Vegliare con sollecitudine

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Ansprache
Vegliare con sollecitudine

unseres Heiligen Vaters
Pius XII.
an den Verband katholischer Hebammen Italiens während einer Audienz
über die christliche Ehe und Mutterschaft
29. Oktober 1951

(Offizieller italienischer Text: AAS 43 [1951] 835-854)

(Quelle : Herder-Korrespondenz, Herder Verlag, Sechster Jahrgang 1951/52; Drittes Heft, Dezember 1951, S. 112-119)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Hintergrund

In Rom tagte Ende Oktober der Verband katholischer Hebammen Italiens. Der Heilige Vater hat die Teilnehmer an diesem Kongress am 29. Oktober in Audienz empfangen und eine grundsätzliche Ansprache an sie gehalten die viel mehr enthält als nur einen Aufruf zur Erfüllung ihrer Standespflichten. Pius XII. hat die Gelegenheit ergriffen, den ganzen Komplex der heute drängenden Fragen des ehelichen Lebens und der Mutterschaft darzulegen, wie sie im Licht der christlichen Sittenlehre aufgefasst werden müssen. Die grundlegenden Gesichtspunkte zu diesen Fragen hat Pius Xl. in seiner Enzyklika "Casti connubii" niedergelegt; doch darum ist es nicht überflüssig, sie immer wieder ins Gedächtnis zurückzurufen. Einen neuen Gesichtspunkt enthält die Ansprache Pius' XII. aber dadurch, dass er auf die inzwischen von der Wissenschaft gemachte Entdeckung der sterilen Zeiten des weiblichen Organismus eingeht. Kaum ein Problem spielt heute in der Seelsorge eine so große Rolle wie das des Kindersegens, der heute vielen Eheleuten nicht mehr als Segen, sondern als oft zu schwere Belastung oder Verantwortung erscheint. Daher ist es für alle Betroffenen von so großer Wichtigkeit, den Standpunkt der Kirche nochmals durch den Papst formuliert zu hören. Die Ansprache an die katholischen Hebammen Italiens hat in autorisierter Übersetzung folgenden Wortlaut:

Einleitung

1. Mit Sorgfalt über der stillen und verborgenen Wiege zu wachen, in der Gott dem von den Eltern gespendeten Keim eine unsterbliche Seele einpflanzt, eure Sorge der Mutter angedeihen zu lassen und dem Kinde, das sie Unter dem Herzen trägt, zu einer glücklichen Geburt zu verhelfen, das, geliebte Töchter, ist der Inhalt eures Berufes, das Geheimnis seiner Größe und Schönheit.

2. Wenn man an die wunderbare Zusammenarbeit von Eltern, Natur und Gott denkt, durch die ein neues Menschenwesen nach dem Bild und Gleichnis des Schöpfers ans Licht kommt (vgl. Gen. 1, 26-27), wie sollte man da nicht den kostbaren Beitrag, den ihr zu diesem Werke beisteuert, gebührend würdigen? Die Heldenmutter der Makkabäer ermahnte ihre Söhne: "Ich weiß nicht, wie ihr in meinem Schoß gebildet wurdet: nicht ich habe euch Odem und Leben gegeben, noch fügte ich die Gliedmaßen eines jeden von euch kunstvoll zusammen. Der Schöpfer des Weltalls ist es, der den Ursprung des Menschen bewirkt" (Makk 7, 22).

3. Wer daher dieser Wiege des werdenden Lebens nahekommt und sich daselbst auf die eine oder andere Weise betätigt, muss die Ordnung kennen, die nach dem Willen des Schöpfers dort zu beobachten ist, wie auch die Gesetze, die für sie bestimmt sind. Denn es handelt sich hier nicht um rein physische und biologische Gesetze, denen vernunftlose Wesen und blinde Kräfte mit Notwendigkeit gehorchen, sondern um Gesetze, deren Ausführung und deren Wirkungen dem selbstbestimmenden und freien Mittun des Menschen anvertraut sind.

4. Diese Ordnung, festgesetzt von der höchsten Vernunft, ist eingestellt auf den vom Schöpfer gewollten Zweck; SIe umfasst das äußere Tun des Menschen und die innere Zustimmung seines freien Willens; sie schließt Handlung und auch pflichtgemäße Enthaltung ein. Die Natur stellt dem Menschen die ganze Ursachenreihe zur Verfügung, aus der ein neues menschliches Leben entsteht; dem Menschen liegt es ob, die Lebenskraft freizugeben, der Natur jedoch, sie weiter zu entwickeln und sie zu ihrer Vollendung zu führen. Wenn der Mensch das Seine getan und die wunderbare Entwicklung des Lebens in Gang gebracht hat, ist es seine Pflicht, dessen Fortschritt ehrfürchtig zu achten, eine Pflicht, die es ihm verbietet, das Wirken der Natur aufzuhalten oder seinen natürlichen Ablauf zu verhindern.

5. So ist der Anteil der Natur und der des Menschen klar umrissen. Eure berufliche Ausbildung und eure Erfahrung befähigen euch, Einblick zu gewinnen in das Wirken der Natur und des Menschen, wie in die Maßstäbe und Gesetze, denen beide unterworfen sind; euer Gewissen, erleuchtet von der Vernunft und vom Glauben, lehrt euch unter Führung der von Gott gesetzten Autorität, wie weit erlaubtes Tun gehen darf, und wo auf der anderen Seite die strengste Pflicht der Unterlassung einsetzt.

