Non vi stupite

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Gründonnerstagsschreiben
Non vi stupite

von Papst
Johannes Paul II.
an alle Priester der Kirche
über den heiligen Pfarrer von Ars
25. März 1995

(Quelle: Kleruskongregation)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ein Priester

1. "Ehre sei Maria,
Ehre und Lob, Ehre der Heiligen Jungfrau!
Er, der die Welt so wunderbar erschaffen hat,
ehrte in ihr seine Mutter ( ... ).
Er liebte sie als Mutter, lebte im Gehorsam.
Obwohl Er Gott war,
achtete Er jedes ihrer Worte".

Liebe Brüder im Priesteramt !

Wundert euch nicht darüber, daß ich dieses Schreiben, das ich traditionellerweise zum Gründonnerstag an euch richte, mit den Worten eines polnischen Marienliedes beginne. Ich tue dies, weil ich in diesem Jahr zu euch über die Bedeutung der Frau im Leben des Priesters reden will, und diese Verse, die ich schon als Kind gesungen habe, können eine bezeichnende Einführung zu diesem Thema darstellen.

Das Lied weist uns auf die Liebe Christi zu seiner Mutter hin. Die erste und fundamentale Beziehung, die der Mensch zur Frau herstellt, ist ja die des Kindes zur Mutter. jeder von uns kann seiner Liebe zur irdischen Mutter so Ausdruck geben, wie es der Sohn Gottes seiner Mutter gegenüber getan hat und tut. Die Mutter ist die Frau, der wir das Leben verdanken. Sie hat uns in ihrem Schoß empfangen, sie hat uns zur Welt gebracht unter Schmerzen, die das Erlebnis der Niederkunft jeder Frau begleiten. Durch die Zeugung entsteht ein besonderes, gleichsam heiliges Band zwischen dem menschlichen Wesen und seiner Mutter.

Nachdem unsere Eltern uns für das irdische Leben gezeugt hatten, waren es wiederum sie, die uns dank des Taufsakramentes in Christus zu Adoptivkindern Gottes werden ließen. Das alles hat die bestehende Bindung zwischen uns und den Eltern, besonders zwischen uns und unseren Müttern, noch vertieft. Das Urbild ist hier Christus selber, der Priester Christus, der sich mit den Worten an den ewigen Vater wendet: "Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir geschaffen; an Brand- und Sündopfern hast du kein Gefallen. Da sagte ich: ja, ich komme ( ... ), um deinen Willen, Gott, zu tun" (Hebr 10, 5-7). Diese Worte beziehen irgendwie auch die Mutter ein, hat doch der ewige Vater durch das Wirken des Heiligen Geistes im Schoß der Jungfrau Maria auch dank ihrer Zustimmung den Leib Christi gebildet: "Mir geschehe, wie du es gesagt hast" (Lk 1, 38).

Wie viele von uns verdanken ihrer Mutter gerade auch die Berufung zum Priestertum! Die Erfahrung lehrt, daß sehr oft die Mutter jahrelang in ihrem Herzen den Wunsch nach dem Priesterberuf des Sohnes hegt und diesen durch ihr Gebet in festem Vertrauen und mit tiefer Demut erreicht. So begünstigt sie, ohne ihren Willen aufzuzwingen, mit der für den Glauben typischen Wirksamkeit im Herzen des Sohnes das Aufbrechen der Sehnsucht nach dem Priestertum, einer Sehnsucht, die im rechten Augenblick Frucht tragen wird.

2. Ich möchte in diesem Brief eine Betrachtung anstellen über die Beziehung des Priesters zur Frau, wobei ich den Umstand zum Ausgangspunkt nehme, daß das Thema Frau in diesem Jahr besondere Aufmerksamkeit verlangt, ähnlich wie es im vergangenen Jahr für das Thema Familie zutraf. Denn der Frau wird die wichtige, für den kommenden September von der Organisation der Vereinten Nationen nach Peking einberufene internationale Konferenz gewidmet sein. Es ist ein im Vergleich zum Vorjahr zwar neues Thema, hängt jedoch eng mit jenem zusammen.

