Anna Katharina Emmerich: Geheimnisse des Alten Bundes

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EMMERICK - VISIONEN
Das arme Leben und bittere Leiden unseres Herrn Jesus Christus und seiner heiligsten Mutter Maria nebst den Geheimnissen des Alten Bundes nach den Visionen der gottseligen Anna Katharina Emmerick

aus den Tagebüchern des Clemens Brentano, Herausgegeben von Pater C. E. Schmöger von der Kongregation des allerheiligsten Erlösers (CSSR), Mit kirchlicher Druckerlaubnis, 1. Band des 4 Bände umfassenden Gesamtwerkes, Immaculata Verlag Reussbühl / Luzern 1970 (414 Seiten, Erste Auflage; Seiten: 129-271).

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DIE SCHÖPFUNG

Imprimatur, Würzburg am 24. September 1969, Wittig, Generalvikar.

Altes Testament Einheitsübersetzung 1979 Teil A, Altes Testament Einheitsübersetzung 1979 Teil B.
Katholisches Religionsbüchlein#Altes Testament

0. Einleitung

Anna Katharina erzählte von den Gesichten ihrer frühesten Jugend: Als ich in meinem fünften bis sechsten Jahre den ersten Artikel des katholischen Glaubensbekenntnisses betrachtete: «Ich glaube an Gott Vater den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde», da kamen mir allerlei Bilder von der Erschaffung des Himmels und der Erde vor die Seele. Ich sah den Sturz der Engel, die Erschaffung der Erde und des Paradieses, Adams und Evas und den Sündenfall. Ich dachte nicht anders, als dies sehe ein jeder Mensch so, wie die anderen Dinge um uns her, und so erzählte ich dann meinen Eltern, Geschwistern und Gespielen ganz unbefangen davon, bis ich merkte, dass man mich auslachte und fragte, ob ich ein Buch habe, worin das alles stehe. Da fing ich nach und nach an, von diesen Dingen zu schweigen und dachte, es schicke sich wohl nicht, von solchen Sachen zu reden. Ohne mir jedoch besondere Gedanken darüber zu machen. Ich habe diese Gesichte gehabt sowohl bei Nacht, als auch bei hellem Tag im Feld, im Haus, gehend, arbeitend, unter allerlei Geschäften. Als ich einmal in der Schule ganz arglos anders, als es gelehrt wurde, von der Auferstehung sprach und zwar mit Gewissheit und in der unbefangenen Meinung, das müsse jedermann auch so wissen, wie ich, und gar nicht ahnend, dass dies eine persönliche Eigenschaft von mir sei, wurde ich von den Kindern mit Verwunderung ausgelacht und bei dem Magister verklagt, der mich ernstlich ermahnte, solche Vorstellungen mir nicht einzubilden. Ich sah aber diese Gesichte stillschweigend fort, wie ein Kind, das Bilder betrachtet und sich dieselben auf seine Weise auslegt, ohne viel zu fragen, was dieses und jenes bedeute. Weil ich nun öfter die gewöhnlichen Heiligenbilder oder Darstellungen aus der biblischen Geschichte bald so, bald anders dieselben Gegenstände vorstellen sah, ohne dass dies irgend eine Änderung in meinem Glauben gemacht hätte, so dachte ich, die Gesichte, die ich habe, sind mein Bilderbuch und betrachtete dieses in allem Frieden und machte immer die gute Meinung dazu: Alles zur größeren Ehre Gottes! Ich habe nie etwas in geistlichen Dingen geglaubt, als was Gott der Herr geoffenbart hat und durch die heilige katholische Kirche zu glauben vorstellt, es sei solches ausdrücklich geschrieben oder nicht. Und nie habe ich das, was ich in Gesichten gesehen, ebenso geglaubt. Ich sah diese an, wie ich hie und da verschiedene Weihnachtskrippen andächtig betrachtete, ohne an der einen durch die Verschiedenheit der andern gestört zu werden. Ich betete in einer jeden nur dasselbe liebe Jesuskindlein an, und so ging es mir auch bei diesen Bildern von der Schöpfung Himmels und der Erde und des Menschen. Ich betete Gott den Herrn, den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erde darin an.

1. Sturz der Engel

Zuerst sah ich einen unbegrenzten Raum voll Licht vor mir aufgehen und hoch in demselben wie eine lichtere Kugel gleich einer Sonne und in derselben, fühlte ich, sei die Einigkeit von Dreien. Ich nannte es in mir die Einstimmung und sah aus ihr wie eine Wirkung. Da entstanden unter der Kugel wie in einander liegende leuchtende Kreise, Ringe, Chöre von Geistern unendlich leuchtend und kräftig und schön. Diese Lichtwelt stand wie eine Sonne unter jener höheren Sonne.

Erst bewegten sich diese Chöre alle wie in Liebe aus der höheren Sonne. Auf einmal sah ich einen Teil aus allen Kreisen stillstehen in sich, versenkt in eigene Schönheit. Sie empfanden eigene Lust, sahen alle Schönheit in sich, sie besannen sich, sie waren bei sich.

Erst waren sie alle in höherer Bewegung außer sich. Nun stand ein Teil still in sich. Und in demselben Augenblick sah ich diesen ganzen Teil der leuchtenden Chöre niederstürzen und sich verfinstern und die anderen gegen sie hindringen und ihre Räume ausfüllen, die nun kleiner waren. Doch sah ich nicht, als ob sie dieselben aus der Figur des Bildes ausschweifend verfolgten. Jene standen still in sich, stürzten ab und die NichtstilIgestandenen drangen in ihren Raum und alles dieses war zugleich.

Da sie niedergestürzt waren, sah ich unten eine Schattenscheibe entstanden, als sei dies ihr Aufenthalt. Ich wusste, sie seien in eine ungeduldige Form gefallen. Der Raum aber, welchen sie jetzt unten einnahmen, war weit kleiner, als der, den sie oben eingenommen hatten, so dass sie mir viel enger zusammengedrängt erschienen.

Seit ich diese als Kind hatte niederfallen sehen, war ich bei Tag und bei Nacht bange vor ihrem Wirken und dachte immer, sie müssten der Erde viel schaden. Sie sind immer rund um sie her. Gut, dass sie keine Körper haben, sie würden sonst die Sonne verfinstern und man würde sie immer wie Schatten vor derselben schweben sehen. Das wäre entsetzlich.

Gleich nach dem Sturz sah ich, dass die Geister der leuchtenden Ringe sich vor dem Gotteskreise demütigten, untertänig wurden und flehten, das Niedergestürzte möge wieder hergestellt werden.

Hierauf sah ich ein Bewegen und Wirken in dem Gottes-Lichtkreise, der bis dahin stille gestanden, und, wie ich gefühlt, auf dieses Bitten gewartet hatte.

Nach dieser Handlung der Geisterchöre ward ich inne, nun sollten sie fest bleiben und nicht mehr zerfallen können. Es wurde mir aber bewusst, dass dies Gottes Erklärung und ewiger Ausspruch gegen sie war: bis diese gefallenen Chöre wieder hergestellt seien, so lange solle Streit sein. Und ich sah diese Länge für meine Seele ganz unendlich lang, ja wie unmöglich. Der Kampf aber solle auf Erden sein und dort oben solle kein Kampf mehr sein, das befestige Er.

Nach diesem Innewerden konnte ich kein Mitleid mehr mit dem Teufel haben. Denn ich habe ihn aus freiem bösem Willen sich mit Gewalt niederstürzen sehen. Auch konnte ich nicht auf Adam so böse sein. Ich hatte immer großes Mitleid mit ihm. Denn ich dachte immer, es sei ja vorhergesehen.

2. Erschaffung der Erde

Gleich nach dem Flehen der gebliebenen Geisterchöre und nach der Bewegung in der Gottheit, sah ich neben der Schattenscheibe, die unten entstanden war, zur Rechten nicht weit voneinander getrennt, eine dunkle Kugel entstehen.

Nun heftete ich meine Augen mehr auf diese dunkle Kugel rechts von der Schattenscheibe und sah eine Bewegung in derselben, als würde sie größer und größer und sah lichtere Punkte aus der Maß hervordringen und sie wie helle Bänder umziehen und hie und da in breitere helle Flächen austreten. Zugleich sah ich die Gestalt des hervortretenden Landes sich gegen das Wasser abgrenzen. Dann sah ich in den lichten Stellen eine Bewegung, als würde in ihnen was lebendig. Und auf den Landflächen sah ich Gewächse hervordringen und zwischen diesen auch lebendiges Gewimmel entstehen. Ich dachte noch als Kind, die Pflanzen bewegten sich.

Bisher war alles grau gewesen, nun wurde alles lichter, und ich sah wie Sonnenaufgang. Es war, als wie es am frühen Morgen ist auf der Erde, und als erwache alles aus dem Schlafe.

Alles andere von dem Bilde verschwand mir. Der Himmel war blau, die Sonne zog an ihm hervor. Ich sah einen Teil der Erde allein von ihr beschienen und erleuchtet und diesen ganz herrlich und lustig und dachte, dies ist das Paradies.

Alles aber, wie es sich auf der dunkeln Kugel veränderte, sah ich gleich einem Ausströmen aus jenem höchsten Gotteskreise. Es war, als die Sonne höher stieg, alles wie morgens im Erwachen; aber es war der erste Morgen und doch wusste dies kein Wesen. Sie waren, als seien sie ewig da gewesen, sie waren in Unschuld.

Wie die Sonne stieg, sah ich auch die Bäume und Pflanzen größer geworden und immer größer werdend. Das Wasser war heller und heiliger, alle Farben waren reiner und leuchtender, alles war unaussprechlich angenehm. Es war auch keine Spur da, wie jetzt die Geschöpfe sind. Alle Pflanzen, alle Blumen und Bäume hatten andere Figuren. Jetzt sieht alles ganz wüst und verkrüppelt dagegen aus, es ist jetzt alles, wie ganz ausgeartet.

Oft wenn ich in unserem Garten Pflanzen oder Früchte sah, welche ich in südlichen Ländern ganz anders, groß, edel und schmackhafter gesehen, wie z. B. Aprikosen, dachte ich, was diese unsere Früchte gegen die Südfrüchte, das sind die Südfrüchte und noch viel schlechter gegen die Früchte des Paradieses. Rosen sah ich darin, weiße und rote, und dachte dabei, sie bedeuten das Leiden Christi und die Erlösung. Auch sah. ich Palmbäume und große breite Bäume, welche einen weiten Schatten warfen, wie ein Dach.

Ehe ich die Sonne sah, war alles ganz klein an der Erde, nachher größer und endlich ganz groß.

Die Bäume standen nicht dicht. Ich sah von jeder Art der Gewächse, der größeren wenigstens, nur eines, und sah sie getrennt stehen, wie man auf Gartenbeeten die Gattungen erst aussetzt. Alles war übrigens ganz grün und auf eine Art rein, unzerstört und unzerrissen, die gar nicht an menschliches Aufräumen und Reinigen erinnerte. Ich dachte noch, wie ist alles so schön, da noch keine Menschen da sind! Es ist noch keine Sünde, keine Zerstörung, kein Zerreissen dagewesen. Hier ist alles heil und heilig, hier ist noch nichts geheilt und geflickt, hier ist alles rein und nicht gereinigt.

Die Fläche, die ich sah, war sanft hügelig und durchaus mit Gewächsen überzogen. In der Mitte aber war eine Quelle, aus welcher sich Flüsse nach allen Seiten ergossen, deren einige wieder ineinander flossen. In diesen Gewässern bemerkte ich zuerst Bewegung und lebendige Tiere. Dann aber sah ich die Tiere hie und da zwischen den Büschen und Sträuchern, wie aus dem Schlafe sich erheben und hervorgucken. Sie waren nicht scheu und ganz anders, als jetzt. Ja sie waren gegen die jetzigen Tiere schier wie Menschen. Sie waren rein, edel, schnell, freudig und sanft. Es ist nicht auszusprechen, wie sie waren. Die meisten Tiere waren mir fremd. Ich sah schier keine wie jetzt. Den Elephanten, Hirsch, das Kamel sah ich und besonders das Einhorn, welches ich auch in der Arche gesehen habe, wo es besonders liebevoll und sanft war. Es war kürzer als ein Pferd und hatte einen runderen Kopf. Ich sah keine Affen, keine Insekten und elende hässliche Tiere. Ich dachte immer, diese seien eine Sündenstrafe. Ich sah viele Vögel und hörte den lieblichsten Gesang, wie am Morgen. Aber ich hörte keine Tiere brüllen und sah keinen Raubvogel.

Das Paradies besteht noch immer. Es ist aber den Menschen ganz unmöglich, dahin zu gelangen. Ich habe gesehen, wie es noch in seinem Glanze besteht, hoch droben, schräg von der Erde abgesondert, wie die finstere Scheibe des Engelsturzes vom Himmel.

3. Adam und Eva

Ich sah Adam nicht im Paradies erschaffen, sondern in der Gegend vom nachmaligen Jerusalem. Ich sah ihn glänzend und weiß aus einem gelben Erd-Hügel hervorgehen, wie aus einer Form. Die Sonne schien, und ich dachte, da ich als Kind dies sah, die Sonne scheint den Adam aus dem Berge heraus. Er wurde wie von der Erde geboren, die eine Jungfrau war. Gott segnete sie und sie ward seine Mutter. Er trat nicht plötzlich aus der Erde, es währte einige Zeit, bis er hervortrat. Er lag in dem Hügel auf seiner Linken, den Arm über den Kopf geschlungen, und war mit leichtem Nebel wie mit Flor bedeckt. Ich sah eine Figur in seiner Rechten und ward inne, dass es Eva sei, welche im Paradies von Gott aus ihm hervorgezogen wurde. Gott rief ihn, und es war, als tue der Erdhügel sich auseinander, und Adam trat allmählich hervor. Es waren keine Bäume, sondern nur kleine Blumen umher. Auch die Tiere hatte ich in lauter Einheiten aus der Erde hervorkommen sehen und dann die weiblichen sich daraus absondern.

Ich sah, dass Adam weit hinweg nach einem hoch liegenden Garten, dem Paradies getragen wurde.

Gott führte ihm im Paradies die Tiere vor. Adam nannte sie und sie folgten ihm und spielten um ihn. Alles war vor der Sünde ihm dienend. Eva war noch nicht aus ihm herausgebildet. Alle Tiere, die er genannt, folgten ihm später auf die Erde nach.

Ich sah den Adam im Paradies, nicht weit vom Quell in der Mitte des Gartens, sich wie aus dem Schlafe zwischen Blumen und Kräutern emporheben. Er war weiß schimmernd. Sein Leib aber hatte doch mehr dem Fleisch, als einem Geist ähnliches. Er wunderte sich über nichts, auch über sich selbst nicht. Er ging, als sei er an alles gewöhnt, zwischen den Bäumen und Tieren umher, wie jemand, der seine Felder besieht.

Ich sah Adam an dem Hügel bei dem Baum am Wasser auf der linken Seite mit der Linken unter der Wange liegend. Gott senkte Schlaf auf ihn und er war entzückt in Gesichten.

Da zog Gott aus Adams rechter Seite Eva an der Stelle hervor, wo die Seite Jesu durch die Lanze eröffnet wurde. Ich sah Eva fein und klein. Sie ward schnell größer, bis sie vollkommen groß und schön war. Ohne den Sündenfall würden alle Menschen so in sanftem Schlafe geboren worden sein.

Der Hügel wich auseinander, und ich sah an Adams Seite einen Fels wie von kristallförmigen Edelsteinen entstehen, an der Seite Evas aber ein weißes Tal, wie mit feinem weißem Fruchtstaub bedeckt.

Als Eva gebildet war, sah ich, dass Gott Adam etwas gab oder zufließen ließ. Es war, als flössen von Gott, in Menschenform erscheinend, aus Stirne, Mund und Brust und Händen Lichtströme und einigten sich zu einem Lichtballen, der in die rechte Seite Adams einging, aus welcher Eva genommen war. Adam empfing dies allein. Es war dies der Keim des Segens Gottes. In diesem Segen war eine Dreiheit. Der Segen, den Abraham von dem Engel empfing, war Eines, das in gleicher Form, doch nicht so leuchtend erschien.

Eva stand aufgerichtet vor Adam, und dieser gab ihr die Hand. Sie waren wie zwei Kinder, unaussprechlich schön und edel. Sie waren ganz leuchtend, mit Strahlen bekleidet, wie mit einem Flor. Aus dem Munde Adams sah ich einen breiten Lichtstrom leuchten und auf seiner Stirne wie ein ernstes Antlitz. Um seinen Mund war eine Strahlensonne, um Eva's Mund war dieses nicht. Das Herz sah ich ziemlich wie jetzt im Menschen, die Brust aber war mit Strahlen umgeben und mitten im Herzen sah ich eine leuchtende Glorie und darin ein kleines Bild, als halte es etwas in der Hand. Ich meine, es sei die dritte Person in der Gottheit dadurch bedeutet gewesen. Auch aus ihren Händen und Füßen sah ich Lichtstrahlen fließen. Ihre Haare fielen in fünf leuchtenden Strahlenbündeln vom Haupte nieder, zwei von den Schläfen, zwei hinter der Ohrengegend, einer am Hinterhaupte.

Ich habe immer die Empfindung gehabt, durch die Wunden Jesu seien Pforten des menschlichen Leibes geöffnet worden, welche durch den Sündenfall verschlossen worden waren, und dass Longinus an der Seite Jesu die Pforte der Wiedergeburt zum ewigen Leben geöffnet habe. Darum ist keiner in den Himmel eingegangen, ehe diese Pforte geöffnet war.

Die leuchtenden Strahlenbündel auf dem Haupte Adams sah ich als seinen Überfluss, seine Glorie, seinen Bezug auf andere Ausstrahlungen. Und diese Glorie stellt sich an den verklärten Seelen und Leibern wieder her. Unsere Haare sind die gefallene, erloschene, erstarrte Glorie, und wie unser jetziges Haar zum Strahl, so verhält sich unser jetziges Fleisch zum Fleisch Adams vor dem Fall. Die Strahlensonne um Adams Mund hatte Beziehung auf den Segen heiliger Nachkommenschaft aus Gott, welcher ohne den Sündenfall durch das Wort gewirkt haben würde.

Adam reichte Eva die Hand. Sie gingen von dem schönen Orte der Entstehung Evas durch das Paradies, alles betrachtend und Freude daran habend. Jener Ort war der höchste im Paradies, alles war Glanz und Licht daselbst mehr, als irgendwo.

4. Der Baum der Lebens und der Baum der Erkenntnis

Mitten in dem leuchtenden Garten sah ich ein Wasser und in demselben eine Insel, die auf einer Seite mit dem Land durch einen Damm zusammenhing. Diese Insel und auch der Damm war voll schöner Bäume. Aber in der Mitte der Insel stand ein schöner Baum, der alle anderen überragte und gleichsam beschützte. Seine Wurzel war der Boden der Insel. Er überdeckte die Insel und nahm von großer Breite leise bis zu einer feinen Spitze ab. Seine Äste streckten sich gerade aus, und von diesen stiegen wieder Zweige wie kleine ähnliche Bäume in die Höhe. Die Blätter waren fein, die Früchte waren gelb und saßen in einer Blätterhülse, wie eine aufgehende Rose. Der Baum hatte etwas wie die Zedern. Ich erinnere mich nicht, jemals Adam oder Eva, oder ein Tier auf dieser Insel bei dem Baum gesehen zu haben, wohl aber sehr schöne, edle, weiße Vögel, welche ich in seinen Zweigen singen hörte. Dieser Baum war der Baum des Lebens.

Gerade vor dem Damm, der auf die Insel führte, stand der Baum der Erkenntnis. Der Stamm war geschuppt, wie bei Palmen. Die Blätter wuchsen unmittelbar vom Stamm aus, waren sehr groß und breit und von der Form wie Schuhsohlen. Vorne in den Blättern verborgen hingen die Früchte zu fünf in einer Traube beisammen, eine voraus und vier um ihren Stiel. Die gelbe Frucht hatte weniger die Gestalt von einem Apfel, sie war mehr birn- oder feigenartig gebildet, hatte fünf Rippen und ihr Butzen glich einem Nabel. Das Innere der Frucht war weich wie bei den Feigen, von der Farbe braunen Zuckers, mit blutroten Adern durchzogen. Der Baum war oben breiter als unten, die Zweige senkten sich tief zur Erde nieder. Ich sehe die Gattung dieses Baumes noch in den heißen Ländern. Er senkt Schösslinge seiner Zweige zur Erde nieder, wo sie Wurzel fassen und zu neuen Stämmen emporschießen, welche wieder so fortwuchern, so dass ein solcher Baum oft eine große Strecke mit dichten Lauben bedeckt, unter welchen große Familien leben.

Eine Strecke zur Rechten des Baumes der Erkenntnis sah ich einen kleinen eirunden, sanft abhängigen Hügel von schimmernden roten Körnern und allerlei farbigen Edelsteinen. Er war gestuft mit Kristallformen. Um ihn her waren feine Bäume gerade hoch genug, dass man ungesehen auf dem Hügel sein konnte. Auch Kräuter und andere Gewächse waren darum her. Diese Bäume und Gewächse hatten Blüten und Früchte, die kräftig und farbig waren.

Eine Strecke zur Linken des Baumes der Erkenntnis sah ich eine Vertiefung, ein kleines Tal. Es war wie von weißer, zarter Erde oder von Nebel, mit weißen Blümchen und Fruchtstaub bedeckt. Auch an dieser Seite waren mancherlei Gewächse, sie waren aber farbloser und hatten mehr wie Staub als Frucht.

Es war, als hätten die beiden Orte einen Bezug aufeinander, als sei der Hügel aus dem Tal genommen, oder als solle von ihm in das Tal gelegt werden. Sie waren wie Saat und Acker. Die beiden Orte erschienen mir heilig. Ich sah sie beide, besonders aber den Hügel leuchtend. Zwischen ihnen und dem Baum der Erkenntnis waren mancherlei kleine Bäumchen und Büsche. Alles dieses, wie überhaupt die ganze Natur, war wie durchsichtig und von Licht.

Diese beiden Orte waren die Aufenthaltsstellen der ersten Eltern. Der Baum der Erkenntnis war wie eine Absonderung zwischen ihnen. Ich meine, Gott hat nach der Schöpfung Evas ihnen diese Orte angewiesen.

Ich sah sie anfangs auch wenig zusammen gehen. Ich sah sie ganz ohne Begierde, und jedes an seiner Stelle sich ergehen. Die Tiere waren unbeschreiblich edel und leuchtend und dienten ihnen. Die Tiere hatten alle nach ihren Arten bestimmte Aufenthaltskreise, Wohnungen, Wege und Absonderungen, und alle diese Kreise hatten ein großes Geheimnis des göttlichen Gesetzes und Zusammenhanges in sich.

DIE SÜNDE UND IHRE FOLGEN

1. Der Sündenfall

Ich sah, wie Adam und Eva zum ersten Mal durch das Paradies wandelten. Die Tiere traten ihnen entgegen und begleiteten sie. Sie hatten mehr mit Eva zu tun, als mit Adam. Eva hatte überhaupt mehr mit der Erde und den Geschöpfen zu tun, sie schaute mehr nieder und um sich her und schien neugieriger. Adam war stiller und mehr zu Gott empor gerichtet. Unter allen Tieren aber war eines, das sich mehr an Eva anschloss, als alle. Es war ein ungemein freundliches, schmeichelndes, geschmeidiges Tier. Ich kenne keines, mit dem ich es vergleichen könnte. Es war ganz glatt und dünn und als habe es gar keine Knochen, seine Hinterfüße waren kurz und es lief aufrecht auf denselben. Es hatte einen spitzen Schweif an die Erde hängend. Hoch oben nah am Kopfe hatte es kurze kleine Pfoten. Der Kopf war rund und ungemein klug. Es hatte eine feine bewegliche Zunge. Die Farbe seines Bauches, der Brust und des Halses war weißgelb und den ganzen Rücken hinauf war es braun gewolkt, fast wie ein Aal. Seine Höhe war etwa die eines zehnjährigen Kindes. Es war immer um Eva herum und so schmeichelnd und zierlich, so beweglich und hin und her zeigend, dass Eva großes Vergnügen an ihm hatte. Dieses Tier hatte aber für mich doch etwas Schreckliches, und ich sehe es immer noch deutlich vor Augen. Ich sah nicht, dass es Adam oder Eva berührten. Es war vor dem Falle zwischen Menschen und Tieren ein großer Abstand. Ich sah die ersten Menschen kein Tier berühren. Waren die Tiere auch vertrauter zu den Menschen, so waren sie doch getrennter.

Als Adam und Eva wieder auf den glänzenden Ort zurückkehrten, trat eine leuchtende Gestalt, wie die eines ernsten Mannes mit weißglänzenden Haaren zu ihnen und schien ihnen, mit kurzen Worten umherzeigend, alles zu übergeben und etwas zu befehlen. Sie waren nicht scheu, sondern hörten ihn unbefangen an. Als er verschwand, schienen sie zufriedener, glücklicher, sie schienen mehr zu verstehen und mehr Ordnung in allem zu finden. Denn sie fühlten nun Dank. Adam aber mehr, als Eva, welche mehr an das Glück und die Dinge dachte, als an den Dank. Sie war nicht so in Gott, wie Adam, sie war mehr in der Natur mit ihrer Seele. Ich meine, sie sind dreimal durch das Paradies gewandelt.

Nun sah ich Adam dankend und bewundernd wieder auf dem leuchtenden Hügel, an dem er im Schlafe entzückt war, als Gott die Frau aus seiner Seite bildete. Adam stand allein unter den Bäumen. Eva sah ich dem Baum der Erkenntnis sich nahen, als wolle sie vorübergehen. Das Tier war wieder bei ihr und noch schmeichelnder und bewegter, und sie ward ganz eingenommen von der Schlange und hatte großes Wohlgefallen an ihr. Die Schlange stieg nun an dem Baum so hoch, dass ihr Kopf dem der Eva gleich kam, sie hielt sich mit den Füßen an dem Stamm, wendete den Kopf gegen Evas Haupt sprechend: wenn sie von der Frucht des Baumes essen würden, würden sie frei und keine Sklaven mehr sein und wissen, weIches die Art ihrer Vermehrung sei. Sie hatten das Wort ihrer Vermehrung schon empfangen. Aber ich vernahm, dass sie noch nicht erkannten, wie Gott es wolle, und dass, wenn sie es gewusst hätten und doch in die Sünde gefallen wären, die Erlösung nicht möglich sein würde. Eva ward immer nachdenkender und begieriger nach dem, was das Tier sagte. Es ging in ihr etwas vor, was sie niedriger machte. Es ward mir bange. Nun schaute sie nach Adam, der noch ganz ruhig unter den Bäumen stand, und rief ihm, und er kam.

Eva ging ihm entgegen und wieder zurück. Es war ein Zögern, eine Unruhe in ihr. Sie ging wieder, als wolle sie an dem Baum vorüber. Aber sie näherte sich ihm von der linken Seite und stand hinter ihm von seinen langen niederhängenden Blättern bedeckt. Der Baum war oben breiter, als unten und die breiten Blattzweige hingen tief gegen die Erde nieder. Es hing, wo Eva stand, eine besonders schöne Frucht.

Als Adam kam, fasste ihn Eva an dem Arme und zeigte nach dem sprechenden Tiere, und Adam hörte auch zu. Da sie ihn am Arme fasste, berührte sie ihn zum ersten Mal. Er berührte sie nicht, aber es ward finsterer um sie.

Ich sah, dass das Tier die Frucht zeigte, aber nicht wagte, sie der Eva zu brechen. Als aber Eva nach der Frucht gelüstete, brach sie das Tier und reichte sie ihr. Es war die mittelste schönste Frucht von fünf zusammenhängenden Früchten.

Ich sah, dass Eva nun Adam mit der Frucht nahte und sie ihm gab, und dass ohne dessen Einwilligung die Sünde nicht geschehen sein würde. Ich sah, als zerbreche die Frucht in der Hand Adams und als sehe er Bilder in derselben. Es war, als würden sie inne, was sie nicht wissen sollten. Das Innere der Frucht war blutfarben mit Adern durchzogen. Ich sah, dass sie sich verfinsterten und in ihrer Gestalt sanken. Es war, als weiche auch die Sonne. Das Tier stieg vom Baum nieder, ich sah es auf allen Vieren weglaufen.

Ein Essen der Frucht mit dem Mund wie jetzt, habe ich nicht gesehen. Aber die Frucht verschwand zwischen ihnen.

Ich sah, dass Eva schon sündigte, indem die Schlange auf dem Baume saß, denn ihr Wille war bei ihr. Ich erfuhr dabei, was ich nicht vollkommen wiederzugeben vermag. Es war, als sei die Schlange die Gestalt und Figur ihres Willens, wie eines Wesens, womit sie alles machen und erreichen konnten. Hier hinein fuhr der Satan.

Durch das Genießen der verbotenen Frucht war die Sünde nicht vollendet. Aber diese Frucht von dem Baum, der seine Zweige in die Erde senkt und immer wieder auf solche Weise neue Pflanzen auftreibt, die ebenso tun auch nach dem Fall, enthielt den Begriff eigenmächtiger Fortpflanzung, eines sinnlichen, von Gott trennenden Einpflanzens in sich. So ging aus ihrem Genuss mit dem Ungehorsam das Trennen der Kreatur von Gott und das Pflanzen in sich und durch sich und die selbstische Begierde in die menschliche Natur. Der in der Nießung in sich aufgenommene Begriff der Frucht hatte als seine Folge die Umkehrung, die Erniedrigung der Natur und die Sünde und den Tod.

Der Segen heiliger und reiner Mehrung aus Gott und durch Gott, den Adam nach der Bildung Evas empfangen hatte, war wegen dieses Genusses ihm wieder entzogen worden. Denn ich sah, als Adam seinen Hügel verließ, um zu Eva zu gehen, als greife der Herr hinter ihm her und als nehme Er ihm etwas hinweg. Es war mir, als werde das Heil der Welt daraus kommen.

Als ich einmal am Fest der heiligen unbefleckten Empfängnis ein Bild dieses Geheimnisses von Gott erhielt, sah ich in Adam und Eva das leibliche und seelische Leben aller Menschen miteingeschlossen, und wie es durch den Fall verderbt und mit Bösem vermischt wurde, und die gefallenen Engel darüber Gewalt bekamen. Ich sah aber die zweite Person der Gottheit wie mit einer krummen Schneide herabkommen und dem Adam, bevor er in die Sünde willigte, den Segen nehmen. In demselben Augenblick sah ich aus Adams Seite die Jungfrau wie ein lichtes Wölklein zu Gott in die Herrlichkeit emporschweben.

Durch den Genuss der Frucht wurden Adam und Eva wie berauscht und in der Einwilligung in die Sünde ging eine große Veränderung mit ihnen vor. Es war aber die Schlange bei ihnen, sie waren von ihrem Wesen durchdrungen, und es kam das Unkraut unter den Weizen.

Es wurde die Beschneidung als Strafe und Sühne eingesetzt. Wie aus dem Weinstock der erste Zweig geschnitten wird, auf dass der Wein nicht wild, sauer und unfruchtbar werde, so musste es ähnlich am Menschen geschehen, als er wieder veredelt werden sollte. Als mir einmal die Heilung des Falles in Bildern gezeigt wurde, da sah ich Eva aus Adams Seite hervorsteigend schon den Hals nach der verbotenen Frucht hin verlängern und schnell nach dem Baum hineilen und ihn umfassen. Ich sah aber in einem Gegenbild Jesus von der unbefleckten Jungfrau geboren gleich nach dem Kreuze laufen und seinen Stamm umfassen und sah, wie die durch Eva verfinsterte und sich zersplitternde Nachkommenschaft durch das Leiden Jesu gereinigt wurde, und dass mit den Schmerzen der Buße die finstere Eigenlust aus dem Fleisch herausgearbeitet werden muss. Die Worte der Epistel (Sonntag Laetare aus Gal. 4 30. 31), dass der Sohn der Magd nicht Miterbe sein solle, habe ich immer so verstanden, dass unter der Magd das Fleisch und die knechtische Unterwürfigkeit darunter gemeint sei. Die Ehe ist ein Stand der Buße und fordert Entsagung, Beten, Fasten, Almosengeben und die Absicht, das Reich Gottes zu mehren.

Vor der Sünde waren Adam und Eva ganz anders beschaffen, als wir elende Menschen es jetzt sind. Mit der verbotenen Frucht aber nahmen sie ein Form- und Sache-Werden in sich auf, und was geistig war, ward Fleisch, Sache, Werkzeug, Gefäß. Sonst waren sie eins in Gott, sie wollten sich in Gott. Jetzt sind sie getrennt im eigenen Willen, und dieser Eigenwille ist Eigenlust, Sündenlust, Unreinheit. Durch den Genuss der verbotenen Frucht wendete sich der Mensch von seinem Schöpfer, und es war, als nehme er die Schöpfung in sich selber auf. Alle Kräfte und Wirkungen und Eigenschaften und deren Verkehr miteinander und mit der ganzen Natur wurden im Menschen zu körperlichen Sachen von allerlei Gestalten und Verrichtungen.

Zuvor war er aus Gott der Herr der ganzen Natur. Jetzt war in ihm alles zur Natur geworden, er war ein von seinem Diener unterjochter und gefesselter Herr und muss nun mit ihm ringen und kämpfen. Ich kann es nicht recht aussprechen: es war, als hätte der Mensch den Grund und den Mittelpunkt aller Dinge vorher in Gott gehabt und nun in sich selbst hineingebracht, und das sei nun Meister über ihn geworden.

Ich sah das Innere, alle Organe des Menschen als in das Fleisch, ins Körperliche und Verwesliche gefallene Ebenbilder der Geschöpfe und ihres Verkehrs miteinander von den Gestirnen bis zum kleinsten Tierchen. Und alles dies wirkte in ihm, von allem diesem hing er ab und hatte damit zu tun und zu kämpfen und zu leiden. Ich kann es nicht klar sagen, eben weil ich auch ein Glied der gefallenen Menschheit bin.

Der Mensch ist erschaffen, um die Reihen der gefallenen Engel auszufüllen. Ohne den Sündenfall hätte er sich nur bis zur Vollzahl der gefallenen Engel vermehrt und dann würde die Schöpfung vollendet gewesen sein. Hätten Adam und Eva nur eine Generation ohne Sünde erlebt, so wären sie nie mehr gefallen. Es ist mir gewiss, dass die Welt nicht eher untergehen wird, bis nicht die Zahl der gefallenen Engel erfüllt und aller Weizen aus der Spreu geerntet sein wird.

Ich hatte einmal ein unermessliches, zusammenhängendes Bild von aller Sünde und allem Heil. Ich sah alle Geheimnisse klar und deutlich und verstand sie. Aber es ist mir unmöglich, das Ganze mit Worten wiederzugeben. Ich sah die Sünde vom Sturz der Engel und von Adams Fall an, bis auf heute in ihren unzähligen Verzweigungen und sah alle Vorbereitungen der Heilung und Erlösung bis auf Jesu Ankunft und Tod. Jesus zeigte, mir die ungemeine Vermischtheit und innere Unlauterkeit aller Dinge und alles, was Er von Anbeginn zur Reinigung und Wiederherstellung getan.

Im Sturz der Engel kamen viele böse Geister auf die Erde und in die Luft. Ich sah vieles von ihrem Grimm verschiedener Art gesättigt und besessen.

Der erste Mensch war ein Ebenbild Gottes, er war wie der Himmel. Alles war eins mit ihm und in ihm. Seine Form war ein Abdruck göttlicher Form. Er sollte die Erde und Geschöpfe haben und genießen, aber aus Gott und dankend. Er war aber frei und darum der Prüfung ausgesetzt, weshalb ihm verboten ward, von dem Baum zu essen. Anfangs war alles gleich und eben. Als das Berglein, der schimmernde Hügel, auf dem Adam stand, aufstieg, und sich erhöhte und als das weiße, blütenstaubige Tal, an dem ich Eva stehen sah, sich senkte, nahte schon der Verderber.

Nach dem Fall war alles anders. Alle Formen des Schaffens waren erschaffen und zerstreuend in ihnen, alles Einige war uneins, aus Eins ward Viel, und sie nahmen nichts mehr aus Gott allein, sondern nur aus sich. Nun waren sie erst recht zwei und wurden drei und endlich eine Unzahl. Ebenbilder Gottes waren sie, und wurden nun Eigenbilder, welche Ebenbilder ihrer Sünde hervorbrachten. Sie waren nun mit dem Kreise der gefallenen Engel in Bezug. Sie empfingen aus sich und aus der Erde, mit denen beiden die gefallenen Engel Bezug hatten, und es entstand in der unendlichen Vermischung und Zerstreuung der Menschen mit sich und der gefallenen Natur eine unendliche Mannigfaltigkeit der Sünde, der Schuld und des Elendes.

Mein Bräutigam zeigte mir alles das ganz klar, deutlich und verständlich, klarer, als man das tägliche Leben sieht, und ich meinte damals, es könne das ein Kind verstehen, und kann jetzt nichts mehr davon vorbringen. Er zeigte mir den Plan und die Wege der Erlösung von Anfang an, und alles, was Er getan. Ich erkannte auch, es sei unrichtig zu sagen, Gott habe nicht Mensch zu werden gebraucht und nicht zu sterben für uns am Kreuz. Er habe es durch seine Allmacht anders machen können. Ich sah, dass Er es aus unendlicher Vollkommenheit und Barmherzigkeit und Gerechtigkeit tat. Dass zwar kein Muss in Gott ist, aber dass Er tut, was Er tut, und ist, der Er ist.

Ich sah Melchisedech als einen Engel und Vorbild Jesu als Priester auf Erden. Insofern das Priestertum in Gott ist, war er ein Priester der ewigen Ordnung als Engel. Ich sah sein Vorbereiten, Gründen, Bauen, Sondern der Menschenstämme, sein Einleiten. Auch Henoch und Noe habe ich in ihrer Bedeutung und Wirkung gesehen. Und neben allen diesen das wirkende Reich der Hölle und die tausendförmigen Erscheinungen und Wirkungen eines irdischen, fleischlichen, teuflischen Götzendienstes, und in allem dem gewisse ähnliche, aber verpestete zur fortgesetzten Zerstreuung und Sünde führende und verführende, weil aus geheimer, innerer Notwendigkeit ähnliche Formen. So sah ich alle Sünden und alle Einleitungen und Vorbilder der Herstellung, welche ihrer Art nach den Gotteskräften ebenso ebenbildlich waren, als der Mensch selbst Gottes Ebenbild war. So wurde mir von Abraham auf Moses, von Moses auf die Propheten alles gezeigt, und immer mit Bezug und Ebenbildern von allem in unserer nächsten Mitwelt. Hier trat zum Beispiel die Unterweisung ein, warum die Priester nicht mehr helfen und heilen, und warum es ihnen nicht mehr oder so verschieden gelingt. Es wurde mir diese Gabe des Priestertums unter den Propheten gezeigt und die Ursache ihrer Form. Ich sah z. B. die Geschichte, wie Eliseus dem Giezi seinen Stab gibt, ihn auf das tote Kind der Frau aus Sunam zu legen. In diesem Stab aber war des Eliseus Kraft und Sendung geistlicher Weise inliegend. Er war sein Arm, die Fortsetzung seines Armes. Ich sah hier die innere Ursache des Stabes der Bischöfe, des Szepters der Könige und ihre Macht, wenn sie der Glaube trägt, der sie gewissermaßen mit dem Aussendenden verbindet und von allem andern trennt. Giezi aber glaubte nicht fest genug, und die Mutter glaubte, nur durch Eliseus selbst Hilfe erhalten zu können, und so waren zwischen des Eliseus Kraft aus Gott und dessen Stab Zweifel aus menschlichem Eigendünkel unterbrechend getreten, und der Stab heilte nicht. Ich sah aber Eliseus sich Hand auf Hand, Mund auf Mund, Brust auf Brust über den Knaben strecken und beten, und die Seele des Knaben in den Leib zurückkehren. Ich hatte auch die Erklärung dieser Form der Heilung, ihren Bezug und ihre Vorbildlichkeit auf Jesu Tod. In Eliseus waren durch den Glauben und die Gabe Gottes alle Pforten der Gnade und Sühnung am Menschen eröffnet, die nach der Sünde verschlossen wurden: Haupt, Brust, Hände, Füße. Und er legte sich wie ein lebendiges, vorbildliches Kreuz über das tote, verschlossene Kreuz der Gestalt des Knaben und strömte durch sein Gebet und seinen Glauben das Leben, die Heilung wieder in ihn ein und sühnte und büßte für die Sünden der Eltern, welche sie mit Haupt, Herz, Hand und Fuß begangen und dadurch dem Knaben den Tod zugezogen hatten. Ich sah bei allem dem immer Gegenbilder vom Kreuzestod und den Wunden Jesu, und wie in allem eine Harmonie ist. Seit Jesu Kreuzestod aber sah ich im Priestertum seiner Kirche im vollen Maß und überhaupt im glaubenden Christen diese Gabe der Herstellung und Heilung. Denn insofern wir in Ihm leben und mit Ihm gekreuzigt sind, sind die Gnadenpforten seiner heiligen Wunden in uns eröffnet. Ich hatte vieles über Handauflegung und auch über Segenwirkung und Wirkung der Hand in die Ferne und zwar wurde mir dieses mit dem Beispiele des Stabes (des Repräsentanten der Hand) von Eliseus erklärt. Dass die heutigen Priester so selten heilen und segnen, wurde mir in einem Beispiele gezeigt, das auch aus der Ebenbildlichkeit, auf welcher alle solche Wirkungen mitbegründet sind, hergenommen war. Ich sah dreierlei Maler, welche Figuren auf Wachs eindrückten. Einer hatte schönes, weißes Wachs und war selbst sehr klug und geschickt; aber er hatte den Kopf voll von sich selbst und hatte das Bild Christi nicht in sich und sein Bild ward nichts. Der andere hatte bleiches Wachs, aber er war lau und eigensinnig und machte gar nichts. Ein anderer war ungeschickt und arbeitete mit großem Ungeschick, aber mit Fleiß und Einfalt an ganz gelbem, gemeinem Wachs, und seine Arbeit war ganz gut und ein redliches Ebenbild, wenngleich mit rohen Zügen. So sah ich auch die vornehm redenden, mit Weltweisheit prahlenden Priester nichts wirken und manche arme Einfalt allein noch die Macht des Priestertums in Segnung und Heilung fortpflanzen.

Ich ging in diesem allem wie in die Schule, und mein Bräutigam zeigte mir, wie Er von seiner Empfängnis an bis zu seinem Tod gelitten und immer gesühnt und genuggetan habe, und ich sah dieses in lauter Bildern seines Lebens. Ich sah auch, wie durch Gebet und Aufopferung von Schmerzen für andere manche Seele, welche auf Erden gar nicht gearbeitet, noch in der Todesstunde zur Bekehrung gebracht und gerettet wird.

Ich sah auch, dass die Apostel über den größten Teil der Erde verbreitet wurden, um die Macht des Satans in derselben zu brechen und Segen hinzubringen, und dass jene Gegenden am heftigsten vom Feinde vergiftet waren, dass aber Jesus mit seiner vollkommenen Genugtuung den Menschen, die seinen Heiligen Geist empfingen und noch empfangen, diese Gewalt erworben und ewig gegründet hat. Und es wurde mir gezeigt, dass diese Gabe, die Erde und Gegenden der Macht des Satans zu entziehen durch Segnung, in dem Ausdruck: «ihr seid das Salz der Erde», bezeichnet ist, und dass eben deswegen auch das Salz eine Ingredienz des geweihten Wassers ist.

Ich sah in diesem Bilde auch, wie der Zeremoniendienst des fleischlichen Weltlebens höchst skrupulös ausgeübt wird, dass der Fluch der umgekehrte Segen, und dass die Wunder im Reiche des Satans, dass Naturdienst, Aberglauben, Zauberei, Magnetismus, weltliche Wissenschaft und Kunst und alle Mittel, den Tod zu schminken, die Sünde zu schmücken und das Gewissen einzuschläfern, mit strenger, abergläubischer Gewissenhaftigkeit selbst von jenen ausgeübt werden, welche in den Mysterien der katholischen Kirche lauter Formen des Aberglaubens finden wollen, die auf jede andere Weise ebenso gut gefeiert würden; während diese Leute doch ihr ganzes weltliches Treiben und Leben in ähnlichen Formen höchst gewissenhaft feiern, so dass nur das Reich des Mensch gewordenen Gottes vernachläßigt werden soll. Und ich sah auch den Dienst der Welt vollkommen geübt, den Dienst Gottes aber ärgerlich versehen.

2. Die Verheißung des Heiles

Nach dem Fall des Menschen zeigte Gott den Engeln, wie Er das Menschengeschlecht wiederherstellen werde.

Ich sah den Thron Gottes, die Heiligste Dreifaltigkeit, eine Bewegung in ihren Personen. Ich sah die neun Chöre der Engel und wie Gott ihnen verkündigte, auf welche Art Er das gefallene Menschengeschlecht wiederherstellen wolle, und sah eine ganz unbeschreibliche Freude und Jubel in den Engeln darüber.

Ich sah den leuchtenden Edelsteinfels des Adam vor dem Throne Gottes erscheinen, als werde er durch Engel dahin getragen. Er war gestuft, er wuchs, er wurde ein Thron, ein Turm, er breitete sich aus, bis er alles umfasste. Die neun Chöre der Engel sah ich um ihn, und über den Engeln im Himmel sah ich das Bild der Jungfrau. Sie war Maria nicht in der Zeit, sie war es in der Ewigkeit, in Gott. Sie war etwas, das aus Gott ausging. Die Jungfrau ging in den Turm, der sich öffnete und sie verschmolz wie mit ihm. Ich sah auch aus der heiligsten Dreifaltigkeit eine Erscheinung gegen den Turm ausgehen und in ihn eingehen.

Zwischen den Engeln erblickte ich eine Art von Monstranz, an der sie alle miterbauten und wirkten. Sie glich einem Turm mit mancherlei geheimnisvollem Bildwerk. Es standen zwei Figuren daran, welche sich auf der anderen Seite die Hände reichten. Sie wuchs und ward immer herrlicher. Ich sah etwas aus Gott durch alle Chöre der Engel hindurch in die Monstranz eingehen, ein leuchtendes Heiligtum, das immer bestimmter wurde, je näher es derselben kam. Es erschien mir als der Keim des göttlichen Segens zur reinen Mehrung, welcher von Gott dem Adam gegeben, ihm aber wieder entzogen ward, da er im Begriff stand, auf Eva zu hören und in den Genuss der verbotenen Frucht einzuwilligen. Es war der Segen, den Abraham wieder erhielt, der dem Jakob genommen und durch Moses wieder in die Bundeslade gegeben wurde, den zuletzt Joachim, der Vater Mariä empfing, auf dass Maria so rein und unbefleckt empfangen würde, wie Eva aus der Seite des schlafenden Adam hervorgekommen. Die Monstranz aber ging in den Turm über.

Ich sah von den Engeln auch einen Kelch bereiten von der Gestalt des Abendmahlkelches, der auch in den Turm einging. An der äußeren rechten Seite des Turmes sah ich wie auf goldenem Wolkenrande Wein und Weizen, wie die Finger gefalteter Hände sich durcheinander senkend. Daraus sprosste ein Zweig, ein ganzer Stammbaum, auf dessen Ästen in kleinen Figuren Männer und Frauen sich die Hände reichten. Seine letzte Blüte war die Krippe mit dem Kinde.

