Dilectissima nobis (Wortlaut)

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Enzyklika
Dilectissima nobis

unseres Heiligen Vaters
Pius XI.
an die Kardinäle Francisco Vidal y Barraquer, Erzbischof von Tarragona,
und Eustachio Esteban, Erzbischof von Toledo, an die übrigen Erzbischöfe und Bischöfe
sowie den Klerus und das Volk Spaniens,
über die ungerechte Lage der Katholischen Kirche in Spanien
3. Juni 1933

(Offizieller französischer Text (AAS XXV [1933] 261-274)

(Quelle: Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, Hrsg. Arthur Utz + Birgitta Gräfin von Galen, Band 3; XXV 96-138; S. 2630-2645; Scientia humana Institut Aachen 1976, Imprimatur Friburgi Helv., die 2. decembris 1975 Th. Perroud, V.G. Die Nummerierung folgt der englischen Fassung)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ehrwürdige Brüder,
Gruß und Apostolischen Segen !

Einleitung

1 Besonders teuer war Uns seit jeher das edle spanische Volk wegen seiner großen Verdienste um den katholischen Glauben und die christliche Kultur, wegen seiner ererbten innigen Verbundenheit mit diesem Apostolischen Stuhl und namentlich wegen seiner beachtlichen apostolischen Institutionen und Untemehmungen, durch die es zur Heim- und Bildungsstätte heiliger Männer, von Missionaren und berühmten Ordensstiftern wurde, die der Ruhm und die Stärke der Kirche Gottes sind. Da nun die Ruhmestaten Spaniens so eng mit der katholischen Religion verbunden sind, so sind Wir doppelt mit Betrübnis erfüllt angesichts der zahlreichen bedauerlichen Bestrebungen, die nur dahin führen können, dass zusammen mit dem Glauben der Väter auch die Wirkursache seines öffentlichen Ansehens zerrüttet wird. Unsere väterliche Zuneigung forderte daher von Uns, die Lenker dieses Staates immer wieder zu ermahnen, ernsthaft zu erwägen, dass sie falschen Methoden und falschen Grundsätzen folgen; sie können nämlich nicht die jeder Nation zum Gedeihen unabdingbar nötige Eintracht unter den Bürgern dadurch herbeiführen, dass sie der Seele des Volkes schaden und sie verwunden. Wir taten dies durch Unseren Nuntius jedes Mal dann, wenn Wir die Gefahr hereinbrechen sahen, dass eine neue Verordnung erlassen werden sollte, durch die geheiligte Rechte Gottes und der Seelen verletzt werden würden. Auch haben Wir keine Gelegenheit versäumt, Unseren geliebten Söhnen in Spanien, Klerikern wie Laien, in ihrer Bedrängnis Unser aufrichtiges Mitgefühl zu bezeugen oder in aller Öffentlichkeit ein väterliches Wort an sie zu richten.

2 Nunmehr aber, da ein neues Gesetz "über die religiösen Konfessionen und Kongregationen" erlassen worden ist, betrachten Wir Uns für verpflichte, erneut missbilligend und anklagend Unsere Stimme zu erheben, da nicht nur der Kirche und der Religion, sondern auch den Gesetzen und Institutionen der bürgerlichen Freiheit, auf denen das neue Regime Spaniens zu beruhen vorgibt, ein neues und noch schwerwiegenderes Unrecht zu gefügt wird.

Die Haltung der Kirche gegenüber den verschiedenen Staatsformen

3 Wir wünschen, dass alle aufmerksam zur Kenntnis nehmen, dass diese Unsere Worte nicht, wie manche fälschlich immer wieder behaupten, von einer Abneigung gegenüber der neuen Regierungsform des spanischen Staates noch von einer ablehnenden Haltung gegenüber den kürzlich dort erfolgten politischen Veränderungen diktiert sind. Allen ist ja bekannt, dass die katholische Kirche keine Staatsordnung gegenüber einer anderen besonders bevorzugt, sofern nur die Rechte Gottes und des christlichen Gewissens gewahrt und geschützt werden, und dass sie sich daher ohne Schwierigkeit mit jeder Staatsform ins Einvernehmen setzen kann, sei es ein Königreich oder eine Republik, eine Aristokratie oder eine Demokratie. Das beweisen, um nur Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit zu erwähnen, die zahlreichen Verträge und die so genannten "Konkordate", die erst vor kurzem abgeschlossen wurden, ebenso die freundschaftlichen Beziehungen, die der Apostolische Stuhl mit verschiedenen Staaten unterhält, selbst mit jenen, die nach dem letzten großen Krieg die Monarchie abgeschafft und die Republik eingeführt haben.

