Voi avete partecipato (Wortlaut)

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Ansprache
Voi avete partecipato

von Papst
Paul VI.
an die Teilnehmer der 13. Italienischen Woche für Pastorale Fortbildung
über das "pastorale aggiornamento"
6. September 1963

(Offizieller italienischischer Text: AAS 55 [1963] 750-755)

(Quelle: Herder-Korrespondenz 1963/64, S. 22-24).
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Hintergrund

Am 6. September 1963 empfing Papst Paul VI. die Teilnehmer der 13. Italienischen Woche für Pastorale Fortbildung (in Orvieto vom 1.9. bis 6.9.) in Castelgandolfo in Sonderaudienz. In seiner Ansprache an die Tagungsteilnehmer erläuterte der Papst u. a. zwei Schlüsselworte des Zweiten Vatikanischen Konzils: die Begriffe "aggiornamento" und "pastoral". Der italienische Wortlaut der Ansprache, die die Herder-Korrespondenz in eigener Übersetzung wiedergibt, wurde im "Osservatore Romano" (7.9.63) veröffentlicht.

Wortlaut des Textes

Verehrte Mitbrüder!

Ihr habt an der 13. Woche für Pastorale Fortbildung teilgenommen, die vom Zentrum für Pastorale Schulung veranstaltet wurde. Wir kennen dieses Zentrum gut und zählen seinen Vorsitzenden, Msgr. Grazioso Ceriani, zu Unseren Freunden. Diese Woche wurde aus Anlass der siebenhundertjährigen Wiederkehr der Feier des Fronleichnamsfestes in Orvieto abgehalten. Dem Wunder im nahen Bolsena und der Bulle Transiturus de hoc mundo Unseres entfernten Vorgängers Urban IV. verdankt dieses Fest seine allgemeine Ausstrahlung. Und ihr seid in dieser wunderschönen Stadt mit ihrem Dom vom seeleneifrigen Bischof von Orvieto, Virginio Dondeo, gastlich aufgenommen worden. Wir nehmen lebhaften Anteil an diesem Ereignis und haben seinen Verlauf mit Interesse verfolgt, hätten Wir doch selbst daran teilgenommen, wenn nicht die Vorsehung durch Unsere Wahl zum Papst es anders gefügt hätte. Dieses Amt hat indessen Unsere Wertschätzung für diesen Kongress sehr gesteigert. Um so mehr wünschen Wir, die genannte Woche möge reiche und dauerhafte Früchte zeitigen. Eine Bestätigung dafür ist der Brief, den Unser Kardinalstaatssekretär aus diesem Anlass an Msgr. Ceriani geschickt hat und den ihr so zustimmend aufgenommen habt.

Was euch bereits ausführlich und mit viel Sachkenntnis zum Generalthema "Eucharistie und christliche Gemeinschaft" gesagt worden ist und was ihr mit viel Eifer meditiert habt und was in feierlichen Gottesdiensten seinen Ausdruck gefunden hat, was sollen Wir dem noch hinzufügen?

Was heißt "aggiornamento" ...

Wenn ich in euren Gesichtern zu lesen vermag, so habe ich den Eindruck, dass ihr eine Bestätigung und Ermunterung Unserseits wünscht, da ihr Uns durch diesen Besuch gleichsam selbst eine Gelegenheit dazu bietet. Ihr kommt auf Uns zu mit einem Motto, gleichsam wie ein vorangetragenes Banner, das eure Arbeitsweise näher kennzeichnet: "aggiornamento". Dieses Wort kam durch Unseren verehrten und schmerzlich betrauerten Vorgänger Johannes XXIII. zu Ehren und wurde von ihm in das Programm des Konzils aufgenommen.

