Venite seorsum (Wortlaut)

Aus kathPedia
Version vom 28. Januar 2013, 10:29 Uhr von Oswald (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „<center> Instruktion <br> {|align="center" cellpadding=5px; !bgcolor="silver"|'''Venite seorsum''' |} [[Kongregation für die Ordensleute und Säkularinsti…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springenZur Suche springen
Instruktion
Venite seorsum

Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute
unseres Heiligen Vaters
Paul VI.
über das beschauliche Leben und die Klausur der Nonnenklöster
15. August 1969

(Offizieller lateinischer Text: AAS 61 [1969] 674-690)

(Quelle: Nachkonziliare Dokumentation – im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, Band 23, lateinisch und deutscher Text, S. 30-79, Paulinus Verlag Trier 1970; Imprimatur Nr. 37/70 Treversis, die 8 m. iulii 1970.)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Die Instruktion führt das Bemühen des II. Vatikanums um die Erneuerung des Ordenslebens weiter

"Kommt mit an einen einsamen Ort" (Mk 6, 31). Viele haben auf diese Einladung gehört und sind Christus in die Einsamkeit gefolgt, um dort den Vater anzubeten.

Der Antrieb des Heiligen Geistes (1) bewog sie zur Gründung von Instituten, die ganz für die Beschauung bestimmt sind. Unter diesen nehmen die Klöster der Nonnen einen hervorragenden Platz ein.

Immer hat die Kirche diesem, wie der heilige Cyprian sich ausdrückt, "erlesenen Teil der Herde Christi (2)" aufmerksame und mütterliche Sorge zuteil werden lassen; vor allem hat sie deren Trennung von den Umtrieben der Welt durch vielerlei Vorschriften über die Klausur geschützt (3). Auch das Zweite Vatikanische Konzil hat ihm seine Aufmerksamkeit geschenkt (4).

Es ist die Absicht dieser Instruktion, das Bemühen (des Konzils) fortzusetzen und deshalb Richtlinien zu erlassen, durch welche die Klausur der ganz der Beschauung lebenden Nonnen für die Zukunft geregelt werden soll. Doch sollen zuerst einige grundlegende Überlegungen über die Klausur vorausgeschickt werden.

I. Das Leben in Weltabgeschiedenheit ist eine besondere Form, das österliche Christusmysterium zu leben

Die Zurückgezogenheit von der Welt, um in der Einsamkeit ein Intensiveres Gebetsleben zu führen, stellt eine besondere Form dar, das österliche Christusmysterium zu leben und zum Ausdruck zu bringen: Tod um der Auferstehung willen.

Dieses Mysterium wird in der Heiligen Schrift als Durchgang oder Auszug beschrieben. Der Durchgang war schon in der Geschichte Israels das Hauptereignis und die Grundlage seines Glaubens und seiner engeren Lebensgemeinschaft mit Gott (6). Die Kirche sieht in ihm ein Vorbild der christlichen Heilsordnung (7). Es ist bekannt, wie sehr die Liturgie und die Väter -wie schon die Apostel und die Evangelisten - auf das biblische Thema des Auszugs zurückgriffen, um das christliche Heilsmysterium zu verstehen und zu verkündigen (8).

Schon zu Beginn der Geschichte des Volkes Gottes ergeht an Abraham der Ruf, aus seiner Heimat und von seiner Verwandtschaft fortzuziehen (vgl. Gen 12, 1), und dieser Ruf war nach der Lehre des Apostels der Anfang einer langen mystischen Reise, zu jenem Vaterland, das nicht von dieser Erde ist (9).

Was auf solche Art im Alten Testament vorgebildet war, ist im Neuen Testament wahrhaft verwirklicht worden. Das Wort Gottes, vom Vater ausgehend und in diese Welt eintretend (vgl. Joh 16,28), um das" Volk, das in Finsternis wandelt" (Is 9,2; vgl. Mt 4, 16), aufzurichten, hat uns dieser Gewalt der Finsternis entrissen (vgl. Kol 1, 13), das heißt der Sünde; durch seinen Tod (vgl. Jo 13, 1; 16, 28 u. Hebr 9, 11 f., 10, 19 f.) hat er uns in die Bewegung der Rückkehr zum Vater einbezogen, der "uns in Christus Jesus miterweckt und mitversetzt hat in die Himmel" (Eph 2,6; vgl. Kol 2,12 f.; 3, 1). Darin aber besteht wahrhaft und eigentlich das österliche Mysterium Christi und der Kirche.