==Die Vorteile, die die Demokratien aufgrund ihrer guten Beziehungen zur Kirche genießen==

Tatsächlich sind diesen Republiken niemals - weder bezüglich ihrer Institutionen noch in ihrem berechtigten Streben nach Ansehen, noch hinsichtlich der Wohlfahrt ihrer Völker -, niemals sind ihnen, sagen Wir, weder aus ihren freundschaftlichen Beziehungen zu diesem Apostolischen Stuhl noch aus dem Entschluss, den Zeitumständen angepasste Verträge über all jene Angelegenheiten, die die staatliche und die kirchliche Gesellschaft gemeinsam betreffen, in gegenseitigem Vertrauen abzuschließen, irgendwelche Nachteile entstanden. Im Gegenteil, da es sich um eine Sache handelt, die allgemein bekannt und erwiesen ist, können Wir ernstlich behaupten, dass aus dieser vertrauensvollen Eintracht zwischen der Kirche und den Staaten nicht geringer Nutzen und Vorteil für die Staatsgemeinschaft entsprungen ist. Denn alle wissen, dass der Flut sozialer Unruhen, in die fast alle hineingerissen sind, kein festerer und wirksamerer Damm entgegengesetzt werden kann als die Katholische Kirche, die als Mutter der Völker stets die Achtung vor der legitimen Autorität und die Rechte der menschlichen Freiheit, die Forderungen der Gerechtigkeit und das hohe Gut des ersehnten Friedens klug und erfolgreich miteinander zu versöhnen verstand.

4 All dies kann den Lenkern der Republik Spanien nicht unbekannt sein; auch müssen sie darüber informiert sein, dass Wir und Ihr, Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, bereit sind, zur Wahrung von Ruhe und Ordnung im Staat beizutragen. Mit Uns und dem spanischen Episkopat stimmen fast alle hierin überein, nicht nur der Klerus, Weltgeistliche wie Ordensgeistliche, sondern auch die Laien, d. i. fast das ganze spanische Volk; denn obgleich sie von den Feinden der Kirche herausgefordert und verfolgt werden, so gehorchen sie doch in Ruhe der bestehenden Regierung der Republik und vermeiden es, Gewalt mit Gewalt abzuwehren, die Menge aufzuhetzen und Verwirrung zu stiften, und vor allem halten sie sich vom Bürgerkrieg fern.

5 Es ist daher nur recht und billig, es vor allem der Disziplin und Mäßigung, zu der die Gebote der katholischen Religion verpflichten, zuzuschreiben, wenn bis jetzt noch ein Minimum an Frieden im Staat besteht, den der Widerstand der Parteien und die Machenschaften der Neuerer zu vernichten suchen, indem sie alle staatlichen Rechte und Pflichten verletzen. Daher sind Wir sehr verwundert und von lebhaftem Schmerz erfüllt, weil nicht wenige die ruchlose Verfolgung, der die Kirche ausgesetzt ist, gewissermaßen zu billigen scheinen und öffentlich erklären, dass es zum Schutz der neuen Republik nötig gewesen sei, diese Maßnahmen zu ergreifen. Da es aber völlig klar ist, dass dieses Argument erlogen und ganz und gar falsch ist, können Wir mit Recht folgern, dass die Bedrängnis der spanischen Kirche nicht aus Unkenntnis bezüglich des katholischen Glaubens und seiner Verdienste stammt, sondern aus dem Hass und Groll, den die Zerstörer aller religiösen und staatlichen Ordnung in den Geheimbünden, wie in der mexikanischen und wie in der russischen Republik, "gegen Gott und gegen seinen Gesalbten" unablässig schüren.

