Karl Rahner
Karl Rahner (5. März 1904 in Freiburg im Breisgau; † 30. März 1984 in Innsbruck) war Jesuit und, wie übrigens auch sein älterer Bruder Hugo Rahner SJ, einer der berühmtesten katholischen Theologen des 20. Jahrhunderts. Er lehrte als Professor an den Universitäten Innsbruck, München und Münster, verfasste als überaus produktiver theologischer Denker zahlreiche Aufsätze und viele Bücher. Fraglos ist er - neben Erich Przywara, Romano Guardini und Hans Urs von Balthasar - der bedeutendste deutschsprachige katholische Theologe des 20. Jahrhunderts. Zu seinen bekanntesten Schülern zählt Karl Lehmann, der Bischof von Mainz und langjährige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.
Inhaltsverzeichnis
Persönlichkeit
Zuvor zeitweilig unter Ordenszensur, wurde er 1962 zum Berater des Zweiten Vatikanischen Konzils berufen. Besondere Aufmerksamkeit widmete Rahner zu dieser Zeit dem Offenbarungsbegriff und der Wiederzulassung des ständigen Diakonats.
Während der ersten zehn Nachkonzilsjahre wurde Rahner, selber tief beeindruckt von Teilhard de Chardin SJ (+ 1955), für etliche Theologen zur Symbolfigur einer modernen Theologie. Seine zahlreichen Stellungnahmen waren stets "anlassbezogen". Der kritische Gehalt seiner Äußerungen fand dabei weit mehr Beachtung als seine konstruktiven Skizzen.
Auch die meisten Kritiker halten das ursprüngliche Anliegen, die katholische Dogmatik aus der begrifflichen Enge jesuitischer Theologie des 19. Jahrhunderts herauszuführen, weiterhin für berechtigt, insbesondere in der Konfrontation mit den heutigen Geisteswissenschaften. Der Leser vernimmt jedoch auch aus Stellungnahmen von Rahner-Freunden mitunter dieselbe Ratlosigkeit: So hat Karl Lehmann im LThK (3. Aufl.) sich redlich bemüht, einen systematischen Entwurf bei Rahner zu finden, räumt aber ein, dass vor allem die Rezeption des Spätwerks überaus schwierig sei. Zuletzt erschien 2004 ein Karl-Rahner-Lesebuch (Lehmann/Raffelt), das wohl Interesse für die Gesamtausgabe wecken möchte, in der wohl doch noch Interessantes zu suchen sein könnte (jedenfalls bis Bd. 15; Bd. 9 z.B. enthält Mariologisches). Warum das Alterswerk aber mit "Entfaltung" bzw. "Sammlung" überschrieben wird, bleibt undeutlich.
In seiner Münsteraner Vorlesung von 2006 über "Albertus Magnus und die Theologie" schien Karl Lehmann wiederum, ohne ihn zu erwähnen, nur über seinen Lehrer, Rahner, zu sprechen: Er versucht eine Rechtfertigung des Glaubens, der das Denken brauche, wenn er "sich selbst treu bleiben will".
Gerhard Ludwig Müller hingegen gelingt es in seiner Dogmatik jedenfalls die Rahner'sche Trinitätstheologie mit nur wenigen Worten zu würdigen und zu konsolidieren. Im Jahr 1980 riskierte Rahner eine Deutung des II. Vatikanum: "Das II. Vatikanische Konzil ist in einem ersten Ansatz, der sich erst tastend selber zu finden sucht, der erste amtliche Selbstvollzug der Kirche als Weltkirche" (Schriften XIV, S. 287-302 (288)).
