Die vicesima septima (Wortlaut): Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 2. Mai 2018, 12:00 Uhr

Apostolisches Schreiben
Die vicesima septima

von Papst
Pius XI.
an die Ehrwürdigen Brüder, Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe
und die anderen Oberhirten, welche in Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle stehen
wodurch der heilige Johannes vom Kreuz, zum Kirchenlehrer proklamiert wird
24. August 1926

(Offizieller lateinischer Text: AAS XVIII [1926] 379-381)

(Quelle: Heilslehre der Kirche, Dokumente von Pius IX. bis Pius XII. Deutsche Ausgabe des französischen Originals von P. Cattin O.P. und H. Th. Conus O.P. besorgt von Anton Rohrbasser, Paulus Verlag Freiburg Schweiz 1953, S. 1209-1212; Imprimatur Friburgi Helv., die 22. maii 1953 L. Weber V. G.)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ehrwürdige Brüder !
Gruß und apostolischen Segen

Übernatürliche Sendung des heiligen Johannes vom Kreuz

1 Am 27. Dezember 1726 hat Unser hochverehrter Vorgänger Papst Benedikt XIII. den seligen Johannes vom Kreuz heiliggesprochen. Er war der erste Profess im Orden der unbeschuhten Karmeliter und reformierte mit Theresia von Jesus den Karmeliterorden. Die Kanonisationsbulle spricht mit höchster Anerkennung vom bewunderungswürdigen Leben und von der tiefen Gotteserkenntnis dieses Heiligen, der ein großer Büßer und ein vollendetes Tugendbeispiel war. Neben vielen anderen hervorragenden Gottesgelehrten und Heiligen, die als wahre Leuchten der Kirche mitten in ihrem Zeitalter standen, war er ohne jeden Zweifel der Gesandte einer besonderen Vorsehung Gottes; Ihm fiel nämlich die Aufgabe zu, die Schaden wieder gutzumachen, welche die mystische Braut Christi von seiten der protestantischen Glaubensneuerer erlitten hatte, sowie deren besondere Irrlehren zu widerlegen.

Leben und Werke des großen Karmeliters

2 Am 24. Juni 1542 im spanischen Städtchen Fontiveros geboren. trat Johannes mit einundzwanzig Jahren bei den Karmelitern ein und studierte an der berühmten Universität von Salamanca Philosophie und Theologie. Im Jahre seiner Priesterweihe 1567 lernte er die heilige Theresia kennen, eben als sie die Schwestern des Karmel zu einer strengeren Observanz ihrer Regel zurückgeführt hatte und sich ernsthaft mit dem Gedanken trug, die gleiche Reform auch beim männlichen Zweig dieses Ordens durchzusetzen. Johannes billigte vorbehaltlos die Pläne der heiligen Theresia und ging selber mit Begeisterung an deren Verwirklichung: er nahm das Kleid der unbeschuhten Karmeliter und beobachtete ihre Regel. Deshalb wurde er zum Novizenmeister und ersten Oberen des Hauses von Alcala de Henares gewählt. Aber bald darauf bestimmte man ihn zum Beichtvater der Karmeliterinnen von Avila, die noch an der alten Observanz festhielten. Da wurde er gewaltsam entführt und eingekerkert. Während der neunmonatigen Gefängnishaft schrieb er seinen „Geistlichen Gesang“. Dieses Werk, das er später mit Anmerkungen und Erläuterungen versah, ist ein lyrischer Hymnus des Verfassers auf die mystische Vereinigung der gottgläubigen Seele mit ihrem Bräutigam Jesus Christus und zugleich eine didaktische Abhandlung über die mannigfachen Wirkungen des beschaulichen Gebetes und die beglückenden Seelenregungen, die es erzeugt.

Nach seiner wunderbaren Befreiung zog er sich in das Kloster von Kalvaria zurück. Daselbst, wie auch überall, wo ihn seine späteren Ämter zu wohnen zwangen, verfasste er neue Schriften, die geradezu übernatürlich inspiriert scheinen, so erstaunlich hellsichtig ist seine Kenntnis der außerordentlichen Gnadengaben Gottes, dieser Stufen auf dem Weg zur Vollkommenheit, die er den Seelen als Ziel vor Augen stellt.