Ich sah nun in Bildern das Geheimnis der Erlösung als Verheißung bis herab zur Fülle der Zeit, und sah auch Bilder der Gegenwirkung. Zuletzt sah ich über dem leuchtenden Felsen eine große herrliche Kirche, die Eine heilige katholische Kirche, welche das Heil aller Welt lebendig in sich trägt. In allen diesen Bildern war ein wunderbarer Zusammenhang und Übergang. Selbst das Feindliche und das, was vom Übel war und durch die Engel hinweg geschoben wurde, musste zur Entfaltung des Heiles dienen. So sah ich den alten Tempel von unten aufsteigen. Er glich der heiligen Kirche, hatte aber keinen Turm. Er war sehr groß, wurde aber von den Engeln beiseite geschoben und stand schief. Ich sah eine große Muschelschale (Das Sinnbild der heidnischen Göttertabein und des Gräueldienstes) erscheinen, die in den alten Tempel eindringen wollte, aber sie wurde beiseite gedrängt.

Ich sah einen breiten, stumpfen Turm (eine ägyptische Pyramide) erscheinen, durch dessen zahlreiche Tore Gestalten wie Abraham und die Kinder Israel durchzogen. Er deutete auf deren Sklaverei in Ägypten. Diese Pyramide wurde weggeschoben, wie der andere treppenförmige ägyptische Turm, der die Sterndeuterei und Wahrsagerei bedeutete. Dann sah ich einen ägyptischen Tempel, der auch zurückgeschoben wurde und schief zu stehen kam.

Endlich sah ich ein Bild auf Erden, wie Gott dem Adam zu erkennen gab, dass eine Jungfrau erscheinen und das verlorene Heil ihm wiederbringen werde. Adam aber wusste nicht, wann dies geschehen werde. Darum sah ich ihn später sehr traurig, als Eva ihm nur Söhne gebar, bis sie endlich eine Tochter erhielt.

Ich sah Noe und sein Opfer, bei dem er von Gott den Segen empfing. Dann hatte ich Bilder von Abraham, von seinem Segen und der Verheißung Isaaks. Ich sah diesen Segen von dem Erstgebornen auf den Erstgebornen übergehen und dies immer in einer sakramentalischen Handlung. Ich sah Moses und wie er in der Nacht vor dem Auszug aus Ägypten das Geheimnis erhielt, und wie nur Aaron davon wusste. Ich sah das Geheimnis in der Lade des Bundes, und dass nur die Hohenpriester und einzelne Heilige durch Offenbarung Gottes davon Kenntnis hatten. So sah ich den Lauf des Geheimnisses herab durch die ganze Stammlinie Jesu Christi bis auf Joachim und Anna, dieses reinste und heiligste Ehepaar aller Zeiten, aus dem Maria als die unbefleckte Jungfrau geboren ward. Nun war Maria die Bundeslade des Geheimnisses.

3. Verweisung aus dem Paradiese

Nach einer Weile sah ich Adam und Eva in großer Traurigkeit umherirren. Sie waren finster, gingen getrennt, als suchten sie etwas, das sie verloren hatten. Sie schämten sich voreinander. Mit jedem Schritt kamen sie tiefer abwärts. Es war, als weiche der Boden, und wo sie gingen, ward es trüb, die Gewächse verloren ihren Glanz, wurden wie grau, und die Tiere flohen. Sie suchten aber große Blätter und machten sich einen Kranz um die Lenden und irrten immer getrennt.

Als sie ziemlich lange so geflohen, war der glänzende Ort ihres Ausgangs schon wie eine ferne Bergeshöhe, und sie verbargen sich getrennt unter Büschen einer dunkleren Ebene. Da rief sie eine Stimme aus der Höhe. Sie kamen aber nicht zum Vorschein, wurden noch banger, flohen noch ferner, sich tiefer versteckend. Das tat mir sehr leid. Die Stimme aber ward strenger. Sie hätten sich gerne noch tiefer versteckt, aber sie wurden gezwungen, hervorzutreten.

Die ernste glänzende Gestalt erschien. Sie traten hervor mit gesenktem Haupt und sahen den Herrn nicht an. Sie sahen aber einander an und beschuldigten sich. Nun wies Er ihnen noch tiefer eine Ebene an, wo Büsche und Bäume waren, und da wurden sie demütig und erkannten erst recht ihren elenden Stand. Als sie allein waren, sah ich sie beten. Sie sonderten sich von einander ab, warfen sich auf die Knie und an die Erde, hoben die Hände empor, schrieen und weinten. Da ich dies sah, fühlte ich, wie wohltätig die Absonderung im Gebete ist.

Sie waren nun mit einem Gewand bedeckt. Es verhüllte den Leib bis über die Schultern und reichte bis zu den Knien. Um den Leib gürteten sie sich mit einem Streifen Bast.

Während sie niederflohen, schien das Paradies hinter ihnen wegzuziehen, wie eine Wolke. Es kam aber ein feuriger Ring vom Himmel, so wie man den Hof um die Sonne oder den Mond sieht, und legte sich um die Höhe, wo das Paradies gewesen.

Sie waren nur einen Tag im Paradies gewesen. Das Paradies sehe ich jetzt von fern wie eine Bank unter der Sonne, wenn sie aufgeht. Sie geht, wenn ich es sehe, am Ende der Bank rechts auf. Es liegt östlich vom Prophetenberg, ganz wo die Sonne aufgeht und erscheint mir immer wie ein Ei schwebend über unbeschreiblich hellem Wasser, durch welches es von der Erde getrennt ist und es ist, als sei der Prophetenberg ein Vorgebirge davon. Man sieht auf diesem wunderbar grüne Gegenden und dazwischen tiefe Abgründe und Schluchten voll Wasser. Ich habe schon Leute gesehen, die am Prophetenberg hinangestiegen, sie sind aber nicht weit gekommen.

Ich sah Adam und Eva auf der Buß-Erde ankommen. Es war ein unbeschreiblich rührender Anblick die beiden büßenden Menschen auf der nackten Erde. Adam hatte einen Ölzweig aus dem Paradiese mitnehmen dürfen, den er da pflanzte. Ich sah, dass nachher das Kreuz aus diesem Holze gezimmert wurde. Sie waren unbeschreiblich betrübt. Wie ich sie da sah, konnten sie das Paradies kaum mehr sehen. Sie waren immer abwärts gezogen, und es war auch, als wende sich was um, und sie kamen durch Nacht und Dunkel an dem traurigen Orte der Buße an.

4. Die Familie Adams

Es war die Gegend des Ölberges, wo ich Adam und Eva habe ankommen sehen. Das Land war anders als jetzt, aber es wurde mir gezeigt, dass es diese Gegend sei. Ich sah sie wohnen und büßen an jenem Orte des Ölberges, wo Jesus Blut geschwitzt. Sie bauten das Feld. Ich sah sie von Söhnen umgeben und in großer Betrübnis zu Gott schreien, Er möge ihnen auch Töchter bescheren. Sie hatten die Verheißung, der Same der Frau solle der Schlange das Haupt zertreten.

Eva gebar in bestimmten Zwischenräumen Kinder. Es war immer eine Anzahl von Jahren in Buße dazwischen hingegangen. So ward nach siebenjähriger Buße Seth, das Kind der Verheißung, in der Krippenhöhle von Eva geboren und es wurde hier von einem Engel ihr gesagt, Seth sei der Same, den Gott ihr für Abel gegeben habe. Seth wurde lange hier verborgen und auch in der Säughöhle Abrahams versteckt, denn seine Brüder strebten ihm, wie die Brüder Josephs diesem, nach dem Leben.

Einmal sah ich etwa zwölf Menschen: Adam, Eva, Kain, Abel und zwei Schwestern und einige kleinere Kinder. Alle waren bekleidet und zwar mit Fellen wie ein Skapulier übergeworfen und gegürtet. Die Felle waren um die Brust weiter und dienten als Tasche, um die Beine waren sie länger und an den Seiten zugeheftet. Die Männer trugen kürzere Felle und hatten eine Tasche aufgeheftet, worin sie etwas steckten. Über die Schultern bis zum halben Arm waren diese Felle sehr weiß und fein und bei den Frauen unter den Armen einmal geheftet. Sie sahen in der Kleidung sehr schön und edel aus. Es waren Hütten da, etwas in die Erde vertieft und oben mit Pflanzen bedeckt. Es war eine ganz ordentliche Hauswirtschaft. Ich habe Felder mit niederen Obstbäumen, doch ziemlich stark, gesehen. Auch war Getreide da, Weizenkörner, welche Gott dem Adam zur Aussaat gegeben.

Es ist mir nicht erinnerlich, Weizen und Weinstock im Paradies gesehen zu haben. Im Paradies war keine Frucht, die zur Speise zubereitet werden musste. Das Zubereiten ist Folge der Sünde und darum ein Sinnbild der Leiden. Gott gab Adam alles, was er säen musste. Ich erinnere mich auch, dass ich Männer gleich Engeln dem Noe etwas bringen sah, als er in die Arche ging, es schien mir ein Rebzweig, der in einem Apfel steckte.

Es wuchs von selbst auch eine Art wildes Getreide, zwischen welches Adam den edlen Weizen säen musste. Dann besserte sich das wilde, es ging aber immer wieder zurück und wurde schlechter. Dieses wilde Korn stand in den ersten Zeiten ganz besonders gut und wie veredelt weiter gegen Morgen in Indien oder China, als noch wenige Menschen dort waren. Wo Wein und Fische sind, gerät es nicht.

Sie tranken Milch der Tiere und aßen auch Käse, den sie an der Sonne trockneten. An Tieren habe ich besonders Schafe gesehen. Alle Tiere, die Adam genannt hatte, sind auch gefolgt. Aber sie flohen, und er musste die Haustiere erst wieder mit Futter an sich locken und gewöhnen. Ich sah auch Vögel umherlaufen, kleine Tiere, auch Springtiere.

Es war eine ganz hausväterliche Ordnung. Ich sah die Kinder Adams in einer eigenen Hütte zum Speisen um einen Stein liegen, sah sie beten und danken.

Gott hatte Adam im Opfer unterrichtet, und er war Priester in seiner Familie. Kain und Abel waren es auch, und ich sah, dass die Vorbereitungen sogar in einer eigenen Hütte geschahen.

Sie hatten das Haupt bedeckt mit einer schiffartigen Haube von Blättern und Blattrippen geflochten: vorne stand sie etwas vor, dass man sie greifen konnte. Sie waren von glänzender, schöner gelblicher Hautfarbe, wie Seide und hatte rotgelbliche Haare, wie Gold. Adam trug die Haare auch lang. Er hatte anfangs einen kurzen, später einen langen Bart. Eva trug die Haare anfangs sehr lang, dann in Bündel gewickelt um den Kopf gewunden wie eine Haube.

Das Feuer sah ich immer wie eine verdeckte Glut, wie unterirdisch. Sie empfingen es zuerst vom Himmel, Gott lehrte sie, es brauchen. Es war ein gelber Stoff, wie Erde, wie eine Kohle, welche sie brannten. Kochen sah ich sie nicht. Ich sah sie anfangs an der Sonne dörren, sogar den Weizen zerquetscht unter einer geflochtenen Decke der Sonne in kleinen Gruben aussetzen.

Das Getreide, das Gott ihnen brachte, war Weizen, Roggen und Gerste. Er unterrichtete sie im Anbau, wie Er sie auch in allem leitete.

Grosse Flüsse, z. B. den Jordan, sah ich nicht, aber es sprangen Quellen, die sie in Teiche leiteten.

Vor Abels Tod wurde kein Fleisch gegessen.

Von dem Kalvarienberg hatte ich einmal das Bild, wie ein Prophet, der Gefährte des Elias, an diesem Orte, der damals ein Hügel mit Höhlen und gemauerten Grablagern war, sich in eine solche Höhle unter der Erde begab und in einem Steinsarg mit Gebeinen den Schädel Adams ergriff. Es stand die Erscheinung eines Engels bei ihm, der ihm sagte: «Dieses ist der Schädel Adams», und ihm verwehrte, denselben herauszunehmen. Es waren auf diesem Schädel dünne gelbe Haare hie und da. Ich sah auch, dass durch die Erzählung des Propheten der Ort Schädelstätte genannt wurde. Senkrecht über diesem Schädel kam bei der Kreuzigung der Fuß des Kreuzes Christi zu stehen. Ich erhielt die Anschauung, dass diese Stelle die Mitte der Erde sei und es wurde mir die Länge nach Morgen, Mittag und Abend mit Zahlen gesagt, die ich aber vergessen habe.

5. Kain. Kinder Gottes. Die Riesen

Ich sah, dass Kain am Ölberg den Anschlag zu dem Mord Abels fasste und dass er nach der Tat hier verwirrt und bange herumging. Er pflanzte Bäume und riss sie wieder aus. Da sah ich die Erscheinung eines ernsten leuchtenden Mannes, der fragte: Kain, wo ist dein Bruder Abel? Kain sah ihn anfangs nicht. Nun wendete er sich zu ihm und sagte: ich weiss es nicht, er ist mir nicht aufzuheben gegeben. Da aber Gott sprach, dass sein Blut von der Erde zu Ihm schreie, wurde dem Kain banger. Doch sah ich, dass er lange mit Gott disputierte. Gott sagte ihm auch, dass er verflucht sei auf der Erde, und dass sie ihm keine Frucht bringen und er hinwegfliehen solle. Da sprach Kain, so würde er überall getötet werden. Es waren schon viele Leute auf der Erde. Kain war schon sehr alt und hatte Kinder und Abel auch, und es waren noch andere Brüder und Schwestern da. Gott aber sagte, nein, wer ihn erschlage, solle siebenfach gestraft werden. Er hatte auch ein Zeichen gemacht, dass er nicht erschlagen werden sollte. Seine Nachkommen wurden farbige Menschen. Cham hatte auch Kinder, die bräuner waren als die Kinder Sem's. Die edleren Menschen waren immer weißer. Die mit dem Male Bezeichneten hatten ähnliche Kinder und durch das wachsende Verderbnis ging das Mal endlich auf den ganzen Leib über, und die Menschen wurden immer dunkler gefärbt. Doch waren im Anfang noch keine ganz schwarzen Menschen vorhanden, dies wurden sie erst allmählich.

Gott wies ihm auch eine Gegend an, wohin er fliehen sollte. Und weil Kain sagte: so wirst Du mich verhungern lassen, da ihm die Erde verflucht war, sagte Gott, nein! Er solle Fleisch der Tiere essen, und es solle ein Volk von ihm entstehen und auch noch Gutes von ihm kommen. Vorher aßen die Menschen kein Fleisch.

Kain ist nachher fortgezogen und hat eine Stadt gebaut, und nach seinem Sohn Henoch benannt.

Abel wurde im Tale Josaphat gegen den Kalvarienberg hin erschlagen. Es ist in dieser Gegend nachher noch mancherlei Mord und Unglück geschehen. Kain erschlug Abel mit einer Art Keule, mit der er beim Pflanzen weiche Steine und Erde zerschlug. Sie muss wohl von hartem Stein gewesen sein und der Griff von Holz, denn er war wie ein Haken gekrümmt.

Das Land vor der Sündflut darf man sich nicht so wie jetzt vorstellen. Es war das Gelobte Land bei weitem nicht so von Tälern und Schluchten zerrissen. Die Flächen waren weit größer und einzelne Berge viel sachter ansteigend. Der Ölberg war damals nur eine sanfte Anhöhe. Auch die Krippenhöhle bei Bethlehem war da, eine wilde Felsenhöhle, doch die Umgebung war anders.

Die Menschen waren größer, doch nicht unförmlich. Man würde sie jetzt mit Verwunderung, doch nicht mit Schrecken ansehen. Sie waren weit schöner durch ihren Bau. Unter den alten Marmorbildern, welche ich an manchen Orten in Räumen unter der Erde liegen sehe, sind noch solche Gestalten.

Kain zog alle seine Kinder und Kindeskinder nach jener Gegend, die ihm angewiesen war und diese teilten sich dann wieder. Ich habe von Kain selbst nichts Abscheuliches mehr gesehen, und seine Qual schien, dass er sehr hat sich abarbeiten müssen und ihm persönlich nichts gedeihen wollte. Ich sah ihn auch von seinen Kindern und Kindeskindern geschmäht und verachtet und überhaupt schlecht behandelt. Doch folgten sie ihm im Ganzen als dem Oberherrn, aber als einem, der verflucht ist. Ich sah, dass Kain nicht verdammt, aber strenge bestraft wurde.

Einer seiner Nachkommen war Tubalkain. Von diesem kamen mannigfache Künste und auch die Riesen. Ich habe oft gesehen, dass beim Sturz der Engel eine gewisse Anzahl einen Moment der Reue hatten und nicht so tief fielen, als die anderen, und dass diese später auf einem einsamen, ganz hohen und unzugänglichen Gebirge, das bei der Sündflut ein Meer geworden ist, ich meine das schwarze Meer, einen Aufenthalt erhielten. Diese hatten eine Freiheit, auf die Menschen zu wirken, insofern sie sich von Gott entfernten. Nach der Sündflut sind sie von da verschwunden und in die Luft versetzt worden. Erst am Jüngsten Tage werden sie in die Hölle verstoßen werden.

Ich sah die Nachkommen Kains immer gottloser und sinnlicher werden. Sie zogen an jenem Bergrücken immer mehr hinan und die gefallenen Engel nahmen viele dieser Frauen in Besitz und regierten sie ganz und lehrten sie alle Künste der Verführung. Ihre Kinder waren sehr groß, hatten allerlei Fertigkeiten und Gaben und machten sich ganz zu Werkzeugen der bösen Geister. So entstand auf diesem Gebirge und weit umher ein arges Geschlecht, das durch Gewalt und Verführung auch die Nachkommen Seths in seine Lasterwelt hineinzuziehen suchte. Da kündigte Gott dem Noe die Sündflut an, der während seines Bauens von diesem Volke entsetzlich zu leiden hatte.

Ich habe viel von dem Riesenvolke gesehen, wie sie ungeheure Steine ganz leicht den Berg hinaufschleppten, immer höher und höher drangen und ganz erstaunliche Dinge vermochten. Sie liefen gerade an Wänden und Bäumen hinauf, wie ich es auch sonst an anderen Besessenen gesehen habe. Sie konnten alles und die wunderbarsten Sachen, aber lauter Gaukeleien und Künstlichkeiten, die mit Hilfe des Teufels geschehen. Mir sind darum alle Taschenspielereien und Wahrsagerkünste so zuwider. Sie konnten allerlei Bilder von Stein und Metall machen- Von Gottes Wissenschaft hatten sie keine Spur mehr und suchten doch allerlei, das sie anbeteten. Ich habe gesehen, dass sie plötzlich aus dem ersten besten Stein ein wunderliches Bild machten und es anbeteten, auch irgend ein gräuliches Tier, oder sonst eine nichtswürdige Sache. Sie wussten alles, sahen alles, bereiteten Gift, trieben Zaubereien und alle Laster. Die Frauen erfanden die Musik. Ich sah sie herumziehen, um die bessern Stämme zu verführen und mit in ihre Gräuel zu ziehen. Ich sah, dass sie keine Wohnhäuser oder Städte hatten, sondern sie bauten sich dicke, runde Türme von glimmerigen Steinen, an denen unten kleinere Anbauten waren, die in große Höhlen führten, worin sie ihre Gräuel trieben. Auf den Dächern dieser Anbauten konnte man rings herumgehen, und in den Türmen stiegen sie hinauf und sahen durch Rohre weit in die Ferne, aber nicht wie durch Fernrohre, sondern es war mit satanischer Kunst. Sie sahen, wo andere Ortschaften lagen und zogen hin, überwanden alles und machten alles frei und gesetzlos, überall führten sie diese Freiheit ein. Ich sah, dass sie Kinder opferten und lebendig in die Erde begruben. Gott hat diesen Berg in der Sündflut vertilgt.

Henoch. der Vorfahre Noes, hat gegen sie gelehrt. Er hat auch viel geschrieben und war ein sehr guter Mann und Gott sehr dankbar. Er hat an vielen Orten im freien Felde Altäre von Stein aufgerichtet, wo die Früchte gerieten, hat Gott gedankt und geopfert. Besonders hat er die Religion auf die Familie Noe herab erhalten. Er ist in das Paradies versetzt und ruht am Tore des Ausgangs und noch ein anderer (Elias), woher er vor dem Jüngsten Tag wiederkommen wird.

Auch Chams Nachkommen hatten nach der Sündflut ähnliche Verbindungen mit feindlichen Geistern, und darum so viele Besessene, Zauberer und weltlich mächtige und wieder große, wilde, freche Menschen.

Auch Semiramis ist aus der Ehe von Besessenen gekommen. Sie konnte alles, nur nicht selig werden.

Es entstanden so noch andere Leute, die später von den Heiden für Götter gehalten wurden. Die ersten Frauen, welche von den bösen Geistern sich regieren ließen, waren sich dessen bewusst. Die anderen aber wussten es nicht, sie hatten es in sich wie Fleisch und Blut, wie die Erbsünde.

6. Noe und seine Nachkommen. Die Slammführer Hom und Dsemschid

Ich sah Noe, einen alten kindlichen Mann, in einem langen weißen Gewand in ein Obstbaumfeld gehen und mit einem krummen beinernen Messer die Bäume beschneiden. Es kam eine Wolke vor ihn, in welcher eine Menschengestalt erschien. Noe kniete, und ich sah, dass er inne ward, Gott wolle alles vertilgen, und er solle einen Kasten bauen. Ich sah Noe sehr traurig darüber und ich sah ihn beten um Verschonung. Er begann seine Arbeit nicht gleich, und noch zweimal erschien ihm der Herr und befahl ihm, den Bau anzufangen, sonst würde er auch mit vertilgt werden. Ich sah ihn dann mit seiner Familie aus dieser Gegend hinwegziehen nach dem Lande, wo Zoroaster, der Glanzstern, nachher gelebt hat. Er wohnte in hoher, waldreicher und mehr einsamer Gegend und lebte mit den vielen Leuten, welche mit ihm zogen, unter Zelten. Er hatte auch einen Altar, vor dem er opferte. Noe und seine Familie bauten keine festen Häuser, weil sie an die Verheißung der Sündflut glaubten. Das gottlose Volk aber rings umher hatte schon gemauerte Gehöfte, Grundlagen von dicken Steinwällen und allerlei Bauten für die Dauer und zum Widerstand.

Es war in jener Zeit ein schreckliches Treiben auf Erden. Die Menschen verübten alle Laster, selbst die unnatürlichsten. Jeder nahm und raubte, was ihm gefiel, und sie verwüsteten einander Häuser und Felder und raubten Frauen und Jungfrauen. Je weiter sich die Stammverwandten Noes vermehrten, um so verdorbener und boshafter wurden sie, und sie beraubten und ärgerten auch ihn. Die Menschen aber waren in diesen schlechtesten Sitten nicht als rohe, wilde Menschen, sondern sie waren so aus Lasterhaftigkeit, denn sie lebten ganz bequem und hatten alles geordnet. Sie trieben die schändlichste Abgötterei, jeder machte sich einen Götzen aus dem, was ihm dazu am besten gefiel. Sie suchten durch teuflische Künste die Kinder Noes zu verführen. Mosoch, der Sohn Japhets und Enkel Noes, wurde so zum Falle gebracht, da er auf dem Felde arbeitend den Saft einer Pflanze getrunken hatte, von dem er berauscht wurde. Es war kein Wein, sondern Saft einer Pflanze, den sie bei der Arbeit in kleinem Maß genossen und deren Blätter und Früchte sie auch kauten. Mosoch wurde der Vater eines Sohnes, der Hom genannt wurde.

Als das Kind geboren wurde, bat Mosoch seinen Bruder Thubal, sich desselben anzunehmen, damit seine Schmach verborgen bleibe und Thubal tat es aus Liebe. Es wurde das Kind mit dem Stengel und den Sprossen der Schleimwurzel Hom vor Thubals Zelthütte von seiner Mutter gelegt, welche dadurch ein Recht auf sein Erbe zu erlangen hoffte. Aber die Flut war schon nahe, und es war aus mit der Frau. Thubal nahm das Kind zu sich und ließ es in seinem Hause aufziehen, ohne seine Herkunft zu verraten. So geschah es, dass das Kind in die Arche kam. Thubal gab ihm den Namen der Wurzel Hom, weil sie als das einzige Abzeichen bei ihm lag. Das Kind ist nicht mit Milch, sondern mit jener Wurzel ernährt worden. Diese Pflanze wird, wo sie gerade in die Höhe wächst, wohl mannshoch. Wo sie aber kriecht, da treibt sie Sprösslinge mit weichen Spitzen, wie die Spargel, der untere Teil ist hart. Sie dient als Nahrung und Ersatz der Milch. Sie wächst aus einem Knollen oder Zwiebel, hat über der Erde eine Krone von wenigen braunen Blättern. Ihr Stengel wird ziemlich dick und sein Mark wird als Mehl gebraucht, das zu Brei gekocht, dünn gestrichen, auch gebacken wird. Wo sie gedeiht, wuchert sie auf Stunden Weges fort. Ich sah diese Pflanze auch in der Arche.

Es ging eine lange Zeit über dem Bau der Arche hin, bis sie endlich fertig wurde. Noe stellte das Bauen oft viele Jahre lang ein. Dreimal wurde er von Gott neuerdings ermahnt. Dann nahm er wieder Gehilfen an, ließ aber in Erwartung, Gott werde verschonen, die Arbeit immer wieder einschlafen, bis er endlich den Bau fertig machte.

Ich sah, dass an der Arche wie auch am Kreuz, viererlei Holz gewesen: Palm-, Ölbaum-, Zedern- und Zypressenholz, und ich sah sie das Holz fällen und bereiten gleich auf dem Platz, und wie Noe selbst das Holz auf seinen Schultern auf den Bauplatz trug, so wie Jesus sein Kreuz getragen. Der Bauplatz war ein Hügel von einem Tal umgeben. Erst wurde unten der Grund gelegt.

Die Arche war hinten rund, der Grund hohl wie eine Mulde und wurde verpicht. Die Arche hatte zwei Stockwerke, zwei Pfosten standen übereinander. Sie waren hohl, es waren keine runden Baumstämme, sie waren etwa im Durchschnitt länglich rund und hatten inwendig ein weißes Mark, das faserig nach der Mitte zuging. Die Stämme hatten Rinnen oder Absätze, die großen Blätter wuchsen rings wie Schilf herum ohne Äste. (Wahrscheinlich eine Palmengattung.) Ich sah, dass sie mit Stempeln das Mark herausstießen. Alles andere schnitten sie zu dünnen Brettern. Als Noe alles hingetragen und geordnet hatte, begannen sie zu bauen. Der Grund ward gelegt und verpicht, die erste Reihe von Pfosten ward aufgestellt und die Löcher verpicht, worin sie zu stehen kamen. Dann kam der zweite Boden, darauf wieder eine Reihe von Pfosten, dann der dritte Boden und das Dach. Die Zwischenräume zwischen den Pfosten wurden mit den dünnen Brettern von bräunlichem und gelblichem Holze kreuzweise zugeflochten und alle Ritzen und Löcher mit Wolle von Bäumen und Pflanzen und einem weißen Moos, das um gewisse Bäume viel wuchs, zugestopft, und dann inwendig und außen mit Pech überstrichen. Sie war oben auch rund zugewölbt. Über der halben Höhe in der Mitte der Seite war die Tür und an beiden Seiten dieser Tür zwei Fenster, in der Mitte des Daches eine viereckige Öffnung. Als sie ganz verpicht war, glänzte sie wie ein Spiegel in der Sonne. Nun arbeitete Noe noch lange ganz allein darin an den Abteilungen für die Tiere. Jedes hatte einen aparten vom andern getrennten Raum, und es waren zwei Gänge durch die Mitte der Arche. Hinten im runden Teil der Arche war ein Altar aus Holz, dessen Platte einen Halbkreis bildete. Es war eine Absonderung von Teppichen herum. Etwas vor dem Altar war ein Becken mit Kohlen, was ihre Feuerung war. Da waren auch rechts und links Scheidewände für ihr Lager. Sie trugen nun allerlei Geräte und Kasten herein, viele Sämereien und Gewächse und Stauden in Erde an die Wände der Arche, welche ganz grün davon waren. Ich sah sie auch wie Reben mit armlangen großen, gelben Trauben hereintragen.

Es ist nicht zu sagen, welche Leiden Noe unter dem Bauen hatte durch die Bosheit und Tücke der Arbeitsleute, die er mit Vieh bezahlte. Sie verachteten und verspotteten ihn auf alle Weise und nannten ihn einen Narren. Sie arbeiteten um guten Lohn, hörten aber nicht auf, zu lästern. Niemand wusste, für wen Noe den Kasten baute und er litt viel Hohn deswegen. Ich sah, wie er fertig war und dankte, und wie Gott ihm erschien und sagte, er solle nach den vier Weltgegenden die Tiere mit einer Rohrpfeife rufen. Je näher die Zeit des Gerichtes kam, desto finsterer ward der Himmel. Es war eine ungeheure Bangigkeit auf Erden. Es schien keine Sonne mehr und ein schwerer Donner rollte immer. Ich sah Noe mit einer Rohrpfeife ein Stück Weges nach den vier Weltgegenden gehen und pfeifen, und sah nun die Tiere ordentlich und paarweise Männchen und Weibchen auf einer Brücke, welche an der Tür lag und nachher aufgezogen wurde, hineingehen, die großen Tiere, weiße Elephanten und Kamele gingen voran. Alle Tiere waren bange wie vor einem Gewitter. Sie gingen mehrere Tage lang herbei. Die Vögel flogen fortwährend durch die offene Luke hinein. Die Wasservögel aber gingen unten in den Bauch des Schiffes, die Landtiere in den mittleren Raum. Die Vögel unter dem Dache saßen auf Stangen und in Käfigen. Vom Schlachtvieh kamen immer sieben Paare hinein.

Wenn man die fertige Arche von ferne auf der Höhe einsam liegen sah, so sah sie bläulich glänzend aus, als komme sie aus den Wolken. Ich sah die Zeit der Sündflut nahe. Noe hatte sie den Seinen schon verkündet. Er nahm Sem, Cham und Japhet mit ihren Frauen und Abkömmlingen mit. Es waren Enkel von fünfzig bis achtzig Jahren, und von diesen kleine und große Kinder in der Arche. Alle, die an ihr gebaut und gut und frei von Abgötterei geblieben waren, kamen hinein. Es waren über hundert Menschen, was schon wegen der vielen Tiere notwendig war, denen täglich Futter gegeben und ausgereinigt wurde. Ich kann nicht anders sagen, ich sehe es immer, dass auch die Kinder von Sem, Cham und Japhet mit in der Arche waren.Ich sehe viele Mägdlein und Knaben darin, alle Nachkommen Noes, die gut waren. In der Schrift stehen auch keine Kinder Adams außer Kain, Abel und Seth, und doch sehe ich noch viele dazwischen und immer paarweise, Knaben und Mägdlein. Ähnlich werden auch im ersten Briefe Petri 3, 20. nur acht Seelen als in der Arche befindlich erwähnt, nämlich die vier Stammpaare, aus denen nach der Sündflut die Erde bevölkert wurde. Auch Hom sah ich in der Arche. Dieses Kind lag in einer Mulde von Bast, mit einem Fell darin festgebunden. Ich sah viele solche Wiegenkinder in diesen Bastmulden auf den Wässern der Sündflut schwimmen (In den Höhlen und in den gemauerten Unterbauten der Zeltwohnungen waren eingemauerte Vertiefungen, worin die Bastwiegen standen. Auch die SchlafsteIlen der Erwachsenen waren reihenweise wie die Grablager der Juden in den Mauern angebracht).

Als die Arche sich im Wasser erhob und viele Menschen ringsumher auf Bergen und hohen Bäumen wimmerten, auch Leichnam und Bäume angeschwommen kamen, waren Noe und die Seinen schon darin. Ehe Noe mit seiner Frau, seinen drei Söhnen und ihren Frauen in sie einzog, flehte er noch zu Gott um Erbarmen. Sie zogen die Brücke nach sich und schlossen die Tür. Alles ließ er zurück, selbst nahe Verwandte und ihre kleinen Kinder, welche während des Baues sich von ihm entfernt hatten. Es brach ein schreckliches Gewitter herein, die Blitze stürzten wie Feuersäulen nieder und die Regenstrahlen waren so dicht wie Bäche. Die Höhe, auf der die Arche stand, ward bald eine Insel. Das Elend war so groß, dass ich hoffe, es werden sich doch noch viele Menschen bekehrt haben. Ich sah einen schwarzen Teufel in schrecklicher Gestalt mit spitzem Rachen und langem Schweife durch das Wetter hin und herfahren und die Menschen zur Verzweiflung treiben. Kröten und Schlangen suchten hie und da ihre Winkel in der Arche. Mücken und Ungeziefer habe ich nicht gesehen. Das ist nachher den Menschen zur Plage entstanden.

Ich sah Noe in der Arche Rauchopfer bringen. Sein Altar war mit Weiß über Rot bedeckt. Er hatte in einem gewölbten Kasten mehrere Gebeine Adams, welche er beim Gebet und Opfer auf dem Altar aufstellte. Ich sah auch über dem Altar den Kelch des Abendmahles, welcher während des Baues dem Noe von drei Gestalten in langen, weißen Gewändern, wie die drei Männer, welche zu Abraham kamen und ihm die Geburt eines Sohnes verkündeten, gebracht worden war. Sie kamen aus einer Stadt, die bei der Sündflut zu Grunde ging, und sprachen zu Noe, er sei ein so ruhmvoller Mann, da sei etwas Geheimnisvolles, das er mitnehmen solle, damit es in der Flut nicht verloren gehe. In dem Kelche lag ein Weizenkorn, groß wie ein Sonnenblumenkern, und ein Rebzweig. Noe steckte beides in einen gelben Apfel, den er in den Kelch legte, auf dem kein Deckel war. Es musste der Zweig herauswachsen. Nach der Trennung beim Turmbau sah ich den Kelch bei einem Nachkommen Sems im Lande der Semiramis, dem Stammvater der Samanen, die durch Melchisedech nach Kanaan versetzt wurden und den Kelch dahin mitbrachten.

Ich habe die Arche schweben und viele Leichname schwimmen sehen. Sie ließ sich auf einem hohen Gebirge weit gegen Morgen von Syrien nieder, das einsam liegt und sehr felsig ist. Sie hat lange da gestanden. Ich sah schon Land hervorgetaucht. Es lag Schlamm darauf mit Grün wie mit Schimmel überdeckt.

Im Anfang nach der Sündflut aßen sie Muscheln und Fische. Brot und Vögel aber, als sie sich schon vermehrt hatten. Sie pflanzten Gärten und der Boden war so fruchtbar, dass der Weizen, den sie säten, so starke Ähren hatte, wie das türkische Korn. Auch die Homs- oder Schleimwurzel wurde von ihnen angebaut. Das Zelt Noes stand auf die Art, wie später das Zelt von Abraham, in der Ebene und rings in der Umgegend hatten Noes Söhne ihre Zelte.

Ich sah die Verfluchung Chams. Sem und Japhet aber empfingen von Noe, da sie vor ihm knieten, den Segen, wie ich später Abraham diesen Segen dem Isaak übergeben sah. Den Fluch, den Noe über Cham aussprach, sah ich wie eine schwarze Wolke gegen diesen fahren und ihn verfinstern. Er war nicht mehr so weiß, wie zuvor. Seine Sünde war die einer Sakramentsschändung, wie die eines Menschen, der in die Arche des Bundes dringen wollte. Ich sah von Cham ein sehr verdorbenes Geschlecht herstammen, das immer tiefer in die Verfinsterung geriet. Ich sehe die schwarzen, heidnischen und ganz stupiden Völker als Abkömmlinge von Cham, und dass ihre Farbe nicht durch die Sonne, sondern aus dem finstern Ursprung der verdorbenen Rasse entstanden ist.

Es ist nicht möglich auszusprechen, wie ich die Völker sich mehren und ausbreiten und auf alle Art sich verfinstern sah, und wie aus ihnen doch wieder mancher lichte Faden ausströmte und das Licht suchte.

Als Thubal, der Sohn Japhets, mit seinen Kindern und den Kindern seines Bruders Mosoch von Noe sich das Land, wohin sie ziehen wollten, anweisen ließ, waren sie fünfzehn Familien stark. Die Kinder Noes wohnten schon sehr weit umher, und auch die Familien Thubals und Mosochs waren entfernt von Noe. Als aber die Kinder Noes sich drängten und uneinig wurden, wollte Thubal sich noch weiter entfernen, um nichts mit den Kindern Chams zu tun zu haben, welche schon in Gedanken des Turmbaues waren. Thubal und die Seinen folgten nicht, als sie zum Turmbaue später berufen wurden, wie auch die Kinder Sems sich weigerten.

Thubal kam mit seiner Schar vor die Zeltwohnung Noes, auf dass er ihm das Land anweise. Noe wohnte auf einem Gebirge zwischen dem Libanon und Kaukasus. Er weinte, denn er liebte dies Geschlecht, das frömmer und besser war. Er zeigte ihnen eine Gegend gegen Nordost und befahl ihnen die Gebote Gottes und das Opfer und ließ sich versprechen, dass sie die Reinheit der Abstammung bewahren und nicht mit den Kindern Chams sich vermischen sollten. Er gab ihnen Gürtel und Brustgewänder mit, die er in der Arche gehabt, dass die Familienhäupter bei dem Gottesdienst und der Verehelichung sich damit bekleideten, um vor Unsegen und übler Nachkommenschaft bewahrt zu werden. Der Gottesdienst Noes bei dem Opfer erinnerte mich an das Heilige Messopfer. Er bestand in Gebet und Antworten, Noe wandelte am Altar hin und her und verbeugte sich. Er gab ihnen auch eine lederne Tasche mit einem Gefäß aus Bast, worin eine goldene Büchse in Gestalt eines Eies, in welchem wieder drei kleine Gefäße waren. Auch die Knollen oder Zwiebel der Schleimpflanze erhielten sie von ihm und Schriftrollen von Bast oder Fellen, auf denen Zeichen standen, und runde Holzstöcke, in welche Zeichen eingeschnitten waren.

Die Leute waren sehr schön, von rötlichgelber glänzender Farbe. Sie trugen Felle mit Wolle und Gürtel. Nur die Arme waren unbekleidet. Ich sah, dass sie sich diese Felle, kaum dass sie den Tieren abgezogen waren, noch blutig über die Glieder schlugen, und dass sie ihnen so dicht anlagen, dass ich anfangs meinte, die Leute seien behaart. Sie hatten aber eine Haut wie Atlas. Sie hatten außer den Sämereien nicht viel Gepäck bei sich, als sie weg nach einer hohen Gegend gegen Nordost zogen. Kamele sah ich nicht bei ihnen, aber Pferde, Esel und breitgehörnte Tiere wie Hirsche. Ich sah sie an einem hohen Berg hin und übereinander in niederen langen Hütten wohnen, die wie Lauben an den Berg angebaut waren, an dem ich sie auch graben, pflanzen und Bäume in langen Reihen setzen sah. Die andere Seite des Berges war kalt, und später wurde auch die ganze Gegend viel kälter, so dass einer der Enkel Thubals, der Stammführer Dsemschid, sie gegen Südwest weiterführte. Alle, welche Noe gesehen und von ihm Abschied genommen hatten, starben bis auf wenige hier. Die mit Dsemschid Ziehenden waren alle hier geboren, und sie nahmen die wenigen Greise, welche den Noe noch gekannt hatten, mit sich und trugen sie sehr sorgsam in Körben ruhend.

Als Thubal mit den Familien von Noe schied, da sah ich jenes Kind des Mosoch, den Hom, das mit in die Arche gekommen war, auch darunter. Hom war schon erwachsen. Ich sah ihn nachmals ganz verschieden von den anderen und groß wie einen Riesen, sehr ernst und eigen. Er trug ein langes Mantelkleid und war wie ein Priester. Er sonderte sich ab und brachte viele Nächte allein auf dem Gipfel des Gebirgsrückens zu. Er sah nach den Sternen und trieb Zauberei und war durch den Teufel in Gesichten, die er in eine Ordnung und Lehre brachte, durch welche er die Lehre Henochs trübte. Der böse Trieb aus seiner Mutter vermischte sich in ihm mit der reinen Erblehre Henochs und Noes, an welche die Kinder Thubals sich hielten. Hom brachte durch seine Offenbarungen und Gesichte falsche Wendungen und Deutungen in die alte Wahrheit. Er klügelte und studierte, sah nach den Sternen und hatte Gesichte, welche vom Teufel verunstaltete Figuren der Wahrheit ihm zeigten, die durch ihre Ähnlichkeit mit der Wahrheit seine Lehre und Abgötterei zur Mutter der Ketzereien machten. Thubal war ein guter Mann. Homs Treiben und seine Lehre gefiel ihm nicht, und es tat ihm wehe, dass einer seiner Söhne, der Vater Dsemschids, dem Hom anhing. Ich hörte Thubal klagen: «meine Kinder sind nicht einig, ich wollte, ich wäre bei Noe geblieben.»

Hom leitete von dem Berge, an dem sie wohnten, zwei Quellen nieder, die sich zu einem Flusse vereinigten, der nach kurzem Laufe zu einem breiten Strome wurde, über den ich sie bei ihrem Wegzug unter Dsemschid ziehen sah. Hom empfing von seinen Anhängern beinahe göttliche Verehrung. Er brachte ihnen die Lehre bei, dass Gott im Feuer sei. Auch mit dem Wasser hatte er viel zu tun und besonders mit der Schleimwurzel, von der er seinen Namen hatte. Er pflanzte sie und teilte sie als heilige Nahrung und Arznei mit Feierlichkeit aus, so dass eine religiöse Handlung zuletzt daraus entstand. Ihren Saft oder Brei trug er in einem braunen Gefäß, wie ein Mörser, bei sich. Ihre Zelthaken waren von dem gleichen Metall. Diese wurden von den Leuten eines anderen Stammes gemacht, welche ferne von ihnen an einem Gebirge lebten und im Feuer arbeiteten. Ich sah sie an Bergen, aus denen bald hier bald dort Feuer hervorbrach und ich meine, dass jenes Gefäß von herausfließendem Metall oder Gestein war, das in einer Form von ihnen aufgefangen wurde. Hom war nicht verheiratet und wurde nicht sehr alt. Er verkündete viele Gesichte über seinen Tod, an die er selber, wie später Derketo, und seine Anhänger glaubten. Ich sah ihn aber schrecklich sterben, dass nichts von ihm zurückblieb, indem der böse Feind ihn mit sich nahm. Darum glaubten seine Anhänger, er sei wie Henoch an einen heiligen Ort entrückt worden. Der Vater Dsemschids wurde von ihm unterrichtet, er hinterließ ihm seinen Geist, damit er an seine Stelle trete.

Dsemschid wurde durch seine Weisheit der Führer seines Stammes, der sich schnell mehrte und ein ganzes Volk war, als es von Dsemschid immer weiter nach Süden geführt wurde. Dsemschid war sehr vornehm erzogen worden und hatte Homs Lehre empfangen. Er war unbeschreiblich lebendig und rasch, viel tätiger und auch besser als Hom, der mehr finster und steif war. Er brachte Homs Lehre und Religion recht in Ausübung, setzte noch mancherlei dazu und sah auch viel nach den Sternen. Das Volk, das ihm anhing, hatte schon das heilige Feuer und zeichnete sich auch mit einem Rassezeichen. Die Menschen hielten sich damals ganz rassenweise zusammen und gingen nicht so durcheinander wie jetzt. Dsemschid sah besonders auf Reinerhaltung und Veredlung der Geschlechter und trennte und verpflanzte sie, wie er für gut befand. Die Menschen waren ganz frei und doch sehr untertänig. Die wilden Stämme, die ich jetzt noch in fernen Ländern und Inseln sehe, sind mit der Schönheit und dem edlen einfachen und doch ganz gewaltigen Wesen dieser ersten Rassen gar nicht zu vergleichen. Sie sind auch bei weitem nicht so geschickt, so stark und gewandt.

Dsemschid baute auf seinen Zügen Grundlagen von Zeltstädten, zeichnete Felder ab, machte lange Straßen von Stein und setzte da und dort so und so viele Menschenpaare hin mit Tieren und Bäumen und Pflanzen. Er umritt ganze Strecken Landes und hieb mit seinem Instrument, das er immer in der Hand hatte, in die Erde, und gleich waren seine Leute da und gruben und hackten und machten Zäune und Gräben. Er war erstaunlich strenge und gerecht. Ich sah ihn als einen alten großen, sehr hageren, gelbroten Mann auf einem kleinen gelb und schwarz gestreiften, erstaunlich schnellen Tier, das einem Esel mit feinen Beinen glich. Er umritt ein Stück Land, wie bei uns arme Leute in der Heide nachts Feld umgehen und es sich zum Anbau zueignen. An einzelnen Punkten hielt er still und schlug mit seinem Haken ein, oder steckte eine Stange in die Erde, dann wurde hier angesiedelt. Dieses Instrument, welches später die goldene Pflugschar Dsemschids genannt wurde, war wie ein lateinisches armlanges Kreuz mit einer Klinge, die herausgezogen mit dem Schaft einen rechten Winkel bildete. Damit machte er Risse in die Erde. Er trug dieses Zeichen auch an der Seite seines Rockes abgebildet, wo man sonst die Taschen hat. Es erinnerte an das Zeichen, welches Joseph und Aseneth in Ägypten immer trugen und mit dem auch sie das Feld maßen. Doch war dieses mehr wie ein Kreuz und hatte oben einen Ring, in welchen es eingelegt werden konnte. Dsemschid trug einen Mantel, der von vorne nach rückwärts zurückfiel. Von dem Gürtel bis zu den Knien hingen vier Lederlappen, zwei hinten und zwei vorne, die an den Seiten streifweise zusammengehalten und unter den Knien geheftet waren. Die Füße waren mit Leder und Riemen umwunden. Auf der Brust trug er ein goldenes Schild. Er hatte mehrere solche Brustschilde, welche er bei feierlichen Gelegenheiten wechselte. Seine Krone war ein runder Reif von Gold mit Zacken, nach vorne aber mit einem höheren Bügel, wie ein Horn, und es spielte an der Spitze desselben wie ein Fähnchen.

Er sprach sehr viel von Henoch und wusste, dass er von der Erde entnommen worden und nicht gestorben sei. Er lehrte, Henoch habe alles Gute und alle Wahrheit dem Noe übergeben, welchen er den Vater und Bewahrer alles Guten nannte. Von Noe aber sei alles auf ihn selber übergegangen. Dsemschid hatte ein goldenes, eiförmiges Gefäß umhängen, in welches, wie er sagte, das von Noe in der Arche bewahrte und auf ihn gekommene Gute eingeschlossen sei. Wo er auf seinen Zügen die Zelte aufschlug, da wurde das goldene Gefäß auf eine Säule gestellt und darüber auf zierlichen Stangen mit allerhand geschnitzten Figuren ein Zeltdach wie ein Tempelchen errichtet. Das Gefäß hatte eine durchbrochene Krone als Deckel, und wenn Dsemschid Feuer machte, nahm er etwas heraus und warf es in das Feuer. Das Gefäß war in der Arche gewesen, und Noe hatte das Feuer darin aufbewahrt. Nun wurde es das Heiligtum Dsemschids und seiner Leute. Wenn es aufgestellt wurde, brannten Feuer darum her, welche sie anbeteten und vor denen sie Tiere opferten. Dsemschid lehrte, der große Gott wohne im Lichte und im Feuer und habe viele andere Untergötter und dienende Geister.

