Liturgiereformen im 20. Jahrhundert

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Version vom 21. Mai 2014, 11:59 Uhr von Lambert (Diskussion | Beiträge) (Leitmotive der Reform (Auszüge): erg SC 34)
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Liturgiereform meint hier die Erneuerung des öffentlichen göttlichen Kultes durch das Zweite Vatikanische Konzil.

Die Notwendigkeit und das Prinzip der Erneuerung <ref> Dieser Absatz siehe: Die Heiligkeit der Liturgie</ref>

Wenn in der Kirchengeschichte liturgische Reformen in Angriff genommen wurden, sei es aufgrund zeitbedingter Praktiken, welche dem wahren Wesen der Liturgie entweder fremd oder ihm sogar widersprochen haben, wendete sie als Kriterium die so genannte "Altehrwürdige Norm der heiligen Väter" an. Die "Altehrwürdige Norm der heiligen Väter" (pristina sanctorum Patrum norma) ist jener Grundsatz, welcher das Heilige, Göttliche, Himmlische, das Ewige betont und zwar durch die Akte der Anbetung und ihre entsprechende äußere Ausdrucksform. Alle praktischen Normen in der Liturgie, vor allem jene Normen, welche geprüft oder geändert werden sollen, müssen das Ziel haben, deutlicher noch das Heilige ausdrücken.

Die Liturgiereform, sei es beim Konzil von Trient und auch beim Zweiten Vatikanischen Konzil, stützte sich auf diesen Grundsatz. Papst Pius V. bezog sich bei der Veröffentlichung des Römischen Messbuches im Jahre 1570 in seiner Bulle Quo primum auf diese "Altehrwürdige Norm der heiligen Väter". Dasselbe Kriterium wurde ebenso vom Zweiten Vatikanischen Konzil verwendet (Sacrosanctum concilium Nr. 50) und befindet sich ebenfalls in der Allgemeinen Einführung des aktuellen Römischen Messbuches (Nr. 6).

Leitmotive der Reform (Auszüge)

SC Nr. 14: Die Mutter Kirche wünscht sehr, alle Gläubigen möchten zu der vollen, bewussten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern geführt werden, wie sie das Wesen der Liturgie selbst verlangt und zu der das christliche Volk, "das auserwählte Geschlecht, das königliche Priestertum, der heilige Stamm, das Eigentumsvolk" (1 Petr 2,9; vgl. 2,4-5) kraft der Taufe berechtigt und verpflichtet ist. Diese volle und tätige Teilnahme des ganzen Volkes ist bei der Erneuerung und Förderung der heiligen Liturgie aufs stärkste zu beachten, ist sie doch die erste und unentbehrliche Quelle, aus der die Christen wahrhaft christlichen Geist schöpfen sollen. Darum ist sie in der ganzen seelsorglichen Arbeit durch gebührende Unterweisung von den Seelsorgern gewissenhaft anzustreben. Es besteht aber keine Hoffnung auf Verwirklichung dieser Forderung, wenn nicht zuerst die Seelsorger vom Geist und von der Kraft der Liturgie tief durchdrungen sind und in ihr Lehrmeister werden. Darum ist es dringend notwendig, dass für die liturgische Bildung des Klerus gründlich gesorgt wird....

SC Nr. 19: Die Seelsorger sollen eifrig und geduldig bemüht sein um die liturgische Bildung und die tätige Teilnahme der Gläubigen, die innere und die äußere, je nach deren Alter, Verhältnissen, Art des Lebens und Grad der religiösen Entwicklung. Damit erfüllen sie eine der vornehmsten Aufgaben des treuen Spenders der Geheimnisse Gottes. Sie sollen ihre Herde dabei nicht bloß mit dem Wort, sondern auch durch das Beispiel führen.

SC Nr. 21: Damit das christliche Volk in der heiligen Liturgie die Fülle der Gnaden mit größerer Sicherheit erlange, ist es der Wunsch der heiligen Mutter Kirche, eine allgemeine Erneuerung der Liturgie sorgfältig in die Wege zu leiten. Denn die Liturgie enthält einen kraft göttlicher Einsetzung unveränderlichen Teil und Teile, die dem Wandel unterworfen sind. Diese Teile können sich im Laufe der Zeit ändern, oder sie müssen es sogar, wenn sich etwas in sie eingeschlichen haben sollte, was der inneren Wesensart der Liturgie weniger entspricht oder wenn sie sich als weniger geeignet herausgestellt haben. Bei dieser Erneuerung sollen Texte und Riten so geordnet werden, dass sie das Heilige, dem sie als Zeichen dienen, deutlicher zum Ausdruck bringen, und so, dass das christliche Volk sie möglichst leicht erfassen und in voller, tätiger und gemeinschaftlicher Teilnahme mitfeiern kann....

