Die Berufung der Laien zur Heiligkeit

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Ansprache bei der Generalaudienz

von Papst
Johannes Paul II.
über die Berufung der Laien zur Heiligkeit
24. November 1993

(Quelle: Kleruskongregation)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


1. Die Kirche ist heilig, und alle ihre Glieder sind zur Heiligkeit berufen. Die Laien haben teil an der Heiligkeit der Kirche, weil sie im Vollsinn Glieder der christlichen Gemeinschaft sind: Und diese Teilhabe - die wir ontologisch nennen können - an der Heiligkeit der Kirche bedeutet auch für die Laien ein persönliches sittliches Bemühen um Heiligung. In dieser Befähigung und Berufung zur Heiligkeit sind alle Glieder der Kirche gleich (vgl. Gal 3,28).

Der Grad persönlicher Heiligkeit hängt nicht von der Stellung ab, die man in der Gesellschaft oder in der Kirche einnimmt, sondern einzig und allein von dem Maß der gelebten Liebe zum Nächsten (vgl. 1 Kor 13). Ein Laie, der die göttliche Liebe bereitwillig in sein Herz und sein Leben aufnimmt, ist heiliger als ein Priester oder Bischof, der sie in geringerem Maß aufnimmt.

2. Die christliche Heiligkeit wurzelt in der Verbundenheit mit Christus im Glauben und in der Taufe. Dieses Sakrament steht am Anfang der kirchlichen Gemeinschaft in der Heiligkeit. Das scheint in dem Pauluswort auf: "Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe" (Eph 4,5), zitiert vom II. Vatikanischen Konzil, das daraus die Aussage über die Gemeinsamkeit ableitet, welche die Christen in Christus und in der Kirche verbindet (Lumen Gentium, Nr. 32). In dieser Teilhabe am Leben Christi durch die Taufe wurzelt die ontologische, ekklesiologische und ethische Heiligkeit jedes Glaubenden, ob Kleriker oder Laie. Das Konzil bekräftigt: "Die Anhänger Christi sind von Gott nicht kraft ihrer Werke, sondern aufgrund seines gnädigen Ratschlusses berufen und in Jesus dem Herrn gerechtfertigt, in der Taufe des Glaubens wahrhaft Kinder Gottes und der göttlichen Natur teilhaftig und so wirklich heilig geworden" (Lumen Gentium, Nr. 40). Die Heiligkeit ist Zugehörigkeit zu Gott. Diese Zugehörigkeit verwirklicht sich in der Taufe, wenn Christus vom Menschen Besitz ergreift, um ihm "an der göttlichen Natur Anteil" zu geben (vgl. 2 Petr 1,4), die in ihm durch die Menschwerdung vorhanden ist (vgl. Summa Theologica III, q.7, a. 13;q.8, a.5). So wird Christus wirklich, wie bereits gesagt, zum "Leben der Seele". Das dem Menschen durch die Taufe eingeprägte sakramentale Merkmal ist das Zeichen und Band der Weihe an Gott. Darum nennt Paulus die Getauften, wenn er von ihnen spricht, "die Heiligen" (vgl. Röm 1,7; 1 Kor 1,2; 2 Kor 1,1, usw.).

3. Aber aus dieser ontologischen Heiligkeit erwächst, wie wir gesagt haben, das Bemühen um sittliche Heiligkeit. Alle sollen, wie das Konzil betont, "die Heiligung, die sie empfangen haben, mit Gottes Gnade im Leben bewahren und zur vollen Entfaltung bringen" (Lumen Gentium, Nr. 40). Alle sollen nach Heiligkeit streben, denn sie tragen in sich schon den Keim dazu; sie sollen diese ihnen verliehene Heiligung entfalten. Alle sollen leben, "wie es sich für Heilige gehört" (Eph 5,3), und sich als "auserwählte Heilige mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld bekleiden" (vgl. Kol 3,12). Die Heiligkeit, die sie besitzen, schätzt sie nicht vor Versuchungen und Sünde, denn in den Getauften dauert die beständige Gebrechlichkeit der menschlichen Natur im gegenwärtigen Leben an. Das Konzil von Trient bekräftigt diesbezüglich, daß niemand "während des ganzen Lebens alle, auch die läßlichen Sünden ohne besonderes von Gott verliehenes Vorrecht meiden könne, wie es die Kirche von der seligsten Jungfrau lehrt" (vgl. DS 1573). Das veranlaßt zum Gebet, um vom Herrn immer wieder neue Gnade zu erhalten, die Beharrlichkeit im Guten, und die Vergebung der Sünden: "Und vergib uns unsere Schuld" (Mt 6,12).

4. Gemäß dem Konzil sind alle Anhänger Christi, auch die Laien, zur vollkommenen Liebe berufen (Lumen Gentium, Nr. 40). Das Streben nach der Vollkommenheit ist nicht das Privileg einiger, sondern das Bemühen aller Glieder der Kirche. Und nach christlicher Vollkommenheit streben heißt, beharrlich in der Heiligkeit fortzuschreiten. So wie das Konzil sagt: "Der Herr Jesus, göttlicher Lehrer und Urbild jeder Vollkommenheit, hat die Heiligkeit des Lebens, deren Urheber und Vollender er selbst ist, allen und jedem einzelnen seiner Jünger in jedweden Lebensverhältnissen gepredigt: 'Seid ihr also vollkommen, wie auch euer Vater im Himmel vollkommen ist' (Mt 5,48)" (Lumen Gentium, Nr. 40). Und deshalb sind "alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen" (ebd.). Gerade durch die Heiligung jedes einzelnen wird eine neue menschliche Vollkommenheit in die irdische Gesellschaft eingebracht. Die Dienerin Gottes Elisabeth Leseur sagte: "Jede Seele, die sich erhebt, erhebt damit auch die Welt." Das Konzil lehrt, daß "durch diese Heiligkeit auch in der irdischen Gesellschaft eine menschlichere Weise zu leben gefördert wird" (ebd.).