Alles Volk unterwarf sich ihm. Er setzte Männer und Frauen mit Herden da und dorthin, und ließ pflanzen und bauen. Sie durften nicht nach ihrem Willen sich verbinden, er behandelte sie wie Herden und teilte nach seinen Absichten den Frauen den Mann zu. Er selbst hatte mehrere Frauen und eine sehr schöne von besserem Stamme, von der er einen Sohn hatte, der sein Nachfolger ward. Er baute auch große runde Türme, die man auf Stufen bestieg, um nach den Sternen zu sehen. Die Frauen, welche abgesondert und untertänig waren, hatten kurze Röcke, um die Brust und den Oberleib ein Geflecht von Riemen, hinten hing etwas Zeug nieder, und um den Hals über die Schultern bis über die Knie hing eine unten runde, breite Bahn. Sie war über Schultern und Brust mit Zeichen oder Buchstaben verziert. Aus allen Ländern, die er gegründet hatte, ließ er gerade Bahnen in der Richtung nach Babel machen.

Wo er hinzog, war noch niemand. Er hatte kein Volk zu vertreiben, es ging alles ganz friedlich her. Es war nur ein Bauen und Ansiedeln. Sein Stamm war rotgelb, glänzend von Farbe wie Ocker. Es war ein schöner Schlag Menschen. Alle Stämme wurden gezeichnet, um reine und vermischte Abstammung zu kennen. Er kam mit seinen Leuten über ein hohes Eisgebirge, ich weiß nicht mehr durch welche Kunst, ziemlich glücklich hinüber; viele aber blieben stecken. Sie hatten Pferde oder Esel, und Dsemschid ritt auf einem kleinen, gestreiften Tier. Eine Naturveränderung trieb sie aus ihrem Lande, es war so kalt - jetzt ist es wieder wärmer dort. Er traf auf seinem Zuge hie und da auf hilflose Stämme, teils der Tyrannei einzelner Oberhäupter entlaufen, teils in großer Not auf irgend einen Führer harrend. Sie unterwarfen sich ihm gerne. Denn er war milde und brachte Getreide und Segen. Es waren bedrängte Vertriebene, die so wie Job beraubt und gehetzt worden waren. Ich sah solche, die ohne Feuer waren und ihr Brot auf heißen Steinen an der Sonne bereiteten. Als Dsemschid ihnen Feuer brachte, war er ihnen wie ein Gott. Er fand auch einen Stamm, welcher Kinder opferte, die ihnen nicht schön genug und etwas missgestaltet waren. Sie gruben sie halb ein und machten Feuer um sie. Er schaffte dies ab und befreite solche Kinder und ließ sie in einem Zelthaus von Frauen großziehen. Hernach brauchte er diese Kinder wieder als Knechte hie und da. Er hatte große Sorge um reine Abstammung.

Dsemschid war anfangs südwestlich gezogen und hatte den Prophetenberg zur Linken im Süden. Hernach wendete er sich südlich und hatte ihn links im Morgen. Ich meine, dass er nachher über den Kaukasus gekommen ist. Damals, als alles dort von Menschen wimmelte und rege war, war in unseren Ländern alles Morast, Wald und Wüste. Gegen Morgen zu hie und da ein kleiner, verirrter Haufen. Der Glanzstern (Zoroaster), der viel später ist, war ein Nachkomme vom Sohn Dsemschids und erneuerte seine Lehre. Dsemschid schrieb auf Tafeln von Stein und Bast allerlei Gesetze. Ein langer Buchstabe bedeutete manchmal einen ganzen Satz. Diese Sprache ist noch von der Ursprache, sie hat Berührung mit der unsern. Dsemschid traf noch in die Zeit von Derketo und ihrer Tochter, der Mutter von Semiramis. Bis Babel selbst kam er nicht, aber sein Lauf kam in diese Richtung.

Ich sah die Geschichte Homs und Dsemschids, als Jesus vor den heidnischen Philosophen in Lanifa auf Zypern lehrte. Diese hatten vor Jesus von Dsemschid als von einem ältesten weisen König gesprochen, der hoch oben hinter Indien hervorgekommen sei und mit einem goldenen Dolch, den er von Gott erhalten, so viele Länder geteilt und bevölkert und überall Segen verbreitet habe. Sie fragten Jesus über ihn und allerlei Wunder, die sie von ihm erzählten. Jesus sagte ihnen, dass Dsemschid ein natürlich-kluger und sinnlich-weiser Mann und Völkerführer gewesen sei, der einen Stamm, als die Völker sich nach der Trennung beim Turm von Babel zerstreuten, geführt, und Länder nach gewissen Ordnungen mit ihm besetzt habe, und dass es solche Führer gegeben habe, welche übler gehaust hätten, als er, weil seine Rasse nicht so verfinstert gewesen sei. Er zeigte ihnen aber auch, welche Fabeln auf seine Rechnung geschrieben würden, und wie er ein falsches Nebenbild und Irrbild des Priesters und Königs Melchisedech sei. Er sagte ihnen, auf diesen zu schauen und auf Abrahams Stamm. Denn als die Ströme der Völker sich bewegten, habe Gott den besseren Familien den Melchisedech gesandt, dass er sie führe und verbinde und ihnen Länder und Wohnstätten bereite, auf dass sie rein erhalten und nach ihrem Wert der Annäherung an die Gnade der Verheißung fähiger oder unfähiger würden. Wer Melchisedech gewesen, das möchten sie selbst denken. Aber das sei die Wahrheit, er sei ein frühes Vorbild künftiger, jetzt so naher Gnade der Verheißung gewesen, und sein Opfer von Brot und Wein, welches er gebracht, werde erfüllt werden und vollendet und werde bestehen bis ans Ende der Welt.

7. Turmbau von Babel

Der Turmbau von Babel war das Werk der Hoffart. Die Bauleute wollten ein Werk nach ihrem Verstand machen, um den Führungen Gottes zu widerstehen. Als der Kinder Noes sehr viele geworden waren, taten sich die Kunstfertigsten und Stolzesten aus ihnen zusammen und gedachten ein Werk so groß und fest hervorzubringen, dass man es zu ewigen Zeiten bewundern und von den Erbauern als den kunstreichsten und gewaltigsten Menschen sprechen sollte. An Gott dachten sie nicht dabei, nur an ihre eigene Ehre, sonst hätte Gott, wie mir bestimmt erklärt wurde, sie ihre Arbeit vollenden lassen. Die Semiten waren nicht bei dem Bau. Sie wohnten in ebenem Land, wo Palmbäume und ähnliche edle Früchte wuchsen, mussten aber, da sie nicht so weit entfernt waren, doch einiges zum Bau liefern. Nur die Abkömmlinge von Cham und auch von Japhet waren mit dem Bau beschäftigt und nannten die sich weigernden Semiten ein dummes Volk. Die Semiten waren überhaupt nicht so zahlreich wie die andern, und unter ihnen war der Stamm Hebers und Abrahams wieder besonders ausgeschieden. Auf Heber, der nicht beim Turmbau war, hatte Gott sein Auge geworfen, um ihn und seine Nachkommen aus der allgemeinen Verwirrung und Verderbtheit zu einem heiligen Volke abzusondern. Darum gab ihm Gott auch eine neue heilige Sprache, welche kein anderes Volk besaß, damit sein Stamm sich abgesondert halten sollte. Es ist dies die hebräische oder chaldäische reine Sprache. Die erste Muttersprache, welche Adam, Sem, Noe redeten, ist eine andere und ist nur noch in einzelnen Mundarten vorhanden. Ihre ersten reinen Töchter sind die Sprache der Baktrier, der Zend und die heilige Sprache der Indier. In diesen Sprachen sind noch Wörter ganz wie in dem tiefen Plattdeutsch meiner Heimat. In dieser Sprache ist auch das Buch geschrieben, das ich im heutigen Ktesiphon am Tigris liegen sehe. Heber lebte noch zu der Zeit der Semiramis. Sein Grossvater Arphaxad war der auserwählte Sohn des Sem, voll tiefer Einsicht und Weisheit. Aber es sind viele abgöttische Dienste und Zauberei von ihm abgeleitet worden. Die Magier führten ihre Quelle auch auf ihn zurück.

Der Turm wurde auf einer Anhöhe, welche ungefähr zwei Stunden im Umkreise hatte und aus einer sehr großen mit Feldern, Gärten, Bäumen bedeckten Ebene aufstieg, erbaut. Zu den Grundmauern des Turmes d. i. bis zur Höhe seines ersten Absatzes führten ringsum von allen Seiten aus der Ebene fünfundzwanzig sehr breite aufgemauerte Straßen. Es waren fünfundzwanzig Stämme, welche bauten, und jeder Stamm sollte seine eigene Straße nach dem Turm haben, und in der Richtung der Straße in der ferneren Umgebung die eigene Stadt, um bei Gefahren sich nach dem Turm zu retten. Der Turm sollte auch zum Tempel ihres abgöttischen Dienstes werden. Die gemauerten Straßen waren da, wo sie in der Ebene ihren Anfang nahmen, ziemlich weit voneinander entfernt, kamen aber da, wo sie ringsum an dem Turm anlangten, sich so nahe, dass der Zwischenraum zwischen den einzelnen nicht größer mehr war, als die Breite einer großen Straße. Vor ihrer Endigung in den Turm waren sie durch Querbogen verbunden, und hier führte zwischen je zwei Straßen ein etwa zehn Schuh breites Tor in die Basis des Turmes. Hatten die sanft aufsteigenden Straßen eine gewisse Höhe erreicht, so wurden sie zuerst von einfachen großen Bogenstellungen, und näher dem Turm kommend von doppelt über einander stehenden Bogenstellungen unterzogen, so dass man am Umkreise des Turmes durch diese Bogen unter allen Straßen hinweg rund um die erste Basis des Turmes herumgehen konnte. Da, wo die Bogenstellungen unter den Straßen von der einen zur anderen quer durchliefen, waren die Straßenflächen horizontal.

Diese sanft aufsteigenden Straßen waren teils, wie die Wurzeln eines Baumes, die stützende Widerlage zur Befestigung der Fundamente des ungeheuren Baues, teils dienten sie als Wege, um die großen Lasten und Baumaterialien von allen Seiten auf die erste Höhe des Turmes zu bringen.

Zwischen diesen ausgestreckten Wurzeln des Turmes waren Zeltlager mit gemauertem Unterbau. Sie waren von den Straßen durchschnitten und an manchen Stellen ragten die Zeltgiebel über die Straßen hinaus. Aus jedem Zeltlager führten Stufeneinschnitte auf die Höhe der Straßen. Im Umkreise des Turmes konnte man durch die Bogenstellungen durch alle Zeltlager unter den Steinwegen wegziehen.

Außer den Bewohnern dieser Zeltlager lebten andere in den vielen Gewölben und Räumen, die auf beiden Seiten unter den Steinwegen sich befanden. Es war ein ungeheures Gewimmel um und über das Ganze, es war wie ein großer Ameisenhaufen. Kamele, Elephanten und Esel in Unzahl zogen mit breiten und schweren Lasten ringsum auf und nieder, und konnten zu mehreren aneinander vorübergehen. Es waren Futter- und Abladeplätze unterwegs und auch Zelthäuser auf den ebenen Stellen der Wege und ganze Gewerke. Ich sah Tiere, die ohne Führer den Weg beladen hinauf und hinabzogen.

Die Tore an der Basis des Turmes führten in eine ungeheure Menge von Hallen, in Labyrinthe von Gängen und Kammern. Man konnte an dieser Unterlage des Turmes selbst von allen Seiten auf eingeschnittenen Treppen hinauf. Vom ersten Absatz des Turmes an führte der Weg äußerlich schneckenförmig um das vieleckige Gebäude. Auch hier bestand das Innere aus ungeheuer festen Kellern und verwickelten Kammern und Gängen.

Der Bau wurde von allen Seiten zugleich in der Richtung nach dem Mittelpunkt in Angriff genommen, wo anfänglich noch ein großes Zeltlager stand. Sie bauten mit Ziegeln, schleppten aber auch große behauene Steine herbei. Die Oberfläche der Straßen war ganz weiß und glänzte in der Sonne. Es war ein wunderbarer Anblick in der Ferne. Der Turm war mit großer Kunst angelegt, und es wurde mir gesagt, dass er zustande gekommen wäre und noch stehen und ein schönes Andenken an die Kraft der Menschen sein würde, wenn sie ihn zu Gottes Ehre erbaut hätten. Sie dachten aber nicht an Gott dabei, sondern es war ein Werk des eigenen Übermutes. Inwendig in den Gewölben mauerten sie mit andersfarbigen Steinen ganz groß die Namen und das Lob derjenigen in die Pfeiler, welche beim Bauen Grosses geleistet hatten. Sie hatten keine Könige, sondern nur Stammväter, und diese regierten wieder alles nach gemeinsamem Rat. Die Steine waren künstlich gemacht, und alles griff und schloss aneinander. Es arbeitete alles mit. Es waren Kanäle und Zisternen zum Wasserbedarf gegraben. Die Frauen traten Ton mit den Füßen. Die Männer hatten die Arme und Brust bei der Arbeit unbekleidet. Die Vornehmeren trugen eine kleine Mütze mit einem Knopf. Die Frauen hatten schon sehr früh das Haupt verhüllt.

Der Bau wurde so hoch und groß, dass es durch den Schatten auf der einen Seite ganz kalt, und auf der andern durch den Widerschein sehr heiß war. Sie hatten dreißig Jahre gebaut und waren an dem zweiten Absatz, hatten ihn schon umfangen und mauerten im Inneren die turmähnlichen Säulen auf und mit bunten Steinen ihre Namen und Geschlechter hinein, als die Verwirrung losbrach. Es war keine erhabene Bildhauerarbeit an dem Bau, aber vieles wurde mit farbigen Steinen eingelegt, und hie und da wurden auch Figuren in Nischen eingehauen. Ich sah unter den Führern und Meistern des Baues einen Gesandten Gottes, Melchisedech, auftreten, der sie über ihr Tun zur Rede stellte und die Strafe Gottes ankündigte. Nun begann die Verwirrung. Viele, die anfänglich in Ruhe fortgearbeitet hatten, rühmten nun sich ihrer Geschicklichkeit und Verdienste am Bau, machten Partei und nahmen diese und jene Vorrechte in Anspruch. Dagegen erhob sich Widerspruch, Befeindung, Aufruhr. Es wurden nur zwei Stämme für die Unzufriedenen gehalten, sie sollten niedergehalten werden. Nun fand sich aber, dass alle uneins waren. Sie wurden untereinander handgemein und erschlugen sich. Sie verstanden sich nicht mehr, trennten und zerstreuten sich über den ganzen Erdkreis. Ich sah das Geschlecht Sems mehr gegen Mittag ziehen, wo Abrahams Heimat war und sah einen Mann desselben, der gut war, nicht hinwegziehen, sondern um seiner Frau willen unter den Bösen zu Babel bleiben. Und dieser ist der Stammvater der Samanen, welche sich immer getrennt hielten und später unter der grausamen Semiramis durch Melchisedech nach dem gelobten Lande einzeln verpflanzt wurden.

Da ich als Kind das Bild vom Turmbau hatte, konnte ich es nicht fassen und verwarf es immer. Ich hatte ja nichts gesehen, als unsere Hütte, wo die Kühe zum Schornstein hinausgingen, (d. i. wo das Tor auch dem Rauch zum Ausgang diente) und die Stadt Koesfeld; manchmal glaubte ich sogar, es müsste der Himmel sein. Ich hatte aber das Bild immer wieder in der gleichen Weise, später und auch heute noch, und sah, wie der Turm zu Jobs Zeiten aussah.

Einer der Hauptführer bei dem Turmbau war Nemrod, der nachmals als Götze unter dem Namen Belus verehrt wurde. Er ist der Stammvater der auch als Göttinnen verehrten Derketo und der Semiramis. Nemrod erbaute aus den Steinen des Turmes die Stadt Babyion, und Semiramis führte den Bau zu Ende. Er legte auch den Grund von Ninive, gemauerte Grundlagen für Zeltwohnungen. Er war ein großer Jäger und Tyrann. Es gab damals wilde, grausame Tiere in Unzahl, welche große Verwüstungen verursachten. Die Jagdzüge gegen sie waren so großartig wie Kriegszüge. Wer recht wilde Tiere erlegte, wurde wie ein Gott verehrt. Nemrod trieb auch Menschen zusammen, die er sich unterwarf. Er trieb Götzendienst, war voll Grausamkeit und Zauberkünste und hatte viele Nachkommen. Er ist gegen zweihundertsiebzig Jahre alt geworden. Er war von gelblicher Farbe und führte von früher Jugend an ein sehr wildes Leben und war ein Werkzeug des bösen Geistes und dem Sterndienst sehr ergeben. Von den Figuren und mannigfachen Bildern, welche er in den Planeten und Gestirnen erblickte und aus denen er über dies und jenes Volk und Land weissagte, suchte er Nachbildungen zu fertigen und machte diese dann zu Götzen. So haben die Ägypter die Figur der Sphinx von ihm, wie auch die vielarmigen und vielköpfigen Götzenbilder empfangen. Siebzig Jahre lang war Nemrod mit diesen Götzen-Gesichten und der Einrichtung des abgöttischen Dienstes und der Götzenopfer und mit der Einsetzung der Götzenpriester beschäftigt. Durch seine teuflische Weisheit und Gewalt hatte er sich die Stämme unterworfen, welche er dann zum Turmbau führte. Als die Sprachverwirrung entstand, rissen sich viele Stämme von ihm los, und die wildesten zogen unter Mesraim nach Ägypten. Nemrod aber erbaute Babyion, unterjochte alles ringsumher und gründete das babylonische Reich. Unter seinen vielen Kindern waren auch Ninus und die als Göttin verehrte Derketo.

8. Derketo

Von Derketo bis Semiramis sah ich drei Geschlechter, und eine die Tochter der andern. Ich sah Derketo, eine große gewaltige Frau, in Tierfelle mit vielen hängenden Riemen und Tierschweifen gekleidet, und einer Mütze von Vogelfedern auf dem Haupte, mit vielen andern Frauen und Männern aus der Gegend von Babyion hervorbrechen. Sie war in stetem Prophezeien, Sehen, Stiften, Opfern und Herumstreifen begriffen. Sie trieben einzelne Geschlechter mit ihren Herden mit sich fort, weissagten gute Wohnplätze, türmten hohe Steine auf, die oft ungeheuer waren, opferten und trieben alle Laster. Alles zog sich zu ihr hin. Sie war bald hier, bald dort und wurde überall verehrt und hatte in spätem Alter eine Tochter, welche nachher ihre Rolle fortspielte. Ich sah dieses ganze Bild mehr in einer Ebene, wodurch der Anfang dieses Gräuels bedeutet wurde. Ich sah sie zuletzt als eine alte furchtbare Frau in einer Stadt am Meer wieder am Wasser ihre Zauberei treiben und in einem teuflisch ekstatischen Zustande allem Volke verkünden, dass sie für alle sterben und sich opfern wolle. Sie könne nicht bei ihnen bleiben, sie werde sich aber in einen Fisch verwandeln und als solcher immer in ihrer Nähe sein. Sie ordnete auch den Dienst an, den man ihr erweisen sollte, und stürzte sich vor allem Volke ins Meer. Es waren bei allen diesen Prophezeiungen Geheimnisse und allerlei Bedeutungen vom Wasser und dergleichen. Ich sah auch, dass sich bald nachher ein Fisch erhob, und dass das Volk ihn mit allerlei Opfern und Gräueln begrüßte, und dass aus all dem Zeug der Derketo eine ganze Abgötterei wurde.

Nach ihr sah ich eine andere, ihre Tochter, auf einem niederen Berge erscheinen. Dies deutete auf einen schon gewaltigeren Zustand. Es war dies noch unter Nemrods Zeiten. Sie waren aus einem Geschlecht. Diese Tochter sah ich in ähnlichem Treiben wie Derketo, doch noch ungestümer und wilder. Sie war meist mit großen Scharen jagend und herumziehend oft hundert Meilen weit, gegen die Tiere fechtend, dazwischen opfernd, zaubernd und weissagend. Es wurden dabei allerlei Plätze gegründet und Götzendienerei eingerichtet. Diese sah ich gegen ein Nilpferd kämpfend ins Meer stürzen.

Ihre Tochter Semiramis sah ich auf einem hohen Berge mit allen Reichtümern und Schätzen der Welt umgeben, als wenn der Teufel sie ihr zeige und gäbe, und sah sie den ganzen Gräuel dieser Rasse in Babyion vollenden.

In den ersten Zeiten waren solche Zustände ruhiger und bei vielen. Später wurden sie in einzelnen ganz gewaltig. Diese wurden nun Führer und Götter der andern und gründeten allerlei Götzendienste auf ihre Gesichte, wirkten auch äußerlich hie und da allerlei Kunst, Gewalt und Erfindung. Denn sie waren voll des bösen Geistes. Hieraus entstanden ganze Stämme, erst von Herrschern und Priestern zugleich, später nur Priester-Geschlechter. Ich habe in der ersten Zeit mehr Frauen als Männer solcher Art gesehen, und diese waren überall in einem inneren Zusammen-Fühlen, Wissen und Wirken. Vieles, was man von ihnen sagt, sind unvollkommene Darstellungen ihrer ekstatischen oder magnetischen Äußerungen über sich, ihren Ursprung und ihr Treiben, teils von ihnen selbst, teils von andern Teufels-Somnabulen über sie ausgesprochen. Auch die Juden hatten in Ägypten viele geheime Künste. Moses aber rottete sie aus und war der Seher Gottes. Bei den Rabbinern aber blieb vieles davon als Sache der Gelehrten. Später ward es bei einzelnen Völkern ein niedriges, armes Treiben, und spukt noch im Hexenwesen und als Aberglauben. Es ist aber alles aus demselben Baum des Verderbens gewachsen, aus dem einen niedern Reiche. Ich sehe alle ihre Bilder dicht über oder gar unter der Erde. Es ist auch im Magnetismus ein Element davon.

Jenen ersten Götzendienern war das Wasser sehr heilig. Alle ihre Dienste übten sie beim Wasser, und der Anfang der prophetischen und Visions-Zustände war immer ein Sehen ins Wasser. Sie hatten bald eigens geweihte Teiche dazu. Später wurden diese Zustände bleibend, und sie sahen auch ohne Wasser ihre bösen Gesichte. Ich habe bei dieser Gelegenheit von ihren Gesichten gesehen, und es ist ganz kurios. Es ist dann, als wenn unter dem Wasser die ganze Welt nochmals wäre mit allen Dingen, die oben sind. Aber alles ganz in einen finstern, bösen Kreis gehüllt. Es steht Baum unter Baum, Berg unter Berg, Wasser unter Wasser. Ich sah, dass diese zauberischen Frauen alles so sahen, Kriege, Völker, Gefahr usw., wie solche Gesichte auch jetzt gesehen werden, nur, dass sie alles gleich taten und wahr machten, was sie sahen. Sie sahen: dort ist ein Volk, das könnt ihr unterjochen, jenes überfallen, dort eine Stadt bauen. Sie sahen ausgezeichnete Männer und Frauen, und wie sie dieselben überlisten sollten. Ja allen den Teufelsdienst, den sie trieben, sahen sie voraus. So sah die Derketo voraus, dass sie sich ins Wasser stürze und ein Fisch werde und tat es auch. Selbst ihre Gräuel sah sie im Wasser voraus und übte sie dann.

Die Tochter der Derketo lebte schon mehr in einer Zeit, da man große Dämme baute und Wege machte. Sie streifte bis nach Ägypten hinein, und ihr ganzes Leben war ein Ziehen und Jagen. Ihr Anhang gehört zu jenen, die Job in Arabien so sehr beraubten. In Ägypten kam dieses alles recht in eigenes festes Wesen, und man war so darin versunken, dass viele solche Hexen auf kuriosen Sitzen vor allerhand Spiegeln in Tempeln und Kammern saßen, und dass alle ihre Gesichte, während sie noch darin begriffen waren, von hunderten von Menschen, denen Priester immer die Sachen berichteten, in steinerne Wände von Höhlen gehauen wurden.

Es ist auch seltsam, dass ich alle solche schrecklichen Hauptwerkzeuge der Finsternis in einer unbewussten Gemeinschaft zueinander sah, und dass ich an verschiedenen Orten von Verschiedenen aus ihnen dieselben oder ähnliche Händel treiben sah, nur mit einigem Unterschied der Landesart und bösen Bedürfnisse der Völker. Einige Völker waren jedoch nicht so tief in diesen Gräueln und der Wahrheit näher; z. B. jene, aus denen die Familie Abrahams, das Geschlecht Jobs und der drei Könige herkommen, wie auch die Sterndiener, in Chaldäa und die den Glanzstern (Zoroaster) hatten.

Als Jesus Christus auf die Erde kam, und als die Erde mit seinem Blut begossen ward, nahm die wilde Kraft dieses Treibens sehr ab, und es wurden diese Zustände matter. Moses war von Kindsbeinen an ein Sehender, aber ganz in Gott, und folgte immer dem, was er sah.

Derketo, ihre Tochter und ihre Enkelin Semiramis wurden sehr alt nach Art jener Zeit. Sie waren gewaltige, große, mächtige Menschen, die uns jetzt schier einen Schrecken machen würden. Sie waren unbegreiflich kühn und stürmend und frech und handelten mit einer ungemeinen Sicherheit immer in ihrem bösen Geiste vorhersehend. Sie fühlten sich ganz erwählt und als Götter. Sie waren ganz eine Wiederholung jener noch rasenderen Zaubermenschen auf dem hohen Gebirge, welche durch die Sündflut umkamen.

Rührend ist es zu sehen, wie die gerechten Altväter sich mitten durch diese Gräuel auch mit vielen Offenbarungen Gottes, aber unter stetem Kampfe und Leiden durchwinden mussten, und wie das Heil auf verborgenen, mühsamen Wegen endlich zur Erde kam, während jenen Teufelsdienern alles äußerlich gelang und zu Diensten war.

Als ich dieses sah und den ungeheuren Wirkungskreis um diese Göttinnen und den großen Dienst, den sie über der Erde hatten, und daneben die kleine Schar Mariä, mit deren Vorbild in der Wolke des Elias die Philosophen auf Zypern ihre Lügengräuel zusammen bringen wollten, und Jesus, die Erfüllung aller Verheißung, arm und geduldig lehrend vor ihnen stehen und dem Kreuze entgegengehen - Ach! Das war mir sehr traurig, und war doch nichts, als die Geschichte der Wahrheit und des Lichtes, das in die Finsternis geleuchtet, und das die Finsternis nicht begriffen hat, bis auf heutzutage!

Aber unendlich ist die Barmherzigkeit Gottes. Ich habe gesehen, dass in der Sündflut sehr viele Menschen durch Schrecken und Angst sich bekehrt haben und ins Fegfeuer gekommen sind, die Jesus bei der Höllenfahrt erlöst hat. Es blieben sehr viele Bäume in der Sündflut auf ihren Wurzeln stehen, die ich nachher wieder grünen sah, die meisten aber sind verschlammt und verschüttet worden.

9. Semiramis

Die Mutter der Semiramis war in der Gegend von Ninive geboren. Dieselbe erschien äußerlich spröde, insgeheim aber war sie sehr ausschweifend und grausam. Der Vater der Semiramis war ein syrischer Mann und wie ihre Mutter in den gräulichsten abgöttischen Götzendienst verwickelt. Er wurde nach ihrer Geburt umgebracht, was auch mit Wahrsagerei zusammenhing. Semiramis wurde in der Ferne zu Askalon in Palästina geboren und dann von Götzenpriestern bei Hirten in einer Wüste erzogen Semiramis war als Kind viel auf einem Berge allein, und ich sah Götzenpriester und auch ihre Mutter auf den Jagdzügen bei ihr. Ich sah auch den Teufel in allerlei Gestalten mit ihr spielen, wie Johannes in der Wüste mit Engeln umging. Ich sah auch Vögel mit bunten Flügeln bei ihr, die ihr allerlei kuriose Spiele brachten. Ich weiß nicht mehr alles, was mit ihr getrieben wurde; es war die gräulichste Abgötterei. Sie war schön, voll Verstand und allen Weltkünsten und alles gelang ihr.

Sie wurde zuerst auf Weissagerei hin die Frau eines Herdenaufsehers des Königs von Babel und dann die Frau des letzteren selber. Dieser hatte ein Volk, weiter gegen Norden, bezwungen und einen Teil davon als Sklaven in sein Land geschleppt, weIche, nachdem Semiramis die Regierung später allein führte, sehr von ihr gequält wurden und bei ihren unbegreiflichen Bauten mitarbeiten mussten. Semiramis wurde von ihrem Volke für eine Göttin gehalten.

Ihre Mutter habe ich noch wildere Jagden machen gesehen. Sie zog mit einem kleinen Kriegsheer auf Kamelen, gestreiften Eseln und Pferden umher. Ich sah sie auch einmal in Arabien gegen das Rote Meer zu eine große Jagd halten, da Job dort in seiner Stadt wohnte. Diese jagenden Frauen waren sehr behende und saßen wie Männer zu Pferde. Sie waren vollständig bekleidet bis herab zu den Knien, von wo die Beine mit Riemen geschnürt waren. Unter den Füßen hatten sie Sohlen mit je zwei hohen Absätzen, auf welchen Figuren mit Farben eingezeichnet waren. Sie trugen kurze Leibröcke aus feinen bunten Federn in den verschiedensten Farben und Mustern. Über Brust und Arme kreuzte sich Riemenwerk mit Federn besetzt, die Schultern deckte ein Kragen, ebenfalls als Federn mit blinkenden Steinen und Perlen besät. Den Kopf bedeckte eine Art Hut aus roter Seide oder Wolle. Vor dem Gesichte hatten sie zwei Hälften eines Schleiers, um mit der einen oder andern gegen Staub und Wind sich zu decken. Auch einen kurzen Mantel hatten sie überhängen. Die Jagdwaffen waren Spieß, Bogen und Pfeil. An der Seite hatten sie einen Schild. Die wilden Tiere hatten sich entsetzlich vermehrt. Die Jagenden trieben sie aus großen Strecken zusammen und erlegten sie. Es wurden auch Gruben gemacht und bedeckt, um darin die Tiere zu fangen und mit Kolben und Beilen zu töten. Die Mutter der Semiramis sah ich auch das Tier jagen, welches Job unter dem Namen Behemoth beschreibt. Auch Tiger, Löwen und ähnliche. In diesen ersten Zeiten sah ich keine Affen. Auch auf dem Wasser sah ich Jagden. Überhaupt wurden an den Gewässern Abgötterei und viele Gräuel getrieben. Die Mutter war äußerlich nicht so ausschweifend wie Semiramis. Doch hatte sie ein teuflisches Wesen und war von furchtbarer Kraft und Tollkühnheit. Was war das für eine schreckliche Sache, im Kampfe mit dem gewaltigen Riesentiere (einem Nilpferde) ins Meer zu stürzen! Sie saß auf einem Dromedar und verfolgte das Tier, da stürzte sie mit dem Dromedar ins Meer. Sie wurde als Göttin der Jagd und Wohltäterin der Menschen verehrt.

Semiramis kam von einem ihrer Jagd- oder Kriegszüge aus Afrika heimkehrend auch nach Ägypten, welches Reich von Mesraim, dem Enkel Chams, gegründet wurde, der bei seiner Ankunft schon einzelne zerstreute Haufen von unedleren Nebenstämmen dort vorfand. Ägypten ist von mehreren Volksstämmen bevölkert worden, und es hatte bald dieser, bald jener Stamm die Oberhand. Als Semiramis nach Ägypten kam, bestanden vier Städte. Die älteste war Thebä, wo ein mehr schlanker, leichter und behenderer Stamm lebte, als um die Stadt Memphis, wo die Bewohner kurz untersetzt waren. Es lag auf dem linken Nilufer, über den eine lange Brücke führte. Auf dem rechten Ufer lag das Schloss, wo zu Moses Zeit die Tochter Pharaos wohnte. Die dunkleren Bewohner mit wollichten Haaren waren schon in den ersten Zeiten Sklaven und haben nie in Ägypten regiert. Die zuerst hinein kamen und Thebä erbauten, sind (glaube ich) über Afrika gekommen. Die andern kamen übers Rote Meer und da wo die Israeliten hereinkamen. Eine dritte Stadt hieß Chume und später Heliopolis. Sie liegt weit oben von Thebä herab. Als Maria und Joseph mit Jesus nach Ägypten flüchteten, sah ich um diese Stadt noch außerordentlich große Gebäude. Weiter unten als Memphis, nicht sehr weit vom Meer, lag die Stadt Sais. Ich meine, sie ist noch älter als Memphis. Jede dieser vier Städte hatte einen eigenen König.

Semiramis wurde in Ägypten sehr verehrt und mehrte mit ihren Anschlägen und Teufelskünsten dort die Abgötterei. Ich sah sie in Memphis, wo Menschenopfer in Übung waren, Pläne machen, Sterndeuterei und Zauberei treiben. Den Stier Apis sah ich noch nicht, aber Götzenbilder mit einem Kopf gleich der Sonne und einem Schweif. Sie gab hier auch den Plan der ersten Pyramide an, welche auf dem östlichen Ufer des Nils nicht ferne von Memphis erbaut wurde, wobei das ganze Volk mithelfen musste. Als der Bau vollendet war, sah ich Semiramis mit ein paar hundert Leuten wieder dahin kommen. Es war die Einweihung, und Semiramis wurde schier göttlich verehrt.

Die Pyramide kam auf einen Ort zu stehen, wo Wasser und Sumpf war. Es wurde eine Unterlage von erstaunlichen Pfeilern, wie eine große, breite Brücke gebaut, über welcher sich die Pyramide erhob, so dass man unter ihr, wie in einem großen Säulentempel, umhergehen konnte. Es befanden sich viele Räume, Gefängnisse und weite Gemächer darin, und ebenso enthielt die Pyramide bis zu ihrer Spitze viele große und kleinere Räume mit Fensteröffnungen, aus welchen ich Bahnen von Tuch hängen und wehen sah. Rings um die Pyramide waren Bäder und Gärten. In diesem Bau war der eigentliche Sitz der ägyptischen Abgötterei, Sterndeuterei, Zauberei und der gräulichen Vermischungen. Es wurden Kinder und Greise geopfert. Sternseher und Zauberer wohnten in der Pyramide und hatten dort ihre teuflischen Gesichte. Bei den Bädern war eine große Anstalt, um das schlammige Nilwasser zu reinigen. Auch später sah ich ägyptische Frauen in größter Üppigkeit in diesen Bädern, welche mit den schändlichsten Gräueln des Götzendienstes zusammenhingen. Diese Pyramide hat nicht sehr lange gestanden; sie ist zerstört worden.

Das Volk war erschrecklich abergläubisch und die Götzenpriester in solcher Finsternis und Wahrsagerei, dass sie in Heliopolis sogar die Traumgesichte der Leute sammelten und aufzeichneten und dabei immer nach den Sternen sahen. Es standen immer mehr magnetische Personen mit teuflischen Gesichten auf, die Wahres und Falsches untereinander mengten. Danach wurde der Götzendienst eingerichtet und sogar die Zeitrechnung gemacht. So sah ich, dass die Götzen Isis und Osiris nichts anderes sind, als Aseneth und Joseph, deren Ankunft in Ägypten die Sterndeuter aus ihren dämonischen Gesichten vorausgesehen und in ihre Religion aufgenommen hatten. Als sie kamen, wurden sie abgöttisch verehrt, und ich sah, wie Aseneth darüber weinte und dagegen schrieb.

Unsere jetzigen Gelehrten, welche über Ägypten schreiben, sind in großem Irrtum, weil sie so vieles bei den Ägyptern für Geschichte, für Erfahrung und Wissenschaft halten, was sich doch nur auf falsche Visionen und Sterndeuterei gründet, wobei die Leute so dumm und viehisch bleiben können, wie die Ägypter es in Wirklichkeit gewesen sind. Die Gelehrten aber halten dergleichen dämonische Eingebungen und solches Treiben für unmöglich, verwerfen es und schätzen darum die Ägypter für älter, weil sie frühe schon so tiefsinnige und gelehrte Dinge gehabt haben sollen.

Ich sah aber, wie sie schon bei der Ankunft der Semiramis in Memphis in allerhand Hoffart und Verwirrung mit ihren Zeitrechnungen gewesen sind. Sie wollten immer als das älteste Volk erscheinen und machten eine Menge verwirrter Zeiten und Königsgeschlechter. Sie kamen dadurch ganz außer alle wahre Zeitrechnung, und da sie mehrmals ihre Berechnungen änderten, wussten sie fast keinen Bescheid mehr. Dazu kam, dass sie jeden Irrtum durch große Gebäude und durch große Inschriften zu verewigen suchten, wodurch die Verwirrung erst recht fest wurde. So rechneten sie lange Zeit die Alter der Vorfahren und Nachkommen so nacheinander, als wäre der Todestag des Vaters der Tag der Entstehung des Sohnes. Die Könige, die mit den Priestern immer über die Zeitrechnung stritten, schoben Vorfahren ein, die nie gelebt hatten. Auch wurden die vier gleichnamigen Könige, welche zu gleicher Zeit in Thebä, Heliopolis, Memphis und Sais regierten, nacheinander aufgezählt. Ich sah auch, dass einmal ein Jahr zu 970 Tagen gerechnet, dann wieder Jahre wie Monate gezählt wurden. Auch sah ich einen Götzenpriester eine Zeitrechnung machen, wo für 500 Jahre immer 1100 herauskamen.

Ich habe diese falschen Zeitberechnungen und das Treiben der Götzenpriester unter der Sabbatslehre in Aruma gesehen, wo Jesus vor den Pharisäern von dem Beruf Abrahams und seinem Aufenthalt in Ägypten und dabei gegen die ägyptische Zeitrechnung sprach. Jesus sagte den Pharisäern, dass jetzt die Welt 4028 Jahre bestehe. Und als ich Jesus dies aussprechen hörte, war Er selber einunddreißig Jahre alt.

Ich sah in jenen Zeiten auch Leute, welche den Seth als einen Gott sehr hoch verehrten und weite, gefährliche Reisen an sein vorgebliches Grab machten, das sie in Arabien glaubten. Es ist mir, als leben noch von diesen Leuten, und als ziehen sie durch türkisches Gebiet, wo sie gerne durchgelassen werden, noch zu diesem Grabe.

10. Melchisedech

Ich habe Melchisedech oft gesehen, aber nie als einen Menschen, sondern immer als ein Wesen anderer Art, als einen Engel und Gesandten Gottes. Ich habe keinen bestimmten Wohnort, keine Heimat, keine Familie, keinen Zusammenhang von ihm je gesehen. Ich habe ihn nie essen, trinken oder schlafen gesehen und bin nie auf den Gedanken gekommen, dass er ein Mensch sei. Er war gekleidet, wie kein Priester damals auf Erden, sondern wie ich die Engel im himmlischen Jerusalem erblicke, und wie ich nachher durch Moses auf Gottes Befehl die Priesterkleider herstellen sah. Ich habe Melchisedech da und dort auftreten, vermitteln und einrichten gesehen in Sachen, welche Völker betrafen, zum Beispiel bei Siegesfesten der damals so fürchterlichen Kriege. Wo er auftrat, und wo er war, übte er eine unwiderstehliche Gewalt aus durch seine Persönlichkeit. Niemand widerstand ihm, und doch brauchte er keine heftigen Mittel, und alle Menschen, die doch Götzendiener waren, ließen gerne seine Entscheidung, seinen Rat gelten. Er hatte keinen seines Gleichen, keinen Genossen, er war ganz allein. Manchmal hatte er zwei Boten, die er annahm. Sie waren Läufer, weiß und kurz gekleidet, und pflegten irgendwo seine Ankunft zu verkünden. Dann entließ er sie wieder. Was er brauchte, hatte er, ward ihm. Die Menschen, von denen er etwas annahm, entbehrten es nicht oder gaben es ihm mit Freude. Man schätzte sich glücklich, wo er war, und fürchtete ihn ehrerbietig. Die Bösen schwätzten über ihn und demütigten sich doch vor ihm. Es ging ihm, dem Wesen einer höheren Art, unter diesen heidnischen Großen, teils gottlosen und sinnlichen Menschen, wie es noch heutzutage jedem ausgezeichneten frommen Menschen geht, der fremd irgendwo auftritt und Gutes verbreitet.

So sah ich ihn am Hofe der Semarimis zu Babyion. Sie hatte hier eine unbeschreibliche Pracht und Größe. Sie ließ durch Sklaven die größten Bauwerke aufführen und bedrückte dieselben viel ärger, als Pharao die Kinder Jakobs in Ägypten. Es war auch der grässlichste Götzendienst daselbst. Menschen wurden geopfert und bis an den Hals eingegraben. Alle Wollust, Pracht und Reichtum und Kunst war vollauf, und alles grenzte an das Unmögliche. Semiramis führte auch große Kriege mit ungeheuren Kriegsheeren, aber fast immer gegen Völker nach Osten; gegen Abend zu kam sie nicht viel, gegen Mitternacht waren dunkle, finstere Völker.

Es war aber in ihrem Land ein zahlreicher Menschenstamm aus dem nach dem Turmbau in Babel zurückgebliebenen semitischen Stamm nach und nach entstanden. Sie lebten als ein Hirtenvölklein unter Zelten, hatten Viehzucht und feierten ihren Gottesdienst bei Nacht in einem oben offenen Zelt, oder unter freiem Himmel. Sie hatten vielen Segen. Alles gedieh ihnen, und ihr Vieh war immer ganz besonders schön. Diesen Stamm wollte die teuflische Frau ausrotten und hatte schon einen großen Teil vertilgt. Aus dem Segen, der auf dem Stamm lag, erkannte Semiramis, dass Gott barmherzige Absichten mit ihm habe, darum wollte sie als ein Werkzeug des Teufels ihn erdrücken. Als die Not des Stammes am größten war, sah ich den Melchisedech dort auftreten. Er kam zu Semiramis und begehrte, dass sie diesen Stamm ziehen lasse. Er verwies ihr auch ihre Gräuel. Sie widerstand ihm nicht, und er führte den gedrückten Stamm in verschiedene Scharen geteilt gegen das Gelobte Land zu. Melchisedech hatte bei Babyion zur Wohnung ein Zelt und hier brach er dem guten Stamm das Brot, wodurch sie erst die Kraft erhielten, auszuziehen. In Kanaan wies er ihnen da und dort Plätze zum Anbau an, und sie bekamen verschiedenes Land an Güte. Sie selber wurden von ihm nach ihrer Reinheit verteilt, auf dass sie nicht mit andern sich vermischen sollten. Ihr Name lautet wie Samanen oder Semanen. Einzelnen von ihnen wies Melchisedech die Gegend am nachmaligen Toten Meer zur Ansiedelung an. Ihre Stadt aber ging mit Sodom und Gomorrha zugrunde.

Semiramis hatte den Melchisedech mit großer Ehrfurcht und mit geheimen Schrecken vor seiner Weisheit aufgenommen. Er erschien vor ihr als der König des Morgensternes, d. i. des fernsten Morgenlandes. Sie bildete sich ein, er könnte sie zur Ehe begehren. Er aber redete sehr strenge mit ihr, verwies ihr ihre Gräuel und verkündete ihr die Zerstörung der bei Memphis erbauten Pyramide. Sie erschrak und war sehr kleinlaut. Ich sah die Strafe, die über sie kam. Sie wurde wie ein Vieh und war lange Zeit eingesperrt. Man warf ihr aus Verachtung Gras und Stroh in eine Krippe. Nur ein Diener hielt bei ihr aus, der ihr Speise reichte. Sie wurde wieder frei, aber trieb ihr Unwesen aufs neue fort. Sie kam endlich auf schreckliche Art um. Es wurden ihr die Eingeweide aus dem Leib gerissen. Sie ist hundertsiebzehn Jahre alt geworden.

Melchisedech wurde wie ein Prophet, wie ein Weiser, wie ein Mensch höherer Art betrachtet, dem alles gelinge. Es gab damals und auch später mehrere solche Erscheinungen von Persönlichkeiten einer höheren Ordnung und sie waren den Völkern jener Zeit ebensowenig fremd, als es die Engel dem mit ihnen verkehrenden Abraham waren. Es wirkten aber auch böse Erscheinungen neben den guten, wie neben den wahren die falschen Propheten. Die Ausführung des Stammes hatte Ähnlichkeit mit der Geschichte und Ausführung der Israeliten aus Ägypten. Doch waren jener lange nicht so viele, als dieser.

Von den nach dem Gelobten Land von Melchisedech verpflanzten Samanen sah ich drei Männer in der Nähe des Tabor am sogenannten Brotberg in Höhlen wohnen lange vor Abrahams Ankunft. Sie waren von braunerer Farbe als Abraham, waren mit Fellen bekleidet und banden ein großes Blatt gegen die Sonne auf den Kopf. Sie führten in der Weise des Henoch ein heiliges Leben, hatten eine einfache geheime Religion und Offenbarungen und einfache Gesichte. Es war in ihrer Religion, dass Gott sich mit den Menschen verbinden wolle, und dass sie dazu alles Mögliche vorbereiten müssten. Sie opferten auch, indem sie von ihrer Speise den dritten Teil an der Sonne verzehren ließen, oder vielleicht legten sie es für andere Hungernde hin, welches ich wohl auch gesehen habe. Diese Leute sah ich ganz einsam und abgesondert von der noch nicht sehr großen Menge der Einwohner des Landes leben, die weit getrennt in einzelnen Orten wohnten, welche nach Art der festen Zeltstädte gebaut waren. Ich sah diese Männer in den verschiedenen Teilen des Landes umhergehen, Brunnen graben, einzelne Wildnisse ausrotten und Grundsteine an einzelnen Stellen legen, wo später Städte gebaut wurden. Ich sah sie von ganzen Gegenden die bösen Geister aus der Luft hinwegtreiben und sie in andere schlechte, sumpfige, neblige Orte verbannen. Ich sah da wieder, dass die bösen Geister mehr in solchen schlechten Gegenden sich aufhalten. Ich sah diese Männer oft mit diesen Geistern ringen und gegen sie kämpfen. Ich wunderte mich anfangs, wie an den Stellen, wo sie die Steine hinlegten, welche doch ganz wieder überwuchsen und verwilderten, Städte entstehen sollten, und sah doch in einem Bilde eine Menge von Orten, die über ihre Steine gebaut worden sind, z. B. Saphet, Bethsaida, Nazareth, wo sie an der Stelle arbeiteten, auf welcher später das Haus stand, in welchem die Botschaft des Engels an Maria geschah, Gatepher, Sephoris, in der Gegend von dem nachmaligen Hause Annä bei Nazareth, Meggido, Naim, Ainon, die Höhlen von Bethlehem und bei Hebron. Auch Michmethath sah ich sie gründen, und viele andere Orte, die ich vergessen habe.