SC Nr. 34: Die Riten mögen den Glanz edler Einfachheit an sich tragen und knapp, durchschaubar und frei von unnötigen Wiederholungen sein.

Zur Reform der Messe:

[Sacrosanctum concilium, KAPITEL II (Nr. 47-56; ohne Anmerkungen)]

DAS HEILIGE GEHEIMNIS DER EUCHARISTIE

47. Unser Erlöser hat beim Letzten Abendmahl in der Nacht, da er überliefert wurde, das eucharistische Opfer seines Leibes und Blutes eingesetzt, um dadurch das Opfer des Kreuzes durch die Zeiten hindurch bis zu seiner Wiederkunft fortdauern zu lassen und so der Kirche, seiner geliebten Braut, eine Gedächtnisfeier seines Todes und seiner Auferstehung anzuvertrauen: das Sakrament huldvollen Erbarmens, das Zeichen der Einheit, das Band der Liebe, das Ostermahl, in dem Christus genossen, das Herz mit Gnade erfüllt und uns das Unterpfand der künftigen Herrlichkeit gegeben wird.

48. So richtet die Kirche ihre ganze Sorge darauf, dass die Christen diesem Geheimnis des Glaubens nicht wie Außenstehende und stumme Zuschauer beiwohnen; sie sollen vielmehr durch die Riten und Gebete dieses Mysterium wohl verstehen lernen und so die heilige Handlung bewußt, fromm und tätig mitfeiern, sich durch das Wort Gottes formen lassen, am Tisch des Herrenleibes Stärkung finden. Sie sollen Gott danksagen und die unbefleckte Opfergabe darbringen nicht nur durch die Hände des Priesters, sondern auch gemeinsam mit ihm und dadurch sich selber darbringen lernen. So sollen sie durch Christus, den Mittler, von Tag zu Tag zu immer vollerer Einheit mit Gott und untereinander gelangen, damit schließlich Gott alles in allem sei.

49. Damit also das Opfer der Messe auch in der Gestalt seiner Riten seelsorglich voll wirksam werde, trifft das Heilige Konzil im Hinblick auf die mit dem Volk gefeierten Messen, besonders jene an Sonntagen und gebotenen Feiertagen, folgende Anordnungen.

50. Der Mess-Ordo soll so überarbeitet werden, dass der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten und die fromme und tätige Teilnahme der Gläubigen erleichtert werde.

Deshalb sollen die Riten unter treulicher Wahrung ihrer Substanz einfacher werden. Was im Lauf der Zeit verdoppelt oder weniger glücklich eingefügt wurde, soll wegfallen. Einiges dagegen, was durch die Ungunst der Zeit verlorengegangen ist, soll, soweit es angebracht oder nötig erscheint, nach der altehrwürdigen Norm der Väter wiederhergestellt werden.

51. Auf dass den Gläubigen der Tisch des Gotteswortes reicher bereitet werde, soll die Schatzkammer der Bibel weiter aufgetan werden, so dass innerhalb einer bestimmten Anzahl von Jahren die wichtigsten Teile der Heiligen Schrift dem Volk vorgetragen werden.

52. Die Homilie, in der im Laufe des liturgischen Jahres aus dem heiligen Text die Geheimnisse des Glaubens und die Richtlinien für das christliche Leben dargelegt werden, wird als Teil der Liturgie selbst sehr empfohlen. Ganz besonders in den Messen, die an Sonntagen und gebotenen Feiertagen mit dem Volk gefeiert werden, darf man sie nicht ausfallen lassen, es sei denn, es liege ein schwerwiegender Grund vor.

53. Nach dem Evangelium und der Homilie soll - besonders an den Sonntagen und gebotenen Feiertagen - das "Allgemeine Gebet" oder "Gebet der Gläubigen" wiedereingeführt werden, damit unter Teilnahme des Volkes Fürbitten gehalten werden für die heilige Kirche, für die Regierenden, für jene, die von mancherlei Not bedrückt sind, und für alle Menschen und das Heil der ganzen Welt.

