Mane nobiscum Domine (Wortlaut)

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Apostolisches Schreiben
Mane nobiscum domine

unseres Heiligen Vaters
Johannes Paul II.
an die Bischöfe, den Klerus und die Gläubigen
zum Jahr der Eucharistie, OKTOBER 2004–OKTOBER 2005.
7. Oktober 2004
(Offizieller lateinischer Text: AAS LXXV [1983] 1001-1009)

(Quelle: Deutsche Fassung auf der Vatikanseite)
Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


EINFÜHRUNG

1 »Bleibe bei uns, Herr, denn es will Abend werden« (vgl. Lk 24,29). Dies sind die eindringlichen Worte der Einladung, mit denen sich die beiden Jünger, die am Abend des Auferstehungstages nach Emmaus unterwegs sind, an den Wanderer wenden, der sich auf dem Weg zu ihnen gesellt hatte. Mit trüben Gedanken beladen konnten sie sich nicht vorstellen, dass gerade dieser Unbekannte ihr Meister sein würde, der schon von den Toten auferstanden war. Dennoch verspürten sie, während er mit ihnen redete und ihnen den Sinn der Schrift ,,erschloss”, ein inneres ,,Brennen” (vgl. ebd. V. 32). Das Licht des Wortes löste die Blindheit ihres Herzens und ließ ihnen die Augen aufgehen (vgl. ebd. V. 31). Unter den Schatten des zu Ende gehenden Tages und in der Dunkelheit, die ihr Herz zu umhüllen drohte, war jener Wanderer ein Lichtstrahl, der Hoffnung zu wecken vermochte und ihren Geist für den Wunsch nach der Fülle des Lichtes öffnete. ,,Bleib doch bei uns”, drängten sie ihn. Und er akzeptierte. Kurz darauf war das Antlitz Jesu verschwunden. Der Herr jedoch war ,,geblieben”, und zwar unter dem Schleier des ,,gebrochenen Brotes”, vor dem ihnen die Augen aufgegangen waren.

2 Das Bild der Emmausjünger eignet sich gut dafür, einem Jahr Orientierung zu geben, in dem die Kirche sich in besonderer Weise bemühen wird, das Geheimnis der heiligen Eucharistie zu leben. Auf den Straßen unserer Fragen und unserer Unruhe, zuweilen unserer tiefen Enttäuschungen, will der göttliche ,,Wanderer” uns weiterhin Gefährte sein, um uns durch die Auslegung der Heiligen Schrift in das Verstehen der Geheimnisse Gottes einzuführen. Wenn die Begegnung mit dem Herrn zur Fülle gelangt, tritt an die Stelle des ,,Lichtes des Wortes” jenes Licht, das aus dem ,,Brot des Lebens” hervorgeht, mit dem Christus in höchster Form seine Zusage ,,Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt” erfüllt (Mt 28,20).

3 Das ,,Brotbrechen”, wie die Eucharistie im Anfang genannt wurde, steht von je her im Mittelpunkt des Lebens der Kirche. Mittels ihrer macht Christus durch den Zeitenlauf hindurch das Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung gegenwärtig. In ihr empfangen wir Christus in Person als ,,das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist” (Joh 6,51). In Ihm ist uns das Unterpfand des ewigen Lebens gegeben, dank dessen wir das ewige Gastmahl des himmlischen Jerusalem vorauskosten dürfen. Im Gleichklang mit der Lehre der Kirchenväter, der ökumenischen Konzilien und mit meinen Vorgängern habe ich die Kirche mehrfach eingeladen, über die Eucharistie nachzudenken, zuletzt in der Enzyklika Ecclesia de Eucharistia. In diesem Schreiben beabsichtige ich daher nicht, die schon dargebotene Lehre erneut vorzulegen, vielmehr verweise ich darauf, damit sie vertieft und aufgenommen wird. Jedenfalls glaube ich, dass es gerade auf dieses Ziel hin sehr hilfreich sein könnte, ein Jahr zu begehen, das ganz diesem wunderbaren Sakrament gewidmet ist.

