Humanum genus (Wortlaut): Unterschied zwischen den Versionen

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an alle Ehrwürdigen Brüder, die [[Patriarch|Patriarchen]], [[Primat|Primaten]], [[Erzbischof|Erzbischöfe]], [[Bischof|Bischöfe]], der katholischen Welt,<br>
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'''über Wesen und Gefahr der [[Freimaurer]]ei''' <br>
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(Offizieller [[latein]]ischer Text: Leonis XIII. Pontificis Maximi Acta IV [1884]); [[ASS]] XVI [1883-1884] 417-433 </center>
  
An alle Ehrwürdigen Brüder: die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe und Bischöfe der katholischen Welt, welche in Gnade und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle stehen
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(Quelle: Rundschreiben Leo XIII., Zweite Sammlung, [[Lateinisch]]er und [[deutsch]]er Text, [[Herder Verlag|Herder´sche Verlagsbuchhandlung]] übersetzt durch den päpstlichen Hausprälaten Professor [[Franz Hettinger|Hettinger]], Freiburg im Breisgau 1904; Die Nummerneinteilung nach: Emil Marmy (Hrsg.), ''[[Mensch und Gemeinschaft in christlicher Schau]]'', Dokumente, [[Paulus Verlag Freiburg/Schweiz]] 1945, S. 56-83; [[Imprimatur]] Friburgi Helv., die 21. Augusti 1945 L. Clerc, censor; Überschriften aus denen die Inhaltsübersicht erstellt wurde sind aus: Leo XIII. - Lumen De Caelo. Erweiterte Ausgabe des "Leo XIII. der Lehrer der Welt". Praktische Ausgabe der wichtigsten Rundschreiben Leo XIII. und Pius XI., Herausgegeben von [[Carl Ulitzka]], [[Päpstlicher Hausprälat]], Ratibor 1934, S.253-271; Mit kirchlicher [[Druckerlaubnis]]; in [[deutsch]]er Sprache auch in: Leo XIII., Lumen de coelo II., - Bezeugt in seinen [[Allocutio]]nen, [[Enzyklika|Rundschreiben]], [[Apostolische Konstitution|Constitutionen]], [[Apostolischer Brief|öffentlichen Briefen]] und Akten, Buch und [[Verlag]] Rudolf Brzezowsky & Söhne Wien 1890, S. 189-211, alle drei in Fraktur abgedruckt).
  
''''''<div align="center">Papst Leo XIII.</div>''''''
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{{Hinweis Lehramtstexte}}
  
'''<div align="center">Ehrwürdige Brüder!</div>'''
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'''<center> Ehrwürdige Brüder! </center>'''
'''<div align="center">Heilsgruß und Apostolischen Segen!</div>'''
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'''<center> Heilsgruß und Apostolischen Segen! </center>'''
  
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==Einleitung==
  
Nachdem das Menschengeschlecht durch den ''Neid des Teufels'' von Gott, dem Schöpfer und dem Spender der himmlischen Güter, so kläglich abgefallen war, hat es sich in ''zwei geschiedene und einander entgegengesetzte Lager'' geteilt: das eine kämpft unausgesetzt für Wahrheit und Tugend, das andere für alles, was der Wahrheit und Tugend widerstreitet. - Das eine ist ''das Reich Gottes auf Erden'': nämlich die wahre Kirche Christi; wer diesem wahrhaft und zu seinem Heile angehören will, der muß Gott und Seinem Eingeborenen Sohne mit ganzer Seele und mit voller Hingebung seines Willens dienen. Das andere ist das ''Reich des Satans'', in dessen Botmäßigkeit und Gewalt alle stehen, welche dem verhängnisvollen Beispiel ihres Führers und unserer Stammeltern gefolgt sind, dem ewigen göttlichen Gesetze den Gehorsam verweigern und vieles mit Verachtung Gottes, ja vieles gegen Gott selbst zu unternehmen suchen. Dieses zweifache Reich, das zwei Staaten (lat.: civitates) gleicht, die gemäß einander widerstrebenden Gesetzen einander widerstrebende Ziele verfolgen, hat ''Augustinus'' wohl erkannt und beschrieben und die wirkende Ursache beider in nachstehenden Worten feinsinnig und kurz zusammengefaßt: ''Eine zweifache Liebe hat diese zwei Staaten (lat.: civitates) gegründet: den irdischen die Selbstliebe bis zur Verachtung Gottes, den himmlischen dagegen die Gottesliebe bis zur Verachtung seiner selbst''. - In allen Jahrhunderten haben diese beiden einander bekämpft mit verschiedenen Waffen und in verschiedener Weise, wenngleich nicht immer mit gleicher Hitze und gleichem Ungestüm. In der Gegenwart jedoch scheinen die Anhänger des Bösen sich zu verabreden und in ihrer Gesamtheit mit vollen Kräften anzustürmen: geleitet und gestützt von der weitverbreiteten und fest gegliederten Gesellschaft der sogenannten "'''[[Freimaurer]]'''". Denn schon halten diese ihre Pläne nicht mehr geheim, und sie reizen sich höchst verwegen untereinander auf gegen den allmächtigen Gott. Offen und ungescheut arbeiten sie daran, die Kirche zu vernichten: und zwar in der Absicht, um - wenn es möglich wäre - die christlichen Völker aller Güter gänzlich zu berauben, die ihnen durch unseren Heiland Jesus Christus zuteil geworden sind. - Indem Wir diese Übel beklagen, müssen Wir oft, von Liebe im Innersten bewegt, zu Gott rufen: ''Siehe, deine Feinde toben, und die dich hassen, erheben das Haupt. Über dein Volk fassen sie listige Anschläge und sinnen wider deine Heiligen. Sie sprechen: Kommet, lasset sie uns vertilgen aus dem Volke''.
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===Das Reich Gottes und das Reich des Satans auf Erden===
  
Bei dieser dringenden Gefahr, bei diesem grausamen und hartnäckigen Kampfe gegen das Christentum ist es Unsere Aufgabe: hinzuweisen auf den Ernst der Lage; kenntlich zu machen die Gegner; Widerstand zu leisten, so viel Wir vermögen, ihren listigen Plänen; damit nicht auf ewig zugrundegehen alle jene, deren Seelenheil Uns anvertraut ist, und auf daß Jesu Christi Reich, dessen Obhut Uns übergeben ward, nicht bloß Bestand habe und unversehrt fortdauere, sondern immer mehr wachse und überall auf der ganzen Erde sich ausbreite.  
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'''1''' Nachdem das Menschengeschlecht durch den Neid des Teufels von Gott, dem Schöpfer und Spender der himmlischen Güter so kläglich abgefallen, hat es sich in zwei geschiedene und einander entgegengesetzte Lager geteilt; das eine kämpfte unausgesetzt für Wahrheit und Tugend, das andere für alles, was der Wahrheit und Tugend widerstreiten. – Das eine ist das Reich Gottes auf Erden, nämlich die wahre Kirche Christi; wer ihm wahrhaft und zu seinem Heile angehören will, der muss Gott und seinem Eingeborenen Sohne mit ganzer Seele und voller Hingebung seines Willens dienen. Das andere ist das Reich des Satans, dem alle jene botmäßig und zu eigen sind, welche dem verhängnisvollen Beispiele ihres Führers und unserer Stammeltern gefolgt sind, dem [[Ewiges Gesetz|ewigen göttlichen Gesetze]] den Gehorsam verweigern und vieles mit Verachtung Gottes, ja vieles gegen Gott selbst unternehmen suchen.  
  
Die '''Römischen Päpste''', Unsere Vorgänger, sorgfältig wachsam über das Heil des christlichen Volkes, haben diesen Todfeind alsbald erkannt: wer er sei, was er wolle, sobald er aus dem Dunkel geheimer Verschwörung heraustrat; und indem sie wohl wußten, was bevorsteht, haben sie Fürsten und Völkern gewissermaßen ein Zeichen gegeben und sie gemahnt, von deren Arglist sich nicht betrügen und fangen zu lassen. - Der erste, welcher auf die Gefahr hinwies, war '''Clemens XII.''', dessen Konstitution von '''Benedikt XIV.''' bestätigt und erneuert wurde. Ihrem Vorgehen folgte '''Pius Vll.'''. '''Leo XII.''' faßte in der Apostolischen Konstitution QUO GRAVIORA zusammen, was seine Vorgänger in dieser Angelegenheit getan und bestimmt hatten, und erklärte sie als gültig und rechtskräftig für alle Zeiten (lat.: = in perpetuum). In demselben Sinne haben sich '''Pius VIII.''', '''Gregor XVI.''' und sehr oft '''Pius IX.''' ausgesprochen.  
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'''2''' Dieses zweifache Reich, das zwei Städten gleicht, die nach widerstrebenden Gesetzen widerstrebende Ziele verfolgen, hat Augustinus wohl erkannt  und beschrieben und die wirkende Ursache beider in nachstehenden Worten feinsinnig und kurz zusammengefasst: Eine zweifache Liebe hat diese zwei Reiche gegründet, das irdische die Selbstsucht bis zur Verachtung Gottes, das himmlische dagegen die Gottesliebe bis zur Verachtung seiner selbst.<ref>[[Augustinus von Hippo]]: [[De civitate Dei]], 14, 28 [[PL]] 41, 436.</ref>
  
