Satis cognitum (Wortlaut)
Satis cognitum |
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unseres Heiligen Vaters
Leo XIII.
durch göttliche Vorsehung Papst
an alle Ehrwürdigen Brüder, die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe
der katholischen Welt, die in Gnade und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle stehen
über die Einheit der Kirche
29. Juni 1896
(Quelle : Heilslehre der Kirche, Dokumente von Pius IX. bis Pius XII. Deutsche Ausgabe des französischen Originals von P. Cattin O.P. und H. Th. Conus O.P. besorgt von Anton Rohrbasser, Paulus Verlag Freiburg Schweiz 1953, S. 355-396; Imprimatur Friburgi Helv., die 22. maii 1953 L. Weber V. G; Die Nummerierung folgt der englischen Fassung [1])
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist |
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Gottes weise Vorsehung in der Kirche
- 3 Christi Gründerwille bezüglich der Kirche
- 4 Schluss: Mahnruf an die Gläubigen und Abseitsstehenden
- 5 Anmerkungen
Einleitung
Ziel: Vertiefung der Liebe zur Kirche
1 Es ist Euch zur Genüge bekannt, dass der Wunsch, die Irrenden zu jener Herde zurückzuführen, welche der Gewalt Jesu Christi, des obersten Seelenhirten, untersteht, einen beträchtlichen Teil Unserer Gedanken und Sorgen ausmacht. Mit diesem Anliegen beschäftigt, glaubten Wir, zur Verwirklichung dieses Heilswerkes einen wesentlichen Beitrag leisten zu können, indem Wir das Bild der Kirche in ihren Hauptzügen darstellen. Der erste und beachtenswerteste dieser Züge ist jedoch die Einheit, die der göttliche Gründer der Kirche als Merkmal der Wahrheit und unüberwindlichen Kraft ihr für alle Zeiten eingeprägt hat. Wer die Kirche betrachtet, muss von der ihr angeborenen Schönheit und Pracht mächtig beeindruckt werden; und es ist wohl anzunehmen, dass bei Betrachtung der Kirche die Unwissenheit schwindet und diesbezügliche falsche Ansichten und Vorurteile überwunden werden. Ja, es kann sich sogar im Herzen der Menschen eine Liebe zur Kirche entzünden, ähnlich jener Liebe, mit der Jesus Christus sie um den Preis seines göttlichen Blutes erkauft und sich zur Braut auserkoren hat. Denn Christus hat die Kirche geliebt und sich selbst für sie dahingegeben (1).
Ziel: Rückführung der Getrennten
Wer die Kirche bisher nicht recht erkannt oder aus eigener Schuld verlassen hat, muss die Rückkehr zur liebenden Mutter zwar nicht wie Christus mit dem eigenen Blut, aber doch mit einiger, wenn auch geringerer Mühe und Beschwerde bezahlen. Dabei wird es jedermann einleuchten, dass dieses Opfer dem Menschen nicht von Menschen, sondern durch Gottes Befehl und Anordnung auferlegt wurde. Aus eben diesem Grunde wird man auch mit Hilfe der göttlichen Gnade leicht an sich selber erfahren und einsehen, wie wahr Gottes Wort ist: Mein Joch ist sanft und meine Bürde ist leicht (2). Deshalb setzen Wir Unsere feste Hoffnung auf den Vater des Lichtes, von dem jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk herabkommt (3), und inständig bitten Wir ihn, der allein das Wachstum gibt (4), er möge Uns gnädig die Kraft der Überzeugung verleihen.
Gottes weise Vorsehung in der Kirche
Durch die Menschwerdung wurde Gott sichtbar
2 Obgleich Gott alles, was durch Geschöpfe zustande kommt, auch durch eigene Kraft vollbringen kann, so hat er doch im gnädigen Ratschluss seiner Vorsehung es vorgezogen, den Menschen seine Hilfe durch Menschen zukommen zu lassen; wie Gott in der rein natürlichen Ordnung die Menschen gewöhnlich nur mit Hilfe und unter Mitwirkung von Menschen zu ihrer naturgemäßen Vollendung gelangen lässt, ebenso verhält es sich in der übernatürlichen Ordnung mit der Heiligung und Rettung des Menschen. Nun aber ist es klar, dass der Mensch dem Mitmenschen nichts vermitteln kann, außer durch äußere und sinnlich wahrnehmbare Zeichen. Darum hat der Sohn Gottes die menschliche Natur angenommen, er, der sich, da er in Gottes Gestalt war ..., selbst entäußerte, Knechtsgestalt annahm und den Menschen gleich wurde (5). Auf diese Weise hat er während seines irdischen Daseins den Menschen seine Lehre und seine Gebote mündlich mitgeteilt.
Wesen und Eigenart der Kirche
Zugleich sichtbar und unsichtbar
3 Da sein göttliches Werk ewig und beständig sein sollte, hat er sich einige Jünger als Anhänger seiner Lehre zugesellt und sie mit seiner Gewalt ausgestattet; und nachdem er den Geist der Wahrheit vom Himmel auf sie herabgefleht hatte, befahl er ihnen, den Erdkreis zu durchwandern und seine Lehren und Vorschriften allen Völkern getreu zu verkünden, damit sich die Menschheit durch den Glauben an seine Lehre und durch den Gehorsam gegen seine Gesetze die Heiligkeit auf Erden und die ewige Seligkeit im Himmel erwerbe.
Als Gottes Heilswerk unter den Menschen
Auf diese Weise und nach diesen Grundsätzen ist die Kirche entstanden. Wenn wir ihren letzten Zweck sowie ihre zur Heiligkeit führende Wirksamkeit ins Auge fassen, so ist sie selbstverständlich rein geistiger Natur; wenn wir aber ihre Mitglieder betrachten, sowie die Mittel, wodurch uns die geistlichen Gaben zuteil werden, so tritt sie äußerlich und notwendigerweise sichtbar in Erscheinung: Das Predigtamt empfingen die Apostel durch sichtbare und hörbare Zeichen, und sie übten dieses Amt auch nur aus durch Worte und Taten, die gleichfalls sinnenfällig waren. So klang ihr Wort von außen an das Ohr und erweckte in den Seelen den Glauben: Der Glaube kommt aus dem Hören, das Hören aber von der Predigt des Wortes Jesu Christi (6). Dieser Glaube nun, der eine zustimmende Anerkennung der ersten und höchsten Wahrheit ist, vollzieht sich zwar an und für sich im Geiste, er muss jedoch nach außen hervortreten durch ein offenes Bekenntnis: Mit dem Herzen glaubt man zur Gerechtigkeit, mit dem Munde aber geschieht das Bekenntnis zum Heil (7).
Ebenso gibt es nichts, was tiefer im Innern des Menschen verankert wäre, als die himmlische Gnade, welche die Heiligung bewirkt; die gewöhnlichen und vorzüglichsten Gnadenmittel hingegen sind äußerlich. Wir meinen die Sakramente, die von eigens beauftragten Menschen mittels bestimmter äußerer Handlungen gespendet werden. Jesus Christus befahl den Aposteln und ihren ständigen Nachfolgern, die Völker zu lehren und zu leiten; den Völkern aber befahl er, die Lehre der Apostel anzunehmen und sich ihrer Gewalt in Gehorsam zu unterwerfen. Jenes gegenseitige Verhältnis von Rechten und Pflichten konnte jedoch in der Gemeinschaft der Christen nicht Bestand haben, ja nicht einmal eingeführt werden ohne die Vermittlung der Sinne, die uns Kenntnis und Kunde von den Dingen geben.
Als geheimnisvoller Leib Christi
Aus diesem Grunde wird die Kirche in der Heiligen Schrift oft als Leib, und auch als Leib Christi bezeichnet: Ihr aber seid der Leib Christi (8). Gerade weil die Kirche ein Leib ist, ist sie mit den Augen wahrnehmbar; weil sie aber der Leib Christi ist, so ist sie ein lebendiger, selbsttätiger und wachsender Leib, denn Jesus Christus schützt und erhält ihn durch seine Kraft; ähnlich wie der Weinstock die mit ihm verbundenen Rebzweige nährt und fruchtbar macht. Und wie bei den Lebewesen das Lebensprinzip zwar unsichtbar und durchaus verborgen ist, sich aber deutlich offenbart in der Bewegung und Tätigkeit ihrer Glieder, so tritt auch in der Kirche das Prinzip des übernatürlichen Lebens klar in Erscheinung durch die Werke, die sie vollbringt.
Zugleich menschlich und göttlich
Daraus ergibt sich, dass jene in einem großen und gefährlichen Irrtum befangen sind, die sich nach Willkür eine verborgene und ganz unsichtbare Kirche ausdenken; genau wie jene, die in ihr irgendeine menschliche Anstalt sehen wollen mit einer Art äußerer Disziplin und einem äußeren Kultus, aber ohne immerwährende Vermittlung göttlicher Gnaden, ohne jene Zeichen, die täglich offenkundig dartun, dass die Kirche ihr Leben aus Gott empfängt.
Die Kirche kann nämlich nicht eins ohne das andere sein; das wäre ebenso widersinnig wie die Behauptung, der Mensch sei nur Leib oder nur Seele. Die Vereinigung und Zusammengehörigkeit dieser zwei Bestandteile ist zum Wesen der wahren Kirche ebenso notwendig, wie etwa die innige Vereinigung von Seele und Leib für die menschliche Natur. Die Kirche ist nicht etwas Lebloses, sondern der mit übernatürlichem Leben ausgestattete Leib Christi. Christus, ihr Haupt und Vorbild, wäre auch nicht vollständig, wollten wir in ihm nur die sichtbare menschliche Natur erblicken, wie ein Photius und ein Nestorius, oder nur die unsichtbare göttliche Natur, wie die Monophysiten. Er ist vielmehr ein Wesen aus beiden und in beiden Naturen, der sichtbaren wie der unsichtbaren. So ist auch sein mystischer Leib nur deshalb die wahre Kirche, weil ihre sichtbaren Bestandteile Kraft und Leben empfangen aus den übernatürlichen Gnaden und jenen übrigen Gaben, aus denen ihr eigentümliches Wesen und ihre Natur hervorgeht.
Zugleich zeitlich und überzeitlich
Da aber die Kirche nach Gottes Willen und Anordnung so beschaffen ist, muss sie auch stets so beschaffen bleiben für alle Zeiten; andernfalls wäre sie nicht für alle Zeiten gegründet, und der Zweck, den sie anstrebt, wäre räumlich und zeitlich beschränkt; beides steht aber mit der Wahrheit in Widerspruch. Jene Verbindung von sichtbaren und unsichtbaren Bestandteilen muss so lange fortdauern, als die Kirche bestehen soll, denn sie gehört zum Wesen der Kirche und ist ihr durch Gottes Willen verliehen. Deshalb sagt der heilige Chrysostomus: „Trenne dich nicht von der Kirche, denn nichts ist so stark wie die Kirche. Die Kirche ist deine Hoffnung, die Kirche dein Heil, die Kirche dein Zufluchtsort. Sie steht höher als der Himmel und ist größer als die Erde. Sie altert nie, stets bleibt sie jung an Kraft. Um daher ihre Festigkeit und Dauerhaftigkeit zu schildern, nennt sie die Heilige Schrift einen Berg (9). Und Augustinus lehrt: „Sie (die Heiden) meinen, die christliche Religion werde nur auf bestimmte Zeit in dieser Welt bestehen, und dann nicht mehr sein. Sie wird aber bestehen, solange die Sonne auf- und untergeht, d. h. solange die Zeiten dauern, wird auch die Kirche Gottes, nämlich der mystische Leib Christi, auf Erden bestehen (10). An einer anderen Stelle sagt derselbe Lehrer: „Die Kirche wird wanken, wenn ihr Fundament wanken sollte; aber wie wäre es möglich, dass Christus wanken sollte? ... Solange Christus nicht wankt, wird sie in Ewigkeit nicht erschüttert. Wo sind jene, die sagen, die Kirche sei aus der Welt verschwunden, da die Kirche nicht einmal erschüttert werden kann?“ (11)
Christi Gründerwille bezüglich der Kirche
Christus gründete eine einzige Kirche
Wer die Wahrheit sucht, muss auf diesen Grundlehren aufbauen: Christus hat die Kirche gegründet und eingerichtet. Will man also untersuchen, welches ihr Wesen ist, so muss man vor allem wissen, was Christus gewollt und tatsächlich getan hat. Gemäß dieser Norm ist insbesondere die Einheit der Kirche zu bestimmen, von der Wir zum allgemeinen Nutzen in diesem Schreiben einiges sagen wollen.
Richtiger Begriff von der Einheit
4 Tatsächlich geht die Einheit der wahren Kirche Jesu Christi nach jedermanns Urteil so klar aus den herrlichen und zahlreichen Zeugnissen der Heiligen Schrift hervor, dass kein Christ sie zu bestreiten wagt. Aber in der näheren Beurteilung und genaueren Bestimmung des Wesens dieser Einheit hat vielfacher Irrtum manche vom rechten Wege abgebracht. Nicht nur die Gründung der Kirche, sondern auch ihre Verfassung gehört zu den Werken, die aus einem freien Willensakt hervorgehen. Deshalb hat die Beurteilung sich einzig an das zu halten, was wirklich geschehen ist, und sie hat nicht zu untersuchen, welche Form die Einheit der Kirche etwa haben könnte, sondern welche Einheit ihr Stifter beabsichtigt hat.
