Krise durch sexuellen Missbrauch
Zu einer Krise für die katholische Kirche wurde der sexuelle Missbrauch von Kindern durch Priester und Bischöfe, der seit Anfang der 2000er-Jahre in zahlreichen Ländern bekannt wurde.
Den Versuch kirchlicher Kreise, die Krise der Berichterstattung säkularer Nachrichtenorgane anzulasten mit der Behauptung, diese wollten durch Skandalisierung und einseitige Berichterstattung die Katholische Kirche und den Papst schädigen, verurteilte Papst Franziskus am 7. Juni 2014 scharf. Bei einer Heiligen Messe mit Missbrauchsopfern im Vatikan sagte der Papst: "Ich bitte auch dafür um Vergebung, dass Kirchenverantwortliche es unterlassen haben, angemessen auf Berichte über Missbrauch zu reagieren." Dieses Verhalten habe zu noch mehr Leid geführt und das Risiko für andere Minderjährige vergrößert.<ref>[http://www.kath.net/news/46630 kath.net, 7. Juli 2014</ref> Die Verbrechen seien lange "verheimlicht und vertuscht worden, durch eine Mittäterschaft, die nicht zu erklären ist".
Inhaltsverzeichnis
Maßnahmen
Zahlreiche Bischofskonferenzen haben seit Bekanntwerden der Übergriffe Massnahmen zu einer schonungslosen Aufklärung und einer kritischen Überarbeitung geltender Vorschriften ergriffen.
Reichweite des Missbrauchs
Marcial Maciel, der Gründer der Legionäre Christi, legte nach einer kirchlichen Untersuchung wegen Vorwürfen des langjährigen sexuellen Missbrauchs im Mai 2006 auf Anweisung der Glaubenskongregation alle Ämter nieder und zog sich zu einem Leben des Gebetes und der Buße zurück. Er genoss die besoindere Wertrtschätzung von Papst Johannes Paul II., der in dieser Frage wohl gravierend falsch beraten worden war. Das Treffen des Papstes mit Maciel im Jahr 2004 bezeichnete der frühere Privatsekretär von Johannes Paul II., Erzbischof Stanislaw Dziwisz, als einen Fehler und ein Beispiel für schwere Kommunikationsmängel in der römischen Kurie.
Der Vatikan hat 2914 den polnischen Erzbischof und Nuntius Józef Wesolowski wegen Kindesmissbrauchs aus dem Klerikerstand entlassen.
Empirische Untersuchungen belegen, dass katholische Priester nicht häufiger Täter sexualisierter Gewalt sind als andere Gesellschaftsgruppen. <ref> Godehard Brüntrup SJ, Eine kopernikanische Wende?, in der Tagespost vom 2. März [1] </ref>
Vertuschung, Verharmlosung und Täterschutz
Über den zahlenmäßigen Anteil echter Pädophilie unter den Fällen, die seit 2001 in Rom bearbeitet wurden, sagte der vatikanische Strafverfolger Scicluna (Link, dt.), auf Nachfrage, ob es 3.000 Fälle von pädophilen Priestern gebe:
"So kann man das korrekterweise nicht sagen. Wir können sagen, dass es sich grosso modo in sechzig Prozent dieser Fälle vor allem um Akte von Ephebophilie handelt, das heißt: Akte, die mit dem sexuellen Hingezogensein zu Heranwachsenden desselben Geschlechts zusammenhängen.
Weitere dreißig Prozent beziehen sich auf heterosexuelle Beziehungen; und zehn Prozent sind tatsächlich Akte der Pädophilie, also bestimmt durch das sexuelle Hingezogensein zu Kindern im vorpubertären Alter. Die Fälle von Priestern, die der Pädophilie im strengen Sinn des Wortes beschuldigt werden, sind also etwa dreihundert binnen neun Jahren."
Damit wird suggeriert, dass von Priestern begangene Ephebophilie ein geringfügigeres Laster sei als Pädaophilie; Ephebophilie bei Priestern wird somit verharmlost. Die Deutsche Bischofskonferenz weitete inzwischen den Kreis von vor Missbrauch zu schützender Personen auf "erwachsene Schutzbefohlene" aus: "behinderte, gebrechliche oder kranke Personen, gegenüber denen Kleriker, Ordensangehörige und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine besondere Sorgepflicht haben, weil sie ihrer Fürsorge oder Obhut anvertraut sind und bei denen aufgrund ihrer Schutz- und Hilfebedürftigkeit eine besondere Gefährdung besteht". (Leitlinien A.3., 16. September 2013)
Die Katholische Enzyklopädie kathpedia.com behandelte das Thema "Kindesmissbrauch" von 2010 bis 2014 unter dem irreführenden Titel "Medienkrise 2010" ("vulgo Missbrauichsskandal")
Neubewertung des Kindesmissbrauchs in der Gesellschaft
Durch das Presseecho auf die Veröffentlichungen von Pater Mertes und die Diskussion in der Gesellschaft meldeten sich auch Schüler, die Schulen anderer Träger besucht hatten und dort sexuellen Missbrauch erlebt hatten. Mehrere Fälle waren bereits bekannt und sogar in Pressemeldungen dargestellt worden, waren aber nicht weiterverfolgt worden.