Mit dem vorliegenden Schreiben, liebe Brüder im Priesteramt, will ich die Verbindung zu einem anderen Dokument herstellen. So wie ich im vergangenen Jahr die Gründonnerstagsbotschaft mit dem Brief an die Familien begleitet habe, möchte ich euch jetzt das Apostolische Schreiben Mulieris dignitatem vom 15. August des Jahres 1988 wieder ans Herz legen. Wie ihr euch erinnern werdet, handelt es sich um einen Text, der zum Abschluß des Marianischen Jahres 1987-1988 entstanden ist; während des Marianischen Jahres habe ich (am 25. März 1987) die Enzyklika Redemptoris Mater veröffentlicht. Es ist mein lebhafter Wunsch, daß im Laufe dieses Jahres Mulieris dignitatem wieder gelesen und zum Gegenstand besonderer Betrachtung gemacht werde, wobei man den marianischen Aspekten besondere Beachtung schenken möge.

Die Verbindung mit der Mutter Gottes ist für das christliche "Denken" grundlegend. Dies ist es vor allem auf theologischer Ebene wegen der ganz besonderen Beziehung Mariens zum fleischgewordenen Wort und zur Kirche, seinem mystischen Leib. Aber das gilt auch auf historischer, anthropologischer und kultureller Ebene. Im Christentum stellt nämlich die Gestalt der Gottesmutter eine großartige Quelle der Inspiration nicht nur für das religiöse Leben dar, sondern auch für die christliche Kultur und selbst für die Vaterlandsliebe. Dafür gibt es im historischen Erbe vieler Nationen Beweise. So ist zum Beispiel in Polen das älteste Literaturdenkmal der Gesang Bogurodzica (Gottesgebärerin), der unsere Vorfahren nicht nur bei der Gestaltung des Lebens der Nation, sondern sogar bei der Verteidigung der gerechten Sache auf dem Schlachtfeld inspiriert hat. Die Mutter des Gottessohnes ist für einzelne Menschen und für ganze christliche Nationen zur "großen Inspiration" geworden. Auch das sagt auf seine Art sehr viel aus über die Bedeutung der Frau im Leben des Menschen und in besonderer Weise im Leben des Priesters.

Ich hatte bereits Gelegenheit, dieses Thema in der Enzyklika Redemptoris Mater und in dem Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem zu behandeln, wobei ich jenen Frauen - Müttern, Bräuten, Töchtern oder Schwestern - Hochachtung zollte, die für ihre Söhne bzw. Ehegatten, Eltern und Brüder eine wirksame Inspiration zum Guten gewesen sind. Nicht ohne Grund spricht man vom "weiblichen Genius", und was ich bis jetzt geschrieben habe, bestätigt, wie zutreffend dieser Ausdruck ist. Wenn es jedoch um das Priesterleben geht, erhält die Präsenz der Frau einen besonderen Charakter und erfordert eine eigene Analyse.

3. Aber kehren wir zum Gründonnerstag zurück, dem Tag, an dem die Worte des liturgischen Hymnus besondere Bedeutung gewinnen:
Ave verum Corpus natum de Maria Virgine:
Vere passum, immolatum in cruce pro homine.
Cuius latus perforatum fluxit acqua et sanguine: Esto nobis praegustatum mortis in examine.
O Iesu dulcis! O Iesu pie! O Iesu, fili Mariae!
  Auch wenn diese Worte nicht zur Liturgie des Gründonnerstag gehören, sind sie doch zutiefst mit ihr verbunden.