Als nämlich die '''Sekte der "Freimaurer"''' sich nach ihrem Wesen und Charakter durch offenkundige Merkmale zu erkennen gab; als man diese Angelegenheit untersucht hatte; als deren Gesetze, Riten und Gebräuche ans Licht kamen, wozu häufig das Zeugnis von Eingeweihten kam: da verkündete es dieser '''Apostolische Stuhl''' und erklärte öffentlich: es sei die Sekte der "Freimaurer" eine rechtswidrige und für Kirche und Staat gleichermaßen verderbliche Verbindung; und er verbot unter Androhung jener besonders schweren Strafen, welche die Kirche über Schuldige zu verhängen pflegt, allen Gläubigen den Eintritt in dieselbe.
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=== Die Gottlosen werden von der Freimaurerei unterstützt===
  
Hierdurch verbittert, meinten die Verbündeten, sich teils durch Verachtung, teils durch Verleumdung der Wucht dieser Urteilssprüche entziehen und dieselbe abschwächen zu können; sie klagten die '''Römischen Päpste''' an, daß deren Entscheidungen ungerecht gewesen seien und das rechte Maß überschritten hätten. Auf solche Weise versuchten sie es, das Ansehen und Gewicht der '''Apostolischen Konstitutionen''' eines '''Clemens XII.''', '''Benedikt XIV.''', sowie '''Pius VII.''' und '''Pius IX.''' bedeutungslos zu machen. Doch es fehlte unter den Mitgliedern dieser Gesellschaft selbst nicht an solchen, die sogar gegen ihren Willen eingestanden, daß im Hinblick auf die katholische Lehre und Lebensordnung die '''Römischen Päpste''' in allem diesem nach Recht und Gerechtigkeit gehandelt haben. Auch verschiedene Fürsten und Regierungen gaben den Päpsten hierin ihre volle Zustimmung, indem sie teils Sorge trugen, daß die '''Sekte der "Freimaurer"''' bei dem '''Heiligen Stuhle''' angeklagt wurde, teils ihrerseits durch das Gesetz diese für staatsgefährlich erklärten, wie dies in Holland, Österreich, in der Schweiz, in Spanien, Bayern, in Savoyen und anderen Ländern Italiens, geschehen ist.  
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In allen Jahrhunderten haben diese Reiche einander bekämpft mit verschiedenen Waffen und in verschiedener Weise, wenngleich nicht immer in gleich heftigem Anlaufe. In der Gegenwart jedoch scheinen die Anhänger des Bösen sich zu verabreden und insgesamt mit vollen Kräften anzustürmen, geleitet und unterstützt von der weitverbreiteten und gegliederten Gesellschaft der sogenannten Freimaurer. Denn schon halten diese ihr Pläne nicht mehr geheim und fordern höchst verwegen sich untereinander auf gegen den allmächtigen Gott; offen und aufgescheut arbeiten sie daran, die Kirche zu vernichten und zwar in der Absicht, um, wenn es möglich wäre, die christlichen Völker aller Güter zu berauben, die ihnen durch unsern Heiland Jesus Christus zuteil geworden sind. – In dem wir diese Übel beklagen, müssen wir oft, von Liebe im Innersten bewegt, zu Gott rufen: Siehe, deine Feinde toben, und die dich hassen, erheben das Haupt. Über dein Volk fassen sie listige Anschläge und sinnen wider deine Heiligen. Sie sprechen: Kommet, lasset sie uns vertilgen aus dem Volke. <ref>{{B|Ps|83|3-5}}.</ref>
  
Wie klug Unsere Vorgänger in dieser Beziehung gehandelt haben, hat die Folgezeit bewiesen, worauf darum besonderes Augenmerk zu richten ist. Ihre väterlichen Bemühungen und Vorsorgen hatten nämlich weder zu jeder Zeit noch überall den gewünschten Erfolg: die Ursache hiervon war teils die List und Verstellung der Schuldigen selbst, teils der Mangel an Ernst bei denjenigen, welchen vor allen anderen hätte daran gelegen sei müssen, ein wachsames Auge zu haben. So ist es denn gekommen, daß im Laufe von anderthalb Jahrhunderten die '''Sekte der "Freimaurer"''' eine über alle Erwartung große Ausbreitung gewann; und indem sie keck und listig in alle Ordnungen des Gemeinwesens sich eindrängte, erlangte sie eine solche Macht, daß sie nahezu die Oberherrschaft in den Staaten zu haben scheint. So rasch und so furchtbar hat sich das Verderben entwickelt, das Unsere Vorgänger lange vorausgesehen hatten, und das nun die Kirche, die Gewalt der Fürsten und Staatsoberen, sowie die öffentliche Wohlfahrt bedroht. Denn so weit ist es gekommen, daß für die Zukunft alles zu befürchten ist: nicht zwar für die Kirche, die auf einem zu festen Grund gebaut ist, als daß sie von Menschenhand erschüttert werden könnte, sondern für jene Staaten, in welchen die '''"Freimaurerei"''' mächtig ist, '''oder ähnliche Sekten''', die im Dienste jener arbeiten und tätig sind.  
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'''3''' Bei dieser dringenden Gefahr, bei diesem grausamen und hartnäckigen Kampfe gegen das Christentum ist es Unsere Aufgabe, hinzuweisen auf den Ernst der Lage, kenntlich zu machen die Gegner, Widerstand zu leisten, soviel Wir vermögen, ihren listigen Plänen, damit nicht auf ewig zu Grunde gehen alle jene, deren Seelenheil Uns anvertraut ist, und auf dass Jesus Christi Reich, dessen Obhut Uns übergeben ward, nicht bloß Bestand habe und unversehrt fortdauere, sondern immer mehr wachse und überall auf der ganzen Erde sich ausbreite.  
  
Sobald Wir darum die Regierung der Kirche übernommen haben, war es Unsere feste Überzeugung, Wir müßten durch das Gewicht Unserer Autorität diesem Übel so viel als möglich Widerstand leisten. - In der Tat haben Wir bei gegebener Gelegenheit bestimmte hauptsächliche Lehrgebiete beleuchtet, auf welche die Verkehrtheit der '''"freimaurerischen"''' Meinungen sichtlich den meisten Einfluß hatte. So haben Wir in Unserem Rundschreiben QUOD APOSTOLICI MUNERIS es unternommen, die Ungeheuerlichkeiten der '''Sozialisten''' und '''Kommunisten''' zu widerlegen; in einem anderen, nämlich ARCANUM DIVINAE SAPIENTIAE, suchten Wir den wahren und richtigen Begriff der häuslichen Gesellschaft, welche in der Ehe ihre Quelle und ihren Ursprung hat, darzulegen und zu verteidigen, in jenem, das mit den Worten DIUTURNUM ILLUD beginnt, haben Wir das Musterbild der politischen Gewalt nach den Grundsätzen der christlichen Weisheit entworfen und dargestellt, wie es mit der Natur der Dinge selbst und mit dem Heile von Fürsten und Völkern in wunderbarem Einklang steht. Nun aber haben Wir beschlossen, nach dem Beispiel Unserer Vorgänger die '''Sekte der "Freimaurer"''' selbst direkt ins Auge zu fassen: ihre gesamte Lehre, ihre Pläne, ihre Denk- und Handlungsweise, um dadurch mehr und mehr ihre verderbliche Macht in klares Licht zu setzen und die Völker vor Ansteckung durch diese verhängnisvolle Pest zu bewahren.
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===Die Päpste haben diese Sekte verurteilt===
  
'''Alle jene''' mannigfaltigen '''Sekten''', obwohl sie nach Namen, Gebräuchen, Form und Ursprung verschieden sind, stehen dennoch miteinander im Zusammenhang durch eine gewisse Gemeinsamkeit ihres Zweckes und eine Ähnlichkeit ihrer Grundanschauungen: sie sind darum sachlich mit der '''Sekte der "Freimaurer"''' eins: dieselben bilden gleichsam den Mittelpunkt, von wo alle ausgehen, wohin alle zurückkehren. Obgleich sie gegenwärtig, wie es den Anschein hat, durchaus nicht mehr die Verborgenheit suchen, vielmehr ihre Versammlungen am hellen Tage und vor aller Augen abhalten und ihre Zeitschriften veröffentlichen, so bewahren sie doch, näher betrachtet, das Wesen und den Charakter '''geheimer Gesellschaften'''. Es ist nämlich Verschiedenes bei ihnen von Geheimnissen umgeben, welche nicht bloß vor den Fremden, sondern auch vor sehr vielen unter den Mitgliedern selbst, nach ihren Gesetzen mit größter Sorgfalt gewahrt werden.  
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==== Clemens XII. bis Pius IX====
  
Hierzu gehören ihre geheimsten und letzten Pläne, die obersten Vorstände der Abteilungen, gewisse verborgene Zusammenkünfte der am meisten Eingeweihten; das gleiche gilt von ihren Beschlüssen und der Art und Weise, diese zur Ausführung zu bringen. Zu diesem Zwecke gibt es unter den Brüdern eine große Verschiedenheit in den Rechten, Ämtern und Obliegenheiten, eine bestimmte Abstufung in Graden und Ordnungen, und eine strenge Disziplin, welcher alle unterworfen sind. Die Eintretenden (lat.: initiales) müssen geloben, ja meistens mit einem besonderen Eide beschwören, daß sie niemandem und zu keiner Zeit und auf keine Art und Weise ihre Brüder, ihre Erkennungszeichen, ihre Lehren verraten wollen.  
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'''4''' Die Römischen Päpste, Unsere Vorfahren, sorgfältig wachsam über das Heil des christlichen Volkes, haben diesen Todfeind alsbald erkannt, wer er sei, was er wolle, sowie er aus dem Dunkel geheimer Verschwörung heraustrat; und indem sie wohl wussten, was bevorsteht, haben sie Fürsten und Völkern gewissermaßen ein Zeichen gegeben und sie gemahnt, nicht von ihrer Arglist sich betrügen und fangen zu lassen.  
  