Fassen wir das ins Auge, was wirklich geschehen ist, so hat Christus die Kirche nicht in der Weise gebildet und gestaltet, als sollte sie eine Vereinigung von mehreren Gemeinschaften sein, die zwar einander in der Art ähnlich wären, sich aber von einander unterscheiden würden und nicht durch solche Bande geeint wären, welche die eine und einzige Kirche bilden könnten, in dem Sinne, wie wir im Glaubensbekenntnis sagen: „Ich glaube an die eine ... Kirche“.
„Zur Einheit ist die Kirche ihrem Wesen nach bestimmt, da sie auch wirklich einzig und eins ist, aber die Irrlehrer wollen sie in viele Kirchen zerstückeln. Wir sagen also, die alte und katholische Kirche ist nur eine einzige ihrem Wesen und ihrer Überzeugung nach, ihrem Ursprung und ihrer Würde nach. Die erhabene Würde der Kirche wie der Grundgedanke ihres Aufbaues stammt übrigens aus der Einheit und übertrifft alles andere und hat nicht ihresgleichen“ (12). Als Jesus Christus von diesem mystischen Bau sprach, erwähnte er nur eine Kirche, er nannte sie Seine Kirche: Ich werde meine Kirche bauen (13). Jede andere außer dieser, welche auch immer man sich denken mag, kann die wahre Kirche Christi nicht sein, da sie nicht von Christus gestiftet ist.
Begründung dieser Einheit=
Noch klarer leuchtet dies ein, wenn man den Plan des göttlichen Stifters ins Auge fasst. Was hat Christus der Herr mit der Kirche oder mit der Stiftung der Kirche bezweckt; welches war seine Absicht? Nur dieses eine: er wollte dasselbe Amt und denselben Auftrag, die er vom Vater empfangen, für immer der Kirche übertragen. Das hat er gewollt, das hat er auch tatsächlich ausgeführt. Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch (14). Wie du mich in die Welt gesandt hast, so sende auch ich sie in die Welt (15). Nun besteht aber Christi Aufgabe darin, vom Wege des Unheils auf den Weg des Heiles zurückzuführen, was verloren war (16), das heißt nicht bloß einige Völker und Ortschaften, sondern die ganze Menschheit ohne Unterschied des Ortes und der Zeit: Der Menschensohn ist gekommen. .., damit die Welt durch ihn gerettet werde (17). Denn es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, in dem wir selig werden sollen (18). Deshalb muss die Kirche das durch Jesus Christus erworbene Heil, sowie alle Gnaden, die daraus hervorgehen, allen Menschen und allen Zeiten in reichem Maße vermitteln. Eben darum muss sie gemäß dem Willen ihres Stifters in allen Weltteilen und für alle Zeiten dieselbe sein. Wenn es noch eine andere Kirche geben könnte, so müsste man die Grenzen der Erde verlassen und eine neue, unbekannte Menschheit ersinnen.
Diese Eigenschaft der einen, alle Menschen aller Zonen und aller Zeiten umfassenden Kirche sah und prophezeite Isaias, als er in die Zukunft schauend die Gestalt eines Berges von gewaltigem Ausmaß erblickte, der das Bild des Hauses Gottes, d. h. der Kirche darstellte: Und in den letzten Zeiten wird der Berg des Hauses des Herrn auf dem Gipfel der Berge errichtet (19). Nun ist es aber nur ein Berg, der auf dem Gipfel der Berge steht; ein Haus des Herrn, zu dem einst alle Völker zusammenströmen, um zu erfahren, nach welchem Gesetze sie leben sollen: Und es werden hinströmen zu ihm alle Völker ... und sie werden sagen: Kommt, lasset uns hinaufsteigen zum Berge des Herrn und zum Hause Jakobs, und er wird uns seine Wege lehren, und wir werden wandeln auf seinen Pfaden (20). Optatus von Mileve bemerkt zu dieser Stelle: „ Es steht geschrieben beim Propheten Isaias: Von Sion wird das Gesetz ausgehen und von Jerusalem das Wort des Herrn. - Nicht also auf jenem Berge Sion sieht Isaias ein Tal, wohl aber auf dem heiligen Berg, der da ist die Kirche, die, soweit der Himmel reicht, über das ganze römische Reich hoch hinausragt ... Es ist also das geistige Sion der Kirche, in der Christus von Gott Vater zum König eingesetzt ist; sie ist über die ganze Erde verbreitet, auf der es somit nur eine katholische Kirche gibt“ (21). Und der heilige Augustinus sagt: „Was fällt mehr in die Augen als ein Berg? Aber es gibt auch Berge, die unbekannt sind, weil sie nur an einem Ort der Erde stehen ... Nicht so jener Berg, denn er hat die ganze Oberfläche der Erde eingenommen; von ihm heißt es, er stehe auf dem Gipfel der Berge“ (22).
5 Dazu kommt noch, dass der Sohn Gottes die Kirche zu seinem mystischen Leibe gemacht hat, mit dem er als das Haupt sich verband, ähnlich wie mit dem menschlichen Leibe, den er annahm, kraft des natürlichen Bandes auch ein entsprechendes Haupt verbunden ist. Wie er nur einen sterblichen Leib annahm, den er im Tod am Kreuze zum Opfer brachte, um den Lösepreis für die Rettung der Menschheit zu entrichten, so hat er auch nur einen mystischen Leib, in dem und durch den er uns Menschen heiligt und uns ewiges Heil verleiht. Ihn (Christus) hat er (Gott) zum Haupt gesetzt über die ganze Kirche, die sein Leib ist (23).
Zerstreute und losgerissene Glieder können aber nicht einen Leib bilden, noch mit einem und demselben Haupte verbunden sein. Der heilige Paulus sagt allerdings: Alle Glieder des Leibes, obgleich ihrer viele sind, bilden doch nur einen Leib; so auch in Christus24. Deshalb, fügt er hinzu, ist der mystische Leib „zusammengefügt“ und „verbunden“: Christus ist das Haupt; von ihm aus ist der ganze Leib zusammengefügt und verbunden durch jedes einzelne Gelenk, das seinen Dienst tut nach der Kraft, die jedem einzelnen Gliede eigen ist (25). Darum können Glieder, die von den andern Gliedern getrennt und abgesondert sind, nicht mit ein und demselben Haupte verbunden sein: „Es gibt nur einen Gott, nur einen Christus, eine Kirche Christi, einen Glauben und ein Volk, durch das Band der Einheit zur wahren Einheit des Leibes verbunden. Diese Einheit kann nicht zerrissen werden, auch kann nicht der eine Leib durch Auflösung des Bandes zerteilt werden“, sagt der heilige Cyprian (26).
Um die Einheit und Einzigkeit der Kirche noch besser zu veranschaulichen, vergleicht er sie mit einem lebendigen Leibe, dessen Glieder nur leben, solange sie mit dem Haupte verbunden sind und somit aus dem Haupte selbst die Lebenskraft beziehen; trennen sie sich, so müssen sie absterben. „Sie (die Kirche) kann selber nicht in Stücke zerrissen werden, wenn auch einzelne Glieder sich durch Verstümmelung abtrennen. Was sich vom Mutterstamme loslöst, kann abseits weder leben noch atmen“ (27). Welche Ähnlichkeit besteht denn zwischen einem toten Leibe und einem lebendigen? Kein Mensch hat je sein eigenes Fleisch gehasst; er nährt und pflegt es vielmehr, wie auch Christus die Kirche; wir sind ja Glieder seines Leibes, von seinem Fleisch und seinem Gebein (28).
Anerkennung der einen Kirche ist heilsnotwendig
Man muss sich also ein zweites, Christus ähnliches Haupt denken und einen zweiten Christus, wenn man sich außer der einen Kirche, welche der Leib Christi ist, noch eine zweite denken will. „Seht zu, was ihr vermeiden, was ihr tun, was ihr befürchten sollt! Es kommt vor, dass im menschlichen Leibe, oder vielmehr vom Leibe, ein Glied abgetrennt wird, eine Hand, ein Finger, ein Fuß. Folgt die Seele auch dem abgeschnittenen Gliede? Als es noch im Körper war, lebte es; nun verliert es das Leben. So ist auch der Christ noch katholisch, wenn er im Leibe (der Kirche) lebt; trennt er sich ab, wird er ein Häretiker. Der Geist folgt nicht dem abgeschnittenen Gliede“ (29).
Es gibt also nur eine Kirche Christi und zwar für alle Zeiten. Wer abseits von ihr lebt, erfüllt nicht den Willen und die Vorschrift Christi; da er den Weg des Heiles verlassen hat, geht er dem Verderben entgegen. „Wer sich von der Kirche trennt, verbindet sich mit einer Ehebrecherin und hat kein Anrecht auf die Verheißungen der Kirche; wer die Kirche Christi im Stiche lässt, gelangt nicht zu den Belohnungen Christi ... Wer nicht zu dieser Einheit steht, hält das Gebot Gottes nicht, hält nicht den Glauben an den Vater und den Sohn, behält nicht das Leben und nicht das Heil“. (30)
Christus wollte eine einige Kirche
6 Er, der nur eine einzige Kirche gründete, hat sie auch einig gewollt, und zwar derart, dass alle, die zu ihr gehören sollten, durch die innigsten Bande miteinander vereinigt durchaus nur ein Volk, ein Reich, einen Leib ausmachen. Ein Leib und ein Geist, so wie ihr berufen seid zu einer Hoffnung eurer Bestimmung (31). Den diesbezüglichen Willen hat Christus kurz vor seinem Tode noch bestätigt und feierlich besiegelt, da er zum Vater betete: Nicht für sie allein bitte ich, sondern auch für jene, die einst auf ihr Wort hin an mich glauben werden..., damit auch sie in uns eins seien ..., damit sie vollkommen eins seien (32); Ja, eine so innige und vollkommene Einheit forderte er unter seinen Jüngern, dass sie in gewisser Beziehung seiner Einheit mit dem Vater gleichkomme: Ich bitte darum ..., dass sie alle eins seien wie du, Vater, in mir bist und ich in dir (33).
Einigkeit im Glauben
Eine derart innige und unbedingte Eintracht muss jedoch die Übereinstimmung der Geister zur Grundlage haben. Alsdann wird von selbst die Eintracht im Willen und die Gleichförmigkeit im Handeln zustande kommen. Deshalb verlangte er gemäß seinem göttlichen Ratschluss in seiner Kirche die Einheit des Glaubens. Diese Tugend ist nämlich das erste Band zwischen uns und Gott, weshalb wir auch den Namen „Gläubige“ tragen. Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe (34). Wie wir nur einen Herrn haben und nur eine Taufe, so sollen alle Christen auf der ganzen Welt nur einen Glauben haben. Deshalb bittet der Apostel Paulus nicht bloß, sondern beschwört die Christen geradezu, sie möchten doch alle dieselbe Gesinnung hegen und jegliche Meinungsverschiedenheit vermeiden: Brüder, ich beschwöre euch im Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr alle dieselbe Sprache führet und keine Spaltungen bei euch duldet, seid vielmehr vollkommen einer Gesinnung und einer Lehre (35). Diese Worte bedürfen keiner Erklärung; sie sprechen deutlich genug.
Einheitliche Glaubensregel: das Lehramt
Übrigens sind auch alle, die sich Christen nennen, im allgemeinen darüber einig, dass der Glaube einheitlich sein muss. Es ist jedoch von höchstem Interesse und unbedingt notwendig, genau zu wissen, welches Gestalt und Form dieser Einheit ist; diesbezüglich täuschen sich viele. Aber auch hier, wie oben in einer ähnlichen Frage, darf man nicht nach persönlicher Meinung oder Mutmaßung entscheiden, sondern nach der Erkenntnis des tatsächlichen Sachverhaltes, indem man erforscht und feststellt, welches die Glaubenseinheit ist, die Jesus Christus angeordnet hat.
7 Die himmlische Lehre Jesu Christi ist zwar zum großen Teil unter göttlicher Eingebung schriftlich aufgezeichnet; wäre sie jedoch dem Menschengeiste allein überlassen, so hätte sie die Geister niemals zusammenführen können. Allzu leicht musste der Fall eintreten, dass diese Lehre verschiedenen und sich widersprechenden Erklärungen anheim fiel, nicht allein infolge der unergründlichen Geheimnisse des Lehrinhaltes, sondern ebenso sehr infolge der unterschiedlichen Fassungskraft des menschlichen Geistes, wie auch wegen der Verwirrung, welche die Leidenschaften anrichten, die stets nach verschiedenen Richtungen auseinander streben. Aus der Verschiedenheit der Erklärungen entsteht unvermeidlich die Verschiedenheit der Auffassungen; daraus folgen Lehrstreitigkeiten, Zwistigkeiten und Kämpfe, wie sie die Kirche schon in ihrer Frühzeit hereinbrechen sah. Irenäus schreibt über die Häretiker: „Sie anerkennen die Heilige Schrift, die Erklärung aber fälschen sie“ (36). Desgleichen Augustinus: „Die Irrlehren und andere Fälschungen des Dogmas, wodurch die Seelen umgarnt und ins Verderben gestürzt werden, sind nur dadurch entstanden, dass man die Schrift, die an sich gut ist, nicht gut versteht“ (37).
Um nun die Geister zu einen, um Eintracht in der Lehre herbeizuführen und zu sichern, bedurfte es außer der Heiligen Schrift noch einer anderen Grundlage. Das ist eine Forderung der göttlichen Weisheit. Denn Gott konnte nicht die Einheit im Glauben wollen, ohne zugleich ein wirksames Mittel zur Bewahrung dieser Einheit vorzusehen. Die Heilige Schrift sagt dies übrigens mit klaren Worten, wie wir gleich sehen werden. Selbstverständlich ist Gottes Allmacht an nichts gebunden und durch nichts beschränkt, und alles steht ihr wie ein Werkzeug gefügig zu Diensten. Es gilt also zu untersuchen, welche von den vielen Grundlagen, die Christus zu Gebote standen, tatsächlich von ihm gewählt wurde. Zu diesem Zwecke müssen wir zurückgreifen auf die Anfänge des Christentums.