Auf diesem Berg aber sah ich sie alle Monate mit Melchisedech zusammenkommen, der ihnen ein großes viereckiges Brot brachte, welches wohl drei Quadratschuhe groß, ziemlich dick und in sehr viele kleine Abteilungen geteilt war. Es war bräunlich und in der Asche gebacken. Ich sah Melchisedech immer allein zu ihnen kommen, manchmal sah ich ihn das Brot ganz leicht tragen, als schwebe es in seiner Hand. Manchmal, wenn er ihnen nahte, hatte er es schwer auf seinem Nacken. Ich glaube, es war dieses, weil er ihnen nahend, wie ein Mensch erscheinen sollte. Sie betrugen sich gegen ihn sehr ehrerbietig und warfen sich auf das Angesicht nieder. Er lehrte diese Männer auch den Weinstock bauen am Tabor, und sie streuten an vielen Stellen des Landes allerlei Samen von Gewächsen aus, die er ihnen gab, und die noch jetzt dort wild wachsen. Ich sah sie vom Brot täglich einen Teil mit dem braunen Spaten abstechen, mit dem sie arbeiteten. Sie assen auch Vögel, die ihnen in großer Menge zuflogen. Sie hatten Feiertage und kannten die Sterne, sie feierten den achten Tag mit Opfer und Gebet und einige Tage des Jahreswechsels. Ich sah sie auch in dem noch sehr unwegsamen Lande mehrere Wege bahnen nach den Orten, wo sie die Steine gegründet, die Brunnen gegraben, die Pflanzen gesät hatten, so dass nachher die einziehenden Menschen, diesen Wegen folgend, sich von selbst an den Brunnen, und fruchtbringenden, bequem gemachten Plätzen ansiedelten. Ich sah sie bei ihren Arbeiten oft von Scharen böser Geister umgeben, sie konnten sie sehen, und ich sah, wie sie dieselben mit Gebet und Befehl nach sumpfigen, wüsten Orten verbannten, und wie sie wichen, und wie die Männer in ihrer Arbeit ruhig fortfahrend räumten und reinigten.

Nach Kana, Meggido, Naim machten sie Wege, auch veranlassten sie auf diese Weise die Geburtsorte der meisten Propheten. Von Abelmehola und Dothaim legten sie den Grund, und machten den schönen Bade-Brunnen von Bethulia. Melchisedech zog noch fremd und einzeln im Lande umher, und man wusste nicht, wo er sich aufhielt. Diese Leute waren alt, aber noch sehr rasch. Am nachmaligen Toten Meer und in Judäa waren schon Städte, auch einige oben im Lande, in Mitten aber noch nicht.

Diese Leute haben sich selbst ihr Grab gemacht und sich hineingelegt. Der eine bei Hebron, der eine am Tabor, der andere in den Höhlen nicht weit von Saphet. Sie waren im allgemeinen das für Abraham, was Johannes für Jesus gewesen. Sie bereiteten und reinigten das Land und die Wege und säten gute Früchte und führten das Wasser hervor für den Stammvater des Volkes Gottes. Johannes aber bereitete die Herzen zur Buße und zur Wiedergeburt in Jesus Christus. Sie taten für Israel, was Johannes für die Kirche. - Ich habe auch an andern Orten einzelne solche Männer gesehen, sie waren von Melchisedech dahin versetzt.

Ich habe Melchisedech oft gesehen, wie er lange vor der Zeit der Semiramis und Abrahams im Gelobten Lande, da es noch ganz wüste war, erschien, als ordne er das Land, als bezeichne und bereite er einzelne Stellen. Ich sah ihn ganz einsam und dachte dabei: was will dieser Mann so frühe hier, es ist ja noch gar niemand da! So sah ich ihn an einem Berge einen Brunnen bohren. Es war die Quelle des Jordan. Er hatte einen langen feinen Bohrer, der wie ein Strahl in den Berg eindrang. So sah ich ihn an verschiedenen Orten der Erde Quellen öffnen. In den ersten Zeiten vor der Sündflut sah ich die Flüsse nicht so wie jetzt hervorquellen und fließen. Ich sah aber sehr vieles Wasser von einem hohen Berge im Morgen herabkommen.

Melchisedech nahm viele Orte des gelobten Landes durch Bezeichnung in Besitz. Er maß die Stelle des Teiches Bethesda aus. Er legte einen Stein, wohin der Tempel kommen sollte, eher, als Jerusalem war. Ich sah ihn die zwölf edeln Steine, welche im Jordan lagen, wo die Priester mit der Bundeslade beim Durchzug der Kinder Israels standen, als Körner pflanzen, und sie sind gewachsen.

Ich habe Melchisedech immer allein gesehen, außer wo er mit Versöhnung, Ausscheidung und Führung von Familien und Völkerstämmen zu tun hatte.

Ich habe auch gesehen, dass Melchisedech ein Schloss bei Salem baute. Es war aber mehr ein Zelt mit Galerien und Treppen umher, auf die Art, wie das Schloss des Mensor in Arabien. Nur die Grundlage war sehr fest von Steinen. Ich meine zu Johannes Zeiten noch die vier Ecken gesehen zu haben, wo die Hauptpfähle drin standen. Es hatte nur ein sehr starkes steinernes Fundament, das wie eine überwachsene Schanze aussah, da Johannes seine kleine Binsenhütte darauf stehen hatte.

Jenes Zeltschloss war ein Ort, wo sich viele fremde und durchziehende Leute aufhielten, eine Art freier, köstlicher Herberge bei dem angenehmen Wasser. Vielleicht hat Melchisedech, den ich immer wie einen Ratgeber und Führer von hin- und herziehenden Völkern und Stämmen gesehen habe, dies Schloss gehabt, sie dort zu beherbergen oder zu belehren. Es hatte aber damals schon einen Bezug auf die Taufe.

Melchisedech hatte hier seinen Punkt, von wo aus er zu seinen Bauten nach Jerusalem, zu Abraham und sonsthin zog. Er sammelte und verteilte hier auch Familien und Leute, die sich da und dort ansiedelten. - Es war dies noch vor dem Opfer von Brot und Wein, welches, meine ich, in einem Tal gegen Mittag von Jerusalem geschah. Er baute Salem, ehe er in Jerusalem baute.

Wo er wirkte und baute, war es, als lege er den Grundstein einer künftigen Gnade, als lenke er die Aufmerksamkeit auf einen Ort, als beginne er etwas Künftiges.

Melchisedech gehört zu jenem Chor der Engel, welche über Länder und Völker gesetzt sind, die zu Abraham und den Patriarchen kamen und ihnen Botschaften brachten. Sie stehen den Erzengeln Michael, Gabriel und Raphael gegenüber.

11. Job

Der Vater des Job, ein großer Stammführer, war ein Bruder Phalegs des Sohnes Hebers. Kurz vor seiner Zeit war die Zerstreuung des babylonischen Turmbaues. Er hatte dreizehn Söhne, deren jüngster Job, und wohnte mitternächtlich vom Schwarzen Meere, in der Gegend eines Gebirges, wo es auf der einen Seite warm, auf der anderen kalt und voll Eis ist. Job ist ein Vorfahre Abrahams, dessen Mutter eine Urenkelin von Job war, welche in die Familie Hebers heiratete. Job kann noch zur Zeit der Geburt Abrahams gelebt haben. Er hat an verschiedenen Orten gewohnt und seine Leiden an drei verschiedenen Orten ausgehalten. Das erste Mal hatte er neun, dann sieben, dann zwölf Jahre Ruhe, und immer traf ihn das Leiden auf einer anderen Wohnstelle. Er wurde nie so ganz zugrunde gerichtet, dass er gar nichts mehr gehabt hätte. Er wurde nur gegen vorher ganz arm, indem er aus dem Übriggebliebenen alle seine Schulden bezahlte.

Job konnte nicht im Hause seiner Eltern bleiben. Er hatte eine andere Gesinnung. Er betete den alleinigen Gott an in der Natur, besonders in den Sternen und in dem Wechsel des Lichtes. Er redete immer von den wunderbaren Werken Gottes und hatte einen reineren Gottesdienst. Er zog mit den Seinen nördlich vom Kaukasus. Hier war eine sehr elende Gegend und viel Moor, und ich meine, es wohnt jetzt ein Volk dort mit platten Nasen, hohen Backenknochen und kleinen Augen. Hier fing Job zuerst an, und es gelang ihm alles. Er sammelte allerlei arme, verlassene Menschen, die in Höhlen und Büschen wohnten und nichts zu leben hatten, als Vögel und andere Tiere, die sie fingen und deren Fleisch sie roh aßen, bis Job ihnen dasselbe zubereiten lehrte. Er baute mit ihnen das Land, und sie gruben selbst alles um. Job und seine Leute trugen damals nur wenig Bekleidung. Sie wohnten in Zelten. Job hatte schon hier bald große Herden, worunter viele gestreifte Esel und andere gefleckte Tiere. Es wurden ihm einmal drei Söhne, ein andermal drei Töchter zugleich geboren. Er hatte hier noch keine Stadt, sondern lebte hin- und herziehend auf seinen Feldern, welche in einer Ausdehnung von sieben Stunden sein Eigentum waren. Sie bauten in dieser Moorgegend kein Getreide, sondern ein dickes Schilf, das auch im Wasser wuchs und ein Mark enthielt, das sie als Brei und auch geröstet aßen. Das Fleisch dörrten sie anfänglich in Gruben an der Sonne, bis Job das Kochen einführte. Auch viele Kürbisarten pflanzten sie zur Nahrung.

Er war unbeschreiblich sanft, lieb, gerecht und wohltätig und half allem armen Volke. Auch war er sehr keusch, war mit Gott sehr vertraut und Er erschien ihm oft durch einen Engel oder weißen Mann, wie sie es nannten. Diese Engelerscheinungen waren wie leuchtende Jünglinge, doch ohne Bart. Sie trugen lange weiße Gewänder voll herabfließender Falten oder Streifen, es war nicht zu unterscheiden. Sie waren gegürtelt und nahmen Speise und Getränke zu sich. Job wurde in seinen Leiden von Gott durch solche Gestalten getröstet, und sie richteten über seine Freunde, Brudersöhne und Verwandten. Er betete keine Götzen an, wie die anderen Leute umher, welche sich allerlei Tierbilder machten und sie anbeteten. Er hatte sich aber ein Bild des allmächtigen Gottes ersonnen und verfertigt. Es war die Figur eines Kindes mit Strahlen um den Kopf, die Hände hielt es untereinander und hatte in der einen Hand eine Kugel, worauf Wasserwellen und ein Schiffchen abgebildet waren. Ich meine, es sollte die Sündflut vorstellen, von welcher Job oft mit seinen zwei vertrautesten Knechten sprach und auch von der Weisheit und Barmherzigkeit Gottes. Die Figur war glänzend wie von Metall. Er konnte sie überall mitnehmen. Er betete und opferte Körner davor, die er verbrannte. Der Dampf stieg wie durch einen Trichter in die Höhe. Hier überkam den Job sein erstes Unglück. Es war immer ein Gefecht und Streiten zwischen jenem Leiden, denn er war von vielen bösartigen Stämmen umgeben, und er zog nachher mehr auf das Gebirge, den Kaukasus, wo er wieder neu anfing und wo ihm alles wieder gedieh. Hier fingen er und seine Leute schon an, sich mehr zu bekleiden, und sie wurden schon viel vollkommener im Leben.

Von diesem seinem zweiten Wohnplatz aus, kam Job mit einem großen Zug nach Ägypten, wo damals fremde Hirtenkönige, aus dem Vaterlande Jobs einen Teil des Landes beherrschten. Nachmals wurden diese von einem ägyptischen Könige wieder vertrieben. Job hatte für den Sohn eines dieser Hirtenkönige die Braut nach Ägypten zu begleiten, welche mit ihm verwandt war. Er brachte reiche Geschenke mit und hatte wohl dreißig Kamele und viele Knechte. Als ich ihn hier in Ägypten sah, war Job ein kräftiger großer Mann von angenehmer gelbbrauner Farbe und rötlichen Haaren. Abraham war von mehr heller Farbe, die Leute in Ägypten aber waren schmutzig braun. Job war sehr ungern in Ägypten, und ich sah, dass er mit Sehnsucht gegen Morgen nach seinem Vaterland zurückschaute, welches südlicher als das hinterste Land der drei Könige lag. Ich hörte ihn vor seinen Knechten klagen, dass er lieber mit den wilden Tieren, als mit den Menschen hier in Ägypten leben möchte. Denn er war sehr betrübt über den schrecklichen Götzendienst daselbst. Sie opferten einem hässlichen Götzen mit emporgehobenem Ochsenkopf und breitem offenem Maul lebendige Kinder, welche sie dem Götzen in seine glühend gemachten Arme legten.

Der Hirtenkönig, für dessen Sohn Job die Braut nach Ägypten geführt hatte, wollte ihn gerne zurückbehalten und wies ihm Matarea als Wohnort an. Der Ort war damals ganz anders, wie später, als die Heilige Familie daselbst sich aufhielt, doch sah ich, dass Job auf derselben Stelle, wie die letzteren, wohnte, und dass der Brunnen Mariä schon ihm von Gott gezeigt wurde. Als Maria diesen Brunnen fand, war er nur verdeckt, aber unten schon ausgemauert. Job gebrauchte auch den Stein bei dem Brunnen zu seinem Gottesdienste. Die Gegend um seinen Wohnort befreite er durch Gebet von wilden und giftigen Tieren. Er hatte hier Gesichte vom Heil der Menschheit und auch von den Prüfungen, die ihm noch bevorstanden. Er eiferte sehr gegen die Schändlichkeiten des ägyptischen Volkes und die Menschenopfer, und ich glaube, dass sie abgestellt wurden.

Als er wieder in sein Vaterland zurückgekehrt war, traf ihn das zweite Unglück. Und als das dritte nach zwölf Jahren Ruhe über ihn kam, wohnte er mehr südlich und von Jericho aus gerade gegen Morgen. Ich glaube, es war ihm diese Gegend nach seinem zweiten Leiden gegeben worden, weil man ihn überall sehr liebte und ehrte wegen seiner großen Gerechtigkeit, Gottesfurcht und Wissenschaft. Er hatte hier wieder von neuem angefangen in einem sehr ebenen Land. Auf einer Höhe, die fruchtbar war, liefen allerlei edle Tiere, auch wilde Kamele, und man fing sie sich da heraus, wie bei uns die wilden Pferde in der Heide.

Auf dieser Höhe baute er sich an, wurde sehr reich und baute eine Stadt. So sehr nahm er zu. Die Stadt war auf steinernen Grundlagen oben mit Zeltdächern. Als er wieder ganz in Flor war, überfiel ihn das dritte Leid, da er so entsetzlich krank ward. Als er auch dieses überstanden hatte mit großer Weisheit und Geduld, wurde er wieder ganz gesund und bekam noch viele Söhne und Töchter. Ich meine, er ist ganz spät gestorben, als ein anderes Volk da eindrang.

Wenngleich die Geschichte im Buch Job ganz anders erzählt ist, so sind doch noch sehr viele wirkliche Reden von Job darin, und ich meine, ich wollte sie alle unterscheiden. In der Geschichte von den Knechten, wie sie so schnell hintereinander kommen, ist zu bemerken, dass die Worte: «und als er noch davon redete», bedeuten: und als das letzte Leiden im Gedächtnis der Menschen noch nicht ganz getilgt war.

Dass der Satan vor Gott tritt mit den Kindern Gottes und den Job verklagt, das ist auch nur so zusammengezogen dargestellt. Es war damals viel Verkehr böser Geister mit den abgöttischen Menschen, und sie erschienen ihnen wohl in Gestalt von Engeln. So wurden hier die bösen Nachbarn gegen Job aufgehetzt. Sie verleumdeten Job, sie sagten, er diene Gott nicht recht, er habe alles vollauf, er habe leicht gut sein. Da wollte nun Gott zeigen, dass Leiden oft nur Prüfung sind usw.

Die Freunde, die um Job herum sprechen, bezeichnen die Betrachtung der ihm Befreundeten über seine Schicksale. Job erwartete sehnsüchtig den Erlöser und trug zum Stamm Davids bei, er verhält sich zu Abraham durch Abrahams Mutter, die aus seinen Nachkommen war, wie die Vorfahren Annas zu Maria.

Seine Geschichte und seine Gespräche mit Gott wurden weitläufig von zweien seiner treuesten Knechte, welche die Rentmeister waren, aufgeschrieben, und zwar aus seinem Munde, wie er es ihnen selbst erzählte. Diese beiden Diener hießen Hai und Uis oder Gis. Sie schrieben auf Rinden. Diese Geschichte wurde gar heilig gehalten bei seinen Nachkommen und kam von Geschlecht auf Geschlecht bis auf Abraham. Auch in der Schule der Rebekka wurden die Kananiterinnen daraus unterrichtet wegen der Unterwürfigkeit unter die Prüfungen Gottes.

So kam diese Geschichte durch Jakob und Joseph zu den Kindern Israels nach Ägypten, und Moses zog sie zusammen und richtete sie zum Gebrauch der Israeliten in ihrer Bedrückung in Ägypten und ihren Beschwerden in der Wüste anders ein. Denn sie war viel weitläufiger und es war vieles darin, was sie nicht verstanden hätten und was ihnen nicht gedient haben würde. Salomo aber arbeitete sie nochmals ganz um, ließ vieles weg und setzte vieles hinzu von dem Seinigen. Und so ward diese wahre Geschichte zu einem Erbauungsbuch, voll der Weisheit Jobs, Moses und Salomos, und man konnte schwer die eigentliche Geschichte Jobs herausfinden. Denn sie war auch in Länder- und Volksnamen dem Lande Kanaan näher gebracht, wodurch man glaubte, Job sei ein Edomiter.

12. Abraham

Abraham und seine Voreltern waren ein eigener Schlag von großen Menschen. Sie führten ein Hirtenleben und waren eigentlich nicht zu Ur in Chaldäa zu Hause, sondern waren dahin gezogen. Diese Leute hatten eine eigene Gewalt und Gerechtigkeit. Sie nahmen hie und da Gegenden ein, wo gute Weide sich fand. Sie steckten sich die Grenzen ab, richteten Steine zu einem Altar auf, und das abgegrenzte Land war dann ihr Eigentum. In seiner Jugend ist dem Abraham etwas ähnliches wie dem Kinde Moses geschehen, indem seine Amme ihm das Leben rettete. Es war dem Oberhaupt des Landes prophezeit worden, dass ein wunderbares Kind werde geboren werden, das ihm gefährlich sein würde. Er traf Maßregeln dagegen. Die Mutter Abrahams hielt sich darum verborgen und Abraham wurde in derselben Höhle geboren, in der ich Seth von Eva hatte verbergen sehen. Abraham wurde von seiner Amme Maraha hier auch heimlich erzogen. Sie lebte als arme Sklavin in der Wildnis arbeitend und hatte ihre Hütte nahe bei der Höhle, welche nach ihr Milchhöhle genannt wurde, und wo sie auch von Abraham auf ihre Bitten zuletzt begraben wurde.

Abraham war ungewöhnlich groß, seine Eltern nahmen ihn aus der Höhle wieder zu sich, da er als Kind gelten konnte, das schon vor jener Prophezeiung geboren war. Er kam aber doch in Gefahr wegen seiner frühzeitigen Klugheit. Die Amme flüchtete mit ihm und verbarg ihn wieder geraume Zeit in der Höhle. Es wurden damals viele Kinder seines Alters ermordet. Abraham hatte diese Amme sehr lieb und führte sie später bei seinen Zügen auf einem Kamel mit sich. Er wohnte mit ihr auch in Sukkoth. Sie war bei ihrem Tod hundert Jahre alt, und Abraham bereitete ihr das Grab in der weißen Steinmasse, welche wie ein Hügel die Höhle verengte. Die Höhle wurde ein Ort der Andacht, besonders für Mütter. In dieser ganzen Geschichte war ein geheimes Vorbild auf die früheste Verfolgung, welche Maria mit dem Jesuskinde zu erleiden hatte, welche sich auch in dieser Höhle vor den Soldaten des Herodes verborgen hielt, als sie nach dem Kinde suchten.

Der Vater Abrahams wusste viele Geheimnisse und hatte viel Gnade. Die Leute seines Stammes hatten die Gabe, Gold in der Erde zu finden, und er verfertigte daraus kleine Götzenbilder ähnlich jenen, welche Rachel dem Laban entwendete. Ur ist ein Ort nördlich in Chaldäa. Ich sah in dieser Gegend an vielen Orten, auf Bergen und in der Ebene, weißes Feuer aufsteigen, als brenne der Erdboden. Ich weiß aber nicht, ob dies Feuer natürlich oder von Menschen gemacht war.

Abraham war ein großer Sternkundiger. Er sah auch Eigenschaften der Dinge und Einflüsse der Sterne auf Geburt. Er sah allerhand in den Sternen. Aber er lenkte alles auf Gott und folgte in allem Gott und diente Gott allein. Er lehrte in Chaldäa auch andere diese Wissenschaft. Aber er führte alles auf Gott zurück.

Ich sah, dass er von Gott in einem Gesicht den Befehl erhielt, fortzuziehen. Gott zeigte ihm ein anderes Land, und Abraham trieb, ohne zu fragen, am andern Morgen alle seine Leute zum Aufbruch an und zog fort. Darnach sah ich, dass er seine Zelte aufgeschlagen hatte in einer Gegend des Gelobten Landes, welche mir da herum schien, wo nachmals Nazareth stand. Abraham erbaute hier selbst einen länglichen Altar von Steinen und ein Zelt darüber. Als er vor dem Altar kniete, kam ein Glanz vom Himmel auf ihn, und ein Engel, ein Bote Gottes, trat vor ihn, der mit ihm sprach und ihm eine durch und durch leuchtende Gabe überbrachte. Der Engel sprach mit Abraham, und dieser empfing das Geheimnis des Segens, das Heiligtum des Himmels öffnete sein Gewand und legte es auf seine Brust. Mir wurde aber gesagt, dieses sei das Sakrament des Alten Bundes. Abraham kannte seinen Inhalt noch nicht, er war ihm verhüllt, wie uns der Inhalt des heiligsten Sakramentes. Es war ihm aber als Heiligtum und als ein Unterpfand der verheißenen Nachkommenschaft gegeben. Der Engel war ganz auf die Art wie jener, welcher der heiligen Jungfrau die Empfängnis des Messias verkündigte. Er war auch so sanft und ruhig in seiner Verrichtung und nicht so schnell und eilend, wie ich andere Engel in ihren Geschäften sehe. Ich meine Abraham hat das Geheimnis immer bei sich getragen. Der Engel sprach mit ihm auch von Melchisedech, der das Opfer vor ihm feiern werde, welches nach der Ankunft des Messias erfüllt werden und zu ewigen Tagen dauern werde.

Abraham nahm darnach aus einem Kasten fünf große Gebeine, die er auf dem Altar in Kreuzform aufstellte. Es brannte Licht davor, und er opferte. Das Feuer brannte wie ein Stern und war in der Mitte weiß und nach den Spitzen rot.

Ich sah Abraham auch in Ägypten mit Sara. Er kam wegen Hungersnot dahin, aber auch um einen Schatz zu holen, der durch eine Verwandte Saras dahin gekommen war. Es war ihm dies von Gott befohlen. Der Schatz war ein aus zusammengereihten dreieckigen Goldstücken bestehendes Stammregister von den Kindern Noes und besonders von Sem bis auf seine Zeit. Es hatte ihn eine Schwestertochter von Saras Mutter mit nach Ägypten entführt, welche mit dem Hirtenvolk von Jobs Geschlecht, d. i. mit verwilderten Seitensprossen desselben, nach Ägypten gekommen war und dort wie eine Magd gedient hatte. Sie hatte diesen Schatz wie Rachel die Götter Labans entführt. Es war dieser Stammbaum wie eine Waagschale samt ihren Schnüren gemacht. Die Schnüre nämlich bestanden aus aneinander gereihten dreieckigen Stückchen mit einzelnen Nebenlinien. Auf allen waren mit Figuren und Buchstaben die Namen der Stammglieder von Noe und besonders von Sem angeschrieben, und wenn man die Schnüre niederließ, lag alles in der Schale beisammen. Ich habe auch gehört, aber vergessen, wie viel Sickel, so hieß eine Summe, das Ganze betrug. Das Stammregister war in die Hände der Priester und des Pharao gekommen, welche allerlei daran bei ihren ewigen Rechnungen aber nicht richtig heraus studiert hatten.

Als der Pharao mit schweren Plagen heimgesucht wurde, beriet er sich mit seinen Götzenpriestern und gab darnach dem Abraham alles, was er verlangte.

Als Abraham wieder in das Gelobte Land zurückgekehrt war, sah ich Lot bei ihm im Zelt und Abraham zeigte mit der Hand rings umher. Er hatte in seinem Wesen viel von den Sitten der drei Könige und war in langes, weißes Wollzeug mit Ärmeln gekleidet, woran ein geflochtener weißer Gürtel mit Quasten und nach rückwärts eine Art Kapuze nieder hing. Auf dem Haupt trug er ein Käppchen und über der Brust ein Herzschild von Metall oder Edelstein. Er hatte einen langen Bart. Ich kann nicht sagen, wie gütig und freigebig er war. Wenn er irgend etwas hatte, was einem andern wohlgefiel, besonders an Vieh, so gab er es ihm gleich. Denn er war ein besonderer Feind von Neid und Habsucht. Lot war beinahe ebenso gekleidet. Er war aber nicht so groß wie Abraham und auch nicht so edel. Er war zwar gut, aber doch etwas habsüchtig. Ich sah aber ihre Knechte oft streiten und sah, wie Lot abzog, Aber er zog in Nebel. Über Abraham sah ich Licht und sah ihn nachher seine Zelte abbrechen und herumziehen, und dass er einen Altar von Feldsteinen erbaute und ein Zelt darüber. Die Leute waren gar geschickt, aus rohen Steinen etwas aufzubauen, und es legte der Herr wie der Knecht die Hand an. Dieser Altar war in der Gegend von Hebron, dem späteren Wohnort von Zacharias, dem Vater des Täufers. Die Gegend, wo Lot hingezogen war, war eine sehr gute Gegend, wie all dieses Land gegen den Jordan zu. Ich sah auch, wie die Städte der Gegend, wo Lot wohnte, geplündert wurden, und wie Lot mit Hab und Gut fortgeschleppt wurde. Und ich sah, wie ein Flüchtling das Abraham sagte, und dieser betete und mit allen seinen Knechten auszog und die Feinde überfiel und seinen Bruder frei machte, und wie dieser dankte und es ihm Leid tat, von Abraham fortgezogen zu sein. Die Feinde und die Kriegführenden überhaupt und besonders die Riesen, welches ungewöhnlich große Leute waren und alles mit Gewalt und rohem Trotze erzwangen, und denen es auch wieder so abgejagt wurde, waren nicht wie Abrahams Leute gekleidet. Sie waten enger und kürzer gekleidet, hatten mehr Kleidungsteile und besonders viele Knöpfe, Sterne und Zieraten.

13. Melchisedechs Opfer von Brot und Wein

Melchisedech sah ich mehrmals bei Abraham. Er kam auf die Art, wie sonst oft Engel zu Abraham kamen. Einmal befahl er ihm ein dreifaches Opfer von Tauben und andern Vögeln und weissagte über Sodoma und Lot, und dass er wieder zu ihm kommen werde, um Brot und Wein zu opfern. Auch sagte er, um was Abraham zu Gott beten sollte. Dieser war voll Ehrfurcht vor Melchisedech und voll Erwartung des verheißenen Opfers. Darum erbaute er einen sehr schönen Altar und umgab ihn mit einer Laubhütte. Melchisedech ließ dem Abraham, als er zum Opfer von Brot und Wein herannahte, durch Boten seine Ankunft als des Königs von Salem melden. Abraham zog ihm entgegen, kniete vor ihm und empfing seinen Segen. Es war dies in einem Tal mittäglich von dem fruchtbaren Tal, das nach Gaza sich hinzieht.

Melchisedech kam von dem nachmaligen Jerusalem her. Er hatte ein graues, sehr schnelles Tier, mit kurzem breitem Hals bei sich, das breit beladen war. Auf der einen Seite trug es ein Gefäß mit Wein, das an der Seite, wo es gegen den Leib des Tieres lag, flach war. Auf der andern Seite trug es einen Kasten, worin ovalrunde, flache, nebeneinander stehende Brote und derselbe Kelch, den ich später bei der Einsetzung des heiligen Sakramentes beim Abendmahl sah, und Becher von der Gestalt kleiner Fässchen waren. Diese Gefäße waren nicht von Gold oder Silber, sondern durchsichtig, wie von bräunlichem Edelstein. Sie schienen mir gewachsen, nicht gemacht. Melchisedech machte den Eindruck wie der Herr in seinem Lehrwandel. Er war sehr schlank und groß, ungemein ernst und sanft. Er trug ein langes Gewand, so weiß und licht, dass es mich an das weiße Gewand erinnerte, das um den Herrn bei seiner Verklärung erschien. Das weiße Kleid Abrahams war ganz trübe dagegen. Er trug auch einen Gürtel mit Buchstaben, wie später die jüdischen Priester, und ich sah, dass er wie diese eine gefaltete Mütze bei dem Opfer auf dem Haupt trug. Seine Haare waren glänzend gelb, wie lichte lange Seide, sein Angesicht leuchtend.

Der König von Sodoma war, als Melchisedech nahte, schon bei Abraham im Zelt und rings umher waren viele Menschen mit Tieren, Säcken und Kisten. Alle waren sehr still und feierlich und voll Ehrerbietung gegen Melchisedech, dessen Gegenwart sie ernst machte. Er trat an den Altar, auf dem eine Art Tabernakel war, wo hinein er den Kelch stellte. Auch eine Vertiefung war an ihm, ich meine für das Opfer. Abraham hatte wie immer bei dem Opfer Gebeine von Adam auf den Altar gestellt, welche Noe in der Arche gehabt hatte. Sie flehten vor ihnen, Gott wolle die Verheißung des Messias erfüllen, die Er dem Adam gegeben. Melchisedech legte über den Altar zuerst eine rote Decke, die er mitgebracht und über diese eine durchsichtige weiße. Seine Feier erinnerte mich an die Heilige Messe. Ich sah ihn Brot und Wein emporheben, opfern, segnen und brechen. Dem Abraham reichte er den nachmaligen Abendmahlskelch zum Trinken. Die anderen tranken aus den kleineren Gefäßen, weIche von Abraham und den vornehmsten Anwesenden dem ganzen Volke gereicht wurden, wie auch die gebrochenen Brote. Sie erhielten größere Bissen, als in der ersten Zeit bei dem heiligen Abendmahl. Ich sah die Bissen leuchtend. Sie waren nur geweiht, nicht konsekriert. Die Engel können nicht konsekrieren. Alle wurden erweckt und zu Gott erhoben.

Melchisedech reichte dem Abraham Brot und Wein zum Genuss, und er empfing feineres, leuchtenderes Brot als die anderen. Er erhielt große Kraft und solche Stärke des Glaubens, dass er später sich nicht weigerte, den Sohn der Verheißung auf Gottes Befehl zu opfern. Er prophezeite und sprach die Worte aus: Das ist nicht, was Moses auf Sinai den Leviten gibt. Ich weiß nicht, ob Abraham auch selber das Opfer von Brot und Wein dargebracht hat, aber das weiß ich, dass der Kelch, aus dem er trank, derselbe ist, in welchem Jesus das heiligste Sakrament eingesetzt hat.

Als Melchisedech den Abraham bei der Opferung von Brot und Wein segnete, da weihte er ihn zum Priester. Er sprach über ihn die Worte: «Es spricht der Herr zu meinem Herrn, setze dich zu meiner Rechten. Du bist ein Priester ewig nach Ordnung Melchisedechs. Der Herr hat geschworen und es wird Ihn nicht gereuen.» Er legte Abraham die Hände auf und dieser gab ihm nachher den Zehnten. Ich erkannte die große Bedeutung, dass Abraham nach dieser Weihe den Zehnten gab. Es ist mir aber die Ursache dieser Wichtigkeit nicht mehr erinnerlich (Vgl. das siebente Kapitel des Hebräerbriefes). Ich sah auch, dass David, als er diesen Psalm verfasste, ein Gesicht von der Weihe Abrahams durch Melchisedech hatte und des letzteren Worte prophetisch wiederholte. Die Worte: «setze dich zu meiner Rechten» haben eine eigene Bedeutung. Wenn mir in Bildform die ewige Zeugung des Sohnes aus dem Vater gezeigt wird, da sehe ich den Sohn aus der Rechten des Vaters hervorgehen in einer Lichtform, welche von einem Dreieck, wie man das Auge Gottes abbildet, umgeben ist, in dessen oberen Spitze ich den Heiligen Geist erblicke. Doch es ist dieses unaussprechlich.

Die Eva sah ich aus der Rechten Adams hervor steigen, und dass die Altväter den Segen in der Rechten trugen und dass sie die Kinder, denen sie den Segen gaben, zur Rechten stellten. Jesus hat den Lanzenstich in seine Rechte empfangen, und die Kirche wächst aus dieser seiner Rechten hervor. In die Kirche eingehend gehen wir in Jesu rechte Seite ein und sind in Ihm mit seinem himmlischen Vater vereinigt.

Ich meine, dass Melchisedechs Sendung auf Erden mit diesem Opfer und der Weihe Abrahams erfüllt war. Denn ich sah ihn nachher nicht mehr. Den Kelch mit den sechs Bechern hinterließ er dem Abraham.

14. Abraham empfängt das Sakrament des Alten Bundes

Abraham saß betend vor seinem Zelt unter einem großen Baum, an dem die Heerstraße vorbeiführte. Er saß hier oft, um den Reisenden Gastfreundschaft zu erweisen. Er sah betend nach dem Himmel und hatte die Erscheinung Gottes wie in einem Sonnenstrahl, welcher ihm die Ankunft der drei weißen Männer verkündigte. Darnach opferte er ein Lamm auf dem Altar, und ich sah in davor in Entzückung auf den Knien um das Heil der Menschen flehen. Der Altar stand rechts von dem großen Baum in einem oben offenen Zelt. Weiter rechts vom Baum stand ein zweites Zelt, worin die Opfergerätschaften bewahrt wurden und wo Abraham sich zumeist aufhielt, wenn er mit seinen umherwohnenden Hirten zu tun hatte. Entfernter davon lag auf der anderen Seite der Heerstraße das Zelt der Sara und ihrer Hauswirtschaft, die Frauen wohnten immer abgesondert.

Das Opfer Abrahams war schier vollendet, als er die drei Engel in die Heerstraße eintreten sah. Sie wandelten gleich weit hintereinander mit geschürzten Kleidern. Abraham eilte ihnen entgegen, sprach vor ihnen sich beugend zu Gott und führte sie vor das Zelt des Altars, wo sie die Gewänder niederließen und dem Abraham zu knien befahlen. Ich sah die wunderbare Handlung, welche nun an Abraham, der in Entzückung war, durch die Engel vorging, in sehr kurzer Zeit, wie alles was in solchem Zustand geschieht, vor sich gehen. Ich sah, dass der erste Engel dem knienden Abraham verkündete, Gott wolle aus seinen Nachkommen eine unbefleckte, sündelose Jungfrau hervorgehen lassen, welche als unversehrte Jungfrau die Mutter des Erlösers sein werde. Er selber aber solle nun empfangen, was Adam durch die Sünde verloren habe. Nun reichte ihm der Engel einen leuchtenden Bissen und ließ ihn aus einem kleinen Becher eine lichte Flüssigkeit trinken. Hierauf fuhr er segnend mit seiner Rechten vom Haupt Abrahams gerade hernieder, dann von seiner rechten und von seiner linken Schulter bis unter die Brust, wo sich die drei Linien des Segens vereinigten. Hierauf reichte der Engel mit beiden Händen etwas Leuchtendes wie ein Wölkchen gegen die Brust Abrahams, das ich in ihn übergehen sah, und ich hatte die Empfindung, als empfange er das heilige Sakrament.

Der zweite Engel verkündete dem Abraham, er solle das Geheimnis dieses Segens auf dieselbe Weise, wie er es empfangen, vor seinem Tod dem Erstgebornen Saras übergeben, und dass sein Enkel Jakob der Vater von zwölf Söhnen sein werde, von denen zwölf Stämme kommen sollten. Der Engel sagte auch, dass dem Jakob dieser Segen wieder genommen werden solle. Und nachdem Jakob zu einem Volke geworden sein würde, solle der Segen in die Arche des Bundes als ein Segen des ganzen Volkes, der durch Gebet erhalten werde, wieder gegeben werden. Er zeigte ihm, dass wegen Gottlosigkeit der Menschen dieses Geheimnis aus der Arche an die Propheten und zuletzt an einen Mann übergehen werde, welcher der Vater der Jungfrau werden solle. Ich hörte auch in dieser Verheißung, dass den Heiden durch sechs Prophetinnen und durch Sternbilder das Heil der Welt aus der Jungfrau solle verkündigt werden.

Alles dieses ward Abraham in dem Gesichte inne. Und er sah auch die Jungfrau am Himmel erscheinen und ihr zur Rechten einen Engel schweben, der mit einem Zweige ihren Mund berührte. Aus dem Mantel der Jungfrau sprosste darnach die Kirche hervor.

Der dritte Engel verkündete Abraham die Geburt von Isaak. Ich sah Abraham so erfreut über die verheißene heilige Jungfrau und das Gesicht, das er von ihr gehabt, dass er an Isaak gar nicht dachte, und ich meine, dass die Verheißung der Jungfrau ihm auch später den Befehl Gottes, Isaak zu opfern, erleichterte. Nach dieser heiligen Handlung sah ich erst das Bewirten der Engel und das Lächeln der Sara. Ich sah Abraham auch den Engeln das Geleite geben und für Sodoma flehen.

Als Abraham aus seiner Entzückung zurückkam, führte er die Engel unter den Baum, stellte Schemel um denselben, auf welche die Engel sich niederließen, da er ihnen die Füße wusch. Nun eilte Abraham in das Zelt der Sara, dass sie ein Mahl bereite, welches sie darnach verschleiert auf halbem Wege entgegenbrachte. Nach dem Mahl begleitete Abraham die Engel eine Strecke Weges, und da sie von der Geburt eines Sohnes zu ihm sprachen, lachte Sara, welche dieses hörte, da sie hinter den Zeltverzäunungen sich genaht hatte. Ich sah sehr viele Tauben zahm wie Hühner vor den Zelten. Das Mahl bestand aus solchen Tauben, runden Broten und aus Honig.

Abraham hatte schon früher bei seinem Auszug aus Chaldäa das Geheimnis des Segens durch einen Engel empfangen, aber noch verhüllt und mehr als ein Unterpfand der Erfüllung der Verheißung, dass er der Vater eines zahllosen Volkes werden solle. Jetzt aber wurde das Geheimnis durch die Engel in ihm erweckt, und er darüber erleuchtet.

15. Jakob

Rebekka wusste, dass Esau keinen Strahl aus dem göttlichen Geheimnis hatte. Esau war tölpisch, rau und faul. Jakob sehr behend, klug und mehr auf die Art der Mutter. Isaak hielt mehr auf Esau als den Erstgeborenen. Dieser zog viel auf die Jagd. Rebekka dachte hin und her, wie sie dem Jakob das Recht und den Segen zuwenden sollte. Das Abkaufen der Erstgeburt lehrte sie dem Jakob. Es war Gemüse mit Fleisch und grüne Blätter wie Lattich. Esau kam müde. Jakob schmeichelte ihm, und so erhielt er das Abtreten der Erstgeburt.

Isaak war schon sehr alt und blind, er fürchtete zu sterben und wollte Esau seinen Segen geben. Rebekka, die wusste, dass Jakob ihn haben sollte und haben müsste, konnte Isaak nicht dazu bereden. Sie war darum sehr bekümmert und ging ganz unruhig umher. Und als Isaak sich nicht länger wollte hinhalten lassen und Esau, der in der Nähe war, hereinrief, musste sich Jakob verstecken, dass Esau ihn nicht sah. Rebekka schickte Jakob fort, ein Böckchen von der Herde zu holen, denn Isaak befahl dem Esau, ein Wild zu töten. Kaum war Esau fort, so war das Gericht schon fertig.

Die guten Kleider Esaus, die nun Rebekka dem Jakob anlegte, waren eine solche Jacke, wie dieser selbst trug, nur steifer und auf der Brust bunt gestickt. Esau war auf den Armen dicht schwarzwollicht und ebenso auf der Brust, wie ein Fell. Deshalb wickelte sie Jakob die Felle um die Arme und legte sie ihm auf die Brust, wo die Jacke geschlitzt war. Nur durch die Arbeit war diese Jacke von den gewöhnlichen verschieden. An der Seite war sie offen, der Hals wurde durch ein Loch gesteckt, das in weiches, bräunliches Leder geschnitten war. An den Seiten wurde sie mit Riemen zusammengebunden, wurde ein Gürtel umgelegt. So diente dieser zugleich als Tasche. Darunter waren sie bloß, die Jacke hatte keine Ärmel, die Brust war frei, die Kopfbinde und Schürze waren bräunlich oder grau.

Ich sah, wie Isaak den Jakob auf der Brust, wo Esau voll Haare war und an den Händen betastete, und wie er etwas taumelig und trüb war und zweifelte. Aber weil der Augenblick da und es Gottes Wille war, glaubte er dennoch, es sei Esau und gab Jakob den Segen, den er von Abraham und Abraham von dem Engel empfangen hatte. Er hatte aber zuvor etwas Geheimnisvolles mit Rebekka bereitet, was zum Segen gehörte. Es war dies ein Getränk in einem Becher.

Die Kinder wussten nichts davon, und nur der, welcher den Segen hatte, erfuhr das Geheimnis, das ihm dennoch, wie uns das heilige Sakrament, ein Geheimnis blieb. Das Gefäß war an einer Seite platter, als an der anderen. Es war durchsichtig und schimmernd wie Perlmutter. Es war mit etwas Rotem gefüllt, und ich hatte die Empfindung, es sei wie Blut, wie von Isaaks Blut. Rebekka war bei der Bereitung.

Als Isaak Jakob segnete, war dieser allein bei ihm. Er musste die Brust entblößen und stand vor Isaak. Der Vater führte die segnende Hand von der Stirne gerade nieder bis zum Schoße Jakobs und von der rechten Schulter eben dahin, dann ebenso von der linken Schulter. Darauf legte er ihm die Rechte auf das Haupt und die Linke in die Herzgrube. Dann musste Jakob das Gläschen austrinken, und endlich war es, als wenn ihm Isaak alles, alle Gewalt und Kraft gebe, indem er mit beiden Händen wie etwas aus seinem Leib nahm und in den Leib Jakobs hingab. Ich fühlte, dieses sei seine Kraft und der Segen. Bei allem diesem betete Isaak laute Worte. Isaak richtete sich segnend vom Lager auf. Er ward begeistert unter dem Segen und es strahlte Glanz von ihm. Als er die Segenslinien zog, hatte Jakob die Hände halb erhoben geöffnet, wie die Priester beim Dominus vobiscum. Wenn der Vater bloß betete, hatte Jakob die Hände auf der Brust gekreuzt. Als Isaak den Segen übergab, empfing ihn Jakob und kreuzte die Hände unter der Brust, wie einer, der etwas fasst. Die Hände auf Kopf und Magengegend legte ihm Isaak am Schluss auf. Das Gläschen, woraus er getrunken, bekam er auch.

Als aber der Segen vollendet war durch die Übergabe, sah ich Isaak vor Anstrengung, oder wirklichem Hin- und Übergeben und Nichtmehrhaben einer Kraft ganz ohnmächtig. Jakob aber sah ich blühend, kräftig, voll Leben und mächtig geworden. Nun kam Esau zurück.

Als Isaak den Übertrag des Segens auf einen anderen merkte, ward er nicht unwillig - er erkannte Gottes Willen. Esau aber ward ganz wütend, er raufte sich die Haare. Doch schien es mehr Neid gegen Jakob, als Leid um den Segen.

Beide Söhne waren große Männer, als der Segen gegeben wurde. Esau hatte schon zwei Frauen, die seinen Eltern nicht lieb waren. Beide waren über vierzig Jahre alt. Wie aber Rebekka den Zorn Esaus sah, sendete sie Jakob zu ihrem Bruder Laban heimlich fort. Ich sah ihn fortgehen. Er hatte bis auf den Gürtel eine Jacke und bis auf die Knie eine Schürze, unter den Füßen Sohlen und um den Kopf eine Binde gewickelt. Ein Hirtenstab in der Hand, ein Säckchen mit Brot von der Schulter hängend, unter dem anderen Arm eine Flasche, war alles, was er hatte. So sah ich ihn unter den Tränen der Mutter forteilen. Isaak segnete ihn auch noch und befahl ihm, dorthin zu gehen und dort eine Frau zu nehmen. Die Eltern hatten viel auszustehen mit Esau, und besonders hatte Rebekka vieles Leid.

Ich sah Jakob auf seiner Reise nach Mesopotamien an dem Ort schlafen, wo nachher Bethel erbaut wurde. Die Sonne war untergegangen. Er legte sich einen Stein unter sein Haupt und entschlief auf dem Rücken liegend, gerade ausgestreckt. Sein Stab ruhte ihm im Arm. Ich sah dann auch die Leiter, die er im Traum sah und von der in der biblischen Geschichte gesagt ist: «welche auf der Erde stand und mit der Spitze bis in den Himmel reichte». Ich sah aber diese Leiter von dem an der Erde liegenden Jakob bis zu dem Himmel emporsteigen. Ich sah sie wie einen lebendigen Stammbaum seiner Nachkommenschaft. So wie man die Stammbäume abbildet, sah ich unten an der Erde, als wachse aus dem Leib des schlafenden Jakobs eine grüne Rebe, die sich in drei Stämme teilte, welche sodann als gerade Stämme wie eine dreiseitige Pyramide zu einer Spitze bis in den Himmel emporreichten. Die drei Stämme waren unter einander nach den drei Seiten hin durch gewachsene Zweige verbunden, welche die Sprossen einer dreiseitigen Leiterpyramide bildeten. Ich sah diese Leiter von vielen Erscheinungen umgeben. Ich sah die Nachkömmlinge Jakobs auf der Leiter aufsteigend, welche die Geschlechtslinie Jesu nach seiner Menschheit bildeten. Sie stiegen von einer Seite oft nach einer anderen übertretend und stiegen einander vor. Einige blieben zurück und andere von der anderen Seite überstiegen diese, je nachdem der Keim der Menschheit Jesu durch die Sünde getrübt und wieder durch Enthaltung gereinigt wurde. Bis endlich die reine Blume, die heilige Jungfrau, in welcher Gott Mensch werden wollte, auf der höchsten Spitze der Leiter den Himmel berührte. Ich sah über ihr den Himmel offen und die Herrlichkeit Gottes. Gott sprach von da aus mit Jakob.

Ich sah, wie Jakob, als er am Morgen erwachte, zuerst eine runde Unterlage von Steinen machte, darauf einen platten Stein legte und auf diesem den Stein aufrichtete, den er unter sein Haupt gelegt hatte, da er schlief. Ich sah auch, dass er ein Feuer machte und etwas opferte, auch etwas in das Feuer auf den Stein goss. Er betete kniend. Ich glaube, er machte das Feuer, wie die drei Könige, durch Reiben.

Dann sah ich Jakob auf der Reise zu Laban mit seinem Stab in der Hand noch an mehreren Orten, wie zu Bethel. Ich sah ihn auf dieser Reise abermals zu Ainon, wo er auch schon früher gewesen und daselbst eine Zisterne, die später der Taufbrunnen des Johannes wurde, erneuert hatte. Ich sah, dass er schon damals an der Stelle Mahanaim betete, Gott möge ihn doch schützen und ihm auch seine Kleider erhalten, damit er bei seiner Ankunft in Mesopotamien nicht so schlecht aussehe und Laban ihn doch anerkennen möge. Ich sah, dass er damals schon zwei Scharen auf seinen beiden Seiten schwebend erblickte, gleich zwei Lagern, als ein Zeichen: so sei er geschützt, so mächtig werde er werden. - Auf der Rückkehr sah er die Erfüllung von diesem Gesicht.

Dann sah ich ihn weiter östlich wieder auf die Mittagsseite des Flusses Jakob kehren und eine Nacht an der Stelle zubringen, wo er nachher mit dem Engel gerungen. Auch hier hatte er ein Gesicht.