So suchen die '''"Freimaurer"''' unter erlogenem Scheine und in derselben heuchlerischen Weise wie seinerzeit die ''Manichäer'' (die Gnosis! -Anm. K. H.) verborgen zu bleiben und niemand anderen zu Zeugen zu haben als die ihrigen. Unter dem Namen von Freunden der Literatur und der Wissenschaft, die sich zu gelehrten Zwecken vereinigt haben, verstehen sie es trefflich, sich zu verstecken; wenn man sie reden hört, so ist es ihnen zu tun um Förderung höherer Bildung, um Bestrebungen zum Besten des niedrigen Volkes - so als wollten sie nichts anderes als das Beste des Volkes und die größtmögliche Verbreitung aller staatlichen Wohltaten. Selbst wenn dies auch alles wahr wäre, so ist doch ihre Tätigkeit durchaus nicht hierauf allein beschränkt. Wer immer einmal beigetreten ist, muß außerdem versprechen und dafür einstehen, daß er den Führern und Meistern aufs Wort folgen will in höchstem Gehorsam und in Treue; daß er, bereit auf jeden Wink und auf jedes Zeichen, das Befohlene ausführen will; daß er im Falle des Ungehorsams auch das Härteste und selbst den Tod erdulden will. In der Tat wird die Todesstrafe nicht selten an denen vollzogen, über welche wegen Verrat des Geheimnisses oder Ungehorsam dieselbe ausgesprochen wurde: und zwar mit einer solchen Keckheit und Gewandtheit, daß häufig der Meuchelmörder dem wachsamen Auge der strafenden Gerechtigkeit entrinnt. - Heucheln und im Dunkeln verborgen bleiben zu wollen, Menschen nach Sklavenart mit den stärksten Banden an sich zu fesseln, ohne daß diese den Grund hiervon klar erkennen; sie nach fremder Willkür zum Werkzeug jeglichen Frevels zu gebrauchen, ihnen den Mordstahl in die Hand zu drücken unter dem Vorwand der Straflosigkeit - das ist eine Ungeheuerlichkeit, welche der Natur durchaus widerstreitet. Darum beweisen die gesunde Vernunft und die Natur der Sache selbst, daß die Gesellschaft., von der Wir reden, im Gegensatz steht zur Gerechtigkeit und zur natürlichen Sittlichkeit.  
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'''5''' Der erste, welcher auf die Gefahr hinwies, war Klemens XII.,<ref>[[Klemens XII.]] „[[In eminenti]]“ 21. April 1788, Fonts n. 412.</ref> dessen Konstitution von Benedikt XIV.<ref>[[Benedikt XIV.]]. „Providas“ 18. Mai 1751.</ref> bestätigt und erneuert wurde. Ihrem Vorgange folgte Pius VII.<ref>[[Pius VII.]] Konst. „Ecclesiam a Jesu Christo“ 23. Sept. 1821.</ref> Leo XII. fasste in der Apostolischen Konstitution „Quo graviora“<ref>[[Leo XII.]] "Quo graviora "Konst. v. 13. März 1825.</ref> zusammen, was seine Vorfahren in dieser Angelegenheit getan und bestimmt hatten und erklärte sie als gültig und rechtskräftig für alle Zeit. In demselben Sinne haben sich Pius VIII.,<ref>[[Pius VIII.]] [[Enzyklika]] „Traditi“ 21. Mai 1829.</ref> Gregor XVI.<ref> [[Gregor XVI.]]: [[Enzyklika]] “[[Mirari vos]]” 15. Aug. 1832.</ref> uns sehr oft Pius IX.<ref>[[Pius IX.]] [[Enzyklika]] “[[Qui pluribus]]” 8. Nov. 1846 ; Allokut. „Multiplices inter“ 25. Sept. 1865 u.s.f.</ref> ausgesprochen.
  
Ebendies wird durch folgende Gründe noch klarer erhellt. Mögen auch List und Verlogenheit in der Welt noch so groß sein, so ist es doch unmöglich, daß aus den Auswirkungen nicht deren Ursache, wie sie wirklich ist, klar erkennbar sei. ''Ein guter Baum kann keine bösen Früchte bringen, und ein böser Baum keine guten Früchte''. Es bringt aber die '''Sekte der "Freimaurer"''' verderbliche und sehr bittere Früchte. Denn aus den unbestreitbaren Kennzeichen, von denen oben die Rede war, ergibt sich ersichtlich, was das letzte Ziel ist bei allen ihren Plänen: '''die gesamte religiöse und staatliche Ordnung, wie sie das Christentum begründet hat, von Grund aus zu zerstören und nach ihrem Gutdünken eine neue zu schaffen auf Grund der Anschauungen und Gesetze des Naturalismus'''.  
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'''6''' Als nämlich die Sekte der Freimaurer nach ihrem Wesen und Charakter durch offenbare Merkmale sich zu erkennen gab, als man diese Angelegenheit untersucht, von ihren Gesetzen, Gebräuchen und Schriften Einsicht genommen hatte, wozu häufig das Zeugnis von Eingeweihten kam, da verkündete es dieser Apostolische Stuhl und erklärte öffentlich, es sei die Sekte der Freimaurer eine rechtswidrige und für die Kirche und Staat gleich verderbliche Verbindung, und er verbot unter Androhung jener besonders schweren Strafen, welche die Kirche über Schuldige zu verhängen pflegt, allen Gläubigen den Eintritt in dieselbe. Hierdurch erbittert, wähnten die Verbündeten, teils durch Verachtung, teils durch Verleumdung der Wucht dieser Aussprüche sich entziehen und dieselbe abschwächen zu können; sie klagten die Römischen Päpste an, dass ihre Entscheidungen ungerecht gewesen und das rechte Maß überschritten hätten. Auf solche weise versuchten sie es, da Ansehen und Gewicht der Apostolischen Konstitutionen eines Klemens XII., Benedikt XIV., wie Pius VII. und Pius IX. bedeutungslos zu machen. Doch es fehlte unter den Mitgliedern der Sekte selbst nicht an solchen, die sogar gegen ihren Willen eingestanden, dass im Hinblick auf die katholische Lehre und Lebensordnung die Römischen Päpste in allem diesem nach Recht und Gerechtigkeit gehandelt haben. Auch verschiedene Fürsten und Regierungen gaben den Päpsten hierin ihre volle Zustimmung, indem sie teils Sorge trugen, dass die Sekte der Freimaurer bei dem Heiligen Stuhle angeklagt wurde, teils ihrerseits durch das Gesetz sie für staatsgefährlich erklärten, wie dies in Holland, Österreich, in der Schweiz, Spanien, Bayern, Savoyen und anderen Ländern Italiens geschehen ist.  
  
