Gallikanismus

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Gallikanismus im heutigen Wortsinn ist eine in das Spätmittelalter zurückreichende Phänomen der frz. Religionsgeschichte. Mit dem Erstarken des Staates berief sich König Philipp IV. "der Schöne" in Konflikt mit Papst Bonifaz VIII. auf ältere Freiheiten. Der Streit führte 1309 zur Verlegung des Amtssitzes der Päpste nach Avignon und bewirkte indirekt die Aufhebung des Templerordens, der aus Sicht der frz. Monarchie der Integrität des (frühen) Nationalstaats im Weg war

Das sich anschließende „westliche Schisma“ (1378–1417), während dem es gleichzeitig zwei bzw. drei Päpste gab, brachte eine Wiederbelebung des scheinbar altkirchlichen Konziliarismus, der seinen Höhepunkt im Konzil von Konstanz (1414–1418) fand.

Gesetzlich festgeschrieben wurde der Gallikanismus 1438 durch die so gen. Pragmatische Sanktion von Bourges. Diese Vereinbarung zwischen König und Klerus, in der die Rechte des Königs (Gerichtsbarkeit, Stellenbesetzung) festgeschrieben wurden, galt bis zu Beginn der Reformationszeit (vgl. Leo X.)

Die gallikanischen Artikel von 1682

Ihren nächsten Höhepunkt erreichte die gallikanische Bewegung erst mit dem Nationalkonzil von 1682, das Ludwig XIV. nach Paris einberief. Hier wurde in vier Artikeln, die unter Federführung des Bischofs Jacques Bénigne Bossuet verfasst wurden, die vier „gallikanischen Freiheiten“ verkündet, die bis zur Französischen Revolution in Kraft blieben.

Die vier Artikel hatten – kurz zusammengefasst – folgenden Inhalt:

1. Nur in geistlichen, nicht aber in weltlichen Dingen ist den Päpsten und der Kirche Gewalt von Gott verliehen; die Fürsten sind in zeitlichen Dingen von der kirchlichen Gewalt unabhängig.

2. Die Gewalt des Papstes in geistlichen Dingen ist durch die Autorität der allgemeinen Konzilien beschränkt (Dekrete des Konzils von Konstanz 1414–1418).

3. Die Ausübung der päpstlichen Gewalt ist durch die von den Konzilien festgelegten Kanones beschränkt. Außerdem bleiben die Gesetze und Gewohnheitsrechte des französischen Königs und der französischen Kirche, wie sie bisher ausgeübt wurden, weiter in Geltung.

4. Entscheidungen des Papstes in Glaubensfragen bedürfen der Zustimmung der Gesamtkirche.

Das I. Vatikanum hat, nachdem sich die Artikel 1-3 in der Revolution erledigt hatten, mit der Definition der Unfehlbarkeit des Papstes und seines Jurisdiktionsprimats auch dem Artikel IV. abschlägig beschieden. Dennoch sind weiteste Kreise, aus mangelndem Verständnbis des politischen Zwecks dieser Auffassung, weiterhin der heimlichen Meinung, dass wenigstens dieser Artikel richtig sei. Dabei wird aber das päpstliche Handeln in seinem Amt (das selbstverständlich nur die Kirche betrifft) mit der (undenkbaren) Erfordernis einer konstituierenden Zustimmung Dritter zu eigentlich päpstlichen Akten verwechselt. Das Amt des Papstes ist aber sinnlos, wenn es nicht immer und überall frei ausgeübt werden kann.

Etwas anderes ist die Frage, inwieweit für die Effektivität (Ergiebigkeit, nicht Wahrheit) päpstlichen Handelns eine Rezeption seiner Akte in der Gesamtkirche (eigentlich schon denknotwendig) Voraussetzung ist. Das aber ist eine (wenig erörterte) Selbstverständlichkeit, ohne die es überhaupt kein päpstliches Handeln gibt. "Tyrann" über die Kirche kann der Papst per definitionem nicht sein; er würde zum papa haereticus, den es aber in der Geschichte bisher nicht gab.