Biographie
- 1922: Eintritt in den Jesuitenorden (SJ)
- 1924-1934: Ordensübliche Studien der Philosophie und Theologie
- 1936: Promotion (Dr. theol.) in Innsbruck
- 1937: Habilitation und Privatdozent in Innsbruck
- 1949: Ordentlicher Professor für Dogmatik an der Universität Innsbruck
- 1964-1967: Professor für Christliche Weltanschauung und Religionsphilosophie an der Universität München (so gen. Guardini-Lehrstuhl)
- 1967-1971: Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Universität Münster
Über Rahner
[Karl Rahner] "geht zutreffenderweise von der Grunderkenntnis aus, dass die Gnade wie die Offenbarung sich an den ganzen Menschen richten und diesen auch im ganzen als denkenden Menschen beanspruchen. Das gibt nach Rahner aber weder dem Theologen das Recht, seine Erkenntnis zu verabsolutieren (und das Wissen des Philosophen zu präjudizieren), noch erlaubt es der Philosophie, trotz ihres Charakters als Grundwissenschaft, eine heilschaffende adäquate Daseinsdeutung zu geben und die Offenbarung, die im Ganzen des Daseins faktisch immer mitgegeben ist, aus dem apriorischen Selbstverständnis des Menschen abzuleiten. So bleibt die Philosophie letztlich vor dem Eingang zum Glauben stehen und übt eine bedeutsame Hinweisfunktion auf das absolute Geheimnis Gottes aus, das die Theologie aufnimmt und erhellt.
Das ist indessen eine frühere Stufe in der Entwicklung und Bewältigung der Problematik [= Wörterbuch 1961, 288], die von traditionellen Vorstellungen nicht wesentlich abgeht. Auf einer späteren Stufe herrscht eine eigentümliche Einheitsauffassung vor, welche die Differenzierungen nicht mehr zur Auswirkung kommen lässt. Hier wird (im Gegensatz zu einer von der Tradition angeblich vertretenen Trennung der beiden verschiedenen Größen von Philosophie und Theologie) festgestellt, dass nach dem Prinzip der Zuordnung von Natur und Gnade "die Philosophie ein inneres Moment der Theologie" ist [= Schriften VI, 93 (1965)]. In diesem Sinne kann man auch die Aussage annehmen, dass das Hören der Offenbarung und die Theologie "notwendig Philosophie" implizieren. Daraufhin ist für den Gläubigen wie für den Theologen auch noch die Auskunft verständlich, dass die Philosophie in der einen (natürlich-übernatürlichen) Heilsordnung niemals gänzlich aus dem naturalen Wesen des Menschen allein argumentieren werde (....). Aber die weitere Folgerung ist auch für den Glauben wie für die Theologie schwerlich annehmbar. Wenn dann nämlich die als Bedingung der Offenbarung implizierte Philosophie auch inhaltlich als anonyme Christlichkeit bestimmt wird [= VI, 102] und daraufhin der noch entschiedenere Schluss gezogen wird, dass "in jeder Philosophie unvermeidlich, unthematisch Theologie getrieben" [ebd, 100] werde (....). Der Christ und Theologe wird gegenüber dieser eigentümlichen Verschränkung mit Recht die Frage stellen, ob Christentum und christliche Theologie "nicht etwas ganz anderes ist als die Annahme, sozusagen die Reduplikation des Daseins und seiner Reflexion" [so Ratzinger]; der Philosoph, der sein Anliegen unter ein anonymes Gnadengeschehen subsumiert sieht und sich missverstanden fühlen muss, wird antworten: Eine philosophische Theologie, die sich von vornherein auf den Boden des Christentums stellt, weil sie ihre Voraussetzungen nicht ernstlich fraglich macht, ist unphilosophisch [Weischedel]."
Aus: Leo Scheffczyk, Die Theologie und die Wissenschaften, Aschaffenburg 1979, S. 277-79.
Theologie
Ein Kommentar: Die Theologie Karl Rahners ist stark von der transzendentalen Wende in der Philosophie geprägt. Von daher ist bei Karl Rahner auch die Rezeption der Scholastik zu verstehen. Da ja im Grunde nur alle Theologie Gestaltwerdung von "Geist in Welt" sei. Jedes abstrakte Denken ist demnach Denken des Menschen. Von daher ist Karl Rahner ein Bekenner der Metapyhsik und wollte somit den Boden für Christen im 21. Jahrhundert bereiten. Die zeitlose Gestalt der Theologie (die als Gegenstand der Welt gegenübertritt und nicht auf formal logische Sätze reduziert werden kann, dennoch aber mit solchen arbeitet), liegt jeder Theologie, die solche bleiben will, zu Grunde. Das heißt: Die Aufgabe der Theologie ist die Ermöglichung des "Anderen", ein über sich hinaus weisen.