Was Wir hier sagen und noch sagen werden, ist von der '''Sekte der "Freimaurer"''' im allgemeinen zu verstehen '''und''' von den ihr '''verwandten und verbündeten Gesellschaften''', aber '''nicht''' von den einzelnen Mitgliedern. Unter deren Zahl mögen nicht wenige sein, die allerdings nicht ohne Schuld sich mit diesen Gesellschaften eingelassen haben, aber doch weder persönlich an solchen Freveltaten beteiligt sind, noch auch die letzten Ziele, um die sich jene bemühen, kennen. Ebenso billigen vielleicht einige von diesen Gesellschaften durchaus nicht jene äußersten Folgerungen, welche sie - weil sich diese in notwendiger Konsequenz aus jenen allgemeinen Grundsätzen ergeben - annehmen müßten, wenn nicht die Abscheulichkeit des Verbrechens durch seine Häßlichkeit sie abstoßen würde. Auch finden es manche von ihnen im Hinblick auf die Orts- und Zeitverhältnisse rätlicher, nicht bis zum Äußersten zu gehen, obwohl sie selbst es an sich wünschen würden und andere es gewohnt sind, so zu handeln. Darum gehören sie aber doch dem '''freimaurerischen Bund''' an: denn dieser ist nicht nach den vollbrachten Taten allein, sondern nach seinen wesentlichen Grundsätzen zu beurteilen.
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====b) Die Regierungen haben nicht immer und überall den nötigen Ernst gehabt====
  
Oberster Grundsatz der '''Naturalisten''', wie dies schon ihr Name besagt, ist der: es müsse die menschliche Natur und die menschliche Vernunft in allem oberste Richtschnur und Lehrerin sein. Hieraus ergibt sich, daß '''die Naturalisten''' sich um die Pflichten gegenüber Gott nicht sehr kümmern, oder daß sie dieselben entstellen durch irrige und wechselnde Meinungen. Sie leugnen nämlich jede Göttliche Offenbarung und verwerfen jedwedes religiöse [[Dogma]]; nach ihnen gibt es keine Wahrheit, die des Menschen Vernunft überschreitet; keinen Lehrer, der kraft seines Amtes das Recht hätte, Glauben von uns zu fordern. Da es nun aber das '''einzigartige Recht der katholischen Kirche''' ist, das '''ihr allein''' zukommt: '''die von Gott empfangenen Lehren und ihre eigene lehramtliche Autorität samt allen übrigen zum Heile notwendigen Gnadenmitteln vollständig zu bewahren und unversehrt zu erhalten''' - darum gilt ihr ganz besonders der grimmige Kampf der Feinde.  
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'''7''' Wie vorsichtig  Unsere Vorfahren in dieser Beziehung gehandelt, hat die Folgezeit bewiesen, worauf wir darum unser besonderes Augenmerk zu richten haben. Ihre väterlichen Bemühungen und Fürsorge hatten nämlich nicht zu jeder Zeit noch überall den gewünschten Erfolg; hiervon war Ursache teils die List und Verstellung der Schuldigen selbst, teils der Mangel an Ernst bei jenen, denen vor allen anderen hätte daran gelegen sein müssen, ein wachsames Auge zu haben. So ist es denn gekommen, dass im Laufe von anderthalbhundert Jahren die Sekte der Freimaurer eine über alle Erwartung große Ausbreitung gewann, und indem sie keck und listig in alle Ordnungen des Gemeinwesens sich eindränge, erlangte sie eine solche Macht, dass sie nahezu die Oberherrschaft in den Staaten zu haben scheint. So rasch und so furchtbar hat sich das Verderben entwickelt, das Unsere Vorfahren lange vorausgesehen hatten, und das nun die Kirche, die Gewalt der Fürsten und die öffentliche Wohlfahrt bedroht. Denn soweit ist es gekommen, dass für die Zukunft alles zu befürchten ist, nicht zwar für die Kirche, die auf einem zu festen Grund gebaut ist, als dass sie von Menschenhand könnte erschüttert werden, sondern für jene Staaten, in welchen die Freimaurerei mächtig ist, oder ähnliche Sekten, die im Dienste jener arbeiten und tätig sind.
  
Nun zur Betrachtung des Verfahrens der '''"Freimaurer" - Sekte''' in religiösen Fragen, besonders da, wo dieselbe sich freier bewegen kann. Es ergibt sich, daß sie ganz offenkundig die Anschauungen der '''Naturalisten''' vollständig in die Tat umsetzen will. Ist sie doch unermüdlich und seit langer Zeit bestrebt, das Lehramt der Kirche, sowie deren Autorität im Staate zu untergraben. Deshalb lehren sie und kämpfen sie öffentlich für die Notwendigkeit einer vollständigen Trennung von Kirche und Staat. Hierdurch hält sie den höchst wohltätigen Einfluß der katholischen Religion von der Gesetzgebung und der Verwaltung des Staates fern. Hieraus folgt, daß sie meint, die Gesamtheit der Staatswesen ohne jedwede Bezugnahme auf die Kirche, ihre Institutionen und Lehren ordnen zu können. - Doch es ist ihnen nicht genug, die Kirche, diese beste Führerin, zu verdrängen: sondern sie feinden sie noch dazu an und schädigen sie. Ungestraft greift man in Rede, Schrift und Lehrvorträgen sogar die Fundamente der katholischen Lehre an; weder werden die Rechte der katholischen Kirche anerkannt, noch bleiben die Ämter, die sie von Gott empfangen hat, unversehrt. Ihr Wirkungskreis ist so weit als möglich eingeengt, und zwar durch Gesetze, die dem Schein nach weniger gewalttätig, in der Tat aber recht geeignet sind, ihre Freiheit zu hemmen. Der Klerus leidet unter schweren Ausnahmegesetzen, sodaß er von Tag zu Tag an Anzahl abnimmt und die notwendigsten Mittel zu seinem Unterhalt sich verringern; was vom Kirchengut noch übrig ist, ist - gebunden durch drückendste Maßregeln der Gewalt und Willkür der staatlichen Verwalter ausgeliefert; die religiösen Genossenschaften sind aufgehoben und zerstreut. - Der Heilige Stuhl aber und der Römische Papst wird seit langem auf das heftigste bekämpft. Zuerst hat man ihn unter falschen Vorwänden seiner weltlichen Herrschaft beraubt, die ein Hort seines Rechtes und seiner Freiheit war, bald darauf hat man ihn in eine harte Lage versetzt, durch Schwierigkeiten aller Art in unerträglicher Weise bedrängt - bis man da ankam, wo wir jetzt stehen, und die Sektenhäupter das, was sie vorher lange im Verborgenen geplant hatten, nun offen aussprechen: es müsse die heilige Gewalt der Päpste vernichtet und .das kraft Göttlichen Rechtes eingesetzte Papsttum selbst von Grund aus zerstört werden. Hätten wir auch sonst keine Beweise für diese ihre Absichten, so bezeugen dies genügend jene, welche in '''diese Sekte''' eingeweiht sind, von denen sehr viele früher schon und auch in neuester Zeit dies als den wahren Plan der '''"Maurer"''' erklärten: die katholische Kirche nämlich aufs äußerste zu bekämpfen; und nicht zu ruhen, bis sie alles ausgerottet hätten, was immer die Päpste zum Besten der Religion gegründet haben. - Zwar werden jene, welche in der '''Sekte''' Aufnahme finden, keineswegs mit ausdrücklichen Worten gezwungen, ihren katholischen Glauben abzuschwören: doch dies widerspricht keineswegs den Plänen der '''"Maurer"''', sondern ist ihnen vielmehr dienlich. Denn vorerst täuschen sie leicht auf diesem Wege die Leichtgläubigen und Unvorsichtigen und locken noch viele andere an. Indem sie sodann Bekenner jeder Religion ohne Unterschied aufnehmen, tragen sie tatsächlich viel dazu bei, den Hauptirrtum unserer Zeit zu verbreiten: nämlich daß die Religion dem Belieben des Einzelnen anheimgestellt sei und es keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Religionsformen gebe. Eine solche Anschauung führt aber zum Untergang jedweder Religion, besonders aber der katholischen: da sie unter allen übrigen die allein wahre ist, kann sie ohne höchstes Unrecht nicht den anderen gleichgestellt werden.  
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'''8''' Sobald Wir darum die Regierung der Kirche übernommen haben, war es unsere feste Überzeugung, Wir müssten durch das Gewicht Unserer Autorität diesem Übel soviel als möglich Widerstand leisten. – In der Tat haben Wir bei gegebener Gelegenheit gewisse hervorragende Grundsätze beleuchtet, auf welche die freimaurerischen Meinungen am meisten Einfluss hatten. So haben Wir in Unserem Rundschreiben „Quod Apostolici muneris“ es unternommen, die Ungeheuerlichkeiten der Sozialisten und Kommunisten zu widerlegen; in einem anderen „Arcanum“ suchten Wir den wahren und richtigen Begriff der häuslichen Gesellschaft, welche in der Ehe ihre Quelle und ihren Ursprung hat, festzusetzen und zu verteidigen; in jenem das mit „Diuturnum“ beginnt, haben Wir das Musterbild der politischen Gewalt nach den Grundsätzen der christlichen Weisheit entworfen und dargestellt, wie es mit der Natur selbst, dem Heile von Fürsten und Völkern in wunderbarem Einklange steht. Nun aber haben Wir beschlossen, nach dem Beispiele Unserer Vorfahren die Sekte der Freimaurer selbst geradezu ins Auge zu fassen, ihre gesamte Lehre, Pläne, Denk- und Handlungsweise, und dadurch mehr und mehr ihre verderbliche Macht in klares Licht zu setzen und die Völker vor Ansteckung durch diese verhängnisvolle Pest zu bewahren.
  