Mit dem Apostel selbst (10) waren manche Väter und Lehrer der Kirche der Überzeugung, dass diese Art des Todes Christi eine wahre Einsamkeit fordert (11). Sie haben diese Bedeutung auch einigen Tatsachen des Lebens Christi beigemessen, wenn sie zum Beispiel betrachten, wie er sich in die Einsamkeit und in die Wüste zurückzieht, um "mit dem Fürsten dieser Welt zu kämpfen" (vgl. Mt 4,1; Joh 12,31; 14, 30)1!, vor allem aber zum Gebete zu seinem Vater, dessen Willen er sich ganz unterwarf (13). Auf diese Weise zeigte er im voraus die Einsamkeit seiner Passion an (14), die uns die Evangelisten als neuen Auszug darstellen (15).

Sich in die Abgeschiedenheit begeben ist darum für die Christgläubigen dasselbe, wie sich tiefer der Passion Christi verbinden und eine besondere Teilnahme am österlichen Mysterium und dem Hinübergang des Herrn von dieser Welt in das himmlische Vaterland. Aus diesem Grunde sind die Klöster errichtet worden, die im Innersten des christlichen Heilsmysteriums wurzeln.

Der Gläubige ist zwar in gleicher Weise berufen, Christus, der die Heilsbotschaft verkündet, zu folgen; auch muss er zum Aufbau des irdischen Gemeinwesens beitragen und den Sauerteig bilden, durch den dieses zur Gottesfamilie umgestaltet wird (18); in diesem Sinne bleibt der Gläubige in der Welt (vgl. Joh 17,15). Aber in dieser Aufgabe wird nicht das ganze Mysterium der Kirche dargestellt. Die für den Dienst Gottes und der Menschen bestellte Kirche (17) ist nämlich auch, und zwar vor allem, die Gemeinschaft aller Erlösten, das heißt derjenigen, die durch die Taufe und die anderen Sakramente schon aus dieser Welt zum Vater hinübergegangen sind (18). "Voll Eifer der Tätigkeit hingegeben", ist sie doch "frei für die Beschauung", und zwar so, "dass das Menschliche auf das Göttliche hingeordnet und ihm untergeordnet ist, das Sichtbare auf das Unsichtbare, die Tätigkeit auf die Beschauung(19)". Es ist also recht und notwendig, dass bestimmte Gläubige diesen beschaulichen Charakter der Kirche in besonderer Weise zum Ausdruck bringen, indem sie sich wirklich in die Einsamkeit begeben. Sie sind mit dieser besonderen Gabe vom Heiligen Geist beschenkt (20), um in "anhaltendem Gebet und hochherziger Buße für Gott allein da zu sein" (Dekret Perfectae caritatis 7) (21).

Im übrigen ist zu beachten, dass eine gewisse Abgeschiedenheit von der Welt und eine gewisse Beschaulichkeit sich in jeder christlichen Lebensform finden müssen. Dies hat das Zweite Vatikanische Konzil für die Priester und die mit apostolischen Aufgaben betrauten Ordensleute betont (22). Tatsächlich fehlen auch außerhalb der Klöster solche nicht, die unter dem Wirken der Gnade des Heiligen Geistes zur Beschauung gelangen; dies kann von jedem Christgläubigen ebenso ausgesagt werden wie von jedem Jünger Christi (vgl. Lk 14,25-27. 33), der einen gewissen Abstand von den Dingen der Welt notwendig haben muss, selbst wenn er auch nicht die gleiche Form der Zurückgezogenheit in die Wüste befolgt. Die Mönche und Nonnen aber verwirklichen durch ihre Zurückgezogenheit im Kloster vollkommener und in typischer Weise jenen Wesensbestandteil jedes christlichen Lebens: "Künftig sollen deshalb auch die, ... die sich der Welt bedienen, so (leben), als nutzten sie sie nicht aus; denn die Gestalt dieser Welt vergeht" (1 Kor 7, 29. 31) (23).