8 Wir erwähnen nur, was die Heilige Schrift sagt und was allgemein bekannt ist. Jesus Christus beweist seine Gottheit und seine göttliche Sendung durch die Kraft seiner Wunder; er unterrichtet mit Hingebung das Volk in den himmlischen Wahrheiten, er verlangt durchaus, dass man seiner Lehre Glauben schenke, unter Verheißung von ewigem Lohn und ewiger Strafe. Wenn ich nicht die Werke meines Vaters tue, so mögt ihr mir den Glauben verweigern (38). Hätte ich nicht die Werke unter ihnen getan, die kein anderer vollbracht, so hätten sie keine Sünde (39). Wenn, ich sie aber vollbringe, und ihr wollt mir nicht glauben, so glaubet doch den Werken (40). Was er immer befiehlt, befiehlt er mit derselben Autorität; wo er die Zustimmung des Verstandes fordert, nimmt er nichts aus. Wenn sie selig werden wollten, hatten also jene, die Jesus hörten, die Pflicht, nicht bloß seine gesamte Lehre im allgemeinen anzunehmen, sondern auch jeder einzelnen von ihm gelehrten Wahrheit innerlich restlos zuzustimmen. Es ist eben ein Widerspruch, behaupten zu wollen, man dürfe auch nur in einem einzigen Punkte Gott den Glauben verweigern.
Als seine Rückkehr in den Himmel bevorstand, sandte er dann die Apostel aus, versehen mit derselben Gewalt, mit der er vom Vater gesandt worden war, und er trug ihnen auf, seine Lehre zu verbreiten: Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Geht also hin und lehret alle Völker ... Lehret sie alles halten, was ich euch befohlen habe (41). Wer den Aposteln Gehör schenke, solle selig werden, wer nicht, werde verloren gehen: Wer glaubt und sich taufen lässt, wird selig werden, wer nicht glaubt, wird verdammt werden (42). Nun aber ist es der Vorsehung Gottes höchst angemessen, niemandem ein Amt, namentlich ein wichtiges und erhabenes Amt zu übertragen, ohne ihm zugleich die Kraft zu verleihen, es auch würdig zu verwalten; deshalb hat Jesus Christus versprochen, er werde seinen Aposteln den Geist der Wahrheit senden, der beständig bei ihnen bleiben solle: Wenn ich aber gehe, so werde ich ihn (den Tröster) zu euch senden ... Wenn jener Geist der Wahrheit kommt, wird er euch alle Wahrheit lehren (43). Und ich werde den Vater bitten; er wird euch einen anderen Tröster geben, den Geist der Wahrheit, damit er bei euch bleibe bis zum Ende der Zeiten (44). Er wird Zeugnis über mich ablegen, auch ihr sollt Zeugnis ablegen (45).
Daher verordnete er, dass die Lehre der Apostel ebenso ehrerbietig anzunehmen und treu zu halten sei, wie seine eigene: Wer auf euch hört, hört auf mich, wer euch verachtet, der verachtet mich (46). Die Apostel sind also die Gesandten Christi, wie er selbst der Gesandte des Vaters ist: Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch47, wie daher die Apostel und Jünger dem Worte Christi glauben mussten, so sollten auch alle jene den Aposteln glauben, denen sie kraft göttlichen Auftrages predigten. Wie es nicht erlaubt war, einen Punkt der Lehre Christi abzulehnen, ebenso wenig durfte eine Vorschrift der Apostellehre verworfen werden.
Nachdem der Heilige Geist auf die Apostel herabgekommen war, erscholl tatsächlich ihre Stimme überall. Wohin sie ihren Fuß setzten, traten sie als unmittelbare Gesandte Jesu auf. Durch ihn (Jesus Christus) haben wir Gnade und das Apostelamt empfangen, um alle Völker dem Glauben gehorsam zu machen in seinem Namen (48). Und Gott tat überall durch Wunder die göttliche Sendung der Apostel kund: Jene aber gingen hin und predigten überall, und der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte ihr Wort durch die darauffolgenden Wunder (49). Welches Wort? Doch jenes, das alles enthielt, was sie von ihrem Meister gelernt hatten; offen erklären sie ja, sie könnten von dem, was sie gesehen und gehört hätten, nicht schweigen.
Wie wir bereits dargelegt haben, war jedoch das Amt der Apostel nicht derart, dass es mit den Aposteln untergehen oder mit der Zeit verschwinden konnte, war es doch für alle bestimmt und zum Heile der Menschheit gestiftet. Jesus befahl nämlich seinen Aposteln, das Evangelium der ganzen Schöpfung zu predigen (50) und seinen Namen vor Könige und Völker zu tragen (51) und seine Zeugen zu sein bis an die Grenzen der Erde (52). Überdies versprach er ihnen, er werde ihnen beistehen in der Verwaltung dieses hohen Amtes, nicht bloß auf einige Jahre oder Jahrhunderte, sondern für alle Zeiten bis zum Ende der Welt (53). Darum sagt Hieronymus: „Wer verspricht, er werde bis zum Ende der Welt bei seinen Jüngern bleiben, sagt damit auch, dass sie fortleben und dass er selber nie von den Gläubigen weichen werde“ (54). Wie konnte sich dies alles an den Aposteln bewahrheiten, waren sie doch als Menschen dem Tode unterworfen? Gott hatte folglich dafür gesorgt, dass das durch Jesus Christus gestiftete Lehramt nicht mit der Lebensdauer der Apostel sein Ende nehmen, sondern ewig fortdauern sollte.
Wir sehen auch, wie dieses Lehramt weitergegeben wurde und gleichsam von Hand zu Hand überging. Denn die Apostel weihten Bischöfe und bezeichneten im einzelnen diejenigen, die ihnen zunächst im Dienste des Wortes (55) folgen sollten. Das ist jedoch nicht alles. Sie verpflichteten auch ihre Nachfolger, sich würdige Männer beizugesellen, die sie mit derselben Macht ausrüsten und mit demselben Predigtamt beauftragen sollten. Mein Sohn, sei du also stark in der Gnade, die ist in Christus Jesus; und was du von mir vor vielen Zeugen vernommen hast, das vertraue zuverlässigen Männern an, die befähigt sind, ihrerseits wieder andere zu belehren (56). Wie demnach Christus von Gott und die Apostel von Christus, so sind auch die Bischöfe und alle Nachfolger der Apostel von den Aposteln gesandt. „Die Apostel sind uns als Verkünder des Evangeliums durch unsern Herrn Jesus Christus gegeben. Jesus Christus aber ward von Gott gesandt. Christus also von Gott und die Apostel von Christus, beides geschah nach der Anordnung und nach dem Willen Gottes ... Durch die Länder und Städte zogen sie, predigten das Wort und, nachdem sie im Geiste die Erstlinge geprüft, stellten sie Bischöfe und Diakone auf zur Leitung jener, die später glauben würden ... Sie stellten die Genannten auf und gaben den Befehl, dass nach deren Tode wieder andere erprobte Männer ihr Amt übernehmen sollten“ (57).
Einerseits muss also das Amt, alles zu lehren, was Christus gelehrt, ständig und unwandelbar fortdauern; anderseits ist aber auch beständig und unwandelbar die Pflicht, jene Lehre anzunehmen und zu bekennen. Cyprian (58) beleuchtet dies klar mit den Worten: „Wo unser Herr Jesus Christus im Evangelium jene als seine Feinde bezeichnet, die nicht mit ihm sind, hat er nicht von einer bestimmten Häresie gesprochen; er nennt vielmehr alle jene seine Feinde, die nicht mit ihm sind, nicht mit ihm sammeln, wohl aber seine Herde zerstreuen. Denn er sagt: Wer nicht mit mir ist, ist wider mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut“ (59).
Aufgabe der Kirche: Glaubensverkündigung
9 Ausgerüstet mit diesem Auftrag und eingedenk ihres Amtes, hat die Kirche auf nichts anderes größeren Eifer und größere Tatkraft verwandt, als auf die allseitige Verteidigung der Unversehrtheit des Glaubens. Deshalb hat sie alle jene, die in irgendeinem Punkte der Lehre nicht mit ihr übereinstimmten, alsbald des Hochverrates schuldig erklärt und aus ihrer Mitte ausgeschlossen. Die Arianer, Montanisten, Novatianer, Quartodezimaner und Eutychianer haben gewiss die katholische Lehre nicht ganz, sondern nur teilweise verworfen; wer wüsste aber nicht, dass sie als Häretiker verurteilt und aus dem Schoße der Kirche ausgestoßen wurden? In ähnlicher Weise sind alle verurteilt worden, die zu verschiedenen Zeiten als Urheber von Irrlehren aufgetreten sind. „Es gibt nichts Gefährlicheres als diese Irrlehrer; über alles reden sie zwar tadellos, mit einem Wörtchen aber verderben sie, wie mit einem Tröpflein Gift, den reinen und unverfälschten Glauben an die göttliche und folglich auch an die apostolische Überlieferung“ (60).
So hat die Kirche stets gehandelt, gestützt auf das einstimmige Urteil der Väter; diese waren immer der Überzeugung, es sei aus der katholischen Gemeinschaft ausgeschlossen und von der Kirche abgefallen, wer auch nur im geringsten von der durch das beglaubigte Lehramt vorgetragenen Lehre abgewichen sei. Epiphanius, Augustinus, Theodoret haben eine große Anzahl von Häresien ihrer Zeit aufgezählt. Augustinus meint, es könnten auch noch andere Irrlehren entstehen, und jeder, der auch nur einer einzigen zustimme, sei dadurch von der katholischen Einheit getrennt: „Nicht jeder, der jenen (aufgezählten Häresien) nicht zustimmt, darf sich infolgedessen schon als katholischen Christen betrachten und so nennen. Es können auch noch andere Häresien bestehen oder entstehen, die nicht in diesem Werke aufgezählt sind; wer sich irgendeiner von ihnen verschreibt, wäre kein katholischer Christ“ (61).
Diese von Gott vorgesehene Sicherung der Einheit, die hier zur Rede steht, betont der heilige Paulus im Brief an die Epheser. Darin ermahnt er sie vorerst nachdrücklich, die Eintracht der Herzen zu pflegen: Seid eifrig darauf bedacht, die Einheit des Geistes Zu erhalten durch das Band des Friedens (62); da aber eine vollkommene Einheit der Herzen in der Liebe unmöglich ist, wenn die Geister nicht im Glauben übereinstimmen, so will er, dass ein und derselbe Glaube alle beseele: Ein Herr, ein Glaube (63). Und zwar verlangt er eine so vollkommene Einheit im Glauben, dass jegliche Irrtumsgefahr gebannt sei: Dann sind wir nicht mehr unmündige Kinder, die sich schaukeln und tragen lassen von jedem Windhauch irgendeiner Lehre, durch der Menschen Trugspiel und durch die Arglist in der Kunst der Verführung (64). Und nach der Lehre des Apostels ist dies nicht nur auf kurze Zeit zu beobachten, sondern bis wir alle insgesamt zur Einheit des Glaubens gelangen ... zum Maße der Reife der Christusfülle (65). Wie aber hat Christus die Grundlage gelegt zum Aufbau und zur Sicherung dieser Einheit? Eben dadurch: Er bestimmte die einen zu Aposteln ..., andere zu Hirten und Lehrern; sie sollen die Heiligen zur Ausübung des Amtes bilden, zum Aufbau des Leibes Christi (66).
Daher haben auch seit den ältesten Zeiten die Lehrer und Väter diese Regel stets befolgt und einstimmig verteidigt. Origenes schreibt: „Sooft die Häretiker die kanonischen Schriften vorweisen, denen jeder Christ zustimmt und an die er glaubt, wollen sie damit sagen: Siehe bei uns daheim ist das Wort der Wahrheit ! - Aber wir dürfen ihnen keinen Glauben schenken, noch die erste und kirchliche Überlieferung preisgeben. Wir dürfen nichts anderes glauben, als was man uns auf Grund der Nachfolge in der Kirche Gottes überliefert hat“ (67). Hört den heiligen Irenäus: „Die wahre Erkenntnis ist die Lehre der Apostel ..., die der ununterbrochenen Nachfolge der Bischöfe gemäß ... als die volle Auslegung der Heiligen Schrift auf uns gekommen ist, ohne Entstellung und ohne Fälschung“ (68).
Tertullian seinerseits bekundet: „Es steht mithin fest, dass jede Lehre fürwahr zu halten ist, die mit jener der apostolischen Mutter- und Urkirche des Glaubens übereinstimmt. Denn eine solche Lehre enthält ohne Zweifel das, was die einzelnen Kirchen von den Aposteln, die Apostel von Christus, und Christus von Gott empfangen haben ... Wir stehen in Verbindung mit den apostolischen Kirchen, weil niemand von uns eine andere Lehre vertritt; und das ist das Kennzeichen der Wahrheit (69).
Ebenso lehrt Hilarius: Christus, der vom Schifflein aus predigt „deutet an, dass jene, die sich außerhalb der Kirche befinden, das Verständnis der göttlichen Lehre nicht haben können, denn das Schifflein ist das Bild der Kirche; wer draußen steht und wie unfruchtbarer und nutzloser Ufersand abseits liegt, kann also das Wort des Lebens, das nur in der Kirche niedergelegt ist und da gepredigt wird, nicht vernehmen“ (70).
