Wettinger Jesuskind: Unterschied zwischen den Versionen

Aus kathPedia
Zur Navigation springenZur Suche springen
(Weblinks)
Zeile 1: Zeile 1:
 
{{Text oben rechts|Koordinaten: <geo>47 27 23 N 8 18 57 E</geo>}}
 
{{Text oben rechts|Koordinaten: <geo>47 27 23 N 8 18 57 E</geo>}}
'''[[Bild:Das Wettinger Jesuskind.jpg|thumb|right|Das Wettinger [[Jesuskind]]]]'''
 
  
Das '''Wettinger Jesuskind''' ist ein Holzbild und hängt über dem Altar der Kreuzgangkapelle im ehemaligen [[Zisterzienser|Zisterzienserkloster]] [[Ave maris stella|Maris Stella]] oder Maria Meerstern, auch Kloster [[Bistum Basel|Wettingen]] genannt ([[Schweiz]]).  
+
Das '''Wettinger Jesuskind''' ist ein Holzbild und hängt über dem [[Altar]] der Kreuzgangkapelle im ehemaligen [[Zisterzienser|Zisterzienserkloster]] [[Ave maris stella|Maris Stella]] oder Maria Meerstern, auch Kloster [[Bistum Basel|Wettingen]] genannt ([[Schweiz|Kanton Aargau in der Schweiz]]).  
 +
 
  
 
== Das Holzgemälde ==
 
== Das Holzgemälde ==
  
Das Holzbild könnte um 1450 für das Kloster Wettingen geschaffen worden sein und misst 86 x 71 cm.  
+
[[Bild:Das Wettinger Jesuskind.jpg|thumb|right|Das Wettinger [[Jesuskind]]]]
 +
 
 +
Der nackte [[Menschwerdung|Jesusknabe]] sitzt lächelnd auf einem roten Kissen inmitten einer grünen Wiese. Sein linkes Bein ist gestreckt, das rechte ist angewinkelt. Er hält in seinen erhobenen Händen ein langes Spruchband und blickt nach oben in den dunklen, rot-violett gefärbten Himmel.
 +
 
 +
Das Bild könnte um 1450 (vielleicht unter Abt Rudolf Wülflinger) für das Kloster Wettingen geschaffen worden sein und dort ein Zimmer des [[Abt|Abtes]] geschmückt haben. Es misst 86 x 71 cm und zeigt in seiner künstlerischen Manier noch Einflüsse des sogenannten "Schönen Stils", der um 1400 und bis ins vorgerückte 15. Jahrhundert im Norden der Alpen weit verbreitet war und sich durch seine weichen Umrisslinien auszeichnet.
 +
 
 +
Eine Künstlersignatur fehlt auf dem Bild, eine Archiv-Quelle, die den Autor nennen würde, ebenfalls. Die Malerwerkstatt könnte sich im Kloster selbst oder in Baden oder Basel befunden haben (zu Basel hatte Wülflinger besondere Beziehungen). Dass ein Mönch das Bild gefertigt hätte, ist nicht auszuschliessen, aber eher unwahrscheinlich.
  
Der nackte [[Menschwerdung|Jesusknabe]] sitzt lächelnd auf einem roten Kissen inmitten einer grünen Wiese. Sein linkes Bein ist gestreckt, das rechte ist angewinkelt. Er hält in seinen erhobenen Händen ein langes Spruchband und blickt nach oben in den dunklen, rot-violett gefärbten Himmel.
 
  
 
== Geschichte ==
 
== Geschichte ==
 +
 +
=== Klosterbrand von 1507 ===
  
 
Das Bild überstand den verheerenden Klosterbrand vom 11. April 1507, [[Barmherzigkeit Gottes|am Sonntag nach Ostern]] 1507, trotz höchster Gefährdung auf wundersame Weise: Durch die Flammen entstanden zahlreiche Glutlöcher in einer besonderen Anordnung. Im Zentrum des Gnadenbildes befindet sich das herzförmige Glutloch. Es ist zugleich das [[Herz-Jesu-Verehrung|Herz des Jesuskindes]].  
 