II. Sammlung und Stille erleichtern die Begegnung mit Gott

Zu den Überlegungen, die sich auf die Teilnahme der Kirche am österlichen Christusmysterium stützen, sei nun als weiterer Beweisgrund die Sammlung und Ruhe hinzugefügt, durch welche die Begegnung mit Gott im Gebet gesichert und erleichtert wird (24). Da die Lebensform der beschaulichen Orden auf die Beseitigung aller Hindernisse zielt, welche die Seele in Zwiespalt bringen, verhilft sie zur vollen Entfaltung der in sich einheitlichen Persönlichkeit, so dass sie sich Gott, den sie sucht, besser hingeben (25) und für ihn da sein kann.

Dieses Gottsuchen, dem zuliebe der Mensch allem Besitz entsagen muss (vgl. Lk 14, 33), wird vor allem in der Lesung und Betrachtung der Heiligen Schrift (vgl. Dekret Perfectae caritatis, Art. 6) verwirklicht. Deshalb muss die Schriftlesung vom Gebet begleitet sein, "damit sie zu einem Gespräch werde zwischen Gott und Mensch", denn "ihn reden wir an, wenn wir beten; ihn hören wir, wenn wir Gottes Weisungen lesen" (vgl. Zweites Vatikan. Konzil, Konstitution Dei verbum, Art. 25 unter Zitat von Ambrosius, De officiis ministrorum I 20, 88; PL 16,50).

Durch das Studium der Heiligen Schrift, die "ein Spiegel" ist, "in dem die Kirche Gott, von dem sie alles empfängt, auf ihrer irdischen Pilgerschaft anschaut" (Konstitution Dei Verbum, Art. 7), wird jeder "aus Liebe zu Gott entflammt, seine Schönheit zu schauen" (Thomas von Aquin, S. Th. lI/lI q. 180, a. 1 c). Die Liebe und die Beschauung helfen sich also gegenseitig. "Die Liebe zu Gott ist Gotteserkenntnis: man erkennt ihn nicht, ohne ihn zu lieben, und man liebt ihn nicht, ohne ihn zu kennen; er wird in dem Maße erkannt, in dem er geliebt wird, und er wird in dem Maße geliebt, in dem er erkannt wird" (Abt Wilhelm von St. Thierry, Auslegung des Hohen Liedes c. 1, PL 180, 499 C).

So ermöglichen das Schweigen und die Einsamkeit "entschlossenen Charakteren die Einkehr in sich selbst und das Verweilen in sich, die unablässige Entfaltung der Tugendsaat und den beglückenden Genuss der Früchte des Paradieses. Hier erwirbt man das Auge, dessen klarer Blick den Bräutigam in Liebe verwundet und in dessen Lauterkeit und Reinheit Gott geschaut wird. Hier ist die Muße geschäftig und hier ruht man in gelassener Geschäftigkeit. Hier gibt Gott seinen Wettkämpfern für die Mühe des Kampfes den ersehnten Lohn: den Frieden, den die Welt nicht kennt, und die Freude im Heiligen Geist... Das ist der beste Teil, den Maria erwählt hat und der ihr nicht genommen wird (26)."

III. Beschauliche Menschen leben im Herzen der Welt und der Kirche

Man soll jedoch nicht meinen die Mönche und Nonnen seien infolge Ihrer Trennung von den übrigen Menschen von der Welt und von der Kirche abgesondert und abgeschnitten. Im Gegenteil: sie sind unter ihnen "auf eine tiefere Weise in der Liebe Christi (27)" gegenwärtig, zumal" wir alle eins sind in Christus" (vgl.1 Kor 10, 17; Joh 17, 20-22) (28).