6. Im Lichte dieser Grundsätze haben Wir nun vor, euch einige Erwägungen über das Apostolat vorzulegen, Zu dem euer Beruf euch verpflichtet. In der Tat, jeder von Gott gewollte Beruf schließt eine Sendung ein, nämlich die, im Bereich des Berufes selbst die Gedanken und Absichten des Schöpfers zu verwirklichen und den Menschen zu helfen, das Rechtsein und die Heiligkeit des göttlichen Planes zu erfassen wie auch den Wert, der sich aus dessen Verwirklichung für sie selbst ergibt.

I. Euer Berufsapostolat betätigt sich in erster Linie durch eure Persönlichkeit

7. Warum ruft man euch? Weil man überzeugt ist, dass ihr eure Kunst versteht, dass ihr wisst, was Mutter und Kind brauchen, welchen Gefahren beide ausgesetzt sind und wie diese Gefahren vermieden oder überwunden werden können. Man erwartet von euch Rat und Hilfe, natürlich nicht unbedingt, sondern innerhalb der Grenzen des menschlichen Wissens und Könnens, gemäß dem Fortschritt und dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft und Praxis eures Faches.

8. Wenn man das alles von euch erwartet, so darum, weil man Vertrauen zu euch hat, und dieses Vertrauen ist vorwiegend eine Sache der Persönlichkeit. Eure Persönlichkeit muss es einflößen. Dass dieses Vertrauen nicht getäuscht werde, ist nicht nur euer lebhafter Wunsch, sondern auch eine Forderung eures Amtes und eures Berufes und daher eine Gewissenspflicht für euch. Darum müsst ihr danach streben, eure fachlichen Kenntnisse zur höchsten Vollendung zu bringen.

9. Indes ist eure berufliche Tauglichkeit auch eine Forderung und Form eures Apostolats. Welchen Wert genösse in der Tat euer Wort in Fragen der Sitte und Religion, die mit eurem Amt verknüpft sind, wenn ihr in den Fragen eures Faches versagt? Umgekehrt wird euer Eingreifen auf sittlichem und religiösem Gebiet von ganz anderem Gewicht sein, wenn ihr es versteht, durch euer überlegenes berufliches Können Achtung einzuflößen. Zu dem günstigen Urteil, das ihr euch durch euer Können erwerbt, wird bei denen, die sich an euch wenden, die wohlbegründete Einsicht hinzukommen, dass ein überzeugtes und treu geübtes Christentum, weit entfernt, ein Hemmnis der beruflichen Tüchtigkeit zu sein, hierfür vielmehr Ansporn und Gewähr bietet. Man wird klar erkennen, dass ihr bei der Ausübung eures Berufs euch eurer Verantwortung gegenüber Gott bewusst seid; dass ihr in eurem Glauben an Gott den stärksten Antrieb findet, mit um so größerer Hingabe zu helfen, je größer die Not ist; dass ihr aus dem festen religiösen Fundament die Kraft nehmt, unvernünftigen und widersittlichen Wünschen - von welcher Seite immer sie kommen mögen - ein ruhiges, aber unerschrockenes und unentwegtes Nein entgegenzusetzen.

10. Seid ihr so als Persönlichkeit wie wegen eures Wissens und eurer Erfahrung geehrt und geachtet, dann werdet ihr innewerden, dass man euch die Sorge um Mutter und Kind gerne anvertraut, und so werdet ihr, vielleicht ohne dass ihr es selber merkt, ein tiefes, oft wortloses, aber sehr wirksames Apostolat gelebten Christentums ausüben. Wie groß auch die Autorität sein mag, die auf dem rein beruflichen Können beruht, so vollzieht sich die Einwirkung von Mensch zu Mensch doch vor allem unter dem zweifachen Siegel wahrer Menschlichkeit und wahren Christentums.

II. Die zweite Form eures Apostolates liegt in dem Eifer, mit dem ihr für Wert und Unverletzlichkeit des menschlichen Lebens eintretet

11. Der heutigen Welt tut es dringend not, dessen durch das dreifache Zeugnis des Geistes, des Herzens und der Tat sicher zu werden. Euer Beruf bietet euch die Möglichkeit und macht es euch zur Pflicht, ein solches Zeugnis abzulegen. Mitunter ist es ein bloßes Wort, zur rechten Zeit und mit Takt zur Mutter oder zum Vater gesprochen; noch häufiger werden euer ganzes Verhalten und euer gewissenhaftes Tun unscheinbar und still auf sie einwirken. Ihr seid mehr als andere befähigt, zu erkennen und zu schätzen, was Menschenleben in sich selbst ist, und was es gilt vor der gesunden Vernunft, vor eurem sittlichen Gewissen, vor der bürgerlichen Gesellschaft, vor der Kirche und vor allem vor dem Angesicht Gottes. Der Herr hat alles andere auf der Erde für den Menschen gemacht; der Mensch selber aber ist seinem Sein und Wesen nach für Gott geschaffen und nicht für irgendein Geschöpf, wenn er auch, was sein Wirken angeht, gleichfalls Pflichten gegen die Gemeinschaft hat. Nun aber ist das Kind "Mensch", selbst schon vor seiner Geburt, und zwar im selben Grad und ob des gleichen Rechtstitels wie die Mutter.