5. Hier ist zu bemerken, daß sich der unendliche Reichtum der den Menschen mitgeteilten Gnade Christi in eine Menge und Vielfalt von Gaben umsetzt, mit denen jeder den anderen in dem einen Leib der Kirche dienen und wohltun kann. Petrus empfahl den in Kleinasien verstreuten Christen, als er sie zur Heiligkeit anspornte: "Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat" (1 Petr 4,10). Auch das II. Vatikanische Konzil sagt, daß "in den verschiedenen Verhältnissen und Aufgaben des Lebens die eine Heiligkeit von allen entfaltet (wird), die sich vom Geist Gottes leiten lassen" (Lumen Gentium, Nr. 41). Es erinnert an den Weg der Heiligkeit für die Bischöfe, die Priester, die Diakone, die Seminaristen, die Diener Christi werden wollen, und "jene von Gott erwählten Laien, die vom Bischof gerufen sind, sich voll dem apostolischen Wirken hinzugeben". Aber ausdrücklicher berücksichtigt es den Weg der Heiligkeit für die im Ehebund lebenden Christen: "Die christlichen Eheleute und Eltern müssen auf ihrem eigenen Weg in treuer Liebe das ganze Leben hindurch einander in der Gnade Halt und Stütze sein und die von Gott gerne empfangenen Kinder mit den christlichen Lehren und den Tugenden des Evangeliums erfüllen. So geben sie allen das Beispiel einer unermüdlichen und großmütigen Liebe, sie bauen die Bruderschaft der Liebe auf, sind Zeugen und Mitarbeiter der fruchtbaren Mutter Kirche, zum Zeichen und in Teilnahme jener Liebe, in der Christus seine Braut geliebt und sich für sie hingegeben hat" (ebd.). Das gleiche kann und soll für die Lage der Menschen gelten, die aus freier Wahl oder aufgrund besonderer Ereignisse und Umstände allein stehen, wie die unverheirateten Männer und Frauen, die Witwer und Witwen sowie die getrennt und die in der Ferne lebenden Personen. Für alle gilt der göttliche Ruf zur Heiligkeit, verwirklicht in Form der Liebe zum Nächsten. Die Rede kann und soll auch wie in der Bischofssynode von 1987 (vgl. Christifideles laici, Nr. 17) auf diejenigen ausgedehnt werden; die im gewöhnlichen Berufs- und Arbeitsleben für das Wohl der Mitmenschen und den Fortschritt der Gesellschaft wirken nach dem Vorbild Jesu, des Arbeiters. Das gleiche kann und soll schließlich auch - wie das Konzil sagt - für "die Armen, Schwachen, Kranken und von verschiedener Mühseligkeit Bedrückten oder die um der Gerechtigkeit willen Verfolgten" gelten: Sie "sollen sich in besonderer Weise mit Christus in seinem Leiden für das Heil der Welt vereinigen" (Lumen Gentium, Nr. 41).

6. Vielfältig sind also die Aspekte und Formen der christlichen Heiligkeit, die sich den Laien in den verschiedenen Lebensumständen eröffnen, wo sie berufen sind, Christus nachzufolgen und von Ihm die notwendige Gnade erlangen, um ihre Sendung in der Welt zu erfüllen. Alle sind von Gott gerufen, den Weg der Heiligkeit zu gehen und ihre Lebens- und Arbeitsgefährten in der Welt der zeitlichen Dinge auf diesen Weg zu führen.

In deutscher Sprache sagte der Papst:

Liebe Schwestern und Brüder!

Mit unserer heutigen Katechese wenden wir uns der Berufung der Laien zur Heiligkeit zu. Die Wurzel christlicher Heiligkeit liegt in der innigen Verbundenheit mit Christus im Glauben und in der Taufe. Im Leben jedes einzelnen, sei er Laie, Priester oder Bischof, soll das Streben nach Vervollkommnung der christlichen Liebe zum Ausdruck kommen. (vgl. Lumen gentium, Nr. 40). Auf diese Weise wird der unendliche Reichtum der Gnade Christi deutlich, die er allen Menschen zuteilt und die ihre Verwirklichung in der großen Vielfalt der göttlichen Gnadengaben findet. Mit diesen Gaben, die einem jeden zu eigen sind, kann jeder dem anderen dienen und dem einen Leib, der die Kirche ist, zum Segen werden. Alle Gläubigen, Laien wie Priester, sind von Gott gerufen, den Weg der Heiligkeit zu gehen und auf diesem Weg ihre Mitmenschen im Alltag des Lebens und der Arbeit einzuladen und sie zu begleiten. Mit dieser kurzen Betrachtung heiße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den zum Generalkapitel in Rom versammelten Marienschwestern von der Unbefleckten Empfängnis. Euch allen liebe Schwestern und Brüder, Euren lieben Angehörigen daheim sowie all jenen, die uns in diesem Augenblick geistlich verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.

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