Auch wenn wir die Bedeutung der Klöster für das kulturelle und gesellschaftliche Leben hier außer acht lassen, die sie von früheren Zeiten übernommen haben, so ist doch eindeutig bezeugt, mit welcher Liebe diese ganz der Beschauung lebenden Menschen die Nöte und Schmerzen aller Menschen im Herzen tragen. Im übrigen waren die Wüste und die Bergeinsamkeit die Stätten, an denen Gott den Menschen Verborgenes offenbarte (vgl. Gen 32, 25-31; Ex 3; 24,1-8; 34,5-9; 1 Reg 19,8-13; Lk 2, 7-9; Mt 17,1-8). Stätten, an denen sich Himmel und Erde begegnen, an denen durch Christi Gegenwart die Welt aus ausgedörrter Erde wieder zum Paradies wird (vgl. Mk 1, 13) (29). Wie könnte man also die für menschenfremd halten, bei denen die menschliche Persönlichkeit zur Vollendung gelangt? Wenn also beschauliche Menschen gleichsam im Herzen der Welt leben, um wie viel mehr im Herzen der Kirche (30). Ihr Gebet, vor allem ihre Teilnahme am Opfer Christi durch die Feier der Eucharistie und des Stundengebetes sind Verwirklichung der vornehmsten Aufgabe der Betergemeinschaft, das heißt der Kirche: nämlich der Verherrlichung Gottes. Dieses Gebet ist der Kult, durch den dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist «ein erhabenes Lobopfer» dargebracht wird (31). Durch dieses erhalten alle, die sich ihm weihen, Zugang zu dem Geheimnis des unaussprechlichen Zwiegespräches, das Christus der Herr dauernd mit dem Vater führt und durch das er im Schoße des Vaters diesem seine grenzenlose Liebe schenkt. Es ist endlich jenes Gebet, auf das als "Gipfel das Tun der Kirche zustrebt (32)". Weil sie das innere Leben der Kirche offenbaren, sind die beschaulichen Orden zur vollkommenen Vergegenwärtigung der Kirche unentbehrlich (33). Außerdem mehren sie das geistliche Leben der Kirche, da sie den ganzen mystischen Leib durch den Eifer ihrer Liebe beleben und alle apostolische Arbeit, die ohne die Liebe nichts ist (vgl. 1 Kor 13, 1-3), beseelen. "Im Herzen der Kirche, meiner Mutter, werde ich die Liebe sein" - diese Worte stammen von jener Ordensfrau, die nie die Mauern ihres Klosters verließ und doch von Papst Pius XI. zur Schutzpatronin aller Missionen erklärt wurde (34). Hat nicht Gott durch seine Liebe, die sich in der Darbringung des Sohnes bis zum Tod am Kreuze offenbarte, die Menschen von den Sünden befreit? Wenn also jemand in dieses österliche Heilswerk der höchsten Gottes- und Menschenliebe eindringt (vgl. Joh 13,1; 15,13), nimmt er notwendig am heilbringenden Wert des Leidens Christi teil, dem Ursprung allen Apostolates (35).

Endlich unterstützen die ganz der Beschauung lebenden Ordensleute durch ihr Gebet die Missionsaufgabe der Kirche, "da Gott es ist, der auf die Bitte hin Arbeiter in seine Ernte schickt, die Herzen der Nichtchristen für die Botschaft des Evangeliums öffnet und das Wort des Heiles in ihnen Frucht bringen lässt (36)".

Sie vergessen in der Einsamkeit, in der sie dem Gebet obliegen, ihre Brüder keineswegs. Sie haben sich dem häufigen Umgang mit ihnen keineswegs entzogen, um zu ihrer eigenen Bequemlichkeit Ruhe zu haben, sondern um an ihren Mühen, Leiden und Hoffnungen in einer umfassenderen Weise teilzunehmen (37).