12. Und ferner: jedes Menschenwesen, auch das Kind im Mutterschoß, hat sein Lebensrecht unmittelbar von Gott, nicht von den Eltern, nicht von irgendeiner Gemeinschaft oder menschlichen Autorität. Darum gibt es keinen Menschen, keine menschliche Autorität, keine Wissenschaft, keine medizinische, eugenische, soziale, wirtschaftliche oder ethische "Indikation", die einen Rechtstitel darstellen oder geben könnte zu einer direkten, überlegten Verfügung über schuldloses Menschenleben, das, heißt eine Verfügung, die auf Vernichtung abzielt, sei sie Selbstzweck, sei sie Mittel für einen anderen Zweck, der an sich vielleicht nicht unerlaubt ist. So ist zum Beispiel die Rettung des Lebens der Mutter ein sehr edles Ziel; aber die direkte Tötung des Kindes als Mittel zu diesem Ziel ist nicht erlaubt. Die direkte Zerstörung des so genannten "lebensunwerten Lebens", ob geboren oder noch nicht geboren, wie sie vor einigen Jahren in größtem Ausmaß geübt wurde, lässt sich in keiner Weise rechtfertigen. Als darum diese Praxis begann, hat die Kirche in aller Form als dem natürlichen und positiv göttlichen Recht entgegen und darum als unerlaubt erklärt, selbst wenn es auf Anordnung der öffentlichen Autorität geschieht, diejenigen zu töten, die zwar schuldlos, aber wegen physischer oder psychischer Mängel für die Nation keinen Nutzen, sondern vielmehr eine Belastung darstellen (Decr. S. Off., 2. Dez. 1940 - Acta Ap. Sedis, vol. 32, 1940, pg. 553-554). Schuldloses Menschenleben ist unantastbar, und jeder direkte Eingriff in dasselbe ist Verletzung eines der Grundgesetze, ohne die ein sicheres menschliches Zusammenleben unmöglich ist. Wir brauchen euch nicht im einzelnen über den Sinn und die Tragweite dieses Grundgesetzes in eurem Beruf zu belehren. Aber vergesst nicht: über jedes menschliche Gesetz, auch über jede "Indikation" erhebt sich unantastbar das Gesetz Gottes.

13. Das Apostolat eures Berufs verpflichtet euch, die Einsicht in das menschliche Leben, die Achtung und Ehrfurcht vor ihm, die ihr aus christlicher Überzeugung in eurem Herzen hegt, auch auf andere zu übertragen: dasselbe gegebenenfalls mutig zu verteidigen und, wo es nottut und in eurer Macht steht, das schutzlose, noch verborgene Leben des Kindes in eure Hut zu nehmen, euch stützend auf die Kraft des göttlichen Gebotes: "Du sollst nicht töten!" (Ex. 20, 13) Die Aufgabe solcher Verteidigung stellt sich manchmal als die notwendigste und dringendste; und doch ist sie nicht der vornehmste und wichtigste Teil eurer Sendung; denn diese ist wahrlich kein ausschließliches Nein, sie ist vielmehr ein planvolles Ja und geht darauf aus, zu fördern, aufzubauen und zu stärken.

14. Flößt Geist und Herz von Mutter und Vater Hochschätzung des Kindes ein, Verlangen nach ihm, Freude an ihm, liebevollen Empfang des Neugeborenen von seinem ersten Weinen an. Das Kind, gebildet im Schoß der Mutter, ist ein Geschenk Gottes (Ps. 127, 3), der die Sorge für dasselbe den Eltern anvertraut. Mit welcher Feinheit und wie entzückend malt die Heilige Schrift die anmutige Schar der Kinder, wenn sie sich um den väterlichen Tisch reihen! Sie sind der Lohn des Gerechten, wie die Unfruchtbarkeit recht häufig die Strafe des Sünders ist. Hört das Wort Gottes im unübertrefflich schönen Gewand der Psalmendichtung: "Wie ein fruchtbarer Weinstock, so ist deine Frau drinnen im Hause, wie Sprossen vom Ölbaum, so stehen deine Söhne um den Tisch. Siehe, so wird der Mann gesegnet, der den Herrn fürchtet" (Ps. 128, 3-4). Von dem Bösen heißt es dagegen: "Der Vernichtung soll verfallen seine Nachkommenschaft! Im nächsten Geschlecht soll erlöschen sein Name!" (Ps. 109, 13).

15. Legt das Kind gleich nach seiner Geburt - wie es schon die alten Römer taten - in die Arme des Vaters, aber tut es in unvergleichlich höherem Sinn. Bei jenen war es die Behauptung der Vaterschaft und der aus ihr sich herleitenden väterlichen Gewalt; hier ist es der Erweis des Dankes gegen den Schöpfer, die Herabrufung des göttlichen Segens, das feste Versprechen, in ehrfurchtsvoller Gesinnung die Pflicht erfüllen zu wollen, die Gott ihm auferlegt hat. Wenn der Herr den treuen Diener lobt und belohnt, weil er die fünf Talente fruchtbringend anlegte (vgl. Mt 25, 21), welches Lob und welchen Lohn wird er dann dem Vater vorbehalten, der das ihm anvertraute Menschenleben, weit mehr wert als alles Gold und Silber der Welt, für Gott behütet und großgezogen hat?

