Dei filius (Wortlaut): Unterschied zwischen den Versionen

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(Quelle: Das Religionsbuch der Kirche, [[Catechismus Romanus]], Hsgr. Dr. [[Michael Gatterer]] SJ, Zwei Bände – V Bändchen, Ergänzungen, [[Felizian Rauch Verlag]] Innsbruck-Leipzig 1938 [2. Auflage], S. 7-22;  [[Imprimatur]] Nr. 2120 Apostolische Administratur Innsbruck, den 11. Mai 1938 Urb. Draxl, Prov.; größtenteils in: [[DH]] 3000-3045)
 
(Quelle: Das Religionsbuch der Kirche, [[Catechismus Romanus]], Hsgr. Dr. [[Michael Gatterer]] SJ, Zwei Bände – V Bändchen, Ergänzungen, [[Felizian Rauch Verlag]] Innsbruck-Leipzig 1938 [2. Auflage], S. 7-22;  [[Imprimatur]] Nr. 2120 Apostolische Administratur Innsbruck, den 11. Mai 1938 Urb. Draxl, Prov.; größtenteils in: [[DH]] 3000-3045)
  
In der 3. Sitzung am 24. April 1870 wurde die Dogmatische Konstitution »Dei Filius« über den katholischen Glauben verabschiedet. Der 18 Kapitel umfassende Entwurf »Apostolici muneris«, der den Konzilsvätern unterbreitet worden war, wurde als zu weitläufig und zu schulmäßig verworfen. Von Grund auf erneuert, wurde er in zwei Teilen am 1. und 11. März 1870 wiederum zur Diskussion vorgelegt. Man beschloß, die ersten vier Kapitel als eigene Konstitution herauszugeben. Am 14. März wurde ein verbesserter Entwurf vorgelegt: »Cum aeternus Dei Filius«. Nachdem die allgemeine (18.– 22. März) und danach die spezielle Diskussion abgeschlossen war, wurde ein definitiver Text formuliert, der in der 3. Sitzung am 24. April feierlich verlesen und vom [[Papst]] bestätigt wurde. Der zweite Teil des Entwurfs, am 11. März vorgelegt, handelte von der [[Dreifaltigkeit]], von der [[Erschaffung]], der Erhebung, dem Fall und der [[Erlösung]] des [[Mensch]]en. Auf Drängen vieler Konzilsväter, möglichst bald die Lehre von der [[Unfehlbarkeit]] des Papstes zu behandeln, wurde der zweite Teil vom Programm abgesetzt und später nicht wiederaufgenommen, da das Konzil inzwischen vertagt worden war. [[Pius IX.]], Acta 1/V, 180–194 / [[ASS]] 5 (1869/ 70) 462–471).<ref> Denzinger-Hünermann: [[Enchiridion symbolorum]], 45. Auflage 2017, S. 460.</ref>
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In der 3. Sitzung am 24. April 1870 wurde die Dogmatische Konstitution »Dei Filius« über den katholischen Glauben verabschiedet. Der 18 Kapitel umfassende Entwurf »Apostolici muneris«, der den Konzilsvätern unterbreitet worden war, wurde als zu weitläufig und zu schulmäßig verworfen. Von Grund auf erneuert, wurde er in zwei Teilen am 1. und 11. März 1870 wiederum zur Diskussion vorgelegt. Man beschloß, die ersten vier Kapitel als eigene Konstitution herauszugeben. Am 14. März wurde ein verbesserter Entwurf vorgelegt: »Cum aeternus Dei Filius«. Nachdem die allgemeine (18.– 22. März) und danach die spezielle Diskussion abgeschlossen war, wurde ein definitiver Text formuliert, der in der 3. Sitzung am 24. April feierlich verlesen und vom [[Papst]] bestätigt wurde. Der zweite Teil des Entwurfs, am 11. März vorgelegt, handelte von der [[Dreifaltigkeit]], von der [[Erschaffung]], der Erhebung, dem Fall und der [[Erlösung]] des [[Mensch]]en. Auf Drängen vieler Konzilsväter, möglichst bald die Lehre von der [[Unfehlbarkeit]] des Papstes zu behandeln, wurde der zweite Teil vom Programm abgesetzt und später nicht wiederaufgenommen, da das Konzil inzwischen vertagt worden war. [[Pius IX.]], Acta 1/V, 180–194 / [[ASS]] 5 (1869/ 70) 462–471).<ref> Denzinger-Hünermann: [[Enchiridion symbolorum]], 45. Auflage 2017, S. 460.</ref> →[[Dei filius (verba)]]
  
 
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Version vom 10. Dezember 2020, 10:05 Uhr