Mit dem Letzten Abendmahl, in dessen Verlauf Christus die Sakramente des Opfers und des Priestertums des Neuen Bundes einsetzte, beginnt das Triduum paschale. Im Zentrum dieser drei Tage steht der Leib Christi. Und eben dieser Leib wird, ehe er dem Leiden und dem Sterben ausgesetzt wird, während des Letzten Abendmahles bei der Einsetzung der Eucharistie als Speise dargebracht. Christus nimmt das Brot in seine Hände, bricht es, verteilt es an die Apostel und spricht die Worte: "Nehmt und eßt; das ist mein Leib" (Mt 26, 26). So setzt er das Sakrament seines Leibes ein, jenes Leibes, den er als Sohn Gottes von der Mutter, der unbefleckten Jungfrau, angenommen hatte. Danach reicht er den Aposteln im Kelch sein Blut in der Gestalt des Weines und spricht: "Trinkt alle daraus; das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden" (Mt 2 6, 2 7 -2 8). Wiederum handelt es sich hier um das Blut, das den von der Jungfraulichen Mutter empfangenen Leib belebte: Blut, das in Erfüllung des Geheimnisses von der Erlösung vergossen werden sollte, damit der von der Mutter empfangene Leib - als Corpus immolatum in cruce pro homine - für uns und für alle zum Sakrament ewigen Lebens, zur Wegzehrung für die Ewigkeit, werden konnte. Darum bitten wir in dem eucharistischen und zugleich marianischen Hymnus Ave verum: Esto nobis praegustatum mortis in examine.

Auch wenn in der Gründonnerstagsliturgie nicht von Maria die Rede ist - wir finden sie jedoch am Karfreitag mit dem Apostel Johannes am Fuß des Kreuzes -, fällt es einem schwer, ihre Anwesenheit bei der Einsetzung der Eucharistie nicht wahrzunehmen, dem Geschehen, das das Leiden und Sterben des Leibes Christi gleichsam vorwegnimmt, jenes Leibes, den der Sohn Gottes von der jungfräulichen Mutter im Augenblick der Verkündigung erhalten hatte.

Für uns als Priester ist das Letzte Abendmahl ein besonders heiliger Augenblick. Christus, der zu den Jüngern sagt: "Tut dies zu meinem Gedächtnis" (1 Kor 11, 24), setzt das Weihesakrament ein. Im Hinblick auf unser Leben als Priester ist das ein unverkennbar christozentrischer Augenblick: wir empfangen in der Tat das Priestertum von dem Priester Christus, dem einzigen Priester des Neuen Bundes. Aber wenn wir an das Opfer des Leibes und Blutes denken, das uns in persona Christi dargeboten wird, fällt es uns schwer, in ihm nicht die Anwesenheit der Mutter zu erkennen, Maria hat dem Sohn Gottes das Leben geschenkt, so wie es unsere Mütter für uns getan haben, auf daß Er sich darbringe und auch wir uns zusammen mit Ihm durch den priesterlichen Dienst im Opfer darbringen. Hinter dieser Sendung steht die von Gott empfangene Berufung, aber es verbirgt sich in ihr -auch die große Liebe unserer Mütter, so wie sich hinter dem Opfer Christi im Abendmahlssaal die unaussprechliche Liebe seiner Mutter verbarg. 0, wie wirklich und zugleich diskret ist die Mütterlichkeit und dank ihr die Weiblichkeit im Weihesakrament gegenwärtig, das wir jedes Jahr am Gründonnerstag feierlich erneuern!

4. Christus Jesus ist der einzige Sohn der seligen Jungfrau Maria. Wir verstehen gut die Bedeutung dieses Geheimnisses: so mußte es sein, daß ein durch seine Göttlichkeit so einzigartiger Sohn nur der einzige Sohn seiner jungfräulichen Mutter sein konnte. Aber gerade diese Einzigartigkeit stellt sich gewissermaßen als beste "Garantie" für eine geistliche "Vielfalt" heraus. Christus, wahrer Mensch und zugleich ewiger und eingeborener Sohn des himmlischen Vaters, hat eine unermeßliche Zahl geistlicher Brüder und Schwestern. Denn die Familie Gottes umfaßt ja alle Menschen: nicht nur jene, die durch die Taufe zu Adoptivkindern Gottes werden, sondern in gewissem Sinn die ganze Menschheit, weil Christus dadurch, daß Er ihnen die Möglichkeit bot, zu Adoptivsöhnen und -töchtern des ewigen Vaters zu werden, alle Männer und Frauen erlöst hat. So werden wir alle in Christus zu Brüdern und Schwestern.