Der organisierte Hass gegen die Kirche, das neue spanische Gesetz betreffend die Trennung von Kirche und Staat

6 Um nun auf das bedauerliche Gesetz "über die religiösen Konfessionen und Kongregationen" zurückzukommen, so haben Wir zu Unserem nicht geringen Schmerz erfahren, dass die Gesetzgeber sogleich offen verkündet haben, es gebe keine dem Staat ausschließlich eigentümliche Religion, und dass sie gerade jene Trennung von Staat und Kirche bestätigen und bekräftigen, die bereits in der "Verfassung" Spaniens ungerechterweise angeordnet worden war.

Die Unmöglichkeit, die Trennung von Kirche und Staat zu rechtfertigen

Um Uns nicht allzu lang dabei aufzuhalten, wollen Wir nicht ausführlicher darstellen, wie sehr jene von der Wahrheit abirren, die diese Trennung für erlaubt und an sich richtig halten; vor allem, da es sich um eine Nation handelt, deren Bürger sich fast alle rühmen, katholisch zu sein. Wenn Wir die Sache aufmerksam betrachten, folgt diese verhängnisvolle Trennung -wie Wir es verschiedentlich aus gegebenem Anlass, namentlich in der Enzyklika "Quas primas" angedeutet haben - notwendigerweise aus den Ideen der Laizisten, die darauf hinarbeiten, sich und die menschliche Gemeinschaft von Gott und ebenfalls von der Kirche zu trennen.

7 Und wenn es jedem an dem Volk absurd und gotteslästerlich erscheinen würde, Gott, den Schöpfer und vorsorgenden Lenker auch des Staates, aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, so ist dies in besonderer Weise dem spanischen Volk unangemessen, bei dem die Kirche in den Gesetzen wie in den Schulen und den anderen privaten und öffentlichen Institutionen zu jeder Zeit und verdientermaßen einen so wichtigen und einflussreichen Platz eingenommen hat. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass dieses gotteslästerliche Beginnen nicht nur dem Gewissen des christlichen Volkes - vor allem der Jugend, die unter Ausschaltung der Religion erzogen werden soll, und der häuslichen Gemeinschaft, deren geheiligte Gesetze verletzt werden - nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügt, sondern auch für die Autorität der Staatsgewalt nicht geringen Nachteil und Verlust mit sich bringt; denn dadurch, dass sie auf jene Unterstützung, durch die sie dem Volk in die Seele geschrieben wurde, verzichtet, indem sie nämlich die Lehre von ihrem göttlichen Ursprung, ihrer in Gott begründeten Straf- und Befehlsgewalt ganz ablehnt, muß sie notwendigerweise ihre höchste verpflichtende Kraft und ihren gesicherten Anspruch auf Gehorsam und Ergebenheit verlieren. Dass derartige Schäden durch diese Trennung verursacht werden, beweisen nicht wenige Völker, die sie in ihre Staatsverfassung aufgenommen haben und die schon bald, nachdem die Sache nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte, erklärt haben, sie würden entweder die kirchenfeindlichen Gesetze - wenigstens bezüglich der Interpretation und Anwendung - abändern oder mildern oder so vorgehen, dass trotz der Beibehaltung der Trennung Staat und Kirche friedlich miteinander verkehren und sich gegenseitig unterstützen.

Die Ungerechtigkeit des spanischen Gesetzes und die entsprechenden Maßnahmen

8 Nichtsdestoweniger haben sich die Gesetzgeber in Spanien unter Missachtung dieser Lehren der Geschichte für eine Art der Trennung entschieden, die in Wahrheit mit dem Glauben, den fast alle Bürger bekennen, unvereinbar ist; diese Trennung ist umso beklagenswerter und ungerechter, als sie gerade im Namen der Freiheit eingeführt wird und zur Leugnung des allgemeinen Rechts und eben dieser Freiheit führt, deren Sicherung und Schutz doch allen unterschiedslos zugesagt worden war. Sie haben die Kirche und die Geistlichen so ungerechten Sonderbeschränkungen unterworfen, dass sie sie der Willkür der Beamten vollständig ausgeliefert haben. Denn wenngleich kraft der "Verfassung" und der übrigen Gesetze jede Meinung, auch wenn sie ganz und gar falsch ist, öffentlich geäußert und ungehemmt verbreitet werden darf, so werden einzig bei der katholischen Religion, deren treue Anhänger die Spanier zu sein behaupten, der Unterricht, den sie erteilt, eifersüchtig überwacht und kritisiert und die Elementarschulen und alle übrigen um den Fortschritt der spanischen Wissenschaft und Kunst so verdienten Einrichtungen durch mancherlei Schikanen behindert.