Rufinus lobt Gregor von Nazianz und Basilius, „dass sie sich mit den Büchern der Heiligen Schrift allein beschäftigten, zum Verständnis derselben jedoch nicht dem eigenen Gutdünken, sondern den Schriften und der Autorität der Alten folgten, von denen auch erwiesen ist, dass sie die Regel zur Auslegung der Heiligen Schrift von den Nachfolgern der Apostel empfangen hatten“ (71).
Pflicht der Menschen: die Kirche hören
Aus dem Gesagten geht eindeutig hervor, dass Jesus Christus ein lebendiges, beglaubigtes und ewig fortdauerndes Lehramt in der Kirche eingesetzt hat, das er mit seiner Vollmacht ausstattete, mit dem Geist der Wahrheit ausrüstete und durch Wunder bestätigte; und er hat gewollt und aufs nachdrücklichste eingeschärft, man solle die Vorschriften dieses Lehramtes aufnehmen, wie wenn es seine eigenen wären. Sooft folglich dieses Lehramt erklärt, diese oder jene Wahrheit gehöre zum Inhalt der von Gott geoffenbarten Lehre, dann hat jedermann fest zu glauben, dass dies wahr ist; könnte das jemals falsch sein, so würde daraus folgen, was ein offensichtlicher Widerspruch ist, dass nämlich Gott selber der Urheber des Irrtums im Menschen wäre. „Herr, wenn das ein Irrtum ist, so sind wir durch dich betrogen“ (72). Ist demnach jeder Grund zum Zweifel ausgeschlossen, wie kann dann jemand auch nur eine einzige jener Wahrheiten verwerfen, ohne sich damit in offene Häresie hineinzustürzen, ohne sich von der Kirche zu trennen und mit dem einen Satz die ganze christliche Lehre zu verwerfen?
Wesen des Glaubens: Unteilbarkeit
Aus der Natur des Glaubens folgt, dass nichts ihm so sehr widerspricht, als wenn man das eine glaubt und das andere verwirft. Die Kirche lehrt nämlich, „dass der Glaube ... eine übernatürliche Tugend ist, durch die wir unter Anregung und mit Hilfe der Gnade Gottes seine Offenbarung für wahr halten, nicht wegen der natürlichen Vernunfteinsicht in den inneren Wahrheitsgehalt des Gegenstandes, sondern wegen der Autorität des offenbarenden Gottes selbst, der weder sich täuschen noch andere irreführen kann“ (73). Wenn also von irgendeinem Gegenstande feststeht, dass er von Gott geoffenbart ist, und man nicht daran glaubt, so glaubt man überhaupt nichts mit göttlichem Glauben. Was nämlich der Apostel Jakobus bezüglich einer Sünde auf dem Gebiete der Sittlichkeit behauptet, das gilt auch von einem Irrtum auf dem Gebiete des Glaubens: Wer ... auch nur ein einziges Gebot ... übertritt, der versündigt sich gegen alle (74). Das gilt sogar in noch höherem Maße vom Glaubensirrtum. Von einem Menschen, der nur ein Gebot übertreten hat, kann man nämlich mit geringerem Recht behaupten, er habe das ganze Gesetz übertreten, weil er doch offenbar die Majestät des göttlichen Gesetzgebers nur dann verachtet haben kann, wenn er den ausgesprochenen Willen dazu hatte. Wer hingegen die geoffenbarten Wahrheiten auch nur in einem Punkte leugnet, streift in Wirklichkeit den Glauben ganz ab, da er sich weigert, Gott als die höchste Wahrheit und als den eigentlichen Beweggrund des Glaubens zu achten. „In vielem sind sie mit mir, in wenigem sind sie nicht mit mir; aber wegen dieses Wenigen, in dem sie nicht mit mir einig gehen, nützt ihnen das Viele nichts, worin sie mit mir sind“ (75).
Und mit Recht; denn jene, die von der christlichen Lehre nur das annehmen, was ihnen zusagt, stützen sich auf ihr eigenes Urteil, nicht auf den Glauben; sie weigern sich nämlich, ihre Gedanken in Zucht zu nehmen und sie Christus dienstbar zu machen (76), sie gehorchen mehr sich selbst als Gott. „Wenn ihr vom Evangelium nur glaubt, was ihr wollt, und ,was ihr nicht wollt,' nicht glaubt, so glaubt ihr weit mehr euch als dem Evangelium (77). Daher haben die Väter auf dem Vatikanischen Konzil nichts Neues bestimmt, sondern nur die göttliche Anordnung, die alte und beständige Lehre der Kirche sowie die Natur des Glaubens selbst befolgt, als sie erklärten: „Mit göttlichem und katholischem Glauben ist alles zu glauben, was im Wort Gottes, sei es geschrieben oder mündlich überliefert, enthalten ist und von der Kirche, sei es durch einen feierlichen Glaubensentscheid, sei es durch das ordentliche und allgemeine Lehramt, als von Gott geoffenbart zu glauben vorgelegt wird“ (78).
Aufruf an alle Wahrheitssucher
Gott will also, das ist klar, in seiner Kirche die Einheit im Glauben; ferner ist nun klar, wie sie beschaffen sein soll und mittels welcher grundsätzlichen Maßnahme er sie sicherstellen will. Daher sei es Uns gestattet, allen, die ihr Ohr nicht absichtlich der Wahrheit verschließen, die Worte des heiligen Augustinus zuzurufen: „Da wir sehen, wie groß die Hilfe Gottes, wie herrlich der Fortgang und die Erfolge sind, wollen wir da noch zaudern, uns im Schoß seiner Kirche zu bergen, die sogar nach dem Zeugnis der ganzen Menschheit vorerst in ihrem apostolischen Stuhle und sodann durch die Aufeinanderfolge der Bischöfe einfachhin das höchste Ansehen erlangt hat trotz des Wutgeschreis der Irrlehrer, die teils durch die Stimme des Volkes, teils durch die Autorität der Konzilien, teils durch überzeugungsmächtige Wunder verurteilt wurden? Ihr den Vorrang streitig zu machen, ist höchste Gottlosigkeit oder gefährliche Anmaßung ... Und wenn man zur Aneignung irgendeiner Wissenschaft, mag sie noch so gering und leichtfasslich sein, einen Lehrmeister sucht, welcher Stolz wäre dann vermessener, als die Bücher der heiligen Geheimnisse entweder ohne Lehrmeister kennen lernen oder sie verwerfen zu wollen, ohne sie je kennen gelernt zu haben? (79)
Einigkeit in der apostolischen Hierarchie
Zweifellos ist es also die Aufgabe der Kirche, die christliche Wahrheit zu schützen und sie ganz und unverfälscht zu verbreiten. Aber das ist durchaus noch nicht alles; nicht einmal der eigentliche Zweck, zu dem die Kirche gestiftet wurde, ist damit erschöpfend umschrieben. Jesus Christus hat sich nämlich für das Heil der Menschheit selber zum Opfer gebracht; auf dieses Heil bezog sich alles, was er lehrte und befahl; so hat er auch der Kirche den Auftrag gegeben, durch die Wahrheit der Lehre die Menschen zu heiligen und zur Seligkeit zu führen. Durch den Glauben allein kann jedoch dieser hohe und erhabene Zweck nicht erreicht werden; dazu muss noch kommen: einerseits die richtige und würdige Gottesverehrung, die vornehmlich im göttlichen Opfer und in der Spendung der Sakramente besteht; anderseits eine heilige Gesetzgebung und Zucht. Das alles muss die Kirche besitzen, da sie ja das Amt des Erlösers durch alle Zeiten fortführen soll; sie allein bietet der Menschheit eine in jeder Hinsicht restlos vollkommene Religion, wie sie Christus in der Kirche sozusagen verkörpert haben wollte; sie allein stellt jene Mittel zur Verfügung, die nach dem ordentlichen Plane der göttlichen Vorsehung heilsnotwendig sind.
10 Wie schon die himmlische Wahrheit keineswegs der Willkür und dem Gutdünken jedes einzelnen Menschen aus geliefert, sondern nach der anfänglichen Verkündigung durch Jesus Christus dem von uns erwähnten Lehrkörper eigens anvertraut wurde, so wurden auch nicht die einzelnen Christen aus dem Volk, sondern die dazu auserwählten Männer mit der göttlichen Vollmacht betraut, die Geheimnisse Gottes zu vollziehen und zu verwalten; und zudem erhielten sie die Hirten- und Regierungsgewalt. So gilt nur für die Apostel und ihre rechtmäßigen Nachfolger, was Jesus Christus mit den Worten verheißen hat: Gehet hinaus in alle Welt, predigt das Evangelium (80) ... taufet sie (81) ... tut dies Zum Andenken an mich (82) ... Denen ihr die Sünden nachlasset, denen sind sie nachgelassen (83). Ebenfalls nur den Aposteln und ihren rechtmäßigen Nachfolgern hat er aufgetragen, die Herde zu weiden, d. h. kraft ihrer Amtsgewalt die Gesamtheit aller Christen zu leiten, die ihrerseits, wie es sich von selbst versteht, jenen untertänig und gehorsam sein müssen. Alle diese Pflichten des apostolischen Amtes sind im Wort des heiligen Paulus zusammengefasst: So betrachte uns denn jedermann als Diener Christi und als Ausspender der Geheimnisse Gottes (84).
Die Kirche als vollkommene Gesellschaft
Darum hat auch Jesus Christus die Menschen aller Zeiten ausnahmslos berufen, ihm als ihrem Führer und Erlöser zu folgen; und zwar richtet sich diese Einladung nicht nur an jeden einzelnen für sich allein, sondern an alle gemeinsam, äußerlich und innerlich in der Gesinnung verbunden. Aus der großen Zahl von Menschen soll ein einziges Volk werden auf Grund eines gemeinsamen Rechtes: vereint im gleichen Glauben, im gleichen Ziel, durch dieselben Mittel zur Erlangung dieses Zieles, durch den Gehorsam gegenüber derselben Autorität. Somit hat er vollends in der Kirche jene Grundlage gelegt, auf der sich ganz von selbst ein gemeinschaftliches Leben zwischen den Menschen entwickelt, wodurch sie schon im natürlichen Bereich zur angemessenen Vollendung geführt werden. Christus traf diese Anordnung, damit alle, die Adoptivkinder Gottes werden wollen, die ihrer Würde entsprechende Heiligkeit erlangen und zu ihrem Heile sicherstellen können. Die Kirche ist daher, wie Wir bereits anderswo ausgeführt haben, der Menschen Führerin zum Himmel; und ihr ist von Gott das Amt übertragen, alles, was die Religion betrifft, selbst zu verwalten und anzuordnen sowie die christlichen Belange frei und ungehindert nach eigenem Ermessen zu wahren.
Man verkennt also die Kirche oder verleumdet sie, wenn man ihr nachsagt, sie wolle sich in die Angelegenheiten des Staates einmischen oder die Rechte der staatlichen Obrigkeit an sich reißen. Gott wollte, dass die Kirche hoch über jeder anderen menschlichen Gesellschaft stehe, denn ihr Zweck steht so hoch über der Bestimmung jeder anderen Gesellschaft, wie die göttliche Gnade über die Natur, wie die ewigen und unvergänglichen Güter über die irdischen hinausragen. Die Kirche ist mithin ihrem Ursprunge nach eine göttliche Gesellschaft; ihrem Zweck und den dazu führenden Mitteln nach übernatürlich; nur weil sie aus Menschen besteht, ist sie auch eine menschliche Gesellschaft.
Die Kirche untersteht einer Autorität
Deshalb stellen wir fest, dass sie in der Heiligen Schrift vielfach mit Ausdrücken bezeichnet wird, die einer vollkommenen Gesellschaft zukommen. Sie wird nicht nur das „Haus Gottes“, „ die Stadt auf dem Berge“, wohin alle Völker zusammenströmen sollen, genannt, sondern auch der „Schafstall", der nur einen Hirten hat, und in dem sich alle Schäflein Christi versammeln sollen; ja sogar „das Reich, das Gott gegründet", und das „Bestand haben wird in Ewigkeit"; endlich „der Leib Christi", der zwar geheimnisvoll, aber doch lebendig, schön geordnet und aus vielen Gliedern gebildet ist. Diese Glieder haben zwar nicht alle dieselbe Tätigkeit, sind jedoch untereinander durch das alles beherrschende und lenkende Haupt zusammengehalten.
Nun aber ist keine menschliche Gesellschaft denkbar ohne eine oberste Regierungsgewalt. Gewiss hat also Jesus Christus seiner Kirche eine höchste Obrigkeit verliehen, der sich alle Christen im Gehorsam unterwerfen müssen. Wie daher zur Einheit der Kirche, insofern sie der Zusammenschluss der Gläubigen ist, unbedingt die Einheit im Glauben gehört, so muss auch zur Einheit der Kirche, insofern sie eine von Gott gestiftete Gesellschaft ist, nach göttlichem Recht eine Einheit in der Regierung gehören, welche die Einheit des Ganzen herstellt und gewährleistet. „Die Einheit der Kirche ist unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten: in der Verbindung und in den Beziehungen der Glieder der Kirche untereinander, und sodann in der Unterordnung aller Glieder der Kirche unter ein gemeinsames Haupt“ (85).