Und da taucht denn am Horizont unserer Überlegung zur Beziehung zwischen Priester und Frau neben der Gestalt der Mutter jene der Schwester auf. Dank der Erlösung hat der Priester auf eine besondere Weise an der von Christus allen Erlösten angebotenen geschwisterlichen Beziehung teil.

Viele von uns Priestern haben Schwestern in der Familie. Auf jeden Fall hatte jeder Priester von Kind an Gelegenheit, Mädchen zu begegnen, wenn nicht in der eigenen Familie, so wenigstens in der Nachbarschaft, bei Kinderspielen und in der Schule. Eine Form gemischter Gemeinschaft besitzt eine enorme Bedeutung für die Formung der Persönlichkeit der jungen und Mädchen.

Wir berühren hier den Urplan des Schöpfers, der am Anfang den Menschen "als Mann und Frau" schuf (vgl. Gen 1, 27). Dieser göttliche Schöpfungsakt geht von Generation zu Generation weiter. Das Buch Genesis spricht davon im Zusammenhang mit der Berufung zur Ehe. "Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau" (2, 24). Die Berufung zur Ehe setzt natürlich voraus und erfordert, daß die Umgebung, in der man lebt, aus Männern und Frauen besteht.

In diesem Rahmen entstehen jedoch nicht nur die Berufungen zur Ehe, sondern auch die zum Priestertum und Ordensleben. Sie bilden sich nicht in der Isolation heraus. Jeder Priesteramtskandidat hat, wenn er die Schwelle des Seminars überschreitet, die Erfahrung seiner Familie und der Schule hinter sich, wo er Gelegenheit hatte, vielen Gleichaltrigen männlichen und weiblichen Geschlechts zu begegnen. Um reif und gelassen im Zölibat zu leben, erscheint es besonders wichtig, daß der Priester in seinem Innersten das Bild der Frau als Schwester entwickelt. In Christus sind Männer und Frauen unabhängig von ihren verwandtschaftlichen Banden Brüder und Schwestern. Es handelt sich um eine allgemeine Verbundenheit, dank der sich der Priester jedem neuen, selbst dem unter ethnischem oder kulturellem Gesichtspunkt fernstehendsten Umfeld im Bewußtsein zu öffnen vermag, den Menschen gegenüber, zu denen er gesandt ist, ein Amt echter geistlicher Vaterschaft auszuüben, das ihm "Söhne" und "Töchter" im Herrn vermittelt (vgl. 1 Thess 2, 11; Gal 4, 19).

5. Zweifellos stellt "die Schwester" einen spezifischen Ausdruck der geistigen Schönheit der Frau dar; aber sie ist zugleich Offenbarung einer ihr eigenen "Unberührbarkeit". Wenn der Priester mit Hilfe der göttlichen Gnade und unter dem besonderen Schutz Mariens, der Jungfrau und Mutter, in diesem Sinne seine Haltung gegenüber der Frau reifen läßt, wird er erleben, daß sein Dienst von einem Gefühl großen Vertrauens gerade von seiten der Frauen begleitet wird, Frauen, die von ihm in den verschiedenen Altersstufen und Lebenssituationen als Schwestern und Mütter gesehen werden.

Beachtliche Bedeutung erlangt die Gestalt der Frau als Schwester in unserer christlichen Zivilisation, wo unzählige Frauen dank der typischen Haltung, die sie dem Nächsten, besonders dem Notleidenden gegenüber angenommen haben, zu Schwestern aller geworden sind. Eine "Schwester" bedeutet Gewähr für Unentgeltlichkeit: in der Schule, im Krankenhaus, im Gefängnis und in anderen Bereichen der sozialen Dienste. Wenn eine Frau unverheiratet bleibt, entfaltet sie in ihrer "Hingabe als Schwester" durch den apostolischen Einsatz oder die großherzige Hingabe an den Nächsten eine besondere Mütterlichkeit im geistigen Sinn. Diese selbstlose Gabe "schwesterlicher" Weiblichkeit erleuchtet das menschliche Dasein, weckt die edelsten Gefühle, deren der Mensch fähig ist, und hinterläßt immer eine Spur von Erkenntnis für das unentgeltlich dargebotene Gute.