Dogmatische Konstitution
Dei filius

Erstes Vatikanisches Konzil
unter Papst
Pius IX.
über den katholischen Glauben
24. April 1870

(Offizieller lateinischer Text ASS 5 [1869-70] 481-493)

(Quelle: Das Religionsbuch der Kirche, Catechismus Romanus, Hsgr. Dr. Michael Gatterer SJ, Zwei Bände – V Bändchen, Ergänzungen, Felizian Rauch Verlag Innsbruck-Leipzig 1938 [2. Auflage], S. 7-22; Imprimatur Nr. 2120 Apostolische Administratur Innsbruck, den 11. Mai 1938 Urb. Draxl, Prov.; größtenteils in: DH 3000-3045)

In der 3. Sitzung am 24. April 1870 wurde die Dogmatische Konstitution »Dei Filius« über den katholischen Glauben verabschiedet. Der 18 Kapitel umfassende Entwurf »Apostolici muneris«, der den Konzilsvätern unterbreitet worden war, wurde als zu weitläufig und zu schulmäßig verworfen. Von Grund auf erneuert, wurde er in zwei Teilen am 1. und 11. März 1870 wiederum zur Diskussion vorgelegt. Man beschloß, die ersten vier Kapitel als eigene Konstitution herauszugeben. Am 14. März wurde ein verbesserter Entwurf vorgelegt: »Cum aeternus Dei Filius«. Nachdem die allgemeine (18.– 22. März) und danach die spezielle Diskussion abgeschlossen war, wurde ein definitiver Text formuliert, der in der 3. Sitzung am 24. April feierlich verlesen und vom Papst bestätigt wurde. Der zweite Teil des Entwurfs, am 11. März vorgelegt, handelte von der Dreifaltigkeit, von der Erschaffung, der Erhebung, dem Fall und der Erlösung des Menschen. Auf Drängen vieler Konzilsväter, möglichst bald die Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes zu behandeln, wurde der zweite Teil vom Programm abgesetzt und später nicht wiederaufgenommen, da das Konzil inzwischen vertagt worden war. Pius IX., Acta 1/V, 180–194 / ASS 5 (1869/ 70) 462–471).<ref> Denzinger-Hünermann: Enchiridion symbolorum, 45. Auflage 2017, S. 460.</ref> →Dei filius (verba)

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Fides-Glaube

Einleitung:

Christus war immer bei seiner Kirche

1 Der Sohn Gottes und Erlöser des Menschengeschlechtes, unser Herr Jesus Christus, hat vor seinem Heimgang zum himmlischen Vater versprochen, Er wolle bei seiner auf Erden kämpfenden Kirche sein alle Tage bis ans Ende der Welt. Darum ist auch in der Tat kein Augenblick verflossen, wo Er nicht bei seiner geliebten Braut gewesen wäre: Er stand ihr bei, wenn sie lehrte; Er segnete sie, wo sie wirkte; Er half ihr, wann immer sie bedroht war. Allzeit tat sich seine heilbringende Vorsehung in unzähligen Wohltaten kund.

besonders am Konzil von Trient

2 Ganz einzigartig aber zeigte sie sich erfahrungsgemäß an den Früchten, die dem christlichen Erdkreis in reicher Fülle aus den allgemeinen Konzilien erwuchsen. Namentlich gilt dies, obgleich es in so unheilvollen Zeiten stattfand, vom Trienter Konzil. Dort wurden die heiligen Glaubenssätze der Religion genauer bestimmt und ausführlicher dargelegt, die Irrtümer verurteilt und eingedämmt. Von dort ging die Wiederherstellung und feste Ordnung der Kirchenzucht aus: Im Klerus wurde der Eifer für Wissenschaft und Frömmigkeit gefördert; es wurden Seminare errichtet, um junge Leute zum heiligen Dienst heranzubilden; und nicht zuletzt wurde durch sorgfältigem Unterricht der Gläubigen und eifrigem Empfang der Sakramente die sittliche Erneuerung des christlichen Volkes angebahnt. Den Konzilien verdanken wir auch das innigere Verbundensein der Glieder mit dem sichtbaren Haupt, und die Vermehrung der Lebenskraft im ganzen mystischen Leib Christi; ihnen auch die starke Zunahme an religiösen Genossenschaften und andern Anstalten christlicher Frömmigkeit. Die Konzilien haben endlich jenen unermüdlichen und bis zum Blutvergießen standhaften Eifer entfacht, der darnach brennt, Christi Reich über die ganze Welt hin zu verbreiten.

3 Mit schuldiger Dankbarkeit gedenken Wir diese und der andern großen Vorteile, die Gottes Güte der Kirche besonders durch das letzte allgemein Konzil zuteil werden ließ.

