Ecce nunc nos

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Schreiben
Ecce nunc nos

unseres Heiligen Vaters
Johannes Paul II.
an alle Priester der Kirche zum Gründonnerstag
über den heiligen Pfarrer von Ars
16. März 1986

(Offizieller lateinischer Text AAS 78 [1986] 689-702)

(Quelle: Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 69)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Liebe Brüder im Priesteramt !

Einleitend

1 Wieder stehen wir kurz vor dem Gründonnerstag, dem Tag, an dem Jesus Christus die heilige Eucharistie und zugleich unser Priesteramt eingesetzt hat. "Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung." Als der Gute Hirte ging er hin, sein Leben zu geben für seine Schafe um die Menschen zu retten, sie mit seinem Vater zu versöhnen und zu einem neuen Leben zu führen. Und so bot er schon den Aposteln als Speise seinen Leib dar, für sie hingegeben, und sein Blut, für sie vergossen.

In jedem Jahr ist dies ein großer Tag für alle Christen: In der Nachfolge der ersten jünger kommen sie zusammen, um in der abendlichen Liturgie, welche das letzte Abendmahl erneuert, den Leib und das Blut Christi zu empfangen. Sie erhalten vom Heiland das Vermächtnis der Bruderliebe, die ihr ganzes Leben durchdringen soll, und sie beginnen, mit ihm zu wachen, um sich seiner Passion anzuschließen. Ihr selbst werdet sie zur Gemeinschaft zusammenführen und ihr Gebet leiten.

Aber dieser Tag ist in besonderer Weise groß für euch, liebe Brüder im Priesteramt. Er ist das Fest der Priester. Er ist der Tag, an dem unser Priestertum entstand, das Teilhabe ist am einzigen Priestertum unseres Mittlers Jesu Christi. An diesem Tag sind die Priester der ganzen Welt eingeladen, zusammenführen Bischöfen die Eucharistie gemeinsam zu feiern und vor ihnen die Versprechen ihrer priesterlichen Verpflichtungen im Dienst Christi und seiner Kirche zu erneuern.

Wie ihr wisst, fühle ich mich einem jeden von euch bei dieser Gelegenheit besonders verbunden. Und wie in jedem Jahr sende ich euch als Zeichen unserer sakramentalen Einheit im selben Priestertum und gedrängt durch meine herzliche Wertschätzung, die ich für euch hege, und durch meinen Auftrag, alle meine Brüder in ihrem Dienst für den Herrn zu stärken, diesen Brief, um euch zu helfen, das unerhörte Geschenk neu zu beleben, das euch durch die Auferlegung der Hände anvertraut worden ist. Dieses Priesteramt, an dem wir Anteil haben, ist auch unsere Berufung und unsere Gnade. Es prägt unser ganzes Leben mit dem Siegel eines Dienstes, der am meisten notwendig ist und die höchsten Anforderungen stellt, der Dienst am Heil der Seelen. Wir werden darin eingeübt durch das Vorbild zahlreicher Mitbrüder, die uns vorangegangen sind.

Das unerreichte Vorbild des Pfarrers von Ars

2 Einer von ihnen ist dem Gedächtnis der Kirche sehr gegenwärtig geblieben und wird in diesem Jahr wegen des zweihundertsten Jahrestages seiner Geburt besonders gefeiert: der heilige Jean-Marie Vianney, Pfarrer von Ars. Wir möchten alle Christus, dem Ersten der Hirten, für dieses außerordentliche Beispiel eines priesterlichen Lebens und Wirkens danken, wie es der heilige Pfarrer von Ars der ganzen Kirche und vor allem uns Priestern darbietet.

Wie viele von uns haben sich auf das Priestertum vorbereitet oder üben heute ihren schwierigen Dienst als Seelsorger aus, indem sie dabei die Gestalt des heiligen Jean-Marie Vianney vor Augen haben! Sein Beispiel sollte nicht in Vergessenheit geraten. Mehr denn je haben wir sein Zeugnis und seine Fürbitte nötig, um der Situation unserer Zeit begegnen zu können, in der sich die Verkündigung trotz einer gewissen Zahl von Hoffnungszeichen einer wachsenden Verweltlichung gegenübersieht, man die übernatürliche Aszese vernachlässigt, viele die Ausrichtung auf das Reich Gottes aus den Augen verlieren und man sich oft, sogar in der Pastoral, zu ausschließlich um den sozialen Aspekt und um irdische Ziele kümmert. Der Pfarrer von Ars mußte im vergangenen Jahrhundert gegen Schwierigkeiten angehen, die vielleicht anders aussahen, aber nicht weniger groß als die heutigen waren. Durch sein Leben und Wirken war er für die Gesellschaft seiner Zeit gleichsam eine starke evangelische Herausforderung, die erstaunliche Früchte der Bekehrung gebracht hat. Zweifellos stellt er auch heute noch für uns diese große evangelische Herausforderung dar.

Ich lade euch darum ein, jetzt über unser Priestertum nachzudenken und dabei auf diesen einzigartigen Hirten zu schauen, der zugleich die volle Erfüllung des priesterlichen Amtes und die Heiligkeit seines Trägers veranschaulicht.