Das Bild überstand den verheerenden Klosterbrand vom 11. April 1507, [[Barmherzigkeit Gottes|am Sonntag nach Ostern]] 1507, trotz höchster Gefährdung auf wundersame Weise: Durch die Flammen entstanden zahlreiche Glutlöcher in einer besonderen Anordnung. Im Zentrum des Gnadenbildes befindet sich das herzförmige Glutloch. Es ist zugleich das [[Herz-Jesu-Verehrung|Herz des Jesuskindes]].  
  
'''[[Bild:"Herz" des Wettinger Jesuskindes.jpg|thumb|left|[[Herz-Jesu-Litanei|Herz-Glutloch]] des Wettinger Jesuskindes]]'''
+
[[Bild:"Herz" des Wettinger Jesuskindes.jpg|thumb|left|[[Herz-Jesu-Litanei|Herz-Glutloch]] des Wettinger Jesuskindes]]  
 +
Der damalige Abt Johann Müller (er regierte 1486 - 1521) soll nach dem Bericht eines zuverlässigen Gewährsmannes Folgendes gesagt haben: „Ich habe den Phoenix des Himmels und der Erde - Christus, den Retter - auf dem Jesuskind-Bildnis unversehrt gesehen. Dieses öffentlich aufgehängte Bild möge alle Nachgeborenen an das [[Wunder|Wunderzeichen]] erinnern und sie gleichzeitig zur Vorsicht mahnen.“
 +
 
 +
Offenbar war das Bild zu Abt Müllers Zeiten an einem gut sichtbaren Platz aufgehängt, wo es alle Klosterbesucher sehen konnten.
 +
 
 +
 
 +
=== Die Flügelbilder von 1602 ===
 +
 
 +
1602, erst knapp hundert Jahre nach dem Klosterbrand, wurde das Jesus-Bild mit zwei damals neu geschaffenen Flügelbildern zum jetzt noch erhaltenen Altarretabel zusammengefügt.
 +
 
 +
Vermutlich liess Abt Peter Schmid (1594 - 1633) das Retabel in der damals neu hergerichteten Abtkapelle hinter der sogenannten "Sommerabtei" aufstellen. Er verfügte die Herstellung der zusätzlichen Darstellungen ([[Maria von Nazareth|Maria mit Kind]], Klosteransicht und Klostergründer) sowie die Anbringung der umfangreichen Inschriften.
 +
 
 +
Auch in diesem Falle ist kein Künstlername überliefert. Vor allem das Marienbild zeigt mit seiner gewagten architektonischen Perspektive ausgesprochene Renaissance-Züge, wie sie ähnlich auf zeitgleichen Glasgemälden zu erkennen sind (auch auf solchen im Kreuzgang von Wettingen). Abt Peter Schmid stammte aus Baar (Kanton Zug) und hat für viele Ausstattungsarbeiten in seinem Kloster Innerschweizer Künstler herangezogen. Die Innerschweiz spielte in manchem Fall eine Rolle als "Einfallstor" für die aus Italien stammenden Formen der Renaissance. Vermutlich war ein innerschweizerischer Glas- oder Tafelmaler der Künstler der beiden Retabelflügel.
 +
 
 +
Die Inschrift unter der Klostervedute auf dem linken Flügel lautet, frei übersetzt:
 +
 
 +
"Das Kloster Marisstella (= Wettingen) brannte am 11. April 1507 aus, wobei das (in diesem Retabel wieder verwendete) Bildnis des Jesuskindes das Feuer unbeschadet überstand."
 +
 
 +
 
 +
=== Cistercienser-Chronik von 1894 ===
 +
 
 +
Pater Dominicus Willi OCist, [[Bistum Limburg|Abt von Marienstatt]] und später [[Bischöfe von Limburg|Bischof von Limburg]], schrieb in der Cistercienser-Chronik 6 (1894) des Klosters Wettingen-Mehrerau: "Bevor wir den Lesegang verlassen, will ich den Besucher oder Leser auf ein Diptychon aufmerksam machen, welches jetzt gewöhnlich an den Abtssitz angelehnt ist und an welches sich eine merkwürdige Begebenheit knüpft.
 +
 