Die Missachtung der Beschlüsse und Autorität dieses Konzils brachte schwere Übel

4 Freilich vermögen Wir dabei den herben Schmerz nicht zu unterdrücken, den Wir über die schweren Übel empfinden, wie sie zumeist aus der Missachtung weiter Kreise gegenüber der Autorität dieser heiligen Synode oder aus der Nichtbefolgung ihrer so weisen Beschlüsse entsprungen sind. Es ist ja allgemein bekannt, wie die von den Konzilsvätern zu Trient verworfenen Irrlehren allmählich in zahlreiche Sekten sich verzweigten, durch deren Uneinigkeit und Hader bei vielen schließlich jeder Glaube an Christus erschüttert wurde. Kein Wunder auch: Das gottgesetzte Lehramt der Kirche wies man zurück und überließ die Entscheidung in religiösen Fragen dem Gutdünken eines jeden einzelnen. Sogar die Heilige Schrift die man doch anfangs als die einzige Quelle und Regel der christlichen Lehre hinstellte, will mal jetzt nicht mehr als von Gott gegeben ansehen, sondern man hat sich unterfangen, sie zu den mythischen Dichtungen zu zählen. Dann entstand die bekannte Lehre des Rationalismus und Naturalismus, und fand nur zu weit Verbreitung in der Menschheit. Sie steht in vollem Gegensatz zur christlichen Religion, dieser ganz übernatürlichen Institution. Sie strebt mit aller Macht darnach, Christus, unsern alleinigen Herrn und Erlöser, aus den Herzen der Menschen, aus dem öffentlichen Leben und der Kultur der Völker zu verbannen. Dafür soll das Reich der bloßen Vernunft oder Natur, wie sie es nennen, aufgerichtet werden. Nachdem aber einmal alle christliche Religion preisgegeben und weggeworfen, der wahre Gott und sein Gesalbter weggeleugnet war, stürzten viele Geister in den Abgrund des Pantheismus, Materialismus und Atheismus. Zuletzt ist die Folge, dass man sogar die vernünftige Menschennatur leugnet, keinerlei Regel rechten und sittlichen Tuns gelten lässt, und so auf die Zerstörung auch der tiefsten Grundlagen der menschlichen Gesellschaft hinarbeitet.

5 Bei diesem allgemein um sich greifenden Unglauben irrten leider auch einige Söhne der katholischen Kirche vom Weg der wahren Frömmigkeit ab, und mit dem Verblassen der Glaubenswahrheiten schwand in ihnen allmählich auch die echt katholische Gesinnung. Unter dem Einfluss verschiedengerichteter, fremdartiger Lehrsysteme (Vgl. Hebr 13,9) vermengen und verwischen sie, wie man deutlich sehen kann, die Begriffe von Natur und Gnade, von menschlichem Wissen und göttlichem Glauben. Dadurch aber entstellen sie offensichtlich den wahren, klaren Sinn der Dogmen, wie ihn unsere heilige Mutter, die Kirche, versteht und lehrt, und gefährden so schwer die Unversehrtheit und Reinheit des Glaubens.

6 Muss nicht die Erkenntnis solcher Tatsachen das Herz der Kirche aufs tiefste bewegen? Gott will doch, dass alle Menschen das Heil finden und zur Erkenntnis der berufen Wahrheit gelangen (1 Tim 2,4) Christus ist gekommen, zu retten, was verloren war (Mt 18,11) und die zerstreuten Kinder Gottes zur Einheit zu führen (Joh 11,52) und ebenso ist auch die Kirche von Gott zur Mutter und Lehrerin aller Völker bestellt, und fühlt sich deshalb allen verpflichtet. Immerdar ist sie bereit und darauf bedacht, die Gefallenen aufzurichten, die Wankenden zu stützen, die Zurückkehrenden liebevoll zu umfangen, die Guten zu stärken und zu immer höherem Streben anzuleiten. Aus diesem Grunde darf die Kirche niemals aufhören, das Heilmittel für alle Schäden, die göttliche Wahrheit, zu bezeugen und zu verkünden. Denn sie ist überzeugt, dass ihr das Schriftwort gilt: „Mein Geist, der auf dir ruht, und meine Worte, die im in deinen Mund gelegt, sie sollen nimmermehr von deinem Munde weichen von nun an bis in Ewigkeit (Is 59,21).