9 Selbst die Ausübung des Gottesdienstes, auch nach den traditionellen Riten, ist Beschränkungen unterworfen; ebenso der Religionsunterricht und die religiöse Erziehung in den staatlichen Lehranstalten; ebenso die Prozessionen, die widerrechtlich von der Genehmigung durch die Verwaltungsbeamten abhängig gemacht wurden; ebenso schließlich die Spendung der Sterbesakramente und die Bestattungsfeierlichkeiten für die Verstorbenen. In den Angelegenheiten, die das Eigentumsrecht betreffen, wird die Diskrepanz noch deutlicher. Die "Verfassung" sichert jedem Bürger das legitime Recht auf Besitz zu und, wie in manchen Kulturstaaten, verbürgt und schützt sie die Ausübung dieses höchst wichtigen Rechts, das sich aus der Natur selbst ergibt. Aber auch in dieser Sache wurden zum Nachteil der Katholischen Kirche Ausnahmen verfügt; denn man hat sie, ganz unzweifelhaft widerrechtlich, all ihrer Besitzungen beraubt. So wird die Absicht der Stifter übergangen und der religiöse und hochheilige Zweck, zu dem diese Güter bestimmt waren, außer Acht gelassen; so werden seit langem erworbene und mit den sichersten Garantien ausgestattete Rechte aufgehoben. Alle Gebäude, die bischöflichen Residenzen, die Pfarrhäuser, die Seminarien und Klöster werden nicht als ausschließlicher und freier Besitz der katholischen Kirche anerkannt; sie werden vielmehr unter Anwendung eines gerichtlichen Urteils, das die Ungerechtigkeit der Enteignung zu verschleiern sucht, zu öffentlichem Besitz der Nation erklärt.

10 Darüber hinaus haben sie, obwohl die eng umgrenzte Nutzung dieser Gebäude, deren ausschließliches Eigentumsrecht doch bei der Kirche und ihren Dienern liegt, durch das Gesetz den kirchlichen Institutionen zugesprochen ist, sofern ein jedes dem ihm eigenen Zweck, nämlich dem Gottesdienst, dient, trotzdem entschieden, dass ebendiese Gebäude den für Immobilien üblichen Steuern unterliegen sollen, sodass die Kirche gezwungen ist, für diese ihr mit Gewalt entrissenen Güter Abgaben zu entrichten.

11 Durch diesen Verfahrensmodus hat sich die Regierung eine Methode und einen Grund verschafft, die Kirche zu veranlassen, auch auf die jederzeit widerrufliche Nutzung ihrer Güter zu verzichten; denn wie soll sie, all ihrer Besitztümer und Hilfsquellen beraubt und durch zahllose Beschränkungen gehemmt, in der Lage sein, die auferlegten Steuern zu zahlen? Auch kann man nicht behaupten, das Gesetz gestatte der Kirche in Zukunft ein gewisses, wenn auch nur privates, Eigentumsrecht; denn der Wortlaut des Gesetzes selbst - nur jene Güter "könne die Kirche behalten, die zur Erfüllung der religiösen Pflichten notwendig sind" -macht die Ausübung dieses Rechts nahezu illusorisch; auch zwingen sie die Kirche selbst dazu, die Entscheidung darüber, was für ihr heiliges Amt notwendig ist, dem Urteil der Staatsbeamten zu überlassen. Ebenso macht sich die Regierung bei der Definition jener Dinge, die die Kirche als zu ihrem geistlichen Amt gehörig fordern kann, zum obersten Richter. Und es ist sehr zu befürchten, dass das Urteil eines solchen Schiedsrichters den einseitigen Zwecken des Gesetzes und der Gesetzgeber Vorschub leistet.

