Unterscheidung der Geister

Aus kathPedia
Zur Navigation springenZur Suche springen

Unterscheidung der Geister (lat. discretio spirituum) bedeutet die Fähigkeitsgabe zu unterscheiden, ob ein Antrieb letztlich von Gott stammt oder nicht, ob der Geist Gottes oder ein dämonischer Geist spricht (vgl. 1 Kor 12, 10). Sie ist eine Methode oder Prüfverfahren<ref> vgl. Dietmar Mieth in: Lexikon für Theologie und Kirche, 3. Auflage, Band 10, Artikel: Unterscheidung der Geister, Sp. 444.</ref> der Merkmale zur Erkenntnis des Verstandes der Wahrheit und des Guten oder aber des Irrtums und des Bösen. Dazu kommen die Bewegungen und Akte des Willens zum konkreten Wollen.

Der Lieblingsjünger Johannes schreibt: "Traut nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind; denn viele falsche Propheten sind in die Welt hinausgezogen" (1 Joh 4,1; → Privatoffenbarung). Und der heilige Paulus: "Wir aber haben nicht den Geist dieser Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist (1 Kor 2,12)". Der heilige Evangelist Lukas sagt: "Ihr wisst nicht, wes Geisteskinder ihr seid (Lk 9, 55<ref>*Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments, übersetzt und erläutert von P. Dr. Eugen Henne OMCap und P. Dr. Konstantin Rösch OFMCap, Verlag der Stiftsbuchhandlung St. Florian 1949, 3. Band: Neues Testament. Download für Windows, Mac OS X, Linux</ref>). Darum: "Prüft alles, und behaltet das Gute" (1 Thess 5, 21).

Die Fähigkeit der Unterscheidung der Geister ist entweder "eingegossen", manchmal eine Gnadengabe (vgl. 1 Kor 12, 10), oder "erworben", natürlich unter dem Beistand der Gnaden.<ref>Otto Zimmermann-Carl Haggeny: Grundriss der Aszetik, Herder & Co. GmbH Verlagsbuchhandlung Freiburg im Breisgau 1933, S. 73 (332 Seiten; Imprimatur Friburgi Brisgoviae, die 2 Octobris 1933 d.m. Dr. Weiss).</ref>

Erklärung der Definition

Die "Gabe der Unterscheidung der Geister" ist eine besondere Gnadengabe (Charisma), die aber wurzelhaft allen, die im Heiligen Geist leben, eignet. Ein gnadenhaft überhöhtes Vermögen des Geistes erkennt - jeweils durch Leib und Welt, ihre natürlichen Strukturen und ursächlichen Verflechtungen vermittelt Antriebe, die zu einem bestimmten Handeln drängen. In den Medien dieser Vermittlung sind "Geister", d. i. ursprünglich-naturale, geschöpflich-personhafte Elemente und Prinzipien der je verschiedenen Weltbereiche, als Heils- und Unheilsmächte, Engel und Dämonen wirksam, was gerade nicht bedeuten muss, es gehe nicht "natürlich" zu. Von daher ist die Welt, sofern sie auf den Menschen bezogen ist, immer ambivalent. Im Charisma der Unterscheidung der Geister wird gleichsam instinkthaft erkannt, ob das so oder so Vorgestellte und den Willen Antreibende auf der Linie jener Dynamik, die die Unmittelbarkeit zu Gott meint, liegt oder diese pervertiert.<ref> Philipp Hofmeister in: Lexikon für Theologie und Kirche, 2. Auflage, Band 10, Artikel: Unterscheidung der Geister, Sp. 533-535.</ref>

Die verschiedenen in uns wirkenden Geister

Theoretisch gesprochen, können sie sechs Hauptquellen entspringen:

a) aus uns selbst, dem zum Guten anregenden Geiste und dem zum Bösen antreibenden Fleische.

b) Aus der Welt, insofern sie durch die Sinne auf unsere inneren Fähigkeiten wirkt, um sie auf das Böse zu richten.

c) Von den guten Engeln, die in uns gute Gedanken wecken.