7 Demnach haben auch Wir nach dem Beispiel Unserer Vorgänger und getreu der Pflicht, die Unser höchstes apostolisches Amt Uns auferlegt, es niemals versäumt, die katholische Wahrheit zu lehren und zu verteidigen, irrige Lehren aber zurückzuweisen. Gegenwärtig vereinigen sich nun mit Uns als Glaubensrichter die Bischöfe des gesamten Erdkreises, die Wir kraft Unserer Vollmacht zu diesem allgemeinen Konzil im Heiligen Geist zusammengerufen haben. So haben Wir denn beschlossen, von diesem Lehrstuhl Petri aus der ganzen Welt die heilbringende Lehre Christ feierlich vorzulegen und zu erklären, die entgegenstehenden Irrtümer aber kraft der Uns von Gott verliehenen Gewalt zu verurteilen und zu verwerfen. Wir stützen Uns dabei auf das geschriebene und überlieferte Gotteswort, das die katholische Kirche stets sorgfältig gehütet und irrtumsfrei erklärt hat, und das Wir von ihr überkommen haben.

Erstes Kapitel: VON GOTT, DEM SCHÖPFER ALLER DINGE

Der eine wahre, lebendige Gott

8 Die heilige, katholische, apostolische, römische Kirche glaubt und bekennt, dass ein einziger, wahrer und lebendiger Gott ist, der Schöpfer und Herr des Himmels und der Erde, allmächtig, ewig, unermesslich, unergründlich, unendlich an Vernunft und Willen und jeglicher Vollkommenheit. Er ist ein einziges, durchaus einfaches und unveränderliches geistiges Wesen; darum ist Er, so muss man bekennen, wirklich und wesentlich von der Welt verschieden, in sich und durch sich vollkommen selig und über alles, was außer Ihm besteht oder überhaupt denkbar ist, unaussprechlich erhaben.

Schöpfer der geistigen und körperlichen Welt

9 Dieser alleinige, wahre Gott hat in seiner Güte und allmächtigen Kraft, jedoch zugleich aus völlig freiem Entschluss, am Beginn der Zeit das Doppelreich der Schöpfung aus dem Nichts hervorgebracht, das geistige und das körperliche, die Engel nämlich und das Weltall; und zuletzt hat Er den Menschen aus Geist und Leib gebildet, der daher beiden (Reichen der Schöpfung) angehört. Gott schuf dies nicht zur Erhöhung seiner eigenen Glückseligkeit, auch nicht um dadurch erst seine Vollkommenheit zu erlangen, sondern um sie zu offenbaren durch all das Gute, das Er den Geschöpfen verleiht (Viertes Laterankonzil cap. 1 Firmiter)

die Er liebvoll leitet

10 Sein gesamtes Schöpfungswerk leitet aber erhält und lenkt Gott durch seine Vorsehung, mächtig waltend von einem Ende zum andern und alles ordnend mit Milde (Weish 8,1) „Alles liegt ja enthüllt und offen vor seinen Augen (Hebr 4,13) selbst das, was aus freier Willenstat der Geschöpfe in der Zukunft entspringen wird.

Zweites Kapitel: VON DER OFFENBARUNG

Die übernatürliche Offenbarung

11 Dieselbe heilige Mutter Kirche hält fest an der Lehre: der Mensch kann Gott, den Ursprung und das Endziel aller Dinge, durch das natürliche Licht seiner Vernunft aus den geschaffenen Dingen mit Gewissheit erkennen. „Denn das Unsichtbare an ihm erschaut der denkende Verstand seit Erschaffung der Welt in seinen Werken." (Röm 1,20) Indes hat es der Weisheit und Güte Gottes gefallen, sich selber und die ewigen Ratschlüsse seines Willens dem Menschengeschlecht auch auf einem andern, dem übernatürlichen Weg zu offenbaren, nach dem Wort des Apostels: „Wiederholt und auf mannigfache Art hat Gott einst in den Propheten zu den Vätern gesprochen; zuletzt hat er in diesen Tagen in seinem Sohn zu uns geredet.“ (Hebr 1,1.2)

unbedingt notwendig

12 Dieser göttlichen Offenbarung ist es auch zu danken, dass im gegenwärtigen Zustand des Menschengeschlechtes auch das, was von göttlichen Dingen der menschlichen Vernunft an sich nicht unzugänglich ist, von allen mit Leichtigkeit, mit unerschütterlicher Gewissheit und vollständig irrtumsfrei erkannt werden kann. Jedoch ist nicht das der Grund, weshalb die 0ffenbarung als unbedingt notwendig bezeichnet werden muss; der Grund liegt vielmehr darin, weil Gott in seiner unendlichen Güte den Menschen zu einem übernatürlichen Ziel bestimmt hat, zur Teilnahme an göttlichen Gütern, die alle Einsicht des menschlichen Geistes völlig übersteigen; denn "kein Auge hat es gesehen und kein Ohr gehört, in keines Menschen Herz ist es gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben" (1 Kor 2, 9).

