Alfredo Ottaviani
Alfredo Ottaviani (*29. Oktober 1890 in Rom; †3. August 1979 in Rom) war Kardinal und im Heiligen Offizium tätig. Er gilt als letzter großer Repräsentant des ius publicum ecclesiasticum (Kirchliches Öffentliches Recht).
Ottaviani absolvierte philosophische, theologische und Studien des Kirchen- und Staatsrechtes. Am 18. März 1916 erhielt er die Priesterweihe. 1922 wurde er Offizial der Kongregation für außerordentliche Angelegenheiten (S. Congregazione degli affari ecclesiastici straordinari) des Vatikans. Er war Dozent an S. Apollinare (heute Lateranuniversität) an der er auch studiert hatte. Er nahm an den Vorbereitungsarbieten der Lateranverträge teil. 1929 wurde er dann Substitut im Staatssekretariat und im Dezember 1935 Assessor beim Heiligen Offizium. In dieser Funktion wirkte er profiliert im Fall Leonard Feeney S.J. mit, dem das votum implicite entgegengehalten wurde (d.h. extra ecclesiam nulla salus kann nicht heißen, dass "alle" verlorengehen, die der Kirche nicht "sichtbar" angehören).
Am 12. Januar 1953 wurde er durch Papst Pius XII. zum Kardinal ernannt, einziger Nicht-Bischof des 2. (letzten) Konsistoriums des Papstes. Von 1953 bis 1959 war er Pro-Sekretär des Heiligen Offiziums. Die Bischofsweihe erhielt er als Titular-Bischof von Berea (Syrien) am 14. April 1962 durch Papst Johannes XXIII.. Sein Bischofswahlspruch lautete: "Semper idem". Von 1959 bis 1965 diente er als Kardinal-Sekretär und von 1965-1968 als Präfekt im Heiligen Offizium bzw. stand der Kongregation für die Glaubenslehre, als Nachfolgeorganisation der Inquisition, als ihr erster Präfekt vor. (Zuvor führte der Papst selbst den Vorsitz.)
Ottaviani war ein großer Kenner auf seinem Gebiet, persönlich äußerst konziliant, zugänglich und dialogfähig. Er stammte aus "kleinen Verhältnissen", was er, ebenso wie z.B. Kardinal Domenico Tardini, nie vergaß. Obzwar (oder weil) glühender Antikommunist, war er immer für die soziale Frage offen und vertrat seit 1947 öffentlich einen quasi pazifistischen Standpunkt (Bellum omnino interdicendum esse; der Krieg ist völlig zu untersagen; vgl. Gaudium et spes, Nr. 82). Nur dank heftiger Interventionen der U.S. amerikanischen Kardinäle wurde diese Position im Konzilsdokument etwas abgeschwächt. Die heutige Entwicklung, in der im Prinzip alle Seiten eine Integration der Militärmacht in "polizeiliche" Aufgaben (weltweit) anstreben, gibt Ottaviani allerdings Recht. Ottaviani persönlich hat hinsichtlich der Liturgiereform, die "neuen" Hochgebete II-IV gutgeheißen; bei Inkrafttreten des Missale Romanum 1970 erwirkte er jedoch ein päpstliches Vorwort (Prooemium) zur Institutio Generalis Missalis Romani, zur Verdeutlichung der ungebrochenen Tradition. Ottaviani war also nicht der Verfasser der so gen. "Ottaviani-Intervention" gegen die "neue Messe", sondern leitete diesen (anonymen) Text nur zur Prüfung an den Papst weiter. Sein Nachfolger im Präfektenamt Kardinal Franjo Seper hat diese Kritik dann sorgfältig widerlegt. Ottaviani war auch kein Sympathisant der Rebellenbewegung um Erzbischof Marcel Lefebvre. Trotz bisweilen großer Auffassungsunterschiede zu Papst Paul VI. blieb er immer absolut loyal und dienstbereit (er hatte den Papst immerhin 1963 als Protodiakon gekrönt). Das trug ihm hohe Anerkennung auf allen Seiten ein.
Alfredo Ottaviani war ein starker Befürworter der Konzilsidee von Papst Johannes XXIII., trug jedoch mit dazu bei, dass dem einzuberufenden Konzil eine Überfülle von mehr als 70 Schemata vorgelegt wurde, die dann mühsam auf zuletzt 16 Dokumente zurückgeführt werden mussten. (Vielleicht noch zu viele!) Der bisweilen sehr konservative Widerstand des römischen Theologen und Juristen hat im Ergebnis aber zur Verbesserung der Texte beigetragen. Ottaviani hat Paul VI. auch darin bestärkt, die Enzyklika Humanae vitae vom 25. Juli 1968 zu veröffentlichen. Sein Andenken wird durch den "Rufmord" von interessierter Seite ebensowenig auf Dauer beschädigt werden wie durch die falsche Inanspruchnahme durch "falsche Freunde".
Zur Beerdigung predigte Papst Johannes Paul II.: Link (ital.)