Doch die '''Naturalisten''' bleiben hierbei nicht stehen. Da sie in den höchsten Fragen unbesonnen einen falschen Weg eingeschlagen haben, so gelangen sie in raschem Fortgange zum Äußersten: sei es infolge der Schwäche der menschlichen Natur, sei es nach Gottes Gericht, das über ihren Stolz eine gerechte Strafe verhängt. So kommt es denn, daß für jene auch das ungewiß und zweifelhaft wird, was der Mensch in dem natürlichen Licht seiner Vernunft erkennt, wie: das Dasein Gottes; die Unstofflichkeit, Geistigkeit und Unsterblichkeit der Seele. - Auch die '''Sekte der "Freimaurer"''' scheitert auf ihrer Irrfahrt an denselben Klippen. Denn wenn sie auch im allgemeinen das Dasein Gottes annehmen, so legen sie doch selbst dafür Zeugnis ab, daß ihr Geist hierfür keine feste und unerschütterliche Gewißheit hat. Denn sie selbst gestehen, daß gerade diese Frage über das Dasein Gottes bei ihnen ganz besonders Grund und Anlaß zu Uneinigkeiten ist, ja es ist bekannt, daß vor nicht langer Zeit über diese Frage heftig unter ihnen gestritten wurde. In der Tat gestattet die Sekte in diesem Punkte den Brüdern große Freiheit: ob es Gott gebe oder ob es Gott nicht gebe - das mag ein jeder nach eigenem Belieben behaupten. Jene, welche unverhohlen behaupten, es gebe keinen Gott: sie werden ebenso leicht aufgenommen wie die anderen, welche zwar das Dasein Gottes zugeben, aber eine falsche Vorstellung nach der Gepflogenheit der '''Pantheisten''' von Ihm haben. Dies bedeutet nichts anderes, als von Gott einen gewissen widerspruchsvollen Schein noch beizubehalten, in Wahrheit aber Ihn leugnen. Ist dieses stärkste Fundament zerstört und gefallen, so muß folgerichtig auch alles Übrige wanken, was wir schon auf natürlichen Antrieb hin erkennen können: nämlich die Erschaffung aller Dinge durch Gottes freien Willen; daß die Welt durch (Seine) Vorsehung gelenkt wird; die Unsterblichkeit der Seelen; das Ewige Leben, welches einst auf dieses irdische Leben folgen wird.
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==II. Das Wesen der Freimaurerei==
  
Sind nun aber diese (grundlegenden Wahrheiten) verlorengegangen, welche uns von Natur aus als die obersten Grundsätze für die Erkenntnis und für das Leben nach ihr gegeben sind, so wird leicht klar, von welcher Art zukünftig die Sitten des privaten und des öffentlichen Lebens sind. Jene höheren Tugenden, welche ohne Gottes besondere Gnade und Beistand niemand weder erlangen noch üben kann, wollen Wir mit Stillschweigen übergehen: von denselben kann dort wahrhaftig keine Spur sein, wo man die Erlösung des Menschengeschlechtes, die Gnade Gottes (die Übernatur! -Anm. K. H.), die Sakramente und die dereinstige Seligkeit im Jenseits nicht kennt und zurückweist. Wir wollen nur reden von den Pflichten der natürlichen Sittlichkeit: Gott, der Weltschöpfer und deren weiser Lenker und Leiter; das Ewige Gesetz, welches gebietet, die Ordnung der Natur zu wahren, und verbietet, diese durcheinander zu bringen; das Letzte Ziel des Menschen, das viel höher als die menschlichen Dinge und jenseits alles festen Angesiedeltseins im innerweltlichen Bereich liegt - das sind die Quellen und die obersten Grundsätze allen Rechtes und aller Sitte. Werden diese geleugnet, so wie es von seiten der '''Naturalisten''' und '''"Freimaurer"''' geschieht, so gibt es alsbald für die wissenschaftliche Erkenntnis von Recht und Unrecht keinen festen und unangreifbaren Haltepunkt mehr. In der Tat: die einzige sittliche Erziehung, welche die '''Sekte der "Freimaurer"''' noch anerkennt und durch die die Jugend geformt werden soll, ist die sogenannte ''rein weltliche, unabhängige'' und ''freie'', das heißt: in der nichts mehr von Religion enthalten ist. Wie dürftig aber eine solche ist, wie kraftlos, wie schwankend bei jedem Hauch von Begierden - das haben ihre bereits offenkundigen und beklagenswerten Früchte hinlänglich gezeigt. Denn wo immer jene sich ungehindert geltend machen konnte und die christliche Erziehung weichen mußte, da schwanden alsbald die guten und reinen Sitten, ungeheuerliche Ansichten wuchsen auf, Verwegenheit und Missetat nahmen mit großen Schritten zu. Dies beklagt und bedauert man allgemein; und nicht wenige von denen, die es am wenigsten gestehen möchten, bezeugen dies oft: durch die Offenkundigkeit der Tatsachen hierzu genötigt. Da außerdem die menschliche Natur, von der Erbsünde befleckt, eben darum viel mehr zum Laster hinneigt als zur Tugend, so fordert ein sittliches Leben vor allem dieses: daß wir die niederen Triebe bezwingen und die Begierden der Vernunft unterwerfen. In diesem Kampfe heißt es nicht selten, das Irdische zu verschmähen und die größten Anstrengungen und Beschwerden nicht zu scheuen, damit die Vernunft die ihr gebührende Herrschaft bewahre. Da nun aber die '''Naturalisten''' und '''"Maurer"''' keinen Glauben an die Göttliche Offenbarung haben, so leugnen sie auch den Sündenfall der Stammeltern, leugnen sie, daß ''die Willensfreiheit geschwächt und gebeugt sei''. Sie übertreiben vielmehr die Kraft und Vortrefflichkeit der menschlichen Natur, erkennen in ihr allein Grundlage und Maß aller Gerechtigkeit und denken gar nicht daran, daß es zur Bezwingung der niederen Triebe und zur Regelung der Begierden einen steten Kampf kostet und die Standhaftigkeit höchst notwendig ist. Wir sehen daher, wie man überall in der Öffentlichkeit so viele Anreizmittel für die Begierden ausbietet: Zeitschriften und Berichte ohne jedwede Scham noch Scheu; Schauspiele, die sich hervortun durch Zügellosigkeit; eine Kunst, welche einer falschen sogenannten "Wirklichkeitstreue" (lat.: verismus) ihre Motive entnimmt; einen übertriebenen, verweichlichenden Luxus - kurz, alles, was dazu dient, die Leidenschaften zu erregen und die Tugend einzuschläfern und zu entnerven. Dies ist freilich ein Handeln in Schandtaten, aber diese handeln damit folgerichtig, da sie keine Hoffnung auf himmlische Güter mehr haben, ihr ganzes Glück in den mit dem Tod endenden Dingen suchen und gewissermaßen im Irdischen zugrundesinken. - Was Wir gesagt haben, wird bestätigt durch eine Tatsache, die an sich nicht überrascht, sondern nur dadurch, daß man es wagt, sie auszusprechen. Da nämlich schlauen und verschlagenen Menschen niemand sklavischer zu gehorchen pflegt als solche, welche die Herrschaft der Begierden entnervt und gebrochen hat, so haben sich in der '''"Freimaurer" - Sekte''' Leute gefunden, die öffentlich den Vorschlag machten, planmäßig und mit Bedacht dahin zu wirken, daß eine grenzenlose Zügellosigkeit in allen Lastern unter der Menge verbreitet werde: denn dadurch würde dieselbe ihnen ganz zu eigen und willenlos bereit zu jedem künftigen Frevel.
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===Sie ist eine geheime Gesellschaft===
  