Enthalten in Schrift und Tradition

13 Diese übernatürliche Offenbarung nun ist nach dem Glauben der allgemeinen Kirche, wie ihn das Trienter Konzil dargelegt hat, in den Büchern der Schrift und in ungeschriebenen Überlieferungen enthalten. Die letztern haben die Apostel aus Christi eigenem Mund vernommen oder sie wurden den Aposteln vom Heiligen Geist eingegeben und dann von ihnen gleichsam von Hand zu Hand weitergegeben; und so sind sie bis auf uns gekommen (Trienter Konzil IV, Decr. de Can. Script.)

Autorität der Schrift

14 Die Bücher der Heiligen Schrift des Alten und Neuen Testaments aber müssen vollständig, mit all ihren Teilen als heilige und kanonische angenommen werden, so wie sie im Dekret des eben genannten Konzils aufgezählt werden und in der alten lateinischen Ausgabe, der Vulgata, vorliegen. Wenn die Kirche sie als heilige und kanonische Bücher wertet, so geschieht das nicht deshalb, als ob diese, durch rein menschliches Bemühen zustande gekommen, durch ihre Autorität nachträglich gutgeheißen worden wären; noch auch lediglich darum, weil sie die Offenbarung irrtumslos enthalten; sondern aus dem Grund, weil sie auf Eingebung des Heiligen Geistes geschrieben sind und daher Gott zum Urheber haben, und als solche der Kirche übergeben worden sind.

ihre Erklärung

15 Da jedoch jene heilsame Verordnung des Trienter Konzils über die Erklärung der Heiligen Schrift, die zügellose Geister in die rechten Schranken weisen sollte, von gewissen Leuten missdeutet wird, so erneuern Wir dieses Dekret und erklären seinen Sinn folgendermaßen: „In Samen des Glaubens und der Sitten, die zum christlichen Lehrgebäude gehören, ist als wahrer Sinn der Heiligen Schrift der anzusehen, den die Kirche, unsere heilige Mutter, festgehalten hat und festhält. Ihr Amt ist es ja, über den wahren Sinn und die Auslegung der heiligen Bücher das entscheidende Urteil zu sprechen. Deshalb ist es niemand erlaubt, die Heilige Schrift gegen diesen Sinn oder auch gegen die übereinstimmende Erklärung der Väter auszulegen."

Drittes Kapitel: VOM GLAUBEN

Der Glaubensgehorsam pflichtgemäß

16 Da der Mensch in gänzlicher Abhängigkeit von Gott, seinem Schöpfer und Herrn steht, und der erschaffene Verstand der unerschaffenen Wahrheit vollständig unterworfen ist, so sind wir verpflichtet, wenn Gott sich offenbart, Ihm durch den Glauben vollen Gehorsam des Verstandes und Willens zu leisten. Dieser Glaube, der Anfang des menschlichen Heiles, ist nach der Lehre der katholischen Kirche eine übernatürliche Tugend, kraft deren wir, unter Anregung und Mithilfe der Gnade Gottes, alles für wahr halten, was Gott geoffenbart hat und zwar nicht, weil wir im natürlichen Licht der Vernunft die innere Wahrheit des Sachverhaltes durchschauen, sondern auf die Autorität des offenbarenden Gottes hin, der weder selber irren noch andere in Irrtum führen kann. Denn nach einem Ausspruch des Apostels „ist der Glaube ein festes Vertrauen auf das, was man hofft, ein Überzeugtsein von dem, was man nicht sieht" (Hebr 11,1).

vernünftig

17 Trotzdem soll unser Glaubensgehorsam ein vernunftgemäßer sein (vgI. Röm 12,1). Darum hat Gott gewollt, dass mit den innern Gnadenhilfen des Heiligen Geistes auch äußere Beweise seiner Offenbarung sich verbinden: nämlich gottgewirkte Taten, vor allem Wunder und Weissagungen. Als sprechende Zeugnisse für Gottes Allmacht und unendliches Wissen sind sie die sichersten Kennzeichen göttlicher Offenbarung, und außerdem der Fassungskraft aller angemessen. Deshalb haben schon Moses und die Propheten, namentlich aber Christus der Herr selbst zahlreiche und völlig einwandfreie Wunder und Prophezeiungen getan; und von den Aposteln liest man: „Sie aber zogen aus und predigten überall - der Herr wirkte mit ihnen und bekräftigte ihr Wort durch Wunder, die darauf folgten" (Mk 16, 20). Und wieder steht in der Schrift: „Ganz zuverlässig ist uns das Wort der Propheten; und ihr tut gut, wenn ihr euch daran haltet als an eine Leuchte, die im Finstern Licht verbreitet" (2 Petr I, 19).