16. Euer Apostolat richtet sich indes vor allem an die Mutter. Zweifellos spricht die Stimme der Natur in ihr und legt ihr das Verlangen, die Freude, den Mut, die Liebe und den Willen ins Herz, für das Kind zu sorgen; um aber die Einflüsterungen des Kleinmuts in allen ihren Formen zu überwinden, bedarf jene Stimme der Stärkung und gleichsam eines übernatürlichen Einschlags. An euch liegt es, weniger durch Worte als durch euer ganzes Benehmen und Handeln die junge Mutter Größe, Schönheit und Adel des Lebens verkosten zu lassen, das in ihrem Schoß erwacht, Form gewinnt und lebt, das von ihr geboren wird, das sie in ihrem Arm trägt und an ihrer Brust nährt; an euch, in ihren Augen und ihrem Herzen aufleuchten zu lassen, wie reich das Geschenk der Liebe Gottes ist für sie und für ihr Kind. Die Heilige Schrift lässt euch in vielen Beispielen den Widerhall des Bittflehens und dann der frohen Dankeslieder so vieler Mütter vernehmen, die endlich Erhörung fanden, nachdem sie lange unter Tränen um die Gnade des Muttersegens gebetet hatten. Auch die Schmerzen, welche die Mutter nach dem Sündenfall erleiden muss, um ihr Kind zur Welt zu bringen, knüpfen das sie einende Band nur noch enger. Sie liebt es um so mehr, je mehr Schmerz es sie gekostet hat. Das hat mit rührender und tiefsinniger Schlichtheit der gesagt, der das Herz der Mutter gebildet hat: "Wenn die Frau gebiert, so hat sie Trauer, weil ihre Stunde gekommen ist; hat sie aber das Kind geboren, so gedenkt sie nicht mehr der Not, aus Freude darüber, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist" (Joh 16, 21). Weiterhin zeigt der Heilige Geist durch die Feder des Apostels Paulus die Größe und das Glück der Mutterschaft: Gott schenkt der Mutter das Kind, aber indem er es schenkt, lässt er sie wirksam teilnehmen an der Entfaltung der Blüte, deren Keim er in ihren Schoß eingelegt hatte, und diese Mitwirkung wird zu einem Weg, der sie ihrem ewigen Heil zuführt: "Die Frau erlangt das Heil in der Mutterschaft" (1 Tim 2, 15).

17. Diese vollkommene Übereinstimmung von Vernunft und Glaube gibt euch die Gewähr, dass ihr voll in der Wahrheit steht und mit unbedingter Sicherheit euer Apostolat der Hochachtung und Liebe des werdenden Lebens fortführen könnt. Gelingt es euch, dieses Apostolat an der Wiege des Neugeborenen auszuüben, so wird es euch nicht zu schwer fallen, das zu erreichen, was euer berufliches Gewissen im Einklang mit dem Gesetz Gottes und der Natur zum Besten der Mutter und des Kindes vorzuschreiben euch auferlegt.

18. Im übrigen haben wir nicht nötig, euch, die ihr hier eure Erfahrung habt, zu beweisen, wie sehr heute das Apostolat der Hochschätzung und Liebe des neuen Lebens notwendig ist. Leider sind die Fälle nicht selten, wo das Sprechen oder auch nur eine vorsichtige Andeutung vom Kind als einem "Segen" genügt, um Widerspruch oder vielleicht auch Spott hervorzurufen. Viel öfter herrscht heute die Idee und das Wort von der großen "Last" der Kinder vor. Wie sehr ist doch diese Geisteshaltung dem Gedanken Gottes, der Sprache der Heiligen Schrift, ja auch der gesunden Vernunft und dem natürlichen Empfinden entgegen. Wenn Bedingungen und Umstände vorherrschen, unter denen die Eltern ohne Verletzung des göttlichen Gesetzes den "Segen" der Nachkommenschaft vermeiden können, so berechtigen doch diese Fälle einer höheren Gewalt nicht dazu, die Begriffe zu verkehren, die Werte zu missachten, die Mutter gering zu schätzen, die den Mut und die Ehre hatte, Leben zu geben.

