Ex cathedra

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Version vom 22. Juli 2008, 07:01 Uhr von Otterbeck (Diskussion | Beiträge) (Liste (evtl.) ''ex cathedra'' ergangener Entscheidungen (1054-1854))
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Der Ausdruck ex cathedra bedeutet von der Kathedra aus, also eine bischöfliche, insbesondere päpstliche Amtshandlung, bei der eine verbindliche Entscheidung getroffen wird. Heute wird der Begriff fast nur noch für Fragen der päpstlichen Unfehlbarkeit verwendet.

Allerdings hat es auch vor der Definition des Dogmas von der speziell päpstlichen Unfehlbarkeit (die ein besonderer Anwendungsfall der allgemein kirchlichen Infallibilitas ist) eine gewisse Anzahl von päpstlichen Entscheidungen gegeben, die, wenn man die Kriterien von 1870 anwenden will, gleichfalls ex cathedra ergangen sind. Unzweifelhaft wird nur für das Dogma von der Immakulata von 1854 die Unfehlbarkeit allgemein angenommen.

Die "Rückprojektion" des 1870er-Dogmas (zwar nicht seinem Prinzip nach, wohl aber hinsichtlich der kirchenrechtlichen Präzisierungen) in die vorigen Jahrhunderte begegnet allerdings mancherorts Bedenken. Es gibt daher unterschiedliche Meinungen, wieviele frühere Papstentscheidungen ex cathedra ergingen. Die Frage kann auch offen bleiben. Denn auch dann, wenn diese Entscheidungen keine ex cathedra-Äußerungen des außerordentlichen Lehramts der Kirche waren, so sind sie jedenfalls als innerhalb des ordentlichen Lehramts der Kirche rezipiert und mithin verbindlich anzusehen.

"Nicht-unfehlbare" Entscheidungen des Papstes sind ja regelmäßig nicht "falsch", sondern auch mit Autorität ausgestattet. Sie lassen allerdings dem zukünftigen kirchlichen Lehramt eine größere Bandbreite der Interpretation, da sie nicht definitiv ergehen, also unter bestimmten Aspekten einer Anpassung an neue Zeitfragen gestatten.

Liste (evtl.) ex cathedra ergangener Entscheidungen (1054-1854)

Johannes Paul II. zur Frauenordination

Wegen der Schlussformel Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), daß die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und daß sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben im Apostolischen Schreiben Ordinatio sacerdotalis Papst Johannes Paul II. vom 22. Mai 1994 gilt dieses als ex cathedra ergangen, also definitiv. Der geringere Rang der Textgattung kann daran nichts ändern, zumal es sich um eine Affirmation der verbindlichen Tradition handelt, nicht um die Definition eines Dogmas.

Kommentar

Im Katechismus (KKK) werden davon nur Benedictus Deus und Ineffabilis Deus explizit zitiert, allerdings etliche Konzilsentscheidungen seit 325. Unam sanctam ist heute gewiss im Licht des II. Vatikanum zu interpretieren, wie auch Exsurge Domine im Licht späterer Lehrentwicklungen, zuletzt der Rechtfertigungserklärung von 1999. Manche Autoren des 19. oder 20. Jahrhunderts sahen noch mehrere andere, frühere Entscheidungen, etwa Leo I. oder auch spätere, z.B. wider den Jansenismus, als ex cathedra ergangen an.

Kein Gegenstand einer Lehrentscheidung war jemals die Satisfaktionstheorie im Blick auf das "Wie" der Wirksamkeit der Erlösungstat Christi (Anselm von Canterbury), weder des Papstes noch der Konzilien. Nie ernsthaft vertreten (außer von Außenseitern) wurde, dass der Syllabus (1864) oder das Dekret Lamentabili (1907) ex cathedra ergangen seien. Ein einzelner Autor sprach sich dafür aus, die Verurteilung des "Amerikanismus" 1899 durch Leo XIII. für ex cathedra ergangen anzusehen. John Henry Newman hingegen hielt es für gar nicht ungewöhnlich, dass die Kirche viele Jahrhunderte der Besinnung nötig hatte, um 1854 erstmals zu einer unfehlbaren Definition seitens des Papstes zu gelangen. Joseph Ratzinger stellte schon in Einführung (1968) fest (gegen Schoonenberg, der im Holländ. Katechismus das Fehlen einer Definition der Jungfrauengeburt Christi monierte), dass die unfehlbare Definition nur der extreme Ausnahmefall des Lehramts sein kann, dass vielmehr seine typische Lehrweise die Entfaltung des Credo bzw. der allgemeine, ordentliche Fortgang der Lehrentwicklung ist.

Die möglicherweise wichtigste Entscheidung dieser Art (wenn auch ursprünglich nicht explizit definitiv) ist aber die "Nichtentscheidung" von Papst Paul V. im Gnadenstreit (1607; DH 1997), die im Folgenden vom Lehramt stets affirmiert wurde. Der Papst verfügte nach sehr gründlicher Untersuchung der "Gnadensysteme", dass sich Thomisten resp. Molinisten nicht gegenseitig zensurieren (= "verketzern") dürfen. Heute gilt dieser Streit als letztinstanzlich für immer "offen gelassen".

Literatur

Klaus Schatz S.J., Welche bisherigen päpstlichen Lehrentscheidungen sind "ex cathedra"? Historische und theologische Überlegungen, in: Dogmengeschichte und Theologie (Hg. W. Löser S.J. u.a.), Würzburg 1985, S. 404-422.

Gerhard Ludwig Müller, Katholische Dogmatik, Freiburg i. Br., 6. Aufl. 2005.