und doch frei

18 Die Zustimmung zum Glauben ist demnach durch aus keine blinde Regung des Gemütes. Aber es kann anderseits auch niemand der Verkündigung des Evangeliums so beistimmen, wie es zur Erlangung des Heils notwendig ist, ohne die Erleuchtung und Anregung des Heiligen Geistes, der allen die Annahme der Wahrheit leicht und angenehm macht (Zweite Synode von Orange, can. 7). So ist denn der Glaube schon an und für sich, auch wenn er sich nicht durch die Liebe betätigt, ein Geschenk Gottes, und der Glaubensakt ist eine Tat, die mit dem Heil in enger Verbindung steht. Denn dadurch erweist der Mensch Gott selbst freien Gehorsam, eben durch seine Zustimmung und Mitwirkung mit der Gnade, der er auch widerstehen könnte.

19 Mit diesem göttlichen und katholischen Glauben muss man nun an all dem festhalten, was das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes enthält und die Kirche als von Gott geoffenbart zu glauben vorstellt, - sei es in feierlichem Lehrentscheid, sei es in Ausübung ihres gewöhnlichen allgemeinen Lehramtes. Weil es aber ohne den Glauben unmöglich ist, Gott zu gefallen (Hebr 11,6) und in die Gemeinschaft seiner Kinder aufgenommen zu werden, darum hat noch niemand ohne ihn die Rechtfertigung erlangt; auch wird niemand das ewige Leben erreichen, wenn er nicht bis an sein Ende im Glauben verharrt (vgI. Mt 10,22; 24,13).

leicht durch die Kirche

20 Damit wir nun der Pflicht nachkommen können, den wahren Glauben anzunehmen und darin standhaft auszuharren, hat Gott durch seinen eingebornen Sohn die Kirche gegründet, und sie mit offenkundigen Merkmalen als seine Stiftung ausgezeichnet in der Absicht, damit alle imstande wären, sie als Hüterin und Lehrerin der Offenbarung zu erkennen. Denn auf die katholische Kirche allein bezieht sich all das, was Gottes Vorsehung in solcher Fülle und mit solch wunderbarer Macht gewirkt hat, um die Glaubwürdigkeit der christlichen Religion ganz einleuchtend zu machen. Ist doch schon die Kirche an sich - ob der wunderbaren Art ihrer Ausbreitung, ihrer außerordentlichen Heiligkeit und unerschöpflichen Fruchtbarkeit an allem Guten, ob ihrer allumfassenden Einheit und unüberwindlichen Fortdauer - ein mächtiger, stets wirksamer Beweisgrund für ihre Glaubwürdigkeit, ein unwiderlegliches Zeugnis für ihre göttliche Sendung. So steht die Kirche wie ein ragendes Zeichen unter den Völkern (Is 11,12). Als solches ruft sie alle, die noch nicht gläubig sind, zu sich; ihren Kindern aber gibt sie die Gewissheit, dass der Glaube, zu dem sie sich bekennen, auf unerschütterlicher Grundlage ruht.

und die Gnade

21 Dieses Zeugnis [für die Glaubwürdigkeit der die Kirche] erhält dann wirksame Unterstützung durch die Kraft von oben. Denn in seiner übergroßen Güte kommt der Herr den Irrenden mit seiner anregenden und helfenden Gnade entgegen und gibt ihnen die Kraft, dass sie zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen (1 Tim 2,4) die Er aber bereits aus der Finsternis in sein wunderbares Lichtreich berufen hat (vgl. 1 Petr 2,9) die festigt Er mit seiner Gnade, damit sie in diesem Licht verbleiben, Er, der keinen verlässt, wofern Er nicht selbst verlassen wird.

22 Deshalb sind jene, die sich durch das Himmelsgeschenk des Glaubens der katholischen Wahrheit angeschlossen halben, durchaus nicht in der gleichen Lage wie jene, die von Menschenmeinungen irregeführt, Anhänger einer falschen Religion sind. Denn die einmal den Glauben unter der Obhut des kirchlichen Lehramtes angenommen haben, können nie und nimmer einen berechtigten Grund haben, diesen Glauben zu wechseln oder auch nur in Zweifel zu ziehen. Darum müssen wir Gott dem Vater Dank sagen, dass Er uns gewürdigt hat, Anteil zu haben am Lose seiner Heiligen im Licht (KoI 1,12); und wir dürfen eine so große Heilsgnade nicht missachten, sondern im Blick auf Jesus, den Urheber und Vollender unsres Glaubens, sollen wir unwandelbar festhalten an dem Bekenntnis unserer Hoffnung (Hebr 12,2; 10,23).