19. Wenn das, was wir bis jetzt gesagt haben, dem Schutz und der Sorge des natürlichen Lebens gilt, so muss es mit um so mehr Grund seine Geltung haben für das übernatürliche Leben, das das Neugeborene in der Taufe erhält. In der gegenwärtigen Heilsordnung gibt es keinen anderen Weg, dem Kind, das noch nicht den Gebrauch der Vernunft hat, dieses Leben zu vermitteln. Und doch ist der Stand der Gnade im Augenblick des Todes unbedingt notwendig zur Erreichung des Heiles. Ohne ihn ist es nicht möglich, zur übernatürlichen Seligkeit in der beseligenden Schau Gottes zu gelangen. Für den Erwachsenen kann ein Akt der Liebe genügen, um der heiligmachenden Gnade teilhaft zu werden und die fehlende Taufe zu ersetzen; aber dem noch nicht oder soeben geborenen Kind steht dieser Weg nicht offen. Wenn man nun bedenkt, dass die Liebe zum Nächsten uns auferlegt, ihm im Fall der Not beizustehen, und wenn diese Verpflichtung um so schwerer und dringender ist, je größer das Gut, das man vermitteln, oder das Übel, das man ferne halten will, und je weniger der Bedürftige fähig ist, sich selbst zu helfen und zu bitten: dann ist es leicht, die weittragende Bedeutung zu verstehen, die der Sorge für die Taufe des Kindes zukommt, da es den Gebrauch der Vernunft noch ganz entbehrt und in schwerer Gefahr schwebt oder sogar vor dem sicheren Tode steht. Zweifelsohne bindet diese Verpflichtung in erster Linie die Eltern; aber in den Fällen dringender Not, wenn keine Zeit zu verlieren und es nicht möglich ist, einen Priester zu rufen, liegt euch die heilige Pflicht ob, die Taufe zu spenden. Versäumt also nicht, diesen Liebesdienst zu erweisen und dieses eurem Beruf zufallende Apostolat der Tat auszuüben. Möge euch Stärkung und Ermutigung das Wort des Heilands sein: "Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen" (Mt 5, 7). Und welches Werk der Barmherzigkeit könnte größer und schöner sein, als der Seele des Kindes - zwischen der Schwelle zum Leben, die es kaum überschritten hat, und der Schwelle zum Tode, die es jetzt gleich überschreiten soll - den Eintritt in eine herrliche und beseligende Ewigkeit zu sichern.

III. Zum dritten könnte man euer Berufsapostolat betrachten unter dem Gesichtspunkt des Beistands, den ihr der Mutter in der bereitwilligen und hochherzigen Ausübung ihres Mutterberufes leistet

20. Kaum hatte die allerseligste Jungfrau die Botschaft des Engels vernommen, als sie antwortete: "Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Worte" (Lk 1, 38). Ein "Es geschehe", ein inbrünstiges "Ja" zur Berufung als Mutter. Eine jungfräuliche Mutterschaft, unvergleichlich höher als jede andere; indes wirkliche Mutterschaft, im wahren und eigentlichen Sinn des Wortes (vgl. Gal 4, 4). Darum schließt der Gläubige beim Beten des "Engels des Herrn", nachdem er das Jawort Marias erwähnt hat, unmittelbar an: "Und das Wort ist Fleisch geworden" (Joh 1, 14).

21. Es ist eines der Grunderfordernisse der rechten sittlichen Ordnung, dass der Ausübung der ehelichen Rechte die aufrichtige innerliche Annahme des Berufs und der Pflichten der Mutterschaft entspreche. Unter dieser Bedingung wandelt die Frau auf dem vom Schöpfer gebahnten Weg dem Ziele zu, das Er seinem Geschöpf bestimmt hat, indem Er es in der Ausübung jener Funktion an seiner Güte, seiner Weisheit und seiner Allmacht teilhaben lässt, entsprechend der Botschaft des Engels: ,Concipies in utero et paries - Du wirst empfangen und gebären" (vgl. Lk 1,31).

22. Ist dies also die biologische Grundlage eurer Berufstätigkeit, so wird es der vordringliche Gegenstand eures Apostolates sein: dahin zu wirken, dass das Empfinden für den Mutterberuf und die Liebe zu ihm lebendig gehalten, wieder geweckt und gestärkt werde.

23. Wenn die Ehegatten es als eine Ehre erachten und schätzen, neues Leben zu wecken, dessen Aufspringen sie mit heiliger Ungeduld erwarten, so ist eure Aufgabe recht leicht: es genügt, solche innere Einstellung in ihnen zu pflegen; die Bereitschaft, das werdende Leben entgegenzunehmen und dafür zu sorgen, folgt dann von selbst. Leider ist es aber nicht immer so; häufig ist das Kind unerwünscht; schlimmer noch, man fürchtet sich vor ihm. Wie könnte bei solcher Verfassung noch Bereitwilligkeit zur Pflicht bestehen? Hier braucht es den wirksamen Einsatz eures Apostolats: vor allem ablehnend, indem ihr jegliche sittenwidrige Mitwirkung versagt; dann auch aufbauend, indem ihr taktvoll eure Sorge darauf richtet, Vorurteile, mannigfaltige Besorgnisse oder kleinmütige Vorwände zu zerstreuen, Hindernisse, auch von außen kommende, welche die Annahme der Mutterschaft erschweren könnten, zu beseitigen. Wenn man sich an euch um Rat und Hilfe wendet, nur um die Erweckung neuen Lebens zu erleichtern, um es zu schützen und zur vollen Entfaltung zu bringen, so könnt ihr ohne weiteres eure Mitwirkung angedeihen lassen; aber in wie vielen anderen Fällen wendet man sich an euch, um die Weckung und Erhaltung solchen Lebens zu verhindern, ohne jede Rücksicht auf die Vorschriften der sittlichen Ordnung? Solchen Zumutungen zu willfahren, hieße euer Wissen und Können erniedrigen, weil ihr euch dadurch der Mittäterschaft sittenwidrigen Tuns schuldig machen würdet; das hieße euer Apostolat in sein Gegenteil verkehren. Hier ist ein ruhiges, aber entschiedenes Nein erfordert, das keine Übertretung des Gebotes Gottes und der Entscheidung des Gewissens duldet. Deshalb verlangt euer Beruf von euch klare Einsicht in jenes Gebot Gottes, so dass ihr auf dessen Einhaltung bestehen könnt, ohne hinter seinen Vorschriften zurückzubleiben noch über sie hinauszugehen.