Bei der Rückkehr Jakobs aus Mesopotamien stand Jakobs Lager östlich von der Lage des nachmaligen Jabesch Gilead. Ich sah, wie sein Schwiegervater Laban ihm nachsetzte, weil ihm seine Götzenbilder entführt worden waren, und wie er ihn einholte und es hier wegen der Götzenbilder viel Streitens mit Worten zwischen ihnen gab. Jakob wusste nicht, dass Rachel sie heimlich mitgenommen hatte. Als diese merkte, dass ihr Vater Laban, der das ganze Lager nach seinen Götzenbildern durchsuchte, nun auch bald zu ihrem Zelt kommen werde, versteckte sie die entwendeten Götzenbilder, welche etwa fünf einen halben Arm lange Wickelpuppen von Metall waren, unter einem sehr großen Haufen von Streu für die Kamele, der nicht weit von Zelte am Abhang des Tales südlich vom Jabok aufgehäuft lag, und setzte sich verhüllt darauf, als sei sie krank und abgesondert. Es saßen gleich ihr noch mehrere andere Frauen auf diesem Streuhaufen. Auf einem ähnlichen, noch größeren Streuhaufen habe ich den aussätzigen Job sitzen sehen. Der Haufen Rachels war von der Größe eines vollen Erntewagens. Sie führten viel Streu auf den Kamelen mit sich und nahmen unterwegs oft noch mehr dazu. Rachel hatte sich lange an diesen Götzenbildern geärgert und sie bloß mitgenommen, um ihren Vater davon loszumachen.

Jakob hatte Boten zu Esau geschickt, vor dem er sich fürchtete. Diese kamen wieder und sagten, dass Esau mit vierhundert Mann nahe. Da teilte Jakob sein ganzes Gefolge in zwei Haufen, und den ersten Herdenhaufen in mehrere, die er dem Esau entgegenschickte. Er führte diese auch bis Mahanaim. Da sah er jenes Gesicht wieder, das er bei seinem Auszug gesehen, die Heerlager der Engel, und sagte: «mit meinem Stab bin ich ausgezogen und bin um zwei Heere reicher geworden». Er verstand nun jenes frühere Gesicht.

Als alles über dem Jabok war, setzte Jakob in der Nacht auch seine Frauen und Kinder hinüber und blieb allein. Er ließ sich sein Zelt auf der Stelle errichten, wo er bei seinem Auszug aus Palästina Gottes Angesicht gesehen. Er wollte in der Nacht da beten. Sein Zelt ließ er von allen Seiten zumachen und hieß seine Knechte sich entfernen. Ich sah ihn da ganz herzlich zu Gott schreien und Ihm alles vorstellen, besonders seine große Angst vor Esau. Das Zelt war oben offen, damit er besser zum Himmel beten konnte.

Ich sah nun, wie Jakob mit dem Engel rang: Es geschah in einem Traumgesicht. Er stand auf und betete. Da kam in einem Licht von oben eine große, glänzende Gestalt vor ihn und begann mit ihm zu ringen, und es war, als wolle die Erscheinung ihn aus dem Zelt hinausdrängen. Sie drängten sich im Zelte hin und her, nach allen Richtungen. Die Erscheinung tat, als wolle sie Jakob nach allen Weltgegenden verdrängen, und Jakob wendete sich immer wieder in die Mitte des Zeltes. Es war dies wie ein Vorbild, dass Israel von allen Seiten bedrängt nicht aus dem gelobten Lande werde verdrängt werden.

Als aber Jakob sich abermals nach der Mitte des Zeltes wendete, griff der Engel in seine Hüfte. Ich sah dies geschehen, da Jakob, der im Gesicht gerungen, sich auf sein Lager legen wollte, oder auf dasselbe niedersank. Indem der Engel Jakobs Hüfte berührt und damit getan hatte, was er wollte, sagte er zu Jakob, der ihn noch immer festhielt: «lasse mich, denn die Morgenröte bricht an!» Nun aber erwachte Jakob aus dem Gesicht und dem Kampfe und sah den Engel Gottes noch vor ihm stehen und er sagte: «nein! ich lasse dich nicht, ehe du mich segnest». Denn er fühlte ein Bedürfnis des Segens Gottes, weil er sich schwächer fühlte und Esaus Ankunft ihm bevorstand. Da sprach der Engel zu ihm: «wie heißst du?» Das gehörte schon zum Segen. Abram wurde auch beim Segen Abraham genannt. Er sagte: «Jakob». Da sprach der Engel: «Du sollst Israel heißen, denn du hast mit Gott und Menschen gerungen und bist nicht unterlegen». Jakob fragte nun: «wie heißst du?» Und der Engel sagte: «warum fragst du mich, wie ich heiße?» Das hieß so viel, als: kennst du mich nicht? Hast du mich nicht schon früher erfahren? Und Jakob kniete vor ihm und empfing den Segen. Der Engel segnete ihn, wie Abraham von Gott gesegnet wurde, und wie er diesen Segen weiter auf Isaak und dieser auf Jakob übertragen hatte, in drei Linien. Dieser Segen ging besonders auf Geduld und Ausdauer. Nun verschwand der Engel und Jakob sah die Morgenröte und nannte diese Stelle Phanuel. Er ließ sein Zelt abbrechen und ging über den Jakob zu seiner Familie. Da ging ihm die Sonne auf, und er hinkte an der rechten Seite, denn er war da entkräftet.

Als Esau weggezogen war, zog Jakob mit all den Seinen nach Manahaim und nahm die Gegend von Sukkoth bis zum Hügel Ainon mit seinen Herden und Knechten ein. Er selbst wohnte zehn Jahre zu Ainon. Nachher erstreckte sich seine Ansiedlung von Ainon gegen Abend bis über den Jordan nach Salem, und er hatte seine Zelt bis wo Sichem gewohnt, und kaufte dort ein Feld.

Ich sah Dina mit ihren Mägden dort spazieren gehen und mit den Sichemiten sprechen aus Neugierde. Ich sah, dass Sichem freundlich mit ihr tat, dass ihre Mägde zurückgingen und dass Sichem sie mit in die Stadt nahm. Da kam großes Leid über sie und Mord und Totschlag über die Sichemiten. Sichar war damals eine noch nicht große Stadt von Quadersteinen erbaut und hatte nur ein Tor.

Abraham, Isaak und Jakob, die Altväter, waren an der rechten Seite ihres Leibes etwas stärker, als an der anderen. Man merkte es jedoch nicht. Sie trugen ihre Kleider weit und schützend. Es lag ihnen in dieser Seite eine Fülle wie ein Geschwulst. Es war ein Heiligtum, ein Segen, ein Geheimnis darin. Es hatte die Gestalt einer Bohne mit einem Keim. Es war leuchtend. Der Erstgeborne empfing es von seinem Vater, darum hatte er so großen Vorzug. Jakob empfing das Geheimnis statt Esau, weil die Mutter wusste, dass er gezeichnet dazu war. Durch die Berührung des Engels ward dem Jakob der Segen genommen. Er brachte ihm keine Wunde bei. Es war wie ein Verdorren jener Fülle. Er war nachher nicht mehr so sicher und auf Gottes Schutz hinlebend. Früher war er wie einer, der durch ein Sakrament in sich gestärkt ist. Nachher war er gedemütigter, sorglicher und hatte mehr Not. Er fühlte wohl, dass ihm jener Segen genommen war, darum ließ er den Engel nicht, bis er ihn durch Segnung gestärkt hatte. Erst Joseph erhielt durch einen Engel den Segen wieder, als er sich im Kerker des Pharao von Ägypten befand.

16. Joseph und Aseneth

Als Joseph nach Ägypten verkauft wurde, war er sechzehn Jahre alt. Er war mittelgroß, sehr schlank, geschmeidig, beweglich mit Leib und Seele. Er war ganz anders, als seine Brüder. Jedermann musste ihn lieben. Hätte der Vater ihn nicht so vorgezogen, die Brüder hätten ihn lieben müssen. Ruben war auch geschmeidiger, als die anderen, aber Benjamin war ein sehr großer, plumper Mensch, doch gutmütig und leitsam. Joseph trug das Haar in drei Teile gescheitelt: zu beiden Seiten je einen Teil, ein dritter hing im Nacken lang und kraus hernieder. Als er Herrscher über Ägypten wurde, trug er das Haar geschoren, später aber wieder lang.

Mit dem bunten Rock hatte Jakob auch Gebeine von Adam dem Joseph übergeben, ohne dass Joseph wusste, was es war. Jakob gab sie ihm als ein schützendes Kleinod, weil er wohl wusste, dass seine Brüder ihn nicht liebten. Joseph hatte die Gebeine auf der Brust in einem Säckchen von Leder hängen, das oben rund war. Da seine Brüder ihn verkauften, zogen sie ihm nur seinen bunten Rock und sein gewöhnliches Kleid aus. Er hatte aber auf dem bloßen Leib noch eine Binde und eine Art Skapulier über die Brust, worunter er jenes Säckchen hängen hatte.

Der bunte Rock war weiß mit breiten roten Streifen. Auf der Brust hatte er drei schwarze Querschnüre, in der Mitte mit gelber Verzierung. Er war nach oben weit gegürtet, dass er etwas hineinschieben konnte, unten war er eng, hatte aber an der Seite Einschnitte, um beim Gehen Raum zu lassen. Er ging bis herab und war hinten etwas länger und vorne offen. Josephs gewöhnliches Kleid ging nur bis über die Knie.

Joseph war dem Pharao und seiner Frau schon bekannt, ehe er ins Gefängnis kam. Er besorgte die Geschäfte Putiphars so vollkommen und Putiphar machte während Josephs Aufenthalt in seinem Hause alles so gut bei Pharao und war so gesegnet, dass Pharao seinen Diener sehen wollte. Pharaos Frau, welches sehr heilsbegierig und anbetend war und wie alle Ägypter sehr nach neuen Göttern verlangend, erstaunte so über den wunderbaren, geistreichen, weisen Fremdling, dass sie ihn innerlich wie einen Gott verehrte und zu Pharao immer sagte: dieser Mann ist von unsern Göttern gesendet, er ist kein Mensch, wie wir. Er kam darum in das vornehme Gefängnis, wo er später Aufseher über die andern wurde. Sie beweinte ihn sehr, da er als ein Verbrecher gefangen wurde, dass sie in ihm sich geirrt. Als er frei wurde und an den Hof kam, war sie ihm immer sehr gut. Derselbe Becher, den er dem Benjamin einpackte, war das erste Geschenk von ihr. Ich kenne ihn gut, er hatte zwei Henkel und keinen Fuß. Er war wie von einem Edelstein oder einer durchsichtigen Masse, die ich nicht kenne, und war ganz geformt, wie der obere Teil des Abendmahlkelchs. Er war auch unter den Gefäßen, welche die Kinder Israel mit aus Ägypten nahmen, und wurde in der Bundeslade bewahrt.

Joseph war sieben Jahre im Kerker und hat daselbst in der größten Betrübnis das Geheimnis Jakobs auf dieselbe Art wie die Altväter erhalten und auch ein Gesicht von großer Nachkommenschaft.

Putiphars Frau kenne ich gut. Ich habe auch gesehen, wie sie Joseph verführen wollte. Nach seiner Erhöhung aber tat sie Buße, ward fromm und keusch. Sie war eine große, starke Frau von gelbbrauner wie Seide glänzender Hautfarbe. Sie trug ein farbiges Kleid und darüber ein feines mit Figuren durchbrochenes Gewand, wodurch das untere wie durch Spitzen durchschimmerte. Joseph war viel mit ihr, weil ihm alles von seinem Herrn übergeben war. Als er aber merkte, dass sie vertraulicher wurde, schlief er nicht mehr im Hause seines Herrn, wenn dieser nicht da war. Sie suchte ihn oft bei seiner Arbeit, wenn er etwas schrieb. Ich sah sie einmal sehr unschicklich gekleidet zu ihm kommen, als er im Winkel eines Saales stand und schrieb. Sie schrieben auf Rollen an abhängigen Flächen, vor denen man stehen und sitzen konnte, die an den Wänden waren. Sie sprach mit ihm, und er antwortete; sie ward aber damals frech. Da drehte er sich um und eilte weg. Sie fasste nach seinem Mantel und er ließ ihn im Stich.

Ich sah Joseph beim Götzenpriester Putiphar in Heliopolis, bei welchem Aseneth, die Tochter Dinas und des Sichemiten, als eine Prophetin und Götzenschmückerin mit sieben andern Mägdlein lebte. Er hatte sie in ihrem fünften Jahre von ihrer Amme, mit welcher sie von Jakob an das Rote Meer geflüchtet worden war, damit seine Söhne das Kind nicht ermordeten, gekauft. Sie besaß den Geist der Weissagung und galt dem Putiphar als eine Prophetin. Joseph kannte sie. Er wusste nicht, dass sie seine Nichte war. Sie war ein ganz ernstes, die Zurückgezogenheit suchendes Wesen und hasste bei ihrer großen Schönheit die Männer. Sie hatte tiefsinnige Gesichte und kannte den ägyptischen Sterndienst, hatte aber eine geheime Ahnung von der Religion der Patriarchen. Zauberei sah ich nicht von ihr. Sie sah in Gesichten das ganze Geheimnis des Lebens, der Fortpflanzung, der Zukunft und des Auszugs Israels, ja den ganzen Zug durch die Wüste. Sie schrieb viele Rollen voll auf die Blätter einer Wasserpflanze und auf Häute mit wunderlichen Buchstaben, welche wie die Köpfe von Tierchen und Vögeln waren. Diese Bücher wurden schon zu ihren Lebzeiten von den Ägyptern missverstanden und zu argen Gräueln missbraucht. Aseneth war sehr betrübt über das Missverstehen, das der Teufel angestellt, und weinte sehr viel. Sie hatte mehr Gesichte, als irgend ein Mensch ihrer Zeit, und war voll wunderbarer Weisheit. Sie tat aber alles ganz still hin und gab allen Rat. Sie konnte auch weben und sticken und war so voll Weisheit, dass sie auch das Verderben der Wahrheit durch die Menschen erkannte und war darum so ernst, zurückhaltend und stille.

Ich sah, dass Aseneth durch das Missdeuten ihrer Gesichte und Schriftrollen die Veranlassung wurde zu ihrer abgöttischen Verehrung als Isis und Joseph zu der als Osiris. Vielleicht hat sie deshalb so viel geweint. Sie hat auch Schriftrollen dagegen geschrieben, dass man sie eine Mutter aller Götter nennen werde.

Wenn Putiphar opferte, ging Aseneth auf einen Turm, wo sie wie in einem Gärtchen war, und sah bei Mondlicht nach den Sternen. Sie kam in Entzückung und sah alles in den Sternen sehr klar und sah die Wahrheit in den Bildern, weil sie von Gott auserwählt war. Ich habe aber Götzenpriester gesehen, welche die gräulichsten Dinge sahen, da sie in ganz fremde, teuflische Welten gezogen wurden. Durch diese teuflischen Gesichte wurden die geheimen Eröffnungen der Aseneth in die Gräuel der Abgötterei verunstaltet.

Aseneth hatte vieles in Ägypten eingeführt. Sie ließ viele nützliche Tiere kommen, z. B. Kühe. Sie lehrte auch die Bereitung von Käse, ebenso Weberei und manche unbekannte Kunst. Sie heilte auch viele Krankheiten. Von Joseph wurde der Pflug in Ägypten eingeführt, den er selber zu führen verstand. Eine Sache war mir recht wunderbar. Aseneth ließ von den vielen geschlachteten Opfertieren das Fleisch in großen, unter freiem Himmel eingegrabenen Kesseln lange kochen, bis es eine Masse wie Leim wurde, welche auf Kriegszügen und bei Hungersnot zur Nahrung diente. Darüber waren die Ägypter sehr froh und erstaunt.

Als Joseph bei dem Götzenpriester Aseneth sah, nahte sie ihm und wollte ihn umarmen. Es war dies keine Frechheit, sondern eine Art Weissagung, eine prophetische Handlung. Darum geschah sie vor dem Götzenpriester. Aseneth war wie heilig gehalten. Ich sah aber, dass Joseph sie mit vorgestreckter Hand zurückschob und ernste Worte zu ihr sprach. Da sah ich sie sehr erschüttert sich in ihre Stube zurückziehen und in Trauer und Buße leben.

Ich sah Aseneth in ihrem Gemach, sie stand hinter einem Vorhang, ihre Haare hingen lang und reich nieder und waren am Ende gelockt. Sie hatte auf der Magenhöhle ein wunderbares, in die Haut eingedrücktes Zeichen. In einer Figur, wie eine herzförmige Schale, stand ein Kind mit ausgebreiteten Armen, das in der einen Hand eine kleine Schale, in der andern einen Becher oder Kelch hielt. In der Schale waren drei weiche aus der Hülse brechende Ähren und die Figur einer Taube, die nach der Traube im Kelch auf der andern Hand des Kindes zu picken schien. Dem Jakob war dies Zeichen bekannt. Dennoch musste er Aseneth fortschaffen, um sie vor dem Zorn seiner Söhne zu bewahren. Als er aber zu Joseph nach Ägypten kam, und dieser ihm alles vertraute, erkannte er seine Enkelin an diesem Zeichen. Auch Joseph hatte ein solches Mahlzeichen einer Traube mit vielen Beeren auf der Brust.

Nun sah ich einen Engel erscheinen in sehr festlichem Gewand, mit einer Lotosblume in der Hand. Er grüßte Aseneth. Sie schaute nach ihm und verhüllte sich. Er befahl ihr, nicht mehr zu trauern und sich festlich zu schmücken, und begehrte Speise von ihr. Sie ging und kehrte geschmückt zurück und brachte auf einem leichten niederen Tischchen Wein und kleine platte Brote in Asche gebacken. Sie war nicht scheu, ganz einfältig und demütig, so wie Abraham und andere Altväter bei heiligen Erscheinungen. Da der Engel mit ihr sprach, entschleierte sie sich. Er begehrte Honig von ihr. Da sagte sie, sie habe keinen Honig, wie andere Jungfrauen, die ihn aßen. Darauf sprach der Engel, sie werde Honig zwischen den Götzenbildern finden, die in dem Gemach in verschiedenen Gestalten, in gewickelten Bildern mit Tierköpfen und mit nach unten geschlungenen Schlangenleibern standen.

Da fand sie nun eine schöne, hostienweiße, großzellige Honigwabe und stellte sie vor den Engel, der sie davon essen hieß. Er segnete den Honig und ich sah ihn leuchten und zwischen beiden auflodern. Ich kann die Bedeutung dieses himmlischen Honigs nicht mehr ganz aussprechen. Denn wenn man solche Dinge sieht, weiß man alles, weil man die Dinge wirklich weiß. Jetzt aber scheint einem der Honig wieder das, was man Honig heißt, ohne dass man weiß, was Blumen, Bienen und Honig eigentlich sind. Ich kann nur soviel sagen: Aseneth hatte wirklich nur Brot und Wein und keinen Honig in sich und sie kam durch diesen Honig erst vom Götzendienst ab und das Israelitische (das Heil des Alten Bundes) fand in ihr einen Aufgang. Es war dabei, dass sie vielen helfen solle, dass viele wie Bienen um sie bauen sollten. Sie sagte selbst, sie wolle nun keinen Wein mehr trinken, der Honig sei ihr nötiger. In Midian bei Jethro sah ich vielen Honig, viele Immen.

Der Engel segnete die Honigwabe nach allen Weltgegenden mit seinem Finger. Dies bedeutete, dass sie mit ihrem Dasein, ihrer Vorbildlichkeit und mit dem Geheimnis ihres Inhaltes so vielen sollte eine Mutter und Führerin sein. Als man nachher sie selbst göttlich verehrte und sie mit so vielen Brüsten abbildete, war dies auch ein Missverstehen ihrer eigenen Gesichte, wie sie so viele ernähren sollte.

Der Engel sagte ihr auch, dass sie die Braut Josephs sei und mit ihm verbunden werden solle. Er segnete sie auch, wie Isaak den Jakob und der Engel Abraham segnete. Die drei Segenslinien aber wurden über sie zweifach gezogen, einmal zur Herzgrube, das zweite Mal zum Schoße.

Ich hatte später ein Bild, wie Joseph wieder zu Putiphar kam, Aseneth zur Frau zu begehren, und erinnere mich nur, dass er, wie der Engel, eine Lotosblume in Händen trug. Er wusste von ihrer großen Weisheit, aber ihre beiderseitige Verwandtschaft war ihm ein Geheimnis und war es auch für Aseneth.

Ich sah auch, dass der Sohn Pharaos Aseneth liebte und dass sie sich verborgen halten musste. Dass in diesem Handel es durch Juda verhindert wurde, sonst hätten Dan und Gad, von Pharaos Sohn dazu aufgehetzt, der sich mit ihnen in einen Hinterhalt legte, den Joseph umgebracht. Ich meine, Juda hatte eine göttliche Warnung in einem Gesicht und sagte Joseph, dass er auf einem anderen Wege reisen solle. Ich erinnere mich, dass auch Benjamin in dieser Sache sich ein Verdienst erworben und Aseneth verteidigt hat. Dan und Gad erlitten eine Strafe, es starben ihnen Kinder. Sie waren auch von Gott gewarnt, ehe noch jemand etwas davon wusste.

Joseph und Aseneth trugen wie der Götzenpriester Putiphar ein heilig gehaltenes Zeichen der höchsten Gewalt, wenn sie dem Volke sich zeigten, in der Hand. Der obere Teil dieses Zeichens war ein Ring, der untere ein lateinisches Kreuz, ein T. Es diente als Siegel, und wenn Korn gemessen und abgeteilt wurde, wurden die Haufen durch Eindrücke damit bezeichnet. Ebenso die Kornhäuser und Kanalbauten, auch das Steigen und Fallen des Nils wurde damit angezeichnet. Schriften wurden damit gestempelt, nachdem sie zuvor mit rotem Pflanzensaft bestrichen waren. Wenn Joseph ein Amtsgeschäft hatte, lag das Zeichen, das Kreuz in den Ring eingeschlagen, auf einem Teppich neben ihm. Es schien mir auch wie ein Abzeichen des noch in Joseph eingeschlossenen Geheimnisses der Bundeslade.

Aseneth hatte auch ein Instrument wie eine Rute, womit sie im Gesicht wandelnd da, wo es zuckte, in die Erde schlug, und Wasser und Quellbrunnen fand. Es war unter dem Einfluß der Gestirne gemacht.

Bei festlichen Aufzügen fuhren Joseph und Aseneth auf einem blinkenden Wagen. Aseneth trug ein ganz goldenes Brustschild, das unter den Armen den ganzen Leib umschloss. Auf dem Schild waren viele Figuren und Zeichen. Ihr Kleid fiel bis über die Knie, von da an waren die Beine bewickelt. Auf dem Rücken trug sie einen weiten Mantel, der nach vorne über den Knien zusammengehalten war. Die Schuhe hatten aufwärts gebogene Schnäbel, wie Schlittschuhe. Der Kopfputz, wie ein Helm, bestand aus bunten Federn und Perlen.

Joseph trug einen engen Leibrock mit Ärmeln und darüber ein Brustschild von Gold mit Figuren, um die Lenden kreuzten sich Streifen mit goldenen Knoten, über den Rücken fiel ein Mantel und sein Kopfschmuck war auch von Federn und Geschmeiden.

Als Joseph nach Ägypten kam, wurde an Neu- Memphis gebaut, das ungefähr sieben Stunden nördlich vom alten Memphis lag. Zwischen beiden Städten war auf Dämmen eine Landstraße mit Alleen. Da und dort waren zwischen Bäumen Figuren von gar ernsthaft und traurig aussehenden weiblichen Götzenbildern, welche Leiber wie Hunde hatten und auf Stein platten saßen. Sonst gab es noch keine schönen Gebäude, aber ungeheuer lange Wälle und künstliche Steinberge (Pyramiden) voll von Gewölben und Kammern. Die Wohnungen waren leicht, mit einem Oberbau von Holz. Es gab noch große Wälder und Moräste dazwischen. Der Nil hatte schon bei der Flucht Mariä nach Ägypten seinen Lauf verändert.

Die Ägypter beteten allerlei Tiere, Kröten, Schlangen, Krokodile an. Sie sahen ganz ruhig zu, wenn ein Mensch von einem Krokodil gefressen wurde. Bei Josephs Ankunft war der Stiergott noch nicht in Verehrung. Dieser Dienst kam aber bald darauf durch den Traum des Pharao von den sieben fetten und mageren Kühen in Aufnahme. Sie hatten vielerlei Götzenbilder, manche wie Wickelkinder, andere wie Schlangen gewunden, darunter solche, die verkürzt und verlängert werden konnten. Manche Götzenbilder waren mit Brustschildern geschmückt, auf welchen Pläne von Städten und deren Lauf des Nils wunderlich eingezeichnet waren. Diese Schilder wurden nach den Bildern gemacht, welche die Götzenpriester auf ihren Türmen in den Sternen sahen, wonach sie dann die Städte und Kanäle bauten. Auf solche Art wurde Neu-Memphis gegründet.

Die bösen Geister müssen damals eine andere, mehr körperliche Macht gehabt haben. Denn ich sah die ägyptische Zauberei mehr aus der Erde, aus der Tiefe kommen. Wenn ein Götzenpriester sein Zauberwerk begann, sah ich allerlei hässliche Tiergestalten aus dem Erdboden um den Zauberer hervorkommen und in einer schwarzen Dampflinie in seinen Mund eingehen. Er wurde davon berauscht und hellsehend. Es war aber, als gehe mit jedem eingezogenen Geist eine verschlossene Welt in ihm auf, und er sah nun Nahes und Fernes, die Tiefen der Erde, Länder und Menschen, geheime und verborgene Dinge, d. i. alles, worauf jene Geister einen Bezug hatten. Die spätere Zauberei erschien mir immer, als stehe sie mehr unter dem Einfluss von den Geistern aus der Luft. Das, was die Zauberer durch diese Geister sahen, erschien wie ein Blendwerk, eine Spiegelung, welche die Geister vor ihnen machten. Ich konnte hinter diesen Gestalten wegsehen, sie waren wie Schatten, und als schaue man hinter den Vorhang.

Wenn die ägyptischen Götzenpriester in den Sternen lesen wollten, so gingen Fasten und Reinigungen vorher, sie hüllten sich in Säcke und bestreuten sich mit Asche, und während sie nach den Sternen auf einem Turm schauten, wurde geopfert.

Die Heiden jener Zeit hatten eine getrübte Kenntnis von den Religions-Geheimnissen des wahren Gottesdienstes, welche von Seth, Henoch, Noe und den Patriarchen dem auserwählten Volke überliefert wurden. Darum waren so mannigfache Gräuel in ihrem Götzendienst, durch welche der Teufel, wie später durch die Ketzereien, der reinen, ungetrübt bewahrten Offenbarung Gottes an die Menschen entgegenwirkte. Darum wurde von Gott das Geheimnis der Bundeslade mit Feuer umhüllt, um es zu bewahren.

Die Frauen in Ägypten sah ich zu Josephs Zeit noch ähnlich gekleidet wie Semiramis.

Jakob war, als er zu Joseph nach Ägypten kam, durch die Wüste auf demselben Weg gezogen, wo Moses später nach dem Gelobten Land zog. Er hatte gewusst, dass er Joseph wieder sehen würde, es lag ihm dieses dunkel auf dem Herzen. Schon als er nach Mesopotamien ging, hatte er da, wo er den Stein aufrichtete, nicht da, wo er die Leiter sah, ein Gesicht von seinen künftigen Söhnen, und dass einer in der Gegend, wo Joseph verkauft wurde, versinke und wie ein Stern im Süden wieder aufgehe. Er sagte darum, als sie ihm den blutigen Rock brachten und ihm das Vorgesicht, das er ganz vergessen hatte, wieder aufging: ich will Joseph beweinen, bis ich ihn wieder finde.

Jakob hatte zuerst durch Ruben ausforschen lassen, welche Frau Joseph habe, hatte ihm aber noch nicht gleich geoffenbart, dass sie seine Nichte sei. Er wurde aber gut Freund mit Putiphar, und dieser, nachdem er viel mit ihm zusammen war, nahm die Beschneidung an und diente dem Gotte Jakobs.

Jakob wohnte von Joseph etwa eine Tagreise entfernt, und da er krank wurde, fuhr Joseph zu ihm. Jakob fragte ihn manches von Aseneth, und da er das Zeichen auf ihrer Brust erfahren hatte, sagte er Joseph mit den Worten: «das ist Fleisch von deinem Fleische, das ist Bein von deinem Beine», wer Aseneth sei. Joseph war so gerührt, dass er ohnmächtig ward, und als er nach Hause kam, sagte er es seiner Frau, und sie weinten beide herzlich darüber.

Jakob wurde nachher viel kränker, und Joseph war wieder bei ihm. Jakob setzte seine Füße vom Lager nieder und Joseph musste die Hand unter seine Hüfte legen und ihm schwören, ihn in Kanaan zu begraben, und als er schwur, betete Jakob den Segen in Joseph an. Er wusste, dass Joseph den Segen von dem Engel empfangen hatte, der ihm selber entzogen worden war. Joseph trug diesen Segen in seiner Rechten bis zu seinem Tod. Er blieb auch in seinem Leichnam, bis er in der Nacht vor dem Auszug der Israeliten von Moses erhoben und mit den Überresten Josephs in die Lade des Bundes als das Heiligtum des auserwählten Volkes gebracht wurde.

Ein Vierteljahr nach dem Besuch starb Jakob. Es wurde nach seinem Tod über ihn von Juden und Ägyptern ein Totenurteil gehalten, worin er sehr gelobt und geliebt wurde.

Aseneth hatte dem Joseph zuerst Manasse und Ephraim und im ganzen achtzehn Kinder geboren, darunter mehrere Zwillinge. Sie starb drei Jahre vor Joseph und ward von jüdischen Frauen einbalsamiert. Solange Joseph noch am Leben war, stand ihr Leib in seinem künftigen Grabmonument. Die Ältesten des Volkes hatten aber etwas von ihren Eingeweiden an sich genommen, welches in einer kleinen Figur von Gold bewahrt wurde. Weil aber die Ägypter auch darnach trachteten, wurde es den jüdischen Hebammen anvertraut und von einer derselben am Kanal in einer verpichten Rohrbüchse im Schilfe verborgen. In der Nacht des Auszugs brachte eine Amme aus dem Stamme Asser dies Geheimnis dem Moses. Sie hieß Sara.

Joseph wurde bei seinem Tod durch Juden in Anwesenheit von Ägyptern einbalsamiert, und es geschah die Vereinigung der Leiber Josephs und Aseneths nach den Aufzeichnungen, welche Aseneth aus ihren Gesichten gemacht und den Juden zurückgelassen hatte. Auch die ägyptischen Priester und Sterndeuter, welche Joseph und Aseneth unter ihre Gottheiten aufnahmen, hatten Kenntnis von diesen Aufzeichnungen und eine Ahnung von der hohen Bedeutung und dem Segen Josephs und Aseneths für Israel, welchen Segen sie aber an sich zu reissen und Israel zu erdrücken suchten. Darum wurden die Israeliten, die nach Josephs Tod sich erstaunlich vermehrten, von Pharao so geplagt. Die Ägypter wussten auch, dass die Israeliten ohne die Gebeine Josephs nicht aus dem Land ziehen würden. Darum raubten sie die Leiche Josephs mehrmals und brachten sie zuletzt ganz in ihren Besitz. Das Volk der Juden wusste nur von der Leiche Josephs, nicht aber von dem Geheimnisse ihres Inhaltes, das nur wenigen bekannt war. Das ganze Volk aber war in großer Niedergeschlagenheit, als den Ältesten bekannt wurde, dass ihnen das Heiligtum, auf welchem die Verheißung ruhte, entwendet sei. Moses am Hofe Pharaos in aller ägyptischen Weisheit erzogen, besuchte sein Volk und kannte die Ursache seiner Trauer. Als er den Ägypter erschlug, fügte es Gott, dass er als Flüchtling zu Jethro kam, weil dieser durch seine Verbindung mit der Sibylle Segola ihm zur Entdeckung des geraubten Geheimnisses behilflich werden konnte. Moses hatte auch auf Geheiß Gottes die Sephora geheiratet, um diesen Zweig in Israel einzusammeln.

Segola war die natürliche Tochter des Pharao aus einer jüdischen Mutter und, wenngleich im ägyptischen Sterndienst erzogen, den Juden sehr zugetan. Sie war es, welche zuerst dem Moses, da er noch am Hofe erzogen wurde, entdeckt hatte, dass er kein Sohn des Pharao sei.

Aaron musste nach dem Tod seiner ersten Frau eine Tochter dieser Segola heiraten, damit die Vertrautheit der Mutter mit den Israeliten um so größer wurde. Die Kinder dieser Ehe zogen mit den Israeliten aus. Aaron aber musste sich wieder von ihr scheiden, damit das aaronische Priestertum aus rein jüdischem Stamme entspringen konnte. Die von Aaron geschiedene Tochter Segolas, heiratete wieder und ihre Nachkommen wohnten zur Zeit unseres Heilands zu Abila, wohin ihre Mumie durch sie gebracht worden war.

Segola war sehr erleuchtet und vermochte sehr viel beim Pharao. Sie hatte an der Stirne eine Erhöhung, wie solche oft in alter Zeit prophetische Menschen an sich hatten. Sie war vom Geist getrieben, den Israeliten viele Vergünstigungen und Geschenke zu verschaffen.

In der Nacht, da in Ägypten der Engel des Herrn die Erstgeburt schlug, ging Segola verhüllt mit Moses, Aaron und drei anderen Israeliten nach zwei Grabhügeln, welche durch einen Kanal getrennt, aber mit einer Brücke verbunden waren. Der Kanal mündete zwischen Memphis und Gosen in den Nil. Der Eingang in das Grabmonument lag unter der Brücke tiefer als der Wasserspiegel, zu welchem von der Brücke Stufen hinabführten. Segola ging mit Moses allein hinab und warf den Namen Gottes auf einem Zettel in das Wasser, welches nun wich und den Eingang in das Monument freilegte. Sie stießen an den Stein, der die Pforte bildete und nach Innen sich öffnete. Nun riefen sie auch die anderen zu sich herab. Hier band ihnen Moses die Hände mit seiner Stola zusammen und ließ sie schwören, das Geheimnis zu bewahren. Nach dem Eide band er ihre Hände los. Nun gingen alle in das Grabgewölbe, wo sie Licht hervorzogen. Man sah noch allerlei Gänge und Totenbilder drin stehen.

Der Leib Josephs und die mit ihm vereinigten Überreste von Aseneth lagen in einem ägyptischen Stiersarg von Metall, der wie gescheuertes Gold glänzte. Sie hoben den Rücken, welcher den Deckel bildete, ab. Moses nahm das Geheimnis aus dem hohlen Leib Josephs, hüllte es in Tücher und reichte es Segola, die es vor sich mit ihrem Gewand verhüllend trug. Die übrigen Gebeine wurden auf einem Steine mehr zusammengeschoben, in Tücher eingeschlagen und von den Männern fortgetragen. Nun, da sie das Heiligtum hatten, konnte Israel aus dem Land ziehen. Segola weinte, Israel war voll Freude.

Moses verbarg in der Spitze seines Stabes, die gelblich von der Gestalt einer Mispel und mit Blättern umgeben war, eine Reliquie vom Leib Josephs. Dieser Stab war ein anderer, als der Hirtenstab, den Moses vor Gott zu Boden werfen musste, wo er in eine Schlange sich verwandelte. Er war ein Rohr, aus welchem die obere und untere Spitze heraus- und hineingeschoben werden konnte. Mit der unteren Spitze, welche mir von Metall schien und die Form eines spitzen Stiftes hatte, berührte Moses den Felsen, als schreibe er Worte auf ihn. Der Fels öffnete sich unter der Spitze und Wasser drang hervor. Auch wo Moses mit der Spitze seines Stabes auf den Sand Zeichen machte, floss Wasser heraus. Der mispelförmige oberste Teil des Rohrstabes konnte aus- und eingeschoben werden, und vor ihm teilte sich das Rote Meer.

Von Josephs Tod bis auf den Auszug Israels aus Ägypten sind es etwa hundertsiebzig Jahre nach unserer Art zu rechnen. Sie hatten dort eine andere Rechnung, andere Wochen und Jahre. Es ist mir dies oft erklärt worden; allein ich kann es nicht wiederholen.

Solange die Israeliten in Ägypten lebten, hatten sie statt eines Tempels nur Zelte. Sie richteten Steine auf, gossen Öl darüber, opferten Getreide und Lämmer, sangen und beteten.

17. Die Arche des Bundes

Noch in derselben Nacht, da Moses das Heiligtum an sich gebracht, wurde der sargähnliche goldene Kasten hergerichtet, in welchem sie bei dem Auszug das Heiligtum mit sich führten. Er musste so groß sein, dass ein Mensch darin ruhen konnte. Denn es sollte eine Kirche werden und ein Leib. Es war in der Nacht, da sie die Türen mit Blut bezeichneten. Ich dachte bei ihrer schnellen Arbeit an dem Kasten an das heilige Kreuz, das auch so eilends in der Nacht vor dem Tod Jesu gezimmert wurde. Der Kasten war von Goldblech und von der Figur eines ägyptischen Mumiensarges. Er war oben breiter als unten, und hatte oberhalb das Bild eines mit Strahlen umgebenen Angesichtes. An den Seiten waren die Armslängen und die Lage der Rippen angedeutet.

In diesen Sargkasten wurde, etwa in der Mitte seiner Länge, ein goldenes Kästchen hineingestellt, welches das von Segola aus dem Grabgewölbe getragene Heiligtum enthielt. In den untersten Teil kamen heilige Gefäße und die Becher der Patriarchen, welche Abraham von Melchisedech empfangen und mit dem Segen auf die Erstgebornen vererbt hatte. Dies war der erste Inhalt und die erste Gestalt der Lade des Bundes, welche mit einer roten und darüber mit einer weißen Decke verhüllt wurde.

Erst am Berge Sinai wurde die hölzerne in- und auswendig übergoldete Lade verfertigt, in welche der goldene Mumiensarg mit dem Heiligtum hineingestellt wurde. Er reichte ungefähr bis zur halben Höhe der Lade herauf und war nicht so lang wie die Lade, denn an seinem oberen und unteren Ende war noch Raum für zwei kleinere Behälter, in welchen sich Reliquien von Jakob und Josephs Familie befanden und wohin später auch der Stab Aarons kam. Als die Bundeslade im Tempel auf Sion aufgestellt wurde, wurde sie im Inneren verändert, indem der goldene Mumiensarg herausgenommen und mit einer ähnlichen kleineren Figur von weißer Masse vertauscht wurde.

Ich habe schon als Kind die Bundeslade oft gesehen und alles was in ihr und über ihr war, und wie immer mehr in sie hineinkam. Sie legten alle größeren Heiligtümer hinein, welche sie erhielten. Sie muss aber nicht sehr schwer gewesen sein, denn sie konnte leicht getragen werden.

Die Lade war länger als breit und ebenso hoch als breit. Sie hatte unten eine vorspringende Fußleiste. Ihr oberer Teil war mit einer einhalben Elle breiten kunstreichen Goldverzierung eingefasst von verschiedenen Farben, Blumen, Schnörkeln, Angesichtern, Sonnen und Sternen. Alles war prächtig, doch nicht sehr hervorspringend gearbeitet und reichte mit seinen Spitzen und Blättern nur wenig über den oberen Rand der Lade hinaus. Unterhalb dieser Einfassung waren an den Ecken der zwei Langseiten Ringe, wodurch die Tragstangen gesteckt wurden. Der übrige Teil der Lade war mit allerlei Figuren von verschiedenfarbigem Sittimholz in Gold sehr schön eingelegt.

In der Mitte der Lade war eine kleine, nicht bemerkbare Türe, damit der Hohepriester, wenn er allein im Allerheiligsten war, das Heiligtum zum Segnen und Weissagen aus der Lade nehmen und wieder hineintun konnte. Diese Türe schob sich in zwei Teile rechts und links nach innen und war so groß, dass der Hohepriester gut in das Innere der Lade greifen konnte. Wo die Tragstangen über die Türe liefen, waren sie leicht ausgebogen. Wurden die beiden Türen zurückgeschoben, so ging auch der goldene Behälter, worin das Heiligtum mit feinen Tüchlein umgeben bewahrt wurde, wie ein Buch auf, das aufgeschlagen wird.

Über dem Deckel der Lade erhob sich der Gnadenthron. Es war dies eine hohle, auch mit Goldblech überzogene Platte, in der heilige Gebeine lagen. Sie war so groß, wie der Deckel und nur wenig über denselben vorspringend. An ihren beiden Breitseiten war sie je mit vier Schrauben aus Sittimholz, welche in die Lade gingen, so über dem Deckel befestigt, dass man dazwischen durchsehen konnte. Die Schrauben hatten oben goldene Fruchtknöpfe. Die vier äußeren Schrauben fassten in die vier Ecken der Lade, die vier inneren gingen in das Innere. An jeder Breitseite des Gnadenthrones war ein Ausschnitt, in welchem je ein goldener Cherubim von der Größe eines Knaben befestigt war. In der Mitte des Gnadenthrones aber war eine runde Öffnung, durch welche ein Rohr durch den Deckel in die Lade führte. Man konnte es zwischen Gnadenstuhl und Deckel sehen. Diese Öffnung war mit einem goldenen Korbe, wie mit einer Krone umgeben, welche oben durch Querspangen an eine Stange schloss, welche von dem Heiligtum im Innern der Lade durch das Rohr und die Krone emporstieg und in sieben Spitzen, wie die Blätter einer Blume auslief. An diese Stange fassten untereinander die rechte Hand des einen und die linke des andern Cherub, während hinter der Stange der rechte Flügel des einen und der linke des anderen sich ausgebreitet berührten. Die beiden anderen Flügel legten sie nur wenig ausgebreitet über ihre Schultern, ohne sich zu berühren und ließen von der Vorderseite der Lade die Ansicht der Krone in der Mitte der Tafel frei. Unter diesen Flügeln streckten sie die Arme mit warnender Hand vor. Die Cherubim knieten nur mit einem Beine in dem Ausschnitt der Tafel, das andere hielten sie schwebend ausgestreckt. Ihr Angesicht war mit dem Ausdruck der Bewegtheit nach außen gewendet, als tragen sie heilige Scheu vor dem Glanz um die Krone. Sie trugen nur um die Mitte des Leibes ein Gewand. Auf weiteren Zügen wurden sie von der Lade abgenommen und besonders getragen.

Ich sah, dass oben auf den wie Blumenblätter sich ausbreitenden Spitzen der Stange Lichter oder Flammen brannten, welche die Priester anzündeten. Es war eine braune Masse, ich meine ein heiliges Harz, das sie dazu gebrauchten. Sie hatten es in Büchsen. Ich habe aber auch oft gesehen, dass aus der Krone große Lichtstrahlen an der Stange hinaufschossen und ähnliche Ströme vom Himmel in die Krone hinein, und dass auch seitwärts Lichtstrahlen in feinen Fäden hervorbrachen und dadurch anzeigten, wohin zu ziehen sei.

An dem unteren Teile der Stange im Inneren der Lade waren Haken, von denen der goldene Behälter mit dem Heiligtum und über demselben die beiden Gesetztafeln schwebend gehalten wurden. Vor dem Heiligtum hing, ohne den Boden der Lade zu berühren, ein goldenes geripptes Gefäß, mit Manna gefüllt. Wenn ich seitwärts in die Lade sah, konnte ich vor demselben den Altar, das Heiligtum, nicht erblicken. Ich erkannte die Lade des Bundes immer als eine Kirche und das Heiligtum als den Altar mit dem heiligsten Sakrament, und so sah ich dann das Gefäß mit Manna als die Lampe vor dem Altare an. Ging ich als Kind in die Kirche, so habe ich mir immer dies und jenes nach der Bundeslade erklärt, und das Geheimnis in ihr war mir das, was bei uns das heiligste Sakrament ist. Nur war es mir nicht so gnadenvoll, sondern strenge und ernst. Es machte mir einen mehr finstern, schauerlichen Eindruck, aber doch einen sehr heiligen, geheimnisvollen. Es war mir immer, als sei in der Bundeslade alles, was heilig und all' unser Heil sei in ihr, wie in einem Knäuel eingewickelt und wie im Werden. Das Heiligtum in der Lade aber sei das Geheimste. Es schien mir die Grundlage des heiligsten Altarsakramentes und dieses seine Erfüllung. Ich kann es nicht aussprechen. Es war das Geheimnis so verborgen, wie Jesus bei uns im heiligsten Sakrament. Ich fühlte, dass nur wenige Hohepriester wussten, was es war, und dass nur die Frommen aus ihnen auf höhere Erleuchtung es kannten und gebrauchten. Vielen war es unbekannt, und sie gebrauchten es nicht, wie uns so viele Gnaden und Wunder der Kirche unbekannt und verloren werden, und wie unser ganzes Heil verlorengehen würde, wenn es auf menschliche Verstandeskräfte und Willen gebaut wäre. Es ist aber auf den Felsen gebaut.

Der Zustand und die Blindheit der Juden kommt mir immer zum Weinen traurig vor, da sie doch alles im Keime gehabt, aber die Frucht nicht erkennen wollen. Zuerst hatten sie das Geheimnis: es war das Zeugnis, die Verheißung, darauf kam das Gesetz und dann die Gnade. Als ich den Herrn in Sichar lehren sah, fragten ihn die Leute, wo denn das Geheimnis der Bundeslade hingekommen sei. Er antwortete ihnen, davon hätten die Menschen vieles empfangen und es sei nun in sie übergegangen. Daraus allein schon, dass es nicht mehr da sei, wäre zu erkennen, dass der Messias geboren sei.

Ich sah das Geheimnis, das Heiligtum in einer Form, in einer Art Hülle als einen Inhalt, ein Wesen, eine Kraft. Es war Brot und Wein, Fleisch und Blut, es war der Keim des Segens vor dem Sündenfall. Es war das sakramentalische Dasein der vorsündlichen Fortpflanzung, welches den Menschen in der Religion bewahrt wurde und ihnen durch Frömmigkeit eine immer mehr sich reinigende Stammlinie möglich machte, die in Maria endlich vollendet wurde, um den lang ersehnten Messias aus dem Heiligen Geist zu empfangen. Noe, der den Weinberg pflanzte, hatte die Zubereitung, hierin aber war schon die Versöhnung und der Schutz. Abraham hatte es empfangen in jenem Segen, den ich ihm als eine Sache, eine Wesenheit übergeben sah. Es blieb ein Familiengeheimnis. Daher das große Vorrecht der Erstgeburt.

Vor dem Auszug aus Ägypten empfing Moses das Geheimnis wieder, und so wie es zuvor das Religionsgeheimnis der Familien gewesen war, so ward es jetzt das Geheimnis des ganzen Volkes. Es trat in die Bundeslade, wie das heiligste Sakrament in den Tabernakel und die Monstranz.

Als die Kinder Israels das goldene Kalb anbeteten und in große Verirrung gerieten, zweifelte Moses an der Kraft des Heiligtums und wurde gestraft, nicht in das Gelobte Land einzugehen. Wenn die Bundeslade in die Gewalt der Feinde fiel, so wurde, wie in jeder Gefahr, das Geheimnis als der Vereinigungspunkt von Israel von dem Hohenpriester herausgenommen. Und dennoch blieb die Lade so heilig, dass die Feinde durch Strafen Gottes gezwungen wurden, dieselbe zurückzugeben. Nur wenige kannten das Geheimnis und seine Teilhaftwerdung. Oft verdarb ein Mensch den daraus empfangenen Strahl zur reinen Stammlinie des Messias wieder durch Verunreinigung, und die Annäherung des Heilands oder vielmehr des reinen Gefäßes, das ihn aus Gott empfangen sollte, ward dadurch der Menschheit lange hinaus verzögert. Aber sie konnten durch Buße sich wieder reinigen.