d) Von den bösen Geistern, die, im Gegenteil auf unsere äußeren und inneren Sinne wirken, um sie zum Bösen anzutreiben.

e) Von Gott, der allein bis ins Innerste unserer Seele dringen kann und uns nur auf das Gute hinweist.<ref>Adolphe Tanquerey-Johannes Sternaux, Grundriss der Aszetischen und mystischen Theologie, Sociéte des Saint Jean Lévangeliste Desclée & Cie, Paris, Tornai (Belgien), Rom 1935, S. 669, Nr. 951 (Imprimatur Tornaci, die 28. Januarii 1931 J. Blampain, Vic. Gen.).</ref>

Wichtigkeit für den Einzelnen und der Gemeinschaft

Die Unterscheidung der Geister ist besonders wichtig für das Geistliche Leben<ref> Antonius der Einsiedler, soll von der Unterscheidung der Geister gesagt haben, sie sei das Wichtigste im geistlichen Leben: in : Carl Feckes: Die Lehre vom christlichen Vollkommenheitsstreben#§ 2. Von der Unterscheidung der Geister, Herder Verlag Freiburg 1953, S. 2 (476 Seiten; Zweite Auflage, Imprimatur Freiburg im Breisgau, den 5. November 1952 Der Generalvikar I.V. Reinhard).</ref> des Einzelnen, insbesondere des Seelenführers. Dafür braucht es Grundsätze, die helfen können, das, was im eigenen Herzen und bei anderen sich abspielt, zu diagnostizieren. Das Ziel ist die restlose Auslieferung des ganzen Menschen an Gott, der dann aus ihm ein qualifiziertes Werkzeug für das Heil vieler macht. Die Unterscheidung, ob etwas aus unserer erbsündlich angeschlagenen Natur oder vom Teufel stammt, kann oft nicht getroffen werden. Darum sprechen auch die Lehrer des geistlichen Lebens gewöhnlich einfach vom bösen Feind, verstehen aber darunter sowohl den Teufel wie auch alles, was aus der ungeordneten menschlichen Natur stammt und weil es für das praktische Verhalten auf dieses nicht ankommt.<ref>Giovanni Battista Scaramelli: Regeln zur Unterscheidung der Geister, Fe Medienverlag Kisslegg 2008, Wilhelm Schamoni im Vorwort S. 7+8.</ref> Die Unterscheidung der Geister ist auch wichtig für die Gemeinschaft der Kirche, besonders der Hirten: Papst, Bischöfe und Priester.

Literarisches Vorkommen der Unterscheidung der Geister

Im Alten Testament kommt die Unterscheidung der Geister in der Sache vor. Dann im Neuen Testament und namentlich im Ersten Korintherbrief des heiligen Paulus (12, 10). Weiter taucht die "Unterscheidung der Geister" in christlichen Schriften auf, vor allem in der Sammlung von Marianne Schlosser (Hsgr.): Die Gabe der Unterscheidung. Texte aus zwei Jahrtausenden (siehe Literatur): Inhaltsübersicht: Hirt des Hermas; Origenes: Peri Archon; Apophthegmata Patrum; Hieronymus: Kommentar zum Buch Jeremias; Cassian: Collationes; Diadochus von Photike: Geistliche Unterscheidung; Johannes Klimakos: Scala Paradisi; Bernhard von Claivaux: Predigt über die Unterscheidung der Geister; David von Augsburg: Unterweisung im Geistlichen Leben; Thomas von Aquin: Predigt; Jan van Ruusbroeg: Zierde der geistlichen Brautschaft; Anoymus: An Jemand, der seine Berufung sucht; Heinrich von Langenstein: Die Unterscheidung der Geister; Caterina von Siena: Dialog von der göttlichen Vorsehung; Walter Hilton: Scala perfectionis; Johannes Gerson: Prüfung von Offenbarungen; Johannes Nider: Trostbuch des ängstlichen Gewissens; Bernhardin von Siena: Die Beurteilung von Eingebungen; Ignatius von Loyola: 1) Bericht des Pilgers, 2) Regeln für die Unterscheidung der Geister, 3) Briefe; Teresa von Avila: 1) Vida, 2) Buch der Klostergründungen; Johannes vom Kreuz: Briefe; Franz von Sales: Theotimus; Giovanni Battista Scaramelli: Ratschläge für Seelenführer; Theresia Benedicta a Cruce; Karl Rahner: Zur Erkenntnis göttlicher Antriebe; Hans Urs von Balthasar: Zwei Texte zur Unterscheidung.