4 Bekanntlich wird das Jahr der Eucharistie vom Oktober 2004 bis zum Oktober 2005 dauern. Zwei Ereignisse haben mir die günstige Gelegenheit zu dieser Initiative geboten; diese werden entsprechend den Beginn und das Ende des Jahres der Eucharistie markieren: der Internationale Eucharistische Kongress, der vom 10. bis zum 17. Oktober 2004 in Guadalajara (Mexiko) stattfindet, und die Ordentliche Versammlung der Bischofssynode, die sich im Vatikan vom 2. bis zum 29. Oktober 2005 mit dem Thema ,,Die Eucharistie als Quelle und Höhepunkt des Lebens und der Sendung der Kirche” beschäftigen wird. Bei meinem Vorhaben hat sodann eine weitere Überlegung nicht gefehlt: In dieses Jahr fällt der Weltjugendtag, der vom 16. bis zum 21. August 2005 in Köln stattfinden wird. Die Eucharistie wird dabei der lebendige Mittelpunkt sein, um den herum — so wünsche ich es — sich die Jugendlichen sammeln, um ihren Glauben und ihren Enthusiasmus zu nähren. Den Gedanken an solch eine eucharistische Initiative trage ich schon länger im Herzen: Tatsächlich stellt sie die natürliche Entwicklung der pastoralen Ausrichtung dar, die ich der Kirche einzuprägen beabsichtigte, besonders seit Beginn der Vorbereitungszeit auf das Große Jubiläum, und die ich dann in den darauffolgenden Jahren wieder aufgegriffen habe.

5 In diesem Apostolischen Schreiben möchte ich die Kontinuität der Ausrichtung unterstreichen, damit es allen leichter wird, ihre geistliche Bedeutung zu erfassen. Hinsichtlich der konkreten Verwirklichung des Jahres der Eucharistie verlasse ich mich auf den persönlichen Einsatz der Hirten der Teilkirchen. Die Verehrung dieses so großen Geheimnisses wird es ihnen nicht daran mangeln lassen, opportune Aktivitäten vorzuschlagen. Meinen Mitbrüdern im Bischofsamt wird es überdies nicht schwer fallen zu erkennen, dass diese Initiative, die relativ kurz auf den Abschluss des Rosenkranzjahres folgt, sich auf einem derart hohen geistlichen Niveau bewegt, sodass sie in keiner Weise die Pastoralprogramme der einzelnen Diözesen beeinträchtigt. Sie kann diese vielmehr wirksam erleuchten, indem sie sie sozusagen in jenem Mysterium verankert, das die Wurzel und das Geheimnis des geistlichen Lebens der Gläubigen wie ebenso jeder Initiative der Ortskirche ausmacht. Ich verlange daher nicht die Unterbrechung der pastoralen ,,Wege”, die die einzelnen Kirchen zurücklegen, sondern dass auf ihnen die eucharistische Dimension, die dem ganzen christlichen Leben zu eigen ist, eine Akzentuierung erfahren möge. Ich möchte meinerseits mit diesem Schreiben einige grundlegende Orientierungen anbieten. Dies geschieht in der Hoffnung, dass das Volk Gottes in seinen verschiedenen Gliedern meinen Vorschlag mit Bereitwilligkeit und eifriger Liebe aufnehmen wird.

I. AUF DER LINIE DES KONZILS UND DES JUBILÄUMS

Den Blick auf Christus gerichtet

6 Vor zehn Jahren hatte ich die Freude, mit dem Schreiben Tertio millennio adveniente (10. November 1994) den Weg der Vorbereitung auf das Große Jubiläum des Jahres 2000 aufzuweisen. Ich spürte, dass diese historische Gelegenheit sich am Horizont wie eine große Gnade abzeichnete. Gewiss habe ich mir nicht eingebildet, ein einfacher zeitlicher Übergang — mochte er noch so eindrücklich sein — könne schon selbst große Veränderungen mit sich bringen. Nach dem Beginn des Millenniums zeigte sich leider via facti eine Art rauer Kontinuität der vorausgehenden Ereignisse und oftmals der schlimmsten unter ihnen. Langsam hat so ein Szenarium sichtbare Formen angenommen, dass — neben tröstlichen Perspektiven — düstere Schatten der Gewalt und des Blutes erkennen lässt, die nicht aufhören, uns traurig zu stimmen. Als ich die Kirche einlud, das Jubiläum der zwei Jahrtausende seit der Menschwerdung Gottes zu feiern, war ich fest überzeugt — und ich bin es jetzt mehr denn zuvor! —, auf lange Sicht für die Menschheit zu arbeiten.