 +
Das Mittelbild stellt ein auf Holz gemaltes Jesuskind dar. Dieses Bild hatte seinen althergebrachten Standpunkt im Capitelhause. Beim grossen Brande am 11. April 1507 wurde es vom Feuer ergriffen. Ringsum brannte die Holztafel lichterloh. Da soll das Jesuskind vor den Flammen die Füsse zurückgezogen haben. Die Figur blieb ganz unverletzt; die Lage der Füsse ist eine wirklich merkwürdige und macht einen Eindruck, welcher der frommen Legende einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit verleiht. Neben dem Bilde sind tiefe Brandspuren sichtbar.
 +
 
 +
Abt Peter Schmid liess das Bild nach Art eines Diptychons einrahmen und auf den Flügeln den Klosterbrand und Anderes malen.
  
 +
Der Convent von Wettingen hielt das Bild hoch in Ehren. Es wird als historische Merkwürdigkeit auch jetzt noch erhalten, muss aber Zeuge mancher spöttischer Bemerkung über <mönchischen Aberglauben> sein."
  
Der damalige Abt Johann Müller sagte als Augenzeuge: „Ich habe den Phoenix des Himmels und der Erde - Christus, den Retter - auf dem Jesuskind-Bildnis unversehrt gesehen. Dieses öffentlich aufgehängte Bild möge alle Nachgeborenen an das Wunderzeichen erinnern und sie gleichzeitig zur Vorsicht mahnen.“
 
  
1602 ließ Abt Peter Schmid das wundertätige Christusbild zu einem Flügelaltar mit historischen Darstellungen erweitern.
+
== Literatur ==
  
 +
* [http://130.82.41.56/F/P2M7TCRXLN9QBE661J5RUH8JQF93L9R8PNDLDVB232FBJHS6AU-06823?func=find-b&find_code=WRD&request=Kloster+Wettingen&x=11&y=11/ Literatur über das Kloster Wettingen in der Aargauer Kantonsbibliothek]
  
  

Version vom 28. Juni 2009, 12:32 Uhr

Koordinaten: <geo>47 27 23 N 8 18 57 E</geo>

Das Wettinger Jesuskind ist ein Holzbild und hängt über dem Altar der Kreuzgangkapelle im ehemaligen Zisterzienserkloster Maris Stella oder Maria Meerstern, auch Kloster Wettingen genannt (Kanton Aargau in der Schweiz).


Das Holzgemälde

Das Wettinger Jesuskind

Der nackte Jesusknabe sitzt lächelnd auf einem roten Kissen inmitten einer grünen Wiese. Sein linkes Bein ist gestreckt, das rechte ist angewinkelt. Er hält in seinen erhobenen Händen ein langes Spruchband und blickt nach oben in den dunklen, rot-violett gefärbten Himmel.

Das Bild könnte um 1450 (vielleicht unter Abt Rudolf Wülflinger) für das Kloster Wettingen geschaffen worden sein und dort ein Zimmer des Abtes geschmückt haben. Es misst 86 x 71 cm und zeigt in seiner künstlerischen Manier noch Einflüsse des sogenannten "Schönen Stils", der um 1400 und bis ins vorgerückte 15. Jahrhundert im Norden der Alpen weit verbreitet war und sich durch seine weichen Umrisslinien auszeichnet.

Eine Künstlersignatur fehlt auf dem Bild, eine Archiv-Quelle, die den Autor nennen würde, ebenfalls. Die Malerwerkstatt könnte sich im Kloster selbst oder in Baden oder Basel befunden haben (zu Basel hatte Wülflinger besondere Beziehungen). Dass ein Mönch das Bild gefertigt hätte, ist nicht auszuschliessen, aber eher unwahrscheinlich.


Geschichte

Klosterbrand von 1507

Das Bild überstand den verheerenden Klosterbrand vom 11. April 1507, am Sonntag nach Ostern 1507, trotz höchster Gefährdung auf wundersame Weise: Durch die Flammen entstanden zahlreiche Glutlöcher in einer besonderen Anordnung. Im Zentrum des Gnadenbildes befindet sich das herzförmige Glutloch. Es ist zugleich das Herz des Jesuskindes.