Ihr wisst, dass Jean-Marie Baptiste Vianney am 4. August 1859 in Ars verstorben ist, nach, vierzig Jahren einer Hingabe bis zur Erschöpfung. Er war damals 73 Jahre alt. Bei seiner Ankunft war Ars ein kleines, unbekanntes Dorf in der Diözese von Lyon, heute von Belley. Am Ende seines Lebens strömte man aus ganz Frankreich dorthin, und sein Ruf der Heiligkeit hat nach seinem Heimgang zu Gott schnell die Aufmerksamkeit der ganzen Kirche auf sich gezogen. Nach der Seligsprechung durch den heiligen Pius X. im Jahre 1905 hat Pius XI. ihn im Jahre 1925 heiliggesprochen; im Jahre 1929 hat er ihn dann zum Schutzpatron der Seelsorger der ganzen Welt erklärt. Zum 100. Jahrestag seines Todes hat Johannes XXIII. die Enzyklika Nostri sacerdotii primitias geschrieben, um den Pfarrer von Ars als Beispiel für Leben und Aszese des Priesters, als Vorbild für Gebet und eucharistische Frömmigkeit sowie für pastoralen Einsatz vorzustellen, und das alles auf die Bedürfnisse unserer Zeit bezogen. Im vorliegenden Brief möchte ich lediglich eure Aufmerksamkeit auf einige wesentliche Aspekte richten, die uns helfen können, unser Priestertum neu und tiefer zu entdecken und es besser zu leben.

Das wahrhaft außerordentliche Leben des Pfarrers von Ars Sein ausdauernder Wille, sich auf das Priestertum vorzubereiten

3 Der Pfarrer von Ars ist zunächst ein Beispiel an starkem Willen für diejenigen, die sich auf das Priestertum vorbereiten. Eine Reihe von Schwierigkeiten hätte ihn entmutigen können: Auswirkungen der Revolutionswirren, fehlender Unterricht in seiner ländlichen Umgebung, die Zurückhaltung seines Vaters, die Notwendigkeit, sich an der Feldarbeit zu beteiligen, die Risiken des Militärdienstes und vor allem, trotz seiner intuitiven Intelligenz und regen Empfindsamkeit, die große Schwierigkeit, zu lernen und sich etwas einzuprägen und folglich dem theologischen Unterricht auf Latein folgen zu können, und schließlich eine dadurch bedingte Entlassung aus dem Seminar von Lyon. Weilj edoch die Echtheit seiner Berufung anerkannt wurde, konnte er im Alter von 29 Jahren geweiht werden. Wegen seiner Ausdauer im Arbeiten und Beten überwand er alle Hindernisse und Begrenzungen wie auch in seinem späteren Priesterleben die Schwierigkeit, seine Predigten mühsam vorzubereiten oder am Abend Werke von Theologen oder geistlichen Schriftstellern zu lesen. Von jungen Jahren an war er von der großen Sehnsucht erfüllt, als Priester "die Seelen für den lieben Gott zu gewinnen"; er wurde darin bestärkt durch das Vertrauen seines Nachbarpfarrers von Ecully, der einen guten Teil seiner Vorbereitung auf das Priestertum übernommen hatte, weil er an seiner Berufung nicht zweifelte. Welch mutiges Beispiel für diejenigen, die heute die Gnade erkennen, zum Priesterturn berufen zu sein!

Die Tiefe seiner Liebe zu Christus und zu den Seelen

  4 Der Pfarrer von Ars ist für alle Seelsorger ein Beispiel an priesterlichem Eifer. Das Geheimnis seiner Hochherzigkeit liegt ohne Zweifel in seiner grenzenlos gelebten Liebe zu Gott, mit der er ständig auf jene Liebe antwortete, die sich im gekreuzigten Herrn Jesus Christus offenbart hat. Dort gründet sein sehnliches Verlangen, alles zu tun, um die durch Christus zu einem so hohen Preis erlösten Seelen zu retten und zur Liebe Gottes zurückzuführen. Erinnern wir uns an eines seiner knappen Worte, für die er ein Geschick hatte: "Das Priestertum, das ist die Liebe des Herzens Jesu. Immer wieder kam er in seinen Predigten und Katechesen auf diese Liebe zurück: "Mein Gott, ich möchte lieber sterben in der Liebe zu dir, als nur einen einzigen Augenblick zu leben, ohne dich zu lieben ... Ich liebe dich, mein göttlicher Erlöser, weil du für mich gekreuzigt worden bist ... weil du mich gekreuzigt hältst für dich."

Um Christi willen sucht er wortwörtlich den radikalen Forderungen zu entsprechen, die Jesus im Evangelium den Jüngern, die er zur Mission aussendet, stellt: Gebet, Armut, Demut, Selbstverleugnung, freiwillige Buße. Und wie Christus empfindet er für seine Pfarrkirche eine Liebe, die ihn zur letzten pastoralen Hingabe und zum Opfer seiner selbst führt. Selten ist sich ein Seelsorger seiner Verantwortung so sehr bewußt gewesen, indem er sich vor Sehnsucht verzehrte, seine Gläubigen ihrer Sünde oder ihrer Lauheit zu entreißen. "Mein Gott, gewähre mir die Bekehrung meiner Pfarrei: Dafür laß mich erleiden, was du möchtest, mein ganzes Leben lang."