Außerdem Origenes in "De principiis", bei den Vätern der Wüste, zumal in der Antonios Vita des Athanasius des Großen, Heinrich von Friemar der Ältere und Dionysius der Kartäuser<ref>Dionysius Cartusianus, Opera omnia XLII, S. 261-320. in: St. Podlech, Discretio: Zur Hermeneutik der religiösen Erfahrung bei Dionysius dem Kartäuser (Analecta Cartusiana 194), Salzburg 2002.</ref>, Achille Gagliardi, Jakob Alvarez de Paz, Bartolomäus Holzhauser, Giovanni Bona<ref>Kardinal Johannes Bona (1609-1674), Zisterzienserabt, ist Verfasser des Buches "De discretione spirituum", Bruxelliis 1671 und öfter.</ref>, J. Guilloré, Étienne Le Camus, [[Rabban Jausep Hazzaya<ref>Rabban Jausep Hazzaya, Briefe über das geistliche Leben und verwandte Schriften. Ostsyrische Mystik des 8. Jahrhunderts, eingeleitet und übersetzt von G. Bunge, Trier 1982.</ref>, John Henry Newrnan<ref>John H. Newrnan nennt sieben Kriterien, an denen eine legitime Entwicklung im Bereich der Glaubenslehre und der Frömmigkeit zu messen wäre: Essay on the Development of Christian Doctrine (1845), Chapter 5. Dt.: Über die Entwicklung der Glaubenslehre, Mainz 1969, v.a. S. 151-183 (= II. Teil, 5. Kapitel).</ref> oder P. Eugen Grialou<ref>M.-E. Grialou, Ich will Gott schauen. Weg des Getauften mit den Meistern des Karmel, dt. Freiburg i. d. Schweiz 1993.</ref>.

Zusammengetragene Regeln zur Unterscheidung der Geister

Thomas von Kempen: Von den Regungen der Natur und der Gnade (um 1418)

Ignatius von Loyola: Regeln für die Unterscheidung der Geister (1522/23)

Giovanni Battista Scaramelli (1687-1752)

Giovanni Battista Scaramelli schickt voraus, dass niemals ein einzelnes Merkmal genügt, um den eigenen Geist oder den eines anderen richtig zu beurteilen. Darum ist auch ein einzelnes schlimmes Merkmal noch kein hinreichender Grund zu einem negativen Urteil. Die Verstandesakte sind aus sich selbst nur entweder wahr oder falsch. Sie werden durch den Willen erst gut oder böse (vgl. Gewissen<ref>Das Gewissen ist im Herzen des Menschen eine Stimme, die sagt, was gut und was böse ist. Es ist die natürliche Fähigkeit des Menschen, das Gute und Böse zu unterscheiden. Tut der Mensch das Gute, so lobt es, tut er das Böse, so tadelt es. Es treibt den Menschen zugleich auch an, das Gute zu tun. Jeder Mensch, auch der Heide und der Gottlose, hat ein Gewissen. Man kann es nicht wegschaffen. Es stammt von Gott, der sein heiliges Gesetz ins Herz des Menschen geschrieben hat).</ref>

I) Merkmale des göttlichen Geistes hinsichtlich der Regungen und Akte des Verstandes