So sind also Mutter und Schwester die beiden Grunddimensionen der Beziehung zwischen Frau und Priester. Wenn diese Beziehung auf ungezwungene und reife Weise aufgebaut wird, wird die Frau bei ihren Kontakten mit dem Priester keine besonderen Schwierigkeiten haben. So zum Beispiel, wenn sie im Bußsakrament ihre Schuld bekennt. Noch weniger wird sie auf Schwierigkeiten stoßen, wenn sie zusammen mit Priestern apostolische Tätigkeiten verschiedener Art übernimmt. jeder Priester hat daher die große Verantwortung, in sich eine echte brüderliche Haltung gegenüber der Frau zu entwickeln, eine Haltung, die keine Zweideutigkeit zuläßt. Aus dieser Sicht empfiehlt der Apostel seinem Schüler Timotheus, "ältere Frauen wie Mütter, jüngere wie Schwestern, in aller Zurückhaltung" zu behandeln (1 Tim 5, 2).

Als Christus - wie der Evangelist Matthäus schreibt - sagte, der Mensch könne um des Himmelreiches willen ehelos bleiben, waren die jünger bestürzt (vgl. 19, 10-12). Kurz vorher hatte Er die Ehe für unauflöslich erklärt, und bereits diese Wahrheit hatte bei ihnen eine bezeichnende Reaktion ausgelöst: "Wenn das die Stellung des Mannes in der Ehe ist, dann ist es nicht gut zu heiraten" (Mt 19, 10). Wie man sieht, ging ihre Reaktion, was die Logik der Treue betraf, von der sich Jesus leiten ließ, in die entgegengesetzte Richtung. Aber der Meister nutzt auch dieses Unverständnis aus, um in den engen Horizont ihrer Denkweise die Perspektive der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen einzuführen. Damit will Er deutlich machen, daß die Ehe eine eigene Würde und sakramentale Heiligkeit besitzt und daß es trotzdem für den Christen noch einen anderen Weg gibt: einen Weg, der nicht Flucht vor der Ehe ist, sondern beuwßte Wahl der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen.

So gesehen, kann die Frau für den Priester nur eine Schwester sein, und diese ihre Würde als Schwester muß von ihm bewußt gepflegt werden. Der Apostel Paulus, der zölibatär lebte, schreibt im ersten Brief an die Korinther: "Ich wünschte, alle Menschen wären (unverheiratet) wie ich.

Doch jeder hat seine Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so" (7, 7). Für ihn besteht kein Zweifel: sowohl die Ehe wie die Ehelosigkeit sind Gnadengaben Gottes, die eifrig gehütet und gepflegt werden müssen. Dadurch, daß er die Überlegenheit der Jungfräulichkeit betont, will Er keinesfalls die Ehe abwerten. Beiden entspricht ein spezifisches Charisma; jede von ihnen ist eine Berufung, die der Mensch mit Hilfe der Gnade Gottes in seiner Existenz zu erkennen imstande sein muß.

Die Berufung zur Ehelosigkeit verlangt eine bewußte Verteidigung, mit besonderer Wachsamkeit über die Gefühle und das gesamte eigene Verhalten. Im besonderen verteidigen muß seine Berufung der Priester, der gemäß der in der abendländischen Kirche geltenden und von der Ostkirche sehr geschätzten Regelung sich im Hinblick auf das Reich Gottes für die Ehelosigkeit entschieden hat. Würden in der Beziehung zu einer Frau das Geschenk und die Wahl der Ehelosigkeit Gefahren ausgesetzt, dürfte es der Priester nicht unterlassen zu kämpfen, um seiner Berufung treu zu bleiben. Eine solche Verteidigung würde nicht bedeuten, daß die Ehe an sich etwas Schlechtes ist, sondern daß sein Weg ein anderer ist. Ihn zu verlassen wäre in seinem Fall ein Wortbruch gegenüber Gott.