Liebe Brüder im Priesteramt, belehrt durch das II. Vatikanische Konzil, das die Weihe des Priesters auf so glückliche Weise in seine pastorale Sendung eingefügt hat, wollen wir den Elan unseres pastoralen Eifers mit Jean-Marie Vianney im Herzen Jesu suchen, in seiner Liebe zu den Seelen. Wenn wir nicht aus derselben Quelle schöpften, liefe unser Dienst Gefahr, recht wenig Früchte zu tragen!

Die erstaunlichen und vielfältigen Früchte seines Dienstes

5 Gerade im Falle des Pfarrers von Ars sind die Früchte erstaunlich gewesen, fast wie bei Jesus im Evangelium. Der Heiland, dem Jean-Marie Vianney all seine Kräfte und sein ganzes Herz weiht, schenkt ihm gleichsam die Seelen. Ihm vertraut er sie an, in überreichem Maße. Da ist zunächst seine Pfarrei - bei seiner Ankunft zählte sie nur 230 Personen -, die sich tief verändern wird. Nun weiß man, dass es in diesem Dorf viel Gleichgültigkeit im Glauben und sehr wenig religiöse Praxis bei den Menschen gab. Der Bischof hatte Jean-Marie Vianney gewarnt. "Es gibt nicht viel Gottesliebe in dieser Pfarrei, du musst sie dorthin bringen." Aber sehr schnell wird dieser Pfarrer weit über sein Dorf hinaus zum Seelsorger ungezählter Menschen, die aus der ganzen Gegend, aus verschiedenen Teilen Frankreichs und aus anderen Ländern herbeiströmen. Man spricht von 80.000 Personen im Jahr 1858! Man wartet manchmal mehrere Tage, um ihn zu treffen und bei ihm zu beichten. Was die Menschen anzieht, ist nicht so sehr die Neugierde und auch nicht sein Ruf, der durch Wunder, außerordentliche Heilungen, die der Heilige verbergen möchte, begründet ist. Es ist vielmehr die Vorahnung, einem Heiligen zu begegnen, so erstaunlich durch sein Bußleben, so vertraut mit Gott im Gebet, so auffällig in seiner Friedfertigkeit und Demut inmitten seiner Erfolge bei den Leuten und vor allem so einfühlend, um der seelischen Verfassung der Menschen zu entsprechen und sie von ihrer Last zu befreien, besonders im Beichtstuhl. ja, Gott hat als Beispiel für die Seelsorger den erwählt, der in den Augen der Menschen armselig, schwächlich, wehrlos und verachtet hätte erscheinen können. Er hat ihn überreich beschenkt mit seinen besten Gaben als Hirt und Arzt der Seelen. Auch wenn man die besondere Begnadung des Pfarrers von Ars berücksichtigt, liegt nicht doch gerade darin ein Zeichen der Hoffnung für die Seelsorger, die auch heute an einer gewissen geistigen Wüste leiden?

==Die wichtigsten pastoralen Dienste im Wirken des Pfarrers von Ars. Die verschiedenen Wege seines Apostolates, stets auf das Wesentliche bezogen==

6 Jean-Marie Vianney widmete sich im wesentlichen der Glaubensunterweisung und der Reinigung der Gewissen; diese beiden Dienste führten dann zusammen zur Eucharistie. Muß man nicht darin auch heute noch die drei Schwerpunkte im pastoralen Dienst des Priesters erblicken?

Wenn es auch gewiß das Ziel ist, das Volk Gottes durch Katechese und christliche Buße um das Geheimnis der Eucharistie zu versammeln, so sind doch auch andere pastorale Mittel und Wege je nach den Umständen notwendig. Manchmal ist es eine schlichte Gegenwart über Jahre hinweg, verbunden mit einem stillen Glaubenszeugnis im nichtchristlichen Milieu, oder eine Bekanntschaft mit Personen, mit Familien und deren Anliegen; dann ein erster Anruf, der versucht, die Ungläubigen und die Lauen zum Glauben zu erwecken; auch das Zeugnis der Liebe und Gerechtigkeit zusammen mit den christlichen Laien, das den Glauben glaubwürdiger macht und ins Leben überträgt. Hieraus ergibt sich eine ganze Reihe von Arbeiten oder apostolischen Werken, welche die christliche Glaubensformung vorbereiten oder fortführen. Der Pfarrer von Ars hat alles darangesetzt, Initiativen in die Wege zu leiten, die seiner Zeit und seinen Pfarrangehörigen angemessen waren. Gleichwohl waren alle seine priesterlichen Tätigkeiten auf die Eucharistie, die Katechese und das Sakrament der Versöhnung bezogen.

[Fortsetzun folgt]