54. Der Muttersprache darf im Sinne von Art. 36 dieser Konstitution in den mit dem Volk gefeierten Messen ein gebührender Raum zugeteilt werden, besonders in den Lesungen und im "Allgemeinen Gebet" sowie je nach den örtlichen Verhältnissen in den Teilen, die dem Volk zukommen. Es soll jedoch Vorsorge getroffen werden, dass die Christgläubigen die ihnen zukommenden Teile des Mess-Ordinariums auch lateinisch miteinander sprechen oder singen können. Wenn indes darüber hinaus irgendwo der Gebrauch der Muttersprache bei der Messe in weiterem Umfang angebracht zu sein scheint, so ist die Vorschrift des Artikels 40 dieser Konstitution einzuhalten.

55. Mit Nachdruck wird jene vollkommenere Teilnahme an der Messe empfohlen, bei der die Gläubigen nach der Kommunion des Priesters aus derselben Opferfeier den Herrenleib entgegennehmen. Unbeschadet der durch das Konzil von Trient festgelegten dogmatischen Prinzipien kann in Fällen, die vom Apostolischen Stuhl zu umschreiben sind, nach Ermessen der Bischöfe sowohl Klerikern und Ordensleuten wie auch Laien die Kommunion unter beiden Gestalten gewährt werden, so etwa den Neugeweihten in der Messe ihrer heiligen Weihe, den Ordensleuten in der Messe bei ihrer Ordensprofess und den Neugetauften in der Messe, die auf die Taufe folgt.

56. Die beiden Teile, aus denen die Messe gewissermaßen besteht, nämlich Wortgottesdienst und Eucharistiefeier, sind so eng miteinander verbunden, dass sie einen einzigen Kultakt ausmachen. Daher mahnt die Heilige Versammlung die Seelsorger eindringlich, sie sollen in der religiösen Unterweisung die Gläubigen mit Eifer belehren, an der ganzen Messe teilzunehmen, vor allem an Sonntagen und gebotenen Feiertagen.

[Kommentar (pro Reform) zur "neuen" Messe im Detail, Teil I , Teil II (engl.)]

Weitere Maßnahmen

Im Zuge der Liturgiereform nach dem 2. Vatikanischen Konzil wurde ab dem 7. März 1965 (dem 1. Fastensonntag) erlaubt, dass die Landessprachen in der gesamten Liturgie verwendet werden.

Papst Paul VI. über den Übergang zur Volkssprache:

"Nicht mehr das Latein wird die hauptsächliche Sprache der Messe sein, sondern die gesprochene Sprache .... Das ist ein Opfer von unschätzbarem Wert. Aber aus welchem Grund? .... Die Teilnahme des Volkes gilt mehr.... Das göttliche Latein hält uns getrennt von den Kindern, der Jugend, der Welt der Arbeit und der Wirtschaft.... Im übrigen bekräftigt der neue Messritus, dass die Gläubigen miteinander die ihnen zukommenden Teile des Mess-Ordinariums auf Latein singen können sollen, besonders das Credo und das Pater Noster." Original 26. Nov. 1969 (ital.)

Neuer Kalender

Im Jahr 1969 wurde der Festkalender des Kirchenjahres neu festgelegt; siehe auch: Verlegte Heiligenfeste der Liturgiereform 1970.

Hierzu sagte der Papst am 28. April 1969 im Konsistorium (siehe: Weblink, unten): Ad novum Calendarium Romanum quod attinet, animadvertetis Annum Liturgicum funditus mutatum non esse, sed in eo retractando hanc normam servatam esse, ut elementa ex quibus singulae temporis liturgici partes constant, melius in sua luce ponerent mysterium paschale Christi quasi centrum esse totius sacri liturgici cultus.

"Inkulturation"

Insbesondere Nr. 37-40 der Liturgiekonstitution gestatten ausdrücklich, das Spektrum des römischen Typs der Liturgie im Interesse der Inkulturation des Evangeliums zu überschreiten, insbesondere in den Missionen, aber nicht nur dort. Man kann daher sagen, dass z.B. die Approbation neuer Eucharistischer Hochgebete (über preces I-IV des MR 1970 hinaus), stillschweigend auf die "Inkulturations"-Ermächtigung von Sacrosanctum Concilium gestützt wurde. Manche sehen in Nr. 40 SC auch die Ermächtigung für die rasche weitere Ausdehnung der Volkssprache in der Liturgie (s.o.).