Daraus ergibt sich eindeutig, dass man sich nicht nur durch Häresie, sondern auch durch Schisma von der Kirche trennt. „Zwischen Häresie und Schisma besteht folgender Unterschied: Die Häresie vertritt eine falsche Lehre, das Schisma ist die Abspaltung von der Kirche wegen einer Meinungsverschiedenheit unter den Bischöfen“ (86). Damit stimmt die Aussage des heiligen Chrysostomus überein: „Ich sage und erkläre, es sei kein geringeres Übel, die Kirche zu spalten, als einer Irrlehre zu verfallen“ (87). Wenn folglich keine Häresie je erlaubt ist, so auch kein Schisma, mag es auch den Anschein des Rechtes für sich haben: „Es gibt nichts Schlimmeres als das Sakrileg des Schismas ..., es gibt keine berechtigte Notwendigkeit zur Aufteilung der Einheit“ (88).
Das göttliche Oberhaupt: Christus
11 Welches nun Wesen und Eigenart jener höchsten Gewalt ist, das kann man nur bestimmen, wenn man den Willen Jesu Christi erforscht und erkannt hat. Christus ist zweifellos König in Ewigkeit, und er fährt fort, vom Himmel aus auch unsichtbar sein Reich zu leiten und zu schützen. Da er aber ein sichtbares Reich wollte, musste er jemanden bezeichnen, um auf Erden seine Stelle zu vertreten, nachdem er selbst in den Himmel zurückgekehrt war. „Wenn nun jemand sagt, Christus sei das eine Haupt und der eine Hirt, wie er auch der eine Bräutigam der einen Kirche ist, so genügt diese Antwort nicht. Es ist zwar klar, dass Christus die Sakramente der Kirche spendet; er ist es, der tauft; er ist es, der die Sünden nachlässt; er ist der wahre Priester, der sich auf dem Altare des Kreuzes opferte und kraft dessen täglich sein Leib auf dem Altare konsekriert wird. Weil er aber nicht körperlich allen Gläubigen gegenwärtig sein kann, so hat er sich dennoch Diener erwählt, um durch deren Vermittlung die genannten Sakramente zu spenden, wie oben (Kap. 74) gesagt wurde. Aus demselben Grunde musste er, weil er seine leibliche Gegenwart der Kirche entziehen wollte, jemanden beauftragen, der an seiner Stelle die Sorge für die ganze Kirche übernehmen sollte. Darum hat er vor der Himmelfahrt zu Petrus gesagt: Weide meine Schafe“ (89).
Die menschlichen Stellvertreter:
Der heilige Petrus
Jesus Christus hat demnach den heiligen Petrus zum obersten Lenker der Kirche bestimmt; und er ordnete an, dass dieses obrigkeitliche Amt, zum Heile aller für alle Zeiten eingesetzt, auf dessen Nachfolger übergehe, in denen somit Petrus durch seine Gewalt für immer fortleben sollte. Tatsächlich machte er jene große Verheißung nur dem heiligen Petrus, keinem andern: Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen (90). „Zu Petrus sprach der Herr, zu ihm allein, um auf den einen die Einheit zu gründen“ (91). - Ohne ein Wort vorauszuschicken, nennt er des Apostels Vater und ihn selbst mit Namen (Selig bist du, Simon, Sohn des Jonas (92); aber er will nicht, dass er weiterhin Simon genannt werde; er nimmt ihn schon kraft seiner Gewalt als den Seinigen für sich in Anspruch und gefällt sich darin, ihn mit dem passenden Vergleich auch Felsenmann (Petrus) zu nennen, da er auf ihn die Kirche bauen will“ (93).
12 Aus diesen Worten folgt, dass die Kirche nach Gottes Willen und Befehl auf dem heiligen Petrus, wie das Gebäude auf seinem Fundamente, ruht. Nun aber gehört es zur Natur und Wirkung eines Fundamentes, dass es das Gebäude durch feste Verbindung der einzelnen Teile zusammenhalte und für das Ganze das notwendige Band der Unversehrtheit und Sicherheit bilde; wird das Fundament beseitigt, so stürzt das ganze Gebäude zusammen. Petrus hat also die Kirche zu stützen, zu schützen und durch ein unlösbares Band zu einigen und zu festigen. Wie könnte aber jemand dieser wichtigen Aufgabe genügen, ohne die Gewalt, zu befehlen, zu verbieten und zu richten, die wir wahrheitsgemäß und zutreffend als richterliche Vollmacht oder „Jurisdiktion“ bezeichnen? Kein Staat und kein öffentliches Gemeinwesen kann ohne diese Jurisdiktionsgewalt bestehen. Der Vorrang der Ehre und die schwache Vollmacht zu raten und zu mahnen, die man als Oberleitung oder „Direktion“ bezeichnet, nützt einer menschlichen Gesellschaft gar wenig und ist nicht imstande, ihr wahre Einheit und Festigkeit zu verleihen.
Jene volle Gewalt hingegen, von der Wir reden, ist ausgedrückt und bekräftigt durch die Worte: Und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen (94). – „Was werden sie nicht überwältigen? Die heilige Grundlage, worauf Christus die Kirche baut, oder die Kirche selber? Das Wort ist doppelsinnig. Oder gilt dies von bei den zugleich wie von einer und derselben Sache, vom Felsenfundament und von der Kirche? Ich halte dafür: die Pforten der Hölle werden weder den Felsen, auf den Christus die Kirche gründet, noch die Kirche überwältigen“ (95). Dieses göttliche Wort hat folgenden Sinn: Was immer für Gewaltmittel, was immer für Kunstgriffe die sichtbaren und unsichtbaren Feinde anwenden mögen, es wird ihnen nicht gelingen, die auf Petrus gestützte Kirche zu Fall zu bringen oder zugrunde zu richten. „Die Kirche, das Gebäude Christi, der mit Weisheit sein Haus auf Fels gebaut hat (96), ist für die Mächte der Hölle unerreichbar; sie überwinden zwar jeden, der abseits vom Felsen und von der Kirche steht, gegen die Kirche aber vermögen sie nichts“ (97). Gott hat mithin seine Kirche dem Petrus anvertraut, damit er sie stets unversehrt erhalte als unbesiegbarer Schutzpatron. Darum hat er ihn mit der nötigen Gewalt ausgestattet, denn wer eine Gesellschaft von Menschen tatsächlich und wirksam schützen soll, muss auch das Recht haben zu befehlen.
Ferner fügte Jesus hinzu: Und ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben (98). Ohne Zweifel spricht er hier weiterhin von der Kirche, die er kurz zuvor die Seine nennt, und die er auf Petrus als ihrem Fundamente errichten wollte. Die Kirche hat auffallende Ähnlichkeit sowohl mit einem Gebäude als auch mit einem Reiche, und jedermann weiß, dass die Schlüssel ein gebräuchliches Sinnbild für die oberste Gewalt sind. Wenn also Jesus dem Petrus die Schlüssel des Himmelreiches verspricht, so verheißt er ihm damit auch die Gewalt und die Rechtsvollmacht über die Kirche. „Der Sohn aber gab ihm (dem Petrus) den Auftrag, die Erkenntnis des Vaters und des Sohnes zu verbreiten; einem sterblichen Menschen übertrug er, indem er ihm die Schlüssel gab, alle Gewalt im Himmel; und dieser hat die Kirche über die weite Erde hin verbreitet und gezeigt, dass sie unerschütterlicher ist als der Himmel“ (99).
Damit stimmt das Folgende überein: Was immer du binden wirst auf Erden, wird auch im Himmel gebunden sein, und was immer du lösen wirst auf Erden, wird auch im Himmel gelöst sein (100). Die bildliche Redensart „binden und lösen“ bezeichnet das Recht, Gesetze zu erlassen, sowie die Gewalt zu richten und zu strafen. Diese Gewalt, heißt es ebendort, werde eine solche Ausdehnung und Wirkung haben, dass alle ihre Entscheide von Gott gutgeheißen werden. Es ist also diese Gewalt die höchste und eine vollkommen selbständige, weil keine auf Erden über ihr steht und sie die ganze Kirche umfasst sowie alles, was der Kirche anvertraut ist.
Diese Verheißung ging in Erfüllung, als Christus der Herr nach seiner Auferstehung Petrus dreimal fragte, ob er ihn mehr liebe als die anderen, und ihm den Befehl erteilte: Weide meine Lämmer ... weide meine Schafe (101). Alle ohne Ausnahme, die zu seiner Herde gehören sollten, übergab er dem Petrus als ihrem Hirten. „Der Herr weiß alles. Er fragt nicht, um zu lernen, sondern um zu lehren, wen er uns bei seiner Rückkehr in den Himmel als ,den Stellvertreter seiner Liebe hinterlassen wollte ... Und weil er (Petrus) von allen allein seine Liebe bekennt, wird er allen vorgesetzt ..., damit er die Vollkommenen als der noch Vollkommenere regiere“ (102). Nun aber bestehen Amt und Aufgabe des Hirten darin, der Herde ein Führer zu sein, ihr durch bekömmliche Weide Nahrung zu verschaffen, von ihr Gefahren fernzuhalten, sie vor Nachstellungen zu beschützen, sie gegen Gewalt zu verteidigen, mit einem Wort, sie zu regieren und zu leiten. Da Petrus der Herde Christi als Hirt vorgesetzt ist, so hat er die Gewalt erhalten, alle Menschen zu regieren, für deren Heil Christus sein Blut vergossen hat. „Warum hat er sein Blut vergossen? Um jene Schäflein zu erkaufen, die er dem Petrus und dessen Nachfolgern übergeben hat“ (103).
Da nun alle Christen in der Gemeinschaft des unveränderlichen Glaubens vereint sein müssen, hat Christus der Herr durch die Kraft seines Gebetes dem Petrus die Gnade erfleht, in der Verwaltung seines Amtes niemals im Glauben zu wanken: Ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht wanke (104) Außerdem hat er ihm den Auftrag gegeben, sooft die Zeitverhältnisse es forderten, seinen Brüdern Belehrung und Stärkung zuteil werden zu lassen: Stärke deine Brüder (105). Denselben, den Christus zum Fundament seiner Kirche gemacht, wollte er zur Säule des Glaubens machen. „Wie hätte er den Glauben desjenigen nicht stärken können, dem er aus eigener Machtvollkommenheit das Reich übergab, und den er, da er ihn Fels nannte, als Fundament der Kirche bezeichnete?“ (106)
Deshalb wollte Jesus auch einige bedeutungsvolle Titel, „die ihm wegen seiner Machtvollkommenheit eignen, mit Petrus teilen und gemeinsam haben“ (107), damit nämlich in der Gemeinschaftlichkeit der Namen auch die Gemeinschaft der Gewalt zum Ausdruck komme. So hat er, welcher der Eckstein ist, worauf das ganze Gebäude beruht und emporwächst zu einem heiligen Tempel im Herrn (108), den Petrus zum Felsen bestimmt, auf dem die Kirche ruhen sollte. „Durch das Wort: Du bist der Fels, ist er hoch geehrt worden. Obgleich er aber ein Fels ist, so ist er trotzdem nicht ein Fels wie Christus, sondern Fels als Petrus. Christus ist seinem Wesen nach ein unerschütterlicher Fels: Petrus aber erst durch den Felsen (Christus). Denn Jesus teilt seine Würden mit, erschöpft sich aber nicht ... Er ist Priester und macht Priester ..., er ist ein Fels und macht zum Felsen“ (109).
Christus ist ferner der König der Kirche, der den Schlüssel Davids hat, er schließt und niemand öffnet, er öffnet und niemand schließt" (110); dadurch, dass er dem Petrus die Schlüssel überreicht, erklärt er ihn auch zum Fürsten der Christenheit. Ebenso hat der oberste Hirt, der sich selbst den guten Hirten (111) nennt, den Petrus zum Hirten seiner Lämmer und Schafe bestellt: Weide meine Lämmer, weide meine Schafe (112). Deshalb sagt Chrysostomus : „Er ragt unter den Aposteln hervor, er ist der Mund der Jünger und das Haupt ihrer Gemeinschaft ... Er spricht ihm zu, fürderhin Vertrauen zu haben, und nachdem die Erinnerung an die Verleumdung gleichsam ausgelöscht war, überträgt er ihm die Oberleitung der Brüder ... Er sagt ja: Wenn du mich liebst, dann stehe den Brüdern vor“ (113). Endlich hat er, der stärkt zu jedem guten Wort und Werk (114), den Petrus beauftragt, seine Brüder zu stärken. Mit Recht bemerkt daher Leo der Große: „Aus der ganzen Welt wird nur der eine Petrus bestimmt zum Oberhaupt aller auserwählten Völker, aller Apostel und aller Väter der Kirche; wenn auch im Volke Gottes viele Priester sind und viele Hirten, so herrscht doch im eigentlichen Sinne Petrus über alle jene, über die an erster Stelle auch Christus herrscht“ (115). Deshalb schreibt Gregor der Große an den Kaiser Mauritius Augustus: „Allen, die das Evangelium kennen, ist es klar, dass durch das Wort des Herrn dem Apostelfürsten Petrus die Sorge für die ganze Kirche übertragen wurde ... Siehe, er empfing die Schlüssel des Himmelreiches, ihm wird die Macht übertragen, zu binden und zu lösen, und er wird mit der Sorge und Oberleitung der ganzen Kirche betraut“ (116).
Die Päpste als Nachfolger im Primat
13 Weil diese oberste Autorität als Hauptbestandteil zur Verfassung und Organisation der Kirche gehört, und zwar als die Grundlage der Einheit und als Fundament ihrer dauernden Unversehrtheit, so durfte sie nicht mit dem heiligen Petrus untergehen, sondern musste sich auf seine Nachfolger von einem zum andern fortpflanzen: „Es bleibt also die Anordnung der Wahrheit bestehen, und der heilige Petrus lebt fort in der ihm als Fels verliehenen Kraft, und das einmal erfasste Steuerruder lässt er nicht mehr los“ (117).