Wendet man es im kirchlichen Bereich an, so deutet es auf die Beziehung zwischen der unveränderlichen Gültigkeit der christlichen Wahrheiten und ihrer praktischen Einwurzelung in unsere dynamische und außerordentlich wandelbare Gegenwart hin, in das Leben des Menschen, das sich in unserer unruhigen, aufgeregten und doch fruchtbaren Zeit ständig und in vielerlei Weise ändert. Dieses Wort weist auf den wandelbaren und erfahrbaren Aspekt des Mysteriums der Erlösung hin, eines Mysteriums, das nach nichts anderem drängt, als wirksam zu werden. Dieser Aspekt weist darauf hin, wie sehr die Wirksamkeit des Mysteriums bedingt wird durch die kulturelle, sittliche und soziale Verfassung des Menschen, auf den es gerichtet ist, und wie wichtig es ist für ein rechtes Verständnis des Lebens, aber auch und vor allem für ein echtes Wachstum des Apostolates, die Erfahrung der anderen zu kennen und, was gut daran ist, sich anzueignen. "Prüfet alles! Das Gute behaltet!" (1 Thess. 5, 21). Dieses Wort bedeutet die Furcht vor überlebten Gewohnheiten, vor lähmender Rückständigkeit, vor unverständlichen Formen, vor unpersönlicher Distanz und vor der unbewussten und uneingestandenen Unkenntnis neuartiger menschlicher Phänomene. Es bedeutet aber auch die Furcht vor zu schwachem Vertrauen in die ewige Aktualität und Fruchtbarkeit des Evangeliums. Dieses Wort kann ausgelegt werden als unterwürfige Konzession an den schnelllebigen Zeitgeist, an einen die objektiven und transzendenten Werte leugnenden und rein dem Augenblicklichen und Subjektiven verhafteten Existenzialismus. In Wirklichkeit misst dieses Wort den rasch und unerbittlich sich wandelnden Erscheinungsformen unseres Lebens die ihnen zukommende Bedeutung bei und bringt die Mahnung des Apostels in Erinnerung: "Nützt die Zeit aus, denn die Tage sind böse" (Eph. 5, 16).

Dieses Wort werden auch Wir Uns gerne zu eigen machen als einen Ausdruck der Liebe, die darauf brennt, die ewige und gerade deshalb moderne Lebenskraft des geistlichen Dienstes zu bezeugen.

… und was "pastoral"?

Und bei dieser Gelegenheit möchten Wir Uns einem anderen Wort zugänglich zeigen, das die Tätigkeit, die ihr fördert und der ihr euch widmet, kennzeichnet. Wir meinen das Wort "pastoral". Dieses Wort besagt heute ein großartiges Programm. Das Ökumenische Konzil hat es sich, wie ihr wisst, zu eigen gemacht. Um dieses Wort kreisen die Reform- und Erneuerungsbestrebungen des Konzils. Man darf in diesem Beiwort, das sich sehr gut in die höchsten und charakteristischsten Erscheinungsweisen des kirchlichen Lebens einfügt, kein uneingestandenes, schädliches Einlenken auf den Pragmatismus und Aktivismus unserer Zeit sehen, zum Schaden der Innerlichkeit und der Kontemplation, denn diese müssen in unserem religiösen Wertbewusstsein ihren Primat behalten, selbst wenn der praktische Einsatz für das Reich Gottes angesichts der Voraussetzungen des modernen Lebens es notwendig macht, einen größeren Teil an Zeit und Kraft in den Dienst der Nächstenliebe zu stellen. Man hüte sich auch zu glauben, diese pastoralen Bemühungen, die heute in besonderer Weise zum Programm der Kirche gehören und denen sie ihre Aufmerksamkeit und ihre Sorge zuwendet, bedeuten einen Wandel in der Auffassung über bestimmte in unserer Gesellschaft verbreitete und von der Kirche bereits verurteilte Irrtümer, wie es zum Beispiel der Marxismus ist. Eine ansteckende und tödliche Krankheit heilen zu wollen heißt nicht, dass man darüber die Meinung ändert. Es bedeutet vielmehr, dass man sie nicht nur theoretisch, sondern praktisch bekämpfen muss. Es bedeutet, dass der Diagnose die Therapie, der lehramtlichen Verurteilung die heilende Liebe folgen muss.

Es wäre deshalb ebenso unklug, in diesen pastoralen Bestrebungen eine Vernachlässigung oder gar eine Rivalin der spekulativen Theologie zu sehen. Diese behält ihre Bedeutung und ihre Größe, auch wenn die gebieterischen Bedürfnisse des kirchlichen Lebens von ihr fordern, dass sie nicht reine Spekulation bleibe, sondern im Rahmen der gesamten Heilsökonomie gesehen und gepflegt werde. Denn das Glaubensgut ist dazu da, in eine echte religiöse Praxis umgesetzt zu werden. Es muss den Menschen verkündet werden und in der konkreten geschichtlichen Wirklichkeit seine erlösende Kraft erweisen. Heute müssen Verstand und Wille, Geist und Arbeit, Lehre und Apostolat, Glaube und Liebe, Lehramt und Hirtenamt im Leben der Kirche sich ergänzen, sie müssen immer mehr ineinander greifen und sich gegenseitig befruchten.

