Einzelgericht

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Das Partikulargericht , Einzelgericht oder Besondere Gericht

Wenn die Menschen sterben, müssen sie sich dem sogenannten persönlichen Gericht stellen. Die Heilige Schrift sagt, dass es dem Menschen bestimmt ist, ein einziges Mal zu sterben, worauf dann das Gericht folgt (Hebr 9,27). Die Menschen werden nach ihrem Tod sofort gerichtet und erhalten ihren Lohn, für das Gute und das Schlechte. Sie erkennen sofort ihr endgültiges Schicksal.

Partikulargericht und Jüngstes Gericht

Der Scholastiker Thomas von Aquin (1225-1274) verteidigte diese Idee in seiner Summa theologica ausdrücklich. Jeder Mensch sei sowohl Einzelperson als auch Teil des ganzen Menschengeschlechtes. Daher gebühre ihm ein doppeltes Gericht.

Der Hauptunterschied zwischen Partikulargericht und Jüngstem Gericht ist die Tatsache, dass das Partikulargericht direkt nach dem Tod jedes Individuums und nicht erst am Jüngsten Tag stattfindet. Es handelt sich hierbei um Gottes Gericht über die Seele, das nicht - wie das Jüngste Gericht - mit der Auferstehung des Leibes verbunden ist. Das Partikulargericht fußt nicht auf biblischen Quellen, sondern ist ein Gedankenmodell, das von verschiedenen Kirchenvätern entwickelt wurde.

Die Seelen der Heiligen, der Apostel, Märtyrer und Bekenner, die in ihrem Leben ihren christlichen Glauben bewiesen hatten, werden beim Partikulargericht direkt, ohne Gerichtsverfahren, in den Himmel geschickt.

Der richtende Gott entscheidet auch über das Schicksal derer, die sündig gelebt hatten. Diese werden in die Hölle verdammt, aus der es kein Entrinnen gibt. Sie werden dort bis in alle Ewigkeit gepeinigt und gequält werden.

Für die Delinquenten mit minder schwerwiegendem Sündenregister gibt es Hoffnung. Sie werden beim Partikulargericht dazu verurteilt, eine an ihren Vergehen gemessene Zeit im Fegefeuer zu verbringen. Beim Partikulargericht gibt es also drei mögliche Gerichtsentscheide: der Verstorbene wird in den Himmel, in die Hölle oder ins Fegefeuer geschickt. Das Urteil, das beim Partikulargericht gefällt wird, antizipiert das Urteil des Jüngsten Gerichts, wenn es um die Entscheidung Gut oder Böse geht. Die Möglichkeit, Seelen ins Fegefeuer zu schicken, bleibt dem individuellen Gericht vorbehalten.

Kontroverse Interpretationen

Philippe Ariès vertritt die These, dass das Partikulargericht im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts an Bedeutung gewonnen und das Jüngste Gericht von seinem vorrangigen Platz verdrängt hat. Den Grund dafür sieht Ariès in der wachsenden Bedeutung des Individuums, das sich im Spätmittelalter zunehmend für seinen eigenen Tod interessiert. Diese Veränderung belegt Ariès beispielsweise mit der großen Verbreitung von Ars moriendi-Traktaten, die zur Vorbereitung auf einen friedlichen Tod in großer Menge kursierten und sich größter Beliebtheit erfreuten.

Eine kontroverse Position vertritt der russische Historiker Aaron Gurjewitsch. Er ist der Meinung, dass beide Gerichte - Jüngstes Gericht und Partikulargericht - während des gesamten Mittelalters unabhängig voneinander koexistierten. Gurjewitsch spricht von einer "paradoxen Koexistenz" zwischen der, wie er sie nennt, "kleinen Eschatologie" und der "großen Eschatologie", die jedes Individuum in zweifacher Weise betrifft: wenn es um sein eigenes Schicksal geht und zugleich für ihn als Mitglied der Gemeinschaft, die am Jüngsten Tag gerichtet wird.

Jacques Le Goff sieht dagegen keine Konkurrenz zwischen den beiden Gerichten. Für ihn vollzog sich die Entstehung des Partikulargerichts am Ende des 12. Jahrhunderts analog zur Entstehung des Fegefeuers. Beide Phänomene haben dieselbe gesellschaftspolitische Wurzel und sind für ihn ebenfalls ein Phänomen des zunehmenden Interesses der Menschen an ihrem individuellen Tod.


Worte Jesu zum Gericht

Ich sage euch: Über jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen. Mt12,36 siehe auch: Letzte Dinge

Literatur

  • Jaques Le Goff: La naissance du purgatoire. Paris 1981
  • Aaron Gurjewitsch: Die Darstellung von Persönlichkeit und Zeit in der mittelalterlichen Kunst. Weimar 1984
  • Philippe Ariès: L'homme devant la mort. Paris 1977