12 Aber das ist noch nicht alles; denn selbst die beweglichen Güter - wozu sie auch die zum Schutz vor Verlust in genauen Inventaren notierten liturgischen Gewänder, Statuen, Gemälde, Gefäße, kostbaren Schmuckgegenstände und anderes dergleichen, das dem Gottesdienst der katholischen Religion und zu ihrem Glanz und Nutzen ausdrücklich und für immer dienen sollte, mit Bedacht hinzunahmen - haben sie zum Staatseigentum erklärt. Während sie so der Kirche nahezu alles Recht auf die Nutzung ihrer eigenen Güter, die sie rechtmäßig erworben oder als fromme Gabe von den Gläubigen empfangen hat, raubt, nimmt sich die Regierung das Recht heraus, die geweihten Gegenstände ohne Einschränkung zu benutzen, selbst solche, die durch eine besondere Weihe dem profanen Gebrauch entzogen sind; und zwar ohne dass dafür irgendeine Bedingung gestellt oder eine spätere Entschädigung der Kirche vorgesehen wäre.

13 Aber all dies genügte noch nicht, die Raubgier der gottlosen Gesetzgeber zu befriedigen; denn sogar die Kirchen haben sie sich angeeignet - die Kirchen, diese Meisterwerke der schönen Künste, diese erhabenen Denkmäler einer glorreichen Geschichte, der Ruhm und die Zierde der spanischen Nation, die Kirchen, die das Haus Gottes und des Gebetes sind, die Kirchen, die die katholische Kirche zu allen Zeiten nach Recht und Billigkeit ausschließlich in Besitz hatte und die sie in verdienstvoller Weise gewissenhaft gepflegt und reich ausgeschmückt hat. Denn diese geweihten Gebäude - von denen nicht wenige zu Unserem großen Bedauern durch die verbrecherische Raserei der Brandstifter vernichtet wurden - wurden dadurch, dass sie zum Staatseigentum erklärt wurden, jenen übertragen, die unter Missachtung des katholischen Glaubens der Spanier das Land regieren.

14 Dies also sind, Ehrwürdige Brüder und Geliebte Söhne, die Verhältnisse der Kirche in Eurem Lande, und sie sind aufs höchste beklagenswert. Der Klerus wurde durch eine Verfahrensweise, die dem edlen Charakter der Spanier ganz und gar widerspricht, seiner Einkünfte beraubt, sodass nicht nur die mit dem Gesetz des "Konkordats" übernommene Verpflichtung nicht eingehalten, sondern auch die absoluten Rechte der Gerechtigkeit verletzt wurden; denn die Regierung hatte diese Einkünfte nicht unentgeltlich bewilligt, sondern als wenigstens teilweise Entschädigung für die Kirchengüter, die seinerzeit enteignet wurden.

15 Auch die Ordensgemeinschaften sind durch dies verhängnisvolle Gesetz betroffen und schwer heimgesucht worden. Denn sie wurden mit dem ungerechtfertigten Verdacht belegt, sie könnten eine für die Sicherheit der Republik gefährliche Tätigkeit entfalten; dazu wurde durch Denunziationen und Spottreden im Volke eine gehässige Stimmung gegen sie geweckt, was zweifellos eine einfache Methode und Begründung dafür ist, einschneidende Maßnahmen gegen sie zu ergreifen. Sie wurden nämlich so vielen und so umfangreichen Berichterstattungen, Protokollen und Inspektionen unterworfen, dass all ihre Güter durch diese Beschränkungen geschmälert und durch Steuerschulden überlastet sind; und nachdem ihnen das Recht zu unterrichten oder irgendeinen Beruf auszuüben, wodurch sie sich ihren Lebensunterhalt redlich hätten verdienen können, genommen ist, wurden sie den Steuergesetzen unterworfen, obwohl ihnen doch durch die Wegnahme all ihrer Güter auch die Möglichkeit, Steuern zu zahlen, genommen ist; auch dies ist wieder eine heimtückische Methode, ihnen jede Existenzmöglichkeit zu nehmen. Übrigens bedrücken diese Gesetze nicht nur die Ordensleute, sondern das ganze spanische Volk; denn alle jene großen wohltätigen und karitativen Einrichtungen zugunsten der ärmeren Bevölkerung müssen davon betroffen werden, die im Verlauf der Jahrhunderte sowohl den Ordensgemeinschaften als auch dem ganzen katholischen Spanien höchstes Lob und Ruhm eingebracht haben.