Das Gebet des Herrn: "Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen" gewinnt im Zusammenhang mit der von Elementen des Hedonismus, des Egozentrismus und der Sinnlichkeit erfüllten modernen Zivilisation einen einzigartigen Sinn. Bedauerlicherweise nimmt die Pornographie überhand, die die Würde der Frau erniedrigt und sie ausschließlich als Objekt sexueller Lust behandelt. Diese Aspekte der heutigen Zivilisation begünstigen sicherlich weder die eheliche Treue noch die Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen. Wenn der Priester nicht in sich echte Haltungen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu Gott fördert, kann er leicht den Rufen nachgeben, die ihn aus der Welt erreichen. Wie sollte ich mich also an euch, liebe Brüder im Priesteramt, wenden, ohne euch heute, am Gründonnerstag zu ermahnen, dem Geschenk des Zölibats treu zu bleiben, das uns von Christus angeboten wurde? In ihm ist ein geistliches Gut enthalten, das jedem einzelnen und der ganzen Kirche gehört.

In den Gedanken und im Gebet sind gerade heute ganz besonders unsere Brüder im Priesteramt anwesend, die auf diesem Gebiet Schwierigkeiten begegnen, und alle, die wegen einer Frau den priesterlichen Dienst aufgegeben haben. Der seligsten Jungfrau Maria, Mutter der Priester, und der Fürbitte der zahllosen heiligen Priester in der Geschichte der Kirche empfehlen wir den schwierigen Augenblick, den sie durchmachen, und bitten für sie um die Gnade der Rückkehr zum ursprünglichen Eifer (vgl. Ofjb 2, 4-5). Die Erfahrung meines Amtes - und ich glaube, das gilt für jeden Bischof - bestätigt, daß solche Wiederaufnahmen vorkommen und daß sie auch heute gar nicht so selten sind. Gott bleibt dem Bund treu, den Er im Weihesakrament mit dem Menschen schließt.

6. An dieser Stelle möchte ich das noch weitreichendere Thema der Rolle ansprechen, die die Frau beim Aufbau der Kirche zu entfalten berufen ist. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in den Kapiteln II und III der Konstitution Lumen gentium voll und ganz die Denkweise des Evangeliums getroffen, wenn es die Kirche zuerst als Volk Gottes und erst danach als hierarchische Verfassung darstellt. Sie ist vor allem Volk Gottes weil alle, die sie bilden, Männer und Frauen - jeder auf die ihm eigene Weise -, an der prophetischen, priesterlichen und königlichen Sendung Christi teilhaben. Während ich zum Lesen der genannten Konzilstexte neu einlade, will ich mich hier, ausgehend vom Evangelium, auf einige kurze Betrachtungen beschränken.

Unmittelbar vor der Himmelfahrt gebietet Christus den Aposteln: "Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!" (Mk 16, 15). Verkündigung des Evangeliums ist Erfüllung der prophetischen Sendung, die in der Kirche verschiedene Formen annimmt, entsprechend dem einem jeden geschenkten Charisma (vgl. Eph 4, 11-13). Da es sich bei jener Gelegenheit um die Apostel und ihren besonderen Auftrag handelt, sind es Männer, denen diese Aufgabe übertragen wird; wenn wir aber die Evangelienberichte, besonders den des Johannes, aufmerksam lesen, maß uns die Tatsache auffallen, daß die prophetische Sendung, wenn man sie in ihrer ganzen vielfältigen Fülle betrachtet, auf Männer und Frauen verteilt wird. Man denke zum Beispiel an die Samariterin und ihr Gespräch mit Christus am Jakobsbrunnen von Sychar (vgl. Joh 4, 1-42): ihr, einer "Samariterin" und obendrein einer "Sünderin", offenbart Jesus die Tiefgründigkeiten der wahren Verehrung Gottes, für den nicht der Ort ausschlaggebend ist, sondern die Haltung der Anbetung im Geist und in Wahrheit.