  • 1. Der göttliche Geist lehrt immer das Wahre und kann uns nie in Irrtum führen (vgl. Joh 1,26; 16,13).
  • 2. Der göttliche Geist teilt unserem Verstand nie nutzlose und unfruchtbare, eitle und ungehörige Dinge mit (vgl. Jer 23,28f).
  • 3. Der göttliche Verstand bringt immer unserem Verstande Licht (vgl. Joh 1,5).
  • 4. Der göttliche Geist macht den Verstand gelehrig, weich, biegsam und geneigt zur Annahme der Absichten anderer, die den eigenen des Menschen widerstreiten, besonders wenn es sich um Absichten von Vorgesetzten handelt (vgl. Jes 50,5; Apg 9,6).
  • 5. Der göttliche Geist macht unseren Verstand klug. Er führt zu einem richtigen Urteil über die Erlaubtheit oder Unerlaubtheit einer Handlung, über die Umstände, die sie erstrebenswert machen oder nicht, über die Mittel, die zu gebrauchen sind, über die besonderen Verhältnisse der Personen, die zu berücksichtigen sind, deren Alter etwa, Stand, Beruf, Gesundheit.
  • 6. "Der göttliche Geist gießt der Seele immer Gedanken der Demut und Niedrigkeit ein.<ref>Giovanni Battista Scaramelli: Regeln zur Unterscheidung der Geister, Fe Medienverlag Kisslegg 2008, 9+10.</ref>

II) Die Merkmale des bösen Geistes bei den Regungen und Akten des Verstandes

  • 1. Der Vater der Lüge sucht uns immer einen Irrtum einzureden, bald offen, bald versteckt.
  • 2. Wenn der teuflische Geist mit Lug und Trug nichts ausrichtet, gibt er nutzlose, eitle und unpassende Dinge ein, um das Gute zu hintertreiben.
  • 3. Der teuflische Geist erzeugt im Verstande Finsternis oder ein falsches Licht.
  • 4. Der teuflische Geist ist trotzig und widerspenstig.
  • 5. Der böse Geist treibt zum Übermaß im Guten an.
  • 6. Der böse Geist flößt immer eitle und stolze Gedanken ein, auch mitten in tugendhaften und heiligen Handlungen, Gedanken der Selbstachtung, des Vorzuges vor anderen und der Verachtung des Nächsten.<ref>Giovanni Battista Scaramelli: Regeln zur Unterscheidung der Geister, Fe Medienverlag Kisslegg 2008, 11-12.</ref>

III) Merkmale des göttlichen Geistes in Bezug auf die Bewegungen und Akte des Willens

  • 1. Das erste Merkmal des göttlichen Geistes bezüglich der Willensakte ist der Friede, den Gott mitteilt, wenn er den Willen bewegt. Dieser ist eines der eigentümlichsten Kennzeichen des göttlichen Geistes (Röm 15,33; Phil 4,9; Joh 14,27).
  • 2. Das zweite Merkmal ist eine aufrichtige und ungekünstelte Demut. Gott selbst hat es ausgesprochen, dass er mit den Augen seiner Liebe alle jene ansehe, die arm und demütig von Herzen und voll heiliger und kindlicher Furcht sind (vgl. Jes 57,15; Jes 66,2; Mt 11,25; Theresia vom Kinde Jesus erklärt (Leben, Kap. 22, n. 11).
  • 3. Das dritte Merkmal ist ein festes Vertrauen auf Gott, gegründet auf einer heiligen Furcht vor sich selber (Mt 21, 22; Mt 17,19; Mt 8,10.13; 9, 2.22.29; 15,28; Mk 10,52).
  • 4. Das vierte Merkmal ist ein biegsamer Wille, […] nach den Lehren des Glaubens zu handeln (vgl. Lk 10,16; Mt 23,ff.; Phil 2,8).
  • 5. Das fünfte Merkmal ist die gute Meinung bei allen Werken. Christus lehrt, dass alle unsere Handlungen so beschaffen sind, wie die Absicht ist, welche wir bei unseren Ausführungen haben (Mt 6, 22f). Ein und dasselbe Werk verändert je nach der verschiedenen Absicht seine ganze Natur: Geschah es aus Eitelkeit, ist es weltlich; geschah es aus Lust, ist es sinnlich; geschah es aus schlechten, verwerflichen Zwecken, ist es teuflisch; geschah es wegen Gott, ist es göttlich.
  • 6. Ein sechstes Merkmal ist die Geduld in allen Dingen.
  • 7. Das siebente Merkmal ist die freiwillige innerliche Abtötung (vgl. Mt 16, 24; 11, 12; Joh 12, 24f).
  • 8. Das achte Merkmal ist die Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit und Einfalt (vgl. Spr 3, 32; Mt 11, 25).
  • 9. Das neunte Merkmal ist die Freiheit des Geistes (vgl. 2 Kor 3,17), der Freiheit von der Herrschaft der Laster.
  • 10. Das zehnte Merkmal ist das Verlangen der Nachfolge Christi. Dieses ist das sicherste Kennzeichen des göttlichen Geistes.
  • 11. Das elfte Merkmal ist eine sanfte, gütige, uneigennützige Liebe (1 Kor 13, 4ff).<ref>Giovanni Battista Scaramelli: Regeln zur Unterscheidung der Geister, Fe Medienverlag Kisslegg 2008, 13-21.</ref>