Das Bild des Guten Hirten

Das vorausgeschickt, möchten Wir herausheben, was das Wort "pastoral" an evangelischem und apostolischem Lehrgut enthält. Dieses Wort bringt Uns einen der Titel in Erinnerung, mit dem Christus uns sich selbst vorstellen wollte. Und mit dem Titel verknüpft. sich die wunderbare, gütige und zugleich heroische Gestalt des Guten Hirten. Und mit der Gestalt des Guten Hirten die Sendung Christi als des Führers, Meisters, Beschützers und Erlösers, die er um unseretwillen auf sich genommen und die er allen voran dem Petrus übertragen hat. Wir stoßen dabei auf einen der schönsten Zweige der praktischen Theologie. Die Pastoraltheologie ist die eigentliche Wissenschaft und das Instrument, mit dessen Hilfe die Kirche, ausgestattet durch besondere Vollmachten und Charismen, ihre Seelsorge ausübt, d. h., die Menschen zu kennen, sie zu verstehen, sie zu unterweisen, sie zu erziehen, sie zu führen, ihnen zu dienen, sie zu schützen, sie zu lieben und sie zu heiligen sucht. Wir denken bei diesem Wort an den bescheidenen und ganz gewöhnlichen priesterlichen Dienst, an die Seelsorge, an diesen Liebesdienst der Kirche in seiner alltäglichen, in seiner eifrigsten und oft generösesten, sicher aber notwendigsten Form.

Wir benützen diese Gelegenheit, Unseren Seelsorgern Unsere Wertschätzung, Unser Wohlwollen und Unsere brüderliche und lebendige Teilnahme zu bezeigen. Ihnen schulden Wir diesen besonderen Erweis, der Uns bei eurem Bemühen um pastorale Fortbildung sogleich wieder in den Sinn kam. Denn auch Wir sind zum Seelsorger bestimmt worden, früher in einer Diözese, die in vergangenen Jahrhunderten zur Zeit des hl. Ambrosius und des hl. Karl und in unserer Zeit durch die Kardinäle Ferrari und Schuster ein praktisches Feld von spezifischer und positiver pastoraler Bedeutung war und immer noch ist. Und Wir sind es jetzt auf diesem Stuhl Petri, auf den Wir berufen worden sind, die Kirche zu weiden. Ihnen schulden Wir diesen Hinweis auf Unsere herzliche Anteilnahme, denn das Amt des Seelsorgers verlangt totale Hingabe, so wie Christus es uns in Wort und Beispiel gelehrt hat. "Der gute Hirte gibt das Leben für seine Schafe" (Joh. 10, 10). Es ist eine Hingabe, die das Höchstmaß an Liebe erreicht. Christus sagt ja: "Niemand hat eine größere Liebe, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde" (Joh. 15,13). Wir schulden unseren Seelsorgern, den Bischöfen und Pfarrern in besonderer Weise, aber auch allen anderen, die in der Seelsorge tätig sind, ein Wort der Anerkennung, wissen Wir doch, unter welchen Bedingungen sie heute arbeiten. Die geistige Verfassung der Welt bringt enorme Schwierigkeiten mit sich, von denen man früher manche nicht einmal kannte.

Das schwierige Amt des Seelsorgers

Wir wissen, welche Sorgen einem Bischof auf dem Herzen lasten, welche Schwierigkeiten er zu überwinden hat, nicht allein wegen des Mangels an Mitteln, auch wenn das oft schwierig und hart für ihn ist, sondern auch wegen der Taubheit derer, die sein Wort hören sollten, wegen des Misstrauens um ihn herum, das ihn in die Isolierung treibt, wegen der Gleichgültigkeit und der Missachtung, die man seiner Tätigkeit entgegenbringt und die sie lähmen. Wir wissen, wie viele Pfarrer und Hilfspriester ihren Seelsorgsdienst in weiten und volkreichen Bezirken ausüben, wo die Zahl, die Mentalität und die Bedürfnisse der Bewohner ihn zu unermüdlicher und aufreibender Arbeit zwingen. Wir wissen auch, wie viele Priester ihren Dienst in kleinen, abgelegenen Dörfern versehen müssen, wo es ihnen an Kontakt mit der Umwelt, an Zusammenarbeit und an sichtbarem Erfolg fehlt. Die einen wie die anderen befinden sich oft in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen, werden angefeindet oder nicht verstanden und sind gezwungen, ganz auf sich selbst gestellt zu leben. Sie sind zufrieden damit, in den einfachen Leuten ihrer Umgebung, in ihren Gebetbüchern und im Tabernakel das Geheimnis göttlicher Gegenwart zu finden. Wir fühlen Uns verpflichtet, diesen lieben und verehrten Mitbrüdern, diesen geplagten Verkündern des Evangeliums, diesen bescheidenen und tapferen Dienern der Kirche Gottes zu versichern, dass der Papst an sie denkt, sie versteht, sie achtet, ihnen hilft, sie liebt und ihnen deshalb mit seinem Gebet und seinem Segen folgt.