16 Jedoch ist es angesichts der betrüblichen Lage, in die Welt- und Ordensgeistliche versetzt wurden, ein Trost für Uns, dass das freigebige spanische Volk, das gegenwärtig selbst in vielfältige wirtschaftliche Schwierigkeiten verstrickt ist, sich trotz allem bemüht, in angemessener Weise das geschehene Unrecht wiedergutzumachen, indem alle wetteifern, der bedrängten katholischen Kirche in ihrer Not nach Kräften beizustehen. Auf diese Weise können sie sich mit frischen Kräften dem Gottesdienst und der Seelsorge widmen.

17 All dieses Unrecht bereitet Uns, wie Wir sagten, nicht geringe Schmerzen; mehr noch sind Wir und seid Ihr, Ehrwürdige Brüder und Geliebte Söhne, mit Uns bedrückt durch die der göttlichen Majestät zugefügten Beleidigungen. Denn ist die Auflösung der Orden, nur weil ihre Gelübde jemand anderem als der Regierung gegenüber zu Gehorsam verpflichten, nicht ein klarer Beweis für die feindselige und hasserfüllte Gesinnung gegen Gott und die von ihm gestiftete Religion? Auf diese Weise und aus diesem Grund wollten sie auch die Gesellschaft Jesu auflösen und vertreiben, die sich mit Fug und Recht rühmen kann, eine der mächtigsten Stützen des Apostolischen Stuhls zu sein; vielleicht hofften sie, dadurch um so eher die Lehre und die Gebote der katholischen Religion aus den Seelen des spanischen Volkes zu tilgen, das der Kirche jenes strahlende Licht, Ignatius von Loyola, geschenkt hat.

18 Darüber hinaus wollten sie - worauf Wir schon früher öffentlich aufmerksam gemacht haben - das Oberhaupt der Katholischen Kirche selbst treffen und verletzen. Zwar haben sie es nicht gewagt, den Papst namentlich zu nennen; jedoch haben sie durch ihr Verhalten bekundet, dass die Autorität des Stellvertreters Jesu Christi für die Regierung der spanischen Nation ein Fremdkörper sei. Als ob man ernsthaft behaupten könnte, das Amt des Papstes, das ihm vom göttlichen Erlöser anvertraut worden ist, sei in irgendeinem Teil des Erdkreises ein Fremdkörper oder als ob die Anerkennung und Verehrung der göttlichen Autorität Jesu Christi die Autorität der rechtmäßigen menschlichen Autorität herab mindern oder behindern könnte; als ob schließlich überhaupt zwischen der staatlichen Gewalt und der geistlichen, übernatürlichen Gewalt ein Gegensatz bestände. Ein solcher Gegensatz kann wirklich nur aus der Unredlichkeit jener stammen, die ihn deswegen sehnlich wünschen, weil sie genau wissen, dass die unglücklichen Schafe ohne die Führung durch einen Hirten vom Weg der - Wahrheit abirren und eine um so leichtere Beute für falsche Hirten sein werden.

19 Und wenn auch das Unrecht, das der göttlichen Autorität des Papstes zugefügt wurde, Unser Vaterherz tief verletzt hat, so haben Wir doch nicht im entferntesten befürchtet, dass die ererbte treue Ergebenheit der Spanier gegenüber dem Stuhl Pe ri dadurch im geringsten gemindert werden könnte. Im Gegenteil, bis in die jüngste Zeit haben Wir Beweise aus der Geschichte, dass die Völker - durch eine besondere Fügung der göttlichen Vorsehung, die aus dem Bösen Gutes entstehen lassen kann - umso hartnäckiger dem Papst anhängen, je hartnäckiger die Feinde der Kirche sich bemühen, sie vom Stellvertreter Jesu Christi loszureißen; umso eifriger werden sie verkünden, dass von ihm allein das Licht für die von so vielen Irrtümern verdunkelten Geister ausgehen kann, weil er wie Christus der Herr die "Worte des ewigen Lebens" (Vgl. Joh 4, 68) hat.