Bedeutung und Tragweite seiner geistlichen Lehre

3 Freilich mögen „Der Aufstieg zum Berge Karmel“, „Die dunkle Nacht“. „Die lebendige Liebesflamme“, sowie noch manche seiner Schriften und auch seine Briefe schwerverständlich und geheimnisvoll scheinen; dennoch offenbaren sie eine so wesenhafte geistliche Lehre und eine so ausgezeichnete Anpassungsfähigkeit an die Fassungskraft des Lesers, dass man sie in ihrer Gesamtheit verdientermaßen bewerten muss als Wegweiser und Kompass der gottgläubigen Seele auf ihrem Höhenweg zum Gipfel der Vollkommenheit. Die Kanonisationsbulle erklärt also mit Recht, Johannes vom Kreuz habe „Schriften über die mystische Theologie verfasst, die von überirdischer Weisheit zeugen“. Dieses Urteil, das an sich schon einen hohen Wert besitzt, wurde in seinem Wahrheitsgehalt noch bekräftigt durch das fast einstimmige Zeugnis der Nachwelt. Nach dem Tode des heiligen Johannes vom Kreuz im Jahre 1591 nahm sein Ansehen auf dem Gebiet der Mystik mit der Zeit ständig zu. Seither haben ihn die Fachleute dieser theologischen Wissenschaft und sogar große Heilige stets als einen erfahrenen Lehrmeister der Heiligkeit und des Innenlebens anerkannt; immer wieder schöpften sie aus seinen Lehrschriften, wie aus einem lauteren Quell des christlichen Denkens und des kirchlichen Geistes, die Grundsätze ihrer Abhandlungen über das geistliche Leben.

Erhebung zum Kirchenlehrer

4 Kein Wunder also, dass seit 1891, dem dreihundertsten Todesjahr des heiligen Johannes vom Kreuz, mehrere Kardinäle und die Bischöfe von Spanien Unseren Vorgänger Papst Leo XIII. inständig ersuchten, ihn zum Kirchenlehrer zu erheben. Seither gingen von den Rektoren katholischer Universitäten und von Ordensoberen in ununterbrochener Folge zahlreiche Bittschriften desselben Inhaltes beim Heiligen Stuhl ein.

Gestürzt darauf und im Hinblick auf die Feierlichkeiten des bevorstehenden zweiten Zentenars der Kanonisation des Heiligen, hat der gegenwärtige Generalobere des Karmeliterordens auf einstimmigen Wunsch des Generalkapitels Uns das Gesuch eingereicht, den heiligen Johannes vom Kreuz mit dem Titel eines Kirchenlehrers beehren zu wollen. Dieser Bittschrift schlossen sich noch andere in großer Zahl an, aus den Reihen der Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe, von hervorragenden Vertretern des Klerus und des Laienstandes, von Männern der Wissenschaft aus den verschiedensten Universitäten oder Gelehrtengesellschaften. Daher schien es Uns höchst angebracht, diese wichtige Angelegenheit zur Beratung und eingehenden Prüfung an die Ritenkongregation zu überweisen, die Unserem Befehl entsprechend sachverständige Referenten damit beauftragte. Als ihre in völliger Unabhängigkeit abgegebenen Gutachten im Druck vorlagen, war noch die Meinung der Kardinäle einzuholen, die der Ritenkongregation vorstehen. Sie hatten sich der drei Bedingungen zu vergewissern, die seit Unserem hochseligen Vorgänger Papst Benedikt XIV. für die Proklamation eines Kirchenlehrers erfordert sind: Heiligkeit des Lebens, hervorragende Gelehrsamkeit und ausdrückliche Anerkennung durch den Papst. Auf Grund dieser Untersuchungen wurden sie befragt, ob nach ihrer Meinung der heilige Johannes vom Kreuz zum Kirchenlehrer erhoben werden könne. In der ordentlichen Sitzung, die am 27. Juli dieses Jahres im Vatikan stattfand, nahmen die Kardinäle der heiligen römischen Kirche, die der Ritenkongregation vorstehen, die Berichte des Präfekten dieser Kongregation, Kardinal Anton Vico, Bischof von Porto und S. Rufina, und des Promotor fidei, Kardinal Salotti, entgegen, worauf sie einstimmig ein bejahendes Urteil abgaben.

Infolgedessen entsprechen Wir sehr gerne den Wünschen aller Unbeschuhten Karmeliter und aller jener, die Uns um dieselbe Gunst gebeten haben. Gestützt auf zuverlässige Sachkenntnis und nach reiflicher Überlegung, kraft des vorliegenden Schreibens und aus der Fülle Unserer apostolischen Amtsgewalt erklären und proklamieren Wir den heiligen Bekenner Johannes vom Kreuz zum Kirchenlehrer, und zwar ungeachtet aller entgegengesetzten Konstitutionen, apostolischen Verfügungen oder anderen Maßnahmen. Wir beschließen, dass dieses Schreiben für alle Zeiten unantastbar, gültig und rechtskräftig sei und bleibe; dass es seine ganze und volle Geltung bewahre, wie Wir für gut befunden und entschieden haben.

Jede Abänderung an diesem Schreiben, von wem immer sie wissentlich oder aus Unwissenheit vorgenommen werden könnte, auf welche Autorität er sich auch berufen mag, wird hiermit als ungültig erklärt.

Gegeben zu Rom bei St. Peter, unter dem Siegel des Fischerringes,
am 24. August 1926, im fünften Jahre Unseres Pontifikates
Papst Pius X.