Ich weiß nicht bestimmt, ob bei dem Inhalt dieses Sakraments nur eine göttliche Grundlage und eine übernatürliche priesterliche Füllung durch eine Art Konsekration stattfand, oder ob es ganz und unmittelbar sich aus Gott herstellte. Doch glaube ich das erstere. Denn ich weiß gewiss, dass Priester es oft zurücksetzten und das Heil verhinderten und dafür schwer, ja mit dem Tode bestraft wurden. Wenn das Geheimnis wirkte und das Gebet erhört ward, so leuchtete es, so wuchs es und schimmerte rötlich durch die Hülle. Der Segen mehrte und minderte sich in verschiedenen Zeiten nach der Andacht und Reinheit der Menschen. Durch Gebet, durch Opfer und Buße schien er zu wachsen.

Vor dem Volke sah ich es nur bei dem Durchgang durch's Rote Meer und bei derAnbetung des Goldenen Kalbes von Moses gebraucht, aber verhüllt. Es wurde aus dem goldenen Behälter von ihm herausgenommen und so überdeckt wie das heiligste Sakrament am Karfreitag, und ebenso getragen oder vor der Brust gehalten zum Segen oder zum Bann, als wirke es in die Ferne. Moses hat dadurch viele Israeliten an sich gehalten und von Abgötterei und dem Tod errettet.

Ich sah aber öfter, dass der Hohepriester es allein, wenn er im Allerheiligsten war, gebrauchte und es nach einer Seite hin bewegend, wie eine Gewalt, einen Schutz, ein Abhalten hervorbrachte, oder einen Segen, eine Erhörung, eine Wohltat, eine Strafe. Er fasste es nicht mit bloßen Händen an.

Das Heiligtum wurde von ihm zu heiligen Zwecken auch in Wasser getaucht, und dieses Wasser als ein Segen zum Trinken gereicht. Die Prophetin Debbora, Hanna, die Mutter Samuels in Silo und Emerentia, die Mutter der hl. Anna, tranken von diesem Wasser. Durch diesen heiligen Trank war Emerentia zur Empfängnis der hl. Anna vorbereitet. Die hl. Anna trank nicht von diesem Wasser. Der Segen war in ihr.

Joachim empfing durch einen Engel das Geheimnis aus der Bundeslade. Und so wurde Maria unter der goldenen Pforte des Tempels empfangen und mit ihrer Geburt ist sie selber die Lade des Geheimnisses geworden. Der Zweck desselben war erfüllt und die hölzerne Lade im Tempel war nun ohne Heiligtum.

Als Joachim und Anna unter der goldenen Pforte sich begegneten, umgab sie Licht und Glanz, und die heilige Jungfrau ward ohne Erbsünde empfangen. Es war ein wunderbares Tönen um sie, wie eine Stimme Gottes.

Dies Geheimnis der unbefleckten Empfängnis Mariä in Anna können die Menschen nicht fassen, und darum bleibt es ihnen verborgen.

Die Geschlechtslinie Jesu hatte den Keim des Segens zu der Menschwerdung Gottes empfangen. Jesus Christus aber setzte das Sakrament des neuen Bundes als die Frucht, als die Erfüllung desselben ein, um die Menschen wieder mit Gott zu vereinen.

Als Jeremias bei der babylonischen Gefangenschaft die Bundeslade am Berg Sinai mit anderen heiligen Sachen verbergen ließ, war das Geheimnis nicht mehr darin. Nur die Hüllen desselben wurden mit der Bundeslade durch ihn vergraben. Er kannte seinen Inhalt und seine Heiligkeit und wollte davon offen, wie auch von den Gräueln seiner Misshandlung zum Volke sprechen. Aber Malachias hielt ihn davon ab und nahm das Geheimnis an sich. Durch ihn kam es nachmals an die Essener und durch einen Priester wieder in die nachgemachte Bundeslade. Malachias war wie Melchisedech ein Engel, ein Gesandter Gottes. Ich sah ihn nicht als einen gewöhnlichen Menschen. Er erschien als Mensch wie Melchisedech, nur abweichend von diesem, sowie es für seine Zeit angemessen war. Kurz nach Daniels Abführung nach Babyion sah ich ihn gleich einem verirrten, etwa siebenjährigen Knaben in einem rötlichen Gewand mit einem Stab in der Hand zu einem frommen Ehepaare nach Sapha im Stamme Zabulon kommen. Sie hielten ihn für ein von den weggeführten Israeliten verlorenes Kind und behielten ihn bei sich. Er war sehr lieblich, übermenschlich geduldig und sanft, dass ihn alle liebten, und er ohne Widerspruch lehren und handeln konnte. Er hatte vielen Verkehr mit Jeremias und hat ihm in größten Gefahren mit Rat geholfen. Er war es auch, durch den Jeremias aus dem Kerker in Jerusalem befreit wurde.

Die von Jeremias am Sinai verborgene alte Bundeslade ist nicht mehr aufgefunden worden. Die nachgemachte Bundeslade war nicht mehr so schön, und es war nicht mehr alles in ihr. Der Stab Aarons kam zu den Essenern auf Horeb, wo auch ein Teil des Heiligtums bewahrt wurde. Das Geschlecht, das Moses zur näheren Behütung der Bundeslade bestellt hatte, bestand bis in die Zeit des Herodes.

Am Jüngsten Tage wird alles erscheinen, und da wird das Geheimnis erklärt werden zum Schrecken aller, die es missbraucht haben.

DIE ALLERSELIGSTE JUNGFRAU

1. Abstammung, Geburt und Vermählung der heiligen Anna

Die Voreltern der heiligen Anna waren Essener. Diese wunderbar frommen Leute rührten von den Priestern her, welche in der Zeit von Moses und Aaron die Arche trugen und erhielten in der Zeit von Isaias und Jeremias ihre bestimmtere Ordnung. Es waren ihrer anfangs nicht sehr viele. Sie wohnten aber nachher im Gelobten Land in Versammlungen, 48 Meilen in die Länge und 36 in die Breite, und kamen erst später in die Gegend des Jordan. Sie wohnten hauptsächlich am Berg Horeb und Karmel.

In der ersten Zeit, ehe Isaias sie sammelte, lebten diese Leute als fromme, sich abtötende Juden zerstreut. Sie trugen immer dieselben Kleider und flickten sie nicht, bis sie ihnen vom Leibe fielen. Sie lebten in der Ehe, aber sehr enthaltsam. Mit gegenseitiger Einwilligung trennten sich oftmals Mann und Frau und lebten in entfernten Hütten. Sie aßen auch abgesondert, zuerst der Mann und wenn er sich entfernt hatte, die Frau. Schon damals waren Leute von den Vorfahren Annas und anderer heiligen Familien unter ihnen. Aus ihnen stammten jene, die man Prophetenkinder nannte. Sie wohnten in der Wüste und um den Berg Horeb. Auch in Ägypten gab es sehr viele. Ich habe auch gesehen, dass sie durch Krieg eine Zeit lang vom Berge Horeb vertrieben waren, aber von ihren Oberhäuptern wieder gesammelt wurden. Die Makkabäer waren auch unter ihnen. Sie waren große Verehrer des Moses und hatten ein Kleidungsstück von ihm, das er Aaron gegeben, und von dem es auf sie gekommen war. Es war für sie ein großes Heiligtum, und ich habe ein Bild gehabt, wo an fünfzehn von ihnen in Verteidigung dieses Heiligtums umgekommen sind. Ihre Häupter hatten Wissenschaft von dem Geheimnis der Bundeslade.

Jene von ihnen, welche unverehelicht blieben, bildeten eine eigene Gesellschaft, wie einen geistlichen Orden, und wurden bis zur Aufnahme jahrelang geprüft. Sie wurden von ihrem Oberhaupt auf höhere prophetische Eingebungen für längere oder kürzere Zeit aufgenommen. Die verehelichten Essener, welche eine strenge Zucht unter ihren Kindern und Hausgenossen hielten standen zu dem eigentlichen Essener-Orden in einem ähnlichen Verhältnis wie die Tertiaren des heiligen Franziskus zu dem Franziskaner-Orden. Sie holten sich in allem Rat bei ihrem geistlichen Oberhaupt auf Horeb.

Die ehelosen Essener waren von einer unbeschreiblichen Frömmigkeit und Reinheit. Sie trugen lange weiße Kleider, die sie sehr reinlich hielten. Sie nahmen Kinder zur Erziehung auf. Um ein Mitglied ihres strengen Ordens zu werden, musste man vierzehn Jahre alt sein. Leute von bewährter Frömmigkeit wurden nur ein Jahr geprüft - andere zwei Jahre. Sie lebten ganz jungfräulich und enthaltsam, hatten keine Art von Handel. Was sie brauchten, tauschten sie gegen Produkte des Ackerbaues. Wenn sich einer schwer versündigte, wurde er ausgestoßen, und ihrem Bann folgte eine Kraft, wie dem Bannspruch des heiligen Petrus gegen Ananias: sie starben. Das Oberhaupt wusste auf prophetische Weise, wer gesündigt hatte. Ich sah auch welche, die nur büßten und z. B. in einem steifen Rock mit ausgebreiteten unbiegsamen Ärmeln stehen mussten, der inwendig voll Stacheln war.

An dem Berge Horeb hatten sie ihre Höhlenzellen, und an eine größere Höhle war von Flechtwerk ein großer Versammlungssaal angebaut, wo sie um die elfte Stunde zum Mahl zusammenkamen. Jeder hatte ein kleines Brot und einen kleinen Becher vor sich. Das Oberhaupt ging von Stelle zu Stelle und segnete einem jeden sein Brot. Nach dem Essen kehrten sie in ihre einzelnen Zellen zurück. In diesem Saal war ein Altar, auf welchem geweihte Brote lagen. Sie waren bedeckt und zur Verteilung an die Armen bestimmt. Sie hatten sehr viele zahme Tauben, die sie aus der Hand fütterten. Sie aßen Tauben, hatten aber auch religiöse Handlungen mit ihnen, indem sie etwas über sie sprachen und sie fliegen ließen. Auch sah ich, dass sie Lämmer in die Wildnis laufen ließen, über die sie etwas ausgesprochen hatten.

Ich sah, dass sie alle Jahre dreimal nach Jerusalem zum Tempel gingen. Sie hatten auch Priester unter sich, denen besonders die Besorgung der heiligen Kleider zukam, die sie reinigten, zu denen sie beisteuerten und zu denen sie auch neue bereiteten. Ich sah sie Ackerbau, Viehzucht und besonders Gartenbau treiben. Der Berg Horeb war zwischen ihren Hütten voll von Gärten und Obstbäumen. Auch sah ich viele weben, flechten und Priesterkleider sticken. Die Seide sah ich sie nicht selbst gewinnen. Sie kam in Bündeln zum Verkauf, und sie tauschten sie gegen Produkte ein.

In Jerusalem hatten sie eine eigene Wohngegend und auch im Tempel einen besonderen Ort. Die anderen Juden mochten sie nicht recht leiden. Ich sah sie zum Tempel auch Opfergaben senden, wie große Trauben, welche zwei Leute zwischen sich an einer Stange trugen. Auch Lämmer, welche aber nicht geschlachtet wurden, sondern die man laufen ließ. Ich sah nicht, dass sie blutige Opfer brachten. Vor der Abreise zum Tempel bereiteten sie sich durch Gebet, strenges Fasten, Geißelung und andere Bußwerke. Wer mit ungebüßter Sünde zum Tempel zog, fürchtete plötzlich sterben zu müssen, was manchmal geschah. Trafen sie auf dem Wege zum Tempel einen Kranken oder Hilflosen, so gingen sie nicht weiter, bis sie ihm auf irgend eine Art geholfen hatten. Ich sah sie Kräuter sammeln und Tränke bereiten, und dass sie Kranke durch Auflegung der Hände heilten, oder indem sie sich mit ausgebreiteten Armen ganz über dieselben ausstreckten. Auch sah ich, dass sie in die Entfernung heilten. Kranke, welche nicht selber kommen konnten, sendeten einen Stellvertreter, an welchem alles geschah, was der Kranke zur Heilung bedurfte, und es fand sich, dass er zur selben Stunde genesen war.

Zur Zeit der Großeltern Annas war ihr Oberhaupt ein Prophet Namens Archos. Er hatte Gesichte in der Höhle des Elias auf Horeb, welche sich auf die Ankunft des Messias bezogen. Er wusste um das Geschlecht, aus dem der Messias kommen würde. Wenn Archos den Voreltern Annas über ihre Nachkommen weissagte, sah er auch, wie die Zeit sich nahte. Die Störung und Unterbrechung, das Verzögertwerden durch Sünde wusste er nicht, und nicht, wie lange es noch währen sollte, aber er ermahnte zu Buße und Opfer.

Der Großvater Annas, ein Essener, hieß vor seiner Vermählung Stolanus. Durch seine Frau und deren Güter erhielt er den Namen Garescha oder Sarziri. Die Großmutter Annas war von Mara in der Wüste und hieß Moruni oder Emorun d. i. erhabene Mutter. Sie vermählte sich mit Stolanus auf Geheiß des Propheten Archos, welcher gegen neunzig Jahre das Oberhaupt der Essener und ein sehr heiliger Mann war, bei dem sie vor der Vermählung sich immer berieten, um nach seinen Weisungen ihre Wahl zu treffen. Wunderbar erschien mir, dass diese prophetischen Oberhäupter immer auf weibliche Nachkommenschaft weissagten, und dass die Voreltern Annas und Anna selbst immer Töchter hatten. Es war, als sei ihrem heiligen Dienste die religiöse Heranbildung der reinen Gefäße obgelegen, welche heilige Kinder empfangen sollten: den Vorläufer, den Herrn selber, Apostel und Jünger.

Ich sah, wie Emorun vor ihrer Vermählung zu Archos kam. Sie hatte. an dem Versammlungssaal auf Horeb in einen abgesonderten Raum einzutreten und wie durch das Gitter eines Beichtstuhles mit dem Oberhaupte zu sprechen. Darnach ging Archos auf vielen Stufen zur Spitze des Berges, wo die Höhle des Propheten Elias sich befand. Der Eingang war klein und führte einige Stufen abwärts. Die Höhle war reinlich ausgearbeitet. Das Licht fiel durch eine Öffnung in der Wölbung. Ich sah an der Wand einen kleinen Altar von Stein und auf demselben die Rute Aarons und einen glänzenden Kelch wie aus einem Edelstein. In diesem Kelch lag ein Teil von dem Geheimnis der Bundeslade. Die Essener hatten dasselbe erhalten, als einmal die Lade des Bundes in Feindes Gewalt gekommen war. Die Rute Aarons stand in einem Bäumchen mit schneckenförmig gewundenen, gelblichen Blättern wie in einem Futteral. Ich kann nicht sagen, ob dies Bäumchen lebendig oder ein Kunstwerk wie eine Wurzel Jesse war. Hatte das Oberhaupt wegen einer Verehelichung zu beten, so nahm er die Rute Aarons in die Hand. Diese trieb, wenn die Verehelichung zur Stammlinie Mariä beitragen sollte, eine Sprosse, aus der eine oder mehrere Blüten mit den Zeichen der Auserwählung hervorbrachen. Die Voreltern Annas waren so bestimmte Sprossen dieser Stammeslinie und ihre auserwählten Töchter waren durch solche Zeichen vorgestellt worden, welche weiter aufblühten, wenn eine Tochter zur Ehe schreiten sollte. Das Bäumchen mit den gewundenen Blättern war gleich wie der Stammbaum, wie die Wurzel Jesse, woran zu erkennen war, wie weit die Herannahung Mariä schon gediehen. Es standen auch niedrige Kräuterbüschchen in Töpfen auf dem Altare, welche durch Grünen und Welken auch etwas anzudeuten hatten. Rings an den Wänden sah ich vergitterte Räume, worin alte heilige Gebeine sehr schön in Seide und Wolle gehüllt bewahrt wurden. Es waren Gebeine von Propheten und heiligen Israeliten, die auf dem Berge und in der Umgebung gelebt hatten. Auch in den Zellenhöhlen der Essener sah ich solche Gebeine, vor denen sie beteten, Blumen aufstellten und Lampen anzündeten.

Archos war ganz auf die Art des Hohenpriesters am Tempel gekleidet, da er in der Höhle betete. Seine Kleidung bestand aus etwa acht Teilen. Zuerst nahm er das Brustgewand, eine Art breiten Skapuliers, das Moses auf bloßem Leib getragen. Es hatte in der Mitte eine Öffnung für den Hals und fiel in gleicher Länge über Brust und Rücken. Über diesem Brustkragen trug er eine weiße Albe von gezwirnter Seide, welche mit einem breiten Cingulum, wie auch die über der Brust gekreuzte und bis an die Knie reichende breite Stola gegürtet wurde. Darüber legte er eine Art Messgewand an von weißer Seide, das nach hinten bis zur Erde reichte und zwei Glöcklein am unteren Saum hatte. Um das Halsloch war ein stehender Kragen, nach vorne mit Knöpfen geschlossen. Sein Bart lag über dem Kinn gescheitelt auf diesem Kragen auf. Zuletzt legte er ein kleines schimmerndes Mäntelchen von weißer ungezwirnter Seide um, das vorne durch drei Krampen mit Steinen, worauf etwas eingeschnitten war, geschlossen wurde. Auch von den beiden Schultern war vorne gegen die Brust laufend eine Reihe von sechs Edelsteinen befestigt, in welche ebenfalls Zeichen eingegraben waren. Auf der Mitte des Rückens war ein Schild befestigt, auf welchem Buchstaben eingeschnitten waren. An diesem Mantel waren auch Fransen, Quasten und Früchte. Er trug außerdem an dem einen Arme eine kurze Manipel, die Kopfbedeckung war von weißer Seide, rundgewulstet, wie ein Turban. Oben hatte sie Erhabenheiten und einen Busch von Seide, vor der Stirne eine goldene Platte mit Edelsteinen.

Archos betete auf die Erde geworfen vor dem Altar. Ich sah, dass er ein Gesicht empfing, wie aus Emorun ein Rosenstock mit drei Zweigen hervorwachse. An jedem war eine Rose und die des zweiten Zweiges war mit einem Buchstaben bezeichnet. Auch sah er einen Engel Buchstaben an die Wand zeichnen. Darnach erklärte Archos der Emorun, dass sie heiraten solle und zwar ihren sechsten Freier, und dass sie ein auserwähltes Kind mit einem Zeichen gebären werde, das ein Gefäß der herannahenden Verheißung sein werde. Der sechste Freier war Stolanus. Die Vermählten wohnten nicht lange in Mara, sondern zogen später nach Ephron. Doch sah ich auch noch ihre Töchter Emerentia und Ismeria mit Archos sich beraten, der ihnen den Ehestand befahl, weil sie mitwirkende Gefäße der Verheißung seien. Die älteste Tochter Emerentia ehelichte einen Leviten mit Namen Aphras und wurde Mutter der Elisabeth, welche Johannes den Täufer gebar. Eine dritte Tochter hieß Enue. Ismeria war die zweitgeborene Tochter von Stolanus und Emorun. Sie hatte bei ihrer Geburt jenes Zeichen an sich, das Archos an der Rose des zweiten Zweiges in seinem Gesichte über Emorun erblickt hatte. Ismeria verehelichte sich mit Eliud aus dem Stamme Levi. Sie waren reich. Ich sah dies an ihrer großen Wirtschaft. Sie hatten viele Herden, aber sie hatten nichts für sich, sie gaben alles den Armen. Sie wohnten in Sephoris vier Stunden von Nazareth, wo sie ein Gut besaßen. Sie hatten aber auch ein Besitztum im Tal Zabulon, wohin sie in der schönen Jahreszeit mit ihrer Familie sich begaben und wo Eliud nach dem Tod der Ismeria seinen bleibenden Wohnsitz nahm. In demselben Tal hatte sich auch der Vater Joachims mit seiner Familie niedergelassen.

Die hohe Zucht und Enthaltsamkeit von Stolanus und Emorun war auch auf Ismeria und Eliud übergegangen. Die erste Tochter, welche Ismeria gebar, erhielt den Namen Sobe. Diese Sobe ehelichte später einen Salomo und ward Mutter der Maria Salome, welche mit Zebedäus sich vermählte und die späteren Apostel Jakobus Major und Johannes gebar. Da Sobe bei ihrer Geburt das Zeichen der Verheißung nicht an sich trug, so wurden die Eltern sehr bekümmert und reisten nach Horeb zu dem Propheten, der sie zu Gebet und Opfer ermahnte und ihnen Trost verhieß. Sie blieben gegen achtzehn Jahre bis zur Empfängnis der Anna unfruchtbar. Dann hatten beide Eheleute auf ihrem Lager in der Nacht Gesichte. Ismeria sah einen Engel Buchstaben neben sich an die Wand schreiben. Sie erzählte es ihrem Manne, der das gleiche gesehen, und beide erblickten beim Erwachen das Zeichen an der Wand. Es war wieder der Buchstabe M, welchen Anna bei ihrer Geburt auf der Magengegend mit zur Welt brachte.

Die Eltern hatten Anna besonders lieb. Ich sah Anna als Kind. Sie war nicht besonders schön, aber doch schöner, als andere. So schön wie Maria war sie bei weitem nicht, aber ungemein einfältig, kindlich und fromm. So habe ich sie alle Zeit gesehen, als Jungfrau, als Mutter und altes Mütterchen, so dass, wenn ich eine recht kindliche, alte Bauernfrau sah, ich immer denken musste, diese ist wie Anna.

Anna ward in ihrem fünften Jahre nach dem Tempel gebracht, wie später Maria. Sie lebte zwölf Jahre am Tempel und wurde in ihrem siebzehnten Jahre wieder nach Hause gesendet. Inzwischen hatte ihre Mutter eine dritte Tochter, namens Maraha geboren, und Anna fand bei ihrer Rückkehr auch ein Söhnlein ihrer älteren Schwester Sobe, Namens Eliud, im elterlichen Hause. Maraha bekam später das elterliche Gut bei Sephoris und wurde die Mutter der späteren Jünger Arastaria und Cocharia. Der junge Eliud wurde der zweite Mann der Witwe Maroni von Naim.

Ein Jahr darauf wurde Ismeria krank und starb. Auf dem Sterbelager ließ sie alle Hausgenossen vor sich kommen, ermahnte sie und stellte ihnen Anna als künftige Hausmutter vor. Mit Anna aber sprach sie noch allein, dass sie heiraten müsse, indem sie ein Gefäß der Verheißung sei. Ungefähr anderthalb Jahre darnach, in ihrem neunzehnten Jahre, heiratete Anna den Heli oder Joachim, und zwar auch auf eine geistliche Weisung des Propheten. Sie hätte eigentlich einen Leviten aus dem Stamme Aarons heiraten müssen, wie ihr ganzes Geschlecht, aber wegen der Nähe des Heiles musste sie Joachim aus dem Stamme Davids ehelichen. Denn Maria sollte aus dem Stamme Davids sein. Sie hatte mehrere Freier und kannte Joachim noch nicht - allein sie wählte ihn auf höhere Weisung.

Joachim war arm. Er war mit dem heiligen Joseph verwandt. Der Großvater Josephs stammte aus David durch Salomo und hieß Mathan. Er hatte zwei Söhne: Joses und Jakob. Dieser war der Vater Josephs. Als Mathan starb, heiratete seine Witwe einen zweiten Mann Namens Levi, der aus David durch Nathan stammte, und von diesem Levi gebar sie Mathat, den Vater Helis oder Joachims. Joachim war ein kleiner, breiter, hagerer Mann. Der heilige Joseph war in seinem Alter noch sehr schön gegen ihn. Er war aber von Betragen und Gemüt ein ganz herrlicher Mensch. Er hatte wie Anna etwas sehr Besonderes. Beide waren zwar ganz jüdisch. Es war etwas in ihnen, was sie selbst nicht kannten, ein Sehnen und Erwarten, ein wunderbarer Ernst. Ich habe beide selten lachen gesehen, wenn sie gleich im Anfang nicht eigentlich traurig waren. Sie hatten einen stillen gleichmäßigen Charakter und in ihrem frischen Alter schon etwas von alten gesetzten Leuten.

Sie wurden in einem kleinen Ort getraut, wo nur eine geringe Schule war. Es war nur ein Priester zugegen. Das Freien war damals ganz einfach. Die Freier waren sehr schlicht. Man sprach zusammen und dachte nichts beim Heiraten, als, es müsse so sein. Sagte die Braut ja, so waren die Eltern zufrieden, sagte sie nein und hatte sie Gründe, so war es auch recht. Zuerst war die Sache bei den Eltern ins reine gebracht. Dann geschah die Versprechung in der Synagoge. Der Priester betete im Heiligen vor den Gesetzesrollen, die Eltern am gewöhnlichen Ort. Die Brautleute beredeten sich in einem Raum allein über ihre Verträge und Absichten. Dann erklärten sie sich vor den Eltern, und diese sprachen mit dem Priester, der zu ihnen heraustrat. Tags darauf war die Trauung.

Joachim und Anna hausten bei Eliud, dem Vater Annas. Es herrschte in seinem Hause die strenge Zucht und Sitte der Essener. Das Haus gehörte zu Sephoris. Es lag aber ein wenig davon ab zwischen einer Gruppe von Häusern, unter denen es das größere war. Hier lebten sie wohl an sieben Jahre.

Annas Eltern waren wohlhabend. Sie hatten viele Herden, schöne Teppiche, Geschirre und viele Knechte und Mägde. Ackerbauen habe ich sie nicht gesehen, aber wohl Vieh treiben auf der Weide. Sie waren sehr fromm, innig, wohltätig, schlicht und recht. Sie teilten oft ihre Herden und alles in drei Teile und gaben einen Teil in den Tempel, wohin sie es selber trieben, und wo es von Tempeldienern empfangen wurde. Den anderen Teil gaben sie den Armen oder begehrenden Anverwandten, von denen meistens einzelne da waren, die es wegtrieben. Den dritten Teil behielten sie für sich. Sie lebten sehr mäßig und gaben alles hin, wo begehrt wurde. Da habe ich als Kind schon gedacht: geben reicht aus, wer gibt, kriegt doppelt wieder. Denn ich sah, dass ihr dritter Teil sich immer wieder mehrte, und dass alles bald wieder so vollauf war, dass sie wieder in drei Teile teilen konnten. Sie hatten viele Verwandte, die bei allen feierlichen Gelegenheiten beisammen waren. Da sah ich dann nie viel Schmauserei. Wohl reichten sie den Armen Speise, aber eigentliche Gastmahle sah ich nie. Wenn sie zusammen waren, lagen sie gewöhnlich im Kreise an der Erde und redeten von Gott mit großer Erwartung. Es waren oft auch böse Menschen aus ihrer Verwandtschaft dabei, welche mit Unwillen und Erbitterung es ansahen, wenn sie voll Sehnsucht nach dem Himmel in ihren Gesprächen emporblickten. Aber sie waren diesen Bösen doch gut und versäumten bei keiner Gelegenheit, sie zu sich zu bitten, und sie gaben ihnen alles doppelt. Ich sah oft, dass diese mit Unwillen und stürmend das begehrten, was die guten Leute mit Liebe ihnen entgegenbrachten. Es waren auch Arme in ihrer Familie, denen sie oft ein Schaf und auch mehrere hingaben.

Hier gebar Anna ihre erste Tochter, welche auch Maria hieß. Ich sah Anna voll Freude über das neugeborne Kind. Es war ein ganz liebes Kind. Ich sah es etwas dick und stark heranwachsen. Es war auch sanft und fromm, und die Eltern hatten es lieb. Es hatte aber eine Bewandtnis mit ihm, die ich nicht verstand. Es war immer, als sei das Kind nicht das, was die Eltern als die Frucht ihrer Verbindung erwartet hatten. Es war darum eine Betrübnis und Unruhe in ihnen, als hätten sie sich gegen Gott versündigt. Sie büßten deswegen lange, lebten in Enthaltung und vermehrten alle ihre guten Werke. Ich sah sie oft zum Gebete sich absondern.

So lebten sie bei dem Vater Eliud wohl sieben Jahre, was ich an dem Alter des ersten Kindes sehen konnte, als sie sich entschlossen, sich von den Eltern zu trennen in der Absicht, in der Einsamkeit ihr eheliches Leben ganz von neuem zu beginnen und durch Gott noch wohlgefälligeren Wandel seinen Segen auf ihre Verbindung herabzuziehen. Ich sah sie diesen Entschluss im Hause der Familie fassen und sah Annas Vater die Ausstattung ihnen zurüsten. Die Herden wurden geteilt und für den neuen Haushalt Ochsen, Esel und Schafe abgesondert, welche viel größer als bei uns zu Lande waren. Auf Esel und Ochsen wurden allerlei Geräte, Gefäße und Gewänder gepackt, und die guten Leute waren so geschickt, es aufzupacken, als die Tiere es zu empfangen und fortzutragen. Wir können unsere Sachen kaum so geschickt auf Wagen packen, als diese Leute es auf diese Tiere konnten. Sie hatten schöne Geschirre. Alle Gefäße waren zierlicher, als jetzt. Zerbrechliche schöne Krüge von künstlicher Form, worauf allerlei Bildwerk, wurden mit Moos ausgefüllt, umwickelt, an die beiden Ende eines Riemens befestigt, und so den Tieren über den Rücken gehängt. Auf dem freien Rücken der Tiere aber wurden allerlei Päcke von bunten Decken und Gewändern gelegt. Auch kostbare, mit Gold gestickte Decken wurden aufgepackt, und Vater Eliud gab den Ausziehenden einen kleinen schweren Klumpen in einem Beutel, wie ein Stück edlen Metalls. Als alles bereitet war, traten Knechte und Mägde zu dem Zug und trieben die Herden und Lasttiere vor sich hin nach der neuen Wohnung, welche wohl fünf bis sechs Stunden von da entlegen war.

Das Haus lag auf einem Hügel zwischen dem Tal bei Nazareth und dem Tal Zabulon. Es führte eine Allee von Terebinthen dahin. Vor dem Hause war auf nacktem Felsengrund ein Hof mit einer niederen Felsenmauer umgeben, auf oder hinter weIcher ein lebendiger Flechtzaun wuchs. An einer Seite dieses Hofes waren Schoppen, das Vieh unterzustellen. Die Türe des ziemlich großen Hauses war in der Mitte und ging in Angeln. Man trat durch sie in eine Art Vorsaal, welcher die ganze Breite des Hauses einnahm. Auf der rechten und linken Seite des Saales waren durch leicht geflochtene Stellwände, die man nach Belieben wegnehmen konnte, kleine Räume abgeschlagen. In diesem Saale wurden an Festen die größeren Mahlzeiten gehalten, wie da, als Maria zum Tempel gebracht wurde. Aus dem Saal führte der Haustüre gegenüber ein Gang durch eine leichte geflochtene Türe zwischen vier zur Rechten und vier zur Linken liegenden Kammern, welche durch geflochtene, sich oben in Gitter endende Verschläge oder Stellwände gebildet wurden, in einen runden oder vielmehr dreiseitigen Raum, dessen hintere Mittelwand, der Türe gegenüber die Feuerstelle enthielt. Die beiden schiefen Seiten, links und rechts, enthielten hinter Stellwänden auch Kammern. In der Mitte des Küchenraumes hing eine mehrarmige Lampe von der Decke nieder.

An das Haus schlossen sich Obstgärten und Felder. Als Joachim und Anna in dem Hause ankamen, fanden sie schon alles an Ort und Stelle durch die vorausgeschickten Leute geordnet. Die Knechte und Mägde hatten alles so schön und ordentlich abgepackt und an seinen Ort gebracht, wie sie es beim Aufpacken getan hatten. Denn sie waren so hilfreich und taten alles so still und verständig vor sich hin, dass man ihnen nicht immer wie heutzutage alles einzelne befehlen musste.

Hier fingen nun die heiligen Leute ein ganz neues Leben an. Alles Vorhergegangene opferten sie Gott auf und dachten nur, als wären sie erst jetzt zusammen gekommen, und ihr ganzes Streben war, durch ein gottgefälliges Leben jenen Segen auf sich herabzuflehen, den sie eigentlich ersehnten. Ich sah beide unter ihre Herden gehen, sie in drei Teile teilen und den besten zum Tempel nach Jerusalem treiben. Den andern Teil erhielten die Armen, den schlechtesten Teil behielten sie für sich, und so taten sie mit all dem Ihrigen.

2. Die heilige und unbefleckte Empfängnis Mariä

Anna hatte die Gewissheit und den festesten Glauben, es müsse der Messias sehr nahe sein, und dass sie unter seinen menschlichen Verwandten stehe. Sie flehte und strebte stets nach größter Reinheit und hatte auch die Eröffnung erhalten, dass sie ein Kind der Gnade empfangen solle. Ihre erstgeborne Tochter, welche im Hause Eliuds zurückgelassen war, erkannte und liebte Anna als ihr und Joachims Kind, aber sie fühlte gewiss, es sei nicht jene Tochter, welche sie nach ihrer inneren Gewissheit gebären sollte. Anna und Joachim blieben von der Geburt dieses ersten Kindes an neunzehn Jahre und fünf Monate lang unfruchtbar. Sie lebten im beständigen Gebete und Opfern, in Abbruch und Enthaltung. Ich sah sie ihre Herden oft teilen - aber alles mehrte sich schnell wieder. Oft lag Joachim ferne bei seinen Herden im Flehen zu Gott.

Die Betrübnis und Sehnsucht beider nach dem verheißenen Segen war aufs höchste gestiegen. Manche schmähten über sie, dass sie schlechte Leute sein müssten, weil sie keine Kinder bekämen, und dass ihre Tochter bei Eliud ein von Anna unterschobenes Kind sei, sonst hätten sie es bei sich. Als Joachim, der bei seinen Herden war, wieder nach dem Tempel zu opfern, reisen wollte, sandte ihm Anna mancherlei Vögel, Tauben und anderes in Körben und Käfigen durch Knechte auf das Feld zu den Herden. Joachim nahm zwei Esel von der Weide und belastete sie damit und mit drei weißen, kleinen munteren Tierchen mit langen Hälsen, Lämmern oder Ziegenböckchen in Gitterkörben. Er trug eine Laterne auf einem Stock - sie war wie ein Licht in einem ausgehöhlten Kürbis. Ich sah ihn so auf einem schönen grünen Feld zwischen Bethanien und Jerusalem ziehen, wo ich auch Jesus öfter gesehen, und gegen Abend zum Tempel kommen. Sie stellten die Esel da ein, wo sie bei Mariä Opferung eingestellt wurden, und trugen ihre Gaben die Treppen am Tempelberg hinauf. Als man ihnen die Opfer abgenommen hatte, gingen die Knechte hinweg. Joachim aber kam noch in die Halle, wo das Wasserbecken war und alle Gaben gewaschen wurden. Hernach kam er durch einen langen Gang nach einer Halle zur Linken des Heiligen, wo der Rauchopfer-Altar, der Tisch der Schaubrote und der siebenarmige Leuchtet standen. Es waren in dieser Halle noch mehrere Opferbringende. Joachim wurde von einem Priester, der Ruben hieß, ganz verächtlich behandelt. Er wurde nicht recht zugelassen und in einen schimpflichen vergitterten Winkel geschoben. Auch seine Opfergaben wurden nicht, wie die der anderen an der rechten Seite des Vorhofes hinter Gittern sichtbar aufgestellt, sondern beiseite gesetzt. Die Priester waren in dem Raum des Rauchaltars und es ward da ein Rauchopfer gehalten. Es wurden auch Lampen angezündet und es brannte Licht auf dem siebenarmigen Leuchter, doch nicht alle sieben zugleich. Ich habe öfter gesehen, dass bei verschiedenen Gelegenheiten verschiedene Arme des Leuchters erleuchtet wurden.

Ich sah Joachim in großer Betrübnis den Tempel wieder verlassen und von Jerusalem über Bethanien in die Gegend von Machärus gehen, wo er Trost in einem Hause der Essener suchte. Hier und früher in dem Essenerhaus von Bethlehem hatte der Prophet Manahem gelebt, der dem Herodes als Kind sein Königreich und seine großen Vergehen voraussagte. Joachim begab sich von da zu seinen fernsten Herden an den Berg Hermon. Sein Weg führte ihn durch die Wüste Gaddi über den Jordan. Der Hermon ist ein langer, schmaler Berg, dessen Sonnenseite schon grünt und blüht, wenn die andere noch von Schnee bedeckt ist. Joachim war so traurig und beschämt, dass er Anna gar nicht sagen ließ, wo er sich aufhielt. Und die Betrübnis Annas, als ihr andere hinterbrachten, wie es ihm im Tempel ergangen, und als er nicht mehr heimkehrte, war unbeschreiblich. Fünf Monate blieb Joachim am Hermon so verborgen. Ich sah sein Flehen und Beten; wenn er seine Herden und die Lämmer besah, ward er sehr traurig und warf sich mit verhülltem Angesicht zur Erde. Die Knechte fragten ihn, warum er so betrübt sei. Er aber sagte nicht, dass er seiner Unfruchtbarkeit gedachte. Er teilte auch seine schönen Herden in drei Teile, den schönsten sendete er zum Tempel, den andern erhielten die Essener, den geringsten behielt er für sich.

Anna hatte in ihrer Betrübnis auch viel durch eine unverschämte Magd zu leiden, welche ihr sehr bitter und hart ihre Unfruchtbarkeit vorwarf. Lange hatte sie es ertragen. Nun aber wies sie die Magd aus dem Haus. Diese hatte von ihr begehrt, zu einem Fest zu gehen, was nach der strengen Sitte der Essener nicht anging. Als Anna es ihr abschlug, machte die Magd ihr Vorwürfe, sie verdiene, unfruchtbar und von ihrem Mann verlassen zu sein, weil sie so hart und unbillig sei. Da sandte Anna die Magd mit Gaben und von zwei Knechten begleitet ihren Eltern zurück, sie möchten sie wieder empfangen, wie sie zu ihr gekommen, sie könne sie fortan nicht mehr bewahren. Dann ging sie traurig in ihre Kammer und betete. Am Abend dieses Tages warf sie ein langes Tuch über das Haupt und hüllte sich ganz darin ein. Sie nahm ein bedecktes Licht unter den Mantel und ging unter einen großen Baum im Hofraum, zündete dort die Lampe an und betete. Es war dies ein Baum, der seine Zweige über die Mauer nieder in die Erde senkte, die dort aufschossen und sich wieder senkten und so eine ganze Strecke von Lauben bildeten. Die Blätter an diesem Baum sind sehr groß, und ich meine solche, womit Adam und Eva sich im Paradies bedeckten. Der ganze Baum hatte die Art des Baumes der verbotenen Frucht. Die Früchte hängen gewöhnlich zu fünft um die Spitze der Zweige, sind birnförmig, inwendig fleischig, blutfarbig geadert und haben in der Mitte einen hohlen Raum, um welche die Kerne im Fleisch sitzen. Die großen Blätter brauchten die Juden besonders bei Laubhütten, um die Wände damit zu schmücken, da sie, schuppenförmig gelegt, mit ihren Rändern sehr bequem ineinander passten. Um den Baum waren Lauben mit Sitzen.

Als Anna hier lange Zeit zu Gott geschrien: wenn Er ihren Leib auch verschlossen habe, so möge Er doch ihren frommen Gefährten Joachim nicht von ihr ferne halten, erschien ihr ein Engel. Er trat aus der Höhe vor sie und sagte: sie möge ihr Herz beruhigen, der Herr habe ihr Gebet erhört, sie solle am folgenden Morgen mit zwei Mägden nach Jerusalem zum Tempel reisen, unter dem goldenen Tore von der Seite des Tales Josaphat eingehend werde sie Joachim begegnen. Er sei dahin unterwegs, sein Opfer werde angenommen werden, er werde erhört werden. Er (der Engel) sei auch bei ihm gewesen. Sie solle Tauben zum Opfer mitnehmen. Den Namen des Kindes, das sie empfangen werde, solle sie sehen.

Anna dankte dem Herrn und ging zu ihrem Haus zurück. Als sie nach langem Gebet auf ihrem Lager entschlafen war, sah ich einen Glanz auf sie niederkommen, ja sie durchdringen. Ich sah sie von einer inneren Wahrnehmung erschüttert erwachen und aufrecht sitzen und sah eine Lichtgestalt neben ihr, welche große hebräische leuchtende Buchstaben rechts an die Wand ihrer Lagerstätte schrieb. Ich wusste den Inhalt Wort für Wort. Es hieß, dass sie empfangen werde, dass ihre Frucht eine ganz einzige sei, und der Segen Abrahams war als die Quelle dieser Empfängnis erwähnt. Ich sah, dass sie bange war, wie sie dies dem Joachim eröffnen sollte. Aber sie war getröstet, als der Engel ihr das Gesicht des Joachim eröffnete. Ich hatte auch die deutliche Erklärung der unbefleckten Empfangenwerdung Mariä, und dass in der Bundeslade ein Sakrament der Menschwerdung, der unbefleckten Empfängnis, ein Geheimnis zur Wiederherstellung der gefallenen Menschheit enthalten sei. Ich sah Anna mit Schrecken und Freude die rot und golden leuchtenden Buchstaben dieser Schrift lesen und ihre Freude wuchs dermaßen, dass sie viel jünger aussah, als sie aufstand, um nach Jerusalem zu reisen. Ich sah in dem Augenblick, als der Engel zu ihr kam, auf dem Leib Annas einen Glanz und in ihr ein leuchtendes Gefäß. Ich kann es nicht bezeichnen, als mit dem Ausdruck: es war wie eine Wiege, ein Tabernakel, der gedeckt, geöffnet, erschlossen ist, ein Heiligtum zu empfangen. Wie wunderbar ich dieses sah, ist nicht zu sagen. Denn ich sah es, wie die Wiege des ganzen menschlichen Heiles und auch wie einen kirchlichen Behälter geöffnet mit zurückgezogenem Vorhang und sah es auch natürlich und alles zugleich und eins und heilig.

Ich sah die Erscheinung des Engels auch bei Joachim. Er befahl ihm, das Opfer in den Tempel zu bringen und verhieß ihm Erhörung und wie er dann durch die goldene Pforte gehen solle. Joachim war bei der Verkündigung des Engels ganz schüchtern, nach dem Tempel zu reisen. Der Engel aber sagte ihm, dass es den Priestern schon eröffnet sei. Es war dies zur Zeit des Laubhüttenfestes. Joachim hatte mit seinen Hirten schon die Laubhütten aufgerichtet. Er kam am vierten Tag des Festes mit einer großen Opferherde in Jerusalem an und wohnte am Tempel. Anna aber, die auch am vierten Tage nach Jerusalem kam, wohnte bei der Familie des Zacharias am Fischmarkt und traf erst am Schluss des Festes mit Joachim zusammen.

Als Joachim zum Tempel kam, gingen ihm zwei Priester vor dem Tempel entgegen. Es geschah dies auf eine übernatürlich empfangene Mahnung. Joachim brachte zwei Lämmer und drei Ziegenböcklein. Sein Opfer wurde angenommen, an der gewöhnlichen Stelle des Tempels geschlachtet und verbrannt. Ein Teil dieses Opfers aber wurde weggebracht und an einer anderen Stelle zur Rechten der Vorhalle verbrannt, in deren Mitte der große Lehrstuhl sich befand. Als der Rauch emporstieg, sah ich einen Lichtstrahl auf den opfernden Priester und auf Joachim kommen. Es ward ein Stillstand, eine große Verwunderung, und ich sah, dass zwei Priester zu Joachim hinausgingen und ihn durch die Seitenkammern in das Heilige vor den Rauchopferaltar führten. Hier legte der Priester Weihrauch, nicht in Körnern, sondern in einem Klumpen auf den Altar, der sich von selbst entzündete, und nun wurde Joachim von dem Priester, der sich entfernte, vor dem Rauchopferaltar allein gelassen. Ich sah ihn in den Knien liegen mit ausgespannten Armen, während das Rauchopfer sich verzehrte. Joachim war die ganze Nacht im Tempel eingeschlossen und betete mit großer Sehnsucht. Ich sah ihn in Entzückung. Es trat eine leuchtende Gestalt zu ihm, wie zu Zacharias, und gab ihm eine Rolle mit leuchtenden Buchstaben. Es waren die drei Namen Helia, Hanna, Mirjam und bei diesem das Bild einer kleinen Bundeslade oder eines Tabernakels. Joachim legte diese Rolle unter sein Gewand auf die Brust. Der Engel sprach: Anna werde ein unbeflecktes Kind empfangen, von dem das Heil der Welt ausgehen werde. Er solle nicht trauern über seine Unfruchtbarkeit, diese sei nicht eine Schande, sondern ein Ruhm für ihn. Denn was seine Frau empfangen werde, solle nicht von ihm, sondern durch ihn eine Frucht aus Gott, der Gipfel des Segens Abrahams sein. Ich sah, dass Joachim dies nicht fassen konnte, und dass der Engel ihn hinter den Vorhang führte, welcher das Gitter des Allerheiligsten so weit umgab, dass man dahinter stehen konnte. Nun sah ich den Engel eine schimmernde Kugel wie einen Spiegel dem Joachim vor das Angesicht halten, der sie anhauchen und in sie schauen musste. Ich dachte noch, als der Engel sie ihm so nahe vor das Gesicht hielt, an einen Gebrauch bei unseren Hochzeiten auf dem Lande, wo man einen gemalten Kopf küsst und dem Küster vierzehn Pfennige schenkt. Es war aber, als entstünden unter dem Hauch Joachims allerlei Bilder in der Kugel, die er sah, denn der Hauch hatte sie nicht getrübt. Es war mir auch, als sage ihm der Engel dabei, dass Anna ebenso unbefleckt durch ihn empfangen solle. Er nahm nun die Kugel von Joachim und hob sie empor. Ich sah sie in der Luft schweben, und wie durch eine Öffnung in sie hinein und in ihr unzählige wunderbare Bilder, wie eine ganze Welt wachsend auseinander gehen. Oben im höchsten Gipfel war die allerheiligste Dreifaltigkeit, unter ihr zu einer Seite das Paradies, Adam und Eva, dann der Sündenfall, die Verheißung der Erlösung, Noe, die Arche, alles von Abraham und Moses, die Bundeslade und viele Sinnbilder Mariä. Ich sah Städte, Türme, Tore, Blumen. Alles war durch Licht- Brücken wunderbar miteinander verbunden, aber auch angefochten und bestürmt von Tieren und Erscheinungen, welche jedoch überall von dem sie umgebenden Glanze zurückgeschlagen wurden.

Ich sah auch einen Garten, der ringsum mit einer dichten Dornhecke eingeschlossen war und sah allerlei hässliche Tiere, die hinein wollten, aber nicht vermochten. Ich sah einen Turm und viele Kriegsleute gegen ihn stürmen und immer abfallen.

So sah ich unzählige Bilder, die Bezug auf Maria hatten, und sah sie durch Übergänge oder Brücken verbunden, welche über Hindernisse, Störungen und Ankämpfungen siegten, und sah die Bilder im himmlischen Jerusalem an der anderen inneren Seite sich schließen. Diese Kugel aber verschwand in die Höhe, oder, indem ich die Bilder gesehen und zwar in dem innern Kugelraum, war sie nicht mehr da.