20 Aber nicht nur der berühmten und höchst verdienstvollen Gesellschaft Jesu wurde so übel mitgespielt, sondern alle religiösen Orden und Kongregationen wurden durch das neue Gesetz mit unerbittlicher Härte behandelt; denn ihnen wurde - durch ein offensichtlich ebenso undankbares wie ungerechtes und beklagenswertes Vorgehen - das Recht zu unterrichten genommen. Warum nur wird eine Kategorie von Bürgern nur aus dem einen Grund, weil sie sich für eine vollkommene Lebensweise entschieden haben, von den Lehrberufen ausgeschlossen, die allen anderen offen stehen? Ob wohl jemand sagen würde, dass diejenigen, die in einen religiösen Orden eingetreten sind und sich mit apostolischem Eifer dem Unterricht und der Erziehung der Jugend widmen, aus ebendiesem Grund weniger gut geeignet und weniger gründlich ausgebildet sind für den Beruf des Lehrers und Erziehers? Wir wissen aus Erfahrung, mit welch sorgsamem Eifer, mit welch gründlicher, scharfsinniger Gelehrsamkeit diese Ordensleute ihre Pflicht erfüllen und welch reiche Früchte in der Bildung von Geist und Gemüt sie in mühevoller Arbeit hervorgebracht haben. Das bestätigen in glänzender Weise auch die vielen - sowohl in den verschiedensten Zweigen der Wissenschaften berühmten als auch in ihrer katholischen Gesinnung beispielhaften - Männer, die aus ihren Schulen hervorgegangen sind; ebenso sind die nicht geringe, ja sogar sehr beträchtliche Zunahme ihrer Lehranstalten in Spanien und die große Zahl der Schüler ein Anzeichen dafür. Auch die Eltern bestätigen dies durch ihr Verhalten, indem sie ihre Kinder vertrauensvoll in ihre Schulen schicken; die Eltern, sagen Wir, die das Recht und die Pflicht der Erziehung ihrer Kinder von Gott empfangen haben und damit zugleich auch das geheiligte Recht, jene in Freiheit zu wählen, die sie in dieser Sache um ihre Mithilfe bitten wollen.

21 Doch begnügen sich die Gesetzgeber nicht damit, den religiösen Orden und Kongregationen gegenüber so schwerwiegende Verbrechen zu begehen; sie haben auch ihre unbestreitbarsten Eigentumsrechte mit Füßen getreten und den diesbezüglichen freien Willen der Stifter und Spender ganz offensichtlich verletzt, indem sie jene Gebäude gewaltsam enteignet und in gottentfremdete Schulen umgewandelt haben, die die Stifter selbst zur Unterrichtung der Jugend in der wahren Lehre des katholischen Glaubens bestimmt hatten.

22 Daraus ist leicht zu ersehen, dass es die Absicht der Gesetzgeber ist, die junge Generation an die Gleichgültigkeit gegenüber der Religion, um nicht zu sagen an die Verachtung aller heiligen Dinge zu gewöhnen; aus den Herzen der Jugendlichen den von den Vorfahren ererbten, fest in den Seelen der Spanier verwurzelten katholischen Glauben herauszureißen; schließlich alle Kräfte darauf zu konzentrieren, die Bildung und den Unterricht der Jugend, die bis in die gegenwärtige Zeit vom christlichen Glauben und von christlichen Sitten geprägt waren, den laizistischen Ideen anzupassen.

Verurteilung des Gesetzes, Appell an das spanische Volk

23 Nach der Promulgation dieser Vorschriften, die für die Rechte und die Freiheit der Kirche so nachteilig und verhängnisvoll sind - Rechte, so betonen Wir, die unverletzt bewahrt werden müssen -, würden Wir es geradezu als eine Verletzung Unserer Amtspflicht empfinden, wollten Wir dieses Gesetz, das dermaßen der göttlichen Einrichtung der Kirche Hindernisse in den Weg stellt, nicht verurteilen. Wir missbilligen und verurteilen daher dies Gesetz mit aller Kraft und in aller Form, und Wir erklären, dass es gegenüber den unverletzbaren Rechten der Katholischen Kirche keinerlei Wirksamkeit haben kann. Dennoch können Wir es nicht unterlassen, nochmals Unserer Hoffnung Ausdruck zu geben, dass Unsere geliebten Söhne in Spanien die Ungerechtigkeit und die Nachteile dieser Verordnungen klar erkennen und alles anwenden, was die Natur und das Recht ihnen erlauben, um die Gesetzgeber zu veranlassen, diese Vorschriften abzuändern, die mit den Rechten der Bürger und insbesondere der Gläubigen nicht vereinbar sind; dass sie auf diese Weise erreichen, dass an ihrer Stelle andere Gesetze erlassen werden, die den Gefühlen der Katholiken mehr entsprechen und entgegenkommen.