Christus steht in der Tat nicht nur im Zentrum der Kirchengeschichte, sondern auch der Menschheitsgeschichte. In ihm wird alles eins (vgl. Eph 1,10; Kol 1,15-20). Wie können wir nicht an den Aufbruch denken, mit dem das Zweite Vatikanische Konzil bekannte, indem es Papst Paul VI. zitierte, dass Christus ,,das Ziel der menschlichen Geschichte [ist], der Punkt, auf den hin alle Bestrebungen der Geschichte und der Kultur konvergieren, der Mittelpunkt der Menschheit, die Freude aller Herzen und die Erfüllung ihrer Sehnsüchte”. <ref>Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 45.</ref> Die Lehre des Konzils trug zu einer neuen Vertiefung des Wissens um die Natur der Kirche bei, indem es die Herzen der Glaubenden für ein besseres Verstehen der Glaubensgeheimnisse und eben auch der irdischen Wirklichkeit im Lichte Christi öffnete. In Ihm, dem fleischgewordenen Wort, klärt sich nämlich nicht nur das Geheimnis Gottes auf, sondern das Geheimnis des Menschen selbst. <ref>Vgl. ebd., 22.</ref> In Ihm findet der Mensch Erlösung und Vollendung.

7 In der Enzyklika Redemptor hominis zu Beginn meines Pontifikats habe ich ausführlich diese Thematik behandelt, die ich dann bei verschiedenen anderen Anlässen wieder aufgegriffen habe. Das Jubiläum war der günstige Augenblick, die Aufmerksamkeit der Gläubigen auf diese grundlegende Wahrheit zu lenken. Die Vorbereitung des großen Ereignisses war ganz trinitarisch und christozentrisch. Bei diesem thematischen Ansatz konnte die Eucharistie gewiss nicht ausgelassen werden. Wenn wir uns heute auf den Weg machen, ein Jahr der Eucharistie zu feiern, erinnere ich gern an das, was ich schon in Tertio millenio adveniente geschrieben habe: ,,Das Jahr 2000 soll ein intensiv eucharistisches Jahr sein: Im Sakrament der Eucharistie bietet sich der Erlöser, der vor zweitausend Jahren im Schoß Mariens Mensch geworden ist, weiterhin der Menschheit als Quelle göttlichen Lebens dar“. <ref>Nr. 55: AAS 87 (1995), 38.</ref> Der Internationale Eucharistische Kongress in Rom verlieh diesem Merkmal des Großen Jubiläums konkreten Ausdruck. Es lohnt sich auch, daran zu erinnern, dass ich mitten in der Vorbereitung auf das Jubiläum im Apostolischen Schreiben Dies Domini das Thema des ,,Sonntags” als Tag des auferstandenen Herrn und als besonderer Tag der Kirche den Glaubenden zur Betrachtung vorgeschlagen habe. Damals lud ich alle ein, die Feier der Eucharistie als das Herz des Sonntags wiederzuentdecken. <ref>Vgl. Nrn. 32-34: AAS 90 (1998), 732-734.</ref>

Mit Maria das Antlitz Christi betrachten

8 Das Erbe des Großen Jubiläums findet sich in gewisser Weise im Apostolischen Schreiben Novo millennio ineunte zusammengestellt. In diesem programmatischen Dokument empfahl ich eine Perspektive des pastoralen Einsatzes, der auf der Betrachtung des Antlitzes Christi gründet, innerhalb einer kirchlichen Pädagogik, die fähig ist, nach dem ,,hohen Maßstab” der Heiligkeit zu streben, besonders durch die Kunst des Gebets.<ref>Vgl. Nrn. 30-32: AAS 93 (2001), 287-289.</ref> Und wie konnte in dieser Perspektive der liturgische Einsatz und in besonderer Weise die Aufmerksamkeit gegenüber dem eucharistischen Leben fehlen? Damals schrieb ich: ,,Im 20. Jahrhundert, besonders seit dem Konzil, ist die christliche Gemeinde in der Feier der Sakramente, vor allem der Eucharistie, gewachsen. Man muss diese Richtung weiterverfolgen durch besondere Hervorhebung der sonntäglichen Eucharistiefeier und des Sonntags selbst, der als besonderer Tag des Glaubens, als Tag des auferstandenen Herrn und des Geschenkes des Geistes, als wöchentliches Ostern wahrgenommen wird”.<ref>Ebd., 35: a.a.O., 290-291.</ref> Im Zusammenhang mit der Erziehung zum Gebet forderte ich dann dazu auf, das Stundengebet zu pflegen, durch das die Kirche die verschiedenen Stunden des Tages und den Rhythmus der Zeit in der dem liturgischen Jahr eigenen Gliederung heiligt.