IV) Die den Merkmalen des göttlichen Geistes entgegengesetzten Kennzeichen des teuflischen Geistes in Bezug auf die Bewegungen und Akte des Willens

  • 1. Das erste Kennzeichen der Einwirkung des bösen Geistes auf unseren Willen sind Unruhe, Verwirrung, Betrübnis, Besorgnis, Bitterkeit, mit Kleinmut erfüllt oder in tiefe Schwermut stürzt.
  • 2. Ein zweites Merkmal des teuflischen Geistes ist entweder ein offenbarer Stolz oder eine falsche Demut, Hoffart und eitles Selbstgefallen.
  • 3. Das dritte Merkmal ist die Verzweiflung oder das Misstrauen oder die falsche Sicherheit, nie aber das wahre Vertrauen auf Gott.
  • 4. Das vierte Merkmal ist die Willenshärte oder Verweigerung des Gehorsams gegen die Oberen. Der hartnäckige Wille der Verheimlichung seines Inneren vor den geistlichen Vätern ist vom teuflischen Geiste. Der Teufel ist der Fürst jeder Abtrünnigkeit und Empörung war und das Joch des Gesetzes, des Glaubens und des Gehorsams gegen Gott abschüttelt.
  • 5. Das fünfte Merkmal ist die schlechte Absicht zu bösen Werken.
  • 6. Das sechste Merkmal ist die Ungeduld in Trübsalen. Der Teufel treibt die Seele zu Klagen, zur Wut und Verzweiflung an.
  • 7. Das siebente Merkmal ist die Aufruhr der Leidenschaften. Solche Leidenschaften rühren auch von der Natur her; doch für gewöhnlich erhalten sie nur vom Teufel Kraft und Wachstum.
  • 8. Das achte Merkmal ist Falschheit, Verstellung und Heuchelei.
  • 9. Ein neuntes Kennzeichen ist die der Freiheit des Geistes ganz entgegengesetzte Anhänglichkeit. Aus solcher entspringt allerlei Unklugheit und Unbesonnenheit, sodass manche es unterlassen, die Pflichten ihres Standes, ihres Berufes oder Amtes zu erfüllen oder dass sie die Liebe und den Gehorsam hintansetzen, um länger über Gebühr sich dem Gebete hinzugeben.
  • 10. Das zehnte Kennzeichen ist die Abwendung von Jesus Christus und seiner Nachfolge (vgl. Joh 12, 26).
  • 11. Das elfte Kennzeichen ist die falsche Liebe und der falsche Eifer. Der zornige, trübe und ruhelose Eifer, der den Zorn zum Vater und den Stolz zur Mutter hat, ist jener, den der Teufel den Herzen seiner Anhänger eingibt, nicht etwa um die Fehler anderer zu verbessern, sondern bloß um den Frieden zu stören und die brüderliche Liebe zu verletzen.<ref>Giovanni Battista Scaramelli: Regeln zur Unterscheidung der Geister, Fe Medienverlag Kisslegg 2008, 21-33, sehr stark komprimiert.</ref>

Die Unterscheidung der Geister in Wegen der Askese

Regeln des heiligen Ignatius von Loyola, die besonders für Anfänger auf dem Reinigungsweg bestimmt sind

Die ersten zwei Regeln beziehen sich auf das verschiedenartige Verhalten des guten uns bösen Geistes Sündern und eifrigen Seelen gegenüber.

