Dives in misericordia (Wortlaut)

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Enzyklika
Dives in misericordia

unseres Heiligen Vaters
Johannes Paul II.
über das göttliche Erbarmen
30. November 1980

(Offizieller lateinischer Text AAS 72 [1980] 1177-1232)

(Quelle: Die deutsche Fassung auf der Vatikanseite)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Verehrte Brüder, liebe Söhne und Töchter !
Gruß und Apostolischen Segen

I. WER MICH SIEHT, SIEHT DEN VATER (vgl. Joh 14, 9)

1. Die Offenbarung des Erbarmens

»GOTT..., DER VOLL ERBARMEN IST«,<ref> {{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 2{{#if:4|,4}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> wurde uns von Jesus Christus als Vater geoffenbart: sein Sohn selbst hat ihn uns in sich kundgetan und kennengelehrt.<ref>Vgl. {{#ifeq: Evangelium nach Johannes | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Joh|Joh|Evangelium nach Johannes}}|{{#if: Joh |Joh|Evangelium nach Johannes}}}} 1{{#if:18|,18}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Brief an die Hebräer | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Hebr|Hebr|Brief an die Hebräer}}|{{#if: Hebr |Hebr|Brief an die Hebräer}}}} 1{{#if:1 f|,1 f}} f|,1 f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">f|,1 f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> Denkwürdig ist die Szene, da Philippus, einer der zwölf Apostel, sich an Jesus wandte mit der Bitte: »Herr, zeig uns den Vater, das genügt uns«, und die Antwort bekam: »Schon so lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt...? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen«.<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Johannes | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Joh|Joh|Evangelium nach Johannes}}|{{#if: Joh |Joh|Evangelium nach Johannes}}}} 14{{#if:8 f|,8 f}} f|,8 f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">f|,8 f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> Diese Worte wurden während der Abschiedsreden gesprochen, am Ende des Ostermahles, dem dann die Ereignisse jener heiligen Tage folgten, in denen es sich ein für allemal erwiesen hat, dass »Gott..., der voll Erbarmen ist, ... uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, zusammen mit Christus wieder lebendig gemacht hat«.<ref>{{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 2{{#if:4 f|,4 f}} f|,4 f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">f|,4 f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>

Im Anschluss an die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils und im Blick auf die besonderen Erfordernisse unserer Zeit habe ich die Enzyklika Redemptor Hominis der Wahrheit über den Menschen gewidmet, die uns in ihrer Fülle und Tiefe in Christus offenbar wird. Ein nicht weniger gewichtiges Erfordernis unserer ernsten und keineswegs leichten Zeit drängt mich dazu, mich noch einmal in das Geheimnis Christi zu versenken, um in ihm das Antlitz des Vaters zu entdecken, der der »Vater des Erbarmens und der Gott allen Trostes«<ref>{{#ifeq: 2. Brief des Paulus an die Korinther | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: 2 Kor|2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}|{{#if: 2 Kor |2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}}} 1{{#if:3|,3}} Kor%201{{#if:3|,3}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Kor%201{{#if:3|,3}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> ist. In der Konstitution Gaudium et Spes lesen wir: »Christus, der neue Adam, macht... dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung«, und er tut dies eben »in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe«.<ref>Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 22; AAS 58 (1966), S. 1042.</ref> Diese Worte bezeugen sehr klar, dass der Mensch in der vollen Würde seiner Natur nicht dargestellt werden kann ohne einen - nicht nur theoretischen, sondern ganzheitlich existentiellen - Bezug auf Gott. Der Mensch und seine höchste Berufung werden in Christus durch die Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe offenbar.

Sich diesem Geheimnis zuzuwenden, wird von vielfachen Erfahrungen der Kirche und des zeitgenössischen Menschen nahegelegt; es wird auch von den notvollen Rufen so vieler Menschenherzen, von ihren Leiden und Hoffnungen, ihren Ängsten und Erwartungen gefordert. Wenn es zutrifft, dass in gewissem Sinne jeder Mensch der Weg der Kirche ist - wie ich es in der Enzyklika Redemptor Hominis ausgesprochen habe - , dann sagen uns das Evangelium und die gesamte Tradition zugleich, dass wir diesen Weg mit jedem Menschen so gehen müssen, wie Christus ihn vorgezeichnet hat, indem er in sich selbst den Vater und dessen Liebe offenbarte.<ref>Vgl. ebd.</ref> In Jesus Christus ist jeder Weg zum Menschen - der Kirche ein für allemal im wechselvollen Bild der Zeiten aufgegeben - gleichzeitig ein Weg, der zum Vater und zu seiner Liebe führt. Das Zweite Vatikanische Konzil hat diese Wahrheit auf unsere Zeit hin neu bekräftigt.