9 Später, mit der Ausrufung des Jahres des Rosenkranzes und der Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens Rosarium Virginis Mariæ, habe ich das Thema der Betrachtung des Antlitzes Christi von der marianischen Perspektive her durch das neuerliche Angebot des Rosenkranzes wieder aufgegriffen. Dieses traditionelle Gebet, vom Lehramt sehr empfohlen und dem Gottesvolk sehr teuer, hat in der Tat eine ausgesprochen biblische und evangeliumsentsprechende Gestalt, die vorwiegend auf den Namen und das Antlitz Jesu hin ausgerichtet ist in der Betrachtung der Geheimnisse und im Wiederholen des Ave Maria. Sein Fortgang in der Wiederholung stellt eine Art Pädagogik der Liebe dar, die dazu dient, den Geist der Liebe selbst zu entfachen, die Maria ihrem Sohn gegenüber hegte. Als weitere Reifung eines jahrhundertealten Weges wollte ich daher, dass diese bevorzugte Form der Betrachtung in ihren Grundzügen als ,,Kompendium des Evangeliums” durch die Eingliederung der lichtreichen Geheimnisse ergänzt wird.<ref>Vgl. Apostolisches Schreiben Rosarium virginis mariae (16. Oktober 2002), 19.21: AAS 95 (2003), 18-20.</ref> Und wie hätte man nicht die lichtreichen Geheimnisse des Rosenkranzes in der Betrachtung der heiligen Eucharistie gipfeln lassen sollen?

Vom Jahr des Rosenkranzes zum Jahr der Eucharistie

10 Mitten im Jahr des Rosenkranzes veröffentlichte ich die Enzyklika Ecclesia de Eucharistia, mit der ich das Geheimnis der Eucharistie in seiner untrennbaren und lebenswichtigen Beziehung zur Kirche veranschaulichen wollte. Ich ermahnte alle, das eucharistische Opfer mit dem ihm gebührenden Einsatz zu feiern, während Jesus, gegenwärtig in der Eucharistie, auch außerhalb der Messe ein Kult der Anbetung erwiesen wird, der dem so großen Geheimnis würdig ist. Vor allem warf ich wieder die Forderung nach einer eucharistischen Spiritualität auf, indem ich Maria, die ,,eucharistische Frau”,<ref>Enzyklika Ecclesia de eucharistia (17. April 2003), 53: AAS 95 (2003), 469.</ref> zum Vorbild gab.

Das Jahr der Eucharistie erscheint also vor einem Hintergrund, der von Jahr zu Jahr Bereicherung erfahren hat, wobei er jedoch thematisch immer gut auf Christus und die Betrachtung seines Antlitzes bezogen blieb. In einem gewissen Sinn bietet sich das Eucharistische Jahr als eine Synthese an, als eine Art Höhepunkt des beschrittenen Weges. Vieles könnte gesagt werden, um dieses Jahr gut zu begehen. Ich beschränke mich darauf, einige Perspektiven aufzuzeigen, die allen helfen können, in erleuchteten und fruchtbaren Handlungsweisen zusammenzuwirken.

II. DIE EUCHARISTIE ALS GEHEIMNIS DES LICHTES

„Er legte ihnen dar, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht” (Lk 24,27)

11 Die Erzählung von der Erscheinung des auferstandenen Jesus vor den zwei Jüngern von Emmaus hilft uns, einen ersten Aspekt des eucharistischen Geheimnisses zu beleuchten, der immer in der Frömmigkeit des Volkes Gottes vorhanden sein muss: die Eucharistie als Geheimnis des Lichtes! Wie kann man dies sagen und welche Folgen ergeben sich daraus für die Spiritualität und das christliche Leben?