Erste Regel. Den Sündern, die ihren Leidenschaften keine Zügel anlegen, führt der böse Feind scheinbare Freuden und Wollüste vor, um sie in ihren Lastern desto fester zu halten und zu bestärken. Der gute Geist hingegen erregt in ihrem Gewissen Unruhe und Gewissensbisse, damit sie aus ihrem traurigen Zustande herauskommen.

Zweite Regel. Handelt es sich um aufrichtig bekehrte Menschen, so erregt der Teufel in ihnen Traurigkeit und Gewissensunruhen, Hindernisse aller Art, um sie zu entmutigen und ihren Fortschritt zu hemmen. - Der gute Geist hingegen gibt ihnen Mut, Kraft, heilsame Gedanken ein, damit sie in der Tugend fortschreiten. Der Baum wird daher nach seinen Früchten beurteilt. Alles, was den Fortschritt hemmt, kommt vom Bösen. Alles, was den Fortschritt' begünstigt, kommt von Gott.

Die dritte Regel befasst sich mit den geistlichen Tröstungen. - Sie kommen vom guten Geist: 1) wenn sie innere Regungen des Eifers hervorbringen : zuerst einen Funken, dann eine Flamme, endlich einen Glutofen der göttlichen Liebe. 2) wenn sich in Tränen der echte Ausdruck innerer Zerknirschung oder Liebe zum göttlichen Heiland auslöst. 3) wenn sie Glauben, Hoffnung und Liebe vermehren oder der Seele Beruhigung und Frieden bringen.

Die Regeln 4 - 9 beziehen sich auf die geistliche Trostlosigkeit: 1) Trostlosigkeit ist Verfinsterung des Geistes oder Neigungen des Willens zu niedrigen und irdischen Dingen, wodurch die Seele traurig und träge wird. 2) Dann soll man nichts an den früher gefassten Vorsätzen ändern, wie es der böse Feind eingibt, sondern fest bei den früheren Entscheidungen verharren. 3) Man soll sogar daraus Anlass zu größerem Eifer nehmen, für das Gebet, die Gewissenserforschung, die Buße mehr Zeit verwenden. 4) Auf göttliche Hilfe vertrauen, die, obgleich nicht fÜhlb.ar, dennoch tatsächlich unseren natürlichen Fähigkeiten zur Übung des Guten verliehen wird. 5) Geduldig ausharren und auf Rückkehr des Trostes hoffen. Sich sagen, die Trockenheit sei vielleicht eine Strafe für unsere Lauheit. Eine Prüfung, durch die Gott uns handgreiflich zeigt, wie wenig wir ohne himmlischen Trost vermögen. Eine Lehre, da Gott uns beweist, wie wir uns allein keinen Trost verschaffen können und so unsern Hochmut heilt.

Die elfte Regel kommt auf die Tröstungen zurück. Sie ermahnt uns, in dieser Zeit Vorräte an Mut und Kraft aufzuspeichern, um später die Zeit der Trostlosigkeit besser zu ertragen. Sie ermahnt uns auch zur Demut in Erkenntnis unseres geringen Vermögens bei Entziehung fühlbaren Trostes und zeigt uns, dass wir auch zur Zeit der inneren Trostlosigkeit viel tun können, wenn wir uns auf Gott stützen.

Die letzten drei Regeln (12 - 14) legen die Verführungsschliche des Teufels dar, um sie aufzudecken. a) Der Teufel benimmt sich wie eine böse Frau, das beim Widerstand schwach, beim Nachgeben aber leidenschaftlich und grausam ist. Man muss daher dem bösen Geist mit Unerschrockenheit widerstehen. - b) Er benimmt sich wie ein Verführer, der Geheimhaltung seiner bösen Lockungen verlangt. Das beste Mittel, ihn zu besiegen, ist deshalb, alles dem Beichtvater zu offenbaren. - e) Er macht es wie ein Heerführer, der, zwecks Einnahme der Festung, sie auf ihrer schwächsten Seite angreift. Darum ist es von Bedeutung, bei der Gewissenserforschung diesen schwächsten Punkt besonders zu überwachen.<ref>Adolphe Tanquery-Johannes Sternaux, Grundriss der Aszetischen und mystischen Theologie, Sociéte des Saint Jean Lévangeliste Desclée & Cie, Paris, Tornai (Belgien), Rom 1935, S. 670f, Nr. 953-957 (Imprimatur Tornaci, die 28. Januarii 1931 J. Blampain, Vic. Gen.).</ref>