IV. Die Wesensart der Frau und das beschauliche Leben

So groß also ist das Geheimnis des kontemplatlven Lebens. Seine hervorragende Rolle im Heilswerk wird aus dem bisher Gesagten deutlich. In ganz besonderer Weise erfüllt es sich an den in Klausur lebenden Nonnen. Diese Frauen stellen ihrer Natur nach das Mysterium der Kirche, der "makellosen Braut des makellosen Lammes (38)" anschaulicher dar: Zu Füßen des Herrn sitzend, um in Schweigen und Abgeschiedenheit sein Wort zu hören (vgl. Lk 10, 39), sinnen sie und suchen nach dem, was oben ist, wo ihr Leben mit Christus in Gott verborgen ist, bis sie mit ihrem Bräutigam in Herrlichkeit erscheinen (39). Es entspricht dem Wesen der Frau mehr, das Wort aufzunehmen, als es bis an die äußersten Grenzen der Erde zu tragen. Allerdings kann auch an sie der Ruf dazu ergehen und diesem dann eine gesegnete Verwirklichung zuteil werden. Sicher aber liegt es in der Eigenart der Frau, das Wort im eigenen Herzen zu erkennen und es auf lebendige und ihr eigentümliche Weise fruchtbar zu machen. Wenn die Frau zur vollen Reife gelangt ist, hat sie ein feineres Gefühl für die Bedürfnisse des Nächsten und weiß um seine Nöte. Die Frau bringt deutlicher die Treue der Kirche zu ihrem Bräutigam zum Ausdruck (40) und hat zugleich einen tieferen Sinn für die Fruchtbarkeit des beschaulichen Lebens. Darum hat die Kirche - nach dem Zeugnis der Liturgie (41) - die christliche Jungfrau immer in besonderer Weise geachtet. Als Ausdruck der eifernden Liebe Gottes zu ihr (42) hat die Kirche ihre Trennung von der Welt und die klösterliche Klausur mit großer Sorgfalt geschützt (43).

Hier muss auch der seligsten Jungfrau Maria gedacht werden. Sie hat das Wort Gottes in sich aufgenommen, "voll des Glaubens" und hat Christus zuerst im Herzen, dann im Schoß" empfangen (44). Sie ist ein verschlossener Garten, ein versiegelter Quell, ein verriegeltes Tor (vgl. HI 4, 12; Ez 44, 1-2), "Typus und klarstes Urbild im Glauben und in der Liebe" für die Kirche (45). Die heiligste Jungfrau ist ein leuchtendes Beispiel des beschaulichen Lebens. Mit Recht und in ehrwürdiger Überlieferung, sowohl des Ostens wie des Westens, werden in der Liturgie auf sie die Worte des Evangeliums angewandt: "Maria hat den guten Teil erwählt" (Lk 10, 38-42) (46).

V. Das beschauliche Leben als Zeichen und Zeugnis

Auch ein anderes Element im Geheimnis des beschaulIchen Lebens muss hervorgehoben werden: die Funktion des Zeichens und Zeugnisses, durch die die von Gott in besonderer Weise für das Gebet bestimmten beschaulichen Menschen nicht ohne jeden "Dienst am Wort (47)" bleiben, auch wenn es sich nicht um den Dienst der unmittelbaren Wortverkündigung handelt.

In der menschlichen Gesellschaft, wie sie heute ist und die Gott so leicht abweist und leugnet, bezeugt das der Beschauung der göttlichen Dinge geweihte Leben von Männern und Frauen offenkundig sein Dasein und seine Gegenwart, zumal dieses Leben jenen vertraulichen Umgang mit Gott erfordert, der "Geist selbst bezeugt mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind" (Röm 8, 16). Wer so lebt, kann darum jenen helfen, die im Glauben angefochten sind, und denen, die bezweifeln, dass der Mensch fähig ist, mit dem unaussprechlichen Gott ins Zwiegespräch zu treten (48).

