren]]
 
[[Kategorie:Irrlehren]]

Version vom 12. Dezember 2016, 14:26 Uhr

Die Situationsethik ist ein nicht-katholisches Moralystem, das die entscheidende und höchste Norm des Handelns, in einer subjektiven, einmaligen und individuellen "Entscheidung" (statt Urteil) des Gewissens sieht. Das objektive allgemein gültige Sittengesetz, dessen letzte Grundlage das Sein ist, sei höchstens eine Orientierung (vgl. Contra doctrinam; VS, Nr. 47).

Nach den Autoren der Situationsethik genüge der überkommene Begriff von der "menschlichen Natur" nicht. Man muss zu einem Begriff der "existierenden" menschlichen Natur kommen, der in der Mehrzahl der Fälle keine absolute objektive Gültigkeit, sondern nur einen relativen Wert besitze, der deshalb auch wandelbar sei, wenn man von den wenigen Elementen und Grundsätzen absehe, die sich aus der absoluten und unveränderlichen metaphysischen Natur des Menschen ergeben (vgl. Contra doctrinam).

Papst Pius XII. stellt sich in den 50-Jahren des 20. Jahrhunderts gegen eine vorgebliche Reform der sittlichen Normen. Diese stelle "jedes sittliche Kriterium dem persönlichen Gewissen anheim, das, stolz in sich verschlossen, der absolute Richter über seine Entscheidungen" sei. Wie in der dogmatischen Lehre, so möchte man auch in der katholischen Sittenordnung eine radikale Revision vornehmen, um daraus eine neue Wertung abzuleiten. Die "neue Moral" könnte man "ethischen Existentialismus", "ethischen Aktualismus" oder "ethischen Individualismus" nennen. Die Moral soll von den Spitzfindigkeiten der kasuistischen Methode befreit, zu ihrer ursprünglichen Form zurückgeführt und einfach hin der Einsicht und der Bestimmung des individudlen Gewissens anheimgestellt werden."<ref>Pius XII.: Rundfunkansprache La famiglia è la culla.</ref> Das besondere Merkmal dieser Moral bestehe darin, dass sie nicht [immer] von den allgemeingültigen Moralgesetzen, wie z. B. den Zehn Geboten, ausgehe, sondern von den tatsächlichen konkreten Umständen und Bedingungen, in denen der Mensch handeln muss und denen entsprechend das individuelle Gewissen zu wählen und zu entscheiden habe. Dieser Tatbestand sei einmalig und sei nur einmal für jede menschliche Handlung gültig. Darum könne nach der Auffassung der Anhänger dieser Ethik die Gewissensentscheidung nicht von allgemeingültigen Ideen, Prinzipien und Gesetzen diktiert werden. So sehr auch solche Gewissensentscheidungen auf den ersten Blick den göttlichen Geboten zu widersprechen scheinen, sollen sie dennoch vor Gott gültig sein, weil, wie man sagt, das aufrichtige und wohlgebildete Gewissen auch vor Gott mehr gilt als das "Gebot" und das "Gesetz". Eine solche Entscheidung entspreche dem Stande der "Mündigkeit" des Menschen und nehme die objektiven Normen nicht einfach "passiv" und "rezeptiv" entgegen, sondern man verhalte sich "aktiv" und "schöpferisch". Pius XII. stellt fest: nur "da, wo es keine absolut verpflichtenden und von allen Umständen und Eventualitäten unabhängigen Normen gibt, erfordert die "einmalige" Situation in ihrer Einzigkeit tatsächlich eine sorgfältige Prüfung, um zu entscheiden, welche Gebote hier anzuwenden sind und in welcher Weise.<ref> Pius XII.: Ansprache Soyez les bienvenues.</ref>

Auch Papst Johannes Paul II. wendet sich 1993 in der Enzyklika Veritatis splendor (Nr. 55+56) gegen die "neue Moral", seien es falsche Theologenmeinungen oder falsche "pastorale" Lösungen. "In sich" böse Handlungen könnten in bestimmten Situationen nie erlaubt sein, denn der Zweck heilige nicht die Mittel (vgl. VS, Nr. 79-83).

Päpstliche Schreiben

Pius XII.

Johannes Paul II.

Literatur

  • Dietrich von Hildebrand: 1955 Wahre Sittlichkeit und Situationsethik (mit Alice Jourdain) (Band VIII, Situationsethik und kleinere Schriften 1973, S. 5-164 - ISBN 3-17-0821160-X in Leinen und 3-17-001236-3 kartoniert; 2. Auflage; (Wahre Sittlichkeit und Situationsethik, Patmos Verlag Düsseldorf 1957 = 1. Auflage).

Anmerkungen

<references />