Regeln des heiligen Ignatius von Loyola, die besonders für Fortgeschrittene auf dem Erleuchtungsweg bestimmt sind

Diese beziehen sich auf zwei Hauptpunkte: 1. auf die geistlichen Tröstungen und auf die Wünsche oder Absichten.

Regeln betreffs der Tröstungen

a) Es ist dem guten Geiste eigen, in einer Seele, die guten Willens ist, bei seinem Kommen wahre geistliche [Freude]] zu verbreiten, sowie gleichzeitig Frieden. Der böse Geist hingegen bekämpft diese Freude mit Scheingründen, Spitzfindigkeiten und Vorspiegelungen. Man könnte ihn mit einem listigen Advokaten vergleichen, der eine faule Sache verteidigt. - Die Begründung dieser verschiedenen Weisen des Verfahrens liegt in der Tatsache, dass Gott der Urheber des Friedens, der Teufel aber der Unruhestifter in der Seele ist, um diese zu entmutigen.

b) Gott allein kann wahren Trost schenken, ohne dass irgend eine vorherhehende Ursache ihn bewirkt hätte. Er allein kann nämlich in das Innerste der Seele eindringen, um sie an sich zu ziehen und sich zuzuwenden. - Wir sagen Trost ohne vorausgehende Ursache, d. h. wenn nichts da war, woraus er entstehen konnte. - Die Seele war z. B. in Trostlosigkeit ganz versunken, da plötzlich fühlt sie sich beruhigt, ja, voller Freude und Kraft und voll guten Willens. So geschah es dem heiligen Franz von Sales, nachdem heftige Skrupel ihn gequält hatten.

c) Ist eine Ursache vorausgegangen, so kann sowohl der gute als der böse Geist geistlichen Trost erzeugen: er kommt vom guten Geist, erhält die Seele dadurch mehr Licht und Kraft zum Guten. Vom bösen aber, wenn er zu Erschlaffung, Weichlichkeit, Vergnügungs- oder Ehrsucht und Vermessenheit führt. Mit anderen Worten, der Baum ist nach seinen Früchten zu beurteilen.

d) Dem bösen Engel ist es eigen, sich in einen Engel des Lichtes zu verwandeln, anfänglich mit den Gesinnungen der andächtigen Seele übereinzustimmen, schließlich aber seine eigenen Gedanken ihr einzuflüstern. Sieht er z. B. eine der Tugend sich befleißigende Seele, so flößt er ihr zunächst Gesinnungen ein, die mit ihren tugendhaften Bestrebungen übereinstimmen. Dann, auf ihre Eigenliebe sich stützend, flüstert er ihr Gedanken eitlen Selbstgefallens oder der Vermessenheit ein, treibt sie zu Exzessen in den Bußübungen, um sie in Entmutigung zu stürzen. Oder aber auch im Gegenteil, er überredet sie zu Milderung ihrer Lebensweise, und zwar unter dem Vorwand, die Gesundheit oder die Studien erfordern es. So bringt er sie allmählich zu Falle.

Regeln betreffs der Wünsche oder Zukunftspläne

a) Bei Wünschen und Absichten müssen wir sorgfältig untersuchen, ob Anfang, Mitte und Ende auf Gutes gerichtet sind. Denn findet sich in der Reihenfolge der Gedanken etwas Böses, Zerstreuendes oder minder Gutes als das früher Vorgenommene, oder beunruhigen, verwirren und ermatten diese Wünsche die Seele, so ist das ein Beweis, dass jene Gedanken vom bösen Geiste, dem Feinde unseres geistlichen Fortschritts und unseres ewigen Heils, herrühren. - Die Begründung hierfür ist diese: Soll eine Handlung gut sein, so darf in ihr nichts dem Willen Gottes oder dem geistlichen Wohl der Seele zuwider sein. Erkennt man also in einem der Teile irgend welchen Mangel, so bekundet sich darin das Walten des bösen Geistes.