Deshalb besitzen die Päpste, die dem Petrus auf dem römischen Bischofsstuhle folgen, kraft göttlichen Rechtes die höchste Gewalt in der Kirche. „Wir erklären, dass der römische Stuhl und der römische Papst den Primat innehat über die ganze Welt, dass der römische Papst der Nachfolger des heiligen Apostelfürsten Petrus und der wahre Stellvertreter sowie das Haupt der ganzen Kirche ist, der Vater und Lehrer aller Christen; dass ihm in der Person des heiligen Petrus durch unseren Herrn Jesus Christus die Vollmacht verliehen wurde, die ganze Kirche zu regieren und zu leiten, wie dies auch in den Verhandlungen der allgemeinen Kirchenversammlungen und in den heiligen Kirchensatzungen enthalten ist“ (118). Ähnlich äußert sich das IV. Laterankonzil: „Die römische Kirche besitzt gemäß der Anordnung Christi den Vorrang der ordentlichen Gewalt über alle anderen Kirchen, denn sie ist ja die Mutter und Lehrmeisterin aller Christen“ (119).
Vorausgegangen war schon die einhellige Auffassung des Altertums, das die römischen Päpste ohne jeden Zweifel als die rechtmäßigen Nachfolger des heiligen Petrus betrachtete und ehrte. Wer kennt nicht die zahlreichen und herrlichen Zeugnisse der Väter? Unter allen ragt jenes des heiligen Irenäus hervor, der sich folgendermaßen über die römische Kirche äußert: „Mit dieser Kirche müssen wegen ihres höheren Vorranges alle Kirchen in Einklang stehen“ (120).
Und Cyprian sagt gleichfalls von der römischen Kirche, sie sei „Wurzel und Mutterstamm der katholischen Kirche“ (121), sie sei „der Stuhl Petri und die Hauptkirche, von wo die Einheit des Priestertums ausgegangen ist“ (122). Er nennt sie „Stuhl Petri“, weil der Nachfolger Petri auf ihm sitzt; er nennt sie „Hauptkirche“ wegen des Vorranges, der dem Petrus und seinen rechtmäßigen Nachfolgern verliehen wurde; er sagt, von dort sei die Einheit ausgegangen, weil die römische Kirche die bewirkende Ursache der Einheit im Christentum ist.
Deshalb redet der heilige Hieronymus den Papst Damasus mit folgenden Worten an: „Ich rede mit dem Nachfolger des Fischers und mit dem Jünger des Kreuzes ... In enger Gemeinschaft schließe ich mich Eurer Heiligkeit an, d. h. dem Stuhle Petri. Ich weiß, auf diesem Felsen ist die Kirche aufgebaut“ (123). Den Katholiken pflegt er an der Gemeinschaft mit dem römischen Stuhle zu erkennen: „Wer mit dem Stuhle Petri verbunden ist, das ist mein Mann“ (124). Der heilige Augustinus legt ebenfalls Zeugnis ab dafür, „dass in der römischen Kirche der Vorrang des apostolischen Stuhles stets bestanden habe“ (125). Das sei kein Katholik, der vom römischen Glauben abweiche: „Man glaubt dir nicht, dass du den katholischen Glauben besitzest, da du nicht lehrst, man müsse den römischen Glauben befolgen“ (126). Ebenso der heilige Cyprian: „Mit Papst Cornelius in Gemeinschaft stehen, heißt mit der katholischen Kirche in Gemeinschaft stehen“ (127).
In ähnlicher Weise lehrt der Abt Maximus, es sei das Merkmal des wahren Glaubens und der wahren Gemeinschaft, dem römischen Papste untertan zu sein: „Wer daher kein Häretiker sein noch heißen will, braucht sich nicht erst vor diesem oder jenem zu rechtfertigen. Vor allem soll er sich schnell vor dem römischen Stuhle rechtfertigen. Ist dieser mit ihm zufrieden, so werden ihn alle überall als fromm und rechtgläubig betrachten. Ganz umsonst redet jener, der meinesgleichen überzeugen will und sich nicht vor dem Heiligen Vater der heiligen römischen Kirche, nämlich, vor dem apostolischen Stuhle, rechtfertigt und ihn anruft.“ (128) Der Grund hierfür liegt seines Erachtens darin, „dass dieser vom menschgewordenen Worte selber, nach der Lehre aller heiligen Kirchenversammlungen, gemäß der kirchlichen Satzungen und Bestimmungen, über alle heiligen Kirchen Gottes in der ganzen Welt in allem und durchwegs die Regierungsgewalt: erhalten hat und innehält, sowie die Vollmacht zu binden und zu lösen. Zugleich mit dem Papst bindet und löst auch im Himmel das Wort, das über alle himmlischen Heerscharen regiert“ (129).
An diesen christlichen Glauben, den nicht ein Volk oder eine Zeit, sondern alle Zeiten und das Morgenland so gut wie das Abendland stets anerkannt und hochgehalten haben, erinnert, ohne Widerspruch zu erfahren, der vom Papste delegierte Priester Philippus die Kirchenversammlung von Ephesus: „Es wird von niemandem angezweifelt, ja es ist allen Jahrhunderten bekannt, dass der heilige Petrus, der Fürst und das Haupt der Apostel die Säule des Glaubens und das Fundament der katholischen Kirche, von unserem Herrn Jesus Christus, dem Erlöser und Heiland der Welt, die Schlüssel des Reiches bekommen hat; zugleich ist ihm auch die Gewalt verliehen, Sünden zu lösen und zu behalten, ihm, der bis heute und für alle Zeiten in seinen Nachfolgern fortlebt und die richterliche Gewalt ausübt.“ (130) Allgemein bekannt ist ferner das Urteil der Kirchenversammlung von Chalzedon über den gleichen Gegenstand: „Petrus hat durch Leo ... gesprochen“ (131). Dieselbe Lehre hallt wider wie ein Echo auf der dritten Kirchenversammlung von Konstantinopel: „Der oberste Fürst der Apostel kämpfte mit uns: für uns trat ein sein Nacheiferer und Nachfolger auf dem Stuhle ... Es schien sein Schreiben nur Papier und Tinte zu sein, und doch sprach Petrus durch den Papst Agatho“ (132). In der katholischen Glaubensformel, die zu Anfang des 6. Jahrhunderts von Papst Hormisdas verfasst und von Kaiser Justinian sowie von den Patriarchen Epiphanius, Johannes und Mennas unterzeichnet wurde, findet sich in kräftiger Sprache die Erklärung: „Der Ausspruch unseres Herrn Jesus Christus: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, kann nicht unbeachtet bleiben... Was hier gesagt ist, hat sich tatsächlich erwiesen, da sich auf dem apostolischen Stuhle die katholische Religion stets makellos erhalten hat“ (133).
Wir wollen nicht alle Zeugnisse einzeln anführen; nur an das Glaubensbekenntnis sei erinnert, das Michael Paleologus auf dem zweiten Konzil von Lyon ablegte: „Die heilige römische Kirche besitzt den obersten, vollen Primat und die Regierungsgewalt über die ganze katholische Kirche. Sie hat ihn mit der ganzen Machtfülle vom Herrn selbst empfangen in der Person des heiligen Petrus, des Fürsten und Hauptes der Apostel, dessen Nachfolger der römische Papst ist; das anerkennt die römische Kirche in Wahrheit und in Demut. Und wie sie vor allen anderen die Wahrheit des Glaubens verteidigen muss, so müssen auch alle Fragen, die sich etwa bezüglich des Glaubens stellen, durch ihr Urteil entschieden werden“ (134).
Die Bischöfe als Nachfolger der Apostel
14 Wenn auch die Gewalt des heiligen Petrus und seiner Nachfolger die vollste und höchste ist, so darf man doch nicht meinen, sie sei die einzige. Derselbe nämlich, der den heiligen Petrus zum Fundament der Kirche bestimmte, wählte sich auch zwölf, ... die er Apostel nannte. (135) Wie die Gewalt des heiligen Petrus im römischen Papste fortleben muss, genau so erben auch die Bischöfe als Nachfolger der Apostel die ordentliche Gewalt, so dass der Episkopat notwendigerweise zur inneren Verfassung der Kirche gehört. Wenn sie auch keine volle, allgemeine und höchste Gewalt besitzen, so sind sie doch nicht bloße Stellvertreter der römischen Päpste, denn eine eigene Gewalt und heißen im vollen Sinne des Wortes ordentliche Oberhirten der ihnen unterstellten Völker.
Da aber Petrus nur einen Nachfolger hat, die Apostel hingegen deren viele, so geziemt es sich zu untersuchen, welches nach göttlicher Anordnung die Beziehungen der Bischöfe zum Papste sind. Die erste dieser Beziehungen besteht in der klaren und unzweifelhaften Pflicht der Bischöfe, in Gemeinschaft zu stehen mit dem Nachfolger Petri. Ist dieses Band zerrissen, so löst sich das christliche Volk selbst auf und zerstreut sich, so dass es in keiner Weise einen Leib und eine Herde bilden kann. „Das Heil der Kirche ist mit der Würde des Hohenpriesters verknüpft. Besitzt dieser nicht eine außerordentliche und alle überragende Gewalt, so werden in der Kirche ebenso viele Spaltungen entstehen, als Priester da sind“ (136).
Daher gilt es, hier besonders folgendes zu bemerken: Nichts wurde den Aposteln unabhängig von Petrus verliehen, vieles jedoch dem Petrus eigens und unabhängig von den Aposteln. Der heilige Johannes Chrysostomus stellt bei der Erklärung des Ausspruches Christi (Joh. XXI 15) die Frage: „Warum wendet sich Christus diesbezüglich unter Übergehung der anderen Apostel nur an Petrus ?“ - Und er antwortet unumwunden: „Er war der vornehmste unter den Aposteln, er war der Mund der Jünger und das Haupt in ihrem Kreise“ (137). Er allein ist von Christus zum Fundament der Kirche bestimmt worden, ihm ist die Macht verliehen zu lösen und zu binden, ihm allein die Gewalt gegeben, die Herde zu weiden. Was dagegen die Apostel an Ansehen und Amtvollmachten erhielten, haben sie im Verein mit Petrus bekommen: „Wenn auch die göttliche Huld wollte, dass die anderen Apostel etwas mit Petrus gemeinsam besitzen sollten, so hat sie nie anders als durch ihn verliehen, was sie den anderen nicht verweigerte... Vieles hat er gewiss allein bekommen, nichts ist aber auf einen anderen übergegangen, ohne dass er seinen Anteil daran hatte“ (138).
Daraus geht klar hervor, dass die Bischöfe ihrer Rechte und ihrer Regierungsgewalt verlustig gehen, wenn sie sich absichtlich von Petrus und seinen Nachfolgern trennen. Denn durch diese Trennung werden sie vom Fundament, auf dem das ganze Gebäude ruhen muss, losgelöst; somit sind sie auch von dem Gebäude selbst ausgeschlossen, und ebenso von dem Schafstall abgesondert, dessen Herr der oberste Hirte ist; sie sind aus dem Reiche ausgeschlossen, dessen Schlüssel dem Petrus allein von Gott übergeben wurden.
Hieraus erkennen wir aufs neue den Plan und die Absicht Gottes bei der Gründung des Christentums. Da nämlich der göttliche Stifter wollte, dass die Kirche eins sei im Glauben, in der Verwaltung und in der Gemeinschaft, so wählte er sich den Petrus und seine Nachfolger zur Grundlage und zum Mittelpunkt dieser Einheit. Deshalb sagt der heilige Cyprian: „Der Beweis für den Glauben ist leicht, wenn man die Wahrheit kurz zusammenfasst. Der Herr sagt zu Petrus: Ich sage dir, du bist Petrus ... Auf einen einzigen baut er die Kirche. Und wenn er auch allen Aposteln nach seiner Auferstehung gleiche Gewalt verleiht, indem er spricht: Wie mich der Vater gesandt hat ..., ordnet er doch, um die Einheit zu offenbaren, kraft seiner Vollmacht einen Ursprung für diese Einheit an, die nur aus einem ihren Anfang nehmen sollte. (139) Ebenso Optatus von Mileve: „Du kannst nicht leugnen, dass du weißt: In der Stadt Rom ist zuerst dem Petrus der bischöfliche Stuhl verliehen worden, auf dem er als das Haupt aller Apostel saß; deshalb wurde er auch Kephas genannt. In diesem einen bischöflichen Stuhle sollte von allen die Einheit gewahrt werden, damit die übrigen Apostel nicht einzeln einen eigenen Lehrstuhl für sich beanspruchten; und jeder, der gegen den einzig dastehenden Lehrstuhl einen anderen aufstellen würde, sollte als Schismatiker und Sünder gelten“ (140). Danach ist auch jener Ausspruch des heiligen Cyprian zu erklären, die Häresie wie das Schisma entstehe daraus, dass man der obersten Gewalt den Gehorsam verweigere: „Aus keiner anderen Ursache sind die Häresien und Schismen entstanden, als daraus, dass man dem Priester Gottes nicht gehorchte und vergaß, dass zur selben Zeit in der Kirche nur ein Priester und nur ein Richter die Stelle Christi vertritt. (141)
Niemand kann Anteil haben an der Autorität, wenn er nicht mit Petrus vereint ist; es ist nämlich unsinnig zu glauben, es könne jemand in der Kirche Vorsteher sein, wenn er selber außerhalb der Kirche steht. Aus diesem Grunde tadelte Optatus von Mileve die Donatisten: „Gegen diese Pforten (der Hölle) hat Petrus, unser Haupt, wie wir lesen, die Schlüssel des Heiles erhalten, denn zu ihm hat Christus gesagt: Dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Was unterfangt ihr euch also, die Schlüssel des Himmelreiches an euch zu reißen, die ihr gegen den Stuhl Petri ... ankämpft?“ (142)
15 Der Stand der Bischöfe ist aber erst dann gemäß der Anordnung Christi als mit Petrus vereinigt anzusehen, wenn er dem Petrus untersteht und ihm gehorcht; sonst zerfällt er unvermeidlich in eine lose Menge, wo Verwirrung und Unordnung herrscht. Soll die Einheit des Glaubens und der Gemeinschaft wirklich gewahrt sein, so genügt es nicht, dass einer den Ehrenvorrang habe oder eine gewisse Sorge trage für die anderen; es ist vielmehr unbedingt eine wahre und zugleich höchste Autorität notwendig, der die ganze Gemeinschaft gehorcht. Welches war denn die Absicht des Gottessohnes, als er die Schlüssel des Himmelreiches allein dem Petrus versprach? Dass mit der Bezeichnung „Schlüssel“ an dieser Stelle der höchste Gipfel der Macht gemeint ist, daran lassen weder der biblische Sprachgebrauch noch auch die übereinstimmende Lehre der Väter keinen Zweifel zu. Man wüsste sonst nicht zu erklären, was dem Petrus im besonderen, und was den Aposteln im Verein mit Petrus verliehen worden ist. Verleiht die Vollmacht zu binden und zu weiden den Bischöfen, den Nachfolgern der Apostel, das Recht, ihr Volk mit wahrer Amtsgewalt zu regieren, so muss doch dieselbe Gewalt auch jenem dasselbe verleihen, dem von Gott das Amt übertragen wurde, die Lämmer und die Schafe zu weiden. „Christus hat Petrus nicht nur zum Hirten, sondern zum Hirten der Hirten auserkoren; Petrus weidet daher die Lämmer, er weidet auch die Schafe; er weidet die Kinder, er weidet auch die Mütter; er regiert die Untertanen, er regiert auch die Vorgesetzten, denn außer den Lämmern und den Schafen gibt es in der Kirche nichts“ (143).