Je mehr sich die Sendung der Kirche auf den Menschen konzentriert, je mehr sie sozusagen anthropozentrisch ist, desto mehr muss sie sich als theozentrisch erweisen und es in Wirklichkeit sein, sich also in Jesus Christus auf den Vater ausrichten. Während verschiedene Geistesströmungen in der Vergangenheit und der Gegenwart dazu neigten und neigen, Theozentrik und Anthropozentrik voneinander zu trennen und sogar in Gegensatz zueinander zu bringen, bemüht sich die Kirche, darin Christus folgend, deren organische, tiefe Verbindung in die Geschichte des Menschen einzubringen. Das ist auch ein Grundgedanke, vielleicht sogar der wichtigste in der Lehre des letzten Konzils. Wenn wir also in der gegenwärtigen Phase der Kirchengeschichte unsere erste Aufgabe darin sehen, die Lehre des großen Konzils zu verwirklichen, so müssen wir uns diesem Grundgedanken mit Glauben, offenem Geist und mit dem Herzen zuwenden. Schon in meiner vorhin erwähnten Enzyklika habe ich versucht hervorzuheben, dass die Vertiefung und vielfache Bereicherung des Wissens um die Kirche - eine Frucht des Konzils - unseren Geist und unser Herz für Christus selbst weiter auftun müssen. Heute möchte ich sagen, dass diese Öffnung auf Christus hin - der als Erlöser der Welt dem Menschen den Menschen voll offenbart - sich nur vollziehen kann in einer immer reiferen Beziehung zum Vater und zu seiner Liebe.

2. Die Inkarnation des Erbarmens

Gott, »der in unzugänglichem Licht wohnt«,<ref>{{#ifeq: 1. Brief des Paulus an Timotheus | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: 1 Tim|1 Tim|1. Brief des Paulus an Timotheus}}|{{#if: 1 Tim |1 Tim|1. Brief des Paulus an Timotheus}}}} 6{{#if:16|,16}} Tim%206{{#if:16|,16}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Tim%206{{#if:16|,16}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> spricht zugleich zum Menschen durch die Sprache des Universums: »Seit Erschaffung der Welt wird seine unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit«.<ref>{{#ifeq: Vorlage:Röm (Bibel) | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Röm|Röm|Vorlage:Röm (Bibel)}}|{{#if: Röm |[[Vorlage:Röm (Bibel)|Röm]]|[[Vorlage:Röm (Bibel)]]}}}} 1{{#if:20|,20}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> Diese indirekte und unvollkommene Erkenntnis - ein Werk des Verstandes, der Gott durch Vermittlung der Geschöpfe sucht, ausgehend von der sichtbaren Welt - ist noch kein »Sehen des Vaters«. »Niemand hat Gott je gesehen«, schreibt der heilige Johannes, um jener Wahrheit besonderen Nachdruck zu verleihen, dass »Er, der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, (ihn) kundgemacht hat«.<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Johannes | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Joh|Joh|Evangelium nach Johannes}}|{{#if: Joh |Joh|Evangelium nach Johannes}}}} 1{{#if:18|,18}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> Diese »Kundmachung« offenbart Gott im unauslotbaren Geheimnis seines einen und dreifaltigen Seins, das von »unzugänglichem Licht«<ref>{{#ifeq: 1. Brief des Paulus an Timotheus | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: 1 Tim|1 Tim|1. Brief des Paulus an Timotheus}}|{{#if: 1 Tim |1 Tim|1. Brief des Paulus an Timotheus}}}} 6{{#if:16|,16}} Tim%206{{#if:16|,16}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Tim%206{{#if:16|,16}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> umgeben ist. Doch erkennen wir Gott durch die »Kundmachung« Christi vor allem in seiner liebenden Zuwendung zum Menschen, in seiner »Menschen - Freundlichkeit«.<ref>«Phil-antropía»: {{#ifeq: Brief des Paulus an Titus | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Tit|Tit|Brief des Paulus an Titus}}|{{#if: Tit |Tit|Brief des Paulus an Titus}}}} 3{{#if:4|,4}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> Gerade hier wird seine »unsichtbare Wirklichkeit« auf besondere Weise »sichtbar« in unvergleichlich höherem Maß als durch all seine anderen »Werke«: sie wird sichtbar in Christus und durch Christus, durch seine Taten und seine Worte und schließlich durch seinen Kreuzestod und seine Auferstehung.