b) Ist man erst einmal dieser Dazwischenkunft des Bösen auf die Spur gekommen, so tut man gut daran, den Gedankengang wiederaufzunehmen, um festzustellen, wie der böse Feind sich in die Seele schlich, um sie zu verwirren und zum Bösen zu verführen. Diese Einsicht liefert uns die Mittel, uns in Zukunft vor der List des Feindes in acht zu nehmen.

c) Eine weitere Richtlinie wird im Hinblick auf die Art des Handelns beim guten und beim bösen Geist gezogen: jener wirkt milde auf die fortschreitende Seele, wie der in einen Schwamm eindringende Tropfen. Dieser jedoch wirkt geräuschvoll auf die Seele, wie ein Gewitterregen, der auf Stein niederprasselt.

d) Selbst wenn die Tröstung von Gott kommt, muss die eigentliche Zeit des Trostes von der nachher folgenden Zeit wohl unterschieden werden. Zur Zeit des Trostes handelt man unter dem Einfluss der Gnade. Nachher aber fasst man Vorsätze und Entschlüsse, die nicht immer unmittelbar von Gott eingegeben werden und folglich nach den früher angegebenen Regeln sorgfältig erwogen werden sollen.

Diesen vom heiligen Ignatius aufgestellten Regeln lassen sich noch einige andere hinzufügen, die sich aus dem im zweiten Buche Gesagten ergeben

a) Nach unzeitiger Vollkommenheit streben, ausserhalb des gegebenen Pflichtkreises, auffallende Tugenden üben und sich hervortun wollen, gehört in das Bereich des bösen Geistes. Der gute Geist nämlich regt uns zwar zu hoher Vollkommenheit an, die aber mit den Standespflichten vereinbar ist und auf Demut und Verborgenheit beruht.

b) Missachten der kleinen Dinge und sich durch große Taten heiligen wollen, sind nicht vom guten Geiste. Dieser macht uns geneigt zu unwandelbarer Treue in Erfüllung der Standespflichten und in der Übung der kleinen Tugenden (Mt 5, 18).

c) Wohlgefällige Blicke auf sich selbst richten nach einer scheinbar guten Handlung, Verlangen nach Hochschätzung wegen Tugendhaftigkeit und Frömmigkeit, widerstreben dem Geiste Christi, der vor allem Gott zu gefallen sucht (Gal 1, 10). Dem Geist Gottes zuwider ist demnach falsche Demut, die sich schlecht macht, um ein Lob zu erhaschen, und falsche Sanftmut, die eigentlich nur das Wohlgefallen der Menschen erstrebt.

d) Inmitten von Prüfungen und Geistesdürre sich beklagen, ungeduldig werden, den Mut verlieren, ist ein Merkmal menschlichen Geistes. Der Geist Gottes bewirkt im Gegenteil Kreuzesliebe, Ergebung, Hingabe an Gott und Ausdauer im Gebet trotz aller Trostlosigkeit und Zerstreuung.<ref>Adolphe Tanquery-Johannes Sternaux, Grundriss der Aszetischen und mystischen Theologie, Sociéte des Saint Jean Lévangeliste Desclée & Cie, Paris, Tornai (Belgien), Rom 1935, S. 881-883; Nr. 1281-1284 (Imprimatur Tornaci, die 28. Januarii 1931 J. Blampain, Vic. Gen.).</ref>

Zitat

Wenn dir irgendetwas Unerlaubtes in den Sinn kommt, halte dich nicht dabei auf, willige nicht ein; das, was dir in den Sinn kommt, ist das Haupt der Schlange; zertrete es und du entgehst den übrigen Regungen (Kirchenlehrer Augustinus von Hippo, zu Psalm 103, conc. 4).<ref>Giovanni Battista Scaramelli: Regeln zur Unterscheidung der Geister, Fe Medienverlag Kisslegg 2008, S. 34.</ref>

Literatur

Partikularexamen, Seelenführung

Weblinks

Anmerkungen

<references />