24. Unser Vorgänger Pius XI. seligen Angedenkens verkündete in seiner Enzyklika "Casti connubii" vom 31. Dezember 1930 von neuem feierlich das Grundgesetz des ehelichen Aktes und der ehelichen Beziehungen: dass nämlich jeder Eingriff der Gatten in den Vollzug des ehelichen Aktes oder in den Ablauf seiner natürlichen Folgen, ein Eingriff, der zum Ziele hat, ihn der ihm innewohnenden Kraft zu berauben und die Weckung neuen Lebens zu verhindern, widersittlich ist, und dass keine "Indikation", kein Notstand ein innerlich sittenwidriges Tun in ein sittengemäßes und erlaubtes verwandeln kann (vgl. Acta Ap. Sedis, vol. 22, pg. 559 ss.).

25. Diese Vorschrift hat ihre volle Geltung heute wie gestern, und sie wird sie auch morgen und immer haben, weil sie kein einfaches Gebot menschlichen Rechts ist, sondern der Ausdruck eines Gesetzes der Natur und Gottes selbst.

26. Mögen unsere Worte eine sichere Norm bieten für alle Fälle, in denen euer Beruf und euer Apostolat von euch eine klare und feste Entscheidung verlangt.

27. Es wäre sehr viel mehr als ein einfacher Mangel an Bereitschaft zum Dienst am Leben, wenn der Eingriff des Menschen nicht nur einen einzelnen Akt anginge, sondern den Organismus selbst träfe zum Zweck, ihn mittels der Sterilisierung der Fähigkeit zur Weckung neuen Lebens zu berauben. Auch hier habt ihr für euer inneres und äußeres Verhalten eine klare Wegweisung in der Lehre der Kirche. Die direkte Sterilisierung - also jene, die als Mittel oder als Zweck darauf ausgeht, die Zeugung unmöglich zu machen - ist eine schwere Verletzung des Sittengesetzes und deshalb unerlaubt. Auch die öffentliche Autorität hat kein Recht, unter dem Vorwand irgendwelcher "Indikation" sie zu erlauben, und noch viel weniger, sie vorzuschreiben oder zum Schaden von Schuldlosen zur Ausführung zu bringen. Dieser Grundsatz findet sich schon ausgesprochen in der vorhin erwähnten Ehe-Enzyklika Pius' XI. (a.a.O. pg. 564-565). Als deshalb vor einem Jahrzehnt die Anwendung der Sterilisierung immer weiter um sich griff, sah sich der Heilige Stuhl genötigt, ausdrücklich und öffentlich zu erklären, dass die direkte Sterilisierung, ob dauernd oder nur zeitweise, ob Sterilisierung des Mannes oder der Frau, unerlaubt ist, in Kraft des Naturgesetzes, von dem zu entpflichten, wie ihr wisst, auch die Kirche keine Gewalt hat (Decr. S. Off., 22. Febr. 1940 - Acta Ap. Sedis, 1940, pg. 73).

28. Widersetzt euch deshalb, soweit ihr vermögt, in eurem Apostolat diesen widernatürlichen Bestrebungen und versagt ihnen eure Mitwirkung.

29. Heutzutage wird außerdem die ernste Frage gestellt, ob und inwieweit die Pflicht der Bereitschaft zum Mutterdienst sich vereinbaren lässt mit der immer mehr sich ausbreitenden Flucht in die Zeiten der natürlichen Unfruchtbarkeit (die so genannten Perioden der Empfängnisunfähigkeit der Frau), was ein klarer Ausdruck des jener Bereitschaft entgegengesetzten Willens zu sein scheint.

30. Man erwartet von euch mit Recht, dass ihr bezüglich der medizinischen Seite gut unterrichtet seid über die bekannte Theorie und die Fortschritte, die sich auf diesem Gebiet noch erwarten lassen, dass aber andererseits euer Rat und eure Hilfe sich nicht auf einfache populäre Veröffentlichungen stützen, sondern auf wissenschaftlicher Sachlichkeit und dem bewährten Urteil gewissenhafter Fachmänner in Medizin und Biologie beruhen. Eure Aufgabe ist es, nicht die des Priesters, die Eheleute in persönlicher Beratung oder durch ernste Veröffentlichungen über die biologische und technische Seite der Theorie zu unterrichten, ohne euch jedoch zu einer weder zu rechtfertigenden noch passenden Propaganda verleiten zu lassen. Aber auch auf diesem Gebiet verlangt euer Apostolat von euch als Frauen und Christinnen, die sittlichen Maßstäbe zu kennen und zu verteidigen, denen die Anwendung jener Theorie unterliegt. Und hier ist die Kirche zuständig.