Auf diese Weise - in Christus und durch Christus - wird Gott auch in seinem Erbarmen besonders sichtbar, das heißt: jene göttliche Eigenschaft tritt hervor, die schon das Alte Testament - in verschiedenen Bildern und Ausdrucksweisen - als »Erbarmen« beschrieben hat. Christus gibt der gesamten alttestamentlichen Tradition vom göttlichen Erbarmen eine endgültige Bedeutung. Er spricht nicht nur vom Erbarmen und erklärt es mit Hilfe von Gleichnissen und Parabeln, er ist vor allem selbst eine Verkörperung des Erbarmens, stellt es in seiner Person dar. Er selbst ist in gewissem Sinne das Erbarmen. Für den, der es in ihm sieht - und in ihm findet - , wird Gott in besonderer Weise »sichtbar« als Vater, »der voll Erbarmen ist«.<ref>{{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 2{{#if:4|,4}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>

Die Mentalität von heute scheint sich vielleicht mehr als die der Vergangenheit gegen einen Gott des Erbarmens zu sträuben und neigt dazu, schon die Idee des Erbarmens aus dem Leben und aus den Herzen zu verdrängen. Das Wort und der Begriff »Erbarmen« scheinen den Menschen zu befremden, der dank eines in der Geschichte vorher nie gekannten wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts Herrscher geworden ist und sich die Erde untertan gemacht und unterjocht hat.<ref>Vgl. {{#ifeq: Genesis | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Gen|Gen|Genesis}}|{{#if: Gen |Gen|Genesis}}}} 1{{#if:28|,28}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> Dieses Herrschen über die Erde, das zuweilen einseitig und oberflächlich verstanden wird, scheint für das Erbarmen keinen Raum zu lassen. Es ist in diesem Zusammenhang lohnend, auf das Bild von der »Situation des Menschen in der heutigen Welt« zurückzugreifen, wie es am Beginn der Konstitution Gaudium et Spes umrissen wird. Unter anderem lesen wir dort die folgenden Sätze: »So zeigt sich die moderne Welt zugleich stark und schwach, zum Besten befähigt und zum Schlimmsten bereit. Sie hat die Wahl zwischen Freiheit und Sklaverei, Fortschritt und Rückschritt, Brüderlichkeit und Haß. Zudem weiß nun der Mensch, dass es seine Aufgabe ist, jene Kräfte, die er selbst geweckt hat und die ihn zermalmen oder ihm dienen können, richtig zu lenken«.<ref>Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 9; AAS 58 (1966), S. 1032.</ref>

Die Lage der Welt von heute weist nicht nur Umwandlungen auf, die zur Hoffnung auf eine bessere Zukunft des Menschen auf dieser Erde berechtigen, sondern auch vielfache Bedrohungen, welche über die bisher gekannten weit hinausgehen. Die Kirche muss auf diese Bedrohungen bei entsprechenden Gelegenheiten weiterhin aufmerksam machen (wie in den Ansprachen vor der UNO, der UNESCO, der FAO und anderswo), sie aber auch im Lichte der von Gott empfangenen Wahrheit durchdenken.

In Christus geoffenbart, erlaubt uns die Wahrheit über Gott, den »Vater des Erbarmens«,<ref>{{#ifeq: 2. Brief des Paulus an die Korinther | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: 2 Kor|2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}|{{#if: 2 Kor |2 Kor|2. Brief des Paulus an die Korinther}}}} 1{{#if:3|,3}} Kor%201{{#if:3|,3}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Kor%201{{#if:3|,3}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> ihn dem Menschen besonders nahe zu »sehen«, und zwar vor allem dann, wenn der Mensch leidet, wenn er im Kern seiner Existenz und seiner Würde bedroht ist. Das ist der Grund, warum sich in der heutigen Situation der Kirche und der Welt viele Menschen und viele Gemeinschaften, von einem lebendigen Glaubenssinn geführt, sozusagen spontan an Gottes Erbarmen wenden. Sie werden dazu sicher von Christus selbst gedrängt, der durch seinen Geist in den Herzen der Menschen am Werk ist. Das von ihm geoffenbarte Geheimnis Gottes als des »Vaters des Erbarmens« wird vor dem Hintergrund der heutigen Bedrohung des Menschen gleichsam ein einzigartiger Appell an die Kirche.

Mit dieser Enzyklika möchte ich auf diesen Appell eingehen; ich möchte aus der zeitlosen, in ihrer Einfachheit und zugleich Tiefe unvergleichlichen Sprache der Offenbarung und des Glaubens schöpfen, um in ihr noch einmal die großen Besorgnisse unserer Zeit vor Gott und den Menschen auszusprechen.