Durch das wunderbare Zwiegespräch mit Gott in Schweigen und Einsamkeit verkünden die Männer und Frauen, die sich ganz der Beschauung, der Übung der Liebe und der anderen christlichen Tugenden widmen, den Tod des Herrn, bis er wiederkommt. Sie verkünden seine Wiederkunft um so mehr, als ihr ganzes Leben durch ihr ausschließliches und umfassendes Gottsuchen nichts anderes ist als der Weg zum himmlischen Jerusalem und eine Vorwegnahme der endzeitlichen Kirche, wie sie ganz der Schau und dem Besitz Gottes hingegeben sein wird. Die beschaulichen Menschen verkünden aber der Welt nicht nur das Ziel, das erreicht werden soll, das heißt das Leben der zukünftigen Welt, sondern sie zeigen auch den Weg dorthin. Wenn der Geist der Seligpreisungen, der die Nachfolge Christi belebt, jede christliche Lebensform beseelen muss (48), so bezeugt das Leben der Kontemplativen, dass er schon in diesem irdischen Leben verwirklicht werden kann. Dieses Zeugnis wird die Menschen unserer Zeit stärker ansprechen, wenn es ein kollektives, besser gesagt ein gemeinschaftliches Zeugnis ist. Die heutigen Menschen ergreift nämlich nicht so sehr das Zeugnis eines einzelnen als vielmehr das einer Gemeinschaft, das aus einem gemeinsam geführten Leben ausstrahlt, vor allem das Zeugnis einer festgefügten Gemeinschaft, die durch ihren Fortbestand und ihre Lebenskraft die Stärke ihrer tragenden Grundsätze beweist. Derart ist das Zeugnis einer beschaulichen Gemeinschaft, wie sie Papst Paul VI. in Monte Cassino umriss, Dort sprach er von einer "kleinen und beispielgebenden Gemeinschaft, in der die Liebe, der Gehorsam, die Reinheit, die Freiheit von den geschaffenen Dingen und die Kunst, sie zu gebrauchen, blühen; wo der Geist die Vorherrschaft hat, wo kurz gesagt der Friede und das Evangelium herrschen (50)".

==VI. Die Prüfung der Berufungen zum beschaulichen Leben ==

Es ist leicht einzusehen, dass die bewußte und endgültige Verpflichtung zum Leben in der Klausur nicht aus einer rasch verfliegenden Begeisterung entstehen kann und nicht aus einer solchen erkannt wird. Sie muss vielmehr aus einer gefestigten und dauernden Reife hervorwachsen, in der man auf gewisse gesellschaftliche Güter, auch wenn sie als wertvoll anerkannt werden, verzichtet, um in voller geistiger Freiheit die Lebensform zu wählen, in der man nur Christus und himmlischen Werten anhängt. Deshalb müssen die sich für die Nonnenklöster vorstellenden Berufe lange und sorgfältig geprüft werden, um ihre Motive richtig zu durchschauen. Auf diese Weise sollen jene rechtzeitig ferngehalten werden, die vielleicht unbewusst von nicht gerade übernatürlichen und klaren Beweggründen geleitet werden, so dass dann die volle geistliche und menschliche Entwicklung gehemmt wäre (51). Nützliche Vorsichtsmaßnahmen, die durch das Recht der einzelnen Institute festgelegt sind, müssen nicht nur vor dem Eintritt der Postulantinnen ins Kloster, sondern auch vor der Verpflichtung der ewigen Gelübde in Erwägung gezogen werden.

Die Darlegungen dieser Instruktion beziehen sich auf alle Institute, die ganz der Beschauung leben. Indessen hat jede Ordensfamilie ihr eigenes Gepräge und ihre Eigenart, die, nicht selten schon vom Gründer vorausbestimmt, treu bewahrt werden sollen. Auch soll nicht geleugnet werden, dass durch den Antrieb des Heiligen Geistes neue Formen des beschaulichen Lebens in der Kirche entstehen können.

So finden auch die Unterschiede zwischen den Instituten, die sich selbst in einer erstaunlichen Vielfalt darbieten, ihre rechtmäßige Anerkennung. Die Mannigfaltigkeit hängt vor allem von dem Gewicht ab, das man dem persönlichen oder dem liturgischen Gebet zumisst und das man auf das Leben in Gemeinschaft oder in Einsiedelei legt, was sich alles unschwer in das monastische Leben einfügen lässt. Das wirkt sich zweifellos auf die Art und Weise aus, in der die einzelnen Institute die materielle Trennung von der Welt durch die Klausur verstehen und einrichten.

VII.

Die Kongregation für die Ordensleute und Weltgemeinschaften unterstreicht deshalb die Vorschriften des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Einhaltung der Klausur und ihre Anpassung an die jeweiligen Umstände, da die Klausur erfahrungsgemäß eine erprobte Hilfe für das kontemplative Leben ist. Und so erlässt die Kongregation die folgenden, von Papst Paul VI. am 12. Juli 1969 gebilligten Normen für die Klöster der beschaulichen Nonnen.

[Fortsetzung folgt]