Und was läßt sich von den Schwestern des Lazarus, Maria und Marta, sagen? In bezug auf die "kontemplative" Maria merken die Synoptiker den Vorrang an, den Christus der Kontemplation gegenüber der Aktion zuerkennt (vgl. Lk 10, 42). Noch wichtiger ist aber, was der hl. Johannes im Zusammenhang mit der Auferweckung ihres Bruders Lazarus schreibt. In diesem Fall ist es Marta, die "aktivere" der beiden, der Jesus die tiefen Geheimnisse seiner Sendung offenbart: Ach bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt" (Joh 11, 25-26). In diesen an eine Frau gerichteten Worten ist das Ostergeheimnis enthalten.

Aber gehen wir weiter im Bericht der Evangelien und treten in die Passionsgeschichte ein- Ist es etwa nicht eine unbestreitbare Tatsache, daß gerade die Frauen Christus auf dem Kreuzweg und in der Stunde des Todes am nächsten waren? Ein Mann, Simon von Zyrene, wird gezwungen, das Kreuz zu tragen (vgl. Mt 27, 32); zahlreiche Frauen aus Jerusalem bezeigen ihm jedoch spontan auf der "via crucis" ihr Mitgefühl (vgl. Lk 23, 27). Die Gestalt der Veronika ist zwar nicht biblisch, bringt jedoch treffend die Gefühle der Frauen von Jerusalem auf der via dolorosa zum Ausdruck.

Unter dem Kreuz steht nur ein Apostel, Johannes, Sohn des Zebedäus, während mehrere Frauen dort sind (vgl. Mt 27, 55-56): die Mutter Christi, die ihn der Überlieferung nach auf dem Weg zum Kalvarienberg begleitet hatte; Salome, die Mutter der Söhne des Zebedäus, Johannes und Jakobus; Maria, Mutter des Jakobus des jüngeren und des Josef; und Maria aus Magdala. Sie alle sind unerschrockene Zeugen des Todeskampfes Jesu; alle sind auch im Augenblick der Salbung und Grablegung seines Leichnams zugegen. Nach dem Begräbnis, als sich der Tag vor dem Sabbat dem Ende zuneigt, gehen sie weg, allerdings mit dem nahezu einstimmigen Vorsatz zurückzukehren. Und sie werden die ersten sein, die sich am Tag nach dem Fest früh morgens zum Grab begeben. Sie werden die ersten Zeugen des leeren Grabes sein und sie werden darüber auch die Apostel benachrichtigen (vgl. Joh 20, 1-2). Maria Magdalena, die weinend beim Grab geblieben war, begegnet als erste dem Auferstandenen, der sie als erste Verkünderin seiner Auferstehung zu den Aposteln schickt (vgl. Joh 20, 11-18). Mit Recht stellt daher die östliche Überlieferung Magdalena den Aposteln fast gleich, hat sie doch als erste die Wahrheit von der Auferstehung verkündet, worauf ihr dann die Apostel und die jünger Christi folgten.

So haben also die Frauen neben den Männern auch an der prophetischen Sendung Christi teil. Und dasselbe läßt sich über ihre Teilhabe an seiner priesterlichen und königlichen Sendung sagen. Mit dem allgemeinen Priestertum der Gläubigen und der königlichen Würde sind Männer und Frauen ausgestattet. Äußerst aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang das aufmerksame Lesen der Abschnitte des ersten Petrusbriefes (2 ' 9-10) und der Konzilskonstitution Lumen gentium (Nr. 10-12; 34-36).

7. In diesem Konzilsdokument folgt auf das Kapitel über das Volk Gottes jenes über die hierarchische Verfassung der Kirche. Darin ist die Rede vom Amtspriestertum, zu dem nach dem Willen Christi nur die Männer zugelassen sind. Die Tatsache, daß eine Frau nicht die Priesterweihe empfangen kann, wird heute in manchen Kreisen als eine Form von Diskriminierung ausgelegt. Aber trifft das wirklich zu?