Offenbarung und Glaube lehren uns ja nicht so sehr, abstrakt über das Geheimnis Gottes als des »Vaters des Erbarmens« nachzusinnen, sondern zu diesem Erbarmen unsere Zuflucht zu nehmen, im Namen Christi und in Einheit mit ihm. Hat er etwa nicht gesagt, dass unser Vater, »der auch das Verborgene sieht«,<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 6{{#if:4.6.18|,4.6.18}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> sozusagen unablässig darauf wartet, dass wir ihn in jeder Not anrufen und so immer sein Geheimnis ermessen: das Geheimnis des Vaters und seiner Liebe?<ref>Vgl. {{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 3{{#if:18|,18}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; außerdem {{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 11{{#if:5-13|,5-13}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref>

So ist es mein Wunsch, dass die Überlegungen dieser Enzyklika das Geheimnis der väterlich-erbarmenden Liebe Gottes allen näher bringen und zugleich zu einem inständigen Gebet der Kirche um Erbarmen werden, das der Mensch und die Welt von heute so sehr brauchen - und sie brauchen es, auch wenn sie sich dessen oft nicht bewusst sind.

II. DIE MESSIANISCHE BOTSCHAFT

3. Als Christus zu wirken und zu lehren begann

Vor seinen Landsleuten in Nazaret bezieht sich Christus auf die Worte des Propheten Jesaja: »Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe«.<ref> {{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 4{{#if:18 f|,18 f}} f|,18 f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">f|,18 f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> Diese Sätze sind bei Lukas Jesu erste Messias - Offenbarung, der dann die Taten und Worte folgen, die wir aus dem Evangelium kennen. Durch diese Taten und Worte macht Christus den Vater unter den Menschen gegenwärtig. Es ist ungemein bezeichnend, dass diese Menschen vor allem die Armen sind, denen es an Lebensunterhalt fehlt; die, welche ihrer Freiheit beraubt sind; die Blinden, welche die Schönheit der Schöpfung nicht sehen können; die, welche in Trauer und Sorge leben oder unter sozialen Ungerechtigkeiten leiden; und schließlich die Sünder. Vor allem für die Letztgenannten wird der Messias ein besonders verstehbares Zeichen Gottes, der Liebe ist, ein Zeichen des Vaters. In diesem sichtbaren Zeichen können die Menschen von heute ebenso wie die Menschen von damals den Vater sehen.

Es ist aufschlussreich, dass Jesus den von Johannes dem Täufer gesandten Boten auf ihre Frage: »Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?«,<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 7{{#if:19|,19}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> mit dem gleichen Zeugnis antwortet, mit dem er in Nazaret seine Lehrtätigkeit begonnen hatte: »Geht und berichtet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen, und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet«, und dass er abschließend hinzufügt: »Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt«.<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 7{{#if:22 f|,22 f}} f|,22 f}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">f|,22 f}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Jesus offenbarte insbesondere durch seinen Lebensstil und seine Taten, wie die Liebe, die wirkende Liebe, die Liebe, die sich dem Menschen zuwendet und alles umfängt, was sein Menschsein ausmacht, in unserer Welt gegenwärtig ist. Diese Liebe tritt besonders dort in Erscheinung, wo sie mit Leid, Ungerechtigkeit und Armut in Berührung kommt, mit der konkreten conditio humana, der geschichtlichen Befindlichkeit des Menschen, die auf verschiedene Weise von der physischen und moralischen Begrenztheit und Gebrechlichkeit des Menschen geprägt ist. Gerade wegen der Art und des Bereichs, in denen sich die Liebe kundtut, wird sie in der Sprache der Bibel auch als »Erbarmen« bezeichnet.

Christus offenbart Gott, der Vater ist, der »Liebe ist«, wie sich der heilige Johannes in seinem ersten Brief ausdrücken wird;<ref>{{#ifeq: 1. Brief des Johannes | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: 1 Joh|1 Joh|1. Brief des Johannes}}|{{#if: 1 Joh |1 Joh|1. Brief des Johannes}}}} 4{{#if:8.16|,8.16}} Joh%204{{#if:8.16|,8.16}}/anzeige/context/#iv EU | BHS =bibelwissenschaft.de">Joh%204{{#if:8.16|,8.16}}/anzeige/context/#iv EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> er offenbart Gott, der »voll Erbarmen« ist, wie wir beim heiligen Paulus lesen.<ref>{{#ifeq: Brief des Apostels Paulus an die Epheser | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Eph|Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}|{{#if: Eph |Eph|Brief des Apostels Paulus an die Epheser}}}} 2{{#if:4|,4}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Diese Wahrheit ist nicht so sehr Gegenstand einer Belehrung, sondern in erster Linie eine Wirklichkeit, die uns durch Christus gegenwärtig wird. Den Vater als Liebe und Erbarmen gegenwärtig zu machen, ist für ihn die grundlegende Verwirklichung seiner Sendung als Messias; das bestätigen die Worte, die er in der Synagoge von Nazaret gesprochen hat und dann vor seinen Jüngern und vor den Boten Johannes' des Täufers.