Daher stammen jene besonderen Titel, die von den Alten dem heiligen Petrus beigelegt wurden und den auf die höchste Stufe der Würde und Gewalt Erhobenen nachdrücklich preisen. Durchwegs nennen sie ihn den „Fürsten der Jüngerschar“, den „ Fürsten der Apostel“, „Führer dieses Chores“, „Mund aller Apostel“, „Haupt dieser Familie“, „Vorsteher der ganzen Welt“, den „Ersten unter den Aposteln“, „die Säule der Kirche“.
Das alles sagt offenbar der heilige Bernhard mit seinen Worten an Papst Eugen: „Wer bist du? Der große Priester, der Hohepriester. Du bist der Fürst der Bischöfe, der Erbe der Apostel... Dir sind die Schlüssel gegeben, dir die Schafe anvertraut. Es gibt zwar noch andere Torhüter und Hirten; aber du bist dies umso glorreicher, als du beide Titel in einem weit höheren Sinne als die anderen ererbt hast. Jene haben die ihnen zugewiesenen Herden, jeder die seine; dir sind alle Herden anvertraut, dem einen als eine einzige. Du bist nicht nur der Hirt der Schafe, sondern auch der Hirten, du allein der eine Hirt aller Hirten. Du fragst, wie ich das beweise? Aus dem Worte des Herrn. Wem denn, ich sage nicht von den Bischöfen, sondern selbst von den Aposteln, sind alle Schafe so ganz ausnahmslos anvertraut? Petrus, wenn du mich liebst, so weide meine Schafe. Welche? Die Völker dieser oder jener Stadt, dieser oder jener Gegend, oder eines bestimmten Reiches? - Meine Schafe, sagte er. Wer sieht nicht, dass er damit nicht einige bezeichnete, sondern alle gemeint hat? Wo nichts unterschieden wird, wird auch nichts ausgenommen“ (144).
Es ist falsch und widerspricht offensichtlich der Anordnung Gottes, wenn man meint, die einzelnen Bischöfe unterständen zwar der Gerichtsbarkeit der römischen Päpste, nicht aber alle in ihrer Gesamtheit. Das Wesen eines Fundamentes besteht nämlich darin, dem ganzen Gebäude Einheit und Festigkeit zu verleihen, mehr noch als den einzelnen Teilen. Bei unserem Gegenstand trifft das noch weit mehr zu, weil Christus der Herr durch die Tragkraft des Fundamentes erreichen wollte, dass die Mächte der Hölle die Kirche nicht überwältigen. Diese göttliche Verheißung ist nach der allgemeinen Ansicht von der Gesamtkirche zu verstehen, nicht von ihren einzelnen Teilen, die ja durch den Ansturm der Hölle überwunden werden können; es ist ja auch bei einigen Einzelfällen vorgekommen, dass sie tatsächlich überwunden wurden.
Wer ferner der ganzen Herde vorangestellt ist, muss notwendig Gewalt haben nicht nur über die einzelnen zerstreuten Schafe, sondern über die vereinte Gesamtheit aller. Oder soll die Gesamtheit der Schafe den Hirten regieren und führen? Sind vielleicht die vereinten Nachfolger der Apostel das Fundament, auf das sich der Nachfolger Petri stützen muss, um standhaft zu sein? Wer die Schlüssel des Reiches in seiner Hand hält, der besitzt Rechts- und Amtsgewalt nicht bloß über die einzelnen Provinzen, sondern über die Gesamtheit aller; und ebenso wie die Bischöfe, jeder in seinem Sprengel, mit wahrer Amtsgewalt nicht nur über den einzelnen Privatmenschen herrschen, sondern über ihre ganze Herde, so haben auch die römischen Päpste, deren Amtsgewalt sich über die ganze Christenheit erstreckt, alle Teile des Ganzen, auch zusammen genommen, unter ihrer Gewalt und Oberherrschaft. Wie zur Genüge betont wurde, hat Christus der Herr dem Petrus und seinen Nachfolgern die Vollmacht verliehen, seine Stellvertreter zu sein und dieselbe Gewalt stets in der Kirche auszuüben, die er selbst während seines irdischen Daseins ausgeübt hat. Darf man dann sagen, das Apostelkollegium habe seinen Meister noch an Macht übertroffen?
Diese Amtsgewalt über das Gesamtkollegium der Bischöfe, von der die Heilige Schrift in klaren Worten spricht, hat die Kirche zu jeder Zeit ohne Unterlass anerkannt und gelehrt. Dahin gehören die Äußerungen der Kirchenversammlungen: „Wir lesen, dass der römische Papst das Richteramt über die Bischöfe aller Kirchen ausgeübt hat; wir lesen aber nicht, dass er von irgend einem gerichtet wurde“ (145). Als Grund dafür wird angeführt, dass es „keine höhere Autorität gibt als die des apostolischen Stuhles“ (146).
Deshalb gibt Papst Gelasius über die Beschlüsse der Kirchenversammlungen folgendes Urteil ab: „Wie das, was der oberste Lehrstuhl nicht bestätigt hat, überhaupt nicht zu Recht bestehen konnte, so hat die ganze Kirche angenommen, was er zu bestimmen sich entschloß“ (147). Tatsächlich war es stets das Amt der römischen Päpste, die Urteile und Beschlüsse der Kirchenversammlungen zu bestätigen. Die Entscheide des Afterkonzils von Ephesus hat Leo der Große für nichtig erklärt; Damasus jene des Konzils von Rimini; Hadrian I. jene des Konzils von Konstantinopel; der 28. Satz des Konzils von Chalzedon aber ist bekanntlich als ungültig unbeachtet geblieben, weil ihm die autoritative Billigung des apostolischen Stuhles verweigert wurde. Mit Recht behauptete demnach Leo X. auf dem V. Laterankonzil: „Nur der jeweils regierende römische Papst besitzt, kraft seiner Autorität über alle Konzilien, allein das volle Recht und die Macht, ein Konzil einzuberufen, zu verlegen und aufzulösen; das wird nicht nur durch das Zeugnis der Heiligen Schrift, die Aussagen der heiligen Väter und der römischen Päpste sowie durch die Erlasse der heiligen Kirchensatzungen mit aller Klarheit bestätigt, sondern auch durch das eigene Bekenntnis der Konzilien selbst“ (148). Es unterliegt also keinem Zweifel: die Schlüssel des Himmelreiches sind nur dem heiligen Petrus, die Macht zu binden und zu lösen auch den Aposteln im Verein mit Petrus verliehen; dafür zeugt die Heilige Schrift. Nirgends aber ist gesagt, woher die Apostel die höchste Gewalt ohne Petrus oder gegen Petrus empfangen haben sollten. Auf keinen Fall haben sie diese von Christus bekommen. Deshalb ist durch den Entscheid des Vatikanischen Konzils, Natur und Umfang des Primates der römischen Päpste betreffend, keine neu erfundene Ansicht, sondern ein alter und durch alle Jahrhunderte stets bezeugter Glaubenssatz ausgesprochen worden (149).
Wenn auch dieselben Menschen in der Kirche einer doppelten Gewalt unterstehen, so richtet dieser Umstand in der Verwaltung doch keine Verwirrung an. So etwas zu denken, verbietet uns zunächst Gottes Weisheit, durch dessen Ratschluss diese Regierungsform eingeführt wurde. Außerdem ist zu bemerken, dass die Ordnung der Dinge und die gegenseitigen Beziehungen nur dann gestört werden, wenn bei einem Volk zwei Obrigkeiten nebeneinander gleich hoch stehen und keine der anderen unterstellt ist. Nun ist aber die Macht des römischen Papstes die höchste, sie erstreckt sich über die ganze Erde und ist vollkommen unabhängig. „Es ist ein Missstand, wenn zwei in gleicher Weise an die Spitze derselben Herde gestellt werden. Dass aber zwei, von denen der eine über dem andern steht, über dasselbe Volk herrschen, ist keineswegs unschicklich. In dieser Weise nun stehen unmittelbar über demselben Volke der Pfarrer, der Bischof und der Papst“ (150).
Eingedenk ihrer Aufgabe bestreben sich übrigens die römischen Bischöfe, insbesondere all das zu erhalten, was in der Kirche nach Gottes Anordnung vorgesehen ist; wie sie daher ihre eigene Vollmacht mit der erforderlichen Sorgfalt in Schutz nehmen, so haben sie sich auch stets bemüht und werden sich noch weiterhin bemühen, die Autorität der Bischöfe zu wahren. Ja, was immer den Bischöfen an Ehre und Gehorsam erwiesen wird, das betrachten sie als sich selbst erwiesen. „Die Ehre der ganzen Kirche ist auch meine Ehre. Ich fühle mich stets wahrhaft geehrt, wenn allen und jedem die schuldige Ehre erwiesen wird“ (151).
Schluss: Mahnruf an die Gläubigen und Abseitsstehenden
16 Hiermit haben Wir ein treues Bild und das wahre Antlitz der Kirche gezeichnet, so wie sie Gott selber eingerichtet hat. Über die Einheit haben Wir manches gesagt und zur Genüge erklärt, wie sie nach dem Willen des göttlichen Stifters beschaffen sein und kraft welcher Prinzipien sie erhalten werden soll.
Wir zweifeln nicht daran, dass alle, die durch Gottes Gnade und Güte im Mutterschoße der Kirche als ihre Kinder leben, Unsere apostolische Stimme vernehmen werden. Meine Schafe hören auf meine Stimme. (152) Diese Darlegungen mögen sie veranlassen, sich noch besser zu unterrichten und noch bereitwilliger mit ihren zuständigen Hirten und durch sie mit dem obersten Hirten vereinigt zu bleiben, damit sie desto sicherer in dem einen Schafstalle ausharren und noch reichere Früchte des Heiles gewinnen.
Wenn Wir jedoch hinschauen auf Jesus, den Urheber und Vollender des Glaubens (153), dessen Stelle Wir vertreten, dem würdevollen Amte freilich nicht gewachsen, so wird Unser Herz von seiner Liebe entflammt; und nicht ohne Grund machen Wir das Wort Christi auch zu dem Unsrigen: Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Schafstalle sind, auch sie muss ich herbeiführen, und sie werden meine Stimme hören (154). Sie alle mögen doch auf Uns hören und sich Unserer väterlichen Liebe nicht entziehen; sie alle, die bedauern, dass die Gottlosigkeit mit Macht um sich greift; sie alle, die den Sohn Gottes und Erlöser der Menschheit Jesus Christus zwar kennen und bekennen, aber noch fern von seiner Braut im Irrtum befangen sind. Wer Christus annimmt, muss den ganzen Christus annehmen. „Haupt und Leib, das ist der ganze Christus. Der eingeborene Sohn Gottes ist das Haupt, die Kirche sein Leib; Bräutigam und Braut, zwei in einem Fleische. Alle, die bezüglich dieses Hauptes von der Heiligen Schrift abweichen, sind nicht in der Kirche, auch wenn sie überall sind, wo die Kirche ist. Und auch jene, die bezüglich dieses Hauptes mit der Heiligen Schrift einig gehen, aber keine Gemeinschaft haben mit der Einheit der Kirche, gehören nicht zur Kirche“ (155).
Mit gleicher Liebe schlägt Unser Herz für jene, die vom Pesthauch der Gottlosigkeit nicht ganz verdorben, doch noch den wahren Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, zum Vater haben wollen. Diese mögen bedenken und vollends erkennen, dass sie nicht zu den Kindern Gottes gezählt werden können, wofern sie sich nicht Christus zum Bruder und die Kirche zur Mutter gewählt haben.