Die Frage könnte sicherlich dann in dieser Formulierung gestellt werden, wenn das hierarchische Priestertum eine privilegierte, von der Ausübung von "Macht" geprägte gesellschaftliche Stellung bezeichnen würde. Aber so ist es nicht: das Amtspriestertum ist im Plan Christi nicht Ausdruck von Herrschaft, sondern von Dienst. Wer es als "Herrschaft" interpretieren würde, wäre mit Sicherheit weit entfernt von der Absicht Christi, der im Abendmahlssaal das Letzte Abendmahl damit begann, den Aposteln die Füße zu waschen. Auf diese Weise stellte er den "Dienstcharakter" des an eben jenem Abend eingesetzten Priestertums eindrucksvoll heraus. "Denn der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele" (Mk 10, 45).

Ja, das Priestertum, dessen wir heute mit so großer Verehrung als unseres besonderen Erbes gedenken, liebe Brüder, ist ein Priestertum des Dienstes! Wir dienen dem Volk Gottes! Wir dienen seiner Sendung! Dieses unser Priestertum muß die Teilhabe aller - Männer und Frauen - an der dreifachen prophetischen, priesterlichen und königlichen Sendung Christi gewährleisten. Und nicht nur das Weihesakrament ist Dienst: Dienst ist vor allem die Eucharistie selbst. Mit den Worten: "Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird ( ... ) . Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird" (Lk 22, 19.20) macht Christus seinen größten Dienst offenbar: den Dienst der Erlösung, in dem der eingeborene und ewige Sohn Gottes im vollsten und tiefsten Sinn Diener des Menschen wird.

8. Neben dem Diener Christus können wir diejenige nicht vergessen, die "die Magd" ist, Maria. Der, 1-A. Lukas berichtet uns, daß die Jungfrau im entscheidenden Augenblick der Verkündigung ihr "fiat" mit den Worten bekundete: "Siehe, ich bin die Magd des Herrn" (Lk 1, 38). Die Beziehung zwischen Priester und Frau als Mutter und Schwester wird durch die marianische Überlieferung um einen weiteren Aspekt bereichert: den des Dienstes in Nachahmung Mariens als Magd. Wenn das Priestertum seiner Natur nach Dienst ist, muß es in Einheit mit der Mutter, die die Magd des Herrn ist, gelebt werden. Unser Priesterum wird also in ihren Händen, ja in ihrem .Herzen behütet werden, und wir werden es allen öffnen können. Auf diese Weise wird es in jeder seiner Dimensionen fruchtbar und heilbringend sein.

Möge die heilige Jungfrau an diesem jährlichen Fest unseres Priestertums mit besonderer Liebe auf uns alle, ihre geliebten Söhne, blicken. Sie senke uns vor allem eine große Sehnsucht nach Heiligkeit ins Herz. Ich schrieb in dem Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis: "Die Neuevangelisierung braucht neue Verkünder, und das sind die Priester, die sich verpflichten, ihr Priestertum als besonderen Weg zur Heiligkeit zu leben" (Nr. 82). Der Gründonnerstag, der uns zu den Ursprüngen unseres Priestertums zurückführt, erinnert uns auch an die Verpflichtung, nach Heiligkeit zu streben, um für die Männer und Frauen, die unserem pastoralen Dienst anvertraut sind, "Diener an der Heiligkeit" zu sein. In diesem Licht erscheint der von der Kongregation für den Klerus angeregte Vorschlag äußerst angebracht, in jeder Diözese anläßlich des Herz - Jesu- Festes oder an einem anderen, den örtlichen pastoralen Bedürfnissen und Gewohnheiten besser entsprechenden Datum einen "Tag für die Heiligung der Priester" zu begehen. Ich mache mir diesen Vorsclag mit dem Wunsch zu eigen, daß ein solcher Tag den Priestern helfen möge, in immer vollkommenerer Anpassung an das Herz des Guten Hirten zu leben.

Indem ich auf euch alle den Schutz Mariens, der Mutter der Kirche, der Mutter der Priester herabflehe, segne ich euch von ganzem Herzen.

Aus dem Vatikan, am 25. März 1995, dem Hochfest der Verkündigung des Herrn.
Johannes Paul II. PP.