Im Rahmen dieser Bekundung der Gegenwart Gottes als Vater, Liebe und Erbarmen macht Jesus das Erbarmen zu einem der Hauptthemen seiner Lehrtätigkeit. Wie gewöhnlich, spricht er auch hier vor allem »in Gleichnissen«, da diese das eigentliche Wesen der Dinge besser zum Ausdruck bringen. Es genügt, in diesem Zusammenhang an die Gleichnisse vom verlorenen Sohn<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 15{{#if:11-32|,11-32}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> oder vom barmherzigen Samariter<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 10{{#if:30-37|,30-37}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> oder auch - als Gegensatz dazu - an das Gleichnis vom unbarmherzigen Diener<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 18{{#if:23-35|,23-35}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> zu erinnern. Zahlreich sind die Abschnitte in der Unterweisung Christi, welche die erbarmende Liebe unter immer neuen Gesichtspunkten schildern. Halten wir uns nur den guten Hirten vor Augen auf der Suche nach seinem verlorenen Schaf<ref> {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 18{{#if:12-14|,12-14}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}; {{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 15{{#if:3-7|,3-7}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> oder die Frau, welche das ganze Haus durchkehrt, um die verlorene Drachme zu finden.<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Lukas | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Lk|Lk|Evangelium nach Lukas}}|{{#if: Lk |Lk|Evangelium nach Lukas}}}} 15{{#if:8-10|,8-10}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> Diese Themen der Lehre Christi werden besonders vom Evangelisten Lukas behandelt, dessen Evangelium den Ehrennamen »Evangelium des Erbarmens« bekam.

Bei dieser unserer Betrachtung der Verkündigung Jesu tut sich ein entscheidendes Problem auf: die Bedeutung der Ausdrücke und der Inhalt der Begriffe, vor allem der Begriffsinhalt von »Erbarmen« (im Verhältnis zu dem von »Liebe«). Das Erfassen dieser Inhalte ist der Schlüssel zum Verständnis der Wirklichkeit des Erbarmens. Und gerade darauf kommt es uns am meisten an. Bevor wir uns allerdings im folgenden Abschnitt unserer Erwägungen diesem Punkt zuwenden und die einzelnen Wortbedeutungen und schließlich den Begriffsinhalt von »Erbarmen« zu klären suchen, ist noch eine Feststellung notwendig: nämlich dass Christus beim Offenbaren der erbarmenden Liebe Gottes gleichzeitig von den Menschen forderte, sich in ihrem Leben ebenfalls von Liebe und Erbarmen leiten zu lassen. Diese Forderung gehört wesenhaft zur messianischen Botschaft und stellt den Kern des evangelischen Ethos dar. Der Meister bringt sie zum Ausdruck sowohl in der Form des Gebotes, das er als »das wichtigste und erste«<ref>{{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 22{{#if:38|,38}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref> bezeichnet, wie auch in der Form einer Seligpreisung, wenn er in der Bergpredigt ausruft: »Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden«.<ref> {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Dives in misericordia (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 5{{#if:7|,7}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

Der messianischen Botschaft über das Erbarmen eignet somit eine besondere göttlich - menschliche Dimension. Christus wird in Erfüllung der messianischen Prophetien die Inkarnation jener Liebe, welche mit besonderer Eindringlichkeit in ihrer Zuwendung zu den Leidenden, den Unglücklichen und den Sündern sichtbar wird; er macht so den Vater, den Gott »voll Erbarmen«, gegenwärtig und in größerer Fülle offenbar. Dabei wird er für die Menschen zugleich Modell der erbarmenden Liebe zum Nächsten und verkündet so durch die Taten noch mehr als durch seine Worte den Aufruf zum Erbarmen, der eines der wesentlichen Elemente des evangelischen Ethos ist. Es geht hier nicht nur um die Befolgung eines Gebotes oder einer sittlichen Norm, sondern um die Erfüllung einer Grundvoraussetzung dafür, dass Gott dem Menschen sein Erbarmen erweisen kann: »Die Barmherzigen... werden Erbarmen finden«.

[Fortsetzung folgt]

Anmerkungen

<references />