Synthese von Liturgie und Musik als Ziel

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Ansprache
Synthese von Liturgie und Musik als Ziel

Seiner Heiligkeit
Johannes Paul II.
bei der Einweihung des neuen Sitzes des Päpstlichen Instituts für Kirchenmusik
21. November 1985

(Quelle: Der Apostolische Stuhl 1985, S. 1653-1656)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Liebe Brüder und Schwestern!

1. Gern habe ich die Einladung angenommen, die feierliche Weihe der neuen Orgel und die Einweihung des neuen Sitzes dieses Päpstlichen Instituts für Kirchenmusik zu leiten, das von meinem ehrwürdigen Vorgänger, dem hl. Papst Pius X. im Palazzo Apollinare gegründet worden war und heute in diese freundliche Abtei San Girolamo in Urbe übersiedelt.

Ich danke dem Herrn vor allem dafür, dass er den Umzug an diesen Ort ermöglichte, der für die Zwecke des Instituts geeigneter ist, weil er für die musikalischen Studien und Übungen bessere Bedingungen bietet. Gedanken der Dankbarkeit gelten auch Kardinal William Baum und Msgr. Johannes Overath, dem Großkanzler und dem Rektor des Instituts, für die eindrucksvollen Worte, mit denen sie diese Zeremonie eingeleitet haben. Meine herzliche Dankbarkeit spreche ich darüber hinaus allen aus, die Werkzeuge der Vorsehung gewesen sind bei der Instandsetzung der Räume, ganz besonders den Mitgliedern des St.-Gregorius-Werkes, die deren Durchführung großzügig erleichtert haben.

An euch alle, Dozenten, Studenten und Freunde der Musik, die ihr bei dieser feierlichen Begegnung anwesend seid, richte ich meinen herzlichen Gruß verbunden mit dem Wunsch, dass ihr von Tag zu Tag in der Liebe zu Gott dadurch wachsen könnt, dass "ihr aus vollem Herzen singt und jubelt zum Lob des Herrn" (Eph 5,19).

2. Heute, am Vorabend des Festes der hl. Cäcilia im Europäischen Jahr der Musik dass in diesem Kreis auf die Berufung und die Ausbildung aller jener hingewiesen werden, die sich in erster Linie der Liturgie und ihrer Musik widmen.

Die Konzilskonstitution über die heilige Liturgie unterstreicht die Würde und Bedeutung der Musik bei der liturgischen Handlung. Diese Würde verlangt beim Kirchenmusiker eine echte, eigene Berufung. Und in der Großzügigkeit seiner Antwort wird der Musiker auch die Kraft finden, sich der schwierigen Aufgabe zu stellen, die das Studium dieses Fachbereiches mit sich bringt.

Da es sich aber um Kirchenmusik handelt, deren Wurzeln in der Liturgie gründen, sind künstlerische Begabungen ersten Ranges gefordert. Kirchenmusikalische Tätigkeit verlangt eine dauernde Anstrengung, um das Göttliche durch die reiche Skala der Töne zum Ausdruck bringen zu können, soweit das dem Menschen möglich ist.

Die Berufung neigt aufgrund der ihr innewohnenden Dynamik außerdem dazu, zur Anbetung zu werden; eine Erfahrung, die möglich wird, wenn das "Singen im Gottesdienst" aus einem echten „sentire cum Ecclesia“ erwächst. Diese ständige Einheit mit Gott und die künstlerische Begabung verbinden sich also zu einer glücklichen Synthese, in der sich die beiden Elemente gegenseitig bereichern. Hier ist die unerschöpfliche Quelle der sakralen Kunst zu suchen. Die mit der ganzen Teilnahme der Person erlebte Liturgie muss aber die vorrangige Sorge auf dem Ausbildungsweg aller sein, die Kirchenmusiker werden wollen.

3. Das Päpstliche Institut für Kirchenmusik in Rom, das sich in der Nähe des Stuhles Petri erhebt, möge sich dadurch in die apostolische Sendung einbezogen fühlen, dass es jene Programme kirchlicher Erneuerung konkretisiert, die vom Konzil längst erwünscht worden sind.

Neben den traditionellen Grundfächern, wie gregorianischer Gesang, Orgel und klassische Polyphonie - das sind künstlerische Bereiche, die zu wahren Apologien des Glaubens und damit zu reinem Lebenssaft geworden sind, der seit den Anfängen die künstlerische und geistliche Entwicklung der europäischen Musikkultur genährt hat -, muss unbedingt das reiche Geschenk anerkannt werden, das die ganze Kirche aus der liebevollen und sachkundigen Kenntnis der Schätze der orientalischen Kirchen, ihrer Liturgie und Musik, empfängt.

Das Konzil fordert darum auch eine neue Aufmerksamkeit für verschiedene kulturelle Faktoren. Die Einführung der Volkssprachen in die römische Liturgie verlangt eine umfassende Wertschätzung der lokalen Traditionen des Kirchengesanges. Die neue kulturelle Sensibilität und noch zuvor eine wahrhaft katholische kirchliche Sichtweise verlangt nach einer Öffnung von Herz und Geist für die musikalischen Gegebenheiten der außereuropäischen Kulturen.