Die Theologie ermöglicht somit, dass sich das Denken verändert. Der Denker ist neuer Ausgangspunkt, der dadurch, dass er Denken denkt, das, weil es von mehreren bereits gedacht wurde, das Denken eines größeren Subjekts ist (i.e. lebendiger Leib Christi ... vom heiligen Geist getragener und sich immerdar in und durch diesen Geist erneuernde Kirche), den einzelnen Denker mit seinem Denken verändert: und damit auch die Art und Weise, wie das eine Zeitlose in der Welt gedacht wird. Der Mensch steht somit in einer Entwicklung.
In dieser Entwicklung stellt sich der christliche Mensch - in diesem Sinne - der Conversio (Metanoia, Umkehr). Für solche Denker gehen abstraktes Denken und die Umkehr des Denkers zusammen. Dass der Mensch damit nie an ein Ziel kommt, soll nicht etwa als ein Defizit zu sehen sein: Karl Rahner versteht den Menschen als Geheimnis. Es mache gerade das Menschliche aus, dass sich der Mensch immer Geheimnis bleibt. So war Karl Rahner zu Lebzeiten immer ein zweifelnder Theologe, einer, der nie müde wurde zu betonen, dass alles, was er über Gott sagte, IHN doch nicht treffen wurde. Nach seinem Tod ist nun aber der entscheidende hermeneutische Schlüssel für seine Theologie [was aber nur die "steile These" eines wiederum zweifelnden Theologen ist, der diesen Abschnitt schrieb:] dass hier das andere Denken gedacht wurde.
Mit diesem vertrauenden [unkritischen] Vorschuss an Sympathie lohnt es sich vielleicht, dieses Werk nach-zu-denken, den Spuren dieses Werkes zu folgen und über die Phänomene, über das Offensichtliche, über konkrete Existenzen, wie eben die des Karl Rahner, über die Schriften, die er uns überließ, die Nachdenken der heiligen Schrift sind, hinweg zu kommen. Den ehrlich leidenden Menschen vermag das Erleben dieses Denkens hin zur "seligen Weih-nacht, die bereist innerlich durchleuchtet, den ewigen Tag verheißt" [Quelle?] zu führen.
Ein Weg aus der Enge und Verbitterung und Resignation jeder menschlichen Existenz, ein Weg der Metanoia, der Umkehr hin zu Gott, der allumfassenden Liebe, welche allein der Christenmensch zu respektieren hat.
Kritik
Außer Leo Scheffczyks Kritik über die Schöpfungstheologie [1] gehören zu seinen Kritikern u.a. Bernhard Lakebrink, Leo Elders, David Berger, Walter Hoeres, Thomas Ruster, Paul Hacker und Dietrich von Hildebrand. Dieser bemängelt die Unverständlichkeit der Rahnerschen Sprache [2].
Literatur (Auswahl)
- Geist in Welt, 1939
- Hörer des Wortes, 1941
- Sendung und Gnade, 1959
- Die vielen Messen und das eine Opfer, Freiburg 1966.
- Grundkurs des Glaubens, 1976
Aus der Sekundärliteratur
- Hans Küng widmet Rahner einigen Aufwand in seinen Memoiren, äußert sich über die große Enttäuschung, die dieser darstelle und bezeichnet Rahner als letztlich unfähig, aus der Enge der Neuscholastik auszubrechen, da er mit seinen philosophisch-spekulativen Einfällen weder der "Geschichte" noch der Bibelexegese genügend Respekt entgegenbringe.
- David Berger hat sich mit den 2004 von ihm herausgegebenen "kritischen Annäherungen" an Karl Rahner die Kritik des Rahnerschülers Herbert Vorgrimler zugezogen. Näheres siehe dort. Berger versuchte nachzuweisen, daß Rahner kein "Kirchenlehrer", sondern ein "Ketzer" war und schloß mit einer Forderung an die römische Glaubenskongregation: "War jemals ein Zeitpunkt für die genannte amtliche Relecture so sehr geeignet wie der jetzige, an dem einer der besten Kenner des Rahnerschen Denkens und seiner schweren Sprache der dafür zuständigen Kongregation vorsteht? Und wäre dies, gerade wegen der für diesen Fall anzunehmenden Proteste und Drohungen, nicht ein großartiges Zeichen jener selbstlosen intellektuellen Nächstenliebe, die doch deren ureigner Auftrag ist?" (s.u.) Bisher ist die Glaubenskongregation dieser Aufforderung noch nicht nachgekommen. Der "Fall Rahner" bleibt ungelöst.