24 Inzwischen ermahnen Wir mit der ganzen Kraft Unseres Vater- und Priesterherzens die Bischöfe, Priester und alle jene, die im Dienste der Erziehung der Jugend stehen, dass sie aufs gewissenhafteste darauf achten, die Kinder in den Lehren der Religion und den Vorschriften der christlichen Moral zu unterrichten. Wir halten dies für höchst notwendig, da die kürzlich in Spanien erlassenen Gesetze, durch die widerrechtlich in der Republik die Ehescheidung eingeführt wurde, selbst das Heiligtum der Familie zu entweihen suchen und, nachdem der Zwietracht in der häuslichen Gemeinschaft Tür und Tor geöffnet sind, auch in der Staatsgemeinschaft die Saat noch größerer Übel auszustreuen. Angesichts dieser drohenden Gefahr wollen Wir alle Gläubigen Spaniens erneut und eindringlich auffordern, unter Hintansetzung aller persönlichen Streitigkeiten und aller Parteilichkeiten die Interessen des Vaterlandes und der Religion den eigenen Plänen vorzuziehen und sich einmütig und kraftvoll für den Schutz des Glaubens und die Rettung des Staates einzusetzen.

25 Ganz besonders ermahnen Wir alle Gläubigen, sich der Katholischen Aktion anzuschließen, die Wir schon wiederholt empfohlen haben. Weit davon entfernt, eine politische Partei zu sein, vielmehr im Gegenteil keinerlei Parteiinteressen dienend, bemüht sie sich, die Gläubigen in den katholischen Prinzipien so zu unterweisen und zu bestärken, dass sie wirksam angeregt werden, den Glauben unversehrt und sicher zu bewahren.

Schlussermahnung

26 Um Unser Schreiben an Euch, Ehrwürdige Brüder und Geliebte Söhne, zu beschließen, glauben Wir nichts Angemesseneres tun zu können, als Euch wieder und wieder zu ermahnen, Eure Hoffnung mehr als auf menschliche Hilfe auf den beständigen und ewigen Beistand zu setzen, den Christus der Herr seiner Kirche versprochen hat, und auf die unendliche Güte Gottes gegenüber allen, die ihn lieben. Angesichts der Ereignisse in Eurem Land und voll tiefen Schmerzes vor allem über das schwere Unrecht, das Gott - sowohl durch die Verletzung seiner geheiligten Rechte als auch durch die frevelhafte Übertretung seiner Gebote - zugefügt wurde, richten Wir deshalb Unsere inständigen Gebete zum ewigen Gott, damit er diese Beleidigungen gnädig verzeihe. Er, der alle Dinge lenkt, möge den Geist der Staatsmänner mit seinem höchsten Licht erleuchten und ihren Willen zum Besseren wenden und leiten. Und Wir hegen die zuversichtliche Hoffnung, dass der Himmlische Vater schon bald die flehenden Bitten so vieler Söhne, die im Gebet mit Uns vereint sind - vor allem in diesem Heiligen Jahr der neuzehnten Jahrhundertfeier der Erlösung dei' Menschheit - gnädig erhören werde.

27 Von dieser Hoffnung erfüllt und von dem Wunsch beseelt, für Euch, Ehrwürdige Brüder und Geliebte Söhne, und für die ganze geliebte spanische Nation die Fülle himmlischer Gaben zu erlangen, spenden Wir Euch als deren Unterpfand aus übervollem Herzen den Apostolischen Segen.

Gegeben zu Rom bei St. Peter, am 3. Juni des Jahres 1933,

im zwölften Jahr Unseres Pontifikats.

Pius XI. PP.