Ansprache vom 10. November 1957: Unterschied zwischen den Versionen

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<center> [[Ansprache]] <br>
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#redirect[[Ansprachen Papst Pius' XII., welche in den AAS veröffentlicht sind#10. November 1957]]
unseres [[Papst|Heiligen Vaters]] <br>
 
[[Pius XII.]] <br>
 
an die Teilnehmer des Ersten Internationalen Kongresses der europäischen Privatschulen <br>
 
'''über die Rolle der Privatschule in [[Europa]]''' <br>
 
[[10. November]] [[1957]]<br>
 
 
 
(Quelle: [[Herder-Korrespondenz]], Zwölfter Jahrgang 1957/58; Viertes Heft, Januar 1958, S. 156-158)</center>
 
 
 
{{Hinweis Lehramtstexte}}
 
 
 
''Papst Pius XII. empfing am 10. November die Teilnehmer des Ersten Internationalen Kongresses der europäischen Privatschulen, der Anfang November in Rom tagte. Dieser Kongress ist hervorgegangen aus der Erfahrung, die eine Gruppe italienischer Schüler von Privatschulen (und das heißt: von katholischen Schulen) in Wien gemacht hat, wo sie im entsprechenden österreichischen Milieu herzlichste Aufnahme fand, da die gleichen menschlichen, geistigen und religiösen Interessen sie verbinden. Direktoren, Dozenten und Lehrer zogen daraus die Folgerung, dass die privaten, d. h. häufig: die katholischen Schulen in den verschiedenen europäischen Ländern die gleichen Interessen kultureller, wirtschaftlicher und auch politischer Art zu vertreten haben und dass diese Interessen durch eine Organisation am besten genutzt werden könnten. Der Heilige Vater, der an den Fragen christlicher Erziehung lebhaftesten Anteil nimmt, sagte zu ihnen, nach einleitenden Worten:''
 
 
 
"Man kann ohne Bedenken behaupten: Das Statut, das ein Land der Privatschule einräumt - Wir benutzen diesen Ausdruck in dem Sinne, in dem Sie selber ihn verwenden, nämlich für die Schule, die nicht vom Staat geleitet wird -, spiegelt ziemlich genau das geistige und kulturelle Niveau dieses Landes wider. Ein Staat, der ausschließlich sich selber die Aufgabe der Erziehung vorbehält und unabhängigen einzelnen oder Gruppen verbietet, auf diesem Gebiet irgendwelche eigene Verantwortung zu übernehmen, erhebt einen Anspruch, der mit den grundlegenden Forderungen der menschlichen Person unvereinbar ist. Daher wird die Idee der Schulfreiheit von allen politischen Regierungsformen anerkannt, die die Rechte des Einzelnen und der Familie bejahen. In der Praxis allerdings sind alle Grade von Freiheit möglich. Manchmal verhält sich der Staat mehr oder weniger gleichgültig gegenüber der Privatinitiative, unterstützt sie nicht finanziell und behält sich selber das Recht vor, sämtliche akademischen Titel zu verleihen; manchmal wiederum erkennt er unter gewissen Bedingungen den Wert des privaten Unterrichtswesens an und billigt ihm Unterstützung zu; doch wichtiger noch als die materielle Stütze oder die rechtliche Anerkennung der Diplome ist die prinzipielle Einstellung der Regierungen gegenüber dem privaten Schulwesen. Oft bleibt die theoretisch bewilligte Freiheit tatsächlich begrenzt und sogar bekämpft; sie ist nur gerade geduldet, wenn der Staat sich auf dem Gebiet des Unterrichts als Träger eines regelrechten Monopols betrachtet.
 
 
 
Nun zeigt aber eine ernstliche Analyse der historischen und philosophischen Grundlagen der Erziehung, dass die Schule ihren Auftrag nicht allein vom Staat erhält, sondern in erster Linie von der Familie und danach von der sozialen Gemeinschaft, der sie gehört. Die Ausbildung der menschlichen Persönlichkeit ist vor allem Sache der Familie, und da die Schule in weitgehendem Maße das gleiche Ziel erstrebt, setzt sie nur deren Wirksamkeit fort und empfängt von ihr die zu diesem Zweck notwendige Autorität. Der Primat des Familienmilieus in der Erziehung zeigt sich übrigens auch in der häufigen Unfähigkeit des Schulmilieus, allein schweren familiären Mängeln entgegenzuwirken. Anderseits hängt die Schule in dem Maße, als sie Wissen, eine Gesamtheit von auf die äußere Wirksamkeit des einzelnen hingeordneten Kenntnissen, die vor allem auch dem Beruf dienen, vermittelt, auch von der Gemeinschaft, den Überlieferungen und Bedürfnissen, von dem kulturellen Niveau der Gemeinschaft und der Ausrichtung ihrer Tendenzen ab. Die Forderungen der Gemeinschaften werden im Bereich der Schule durch Einzelne, organisierte Gruppen, kulturelle und religiöse Institutionen interpretiert, die sich eben das Ziel setzen, die Jugend auf ihre künftigen Aufgaben vorzubereiten. Der Staat, die politische Macht als solche, sollte nur eingreifen, um eine ergänzende Rolle zu spielen und der Tätigkeit der einzelnen die nötige Breite und Intensität zu sichern. Man darf also keineswegs die Privatschule als völlig der politischen Macht unterstellt ansehen, sondern muss ihr eine echte Unabhängigkeit im Bereich ihrer eigenen Funktionen und das Recht zuerkennen, sich an den Familiengrundsätzen zu inspirieren, die das Wachstum und die Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit leiten, ohne dabei die vom sozialen Milieu gestellten Forderungen zu vernachlässigen.
 