Was das häusliche Zusammenleben betrifft, so läßt sich die Lehre der '''Naturalisten''' in folgendem kurz zusammenfassen. Die ''Ehe'' ist nach ihrer Auffassung ein ''Vertrag'' und kann nach dem Willen jener, die ihn geschlossen haben, wieder ''rechtlich gelöst'' werden. Auch in Bezug auf das Eheband sei sie der staatlichen Gewalt unterstellt. Bezüglich der Erziehung gilt als fester und unbestrittener Grundsatz, daß in keinem bestimmten Religionsbekenntnis Unterricht erteilt werden soll; es soll jedermann unbenommen bleiben, in reiferen Jahren nach Gutdünken zu wählen. - Dies ist auch die Meinung der '''"Maurer"''': sie stimmen ihr nicht bloß zu, sondern suchen sie auch zur allgemeinen Sitte und zur Gewohnheit zu machen. In vielen, sogar katholischen Gegenden ist es gesetzlich verordnet, daß eine Ehe ohne standesamtliche Trauung (lat.: ritus civilis) nicht als eine rechtmäßige anerkannt wird. An anderen Orten ist die Ehescheidung erlaubt, und wieder an anderen gibt man sich Mühe, deren Erlaubtheit zu erwirken. So kommt es allmählich dahin, daß das Wesen der Ehe ein gänzlich anderes wird, das heißt: eine wandelbare und flüchtige Verbindung, welche die Leidenschaft. bald schließt und bald wieder trennt.  
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'''9''' Alle jene mannigfaltigen Sekten, wenngleich nach Namen, Gebräuchen, Form und Ursprung verschieden, stehen doch miteinander im Zusammenhange durch eine gewisse Gemeinsamkeit ihres Zweckes und Ähnlichkeit ihrer Grundanschauungen, sind darum sachlich mit jener der Freimaurer eins; diese bilden gleichsam den Mittelpunkt, von wo alle ausgehen, wohin alle zurückkehren. Obschon sie gegenwärtig, wie es den Anschein hat, durchaus nicht mehr die Verborgenheit suchen, ihre Versammlungen vielmehr am hellen Tage und vor aller Augen abhalten, ihre Zeitschriften veröffentlichen, so bewahren sie doch, näher betrachtet, das Wesen und den Charakter geheimer Gesellschaften. Es ist nämlich verschiedenes bei ihnen von Geheimnissen umgeben, welche nicht bloß vor den Fremden, sondern auch vor sehr vielen unter den Mitgliedern selbst nach ihren Gesetzen mit größter Sorgfalt gewahrt werden. Hierher gehören ihre geheimsten und letzten Pläne, die obersten Vorstände der Abteilungen, gewisse verborgene Zusammenkünfte der Abteilungen, gewisse verborgene Zusammenkünfte der am meisten Eingeweihten; dasselbe gilt von ihren Beschlüssen und der Art und Weise, sie zur Ausführung zu bringen. Zu diesem Zwecke gibt es unter den Brüdern eine große Verschiedenheit in den Rechten, Ämtern und Obliegenheiten, bestimmte Abstufung in Graden und eine strenge Disziplin, welche alle unterworfen sind. Die Eintretenden müssen geloben, ja meistens mit einem besondern Eide beschwören, dass sie niemals noch in irgend einer Weise ihre Brüder, Erkennungszeichen, Lehren, verraten wollen. So suchen die Freimaurer unter erlogenem Scheine und in der nämlichen heuchlerischen Weise, wie ehedem die Manichäer, verborgen zu bleiben und niemand anderen zu Zeugen zu haben als die Ihrigen. Unter dem Namen von Freunden der Literatur und der Wissenschaft, die sich zu gelehrten Zwecken vereinigt haben, verstehen sie es trefflich, sich zu verstecken; wenn man sie reden hört, so ist es ihnen zu tun um Förderung höherer Bildung, um Bestrebungen zum Besten des Niederen Volkes; sie haben nichts anderes im Auge, als das Beste des Volkes und die größtmögliche Verbreitung aller staatlichen Wohltaten. Wäre aber auch alles dieses wahr, so ist doch ihre Tätigkeit hierauf allein durchaus nicht beschränkt. Wer immer einmal beigetreten ist, muss außerdem versprechen und dafür einstehen, dass er den Führern und Meistern aufs Wort folgen will in höchsten Gehorsam und in Treue; dass er, bereit auf jeden Wink und jedes Zeichen, das Befohlene ausführen will, dass er im Falle des Ungehorsams auch das Härteste und selbst den Tod dulden will. In der Tat wird die Todesstrafe nicht selten an denen vollzogen, über welche wegen Verrat des Geheimnisses oder Ungehorsam dieselbe ausgesprochen wurde, und zwar so keck und gewandt, dass häufig der Meuchelmörder dem wachsamen Auge der strafenden Gerechtigkeit entrinnt. – Heucheln und im Dunkel verborgen bleiben wollen, andere Sklaven gleich mit den stärksten Banden an sich fesseln, ohne dass diese den Grund hiervon klar erkennen, sie nach fremder Willkür zum Werkzeug jeglichen Frevels gebrauchen, ihnen den Mordstahl in die Hand drücken unter dem Vorwande der Straflosigkeit – das ist eine Ungeheuerlichkeit, die der Natur durchaus widerstreitet. Darum beweisen die gesunde [[Vernunft]] und die Natur der Sache selbst, dass die Gesellschaft, von der wir reden, im Widerspruch steht zur Gerechtigkeit und natürlichen Sittlichkeit.
  
Darin sind aber die '''"Freimaurer"''' alle in höchster Verschworenheit einig: daß sie danach streben, den ''Jugendunterricht'' an sich zu reißen. Dem weichen und formbaren Alter meinen sie leicht die ihnen genehme Richtung geben zu können; und sie halten das für den besten Weg, die Bürger der Zukunft in ihrem Sinne zu gewinnen. Darum wollen sie in Erziehung und Unterricht der Jugend den Dienern der Kirche keine Mitwirkung zum Zweck der Lehre und Aufsicht gestatten, und an vielen Orten haben sie es bereits dahin gebracht, daß der gesamte Jugendunterricht von Laien gegeben wird, und die großen und hochheiligen Pflichten, welche den Menschen mit Gott verbinden, auf die sittliche Bildung keinen Einfluß mehr haben.
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===Ihr Fundament ist der Naturalismus===
  
Auf dem Gebiet der Staatsordnung gilt es den '''Naturalisten''' als Grundsatz: es hätten alle Menschen das gleiche Recht, und sie seien in jeder Beziehung einander vollkommen gleich; nach ihnen ist ein jeder von Natur aus frei; keiner hat ein Recht, dem anderen zu gebieten; einer Autorität gegenüber, die nicht von ihnen ausgegangen ist, Gehorsam zu fordern, sagen sie, das heiße so viel als jemandem Gewalt anzutun. Alles ruht nach ihnen auf dem freien Volke; die Regierung habe ihre Gewalt im Auftrag oder in Übereinstimmung mit dem Volk, sodaß dieses - wenn es seine Meinung ändert - es die Fürsten auch gegen deren Willen von ihrem Platz herabstürzen kann. Die Quelle aller Rechte und Pflichten der Bürger sei entweder die Volksmenge oder eine Regierung, die nach den neuesten (Staats-) Lehren geformt ist. Außerdem fordern sie einen '''Staat ohne Gott'''; es sei keine der verschiedenen Religionsformen berechtigt, daß man sie der anderen vorziehe - es hätten vielmehr alle gleiche Bedeutung.
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====Sie will das Christentum stürzen====
  
Daß sich aber die '''"Maurer"''' solche Grundsätze aneignen und danach die Verfassung der Staaten gestalten wollen, ist so offenkundig, daß es keines Beweises bedarf. Denn schon längst setzen sie bekanntermaßen alles daran und bieten alle Mittel hierfür auf: eben dadurch bahnen sie aber auch jenen zahlreichen verwegenen Menschen den Weg, noch weiter zum Schlechteren hin fortzuschreiten und in Aufhebung allen Unterschiedes zwischen den Ständen und an Vermögen im Staat die Gleichheit und die Gemeinschaft aller Güter zu verkünden.  
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'''10''' Eben dieses erhellt noch klarer aus folgenden Gründen. Mögen auch List und Verlogenheit in der Welt noch so groß sein, so muss doch notwendig in den Wirkungen die Natur der Ursache sich offenbaren, aus der jene hervorgegangen sind. Ein guter Baum kann keine bösen Früchte bringen, noch ein böser Baum gute Früchte.<ref> {{B|Mt|7|18}}</ref> Es bringt aber die Freimaurersekte verderbliche und sehr bittere Früchte. Denn aus den unbestreitbaren Kennzeichen, von denen oben die Rede war, ergibt sich sichtlich, was das letzte Ziel ist bei allen ihren Plänen: die gesamte religiöse und staatliche Ordnung, nämlich wie sie das Christentum begründet hat, von Grund aus zu stürzen und nach ihrem Gutdünken eine neue zu schaffen auf Grund der Anschauungen und Gesetze des Naturalismus.
  
So geht denn aus dem, was Wir in dessen Grundzügen dargelegt haben, zur Genüge hervor, was die '''"Freimaurer" - Sekte''' ist und welches ihre Bestrebungen sind. So stark und so offenkundig stehen ihre wichtigsten Lehrsätze mit der Vernunft in Widerspruch, daß es nichts gibt, was verkehrter (lat.: perversius) sein könnte. Denn die Religion und die Kirche, welche Gott gegründet hat und auf immer schirmt, zerstören zu wollen, und das Heidentum mit dessen Sitten und Gebräuchen nach achtzehnhundert Jahren wieder zurückrufen zu wollen: das ist doch ein Beweis von ganz außerordentlicher Torheit und gottlosem Frevel. Aber auch das ist ebenso furchtbar und unerträglich, daß man die Wohltaten von sich weist, die Jesus Christus nicht bloß den Einzelnen, sondern auch sowohl der Familie wie der staatlichen Gesellschaft durch Seine Gnade erwiesen hat, und deren Größe selbst von den Feinden bezeugt und anerkannt wird. In solchen wahnwitzigen und finsteren Bestrebungen scheint sich irgendwie des Satans unaustilgbarer Haß und seine brennende Rachegier gegen Jesus Christus zu offenbaren. - Und wenn die '''"Maurer"''' eifrigst danach trachten, die Fundamente zu zerstören, auf denen jegliche Gerechtigkeit und Sittlichkeit ruht, und sich auf die Seite jener stellen, die jede tierische Lust für erlaubt erklären möchten: so ist dies nichts anderes, als dem Menschengeschlechte den Untergang in Schmach und Schande zu bereiten.  
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'''11''' Was Wir hier sagen und noch sagen werden, ist von der Freimaurersekte im allgemeinen zu verstehen und den ihr verwandten und verbündeten Gesellschaften, nicht aber von den einzelnen Mitgliedern. Deren möge nicht wenige sein, die allerdings nicht ohne Schuld sich mit diesen Gesellschaften eingelassen haben, aber doch weder persönlich an solchen Freveltaten sich beteiligt, noch auch die letzten Ziele derselben kennen. Ebenso billigen vielleicht einige von diesen Gesellschaften durchaus nicht jene äußersten Folgerungen, welche sie, weil in notwendiger Konsequenz aus jenen allgemeinen Grundsätzen sich ergebend, annehmen müssten, wenn nicht die Abscheulichkeit des Verbrechens durch seine Hässlichkeit sie abstoßen würde. Auch finden es manche von ihnen im Hinblick auf die Orts- und Zeitverhältnisse rätlicher, nicht bis zum Äußersten zu gehen, wenngleich sie es wünschten und andere so zu handeln gewöhnt sind; darum  gehören sie aber doch dem Freimaurerverbunde an; denn nicht nach den Taten, die er vollbracht, sondern nach seinen wesentlichen Grundsätzen muss er beurteilt werden.  
  