Allen rufen Wir in wahrer Liebe die Worte des heiligen Augustinus zu: „Lasset uns lieben den Herrn unseren Gott, lasset uns lieben seine Kirche; jenen als unseren Vater, diese als unsere Mutter. Es sage doch keiner: ich gehe zwar zu den Götzenbildern, ich befrage die Besessenen und Wahrsager, aber die Kirche Gottes will ich nicht verlassen: ich bin Katholik. Du hältst zur Mutter, den Vater aber beleidigst du. Ein anderer wiederum sagt: Nein, ich befrage nicht den Wahrsager, ich gehe nicht zu einem Besessenen, ich forsche nicht in gotteslästerlichen Wahrsagungen, ich bete nicht die Dämonen an, ich diene nicht den Bildern von Stein; aber ich gehöre zu Donatus. Was nützt es dir, wenn du den Vater nicht beleidigst, da er doch die Kränkung der Mutter rächt? Was nützt es dir, wenn du den Herrn bekennst, Gott die Ehre gibst, ihn verkündest, seinen Sohn anerkennst, den bekennst, der zur Rechten des Vaters sitzt, seine Kirche aber lästerst? ... Wenn du einen Gönner hättest, dem du alle Tage zu Diensten wärest, beleidigtest aber seine Gattin durch eine schändliche Anklage, würdest du noch einmal sein Haus betreten dürfen? Haltet also, Geliebte, haltet alle einmütig treu zu Gott als eurem Vater und zur Kirche als eurer Mutter“ (156).
Im vollen Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit, der die Herzen der Menschen am leichtesten rühren und bewegen kann, wann und wohin er will, empfehlen Wir angelegentlichst seiner Güte alle, die Wir in Unserer Darlegung im Auge hatten. Als Unterpfand der himmlischen Güter aber und als Zeichen Unseres Wohlwollens erteilen Wir Euch, geliebte Brüder, Eurem Klerus und Eurem Volke in großer Liebe den apostolischen Segen im Herrn.
Anmerkungen
(1) Eph 5,25.
(2) Mt 11,30.
(3) Jak 1,17.
(4) 1 Kor 3,6.
(5) Phil 9,6-7.
(6) Röm 10,17.
(7) Röm 10, 10.
(8) 1 Kor 12, 27.
(9) JOHANNES CHRYSOSTOMUS, Homil. Je capto Eutropio n. 6. PG 52, 402.
(10) AUGUSTINUS, In Psalm. LXXI, 8. PL 36, 906.
(11) AUGUSTlNUS, Enarratio in Psalm. CIII, sermo II, 5. PL 37, 1353.
(12) CLEMENS VON ALEX., Stromat. lib. VII cap. 17. CV 3, 76. PG 9, 551.
(13) Mt 16, 18.
(14) Joh 20, 21.
(15) Joh 17, 18.
(16) VgI. Mt. 18, 11.
(17) Joh. 3, 17.
(18) Apg. 4, 12.
(19) Is 2, 2.
(20) Is 2, 2-3.
(21) OPTATUS VON MILEVE, De Schism. Donatist. lib. III 2. CV 26 (Edit. C. Ziwsa 1893) 70- 71. PL 11, 995-997.
(22) AUGUSTINUS, In epist. Joan. tract. I n. 13. PL 35, 1988.
(23) Eph 1, 22-23.
(24) 1 Kor 12, 12.
(25) Eph 4, 15-16.
(26) CYPRIANUS, De cath. Eccl. unitate n.23. CV 3, I, 231. PL 4, 517.
(27) CYPRIANUS, De cath. Eccl. unitate n.23. CV 3, 1,231. PL 4, 517.
(28) Eph 5, 29-30.
(29) AUGUSTINUS, Sermo CCLXVII, n.4. PL 38, 1231.
(30) CYPRIANUS, De cath. Eccl. unitate n. 6. CV 3, 1, 214. PL 4, 503.
(31) Eph 4, 4.
(32) Joh 17, 20, 21, 22.
(33) Joh 17, 21.
(34) Eph 4, 5.
(35) 1 Kor. 1, 10.
(36) IRENAEUS, Adversus haereses lib. III cap. 12 n. 12. PG 7, 906.
(37) AUGUSTINUS, In Evang. Joan. tract. XVIII, cap. 5 n. 1. PL 35, 1536.
(38) 1 Joh 10, 37.
(39) Joh 15, 24.
(40) 3 Joh 10, 38.
(41) Mt 28, 18-20.
(42) Mk 15, 16.
(43) Joh 16, 7-13.
(44) Joh 14, 16-17
(45) Joh 15, 26-27.
(46) Lk 10, 16.
(47) Joh 20, 21.
(48) Röm 1, 5.
(49) Mk 16, 20.
(50) Vgl. Mk 16, 15.
(51) Vgl. Apg 9, 15.
(52) Vgl. Apg 1, 8.
(53) Mt 28, 20.
(54) HIERONYMUS, In Mt. IV, 28. PL 26, 218.
(55) Apg 20, 24.
(56) 2 Tim 2, 1-2.
(57) CLEMENS VON ROM, Epist. I ad Cor., cap. 42-44. PG 1, 291-298.
(58) CYPRIANUS, Epist. LXIX ad Magnum n. 1. CV 3, 2; 749-750, PL 3, 1138.
(59) Lk 9, 23.
(60) Der Verfasser des Tractatus de Fide orfhodoxa contra Arianos c.1 PL 17, 552.
(61) AUGUSTINUS, De haeresibus n. 88. PL 42, 50.
(62) Eph 4, 3.
(63) Eph 4, 5.
(64) Eph 4, 14.
(65) Eph 4, 13.
(66) Eph 4, 11-12.
(67) ORIGINES, Serius veteris interpret. commentar. in Mt. n. 46. PG 13,l 1667.
(68) lRENAEUS, Adversus haeresis, lib. IV cap. 33 n. 8. PG 7, 1077.
(69) TERTULLIANUS, De praescript. cap. XXI. PL 2, 33.
(70) HILARIUS, Comment. in Mt XIII 1. PL 9, 993.
(71) RUFINUS, Hist. Eccl. lib. II cap.9. CV Eusebius, 2, 1014 (lib. XI c.9). PL 21, 518.
(72) RICHARD VON ST. VIKTOR, De Trinit. lib. I cap. 2. PL 196, 891.
(73) Vatikanisches Konzil, Sess. III cap. 3. Denzinger Nr. 1789.
(74) Jak 2, 10.
(75) AUGUSTlNUS, In Psalm. LIV n.19. PL 36, 641.
(76) VgI. 2 Kor 10, 5.
(77) AUGUSTlNUS, Contra Faustum Manichaeum lib. XVII cap. 3. CV 25, 1,486. PL 42, 342.
(78) Vatikanisches Konzil, Sess. III cap.3. Denzinger Nr.1792.
(79) AUGUSTINUS, De utilitate credendi cap. XVII n. 35. CV 25, 1, 45-46 PL 42, 91.
(80) Mk 16, 15.
(81) Mt 18, 19.
(82) Lk 22, 19. 1 Kor 11, 24.
(83) Joh 20, 23.
(84) 1 Kor 4, 1.
(85) THOMAS VON AQUIN, Sum. theol. II-II q.39 a. 1.
(86) HIERONYMUS, Comment. in Epist. ad Titum III 10-11. PL 26, 598.
(87) JOHANNES CHRYSOSTOMUS, Homil. Xl in Epist. ad Ephes. n. 5. PG 62,87.
(88) AUGUSTINUS, Contra epist. Parmeniani lib. II cap. II n.25. C 51, 76. PL 43, 69.
(89) THOMAS VON AQUIN, Contra Gentiles lib. IV cap. 76.
(90) Mt 16, 18.
(91) PACIAN VON BARCELONA, Epist.III, ad Sempronium n. 11. PL 13,1071.
(92) Mt 16, 17.
(93) CYRILLUS VON ALEXANDRIEN, In Evang. Joan. lib. II, in cap. 1 v. 42. PG 73, 219.
(94) Mt 16, 18.
(95) ORIGENES, Comment. in Mt t. XII n.11. PG 13, 1003.
(96) Mt 7, 24.
(97) ORIGENES, Comment. in Mt t. XII n.11. PG 13, 1003-1006.
(98) Mt 16, 19.
(99) JOHANNES CHRYSOSTOMUS, Homil. LIV in Mt n. 2. PG 5.8, 534-535.
(100) Mt 16, 19.
(101) Joh 21, 16-17.
(102) AMBROSIUS, Exposit. in Evang. sec. Lucam, lib. X n. 175-176. CV 32, 4; 523-524. PL 15, 1848.
(103) JOHANNES CHRYSOSTOMUS, De sacerdotio lib. II. PG 48, 632.
(104) Lk 22, 32.
(105) Ebd.
(106) AMBROSIUS, De fide lib. IV n. 56. PL 16, 628.
(107) LEO MAGNUS, Sermo IV cap. 2. PL 54, 150.
(108) Eph 2, 20-21.
(109) Homil. de poenitentia n. 4, in appendice opp. S. Basilii. PG 31, 1483.
(110) Offb 3, 7.
(111) Joh 10, 11.
(112) Joh 21, 16-17.
(113) JOHANNES CHRYSOSTOMUS, Homil. LXXXVIlI in Joan. n. 1. PG 59,478-479.
(114) 2 Thess 2, 16.
(115) LEO MAGNUS, Sermo IV cap. 2. PL 54, 149-150.
(116) GREGORIUS MAGNUS, Epistolarum lib. v, epist. xx. PL 77, 745-746.
(117) LEO MAGNUS, Sermo III cap. 3. PL 54, 146.
(118) Konzil von Florenz, Decretum pro Graecis. Denzinger Nr. 694.
(119) IV. Konzil vom Lateran, cap. 2. Denzinger Nr. 433.
(120) IRENAEUS, Adversus haereses lib. III cap. 3 n. 2. PG 7, 849.
(121) CYPRIANUS, Epist. XLVIII ad Cornelium n. 3. CV 3, 2, 607. PL 3, 710.
(122) CYPRIANUS, Epist. LIX ad Cornelium n. 14. PL 3, 732.
(123) HIERONYMUS, Epist. xv ad Damasum n. 2 CV 54, 63. PL 22, 355.
(124) HIERONYMUS, Epist. XVI ad Damasum n. 2. CV 54, 69. PL 22, 359.
(125) AUGUSTlNUS, Epist. XLIII n. 7. CV 34, 90. PL 33, 163.
(126) AUGUSTINUS, (Der Verweis der Acta auf Sermo CXX n. 13 stimmt nicht; wir konnten die Quelle nicht ausfindig machen.)
(127) CYPRIANUS, Epist. LV n. 1. CV 3, 2, 624. PL 3, 765.
(128) Abt MAXIMUS, Defloratio ex epist. ad Petrum illustr. PL 129, 576.
(129) Ders., 1. c.
(130) Konzil von Ephesus, Actio III. Mansi 4, 1295.
(131) Konzil von Chalzedon, Actio II. Mansi 6, 971.
(132) Konzil von Konstantinopel, Actio XVIII. Mansi 11, 666.
(133) Post Epist. XXVI ad omnes Episc. Hispan. n.4. Mansi 8, 467. PL 63, 460. Denzinger Nr.171.
(134) Konzil von Lyon, Actio IV. Denzinger Nr. 466.
(135) Lk 6, 13.
(136) HIERONYMUS, Dial. contra Luciferianos n. 9. PL 23, 165.
(137) JOHANNES CHRYSOSTOMUS, Homil. LXXXVIII in Joan. n. 1. PG 59, 478.
(138) LEO MAGNUS, Sermo IV cap. 2. PL 54, 150.
(139) CYPRIANUS, De unitate Eccl. n. 4. CV 3, 1, 212. PL 4, 498.
(140) OPTATUS VON MILEVE, De schism. Donatist. lib. II, 2. CV 26, 36. PL 11; 947.
(141) CYPRIANUS, Epist. XII ad Cornelium n. 5. PL 3, 802.
(142) OPTATUS VON MILEVE, De schism. Donatist. lib. II n. 4-5. CV 26,39. PL 11, 955-956.
(143) BRUNO VON SEGNI, Comment. in Joan. III cap. 21 n. 55.
(144) BERNHARD, De consideratione lib. II cap.8. PL 182, 751.
(145) IV. Konzil von Konstantinopel, Actio VII. (HADRIAN ll., in allocutione III ad Synodum Romanum an. 869). Mansi 16, 126.
(146) NIKOLAUS I., Epist. LXXXVl ad Michael. Imperat.: „Patet profecto Sedis Apostolicae, cuius auctoritate major non est, iudicium a nemine fore retractandum, neque cuiquam de eius liceat iudicare iudicio". PL 119, 954.
(147) GELASIUS, Epist. XXVI ad Episcopos Dardoniae n. 5. PL 59, 67.
(148) V. Konzil vom Lateran, Sess. XI. Mansi 32, 967. Denzinger Nr. 740.
(149) VgI. Vatikan. Konzil, Sess. IV cap. 3. Denzinger Nr.1826.
(150) THOMAS VON AQUIN, In IV. Sent. dist. XVII a.4, ad q.4 ad 3.
(151) GREGORIUS MAGNUS, Epistolarum lib. VIII, epist. XXX ad Eulogium. PL 77, 933.
(152) Joh 10, 27.
(153) Hebr 12, 2.
(154) Joh 10, 16.
(155) AUGUSTINUS, De unitate Eccl. contra Donatist. cap. IV n. 7. CV 52, 238 (epist. ad catholicos). PL 43, 395.
(156) AUGUSTINUS, Enarratio in Psalm. LXXXVIII, sermo II n. 14. PL37, 1140.