 
 
Der Verwaltungsapparat der modernen Staaten ist tatsächlich maßlos angeschwollen, indem er immer weitere Gebiete des öffentlichen Lebens und insbesondere das der Schule in sich aufsaugt. Sosehr dieser Eingriff auch berechtigt bleibt, wenn die Tätigkeit der einzelnen versagt und die Bedürfnisse der Gesamtheit nicht befriedigen kann, so schädlich wird er, wenn er mit Absicht die zuständige Privatinitiative ersetzt. Sie haben also recht, die Vorrangstellung der Privatschule vor derjenigen, deren Leitung von den öffentlichen Mächten abhängt, und die hervorragenden Dienste, die sie überall dort geleistet hat, wo man ihr eine hinreichende Handlungsfreiheit gelassen hat, zu betonen.
 
 
 
===Die Privatschule im Dienste übernationaler Zusammenarbeit ===
 
 
 
Sie haben sich auf diesem Kongress vorgenommen, ein europäisches Zentrum zur Verteidigung der spirituellen Güter der Privatschule zu gründen: dieses Ziel benötigt heute eine ständige Aufmerksamkeit und ein energisches Eingreifen von seiten all derer, die an ihre unersetzliche Funktion glauben. Bei den meisten modernen Nationen muss sie unglücklicherweise noch schwer darum ringen, ihre wohlerworbenen Rechte zu bewahren und ihr Bestehen in wirtschaftlicher Hinsicht zu sichern. Aber da sie nicht den Abhängigkeiten unterworfen ist, die auf allen staatlichen Einrichtungen lasten, besitzt sie eine größere Leichtigkeit, sich den neuen Bedingungen des internationalen Lebens anzupassen. Daher haben Sie ein Recht, darauf zu hoffen, dass die Verständigung zwischen den privaten Schulen die Bildung der jungen Generationen erleichtern wird, die begierig sind, sich aus der Enge eines oft übertriebenen und durch die Tatsachen überholten Nationalismus zu befreien und den wachsenden Verantwortlichkeiten zu begegnen, die sie in einem Europa mit umfassenderen Strukturen auf sich nehmen müssen. In den Diskussionen, in denen die für die Privatschulen Verantwortlichen ihre Ansichten austauschen, ist es normal, dass die Probleme der Organisation und der Methoden einen breiten Raum einnehmen, wenn sie völlig auf der Höhe der heutigen Fortschritte der Pädagogik bleiben wollen; aber es ist wichtig, dass vor allem der Geist der Privatschulen geachtet wird, ihre Auffassung vom Menschen und von der Erziehung, das selbstlose Ideal derer, die sich ihr widmen; manchmal haben die Leiter von Privatschulen in einem falsch verstandenen Wetteifer in ihren Methoden und bei der Zusammenstellung ihres Programms das Beispiel eines Unterrichtssystems befolgt, das von anderen Sorgen bestimmt worden ist und sich weniger darum bemüht, die wahren Werte der Person zu bewahren. Es wird Ihnen, Wir zweifeln daran nicht, am Herzen liegen, diese Klippe zu vermeiden, die Ihnen gefährlicher werden kann als die Angriffe von außen.
 
 
 
Diejenigen, die morgen die erste Rolle im öffentlichen Leben spielen, werden, davon sind Wir überzeugt, aus den Schulen hervorgehen, die vor allem das Ideal der Freiheit und der persönlichen Initiative ehren und nicht zögern, in den Mittelpunkt ihres Unterrichts feste moralische und religiöse Grundsätze zu stellen, zumal die des christlichen Glaubens, der durch die Jahrhunderte hin nicht aufgehört hat, die Seele der Völker des Abendlandes zu formen.
 
 
 
Die europäische Gesellschaft, die sich gegenwärtig bildet, wird ihr inneres Gleichgewicht nicht finden und ihren Platz inmitten der anderen Weltmächte nicht halten können, wenn sie nicht eine Elite besitzt, die von den besten menschlichen und christlichen Überlieferungen durchdrungen und vor allem vom Vorrang des Geistigen auch über die durchdachtesten Formen technischer Organisation überzeugt ist. Es ist Ihre Aufgabe, meine Herren, an der Ausbildung und der Ausbreitung dieser Elite zu arbeiten und so den Völkern des Abendlands die lebendigen Kräfte zu vermitteln, die ihnen helfen werden, ein gemeinsames Schicksal in Frieden und brüderlicher Zusammenarbeit zu verwirklichen."
 
 
 
[[Kategorie:Lehramtstexte (Wortlaut)]]
 

Aktuelle Version vom 5. September 2019, 08:56 Uhr