Noch mehr Gefahren bringen ihre Pläne gegen die häusliche und die bürgerliche Gesellschaft. Wie Wir nämlich schon früher auseinandergesetzt haben, hat die Ehe nach dem übereinstimmenden Zeugnisse aller Völker und Zeiten eine heilige und religiöse Weihe, und das Göttliche Gesetz verbietet es, den Ehebund zu zerreißen. Wenn aber die Ehe ihren heiligen Charakter verliert, wenn Ehescheidung erlaubt ist: dann tritt notwendig eine Störung und eine Verwirrung in der Familie ein; dann verliert die Frau ihre Würde, und den Kindern sind weder ihre Interessen noch die Zukunft mehr gesichert.
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====Ihr oberster Grundsatz: Die menschliche Natur ist oberste Richtschnur des Lebens====
  
Die Religion aber aus dem öffentlichen Leben gänzlich zu verbannen und in der bürgerlichen Gesetzgebung und Regierung ganz von Gott abzusehen, gleichsam als gebe es keinen Gott: das ist ein selbst bei den Heiden unerhörter Frevel; denn diese hatten eine so tiefe und feste Überzeugung nicht bloß von den Göttern, sondern auch von der Notwendigkeit einer öffentlich ausgeübten Gottesverehrung (lat.: religio), daß sie sich eher eine Stadt ohne Fundamente als ohne Gott vorstellen konnten. In der Tat: die menschliche Gesellschaft, für welche wir von Natur aus bestimmt sind, ist ausgegangen von Gott, dem Urheber der Natur; Er ist Quelle und Grund all der zahllosen Güter, die wir immerdar durch diese empfangen. Wie darum dem Drang der Natur gemäß jeder Einzelne daran erinnert wird, Gott eine religiöse Verehrung zu erweisen, von dem er das Leben und alles Gute, was er zugleich mit diesem empfing, erhalten hat: so verhält es sich in gleicher Weise die Völker und Staaten betreffend. Wer darum die bürgerliche Gesellschaft von jeder religiösen Pflicht entbindet, der handelt nicht bloß ungerecht, sondern auch unwissend und widersinnig. Da nun aber der Mensch nach Gottes Willen von Natur aus für das Zusammenleben in der bürgerlichen Gesellschaft bestimmt ist, die Regierungsgewalt jedoch das Band bildet, ohne welches diese augenblicklich auseinanderfällt: so geht die obrigkeitliche Gewalt mit Notwendigkeit auch von Dem aus, der selbst die Gesellschaft geschaffen hat. Somit ist der Träger dieser Gewalt, wer immer er auch sein mag, ''Gottes Diener''. So liegt es im Zweck und im Wesen der staatlichen Gewalt, daß wir der ''rechtmäßigen Obrigkeit, wenn sie Gerechtes befiehlt'', den Gehorsam gerade so wie Gott gegenüber leisten, Dessen Vorsehung alles leitet; und es ist durchaus irrig, daß es dem Volke freistehe, den Gehorsam nach Belieben zu verweigern. - Was die Behauptung einer allgemeinen Gleichheit unter den Menschen angeht, so zweifelt hieran niemand: wenn wir unsere gemeinsame (Menschen-)Art und unsere gemeinsame Natur; das Letzte Ziel, nach dem alle zu streben haben; sowie die Rechte und Pflichten betrachten, die daraus erfließen. Da aber die natürlichen Fähigkeiten aller nicht gleich sein können, einer vom anderen sich unterscheidet an Geistes- oder Leibeskraft, und die Sitten, Bestrebungen und Naturanlagen gar verschieden sind: so widerstreitet nichts so sehr der Vernunft, als alle ohne Unterschied in einem abstrakten Begriff zusammenzufassen, und gemäß dieser unbedingten Gleichheitstheorie ein Staatswesen begründen zu wollen. Wie der vollkommene Leib aus der organischen Verbindung der verschiedenen Glieder besteht, welche nach Gestalt und Tätigkeit voneinander abweichen, im ganzen aber, jedes Glied an seiner Stelle, sie die menschliche Gestalt bilden: schön in ihrer Erscheinung, stark an Kraft., notwendig und nützlich - so stellen im Gemeinwesen die einzelnen Teile eine fast unendliche Verschiedenheit untereinander dar. Würden sich diese alle "gleich" dünken und ein jeder seiner Willkür folgen - dann würde sich daraus ein Staat ergeben, wie er mißgestalteter nicht gedacht werden könnte. Wenn aber die verschiedenen Ämter, Berufsklassen und Bestrebungen harmonisch zum allgemeinen Besten zusammenwirken, dann tritt das Bild eines gesunden und der Natur entsprechenden Staatswesens vor uns hin.  
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'''12''' Oberster Grundsatz der Naturalisten, wie dies schon ihr Name besagt, ist der, es müsse die menschliche Natur und die menschliche Vernunft in allem oberste Richtschnur und Lehrerin sein. Hieraus ergibt sich, dass sie um die Pflichten gegen Gott sich nicht sehr kümmern oder sie entstellen durch irrige und wechselnde Meinungen. Sie leugnen nämlich jede göttliche Offenbarung und verwerfen jedwedes religiöses Dogma; nach ihnen gibt es keine Wahrheit, die des Menschen Vernunft überschreitet, keinen Lehrer, der kraft seines Amtes das Recht hätte, Glauben von uns zu fordern. Da es nun aber das besondere Recht der katholischen Kirche ist, da ihr allein zukommt, die von Gott empfangenen Lehren und ihre lehramtliche Autorität samt allen übrigen zum Heile notwendigen Gnadenmittel vollständig zu bewahren und unversehrt zu erhalten, darum gilt ihr ganz besonders der grimmige Kampf der Feinde.  
  
Es lassen Uns übrigens diese soeben erwähnten revolutionären Irrlehren das Schlimmste für den Staat befürchten. Wo die Furcht vor Gott und die Ehrfurcht vor seinem heiligen Gesetze verschwunden ist, die Autorität der Fürsten verachtet, der Aufruhr erlaubt und gutgeheißen, den Begierden der Menge volle Zügellosigkeit gestattet wird und nur die Furcht vor der Strafe noch zurückhält: da muß zwangsläufig ein allgemeiner Umsturz erfolgen. Das ist es aber auch, was sehr viele von den '''Sozialisten''' und '''Kommunisten''' wollen und offen bekennen. Und es kann die '''"Freimaurer" - Sekte''' nicht leugnen, daß sie mit diesen gemeinsame Sache macht: denn sie ist deren Plänen nur allzusehr günstig, und sie unterscheidet sich in ihren wichtigsten Grundsätzen nicht von ihnen. Wenn sie auch nicht sofort und überall das Äußerste wagt, so ist die Ursache hiervon weder ihre Lehre noch ihr guter Wille, sondern die Kraft der göttlichen, unauslöschbaren Religion, sowie der bessere Teil der Bevölkerung, welcher sich nicht in den Dienst der geheimen Gesellschaften gestellt hat, sondern vielmehr starkmütig ihre Bestrebungen bekämpft.
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====Die Kirche wird von ihr geknebelt====
 
Möchten doch alle den Baum an dessen Früchten erkennen und darauf achthaben, wo der Ursprung und Ausgang der Übel ist, unter denen wir leiden, und der Gefahren, die uns bedrohen! Wir haben es mit einem listigen und verschlagenen Feind zu tun, der Fürsten und Völkern schmeichelt und beide durch süße und einnehmende Reden einfängt. - Unter dem Schein von Freundschaft schmeicheln sich die '''"Freimaurer"''' ein bei den Fürsten und Staatsoberen, um in ihnen mächtige Genossen und Gehilfen in ihrem Kampf gegen die katholische Kirche zu gewinnen; um dieselben noch mehr aufzustacheln, klagen sie die Kirche immerfort verleumderisch an, als wolle dieselbe die Kronrechte der Fürsten antasten. Durch derlei Künste sicher und keck geworden, haben sie auf die Regierungen der Staaten einen großen Einfluß gewonnen. Hierbei lassen sie es sich jedoch nicht nehmen, die Fundamente der Staaten zu erschüttern und die Fürsten zu befehden, sie anzuklagen, sie aus dem Lande zu jagen, sooft diese in ihrer Regierung sich nicht nach ihren Weisungen richten. - In ähnlicher Weise haben sie mit dem Volk ihr Spiel getrieben. Ihr Mund ist voll von Freiheit und Volksbeglückung; der Kirche und der Fürsten Schuld sei es gewesen, sagen sie, daß das Volk noch nicht die ihm gebührende Freiheit und den allgemeinen Wohlstand erlangt habe. So täuschen sie das Volk, machen in ihm das Verlangen nach Neuerungen rege, und stacheln es auf zum Kampf gegen die geistliche und weltliche Obrigkeit. Doch alle diese gehofften Vorteile werden nur versprochen und nicht in Wirklichkeit ihm zuteil. Das Volk leidet vielmehr unter einem viel härteren Druck und hat dabei zum großen Teil nicht jenen Trost im Elend, welcher ihm in der christlichen Gesellschaftsordnung so leicht und so reichlich zu Gebote steht. Dies ist eben die Strafe des Stolzes, der sich gegen die von Gottes Vorsehung gewollte Ordnung auflehnt: daß er nur Elend und Ruin gerade dort findet, wo er unbedachtsam alles nur erwünschte Glück erhofft hatte.
 