Viertes Kapitel: GLAUBE UND VERNUNFT

Vernunft und Glaubenserkenntnis verschieden

23 Auch daran hielt und hält die katholische Kirche in unwandelbarer Einmütigkeit fest, dass es eine zweifache Ordnung der Erkenntnis gibt, verschieden nicht bloß im Prinzip, sondern auch im Gegenstand. Im Prinzip: denn in der einen Ordnung ist es die natürliche Vernunft, mit der wir erkennen, in der andern der göttliche Glaube. Im Gegenstand: weil uns der Glaube außer den Wahrheiten, zu deren Erkenntnis die natürliche Vernunft gelangen kann, noch Geheimnisse vorlegt, die, weil in Gott verborgen, ohne göttliche Offenbarung unmöglich erkannt werden können. Obwohl daher der Apostel bezeugt, dass Gott von den Heiden aus dem Schöpfungswerk (Röm 1,20) erkannt worden sei, tut er dennoch den Ausspruch, wo er von der durch Christus uns gewordenen Gnade und Wahrheit (vgl. Joh 1,17) spricht: „Wir verkünden Gottes geheimnisvolle, verborgene Weisheit, die Gott vor aller Zeit zu unsrer Verherrlichung bestimmt hat. Die hat keiner der Fürsten dieser Welt erkannt; uns aber hat es Gott durch seinen Geist geoffenbart: denn der Geist ergründet alles, auch die Tiefen der Gottheit (1 Kor 2,7-11). Und Er, der Eingeborne selber preist den Vater, dass Er dies vor Weisen und Klugen verborgen, Kleinen aber geoffenbart hat (vgl. Mt 11,25).

24 Die vom Glauben erleuchtete Vernunft gewinnt zwar, wenn sie mit Hingebung, aber auch voll Frömmigkeit und Besonnenheit forscht, mit Gottes Beistand einen gewissen, übrigens höchst fruchtbaren Einblick in die Glaubensgeheimnisse - teils mit Hilfe von Analogien aus dem Bereich der natürlichen Erkenntnisse, teils aus dem Zusammenhang der Geheimnisse selbst untereinander und mit dem letzten Ziel des Menschen. Niemals aber wird sie imstand sein, die Glaubensgeheimnisse so zu durchschauen wie jene Wahrheiten, die ihren eigentlichen Erkenntnisgegenstand ausmachen. Denn die göttlichen Geheimnisse ragen ihrer Natur nach dermaßen über die geschaffene Erkenntnis hinaus, dass sie selbst nach ihrer Mitteilung durch die Offenbarung und ihrer Annahme im Glauben noch mit dem Schleier des Glaubens bedeckt in ein gewisses Dunkel gehüllt bleiben, solang wir als Pilger in diesem sterblichen Leben fern vom Herrn weilen; denn noch wandeln wir im Glauben, nicht im Schauen (vgl. 2 Kor 5,6f) .

Aber Widerspruch zwischen beiden nicht möglich

25 Wenn nun auch der Glaube über der Vernunft steht, so kann doch zwischen Glaube und Vernunft niemals ein wirklicher Widerspruch bestehen. Hat doch derselbe Gott, der die Geheimnisse offenbart und den Glauben daran eingießt, der Menschenseele auch das Licht der Vernunft gegeben. Gott aber kann sich doch nicht selbst verneinen, noch kann je eine Wahrheit der andern widerstreiten.

26 Wenn je ein, in Wirklichkeit unbegründeter, Widerspruch vorhanden zu sein scheint, so entsteht er vorzüglich darum, weil man die Glaubensdogmen nicht im Sinn der Kirche versteht und erklärt, oder weil man unbegründete Aufstellungen für Forderungen der Vernunft ausgibt. Wir erklären deshalb jede Behauptung, die einer Wahrheit des erleuchteten Glaubens widerspricht, für durchaus falsch (Fünftes Laterankonzil, Bulle Apostolici regiminis).

27 Weil ferner die Kirche mit dem apostolischen Lehramt zugleich den Auftrag erhielt, das anvertraute Glaubensgut zu hüten, so hat sie das gottgegebene Recht und die Pflicht, eine Wissenschaft, die dieses Namens nicht mehr würdig ist, zu brandmarken, damit niemand durch falsche Weltweisheit und eitle Truglehren in Irrtum geführt werde (vgl. Kol 2,8). Darum darf kein gläubiger Christ solche Meinungen als richtige wissenschaftliche Ergebnisse verteidigen, sobald man erkennt, dass sie in Gegensatz zur Glaubenslehre treten, und erst recht, wenn sie von der Kirche verworfen worden sind. Vielmehr ist jeder verpflichtet, sie als Irrtümer zu betrachten, die bloß den schillernden Schein von Wahrheit an sich tragen.