Dringend notwendig ist es, nach dem weisen Grundsatz des "Bewahrens und Förderns" vorzugehen. Bemüht euch in der Ausbildung und den praktischen Übungen daher, die Synthese zwischen Liturgie und Musik, zwischen liturgischen Wissenschaften und musikalischer Praxis, zwischen wissenschaftlicher Forschung und seelsorglichem Einsatz zu finden. Lange Zeit sind aufgrund ihres Wesens einander ergänzende Wirklichkeiten, wie die Liturgie und ihre Musik, Gegenstand paralleler Studien und Aufmerksamkeit gewesen, ohne jene einheitliche Zusammenschau, die allein eine entsprechende Würdigung der einen wie der anderen erlaubt.

Eure Aufgabe ist es, mutig jeden Aspekt des liturgischen Lebens zu vertiefen, bis ihr das rechte Gleichgewicht findet, das eine wahre Antwort auf alles zu geben erlaubt, was die Kirche und die Welt von den Musikern im Dienste der Liturgie erwarten.

4. Während das Institut nunmehr am Vorabend seines 75jährigen Gründungsjubiläums eine neue Phase seines Lebens beginnt, ist zu wünschen, dass dieser Sitz gleichsam zu einer Wegkreuzung wird, wo im liturgischen Leben die verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen einander begegnen, die bewusst die Verherrlichung Gottes und die Heiligen der Menschen zum Ziel haben.

In diesem Zusammenhang ist das Geschenk der neuen Orgel von Bedeutung, die Maria geweiht ist, ihr, die im Gesang des Magnifikat die Demütigen gepriesen hat, die in ihren Herzen die unaussprechlichen Wunder Gottes wahrzunehmen vermögen. Mit Maria, Mutter der Kirche und wahre Harfe des Heiligen Geistes, ist jeder eingeladen, in Gottes Herz selbst einzudringen. Ich will euch darum die Worte des hl. Ambrosius sagen: "In jedem einzelnen sei die Seele Mariens, damit er den Herrn preist, in jedem einzelnen sei der Geist Mariens, damit er sich freut in Gott" (Exp. Ev. sec. Lucam 11, 26).

Das Studium der Kirchenmusik wäre verlorene Mühe, erhielte es nicht Nahrung aus einem vom Glauben gekennzeichneten kirchlichen Leben: einem Glauben, der sich in Verbindung mit dem religiösen und künstlerischen Erbe der Vergangenheit erneuert, aber sich den kulturellen und künstlerischen Erfahrungen der Gegenwart in dem Wissen stellt, dass die Treue zum Gott der Geschichte als Voraussetzung und als Folge eine absolute Treue zum Menschen mit sich bringt: dem Menschen, der sich seit jeher danach sehnt, der Sänger des Schönen und dessen zu sein, der der Schöpfer des Schönen ist.

5. Aber die Kirchenmusik soll auch die Liebe unter den Brüdern fördern. Sie soll die Gemeinschaft dadurch formen, dass sie den Einklang der Stimmen und der Herzen fördert und die Seelen in einem einzigen sehnenden Streben im Lob Gottes, Schöpfers des Alls und Vaters aller, vereint. Aus diesem Grund empfiehlt das Konzil, dass "der religiöse Volksgesang eifrig gepflegt werde, so dass die Stimmen der Gläubigen bei Andachtsübungen und gottesdienstlichen Feiern und auch bei den liturgischen Handlungen selbst gemäß den Richtlinien und Vorschriften der Rubriken erklingen können" (Sacrosanctum concilium, Nr. 118). Den Verantwortlichen für die Förderung der Kirchenmusik obliegt die Pflicht, die Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie durch die Wertschätzung des alten musikalischen Erbes und durch die Suche nach neuen Formen zu unterstützen, wobei dafür zu sorgen ist, dass alles das Heilige auszudrücken und die religiöse Sensibilität der Menschen unserer Zeit zu berühren vermag.

Der Gesang, der zu euren Studien gehört, werde so zu einem Unterscheidungsmerkmal eures christlichen Lebens und eurer Identifikation mit der Kirche, wie der hl. Augustinus zu seiner Zeit mahnte: "Singt mit der Stimme, singt mit dem Mund, singt mit dem Herzen, singt mit einem richtigen Verhalten" (Sermo 34, 6).

Mit diesen Gedanken wünsche ich euch, dass eure akademische Tätigkeit aus der heutigen Zeremonie neuen Schwung schöpft und ihr gute Ergebnisse erzielen könnt in euren persönlichen Anstrengungen auf einem so edlen Gebiet wie der Kirchenmusik, die zur Ehre Gottes und zur glanzvollen Schönheit des Gottesdienstes bestimmt ist.