Jesus hat sich selbst als ,,Licht der Welt” (Joh8,12) bezeichnet. Diese Eigenschaft kommt in jenen Augenblicken seines Lebens, in denen seine göttliche Herrlichkeit klar erstrahlt, wie Verklärung und Auferstehung, gut zum Vorschein. In der Eucharistie hingegen ist die Glorie Christi verhüllt. Das Sakrament der Eucharistie ist ,,mysterium fidei” schlechthin! Dennoch wird Christus gerade durch das Geheimnis seines völligen Verborgenseins zum Geheimnis des Lichtes, dank dessen der Glaubende in die Tiefe des göttlichen Lebens eingeführt wird. Nicht ohne glückliche Eingebung stellt die Ikone der Dreifaltigkeit von Rublëv vielsagend die Eucharistie in die Mitte des dreifaltigen Lebens.

12 Die Eucharistie ist vor allem deshalb Licht, weil in jeder Messe der Wortgottesdienst der Eucharistiefeier in der Einheit der beiden ,,Tische” des Wortes und des Brotes vorausgeht. Diese Kontinuität tritt in der eucharistischen Rede des Johannesevangeliums zu Tage, in der die Verkündigung Jesu von der grundlegenden Darlegung seines Geheimnisses zur Veranschaulichung der eigentlich eucharistischen Dimension voranschreitet: ,,Denn mein Fleisch ist wirklich eine Speise, und mein Blut ist wirklich ein Trank” (Joh 6,55). Wir wissen, dass dieses Wort einen Großteil der Zuhörer in eine Krise stürzte und Petrus veranlasste, sich zum Sprecher des Glaubens der anderen Apostel und der Kirche aller Zeiten zu machen: ,,Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens” (Joh6,68). In der Erzählung der Emmausjünger greift Jesus selbst ein, um zu zeigen, ,,ausgehend von Mose und allen Propheten”, wie die ,,gesamte Schrift” zum Geheimnis seiner Person hinführt (vgl. Lk 24,27). Seine Worte bringen die Herzen der Jünger zum ,,Brennen”, sie entziehen sie dem Dunkel der Traurigkeit und der Verzweiflung und wecken in ihnen den Wunsch, bei ihm zu bleiben: ,,Bleibe bei uns, Herr” (vgl. Lk 24,29).

13 In der Konstitution Sacrosanctum Concilium verlangten die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils, dass der ,,Tisch des Wortes” den Gläubigen die Schätze der Schrift reich erschließt.<ref>Vgl. Nr. 51.</ref> Daher haben sie erlaubt, dass in der Feier der Liturgie insbesondere die biblischen Lesungen in der allen verständlichen Sprache vorgetragen werden. Christus selbst spricht, wenn in der Kirche die Heilige Schrift gelesen wird.<ref>Vgl. ebd., 7.</ref> Zugleich haben die Konzilsväter dem Zelebranten die Homilie als Teil der Liturgie selbst empfohlen: Sie soll dazu dienen, das Wort Gottes zu veranschaulichen und es auf das christliche Leben hin zu aktualisieren.<ref>Vgl. ebd., 52.</ref> Vierzig Jahre nach dem Konzil kann das Jahr der Eucharistie ein wichtiger Anlass dafür werden, in den christlichen Gemeinden diesen Aspekt zu überprüfen. Denn es reicht nicht aus, dass die Abschnitte aus der Bibel in verständlicher Sprache vorgetragen werden, wenn die Verkündigung nicht mit jener Sorgfalt und vorausgehenden Vorbereitung, jenem ergebenen Hinhören und besinnlichen Schweigen einhergeht, die nötig sind, damit das Wort Gottes das Leben berührt und es erhellt.

„Sie erkannten ihn, als er das Brot brach” (vgl. Lk 24,35)

14 Es ist von Bedeutung, dass die beiden Emmausjünger, die durch die Worte des Herrn entsprechend vorbereitet worden waren, ihn bei Tisch an der einfachen Geste des ,,Brotbrechens” erkannten. Wenn einmal der Verstand erleuchtet und das Herz erwärmt ist, dann ,,sprechen” die Zeichen. Die Eucharistie vollzieht sich ganz im dynamischen Kontext von Zeichen, die eine dichte und helle Botschaft in sich tragen. Durch die Zeichen öffnet sich in gewisser Weise das Geheimnis dem Auge des Glaubenden.