Priester und Eucharistie

Und nun möchten Wir am Schluss dieser Ansprache, in der Wir der großen Zahl der in der Seelsorge tätigen Geistlichen Unsere geistliche Gemeinschaft mit ihnen versicherten, einige Bemerkungen über das Thema eurer Woche für pastorale Fortbildung "Eucharistie und christliche Gemeinschaft" beifügen. Wir verbinden damit den Wunsch, eure Überlegungen zu einem Thema mit einem so reichen theologischen und spirituellen Gehalt möchten ihre Fortsetzung finden in der Ausübung eures Amtes, gleichsam als Bestätigung dafür, dass keine andere Tätigkeit so sehr die Fülle der Gnade vergegenwärtigt und zugleich so sehr dem Wirken in der Seelsorge dient wie die Feier des Messopfers. Im Messopfer wird durch die übernatürliche Weihegewalt die Menschheit Christi, das Haupt des ganzen Mystischen Leibes und der örtlichen Gemeinschaften, in sakramentaler Weise real gegenwärtig gesetzt. Die pastorale Sendung, die dem Priester anvertraut ist, verpflichtet ihn zugleich, den Mystischen Leib Christi, die Kirche, in einer gemeinschaftlichen Form real zu vergegenwärtigen.

Möge diese Woche in Unseren Priestern weiterhin das beglückende Bewusstsein wecken, wie sehr sie wirkursächlich und folgenhaft mit der Eucharistie verbunden sind. Denn der Priester ist der Vermittler dieses großen Sakramentes und zugleich sein erster Verehrer, kluger Verkünder und unermüdlicher Spender. Sie möge auch weiterhin bewirken, dass ihr auch im Hinblick auf eure pastoralen Verpflichtungen und ihre Fruchtbarkeit das gewöhnliche und doch erhabene "Lesen der Messe" als die erste Pflicht eures priesterlichen Lebens anseht. O ja, die Messe lesen, aber genau und vollendet im Ritus, einfach in der Feierlichkeit und feierlich in der Einfachheit. Sie muss ihren Ausdruck finden im Schweigen und in der Sammlung, im gemeinsamen Gebet und Gesang der Gemeinde, sie muss überzeugend und doch geheimnisvoll wirken in ihrem Wesen. Ihrer Feier müssen alle beiwohnen, und alle müssen andächtig und aktiv an ihr teilnehmen: die Kinder, die Jugend, die Studenten, die Arbeiter, Menschen aller sozialen Schichten; die Männer und Frauen, die ganze Familie, die kirchlichen Vereine und Institutionen, die in der Pfarrei ihren Sitz haben, und mit besonderer Andacht die Schwestern als auserlesene Blüten unserer Pfarreien; schließlich die Kranken, die Leidenden, die alten Leute, die Armen, das ganze christliche Volk, die ganze dazu geladene Gemeinschaft zusammen mit dem Priester, der dabei die Person Christi vertritt und zugleich als Haupt, Interpret und Repräsentant des christlichen Volkes fungiert und dadurch dessen eigenes "königliches Priesterturn" veranschaulicht. In dieser Weise erneuert und vergegenwärtigt sich als Hinweis und Höhepunkt wirklicher Gemeinschaft die erste christliche Gemeinde, die, wie es in der Apostelgeschichte heißt, "ein Herz und eine Seele war" (Apg. 4, 32).

Möge diese Woche mit Hilfe Unseres Apostolischen Segens immer ihre gute Wirkung ausüben und diese von Uns gewünschten Früchte bringen.

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