Im Gegenteil, beide fördern sich gegenseitig

28 Glaube und Vernunft können also nie in Widerspruch geraten; im Gegenteil, sie fördern sich vielmehr gegenseitig. Geht die Vernunft in der rechten Weise voran, so weist sie die Grundlagen des Glaubens auf und baut, durch dessen Licht erleuchtet, die theologische Wissenschaft weiter aus. Der Glaube hingegen befreit und bewahrt die Vernunft vor Irrtümern, und bereichert sie mit mannigfachen Erkenntnissen. Es kann daher keine Rede davon sein, dass die Kirche die Pflege von Kunst und Wissenschaft unter den Menschen hindere; sie lässt ihnen vielmehr auf mannigfache Weise Unterstützung und Förderung werden; kennt sie doch die Vorteile für das menschliche Leben, die von ihnen ausgehen, und achtet sie keineswegs gering. Ja sie spricht es offen aus, dass die Wissenschaft, wie sie von Gott, dem Herrn alles Wissens ausgegangen, zu Gott mit Hilfe seiner Gnade wieder zurückführt, wenn anders sie in der rechten Weise gepflegt wird. Daher verbietet sie natürlich nicht, das jeder Zweig des Geistesschaffens in seinem Bereich die eigenen Prinzipien und die eigene Methode anwende. Aber indem sie diese berechtigte Freiheit anerkennt, wacht die Kirche sorgsam darüber, dass die Wissenschaft nicht in Widerstreit zur göttlichen Lehre gerate und so Irrtümer in sich aufnehme, noch die ihr gezogenen Grenzen überschreite, ins Gebiet des Glaubens eindringe und dort Verwirrung stifte.

Unveränderlichkeit der Glaubenslehre

29 Denn die Glaubenslehre, die ja Gott geoffenbart hat, ist nicht nach Art eines philosophischen Lehrsystems dem menschlichen Geiste vorgelegt worden, um durch seine Forscherarbeit erst vervollkommnet zu werden. Sie ist vielmehr der Braut Christi anvertraut worden als göttliches Lehrgut, um von ihr treu behütet und unfehlbar erklärt zu werden. Daher muss an dem Sinn der Heilslehren, wie ihn die Kirche, unsre heilige Mutter, einmal dargelegt hat, immerdar festgehalten werden und man darf niemals, etwa unter dem Vorwand und aus dem Scheingrund einer tiefern Erkenntnis, von diesem Sinn abgehen. So wachse denn im Lauf der Zeiten und Jahrhunderte und blühe weit und mächtig auf, Einsicht, Wissenschaft und Weisheit, in den einzelnen und in der Gesamtheit, in jedem Menschen wie in der ganzen Kirche: in dem ihnen zustehenden Bereich. Der Sinn der Glaubenssätze aber und die Lehrverkündigung müssen die gleichen bleiben (Vinzenz von Lerin, Common. n 28).

30 (Im verwendeten Buch nicht abgedruckt, jedoch angemerkt: Es folgen die Canons gegen die Irrtümer, die den in den vorausgehenden Kapiteln enthaltenen Lehren entgegengesetzt sind. Darauf folgt unmittelbar folgender Passus):

31 In Erfüllung Unsrer obersten Hirtenpflicht bitten und beschwören Wir um der Liebe Jesu Christi willen alle Christgläubigen, namentlich aber jene, die ein Vorsteher- oder Lehramt bekleiden, ja Wir befehlen ihnen im Namen desselben Gottes und unsres Heilandes, mit allem Eifer dahin zu wirken, dass diese Irrtümer von der heiligen Kirche abgewehrt und ausgeschieden werden, und dass das Licht des Glaubens in voller Reinheit erstrahle. Dazu ist es aber nicht genug, bloß die Sünde der Häresie zu vermeiden; man muss vielmehr auch jenen falschen Lehren sorgfältig ausweichen, die ihr mehr oder weniger nahe stehen. Daher mahnen Wir alle an die Pflicht, auch den Erlassen und Dekreten zu gehorchen, durch die solche verkehrte Ansichten, die hier nicht ausdrücklich aufgezählt sind, von diesem heiligen Stuhle verworfen und verboten worden sind.

Gegeben zu Rom in feierlicher, öffentlicher Sitzung in der Vatikanischen Basilika,

im Jahr der Menschwerdung des Herrn 1870,
am 24. April. Im vierundzwanzigsten Jahr Unseres Pontifikats.
So geschehen.

Joseph,
Bischof von St. Pölten,

Sekretär des Vatikanischen Konzils

Weblinks

Anmerkungen

<references />