Wie ich in der Enzyklika Ecclesia de Eucharistia betont habe, ist es wichtig, dass kein Aspekt dieses Sakraments vernachlässigt wird. In der Tat steht der Mensch immer in der Versuchung, die Eucharistie auf eigene Gesichtspunkte zu reduzieren; hingegen ist er es, der sich in Wirklichkeit den Dimensionen des Mysteriums öffnen muss. ,,Die Eucharistie ist ein zu großes Gut, um Zweideutigkeiten und Verkürzungen zu dulden”.<ref>Enzyklika Ecclesia de eucharistia (17. April 2003), 10: AAS 95 (2003), 439.</ref>

15 Es besteht kein Zweifel, dass unter den verschiedenen Aspekten der Eucharistie jener des Gastmahles am meisten ins Auge fällt. Die Eucharistie entstand im Kontext des Paschamahles am Abend des Gründonnerstages. Daher ist ihrer Struktur die Bedeutung der Tischgemeinschaft eingeschrieben: ,,Nehmt und esst ... Dann nahm er den Kelch ... und reichte ihn den Jüngern mit den Worten: Trinkt alle daraus” (Mt 26,26.27). Dieser Aspekt drückt die Gemeinschaftsbeziehung gut aus, die Gott mit uns aufnehmen will und die wir selbst untereinander entfalten müssen.

Dennoch darf nicht vergessen werden, dass das eucharistische Mahl auch und zuerst einen tiefen Opfercharakter besitzt.<ref>Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Ecclesia de eucharistia (17. April 2003), 10: AAS 95 (2003), 439; Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Instruktion Redemptionis sacramentum über einige Dinge bezüglich der heiligsten Eucharistie, die einzuhalten und zu vermeiden sind (25. März 2004), 38: L'Osservatore Romano, 24. April 2004, Suppl., S. 3.</ref> Christus legt uns darin das Opfer wieder vor, das er ein für allemal auf Golgota dargebracht hat. Wenn er darin auch als Auferstandener gegenwärtig ist, so trägt er doch die Zeichen seines Leidens, zu dessen ,,Gedächtnis” jede heilige Messe gefeiert wird. Daran erinnert uns die Liturgie in der Akklamation nach der Wandlung: ,,Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir ...”. Während die Eucharistie das Vergangene vergegenwärtigt, versetzt sie uns zugleich in die Zukunft der letzten Wiederkunft Christi am Ende der Geschichte. Dieser "eschatologische” Aspekt verleiht dem eucharistischen Sakrament eine mitreißende Dynamik, die den christlichen Weg mit dem Schritt der Hoffnung ausstattet.

„Ich bin bei euch alle Tage ...” (Mt 28,20)

16 Diese Dimensionen der Eucharistie verdichten sich in einem Aspekt, der mehr als alle anderen unseren Glauben auf die Probe stellt: das Geheimnis der ,,Realpräsenz”. Mit der Gesamttradition der Kirche glauben wir, dass unter den eucharistischen Gestalten Jesus wirklich gegenwärtig ist. Es handelt sich um eine Gegenwart — wie Papst Paul VI. vortrefflich erklärte —, die ,,wirklich” genannt wird nicht im ausschließlichen Sinn, als ob die anderen Formen der Gegenwart nicht wirklich wären, sondern hervorhebend, denn kraft der Realpräsenz wird der ganze und vollständige Christus in der Wirklichkeit seines Leibes und seines Blutes substanziell gegenwärtig.<ref>Vgl. Enzyklika Mysterium fidei (3. September 1965): AAS 57 (1965), 764; Heilige Ritenkongregation, Instruktion Eucharisticum mysterium über den Kult des eucharistischen Mysteriums, 9: AAS 59 (1967), 547.</ref> Deswegen verlangt der Glaube von uns, vor der Eucharistie zu stehen im Bewusstsein, vor Christus selbst zu stehen. Gerade seine Gegenwart verleiht den übrigen Dimensionen — des Gastmahls, des Pascha-Gedächtnisses, der eschatologischen Vorausnahme — eine Bedeutung, die weit über einen reinen Symbolismus hinausgeht. Die Eucharistie ist das Geheimnis der Gegenwart, durch das sich die Verheißung Christi, immer bei uns zu sein bis ans Ende der Welt, auf höchste Weise verwirklicht.

[Fortsetzung folgt]

Anmerkungen

<references />