Nun nahm der Engel aus der Bundeslade, ohne das Türchen zu öffnen, etwas heraus. Es war das Geheimnis der Bundeslade, das Sakrament der Menschwerdung, der unbefleckten Empfängnis, der Gipfel des Segens Abrahams. Ich sah es als einen leuchtenden Körper. Der Engel segnete oder salbte mit den Spitzen seines Daumens und Zeigefingers die Stirne Joachims, dann schob er den leuchtenden Körper unter das geöffnete Gewand Joachims, wo es in ihn, ich kann nicht sagen wie, überging. Auch gab er ihm aus einem glänzenden Becher, den er unten mit zwei Fingern fasste, etwas zu trinken. Der Becher war von der Gestalt des Abendmahlkelches, aber ohne Fuß, und Joachim musste ihn bei sich behalten und nach Hause bringen.

Ich vernahm, dass der Engel dem Joachim die Bewahrung des Geheimnisses gebot, und erkannte daraus die Ursache, warum Zacharias, der Vater des Täufers stumm geworden, nachdem er den Segen und die Verheißung der Fruchtbarkeit Elisabeths aus dem Geheimnis der Bundeslade empfangen hatte. Erst später nachher wurde von den Priestern das Geheimnis der Bundeslade vermisst. Da wurden sie erst in sich verwirrt und wurden ganz pharisäisch. Der Engel führte nun Joachim wieder aus dem Allerheiligsten heraus und verschwand. Joachim aber lag wie erstarrt an der Erde.

Ich sah, dass Priester in das Heilige kamen und Joachim sehr ehrerbietig herausführten und auf einen Stuhl setzten, der auf Stufen stand, wie sonst nur Priester darauf saßen. Er war fast wie der, auf dem Magdalena oft in ihrem Prunke saß. Sie wuschen ihm das Angesicht, hielten ihm etwas vor die Nase, oder gaben ihm zu trinken: kurz sie taten wie mit einem, der ohnmächtig geworden. Joachim aber war durch das, was er vom Engel empfangen hatte, ganz leuchtend, wie jung und blühend geworden.

Hernach wurde Joachim von den Priestern an die Türe des unterirdischen Ganges geführt, welcher unter dem Tempel und unter der goldenen Pforte sich hinzog. Es war dies ein eigener Weg, in den man unter gewissen Umständen zur Reinigung, Versöhnung und Lossprechung geführt wurde. Die Priester verließen unter der Türe den Joachim, der allein in dem anfangs engen, dann sich erweiternden Gang voranging, der unmerklich abwärts führte. Es standen gewundene Säulen wie Bäume und Weinstöcke darin und es schimmerten die goldenen und grünen Verzierungen der Wände in einem rötlichen Licht, das von oben einfiel. Joachim war ein Dritteil des Weges gewandelt, als Anna ihm an einer Stelle entgegenkam, wo in der Mitte des Ganges unter der goldenen Pforte eine Säule, wie ein Palmbaum mit niederhängenden Blättern und Früchten stand. Anna war vom Priester, dem sie mit ihrer Magd die Opfertauben in Körben gebracht und eröffnet hatte, was der Engel ihr gesagt, durch einen Eingang auf der anderen Seite in den unterirdischen Weg geführt worden. Auch von einigen Frauen, unter denen die Prophetin Hanna, war sie mit dem Priester dahin begleitet worden.

Ich sah, dass Joachim und Anna in Entzückung sich umarmten. Sie waren von einer unzählbaren Menge von Engeln umgeben, welche mit einem leuchtenden Turm, wie aus den Bildern der lauretanischen Litanei, über sie niederschwebten. Es verschwand der Turm zwischen Joachim und Anna, und beide waren von Glanz und großer Glorie umgeben. Ich sah zugleich, dass der Himmel über ihnen sich auftat, und sah die Freude der Engel und der heiligen Dreifaltigkeit und den Bezug derselben auf die Empfängnis Mariä. Beide waren in einem übernatürlichen Zustand. Als sie sich umarmten und der Glanz sie umgab, erfuhr ich, dass dieses die Empfängnis Mariä sei und zugleich, Maria sei empfangen, wie die Empfängnis ohne Sündenfall geschehen sein würde.

Joachim und Anna wandelten hierauf Gott lobend bis zum Ausgang. Sie kamen unter einem hohen Bogen, wie in einer Kapelle, wo viele Lichter brannten, wieder heraus. Sie wurden hier von Priestern empfangen, die sie hinweg geleiteten. Im Tempel war alles geöffnet und mit Laub- und Fruchtgewinden geziert. Der Gottesdienst war unter freiem Himmel. An einem Ort waren acht freistehende Säulen, über welche Laubgewinde gezogen waren.

In Jerusalem ging Joachim mit Anna in ein Priesterhaus und dann reisten sie gleich zurück. In Nazareth sah ich sie eine Mahlzeit halten, bei der viele Arme gespeist und mit Almosen beschenkt wurden. Viele Leute wünschten Joachim zur Annahme seines Opfers Glück.

Zu Hause angekommen eröffneten sich die heiligen Eheleute die Erbarmungen Gottes in rührender Freude und Andacht. Sie lebten fortan in vollkommener Enthaltung und großer Gottesfurcht. Ich hatte eine Belehrung, welch großen Einfluss die Reinheit der Eltern, ihre Enthaltsamkeit und Abtötung auf die Kinder habe.

Vier und einen halben Monat weniger drei Tage, nachdem die heilige Anna unter der goldenen Pforte empfangen hatte, sah ich die Seele Maria von der Heiligsten Dreifaltigkeit gebildet werden. Ich sah die Heiligste Dreifaltigkeit sich bewegen und durchdringen und es war wie ein großer leuchtender Berg und doch auch wie die Gestalt eines Menschen. Und ich sah etwas wie aus dessen Mitte gegen den Mund aufsteigen und wie einen Glanz aus dem Mund ausgehen. Und dieser Glanz stand abgesondert vor dem Angesicht Gottes und nahm eine menschliche Gestalt an oder wurde vielmehr zu solcher gebildet. Denn indem er die menschliche Gestalt annahm, sah ich, dass er wie durch den Willen Gottes so schön gebildet wurde. Ich sah auch, dass Gott die Schönheit dieser Seele den Engeln zeigte und dass diese eine unaussprechliche Freude darüber hatten.

Ich sah diese Seele mit dem lebendigen Körper Mariä im Schoß Annas sich vereinigen. Anna schlief auf ihrem Lager. Ich sah einen Glanz über ihr und einen Strahl auf sie niederkommen auf die Mitte ihrer Seite und ich sah, dass der Glanz in Gestalt einer leuchtenden kleinen Menschenfigur in sie einging. In demselben Augenblick richtete Anna sich auf, sie war ganz von Licht umgeben und hatte ein Gesicht, als gehe ihr Leib auseinander und sie sehe in ihm eine heilige leuchtende Jungfrau wie in einem Tabernakel, aus der alles Heil ausgehe. Ich sah auch, dass dieses der Augenblick war, da Maria im Mutterleib sich zum ersten mal bewegte.

Anna erhob sich und verkündete es dem Joachim und darnach ging sie unter den Baum zu beten, wo ihr die Empfängnis verheißen worden war. Ich vernahm, dass die Seele Mariä fünf Tage früher ihren Leib beseelte, als bei andern Kindern und dass sie zwölf Tage früher geboren wurde.

3. Vorbilder des Geheimnisses der unbefleckten Empfängnis

Ich sah das ganze Land vertrocknet und Elias mit zwei Dienern auf den Berg Karmel steigen, anfänglich über einen hohen Rücken, dann über Felsentreppen zu einer Terrasse und wieder über solche Stufen zu einer Fläche mit einem Hügel, der eine Höhle enthielt, in welche Elias hinaufstieg. Seine Diener ließ er am Rande der Fläche, dass sie auf den See von Galiläa hinabschauten, der vertrocknet und voll Höhlungen, Sumpf und verfaulenden Tieren war. Elias kauerte sich nieder, senkte den Kopf auf die Knie, verhüllte sich und betete heftig zu Gott. Siebenmal rief er seinem Diener zu, ob er keine Wolke aus dem See aufsteigen sehe. Endlich sah ich in der Mitte des Sees einen weißen Wirbel, aus welchem ein schwarzes Wölkchen, worin eine kleine leuchtende Figur, aufstieg, das in die Höhe ziehend sich ausbreitete. Indem die Wolke sich erhob, erblickte Elias in ihr die Gestalt einer leuchtenden Jungfrau. Ihr Kopf war mit Strahlen umgeben, die Arme ins Kreuz erhoben, eine Hand hielt einen Siegeskranz, ihr langes Gewand war unter den Füßen wie zugebunden. Sie erschien über Palästina ausgestreckt. Elias erkannte in diesem Gesichte vier Geheimnisse von der heiligen Jungfrau, dass sie im siebten Zeitalter, und aus weIchem Stamm sie kommen werde. Denn er sah auch auf dem einen Ufer des Sees einen niedern breiten, auf dem anderen einen sehr hohen Baum, der seinen Gipfel in jenen niedern hinein senkte.

Ich sah auch, wie diese Wolke sich teilte und an bestimmten heiligen Gegenden, und wo fromme flehende Leute wohnten, sich in weißen Wirbeln niederließ, welche regenbogenfarbige Ränder erhielten und in deren Mitte sich ihr Segen wie zur Perle in einer Muschel vereinte. Ich erhielt die Erklärung, es sei dies ein Sinnbild und die wirkliche Darstellung, wie aus diesen Segenspunkten die Vorbereitung zur Erscheinung der heiligen Jungfrau hervorgehen werde.

Elias erweiterte gleich nachher die Höhle, wo er gebetet, und brachte auch größere Ordnung unter die Prophetenkinder, von welchen seitdem immer einzelne in dieser Höhle um die Ankunft Mariä flehten und ihre Zukunft verehrten.

Elias hat durch sein Gebet die Wolken gerufen und nach inneren Anschauungen gelenkt. Sonst wäre vielleicht ein zerstörender Regenguss daraus geworden. Ich sah die Wolken zuerst den Tau senden, sie senkten sich in weißen Flächen, bildeten Wirbel, hatten regenbogenfarbige Ränder und ließen sich endlich in Tropfen nieder. Ich erkannte auch einen Bezug auf das Manna in der Wüste, welches des Morgens bröcklicht und dicht, wie Felle auf der Erde lag, dass sie es aufrollen konnten. Ich sah die Tauwirbel längs des Jordan ziehen und nicht überall sich niederlassen, sondern nur hie und da wie zu Salem, wo Johannes nachher getauft hat, und auf der Stelle, wo sein Taufteich später stand. Ich fragte auch, was diese bunten Ränder bedeuten, und es wurde mir eine Erklärung gegeben von einer Muschel im Meere, welche auch so bunte Schimmerränder habe und sich der Sonne aussetzend das Licht an sich sauge und von Farben reinige, bis in ihrer Mitte die weiße, reine Perle entstehe. Ich kann es nicht mehr wiederbringen. Es wurde mir aber gezeigt, dass dieser Tau und der nachfolgende Regen mehr sei, als was man unter einer Erfrischung der Erde zu verstehen pflege. Ich erhielt das klare Verständnis, dass ohne diesen Tau die Ankunft Mariä um wohl hundert Jahre verspätet worden wäre, indem durch die Besänftigung und den Segen der Erde die Geschlechter von den Früchten der Erde lebend auch gerührt und veredelt wurden, und das Fleisch den Segen empfangend sich in seiner Fortpflanzung wieder veredelte. Auf Maria und Jesus bezog sich das Bild von der Perlenmuschel.

Ich sah außer der Dürre der Erde auch eine große Dürre und Unfruchtbarkeit der Menschen, und die Strahlen des befruchtenden Taues von Geschlecht zu Geschlecht bis in die Substanz Mariä. Ich kann es nicht beschreiben. Manchmal saßen auf einem solchen farbigen Rand eine, auch mehrere Perlen, und auf diesen wie eine Menschengestalt, welche wie Geist aushauchte, und das spross wieder mit anderen zusammen.

Ich sah auch, dass aus großer Barmherzigkeit Gottes den frömmeren Heiden damals kund getan wurde, dass durch eine Jungfrau aus Judäa der Messias geboren werden solle. Es geschah dieses in Chaldäa bei den Sterndienern durch das Erscheinen eines Bildes in einem Sterne oder am Himmel und sie weissagten darüber. Auch in Ägypten sah ich diese Nachricht des Heiles verkündet.

Es wurde Elias von Gott befohlen, an drei Orten aus Mitternacht, Morgen und Mittag mehrere zerstreute gute Familien nach Judäa rufen zu lassen. Elias suchte drei Prophetenschüler aus, die er durch ein von Gott erflehtes Zeichen als die tauglichen erkannte. Er brauchte zuverlässige Leute, denn es war ein weites und sehr gefährliches Unternehmen.

Einer zog nach Mitternacht, der zweite nach Morgen und ein dritter nach Mittag. Der Weg führte diesen nach Ägypten, wo es für Israeliten sehr gefährlich war. Ich sah ihn auf den Wegen der Fluchtreise der heiligen Familie und auch bei Heliopolis. Auf einer großen Ebene kam er vor einen mit vielerlei Gebäuden umgebenen Götzentempel, wo ein lebender Stier verehrt wurde. Auch ein Stierbild und andere Götzen waren in dem Tempel. Es wurden missgestaltete Kinder dem Götzen geopfert. Als der Prophet vorüber wandelte, ergriffen sie ihn und führten ihn vor die Priester. Zum Glück waren sie außerordentlich neugierig, sonst hätten sie ihn vielleicht umgebracht. Sie fragten ihn aus, woher er wäre, und er sagte ihnen alles gerade heraus, dass eine Jungfrau werde geboren werden, aus der das Heil der Welt kommen werde. Dann würden alle ihre Götzenbilder hier zerbrechen. Sie bewunderten, was er sagte, waren gerührt und entließen ihn wieder. Nachher hielten sie Rat und machten das Bild einer Jungfrau, das sie in die Mitte der Tempeldecke in niederschwebender Lage befestigten. Sie hatte einen Kopfputz auf die Art der Götzenbilder, die halb Jungfrau, halb Löwe dort so viel liegen. Die Oberarme waren an den Leib gezogen, die Unterarme wie abwehrend ausgebreitet. An den Ober- und Unterarmen war strahlenförmiges Gefieder mit zwei durcheinander greifenden Federkämmen, ein ähnliches Gefieder lief über die Seiten und die Mitte des Leibes hinab bis zu den kleinen Füßen.

Sie verehrten dieses Bild und opferten ihm, damit es den Götzen Apis und andere nicht zertrümmern möge. Übrigens blieben sie in allem ihrem Gräuel, nur dass sie von nun an das Bild der Jungfrau immer anriefen, das sie aus allerlei Bedeutungen in der Erzählung des Propheten zusammengesetzt hatten.

Ich sah auch vieles von der Geschichte des Tobias und der Ehe des jungen Tobias mit Sara durch den Engel und sah, dass ein Vorbild der heiligen Anna in ihr enthalten war. Der alte Tobias stellte den frommen, auf den Messias hoffenden Stamm der Juden vor. Sein Blindwerden deutete darauf, dass er keine Kinder mehr erhalten und sich bloß der Betrachtung und dem Gebet übergeben sollte. Seine zänkische Frau war ein Bild der Quälereien und leeren Formen der pharisäischen Gesetzlehrer. Die Schwalbe war ein Bote des Frühlings und des nahen Heiles. Die Blindheit überhaupt bedeutete das treue und dunkle Harren und Sehnen nach dem Heile und die Unwissenheit, woher es kommen würde. Der Engel hatte wahr geredet, da er sagte, er sei Azaria, der Sohn Ananiä. Denn diese Worte heißen ungefähr: die Hilfe des Herrn aus des Herrn Wolke. Der Engel war die Führung der Geschlechter und die Bewahrung und Lenkung des Segens bis zur Empfängnis der heiligen Jungfrau. Im gleichzeitigen Gebet des alten Tobias und der Sara, das ich von den Engeln zum Throne Gottes bringen und erhört werden sah, erkannte ich das Flehen der Frommen aus Israel und der Tochter Sion um das Kommen des Heiles, und auch das gleichzeitige Flehen Joachims und Annas um das verheißene Kind. Die Blindheit und das Zanken der Frau des Tobias bedeutete wieder die Verachtung Joachims und die Verwerfung seines Opfers. Die sieben ermordeten Männer der Sara, bedeuten jene unter den Vorfahren der heiligen Jungfrau, welche die Ankunft Mariä und des Heiles gehindert haben, und auch die Freier Annas vor Joachim, welche sie abweisen musste. Das Schmähen der Magd Saras deutete auf das Schmähen der Heiden und Ungläubigen und gottlosen Juden, dass der Messias immer noch nicht komme, wodurch die Frommen zum Gebete angetrieben wurden und auch sie, und ist ganz ein Vorbild des Schmähens der Magd Annas auf diese, worauf sie beschämt so innig betete, dass sie erhört wurde. Der Fisch, der Tobias verschlingen wollte, deutet auf die lange Unfruchtbarkeit Annas, das Ausschneiden des Herzens, der Leber und Galle aber auf die guten Werke und die Abtötung. Das Zicklein, welches des Tobias Frau um Arbeitslohn nach Hause brachte, war wirklich ein gestohlenes, das ihr die Leute um ein billiges gelassen hatten. Tobias kannte diese Leute und wusste es, und wurde deswegen beschimpft. Es hatte auch eine Bedeutung des Verhältnisses und der Verachtung der frommen Juden und Essener durch die Pharisäer und leeren Formjuden, welches ich nicht mehr weiß. Die Galle, wodurch der blinde Tobias sehend wurde, deutete auf die Bitterkeit und das Leiden, durch welches die erwählten Juden zur Erkenntnis des Heils und zu ihrer Teilnahme daran gelangten. Es deutet auf die Einkehr des Lichtes in die Finsternis durch das bittere Leiden Jesu von seiner Geburt an.

4. Festbild

Ich sah aus der Erde eine feine Säule emporsteigen, wie den Stengel einer Blume, und wie den Kelch der Blume oder die Samenkapsel am Mohnstengel sah ich die achteckige Kirche auf dieser Säule stehen. Die Säule aber stieg in der Mitte der Kirche wie ein Baum empor, der sich in verschiedene Zweige teilte, auf welchen Glieder der heiligen Familie standen, welche in diesem Kirchenbild der Mittelpunkt der Feier waren. Sie standen wie auf den Staubfäden einer Blume. Es war oben die heilige Anna zwischen zwei heiligen Männern, Joachim und ihrem Vater, oder einem anderen der Familie. Unter der Brust der heiligen Anna sah ich einen leuchtenden Raum ungefähr in der Gestalt eines Herzens, und in diesem Lichtraum sah ich die Gestalt eines glänzenden Kindes sich entwickeln und größer werden. Es hatte die Hände über der Brust gefaltet und den Kopf geneigt und es sendete unendlich viele Strahlen nach einer Seite der Welt aus. Dies fiel mir auf, dass es nicht nach allen Richtungen die Strahlen sendete. Auf anderen umgebenden Zweigen saßen gegen diese Mitte gerichtet Anbetende und rings in der Kirche umher waren in Ordnungen und Chören unzählige Heilige gegen diese heilige Mitte anbetend gewendet. Die Süße, Innigkeit und Einigkeit dieses Gottesdienstes ist mit nichts zu vergleichen als mit einem Blumenfeld, welches von einem leisen Wind gegen die Sonne bewegt wird und seine Düfte und Farben den Strahlen derselben opfernd hinschwenkt, als welchen alle Blumen diese Gaben, ja ihr Dasein selbst empfangen haben. Über diesem Bilde des Festes der unbefleckten Empfängnis erhob sich der Gnadenstamm über Anna zu seinem Gipfel, und über ihr in einer zweiten Zweigkrone saß Maria und Joseph, und Anna saß vor ihnen niedriger anbetend. Über ihnen aber saß im Gipfel das Kind Jesus mit dem Reichsapfel in der Hand in unendlichem Glanz. Um diese Gruppe herum beteten die Chöre der Apostel und Jünger an in der nächsten Umgebung und in weiteren Kreisen andere Heilige. Oben sah ich im höchsten Licht unbestimmtere Figuren von Kräften und Formen und oben in der Kuppel herein strahlte wie eine halbe Sonne. Dieses zweite Bild schien auf den Advent zu deuten. Ich sah anfangs unter der Säule durch die Gegend, hernach auch in die Kirche, und sah das Kind in dem Glanzherzen sich entwickeln. Zugleich erhielt ich eine unaussprechliche Überzeugung der Empfängnis ohne Erbsünde, ich las es deutlich wie in einem Buch und verstand es. Ich erfuhr auch, es sei hier eine Kirche gestanden, sie sei aber wegen vielen Ärgernisses und Disputierens über die unbefleckte Empfängnis der Zerstörung preisgegeben worden. Doch feiere die triumphierende Kirche hier immer dieses Fest. Ich vernahm auch die Worte: «In jedem Gesicht bleibt ein Geheimnis bis zur Erfüllung».

5. Vorabend von Mariä Geburt

Es ist solche Freude in der Natur! Ich höre Vögel singen, sehe Lämmer und Böcklein springen und die Tauben schwärmen in Scharen freudig umher, wo einstmals Annas Haus gestanden. Jetzt sehe ich nur eine Wildnis dort. Ich hatte aber ein Bild von Pilgern aus sehr alter Zeit, welche geschürzt und Tücher wie Mützen um das Haupt geschlagen mit langen Stäben durch diese Gegend nach dem Berge Karmel zogen. Sie empfanden auch diese Freudigkeit der Natur; und als sie in Verwunderung darüber bei Einsiedlern, die in der Nähe wohnten, über die Ursache dieser Freude fragten, erhielten sie zur Antwort, solche Freude sei hier für Mariä Geburt immer an den Vorabenden dieses Tages und es habe in der Gegend hier das Haus der heiligen Anna gestanden. Sie erzählten ihnen von einem heiligen Manne aus früher Zeit, der zuerst diese Freudigkeit beobachtet habe und der Veranlassung geworden sei, dass die Feier des Festes von Mariä Geburt allgemein in der Kirche eingeführt wurde. Ich sah nun diese Veranlassung selbst.

Zweihundertfünfzig Jahre nach dem Tode Mariä sah ich einen frommen Pilger durch das heilige Land ziehen und alle Orte und Spuren, die sich auf den Wandel Jesu auf Erden bezogen, aufsuchen und verehren. Ich sah, dass dieser fromme Pilger eine übernatürliche Führung genoss und manchmal an einzelnen Orten mehrere Tage lang durch eine große Süßigkeit und durch Offenbarungen in Betrachtung und Gebet aufgehalten wurde. Er hatte schon mehrere Jahre lang immer vom siebten auf den achten September im Gelobten Lande eine große Freude in der Natur und einen lieblichen Gesang der Engel in den Lüften gehört. Nun ward ihm auf sein dringendes Gebet in einem Gesicht eröffnet, es sei dieses die Geburtsnacht der heiligen Jungfrau Maria. Er hatte diese Eröffnung auf dem Weg nach dem Berge Sinai und zugleich, dass dort eine vermauerte Kapelle der Verehrung Mariä in einer Höhle des Propheten Elias sei, und dass er beides den Einsiedlern am Berge Sinai berichten solle.

Ich sah ihn hierauf am Berge Sinai ankommen. Wo jetzt das Kloster steht, wohnten damals schon Einsiedler zerstreut, und die Stelle war von der Talseite ebenso unwegsam, als jetzt, wo man mit einem Zugwerk hinaufgewunden wird. Ich sah, dass auf seine Mitteilung hier der 8. September zuerst gefeiert wurde um das Jahr 250, und dass später dieses Fest von der Kirche eingeführt wurde.

Ich sah auch, dass die Einsiedler mit ihm nach der Höhle des Elias und der vermauerten Marienkapelle darin suchten. Es war diese aber schwer zu finden. Denn sie entdeckten mehrere Höhlen ehemaliger Einsiedler und der Essener und viele verwilderte Gärten, worin noch herrliche Früchte wuchsen. Der Seher sagte nun, man sollte einen Juden in die Höhlen gehen lassen, und die, aus welcher er hinausgestoßen werden würde, sei die Höhle des Elias. Es war ihm dieses in einem Gesicht gesagt. Ich hatte dann das Bild, wie sie einen alten Juden in die Höhlen schickten, und wie dieser aus einer Höhle mit engem vermauerten Eingang immer wieder hinausgestoßen wurde, so sehr er sich auch eindrängte. Auf dieses Wunder erkannten sie die Höhle des Elias und fanden in derselben eine vermauerte zweite Höhle, welche die Kapelle gewesen, wo er zu Ehren der künftigen Heilandsmutter gebetet. Sie fanden darin noch allerlei heilige Gebeine von Propheten und Altvätern, auch mancherlei geflochtene Wände und Geräte zum alten Gottesdienst, was dadurch der Kirche erhalten wurde.

Der Ort, wo der Dornbusch gestanden, heißt nach dortiger Sprache: Schatten Gottes, und wird nur barfuß betreten. Die Elias-Kapelle ist mit großen schönen, durchblümten Steinen vermauert gewesen, die zum Kirchenbau verwendet wurden.

Es ist dort ein Berg ganz von rotem Sand, der doch sehr schöne Früchte trägt.

Von der heiligen Brigitta vernahm ich, dass wenn gesegnete Frauen den Vorabend von Mariä Geburt mit Fasten und neun Ave zu Ehren ihres neunmonatlichen Verweilens im Schoße Annas feierten und diese Andacht öfter während ihres Zustandes auch am Vorabend ihrer Entbindung erneuerten und dabei die heiligen Sakramente mit Andacht empfängen, Maria ihr Gebet vor Gott bringen und ihnen selbst bei schwierigen Umständen eine glückliche Geburt erlangen werde.

Ich sah am Vorabend ihrer Geburt die heilige Jungfrau. Sie sagte mir, wer von diesem Vorabend an neun Tage lang neun Ave zu Ehren ihres neun monatlichen Verweilens im MutterSchoße und ihrer Geburt bete, der gebe den Engeln täglich neun Blumen zu einem Strauß, den sie im Himmel empfange und der heiligsten Dreifaltigkeit darbringe, um dem Betenden eine Gnade zu erlangen.

Ich wurde auf eine Höhe zwischen Himmel und Erde entrückt. Ich sah die Erde unten dunkel und grau und den Himmel zwischen den Chören der Engel und Ordnungen der Heiligen, die heilige Jungfrau vor dem Throne Gottes. Ich sah ihr zwei Ehrenthrone, Ehrengebäude, die zuletzt ganze Kirchen, ja Städte wurden, aus dem Gebete der Erde erbauen. Ich sah diese Gebäude ganz von Blumen, Kräutern, Kränzen erbauen, in deren verschiedenen Gattungen der verschiedene Charakter und Wert der Gebete der einzelnen und ganzer Gemeinden sich ausbildete, welche von Engeln oder Heiligen aus den Händen der Betenden abgeholt und hinaufgetragen wurden.

6. Mariä Geburt

Schon mehrere Tage zuvor hatte Anna zu Joachim gesagt, dass ihre Zeit der Geburt herannahe. Sie hatte auch Boten nach Sephoris zu ihrer Schwester Maraha gesendet, dann in das Tal Zabulon zu der Witwe Enue, der Schwester Elisabeths, und nach Bethsaida zu Salome, der Frau des Zebedäus, welche die Tochter ihrer Schwester Sobe war. Ihre Söhne Jakobus Major und Johannes lebten noch nicht. Anna lud diese drei Frauen zu sich. Ich sah sie auf der Reise zu ihr. Zwei waren von ihren Männern begleitet, die aber in der Nähe von Nazareth wieder umkehrten. Joachim hat die Knechte zu den Herden und auch die überflüssigen Mägde aus dem Hause geschickt. Maria Heli, die älteste Tochter Annas, Cleophä Frau, besorgte das Hauswesen.

Am Vorabend ging Joachim selbst auf das nächst gelegene Feld zu seinen Herden hinaus. Ich sah ihn mit seinen Knechten, welche Verwandte von ihm waren. Er nannte sie Brüder. Sie waren Bruders- Kinder von ihm. Die Weiden sah ich schön abgeteilt und umzäunt. An den Ecken standen Hütten, wohin ihnen Speise aus Annas Haus gebracht wurde. Sie hatten auch einen Altar, wo sie beteten. Er war von Stein. Es führten einige Stufen zu ihm hinab, und der Grund rings umher war mit dreieckigen Steinplatten sauber ausgelegt. An der Rückseite des Altars war eine Mauer mit Staffeln an den Seiten aufgerichtet und der ganze Platz war mit Bäumen umgeben.

Joachim betete hier und suchte dann seine schönsten Lämmer, Böcklein und jungen Stiere zum Opfer im Tempel aus und sandte sie durch Knechte dahin. Er kam erst in der Nacht wieder nach Hause.

Die drei Frauen sah ich gegen Abend in Annas Haus ankommen. Sie begaben sich zu ihr in ihr Gemach hinter dem Herde. Sie umarmten sich, und Anna sagte, ihre Zeit sei nahe, und stimmte stehend mit ihnen einen Psalm an: «Lobet Gott den Herrn, Er hat sich seines Volkes erbarmt und hat Israel erlöst und hat wahr gemacht die Verheißung, welche Er Adam im Paradies gegeben: der Same der Frau soll der Schlange das Haupt zertreten». Ich weiß nicht mehr alles nach der Reihe, aber sie erwähnte alle Vorbilder Mariä und sagte: «der Keim, den Gott dem Abraham gegeben, ist in mir gereift, die Verheißung Saras und die Blüte des Stabes Aaron ist in mir vollendet». Dabei leuchtete sie. Ich sah das Gemach voll Glanz und über Anna die Leiter Jakobs. Die Frauen waren unbeschreiblich verwundert und entzückt. Ich glaube, dass sie die Leiter auch sahen.

Hierauf wurde ihnen eine kleine Erfrischung gegeben. Sie aßen und tranken stehend und legten sich gegen Mitternacht zur Ruhe nieder. Anna aber blieb auf und betete. Nachher kam sie und weckte die Frauen, sie fühle ihre Zeit nahe, sie möchten mit ihr beten. Sie gingen nun hinter einen Vorhang, wo der Betort war. Anna machte die Türen eines kleinen Wandschrankes auf. Es stand darin ein Heiligtum in einer Büchse und an beiden Seiten Lichter, die man aus einem Behälter in die Höhe schob und worunter man kleine Späne steckte, damit sie nicht sanken. Diese zündeten sie an. Unter dem Altärchen stand ein gepolsterter Schemel. In der Büchse waren Haare von Sara, welche Anna sehr verehrte, Gebeine von Joseph, welche Moses mit aus Ägypten gebracht, etwas von Tobias, ich glaube Kleidungsreliquien, und der kleine weiße, schimmernde birnförmige Becher, aus dem Abraham beim Segen des Engels getrunken, und den Joachim aus der Bundeslade mit dem Segen erhalten hatte. Dieser Segen war gleich Wein und Brot, ein Sakrament, eine übernatürliche Nahrung und Stärkung. Anna kniete vor dem Schränkchen, an jeder Seite eine der Frauen und die dritte hinter ihr. Ich hörte sie wieder einen Psalm sprechen und meine, der brennende Dornbusch auf Horeb kam darin vor. Ich sah aber ein übernatürliches Licht die Kammer füllen, das sich um Anna herum webt. Die drei Frauen sanken wie betäubt auf ihr Antlitz. Um Anna bildete sich das Licht ganz zu jener Gestalt, welche der Dornbusch auf Horeb gehabt so dass ich nichts von ihr sah. Die Flamme strahlte ganz nach Innen, und ich sah auf einmal, dass Anna das leuchtende Kind Maria in ihren Händen empfing, es in ihren Mantel einschlug, an ihr Herz drückte, dann auf den Schemel vor dem Heiligtum legte und noch betete. Da hörte ich das Kind weinen und sah, dass Anna Tücher hervorzog, die sie unter dem großen Schleier hatte, der sie verhüllte. Sie wickelte das Kind bis unter die Arme grau und rot darüber - Brust, Arme und Kopf waren bloß. Nun war der leuchtende Dornbusch um sie verschwunden. Die heiligen Frauen richteten sich auf und empfingen zu ihrer großen Verwunderung das Kind schon geboren auf ihre Arme, weinten und waren in großer Freude. Alle stimmten einen Lobgesang an, und Anna hob ihr Kind in die Höhe. Ich sah dabei die Kammer wieder voll Glanz und mehrere Engel, welche sangen und verkündeten: Maria solle das Kind am zwanzigsten Tage genannt werden. Sie sangen Gloria und Alleluja. Ich habe die Worte alle gehört.

Anna ging hierauf nach ihrem Schlafraum und legte sich auf ihr Lager. Die Frauen aber badeten und wickelten das Kind ein und legten es zur Mutter. Neben dem Lager konnte, wie man es wollte, vorne oder gegen die Wand oder zu Füßen ein kleiner geflochtener Gitterkorb mit Zapfen in Löcher befestigt werden, um dem Kind hier oder dort seinen Ruheplatz einzurichten. Nun rief eine der Frauen Joachim. Er kam an das Bett Annas und kniete nieder und weinte in Strömen auf das Kind. Dann hob er es in die Höhe und sprach einen Lobgesang wie den des Zacharias. Er sprach auch, dass er nun zu sterben verlange, und erwähnte des Keimes, den Gott Abraham gegeben und der aus ihm vollendet geworden, und sprach von der Wurzel Jesse. Ich habe erst nachher bemerkt, dass Maria Heli das Kind erst später zu sehen bekam. Sie musste schon einige Jahre Mutter der Mariä Cleophä sein. Doch war sie nicht bei der Geburt zugegen, weil sich dieses nach jüdischen Gesetzen von der Tochter bei der Mutter nicht schickte.

Als Maria geboren war, sah ich sie im Himmel vor der Heiligsten Dreifaltigkeit und auf Erden auf den Armen Annas zu gleicher Zeit, und sah die Freude aller himmlischen Chöre. Ich sah, dass ihr alle Seligkeiten und Geschicke auf eine übernatürliche Weise bekanntgemacht wurden. Ich habe oft solche Bilder, aber sie sind für mich unaussprechlich und für die Menschen wohl nicht ganz verständlich, darum sage ich sie nicht, Maria ward von unendlichen Geheimnissen unterrichtet. Als dieses Bild endete, weinte sie auf Erden.

Ich sah die Botschaft von ihrer Geburt auch in der Vorhölle verkünden und sah die Altväter in unendlicher Freude, besonders aber Adam und Eva, dass die im Paradies ihnen gegebene Verheißung nun erfüllt sei. Ich sah auch, dass die Altväter vorrückten in ihrem Gnadenstand, ihr Aufenthalt sich erweiterte und mehr aufhellte und dass sie eine größere Wirkung auf die Erde bekamen. Es war, als sei alle ihre Arbeit und Buße und all das Ringen, Sehnen und Schreien ihres Lebens zu seiner Frucht gelangt.

Ich sah eine große Bewegung und Freude in der ganzen Natur und in allen Tieren und Menschen und hörte süßen Gesang. In den Sündern aber war große Angst und Zerknirschung. Ich sah besonders in der Gegend von Nazareth und sonst im gelobten Land viele Besessene, die zur Stunde ihrer Geburt ganz wie rasend wurden. Sie schrieen entsetzlich und wurden hin und her geschleudert, und die Teufel brüllten aus ihnen: wir müssen weichen, wir müssen ausfahren!

Am meisten freute es mich, auch den alten Priester Simeon am Tempel in dieser Nacht zu sehen, da Maria geboren wurde. Ich sah ihn durch das heftige Schreien der Besessenen erweckt werden, welche in einer der Straßen am Tempelberg eingesperrt waren. Simeon, der mit anderen die Aufsicht über sie hatte, ging in der Nacht vor das Haus und fragte, woher das Geschrei, das alles aus dem Schlafe schrecke. Der zunächst da wohnende Besessene schrie nun entsetzlich, er müsse heraus. Simeon öffnete ihm und nun schrie der Teufel: «ich muss ausfahren, wir müssen ausfahren; es ist eine Jungfrau geboren, es sind so viele Engel auf Erden, die uns quälen, wir müssen ausfahren, und nie dürfen wir wieder einen Menschen besitzen». Ich sah nun den Menschen schrecklich auf dem Platze vom Teufel geschleudert werden, bis er endlich ausfuhr. Simeon betete. Mir machte es viel Freude, den alten Simeon jetzt zu sehen.

Auch die Prophetin Hanna und eine andere Lehrerin Mariä am Tempel sah ich erwacht und durch Gesichte unterrichtet von der Geburt eines Kindes. Sie erzählten es sich. Ich meine, sie wussten etwas von Anna.

Im Lande der heiligen drei Könige hatten weissagende Frauen Gesichte von der Geburt der heiligen Jungfrau. Sie sagten ihren Priestern, es sei eine Jungfrau geboren, zu der viele Geister zur Erde niedergestiegen, sie zu grüßen. Andere Geister aber trauerten. Auch die sternsehenden Könige hatten Bilder davon in ihren Sternen.

In Ägypten wurde in der Nacht der Geburt ein Götzenbild aus seinem Tempel heraus in das Meer geschleudert. Ein anderes aber fiel von seiner Stelle nieder und ging in Trümmer.

Am Morgen darnach sah ich eine große Menge von Leuten aus der Gegend, auch Knechte und Mägde Annas, das Haus umgeben. Ihnen allen wurde das Kind von den Frauen gezeigt. Viele waren sehr gerührt und viele Böse besserten sich. Sie kamen herbei, weil sie in der Nacht einen Glanz über Annas Haus gesehen und weil die Geburt ihres Kindes für eine große Gnade erkannt wurde.

Es kamen später noch mehrere Verwandte Joachims aus dem Tale Zabulon in das Haus und auch die ferneren Knechte. Allen wurde das Kind gezeigt und im Haus wurde eine Mahlzeit veranstaltet.

Nach und nach kamen an den folgenden Tagen immer mehrere Leute, das Kind Maria zu sehen, das dann in seinem Wiegenschiffchen auf einem erhöhten Gestelle, wie auf einem Sägebock, in den vorderen Raum getragen wurde. Es lag auf roten und darüber weißen Tüchern und war rot und durchsichtig weiß bis unter die Ärmchen eingehüllt. Es hatte gelbe krause Härchen. Ich sah auch Maria Cleophä, das Kind der Maria Heli und des Cleophas, das Enkelchen Annas, als ein Mädchen von einigen Jahren mit dem Kinde Maria spielen und es liebkosen. Es war ein dickes, starkes Mädchen, trug ein weißes Kleidchen ohne Ärmel mit einer roten Borde, an der rote Äpfel hingen, eingefasst. Um die bloßen Ärmchen hatte sie weiße Kränzchen wie von Federn oder Seide oder Wolle. Das Kind Maria hatte auch ein durchsichtiges Schleierchen um den Hals.

7. Das Kind empfängt den Namen Maria

Ich sah ein großes Fest im Haus Annas. Es war alles aufgeräumt. Vorne im Haus waren die Flechtwände bei Seite geräumt und ein großer Saal bereitet. Ringsum war eine große niedrige Tafel aufgestellt und mit Tischgerät, aber noch nicht mit Speisen besetzt. In der Mitte des Saales stand ein mit Rot und Weiß bedeckter Altar und ein Gestell, worauf Rollen zu liegen kamen. Auf dem Altar war ein kleines muldenförmiges Wiegenkörbchen, weiß und rot geflochten und mit himmelblauer Decke ausgelegt. Es waren Priester von Nazareth in ihren Amtskleidern da und einer derselben war ausgezeichneter gekleidet. Mehrere anwesende Frauen von der Verwandtschaft Annas waren auch in ihren Festkleidern. Es waren: Annas älteste Tochter Maria Heli, dem Cleophas verheiratet und Annas Schwester von Sephoris und andere, auch mehrere Verwandte Joachims. Anna war auf, aber sie erschien nicht, sie war hinter dem Herde in ihrer Kammer. Enue, Elisabeths Schwester, brachte das Kind Maria in Rot und durchsichtigem Weiß bis unter die Ärmchen gewickelt heraus und gab es Joachim. Die Priester traten zum Altar, wobei dem Obersten die Schleppe getragen wurde und beteten aus Rollen. Joachim legte dem ersten Priester das Kind auf die Arme und dieser hob es empor, betete und legte es in das Körbchen auf den Altar. Dann nahm er eine Kneipschere, an deren Ende ein Kästchen war, so dass das Abgeschnittene hineingedrängt wurde, wie an einer Lichtschere, und schnitt dem Kind ein wenig Haare an den beiden Seiten und in der Mitte des Kopfes ab und verbrannte sie auf einem Kohlenbecken. Dann nahm er eine Büchse mit Öl und salbte dem Kind die fünf Sinne. Er drückte dem Kind Salbe mit dem Daumen auf die Ohren, Augen, Nase und Mund und in die Herzgrube. Auch schrieb er den Namen Maria auf ein Pergament und legte ihn dem Kind auf die Brust. Dann ward Maria von Joachim der Enue zurückgegeben, welche sie zu Anna brachte. Die Frauen standen im Hintergrund. Es wurden noch Psalmen gesungen.

Ich sah dieses Mal allerlei Speisegerätschaft, das ich sonst nicht beachtet hatte. Es standen Gefäße ganz leicht, oben durchlöchert auf dem Tisch, ich glaube Körbe, um Blumen hineinzutun. Ich sah auf einem Nebentisch viele weiße Stäbchen wie von Bein liegen, auch Löffel. Es lagen auch krumme Rohre darauf. Ich weiß nicht wozu diese gebraucht wurden. Das Mahl selbst habe ich nicht mehr mitangesehen.

8. Mariä Opferung

Vorbereitung

Maria war drei Jahre und drei Monate alt, als sie das Gelübde machte, unter die Tempeljungfrauen aufgenommen zu werden. Sie war sehr zart hatte rötlichblonde Haare, unten ein wenig gelockt und hatte schon die Größe wie hier zu Lande ein fünf- bis sechsjähriges Kind. Die Tochter von Maria Heli war einige Jahre älter und viel stärker und derber. Ich sah im Haus Annas die Vorbereitung Mariä zur Aufnahme in den Tempel. Es war ein großes Fest. Fünf Priester waren zugegen, aus Nazareth, Sephoris und anderen Orten, unter ihnen Zacharias und ein Bruderssohn von Annas Vater. Sie hatten mit dem Kind Maria eine heilige Zeremonie vor. Es war eine Art Prüfung, ob sie geistesreif sei, in den Tempel aufgenommen zu werden. Außer den Priestern waren noch die Schwester Annas von Sephoris und deren Tochter, dann Maria Heli und ihr Kind und mehrere andere kleine Mädchen und Verwandte zugegen.

Die teils von den Priestern zugeschnittenen Kleider des Kindes waren von den Frauen fertig genäht und wurden bei diesem Fest dem Kind in verschiedener Zeit angelegt und das Kind wurde dabei allerlei gefragt. Diese Handlung war an sich ganz ernst und feierlich, wenn sie gleich von den alten Priestern einzeln mit einem kindlichen Lächeln vollzogen wurde, das aber immer von ihrer Verwunderung über die Äußerungen und Antworten des Kindes Maria unterbrochen ward, sowie von den Tränen der Eltern. Es waren für Maria drei verschiedene vollständige Anzüge bereitet die sie ihr zu verschiedener Zeit anlegten, indem sie dazwischen sie über Allerlei ausfragten. Es geschah dieses Alles in einem größeren Raume neben dem Speiseraum. Er empfing das Licht durch eine viereckige Öffnung in der Mitte der Decke, welche oft mit einem Florgitter überspannt war. Über dem Boden war eine rote Decke gebreitet. In der Mitte stand ein Altartisch mit roter und darüber weißdurchsichtiger Decke und auf dem Altar ein Schrank mit Schriftrollen und einem Vorhang auf dem das Bild von Moses gestickt oder genäht war. Moses war in seinem großen Betmantel, die Gesetztafeln am Arme hängend, dargestellt. Ich sah Moses immer von großer breitschultriger Gestalt. Er hatte einen hohen spitzen Kopf, eine große gebogene Nase und auf der breiten hohen Stirne zwei gegeneinander geneigte Erhöhungen, was ihm ein sehr wundersames Aussehen gab. Moses hatte sie schon als Kind wie kleine Warzen. Die Farbe seines Angesichts war feurig rotbraun, die Haare rötlich. Ich sah mehrfach solche Erhöhungen an der Stirne der alten Propheten und Einsiedler und auch nur ein derartiges Gewächs mitten auf der Stirne.

Auf dem Altar lagen die drei Anzüge des Kindes Maria und außerdem Stoff und Zeug, welche die Verwandten zur Ausstattung des Kindes geopfert hatten. Vor dem Altar stand auf Stufen eine Art Thronsessel. Die Priester traten mit entblößten Füßen in den Saal, aber nur drei von ihnen hielten die Prüfung und segneten das Kind in seiner letzten Bekleidung. Joachim und Anna mit ihren Verwandten waren auch zugegen. Die Frauen standen zurück, die kleinen Mädchen zu den Seiten Mariä. Einer der Priester nahm die Gewänder vom Altar, erklärte ihre Bedeutung und reichte sie der Schwester Annas von Sephoris, welche das Kind damit bekleidete.

Sie legte ihr zuerst ein gelbliches gestricktes Röckchen an und darüber ein buntes Bruststück mit Schnüren, das über den Hals geworfen und um den Leib zusammen gezogen wurde. Es hatte auf der Brust etwas wie Schnüre. Darüber kam ein bräunlicher Mantel mit Armlöchern, an denen oben Lappen nieder hingen. Er war oben ausgeschnitten und unter der Brust bis herab geschlossen. Sie hatte braune Sandalen mit grünen dicken Sohlen. Ihre rötlichgelben, krausen Haare waren gekämmt und sie hatte einen Kranz von weißer Seide mit gestreiften Federn unterbrochen auf. Die Federn waren fingerlang nach einwärts des Kranzes gekrümmt. Ich kenne den Vogel dort im Land, von dem sie sind. Es wurde ihr ein großes viereckiges, aschfarbiges Tuch über den Kopf gelegt, wie eine große Hülle. Es konnte unter den Armen zusammengezogen werden, dass die Arme wie in zwei Schlingen darin ruhten. Es schien dies ein Buß-, Bet- oder Reisemantel.

Die Priester legten nun dem Kind allerlei Fragen in Bezug auf die Disziplin im Tempel vor. Sie sagten ihr: «Deine Eltern haben, als sie dich zum Tempel verlobten, das Gelübde getan, du sollst keinen Wein, keinen Essig, keine Weinbeeren, keine Feigen genießen. Was willst du nun selbst zu diesem Gelübde hinzufügen? Darauf magst du dich während der Mahlzeit besinnen.» Die jüdischen Leute und besonders die jungen Mädchen tranken gerne Essig und auch Maria liebte ihn. Sie wurde noch Allerlei dergleichen gefragt.

Nun wurde ihr das zweite Kleid angelegt. Es bestand aus einem himmelblauen Leibrock, einem weißlich-blauen Mantel, einem reicheren Bruststück und einem weißen wie Seide schimmernden Schleier mit Falten hinten, auf die Art eines Nonnenweihels. Sie hatte ein feines, eng anschließendes Kränzchen von bunten Blumenknospen von Seide mit grünen Blättchen auf. Die Priester legten ihr einen weißen Gesichtsschleier über, er war wie eine Kappe oben zusammengezogen und mit drei immer niedriger stehenden Spangen durchzogen, welche man auf dem Kopf in die Höhe schieben und so den Schleier um ein Drittel zur Hälfte und ganz heben konnte. Sie wurde über den Gebrauch dieses Schleiers unterrichtet, wie sie ihn lüften müsse, zum Essen und niederlassen, wenn sie gefragt werde und antworte.