31. Es sind vor allem zwei Voraussetzungen zu beachten: Wenn die Anwendung jener Theorie nichts weiter besagen will, als dass die Gatten auch an den Tagen der natürlichen Unfruchtbarkeit von Ihrem Eherecht Gebrauch machen können, so ist dagegen nichts einzuwenden; damit verhindern oder vereiteln sie tatsächlich in keiner Weise den Vollzug des natürlichen Aktes und seine weiteren natürlichen Folgen. Gerade dadurch unterscheidet sich die Anwendung der Theorie, von der wir sprechen, wesentlich von dem schon bezeichneten Missbrauch der in der Verkehrung des Aktes selbst hegt. Geht man indessen weiter, indem man nämlich den ehelichen Akt ausschließlich an jenen Tagen zulässt, dann muss das Verhalten der Eheleute genauer geprüft werden.

32. Und hier stellen sich unserer Erwägung wiederum zwei Voraussetzungen. Wenn schon beim Abschluss der Ehe wenigstens einer der Gatten die Absicht gehabt hätte, das Gatten-Recht selbst auf die Zeiten der Unfruchtbarkeit zu beschränken, also nicht nur seinen Gebrauch, derart, dass an den anderen Tagen der andere Eheteil nicht einmal das Recht hätte, den Akt zu verlangen, so würde dies einen wesentlichen Mangel des Ehewillens in sich begreifen, einen Mangel, der die Ungültigkeit der Ehe selbst zur Folge hätte; denn das aus dem Ehevertrag sich herleitende Recht ist ein dauerndes, ununterbrochenes, nicht aussetzendes Recht eines jeden der Gatten dem anderen gegenüber.

33. Wenn hingegen die Beschränkung des Aktes auf die Tage der natürlichen Unfruchtbarkeit nicht das Recht selbst trifft, sondern nur den Gebrauch des Rechts, so bleibt die Gültigkeit der Ehe unbestritten; immerhin wäre die sittliche Erlaubtheit solchen Verhaltens der Ehegatten zu bejahen oder zu verneinen, je nachdem die Absicht, ständig sich an jene Zeiten zu halten, auf ausreichenden und zuverlässigen sittlichen Gründen beruht oder nicht. Die Tatsache allein, dass die Gatten sich nicht gegen die Natur des Aktes verfehlen und auch bereit sind, das Kind anzunehmen und aufzuziehen, das trotz ihrer Vorsichtsmaßregeln zur Welt käme, würde für sich allein nicht genügen, die Rechtlichkeit der Absicht und die unbedingte Sittengemäßheit der Beweggründe zu gewährleisten.

34. Der Grund liegt darin, dass die Ehe die Auferlegung eines Lebensstandes darstellt, der einerseits bestimmte Rechte verleiht, anderseits aber auch die Ausführung einer positiven, dem Stand selber obliegenden Leistung verlangt. In einem solchen Fall lässt sich der allgemeine Grundsatz anwenden, dass eine positive Leistung unterlassen werden kann, wenn unabhängig vom guten Willen der Verpflichteten schwerwiegende Gründe zeigen, dass jene Leistung unzweckmäßig ist, oder beweisen, dass sie vom Berechtigten - in diesem Fall dem Menschengeschlecht - billigerweise nicht verlangt werden kann.

35. Der Ehevertrag, der den Brautleuten das Recht verleiht, dem Naturtrieb Genüge zu tun, versetzt sie in einen Lebensstand, den Ehestand. Den Gatten nun, die mit dem ihrem Stand eigentümlichen Akt von jenem Recht Gebrauch machen, legen die Natur und der Schöpfer die Aufgabe auf, für die Erhaltung des Menschengeschlechts Sorge zu tragen. Das ist die eigenartige Leistung, die den eigentlichen Wert, die Bedeutung ihres Standes ausmacht, das bonum profis - das Gut der Nachkommenschaft. Der Einzelne und die Gesellschaft das Volk und der Staat, ja die Kirche selbst hängen nach der von Gott gesetzten Ordnung für ihre Existenz von der fruchtbaren Ehe ab. Daraus folgt: den Ehestand ergreifen, ständig die ihm eignende. und nur in ihm erlaubterweise zu tätigende Fähigkeit nutzen, und anderseits sich immer und absichtlich ohne schwerwiegenden Grund seiner hauptsächlichen Pflicht entziehen, hieße gegen den Sinn des Ehelebens selbst sich verfehlen ...

36. Von dieser pflichtmäßigen positlven Leistung können nun ernste Beweggründe auch auf lange Zeit, ja für die ganze Dauer der Ehe entpflichten, wie solche nicht selten bei der so genannten medizinischen, eugenischen, wirtschaftlichen und sozialen "Indikation" vorliegen. Daraus folgt, dass die Einhaltung der unfruchtbaren Zeiten sittlich erlaubt sein kann; und unter den erwähnten Bedingungen ist sie es tatsächlich. Wenn dagegen nach vernünftigem und billigem und derartige persönliche oder aus den äußeren Verhältnissen sich herleitende gewichtige Gründe nicht vorliegen, so kann der Wille der Gatten, gewohnheitsmäßig der Fruchtbarkeit ihrer Vereinigung aus dem Weg zu gehen, während sie fortfahren, die volle Befriedigung ihres Naturtriebes in Anspruch zu nehmen, nur von einer falschen Wertung des Lebens und von Beweggründen kommen, die außerhalb der richtigen ethischen Maßstäbe liegen.