In der Odenwald-Schule in Heppenheim an der Bergstraße wurden Übergriffe seitens des Schulleiters und mehrerer Lehrer bekannt, die sich von den 1960er- bis in die 1990er-Jahre ereigneten.
In der deutschen Gesellschaft setzte eine breite Diskussion ein, die zu einer Neubewertung des Deliktes führte. Bagatellisierungen wurden verurteilt, und der Schutz der Opfer - einschließlich einer eventuellen Entschädigung - bekam einen hohen Stellenwert. Die Partei Bündnis 90/Die Grünen beauftragte 2013 die Universität Göttingen mit der Erforschung von Positionen zur Straffreiheit pädophiler Handlungen, wie sie auch von Teilen der Partei in ihrer Frühphase in den 1960er- und 1970er Jahren vertreten worden waren. Die Untersuchung ist noch nicht abgeschlossen.
Die folgenden Abschnitte sind noch gründlich zu überarbeiten.
Vorlage:Überarbeiten Papst Benedikt formulierte in der Predigt zum Abschluss des Anno sacerdotale am 11. Juni 2010:
"Daher ergab sich, dass eigens in diesem Jahr der Freude über das Sakrament des Priestertums die Sünden von Priestern ans Licht gekommen sind; vor allem der Abusus gegenüber den Kleinen, wodurch das Priestertum, als Auftrag der Sorge Gottes zugunsten des Menschen, in sein Gegenteil verkehrt wird. Auch Wir erflehen dringend die Vergebung von Gott und von den betroffenen Personen, überdies beabsichtigen Wir zu versprechen, dass Wir alles nur mögliche tun, dass so ein Abusus nie wieder vorkommen kann; zu versprechen, dass Wir im Zugang zum priesterlichen Dienst und in der Bildung auf dem Vorbereitungsweg dahin alles was Wir können auch tun, um die Echthheit der Berufung zu beobachten und dass Wir überdies die Priester auf ihrem Weg noch mnehr begleiten, auf dass Der Herr sie schütze und geleite in bedrängenden Situationen und den Gefahren des Lebens."
Entwicklung der Missbrauchskrise
Die Krise wurde dadurch öffentlich, dass der Jesuit P. Klaus Mertes (damals Direktor des Canisius-Kollegs in Berlin) sexuelle Übergriffe von Jesuiten an deren Internat "Aloisiuskolleg" in Bonn-Bad Godesberg bekannt machte - eine Tatsache, die im Orden selbst bereits bekannt war, aber zu keinen Konsequenzen geführt hatte.
Im Januar 2010 richtete P. Mertes einen Brief an rund 600 ehemalige Schüler des Canisius-Kollegs, von denen mehrere in den 1970-er und 1980-er Jahren mit Gewalt oder sexuell belästigt oder missbraucht worden waren. Die vom Jesuitenorden mit der Untersuchung beauftragte Anwältin Ursula Raue sprach Anfang Februar 2010 von etwa 30 Opfern. Über die Motive und Kriterien seiner Entscheidung gab Mertes in mehreren Interviews Auskunft, unter anderem im Berliner Tagesspiegel vom 3. Februar 2010. Auf die Vorhaltung, ob sein Vorgehen nicht gegen die Unschuldsvermutung (zugunsten der Beschuldigten) verstoßen könne, antwortete er: Man müsse erst einmal die Missbrauchsopfer "ermutigen", überhaupt zu sprechen.
Papstworte
- Pastoralbrief von Papst Benedikt XVI. an die Katholiken in Irland (19. März 2010)
- Weitere Papstdokumente
- dbk: Predigt von Papst Franziskus während einer Messe mit Missbrauchsopfern im Vatikan - „Ich verpflichte mich, keine Verletzung zu tolerieren“ (7. Juli 2014)
Literatur
- Deutsche Bischofskonferenz (Hrsg.): Aufklärung und Vorbeugung – Dokumente zum Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz (2., völlig überarbeitete und aktualisierte Auflage). Bonn 2014. (Arbeitshilfen, Nr. 246)
Weblinks
- Deutsche Bischofskonferenz: Zum Thema: Sexueller Missbrauch
- Der Missbrauchskandal auf Kath-info
- Gerechter Umgang mit Tätern des sexuellen Missbrauchs Kathnews am 31. Mai 2014 von Gero Weishaupt
Anmerkungen
<references />