Die Durchführung von Sacrosanctum concilium

Instruktionen der Heiligen Ritenkongregation bzw. Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung und des Rates zur rechten Ausführung der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils.

weitere päpstliche Dokumente

Rationalismus und "Aktive Teilnahme"

Bezüglich der Liturgiereform meint Bischof Rudolf Graber: "Vielleicht war es auch ein Fehler, dass man zur Liturgiereform nicht auch Religionspsychologen beigezogen hat." Es ist in der Tat unverständlich, dass man in einer Zeit, die den ganzen Menschen in den Mittelpunkt rückt, die für östlichen Yoga und byzantinische Liturgie schwärmt, hier nur den halben Menschen, den Menschen der Ratio, der Vernunft, in Rechnung setzt, den rein zweckhaft handelnden, der nur dann etwas vollzieht, wenn ein humanitärer Zweck damit verbunden ist, oder sagen wir besser im Sinn des Konzils, wenn damit ein pastoraltheologisches Ziel erreicht werden kann. Eine weitere Frage ist aber die, ob man die "actuosa participatio" nicht zu sehr im typisch abendländischen Sinn verstanden hat, ob immer etwas, und zwar etwas Äußerliches zu geschehen habe, als ob immer "Betrieb" sein müsse. <ref> vgl. Rudolf Graber: Kirche nach dem Konzil. Veritas Verlag Wien, S. 17 (1967 herausgegeben unter dem Titel: Zur nachkonziliaren Situation der Kirche 1967. Unterteilt ist das 32 Seiten und DIN 5 Heft in drei Kapitel: I. Die zweite Reformation; II. Die zweite Aufklärung; III: Der Neo-Modernismus </ref>

"Die Rückkehr zu den Vätern" und eine Verminderung der Gesten

Bei der Liturgiereform wurde in der Praxis eine Rückkehr zu den Vätern angestrebt, die oft in einer Verarmung des Aspektes des Heiligen durch eine Verminderung der Gesten der Ehrfurcht und Anbetung geführt hat. Gestenreduzierung statt Vermehrung, ist ein offensichtlicher Widerspruch zu den patristischen Zeugnissen, und zeigt eine Haltung, welche das Lehramt der Kirche als liturgischen Archäologismus in der Enzyklika Mediator dei von Papst Pius XII. verurteilte. Eine liturgische Erneuerung, welche den christozentrischen und transzendenten Charakter der Liturgie betont, muss sich auf konkrete Gesten der Anbetung, wie sie am Beispiel der Engel gezeigt wird und den Geist der Heiligen Schrift und der Väter ausdrückt, stützen und diese erhalten.

Exorzismus

Papst Paul VI. sagte am 15. November 1972, dass der Kampf gegen den Dämon und also auch der Exorzismus auch heute eine der wichtigen Aufgaben in der Kirche sei. (Deshalb wird die Kirche der fast gänzlichen Abschaffung der Exorzismen im Benedictionale nochmals überdenken müssen, ob die Priester die Macht, die ihnen gegeben ist, wieder ausüben sollen.)

Literatur

  • Dokumente zur Erneuerung der Liturgie mit dem Untertitel Dokumente des Apostolischen Stuhls (DEL) von 1963 bis 2003. Es besteht aus vier Bänden.
  • Klaus Gamber: Probleme der Liturgiereform: in: Hans Pfeil (Hrsg.): Unwandelbares im Wandel der Zeit, 19 Abhandlungen gegen die Verunsicherung im Glauben Paul Pattloch Verlag Aschaffenburg , Band I: 1976, S. 292-314 (440 Seiten; ISBN 3-557-91109-8).
  • Ralf van Bühren: Kunst und Kirche im 20. Jahrhundert. Die Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils (Konziliengeschichte, Reihe B: Untersuchungen), Verlag Ferdinand Schöningh Paderborn 2008 (ISBN 978-3-506-76388-4), S. 253-626, 640-646
  • Annibale Bugnini: Die Liturgiereform, Freiburg u.a. 1987
  • Heidemarie Seblatnig (Hg.): Hetzendorf und der Ikonoklasmus in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Facultas Universitätsverlag Wien 2010 (390 Seiten).
  • Georg May: Die Liturgiereform des Zweiten Vatkanischen Konzils. Bemerkungen eines Kirchenrechtlers, in: Becker, Hansjakob (Hrsg.), Gottesdienst-Kirche-Gesellschaft (Pietas Liturgica 5), St. Ottilien 1991; Una Voce-Korrespondenz (November 1992) 77-116 (Sonderdruck).

Weblinks

Anmerkungen

<references />