37. Nun werdet ihr dazu vielleicht bemerken, dass ihr in Ausübung eures Berufs gelegentlich vor sehr heiklen Fällen steht, nämlich Fällen, in denen das Wagnis der Mutterschaft nicht verlangt werden kann, diese im Gegenteil unbedingt zu vermeiden ist, in denen aber anderseits die Einhaltung der unfruchtbaren Zeiten entweder nicht genügend Sicherheit bietet oder aber aus anderen Gründen von ihr abgesehen werden muss. Und da fragt ihr nun, wie dann noch die Rede sein könne von einem Apostolat im Dienst der Mutterschaft.

38. Wenn nach eurem sicheren und erprobten Urteil die Umstände unbedingt ein "Nein" erfordern, also den Ausschluss der Mutterschaft, so wäre es ein Irrtum und ein Unrecht, ein "Ja" aufzuerlegen oder anzuraten. Es handelt sich hier in Wahrheit nicht um eine theologische, sondern eine medizinische Frage; sie liegt also innerhalb eurer Zuständigkeit. Indes erfragen die Eheleute in solchen Fällen von euch keine ärztliche, notwendigerweise verneinende Antwort, sondern die Billigung einer "Technik" der ehelichen Betätigung, die gegen das Wagnis der Mutterschaft gesichert wäre. Damit seid ihr also schon wieder gerufen, euer Apostolat auszuüben, insofern ihr keinen Zweifel lassen werdet, dass auch in diesen äußersten Fällen jede Präventiv-Maßnahme und jeder direkte, unmittelbare Eingriff in das Leben oder die Entwicklung des Keimes im Gewissen verboten und ausgeschlossen ist, und dass nur ein Weg offen bleibt, nämlich die Enthaltung von jeglicher Vollbetätigung der Naturanlage. Hier verpflichtet euch euer Apostolat zu einem klaren und sicheren Urteil und zu ruhiger Festigkeit.

39. Indes wird man einwenden, dass solche Enthaltsamkeit unmöglich, dass solcher Heroismus nicht durchführbar ist. Diesen Einwand werdet ihr heute überall hören und lesen von seiten derer, die nach Pflicht und Zuständigkeit in der Lage sein sollten, ganz anders zu urteilen. Zur Rechtfertigung wird folgender Beweis vorgebracht: niemand ist zu Unmöglichem verpflichtet, und man kann von keinem vernünftigen Gesetzgeber voraussetzen; dass er mit seinem Gesetz auch zu Unmöglichem verpflichten wolle. Für die Eheleute ist jedoch die Enthaltung auf lange Dauer unmöglich. Sie sind also nicht verpflichtet zur Enthaltsamkeit. Das göttliche Gesetz kann diesen Sinn nicht haben.

40. Hier wird aus teilweise richtigen Vordersätzen eine falsche Schlussfolgerung gezogen. Um sich davon zu überzeugen, genügt es, den Beweis umzukehren: Gott verpflichtet nicht zu Unmöglichem. Nun aber verpflichtet Gott die Ehegatten zur Enthaltsamkeit, wenn ihre Vereinigung nicht naturgemäß vollziehbar ist. Also ist in diesen Fällen die Enthaltsamkeit möglich. Wir haben zur Bestätigung dieser Beweisführung die Lehre des Konzils von Trient, das in dem Kapitel über die notwendige und mögliche Beobachtung der Gebote, auf eine Stelle des heiligen Augustinus zurückgreifend, lehrt: "Gott befiehlt nichts Unmögliches; er ermahnt vielmehr, während er befiehlt, zu tun, was du kannst, und um das zu bitten, was du nicht kannst, und er hilft, dass du kannst" (Conc. Trid. sess. 6 cap. 11; Denzinger n. 804. S. August., De natura et grauia cap. 43 n. 50; Migne PL vol. 44 co!. 271).

41. Lasst euch also in eurer Berufspraxis und in eurem Apostolat von diesem aufdringlichen "Unmöglichkeitsgerede" nicht verwirren, weder in eurem inneren Urteil, noch in eurem äußeren Verhalten. Gebt euch nie her für irgend etwas, das gegen das Gesetz Gottes und euer christliches Gewissen verstößt. Es hieße den Männern und Frauen unserer Zeit ein Unrecht antun, wenn man sie eines fortgesetzten Heroismus für unfähig hielte. Heute wird aus so vielen Gründen - vielleicht unter dem Zwang der harten Not, manchmal auch im Dienst des Unrechts - Heroismus in einem Grad und Ausmaß geübt, wie man es in vergangenen Zeiten für unmöglich gehalten hätte. Wenn also die Umstände dieses Heldentum wirklich verlangen, warum sollte es dann Halt machen an den Grenzen der Leidenschaften und Naturtriebe? Das ist klar: wer sich nicht beherrschen will, wird es auch nicht können; und wer glaubt, sich beherrschen zu können, dabei aber nur auf die eigene Kraft zählt, ohne aufrichtig und beharrlich die göttliche Hilfe zu suchen, wird elendiglich enttäuscht werden.

42. Dies zu eurem Apostolat, das bezwecken soll, die Ehegatten für den Dienst der Mutterschaft zu gewinnen, nicht im Sinn einer blinden Knechtschaft unter dem Drang der Natur, sondern im Sinn einer nach den Grundsätzen der Vernunft und des Glaubens geregelten Handhabung der ehelichen Rechte und Pflichten.

[Fortsetzung folgt]