In diesem Anzug ging Maria zur Mahlzeit wo sie zwischen den beiden Priestern und einer ihr gegenüber saß. Die Frauen und anderen Kinder saßen an einem Ende des Tischs von den Männern getrennt. Während der Mahlzeit prüften die Priester das Kind auf mancherlei Weise im Gebrauch des Schleiers durch Fragen und Antworten und in allerlei anderen Sittengesetzen. Sie sagten auch, nun dürfe sie noch von Allem essen, und reichten ihr verschiedene Speisen, prüften sie im Abbruch und versuchten sie. Maria aber setzte sie in Allem, was sie tat und sagte, in Erstaunen. Sie nahm nur von wenigen Speisen wenig und antwortete auf alle Fragen mit einer kindlichen Weisheit. Ich sah während der Mahlzeit und der ganzen Prüfung Engel um sie, welche sie in Allem unterstützten und anleiteten.

Nach dem Mahl wurde sie nochmals in dem andern Raum vor dem Altar umgekleidet. Es war die Schwester Annas von Sephoris und ein Priester, welche sie ankleideten. Der Priester erklärte die Bedeutung der Kleider und sprach über geistliche Dinge dabei. Maria erhielt nun die festlichsten Kleider: einen violblauen Leibrock und darüber ein buntgesticktes Bruststück. Es wurde neben mit dem Rückenstück zusammengezogen, fasste den Rock kraus, lief spitz unten zu. Hierüber einen violblauen Mantel weiter und feierlicher gemacht, hinten rund und überhaupt etwas geschweift wie ein Messgewand. Unter der Brust geschlossen ließ er an den Armen offene Bogen, worin die Arme sich einlegen konnten. Man sah in sie hinein. Er hatte geschlossen fünf Linien vorne herab mit senkrechter, goldgestickter Verzierung. Die mittelste geteilt war der Schlussrand und mit Knöpfen oder Hacken geschlossen. Der Mantel war auch sonst am Rande gestickt. Dann wurde ihr ein großer schillernder Schleier übergelegt von der einen Seite fiel er weiß, von der andern violbläulich ins Auge. Es wurde ihr eine oben mit fünf Spangen geschlossene Krone aufgesetzt. Sie bestand aus einem dünnen inwendig Gold glänzenden, breiten Reif. Der obere Rand war breiter und hatte Zacken mit Knöpfen. Sie war auswendig mit Seide übersponnen und mit Seiden-Röschen verziert, worin fünf Perlen befestigt waren. Die fünf Schlussbogen waren von Seide und hatten einen Knopf. Das Bruststück wurde hinten auf dem Rücken zusammengefügt, doch waren vorn Schnüre daran. Der Mantel war erst über der Brust durch ein Querband verbunden, welches durch einen am Bruststück abstehenden Knopf lief, damit es nicht aufdrückte. Dann schloss er sich aber unter dem Oberleib und fiel hinten in Falten nieder, welche hinter jedem Arm hervorsahen.

Maria wurde in diesem feierlichen Anzug auf die Stufen vor dem Altärchen gestellt. Die kleinen Mädchen standen zur Seite. Sie sagte nun auch, dass sie kein Fleisch und keinen Fisch essen und keine Milch trinken wolle, aber ein Getränk aus Wasser und dem Mark eines Schilfes bereitet, was im Gelobten Lande arme Leute, wie hier zu Land Reis- oder Gerstenwasser, trinken, und dann und wann etwas Terebinthensaft. Es ist dieses wie ein weißes Öl, zieht sich lang und ist sehr erquickend, doch nicht so fein als Balsam. Auch wolle sie gar kein Gewürz essen und keine Früchte, als eine Art gelber Beeren, die in Träubchen wachsen. Ich kenne sie wohl, es essen sie dort Kinder und geringe Leute. Auch wolle sie an der bloßen Erde liegen und alle Nacht dreimal zum Gebete aufstehen. Die anderen standen nur einmal auf.

Anna und Joachim weinten, als sie dieses alles hörten. Und der alte Joachim drückte sein Kind weinend in die Arme und sagte: ach mein Kind, das ist zu hart wenn du so enthaltsam leben willst dann sehe ich alter Mann dich nicht mehr wieder. Es war dieses sehr rührend.

Die Priester sagten ihr, sie solle nur einmal, wie die anderen aufstehen und machten noch andere mildernde Bedingungen. Zuletzt sagten sie: «Viele von den anderen Jungfrauen, welche ohne Ausstattung und Beköstigung an den Tempel kommen, machen sich mit Einwilligung ihrer Eltern verbindlich, die mit Blut besprengten Kleider der Priester und andere Tücher von rauer Wolle zu waschen, was eine schwere Arbeit ist und wohl blutige Hände kostet. Du hast dieses nicht nötig, weil deine Eltern dich am Tempel erhalten». Maria aber erwiederte schnell, sie wolle auch diese Arbeit tun, wenn sie dazu würdig gehalten werde. Joachim war auch hierüber sehr bewegt.

Während dieser heiligen Handlung sah ich Maria oft so groß unter den Priestern werden, dass sie über sie emporsah. Das war mir ein Bild ihrer Weisheit und Gnade. Die Priester waren in Ernst und freudigem Erstaunen.

Zuletzt wurde Maria durch die Priester gesegnet. Ich sah sie leuchtend auf dem Thrönchen stehen. Zwei Priester standen ihr zur Seite, einer ihr gegenüber. Die Priester hatten Schriftrollen in den Händen und beteten über sie. Sie hielten beim Gebet die Hände ausgestreckt über Maria. Ich hatte dabei ein wunderbares Gesicht in das Kind Maria. Es war, als werde sie von dem Segen durchleuchtet und ich sah in ihr eine Glorie von unaussprechlichem Glanz und in derselben das Geheimnis der Bundeslade wie in einem schimmernden Kristallgefäß. Ich sah das Herz Mariä darüber sich voneinander tun, wie eine Tempeltüre, und das Heiligtum der Bundeslade, um welches sich wie ein Thronhimmel, ein Tabernakel von mannigfaltigen bedeutungsvollen Edelsteinen gebildet hatte, durch diese Öffnung in das Herz einziehen, wie die Bundeslade in das Allerheiligste, wie die Monstranz in den Tabernakel. Ich sah dabei das Kind Maria wie verklärt und über die Erde emporschwebend. Mit dem Einziehen dieses Sakramentes in das Herz Mariä, welches sich über demselben schloss, ging das Bild in Ruhe über, und ich sah das Kind nun von einer glühenden Innigkeit durchgossen. Ich sah während dieser Erscheinung, dass Zacharias auch eine innere Überzeugung oder himmlische Mahnung erhielt, dass Maria das auserwählte Gefäß des Geheimnisses sei. Er hatte einen Strahl aus dem empfangen, was ich figürlich in Maria hatte erscheinen gesehen.

Nun führten die Priester das Kind seinen Eltern zu. Anna hob ihr Kind an die Brust empor und küsste es mit ernster Rührung. Joachim gab ihm sehr gerührt und ehrend die Hand. Die ältere Schwester, Maria Heli, umarmte das gesegnete Kind viel lebhafter, als Anna getan, welche eine sehr ernsthafte, geschäftige und sich mäßigende, besonnene Frau war. Die Nichte Maria Cleophä tat wie Kinder freundlich umhalsend.

Hierauf nahmen die Priester das Kind wieder, legten ihm die Kleider ab und führten es in seinem gewöhnlichen Kleidchen heraus. Ich sah sie stehend noch aus einem Becher trinken und dann abreisen.

9. Die Reise zum Tempel

Joachim, Anna und ihre älteste Tochter sah ich in der Nacht mit Packen und Anstalten zur Reise beschäftigt. Es brannte eine Lampe mit mehreren Dochten und Maria Heli sah ich mit einem Licht geschäftig herumgehen. Schon Tags zuvor hatte Joachim Knechte mit Opfertieren, je fünf der schönsten von jeder Gattung zum Tempel gesandt die eine hübsche Herde ausmachten. Er rüstete nun zwei Lasttiere, auf welche er allerlei Gepäck befestigte: Kleider für das Kind und Geschenke für den Tempel. Auf den Rücken der Tiere kam ein breiter Pack, dass man bequem darauf sitzen konnte. Die Sachen, welche aufgepackt wurden, waren alle in Bündel geordnet. Es wurden auch Körbe auf beide Seiten eines der Lasttiere befestigt, schlüsselförmige mit gewölbtem Deckel, worin Vögel so groß wie Feldhühner und längliche mit Früchten. Über die Ladung wurde eine Decke, woran dicke Quasten, gebreitet.

Von den Priestern waren noch zwei zugegen. Der eine war sehr alt und trug eine Kappe, welche auf der Stirn herab spitz zulief und über die Ohren herab Lappen hatte. Sein Oberkleid war kürzer als das Unterkleid und er hatte auch eine Art Stola an sich herabhängen. Er hatte viel mit dem Kind zu tun. Der andere war jünger.

Ich sah aber auch zwei Knaben gegenwärtig. Sie waren nicht natürlich, sie waren hier in geistlicher Bedeutung, als Propheten. Sie trugen lange Bahnen über Stäbe gerollt, die oben und unten mit einem Knopf hervorragten. Der größere hatte seine Bahn aufgerollt. kam auf mich zu und las mir vor und erklärte es. Es waren mir ganz fremde einzelne goldene Buchstaben verkehrt geschrieben. Jeder Buchstabe bedeutete ein ganzes Wort. Die Sprache lautete ganz fremd, aber ich verstand sie doch. Er zeigte mir in seiner Rolle die Stelle vom brennenden Dornbusch des Moses und erklärte sie mir: wie der Dornbusch brenne und nicht verbrenne, so entbrenne nun das Feuer des Heiligen Geistes in dem Kind Maria und in ihrer Demut wisse sie wie nicht davon. Es deute auch auf die Gottheit und Menschheit in Jesu und wie Gottes Feuer nun mit dem Kind Maria sich vereinige. Das Ausziehen der Schuhe legte er aus, dass das Gesetz nun erfüllt werde, dass die Hülle niederfalle und das Wesentliche nun komme. Das Fähnchen, welches er an seinem Stab trug, deutete er, dass Maria nun ihren Weg beginne, ihren Gang, die Mutter des Erlösers zu werden. Der andere Knabe war wie spielend mit seiner Rolle, er hüpfte und vagierte damit herum. Das bedeutete die Unschuld Mariä, auf welcher so große Verheißung ruhte und welche doch spielte wie ein Kind in dieser heiligen Bestimmung. Ich kann nicht sagen, wie lieblich diese Knaben waren. Aber sie waren anders, als alle Anwesenden und es war, als wenn diese sie gar nicht sähen.

Außer Anna waren es etwa noch sechs verwandte Frauen mit ihren Kindern und einige Männer, welche mitreisten. Joachim führte das Tier, auf welchem das Kind Maria abwechselnd saß und trug eine Leuchte. Denn es war noch dunkel, als sie fortzogen. Das andere Tier führte ein Knecht. Ich sah aber den Zug auch von den zwei Propheten-Erscheinungen begleitet. Als Maria aus dem Haus eilte, zeigten sie mir eine Stelle in ihren Rollen, wie herrlich der Tempel sei, wie aber Maria noch Herrlicheres umschließe. Maria war in das gelbliche Röckchen und das große Schleiertuch gekleidet welches um den Leib zusammengezogen wurde, dass die Arme darin ruhen konnten. Wenn sie auf dem Lasttier saß, zogen die Prophetenknaben hinter ihr, wenn sie ging, ihr zur Seite. Sie sangen auch den 44. und 49. Psalm und ich erfuhr, dass diese Psalmen auch im Tempel bei der Aufnahme gesungen werden würden. Das Kind Maria sah sie wohl, aber sie sagte nichts davon, war ganz still und in sich gekehrt.

Die Reise war beschwerlich, sie führte über Berg und Tal. In den Tälern lag kalter Nebel und Tau. Einmal sah ich sie an einer Quelle unter Balsamstauden rasten und in einer Herberge am Fuß eines Berges übernachten.

Zwölf Stunden von Jerusalem trafen sie in der Herberge mit der vorausgesandten Opferherde zusammen, als sie eben weiter zog. Joachim war hier gut bekannt und ganz wie in seinem Eigentum. Mit seinem Opfervieh war er hier immer eingekehrt, und da er von seinem Bußleben bei den Hirten wieder nach Nazareth zurückkehrte, war er auch hier gewesen.

Sechs Stunden von Jerusalem sah ich sie in der Stadt Bethoron. Sie waren über ein Flüsschen und an Gophna und Ozensara vorüber gekommen und hatten noch ein paar Stunden zu einer Straße, von wo aus man Jerusalem sehen konnte. Hier in Bethoron kehrten sie in einer Levitenschule ein und es waren hierher noch weitere Verwandte Joachims und Annas aus Nazareth, Sephoris, Zabulon und der Umgegend mit ihren Töchtern gekommen, sodass ein ordentliches kleines Fest mit Maria wurde. Sie wurde in Begleitung vieler Kinder in einen Saal geführt, wo ihr der Platz auf einem höher stehenden Thronsessel bereitet war. Sie war bekränzt. Die Lehrer stellten Fragen an sie und waren voll Staunen über ihre Antworten. Man sprach auch von der Klugheit einer anderen Jungfrau, welche vom Tempel nach ihrer Heimat Gophna zurückreisend vor kurzem hier gewesen war. Sie hieß Susanna und ich meine, dass Maria an ihre Stelle am Tempel kam. Susanna war fünfzehn Jahre alt und kam später zu den heiligen Frauen, die Jesus folgten.

Maria war voll Freude, dem Tempel schon so nahe zu sein. Ich sah, wie Joachim sie weinend umarmte und sagte: ich sehe dich wohl nicht wieder. Während der Mahlzeit ging Maria hin und her, legte sich manchmal neben Anna zu Tisch oder stand hinter ihr die Hand um ihren Hals gelegt.

Am folgenden Tag reisten sie sehr früh nach Jerusalem weiter, begleitet von dem Lehrer der Levitenschule und seiner Familie. Die jungen Mädchen trugen Geschenke an schönen Früchten und Kleidungsstücke für das Kind. Es schien mir in Jerusalem ein rechtes Fest zu werden. Je näher sie der heiligen Stadt kamen, um so eiliger und begieriger war Maria. Sie lief gewöhnlich vor den Eltern her.

Ich sah die Ankunft des Zuges in Jerusalem und auch alle Wege und Stege und Gebäude Jerusalems so deutlich, wie lange nicht. Jerusalem ist eine sehr wunderliche Stadt. Man darf sie sich gar nicht mit so vielen Leuten auf den Straßen wie unsere heutigen großen Städte denken. Viele tief liegende und steil aufsteigende Straßen führen hinter Stadtmauern herum, wo keine Tür herausgeht. Die hochliegenden Häuser hinter den Stadtmauern sind nach der anderen Seite zugekehrt. Denn es sind mehrere Stadtteile nacheinander erbaut und immer wieder ein neuer Bergrücken dazu gezogen worden. Die alten Stadtmauern aber blieben stehen. Oftmals sind die tiefen Talwege mit hohen, festen Steingewölben überbaut. Die Häuser haben ihre Höfe und Zimmer nach Innen. Gegen die Straßen zu haben sie nur Türen, auch wohl Terrassen oben auf der Mauer. Sonst sind die Häuser sehr geschlossen. Wenn die Bewohner nicht auf den Plätzen der Stadt zu tun haben oder nach dem Tempel ziehen, sind sie meist im Innern ihrer Häuser und Höfe. Im Ganzen ist es ziemlich still auf den Straßen außer in der Gegend der Märkte und Paläste, wo mehr Gehen und Ziehen von Soldaten und Reisenden ist. An Tagen und zu Zeiten, wo alles am Tempel ist, ist es in vielen Gegenden recht tot. Durch die vielen tiefen einsamen Wege und Täler und die Zürückgezogenheit in die Häuser konnten auch Jesus und die Jünger so viel ungestört gehen. Wasser ist auch nicht viel in der Stadt und oft sieht man ganz hohe Gebäude, worin es hin- und hergeleitet ist, auch Türme, wo es hinaufgepumpt wird. Am Tempel, wo sehr vieles Wasser zum Waschen und Reinigen der Gefäße gebraucht wird, ist man sehr achtsam damit. Es sind große Pumpwerke, womit es hinaufgepumpt wird. Es sind viele Krämer und Kaufleute in der Stadt sie stehen meistens auf Märkten und öffentlichen Plätzen in leichten Hütten zusammen. So stehen z.B. nicht weit vom Schaftor viele Leute, die mit allerlei Geschmeide, Gold und glänzenden Steinen handeln. Sie haben leichte runde Gebäude die ganz braun sind, als wären sie mit etwas überstrichen, wie Pech oder Harz. Sie sind leicht und doch ganz fest. Da haben sie dann ihre Wirtschaft drin und von einem zum anderen sind Zelte gespannt, wo sie ihre Waren auslegen. Es sind auch Gegenden der Stadt z.B. bei den Palästen, wo mehr Leben nach der Straße geht und es lebhafter ist. Das alte Rom liegt eigentlich viel angenehmer, es ist nicht so steil und war auch belebter auf den Straßen. Der Berg, worauf oben der Tempel liegt, hat an einzelnen Seiten, wo er sanfter abhängend ist, mehrere Straßen auf Terrassen hinter dicken Mauern um sich, wo teils Tempeldiener teils Priester, auch geringe Leute wohnen, welche niedrige Dienste tun, z.B. die Gräben reinigen, wohinein aller Unrat von dem geschlachteten Vieh vom Tempel nieder kommt. An einer Seite, (sie meint die Nordseite) ist der Tempelberg sehr steil ab und ist dieser Graben ganz schwarz. Es ist auch noch um den Tempelberg ein grüner Rand oben, wo die Priester allerlei Gärtchen haben. Es wurde zu Christi Zeiten noch immer an einzelnen Orten am Tempel gebaut, das ließ nie ab. Sehr vieles Erz ist in dem Tempelberg und sie haben beim Bau viel herausgeholt und oben verwendet. Es sind auch viele Schmelzereien und Gewölbe darunter. Mir war es nie heimlich in dem Tempel, für mich fand ich keinen rechten Ort zum Beten drin. Es ist alles so schrecklich fest und dick und hoch, und die vielen Höfe sind doch wieder eng und finster und mit so vielen Gerüsten und Stühlen verbaut. Wenn die Leute alle drin sind, macht sich alles ganz schauerlich und selbst eng bei den dicken hohen Mauern und Säulen. Auch war mir das viele, immerwährende Schlachten und das viele Blut so unheimlich, wenn es gleich gar nicht auszusprechen ist welche ungemeine Ordnung und Reinlichkeit in allen diesen Verrichtungen war.

10. Einzug in Jerusalem

Ich sah den Zug mit Maria Jerusalem von der Nordseite her nahen und vor den ersten Gärten und Palästen der Stadt sich um diese herum bis zur Morgenseite wenden. Sie durchschnitten das Tal Josaphat und kamen den Weg nach Bethanien links lassend durch das Schaftor, das nach dem Viehmarkt führte, in die Stadt hinein. Hier war auch ein Teich, wo Schafe gewaschen wurden. Von da führte sie der Weg rechts zwischen Mauern in einen andern Stadtteil und da sie durch einen langen Talweg nach der Abendseite der Stadt in die Gegend des Fischmarktes zogen, kamen ihnen aus dem Haus, wo Zacharias, wenn er den Tempeldienst hatte, immer einkehrte, Männer, Frauen und Kinder mit Kränzen entgegen, um sie festlich zu empfangen und nach dem Haus zu geleiten, wohin sie etwa noch eine Viertelstunde hatten. Zacharias war jetzt nicht zugegen. Aber ein sehr alter Mann, ich glaube seines Vaters Bruder und Verwandte aus der Gegend von Hebron und Bethlehem mit ihren Kindern. Es war hier im Haus ein ordentliches Fest. Das Kind Maria trug die zweite Festkleidung mit dem blauen Mäntelchen.

Zacharias holte sie hier ab, um sie nach der Festherberge zu führen, die er für sie gemietet hatte. Es lagen vier solcher Festherbergen an dem nordöstlichen Ende des Tempelberges. Die von Zacharias gemietete war sehr groß. Vier Hallen umgaben einen großen Hof. in denen längs den Wänden Schlafstellen und lange niedrige Tische waren. Auch ein geräumiger Saal und ein Kochherd war für sie bereit. In zwei Seiten der Festherberge wohnten Tempeldiener, welche mit den Opfertieren zu tun hatten, und der Hof, wo die Opferherde Joachims eingestellt wurde, lag ganz in der Nähe.

Es war eine ordentliche Prozession, da Zacharias den Zug in diese Festherberge abholte. Er ging mit Joachim und Anna voraus, dann folgte Maria umgeben von vier weißgekleideten Mädchen, den Schluss machten die übrigen Kinder und Verwandten. Der Weg führte sie am Palast des Herodes und dem des römischen Landpflegers vorüber, die Burg Antonia im Rücken lassend und zuletzt an einer hohen Mauer über fünfzehn Stufen aufwärts. Maria stieg ohne Hilfe hinauf. Man wollte sie führen; allein sie gab es nicht zu und alle erstaunten über sie. Bei dem Einzug in das Festhaus wurden ihnen die Füße gewaschen. Dann wurden sie in den großen Saal geführt, in dessen Mitte eine Lampe von der Decke über einem großen erzenen Wasserbecken niederhing. Hier wuschen sie sich Angesicht und Hände.

Joachim und Anna begaben sich dann noch mit Maria in eine höher gelegene Priesterwohnung. Auch hier eilte das Kind vom inneren Geiste getrieben die Stufen hinauf. Die zwei Priester im Hause bewillkommten sie freundlich. Beide waren bei der Prüfung Mariä in Nazareth gewesen. Sie riefen eine der Tempelfrauen, eine bejahrte Witwe, welche die Aufsicht über das Kind haben sollte, herbei. Sie wohnte mit den anderen Frauen in der Nähe des Tempels, wo sie allerlei weibliche Arbeiten verrichteten und Mägdlein erzogen. Ihre Wohnung war etwas entfernter vom Tempel, als die an ihn angebauten Räume mit den Betzellen der Tempeljungfrauen, aus denen man ungesehen in das Heilige hinabschauen konnte. Die Witwe war ganz in ihr Gewand gehüllt dass man nur wenig von dem Angesicht sah. Die Priester und Eltern stellten ihr das Kind Maria als ihren künftigen Pflegling vor. Sie war feierlich freundlich und das Kind demütig und ehrerbietig. Die Witwe ging mit zu der Festherberge und empfing einen Pack zu der Ausstattung des Kindes.

Der Tag darauf ging mit den Vorbereitungen zu Joachims Opfer und zur Aufnahme Mariä in den Tempel vorüber.

Joachim kam mit dem Opfervieh schon früh zum Tempel, vor welchem es von Priestern ausgesucht wurde. Das ausgeschlossene wurde gleich zum Viehmarkt zurückgetrieben. Ich sah, wie Joachim vor dem Schlachten jedem Tier die Hand auf den Kopf legen musste und auch das Blut und einzelne Teile des Tieres empfangen. Es waren da allerhand Säulen, Tische und Gefäße, wo alles zerlegt, geteilt und geordnet wurde. Der Schaum des Blutes ward weggetan. Das Fett, Milz und Leber wurden abgesondert. Es wurde auch alles gesalzen. Die Eingeweide der Lämmer wurden gereinigt, mit Etwas gefüllt und wieder in das Lamm gelegt, dass es wie ein ganzes Lamm war. Die Füße der Tiere waren alle kreuzweise gebunden. Es wurde manches von dem Fleisch den Tempeljungfrauen nach einem andern Hof gebracht, welche etwas damit zu tun hatten, vielleicht es für sich oder die Priester zuzubereiten. Alles dieses geschah mit unbeschreiblicher Ordnung. Die Priester und Leviten gingen und kamen immer zwei und zwei und bei der vielen und beschwerlichen Arbeit ging alles wie am Schnürchen. Die bereiteten Opferstücke lagen alle bis zum anderen Tag.

Es war aber in der Herberge ein Fest und eine Mahlzeit. Es waren wohl an hundert Menschen mit den Kindern. Darunter vierundzwanzig Mägdlein von verschiedenem Alter. Unter andern sah ich Seraphia, nach Jesu Tod Veronika genannt, schon ziemlich erwachsen. Sie mochte wohl zehn bis zwölf Jahre alt sein. Sie bereiteten Kränze und Blumengewinde für Maria und ihre Begleiterinnen und schmückten auch sieben Kerzen. Diese waren wie szepterförmige Leuchter ohne Fußgestell und oben brannte eine Flamme. Es gingen bei dem Fest mehrere Priester und Leviten in der Herberge ein und aus. Sie nahmen auch teil an der Mahlzeit. Als sie sich über die Größe von Joachims Opfer verwunderten, sagte ihnen dieser, eingedenk seiner am Tempel erlittenen Schmach, da sein Opfer nicht angenommen worden und der großen Barmherzigkeit Gottes, der sein Flehen erhört, wolle er nun nach seinen Kräften dankbar sein. Ich sah das Kind Maria mit den andern Mägdlein in der Gegend des Hauses auch spazieren gehen.

11. Einzug Mariä in den Tempel und Opferung

Zacharias und die anderen Männer waren bereits in den Tempel gezogen. Nun wurde auch Maria von den Frauen und Jungfrauen begleitet nach dem Tempel geführt. Anna und ihre älteste Tochter Maria Heli mit ihrem Töchterlein Maria Cleophä gingen voraus, dann folgte Maria in dem zweiten himmelblauen Kleide und Mantel, mit Kränzen an den Armen und um den Hals geschmückt. Sie trug den mit Kränzen geschmückten Leuchterstab in der Hand. Zu jeder Seite gingen ihr drei Mägdlein mit ähnlich bekränzten Leuchterstäben. Sie waren weiß mit Gold gestickt gekleidet und hatten auch bläuliche Mäntel an. Sie waren ganz mit Blumenkränzen umwunden und trugen kleine Kränze um die Arme. Nun folgten die anderen Jungfrauen und Mägdlein, welche alle auch schön, aber etwas verschieden gekleidet waren. Doch hatten sie alle Mäntelchen. Sie folgten nach, es waren wohl an die zwanzig. Es folgten auch die Frauen. Sie konnten von hier nicht gleich zum Tempel kommen, sie mussten einen Umweg machen und hatten fast eine halbe Stunde zu gehen. Sie kamen durch einige Straßen und auch an Veronikas Haus vorbei. Man tat dem Zug an mehreren Häusern Ehre an. Alle Leute wunderten sich über das Kind und den schönen Aufzug. Maria hatte etwas ganz Außerordentliches in ihrer Erscheinung. Viele Leute am Tempel waren beschäftigt, eine große wunderbar schöne Türe des Tempels aufzutun. Es waren allerlei Köpfe, Weinstöcke und Ähren daran angebracht. Es war die goldene Pforte. Priester brachten die heilige Jungfrau die sehr vielen Stufen zu dieser Pforte hinauf. Joachim und Zacharias kamen in der Pforte entgegen, welche ein langer Bogen war und führten sie rechts durch Hallen nach einem Saal, wo Maria nochmals von den Priestern gefragt und ihr dann das dritte violblaue gestickte Festkleid angelegt wurde.

Nun ging Joachim mit den Priestern zum Opfer. Er empfing Feuer von einem bestimmten Ort und stand zwischen zwei Priestern am Altar. Man konnte von drei Seiten zum Altar, an der vierten nicht. An den vier Ecken standen kupferne Säulchen, eine Art Rauchfänge mit einem kupfernen weiten Trichter, der oben in ein schlangenförmig gewundenes Rohr auslief, so dass der Rauch über die Köpfe der Priester wegzog, wenn die Opfer verbrannt wurden. An drei Seiten des Altars konnten Platten herausgezogen werden, um darauf zu legen, was in die Mitte kommen sollte, wohin zu reichen es zu weit war.

Als das Opfer angezündet war, zog Maria mit den Kindern und den Frauen an ihren Betort im Vorhof der Frauen: Maria stand mit den Kindern vor den Frauen. Dieser Vorhof war durch eine Mauer mit einem Tor und oben mit einem Gitter von dem Hof des Brandopferaltares getrennt. Unter diesem Tor war Joachim in den unterirdischen Gang eingetreten, da er am Tage der unbefleckten Empfängnis Mariä mit Anna unter der goldenen Pforte zusammen traf. Die zuhinterst stehenden Frauen konnten besser zum Altar sehen, denn sie standen auf schräg aufsteigenden Stufen. An einem abgesonderten Ort stand eine Schar weißgekleideter Tempelknaben, welche auf Flöten und Harfen musizierten.

Nach dem Opfer wurde unter dem Torbogen ein tragbarer Altar aufgerichtet und davor ein paar Stufen gestellt. Zacharias und Joachim kamen mit Priestern und zwei Leviten, welche Rollen und Schreibgerät hatten, aus dem Hof des Brandopferaltars dahin und Anna führte Maria an die Stufen davor. Maria kniete auf die Stufen. Joachim und Anna legten Maria die Hände auf das Haupt und sprachen Worte der Aufopferung ihres Kindes, welche von den beiden Leviten aufgeschrieben wurden. Der Priester aber schnitt ihr eine Locke ab und verbrannte sie auf einem Feuerbecken. Dann legte er ihr einen braunen Schleier über. Während diesem allem sangen die Mägdlein den 44. Psalm: Eructavit cor meum und die Priester den 49. Deus deorum Dominus und die Knaben musizierten.

Nun brachten zwei Priester die heilige Jungfrau viele Stufen hinauf auf die Scheidewand, welche das Heilige von dem übrigen Tempel trennte und stellten sie wie in eine Nische, aus der sie in den Tempel hinabsah, in welchem viele Männer geordnet standen, die mir auch dem Tempel verlobt schienen. Zwei Priester standen Maria zur Seite und die Stufen herab noch mehrere, welche beteten und laut aus Rollen lasen. Hinter Maria, jenseits der Scheidewand stand ein Priester, so dass man ihn halb sehen konnte, am Rauchopferaltar. Auch von außen konnte man durch eine Öffnung Rauchwerk hinein werfen. Dieser Priester war ein alter heiliger Mann. Während er opferte und die Rauchwolke um Maria sich verbreitete, sah ich ein Bild um Maria, welches zuletzt den ganzen Tempel erfüllte und verdunkelte.

Ich sah über dem Herz Mariä die Glorie und das Geheimnis der Bundeslade, zuerst ganz wie die Arche, so dass ihr Haupt daraus hervorsah, dann wie die Bundeslade, dann wie den Tempel erscheinen. Zuletzt stieg aus dem Geheimnis ein Kelch, wie der des Abendmahls, vor ihrer Brust empor und über dem Kelch vor ihrem Mund ein Brot mit einem Kreuz bezeichnet. Rings um Maria verbreiteten sich Strahlen, an welchen wieder andere Sinnbilder und Beziehungen von ihr erschienen. Die geheimnisvollen Bilder der lauretanischen Litanei und die anderen Titel und Namen Mariä sah ich auf den Stufen der ganzen Treppe hinauf um sie her erscheinen.

Von ihrer rechten und linken Schulter legten sich ein Öl- und ein Zedernzweig ins Kreuz über einen feinen Palmbaum, der hinter ihr gerade stand und einen kleinen Blätterbusch hatte. In den Zwischenräumen dieser grünen Kreuzstellung erschienen alle Marterwerkzeuge des Leidens Christi. Über dem Bild schwebten der Heilige Geist, eine mit Scheinen geflügelte Gestalt, mehr in menschlicher, als in Figur der Taube. Über ihr war der Himmel offen, und die Mitte des himmlischen Jerusalems, die Gottes-Stadt schwebte über ihr mit allen Gärten, Palästen und Wohnungen der künftigen Heiligen. Und alles war mit Engeln erfüllt, wie auch die Glorie, welche Maria umgab, mit Engels-Angesichtern erfüllt war.

Wer kann das aussprechen? Alles war unendlich mannigfaltig und aus einander folgend und sich verwandelnd. Ich habe Unzähliges vergessen. Alle Pracht und Zierde des Tempels, die schön geschmückte Wand hinter Maria, alles schien dunkel und trüb. Ja der ganze Tempel schien nicht mehr da, Maria und ihre Glorie erfüllte alles.

In dieser Erscheinung der Entwicklung ihres geistlichen Inhalts sah ich Maria nicht als Kind, sondern groß und schwebend und sah doch die Priester und den Opferrauch und alles durch das Bild durch. Und es war, als ob der Priester am Rauchopfer-Altar weissagte und dem Volke verkündete, es solle Gott danken und beten, es werde Großes aus diesem Kinde werden. Alle Leute im Tempel. obschon sie das Bild nicht sahen, das ich sah, waren sehr stille und feierlich gerührt. Dann sank das Bild ebenso wieder nach und nach in sich ein, wie ich es hervor kommen gesehen. Zuletzt schimmerte das Geheimnis der Bundeslade wieder in seiner Glorie über ihrem Herzen und das geschmückte Kind stand wieder allein da.

Hierauf führten die Priester, worunter Zacharias einer der unteren war, Maria an der Hand die Stufen herab. Ein Priester nahm ihr nun die Kränzchen von den Armen und den Leuchter und gab sie den anderen Mägdlein. Maria wurde nach einer anderen Halle durch eine Tür geführt, wo ihr sechs ältere Tempeljungfrauen und ihre Lehrerin Noemi, des Lazarus Mutterschwester, Hanna und noch eine Frau entgegen traten und Blumen vor ihr streuten. Diesen übergaben die Priester das Kind.

Als der Gesang zu Ende war, nahm Maria von ihren Eltern Abschied. Joachim war besonders bewegt. Er hob sie empor, drückte sie an sein Herz, weinte und sprach: gedenke meiner Seele vor Gott.

Maria ging nun mit den Tempelfrauen und Kindern nach der Frauenwohnung, welche an der Mitternachtsseite war. Sie konnten auch durch Gänge Wendeltreppen hinauf in kleine Kammern neben dem Heiligen und Allerheiligsten kommen, wo sie Betzellen hatten. Die anderen begaben sich in die Räume neben dem Tor, wo sie zuerst gewesen, und nahmen mit den Priestern ein Mahl ein, die Frauen getrennt. Es waren noch viele andere Betende im Tempel; viele waren auch dem Zug bis zum Eingang gefolgt. Es waren viele unter den Anwesenden, welche wussten, dass Maria ein Kind der Verheißung in der Familie war, und ich erinnere mich dunkel, als habe Anna mit andern Worte gesprochen wie: nun geht das Gefäß der Verheißung in den Tempel: nun ist die Arche des Bundes im Tempel. Durch eine besondere Offenbarung des göttlichen Willens war es geschehen, dass dieses Fest so feierlich und reich gehalten wurde.

Anna und Joachim waren eigentlich wohlhabend, aber sie lebten doch sehr arm: sie gaben alles an den Tempel und die Armen. Ich weiß nicht mehr, wie lange Anna gar nichts als kalte Speise zu sich nahm. Ihr Gesinde hielten sie reichlich und statteten es aus. Ich meine, Anna und Joachim reisten mit dem ganzen Zug am selben Tag noch nach Bethoron zurück.

Ich sah auch noch ein Fest bei den Tempelkindern. Sie hatten eine Mahlzeit und Maria musste dort bei den Lehrerinnen und bei allen einzelnen Jungfrauen fragen, ob sie sie unter sich haben wollten. Es war dies so ein Gebrauch. Ich sah auch noch einen Tanz der Mägdlein unter sich. Sie standen paarweise einander gegenüber und tanzten wandelnd in Kreuzlinien und Figuren durcheinander. Es war kein Hüpfen, aber es waren mannigfaltige schaukelnde Bewegungen des ganzen Leibes dabei, die etwas von den Gemütsbewegungen der Juden hatten. Einige der Mädchen machten Musik dazu. Sie spielten auf Flöten, Triangeln, Schellen und besonders war ein Instrument dabei, welches angenehm und wunderbar lautete. Es war ein Kästchen mit schräg abfallenden Seitenflächen, worauf Saiten gespannt waren, auf welchen man klimperte. Die Mitte des Kästchens aber enthielt Blasebälge und es sahen mehrere krumme und gerade Pfeifen daran heraus. Unter dem Klimpern wurde bald hier bald dort auf die Mitte gedrückt und die Blasetöne mischten sich so mit den Saitentönen. Man spielte es auf den Knien, oder auf einem Schemel. unter dem die Knie standen. Am Abend führte Noemi Maria in ihre Zelle, aus der sie in den Tempel sehen konnte. Maria sprach hier noch mit Noemi von dem öfteren Aufstehen zum Gebet in der Nacht. Noemi aber untersagte ihr dies bis auf weiteres. Die Tempelfrauen trugen lange, weite weiße Kleider und Gürtel. Ihre weiten Ärmel hatten sie bei der Arbeit aufgeschürzt.

Es waren weit zurück am Tempel mehrere Kammern in der Tempelmauer, welche mit den Wohnungen der Frauen zusammenhingen. Die Zelle Mariä war eine der äußersten gegen das Allerheiligste zu. Man trat aus dem Gang, der zu ihr führte, zuerst durch einen Vorhang in einen Raum, eine Art Vorgemach, welcher durch eine halbrunde leichte Stellwand von der Zelle getrennt war. Hier standen in den Winkeln rechts und links Fächer, um Kleider und Gerätschaften aufzubewahren. Der Tür gegenüber, welche durch die Stellwand in die Zelle führte, war eine mit Flor und Teppich verhängte Öffnung, welche in den Tempel hinabsah. Diese Öffnung war etwas hoch in der Tempelmauer angebracht. Man stieg auf Stufen zu ihr hinauf. Auf der linken Seite der Zelle war ein Teppich in einen Wulst zusammengerollt, den Maria um zu schlafen aufrollte. In einer Nische der Wand war eine Armlampe, vor welcher ich das heilige Kind auf einen Schemel tretend aus einer Rolle mit roten Stabknäufen beten sah. Es war ein rührender Anblick. Das Kind trug ein grob gewirktes, weiß und blau gestreiftes Kleidchen mit gelben Blumen. Es stand ein rundes Schemeltischchen in dem Raum, worauf ich Hanna eine Schale mit Früchten, wie Bohnen groß, und ein kleines Krüglein stellen sah.

Das Kind war weit über sein Alter geschickt. Es arbeitete schon an kleinen weißen Tüchern für den Tempeldienst. Die Wand der Zelle war mit dreieckigen bunten Steinen belegt.

Oft sah ich das Kind Maria in heiliger Sehnsucht zu Hanna sprechen: ach wird das verheißene Kind bald geboren werden? Oh, wenn ich nur das Kind sehen dürfte! Oh, wenn ich nur erlebe, dass das Kind geboren wird ! Hanna sagte dann: ich bin schon so alt und muss so lange schon auf das Kind warten und du bist noch so jung! Und Maria weinte oft vor Sehnsucht nach nach dem Erlöser.

Die Jungfrauen, welche unter Aufsicht der Matranen am Tempel erzogen wurden, beschäftigten sich mit Stickereien und mit allerlei Zierwerk und mit der Reinigung der Priesterkleider und der Tempelgeräten. In ihren Zellen, aus denen sie in den Tempel sehen konnten, beteten und betrachteten sie. Sie waren von ihren Eltern durch die Übergabe an den Tempel ganz dem Herrn geopfert. Hatten sie das bestimmte Alter erreicht, so wurden sie vermählt. Denn es war unter den eingeweihteren Israeliten die stillschweigende fromme Erwartung, es werde aus einer solchen Gott geopferten Jungfrau der Messias geboren werden.

Ich sah nie, dass Herodes den Tempel neu gebaut. Es wurde zwar unter ihm manches daran verändert, aber da Maria elf Jahre vor Christi Geburt hinein kam, wurde am eigentlichen Tempel nicht gebaut. nur, wie immer, an den Außenwerken.

12. Ein Blick auf die Verstocktheit der Pharisäer

Wie verstockt und eigensinnig die Pharisäer und das Priestervolk am Tempel waren, kann man aus der wenigen Achtung ersehen, welche sie den Auszeichnungen der heiligen Familie gönnten.

Zuerst wurde Joachims Opfer abgewiesen. Nach einigen Monaten aber wurde sein und seiner Frau Opfer auf Gottes Befehl endlich angenommen. Joachim kommt sogar in die Nähe des Heiligtums und wird mit Anna, doch beide nicht voneinander wissend, in die Gänge unter dem Tempel geführt. Hier begegnen sie sich und Maria wird empfangen. Priester erwarten sie am Ausgang dieser Tempelkeller. Alles das war Befehl Gottes. Ich habe es nur einige Mal, nicht häufig gesehen, dass Unfruchtbare auf Befehl dahin geführt wurden.

Maria kommt im vierten Jahr zum Tempel. Sie ist in allem ganz ausgezeichnet und wunderbar. Lazari Mutterschwester war ihre Pflegerin und Meisterin. Ihr Wesen war so auserwählt und wunderbar, dass ich von alten Priestern große Rollen über sie habe schreiben gesehen. Ich meine auch, dass diese Rollen noch bei verborgenen Schriften liegen.

Dann kam die wunderbare Offenbarung bei der Trauung Josephs, dass dessen Zweig grünte. Dann die Geschichte der drei Könige, der Hirten, dann Jesu Opferung, Hannas und Simeons Zeugnis und die Lehre des zwölfjährigen Jesus im Tempel.

Alles das beachteten die Priester und Pharisäer nicht. Sie hatten den Kopf voll anderer Händel und Hofsachen. Weil die Heilige Familie in freiwilliger Armut und in Verborgenheit lebte, wurde sie in der Menge vergessen. Die tiefer Erleuchteten, wie Simeon, Hanna und ähnliche wussten schweigend von ihnen.

Als Jesus aber auftrat und Johannes sein Zeugnis gab, gerieten die Pharisäer mit Jesu Lehre so in Widerspruch, dass sie die Zeichen seiner Herkunft, wären sie ihnen auch nicht vergessen gewesen, gewiss nicht bekannt machten. Die Regierung des Herodes und dann das Joch der Römer hatte sie ganz in Händel und Intrigen verwickelt und aller Geist war von ihnen gewichen. Achteten sie das Zeugnis des Johannes nicht und vergaßen sie des Enthaupteten, achteten sie die Lehren und Wunder Jesu nicht, hatten sie ganz verkehrte Ideen von den Propheten und dem Messias, konnten sie Jesus so schändlich misshandeln und töten, seine Auferstehung und alle Zeichen nachher, und die Erfüllung seiner Prophezeiung von der Zerstörung Jerusalems nicht anerkennen, so ist das Nichtbeachten aller Zeichen seiner Herkunft noch weit weniger an ihnen zu verwundern. Denn damals hatte Er noch nicht gelehrt und Wunder gewirkt. Wäre ihre Blindheit und Verstocktheit nicht so unbegreiflich groß gewesen, wie könnte sie bis zu diesem Tage währen?

Wenn ich in dem jetzigen Jerusalem den Kreuzweg gehe, so habe ich öfters schon unter einem ganz verwüsteten Gebäude ein großes Gewölbe oder mehrere zusammenhängende Gewölbe gesehen, welche teils zusammengestürzt sind und teils ist Wasser in sie eingedrungen. Das Wasser reicht bis an die Platte eines Tisches, von dessen Mitte bis zur Decke des Gewölbes eine Säule sich erhebt, um welche herum Kistchen voll Rollen hängen. Auch unter dem Tisch sah ich Rollen im Wasser liegen. Diese Gewölbe müssen vielleicht Gräber sein. Sie gehen bis unter den Kalvarienberg hin. Ich meine, es sei das Gebäude das Haus, wo Pilatus gewohnt und der Schatz werde noch einmal entdeckt werden.

13. Johannes wird dem heiligen Zacharias verheißen

Ich sah Zacharias mit Elisabeth sprechen, wie er schwermütig sei, weil die Zeit nahe, dass er zum Opfer in den Tempel müsse und wie es ihn betrübe, dass er wegen seiner Unfruchtbarkeit dort verächtlich angesehen werde. Zacharias ging alle Jahre zweimal zum Tempel. Der Ort, wo er wohnte, war nicht Hebron selbst sondern hieß Juta und war etwa eine Viertelstunde von Hebron. Es lagen noch verfallene Mauerwerke zwischen beiden Orten, dass man glauben konnte, sie hätten einmal zusammengehangen. Nach den andern Seiten von Hebron lagen noch mehrere solche Überreste. Denn Hebron war einstens wohl so groß, wie Jerusalem. Es wohnten in Hebron niedrigere, in Juta vornehmere Priester und Zacharias war wie der Vorstand von allen. Er und Elisabeth wurden dort ungemein verehrt, weil sie beide in einer reinen Linie von Eltern aus dem Geschlecht Aaron stammten.

Ich sah Zacharias mit vielen andern Leuten der Gegend auf einem kleinen Gut, das er in der Nähe von Juta besaß und das aus einem Laubengarten, einem Haus und Brunnen, bestand, zusammen kommen. Er ist bei Mariä Heimsuchung auch mit der Heiligen Familie dort gewesen. Er lehrte und betete mit den Leuten, es war wie eine Vorbereitung zum Fest. Er sagte ihnen auch von seiner großen Schwermut und dass er glaube, ihm stehe etwas bevor.

Ich sah ihn in Begleitung dieser Leute nach Jerusalem gehen, und dass er dort noch vier Tage warten musste, ehe ihn die Reihe des Opfers traf. Er betete bis dahin vorne im Tempel. Als ihn aber die Reihe traf, ging er in das Heilige, welches vor dem Eingang zum Allerheiligsten war. Die Decke wurde oben über dem Rauchaltar geöffnet, dass man den freien Himmel sah. Den opfernden Priester konnte man draußen nicht sehen, es war eine Scheidewand, wohl aber konnte man den Rauch aufsteigen sehen. Es war, als sage Zacharias zu den andern Priestern, er müsse allein sein. Denn ich sah diese aus dem Heiligen wieder herausgehen. Zacharias aber ging in das Allerheiligste, worin es dunkel war und es schien mir, als habe er die Gesetzestafeln aus der Bundeslade geholt und auf den goldenen Rauchaltar gesteilt. Als er das Rauchopfer anzündete, sah ich rechts am Altar einen Glanz auf ihn niederkommen und in ihm leuchtende Gestalten. Zacharias trat erschreckt zurück und sank wie in Entzückung an die rechte Seite des Altars. Der Engel richtete ihn auf und sprach mit ihm und Zacharias antwortete. Ich sah vom Himmel her wie eine Leiter zu ihm und dass zwei Engel zu ihm auf- und niederstiegen. Einer nahm etwas von ihm. Der andere aber gab einen leuchtenden kleinen Körper in seine Seite, wo Zacharias sein Gewand geöffnet hatte. Er war aber stumm geworden. Ich sah ihn auf ein Täfelchen, das dort lag, schreiben, ehe er herausging und es darnach Elisabeth voraus senden, welche in dieser Stunde auch ein Gesicht gehabt hatte.

Ich sah das Volk bewegt und unruhig, dass Zacharias so lange nicht aus dem Heiligen herauskam - man wollte schon gegen die Tür, sie zu öffnen. Er aber brachte die Tafeln in die Lade zurück und trat heraus. Man drang in ihn, warum er so lange im Heiligen geblieben. Er wollte reden, vermochte es aber nicht und gab Zeichen, dass er stumm geworden und ging weg. Er war ein alter großer, sehr majestätischer Mann.