Herz-Glutloch des Wettinger Jesuskindes

Der damalige Abt Johann Müller (er regierte 1486 - 1521) soll nach dem Bericht eines zuverlässigen Gewährsmannes Folgendes gesagt haben: „Ich habe den Phoenix des Himmels und der Erde - Christus, den Retter - auf dem Jesuskind-Bildnis unversehrt gesehen. Dieses öffentlich aufgehängte Bild möge alle Nachgeborenen an das Wunderzeichen erinnern und sie gleichzeitig zur Vorsicht mahnen.“

Offenbar war das Bild zu Abt Müllers Zeiten an einem gut sichtbaren Platz aufgehängt, wo es alle Klosterbesucher sehen konnten.


Die Flügelbilder von 1602

1602, erst knapp hundert Jahre nach dem Klosterbrand, wurde das Jesus-Bild mit zwei damals neu geschaffenen Flügelbildern zum jetzt noch erhaltenen Altarretabel zusammengefügt.

Vermutlich liess Abt Peter Schmid (1594 - 1633) das Retabel in der damals neu hergerichteten Abtkapelle hinter der sogenannten "Sommerabtei" aufstellen. Er verfügte die Herstellung der zusätzlichen Darstellungen (Maria mit Kind, Klosteransicht und Klostergründer) sowie die Anbringung der umfangreichen Inschriften.

Auch in diesem Falle ist kein Künstlername überliefert. Vor allem das Marienbild zeigt mit seiner gewagten architektonischen Perspektive ausgesprochene Renaissance-Züge, wie sie ähnlich auf zeitgleichen Glasgemälden zu erkennen sind (auch auf solchen im Kreuzgang von Wettingen). Abt Peter Schmid stammte aus Baar (Kanton Zug) und hat für viele Ausstattungsarbeiten in seinem Kloster Innerschweizer Künstler herangezogen. Die Innerschweiz spielte in manchem Fall eine Rolle als "Einfallstor" für die aus Italien stammenden Formen der Renaissance. Vermutlich war ein innerschweizerischer Glas- oder Tafelmaler der Künstler der beiden Retabelflügel.

Die Inschrift unter der Klostervedute auf dem linken Flügel lautet, frei übersetzt:

"Das Kloster Marisstella (= Wettingen) brannte am 11. April 1507 aus, wobei das (in diesem Retabel wieder verwendete) Bildnis des Jesuskindes das Feuer unbeschadet überstand."


Cistercienser-Chronik von 1894

Pater Dominicus Willi OCist, Abt von Marienstatt und später Bischof von Limburg, schrieb in der Cistercienser-Chronik 6 (1894) des Klosters Wettingen-Mehrerau: "Bevor wir den Lesegang verlassen, will ich den Besucher oder Leser auf ein Diptychon aufmerksam machen, welches jetzt gewöhnlich an den Abtssitz angelehnt ist und an welches sich eine merkwürdige Begebenheit knüpft.

Das Mittelbild stellt ein auf Holz gemaltes Jesuskind dar. Dieses Bild hatte seinen althergebrachten Standpunkt im Capitelhause. Beim grossen Brande am 11. April 1507 wurde es vom Feuer ergriffen. Ringsum brannte die Holztafel lichterloh. Da soll das Jesuskind vor den Flammen die Füsse zurückgezogen haben. Die Figur blieb ganz unverletzt; die Lage der Füsse ist eine wirklich merkwürdige und macht einen Eindruck, welcher der frommen Legende einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit verleiht. Neben dem Bilde sind tiefe Brandspuren sichtbar.

Abt Peter Schmid liess das Bild nach Art eines Diptychons einrahmen und auf den Flügeln den Klosterbrand und Anderes malen.

Der Convent von Wettingen hielt das Bild hoch in Ehren. Es wird als historische Merkwürdigkeit auch jetzt noch erhalten, muss aber Zeuge mancher spöttischer Bemerkung über <mönchischen Aberglauben> sein."


Literatur


Weblinks