  
Wenn aber die Kirche gebietet, man müsse vor allem und in ganz besonderer Weise Gott gehorchen, der da über alles herrscht, so würde man ihr sehr mit Unrecht deshalb den Vorwurfmachen, als mißgönne sie den Fürsten deren Gewalt, oder als wolle sie sich dieselbe in irgendeiner Weise anmaßen. Gerade im Gegenteil gebietet sie, daß nämlich die Untertanen den schuldigen Gehorsam der bürgerlichen Gewalt gegenüber aus vollem und wohlbewußtem Pflichtgefühl leisten. Dadurch aber, daß sie den Ursprung der Gewalt in Gott erkennt, empfängt diese eine höhere Würde, und es trägt dies nicht wenig dazu bei, ihr bei den Bürgern Ehrfurcht und Liebe zu gewinnen. Sie ist es, die den Frieden liebt, die Eintracht nährt, und die alle in mütterlicher Liebe umfaßt. Nur auf Hilfe für die Menschen, die ja sterblich sind, bedacht, lehrt sie die Gerechtigkeit mit Milde, die Gewalt mit Billigkeit, die Gesetze mit Mäßigung zu verbinden; niemanden in seinem Recht zu verletzen; die staatliche Ordnung und den öffentlichen Frieden zu fördern; der Armut und Not so viel als möglich durch öffentliche und private Wohltätigkeit zu steuern. ''Aber darum'', um mit den Worten des heiligen Augustinus zu sprechen, ''glauben solche oder wollen glauben machen, die christliche Lehre bringe dem Gemeinwesen keinen Nutzen, weil sie den Staat nicht auf den festen Grund der Tugenden, sondern auf die Straflosigkeit der Laster zu stellen versuchen''. Nach alledem würde die wahre Staatsklugheit sowie die allgemeine Wohlfahrt es viel eher fordern, daß Fürsten und Völker mit der Kirche zusammengingen, um die Angriffe der '''"Maurer"''' zu bekämpfen, statt mit diesen zum Sturze der Kirche gemeinsame Sache zu machen.  
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'''13''' Betrachten wir nun das Verfahren der Freimaurersekte in religiösen Fragen, besonders da, wo sie sich freier bewegen kann, so ergibt sich, dass sie die Anschauungen der Naturalisten geradezu verwirklichen zu wollen scheint. Ist sie doch unermüdet uns seit langer Zeit bestrebt, das Lehramt der Kirche und ihre Autorität im Staate zu untergraben, weswegen man öffentlich nicht Angelegentlicheres zu verkünden hat, als die Notwendigkeit einer vollständigen Trennung von Kirche und Staat. Hierdurch  hält sie den höchst wohltätigen Einfluss der katholischen Religion von der Gesetzgebung und Verwaltung des Staates ferne und glaubt demgemäss das gesamte Staatswesen ohne jedwede Bezugsnahme auf die Kirche, ihre Institutionen und Lehren, ordnen zu können.  
  
Wie es auch nur immer kommen mag: Unsere Pflicht ist es, Ehrwürdige Brüder, gegen dieses so schwere und bereits weitverbreitete Übel auf Heilmittel zu sinnen. - In der christlichen Tugend besitzen wir die beste und stärkste Hoffnung auf Rettung; diese wird darum von den '''"Maurern"''' umso mehr gehaßt, als sie von ihnen gefürchtet wird. Und darum erachten Wir es als Unsere erste Aufgabe, diese überaus heilsame christliche Tugendlehre als Anwalt gegen den gemeinsamen Feind heranzuziehen. Was immer darum die Römischen Päpste, Unsere Vorgänger, verordnet haben gegen die Pläne und Anschläge der '''"Freimaurer" - Sekte''', was immer sie an Bestimmungen getroffen haben, um vor dem Eintritt in dieselbe abzuschrecken oder um zum Austritt aus derselben zu bewegen: alles das bestätigen Wir und bekräftigen Wir durch Unsere Apostolische Autorität. Wir vertrauen hierbei auf den guten Willen der Christgläubigen, und Wir bitten und beschwören einen jeden von ihnen bei dem Heil seiner Seele, daß er gewissenhaft bewahre und auch nicht im geringsten abweiche von dem, was der Apostolische Stuhl in dieser Beziehung festgesetzt hat.  
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'''14''' Doch es ist ihnen nicht genug, die Kirche, diese beste Führerin, zu verdrängen, sondern sie feinden noch dazu an und schädigen sie. Ungestraft greift man in Rede, Schrift und Lehrvorträgen selbst die Fundamente der katholischen Lehre an; weder die Rechte der katholischen Kirche werden anerkannt, noch die Ämter, die sie von Gott empfangen, und zwar durch Gesetze, die dem Scheine nach weniger gewalttätig, in der Tat aber recht geeignet sind, ihre Freiheit zu hemmen. Der Klerus leidet unter schweren Ausnahmegesetzen, so dass von Tag zu Tag er an Anzahl abnimmt und seine notwendigsten Subsistenzmittel sich verringern; was von dem Kirchengute noch übrig ist, ist durch drückende Maßregeln gebunden der Gewalt und Willkür der staatlichen Verwalter ausgeliefert; die religiösen Genossenschaften sind aufgehoben und zerstreut.  
  
Euch aber, Ehrwürdige Brüder, bitten Wir dringend, Eure eifrigen Bestrebungen mit Unseren zu vereinigen, um diese unreine Seuche auszurotten, welche alle Adern der Gesellschaft durchdringt. Gottes Ehre gilt es, und der Nächsten Seelenheil! Wer dies bedenkt, dem wird es nicht an Mut, nicht an Unerschrockenheit im Kampf fehlen. Eure Klugheit wird Euch die Mittel und Wege beurteilen lassen, durch die und auf denen ihr das Entgegenstehende und Widerstrebende zu bekämpfen habt! Und da es der Würde Unseres Amtes entspricht, daß Wir Unsererseits Euch empfehlen, wie in dieser Angelegenheit sachgemäß vorgegangen werden soll: so gehet von der Überzeugung aus, daß vor allem den '''"Maurern"''' die Larve heruntergenommen und dieselben in ihrer wahren Gestalt gezeigt werden müssen. Die Völker müssen belehrt werden durch mündlichen Unterricht und in Hirtenbriefen über die Kunstgriffe derartiger Gesellschaften, mit denen sie die Leute täuschen und an sich locken; es muß das Verderbliche in ihren Lehren und das Schändliche in ihrem Treiben aufgedeckt werden. Niemand darf, wie es Unsere Vorgänger oftmals bestimmt haben, aus welchem Grunde es immer sei, in die '''Sekte der "Maurer"''' eintreten, wenn ihm sein katholisches Bekenntnis und sein (ewiges) Heil so am Herzen liegt, wie es die Pflicht fordert. Möge niemand sich von einer zur Schau getragenen Ehrbarkeit täuschen lassen, auch wenn es ihm scheinen möchte, als ob '''diese Sekte''' nichts verlange, was der Religion und der christlichen Sitte widerstreitet. '''Diese Sekte''' ist eben ihrem ganzen Wesen und ihrer innersten Natur nach Laster und Schande: darum ist es rechtens nicht erlaubt, ihr beizutreten und ihr in irgendeiner Weise Beihilfe zu leisten.
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====Der römische Papst wird auf das heftigste angegriffen====
  
Sodann muß durch fortgesetzten Unterricht und Mahnung das christliche Volk mehr und mehr dazu gebracht werden, daß es die Vorschriften der Religion sorgfältig immer besser lernt. Zu diesem Zweck können Wir nur raten, in Schriften und zweckentsprechenden Predigten die wesentlichen Lehren unserer überaus heiligen Religion darzulegen, in welchen die christliche Weisheitslehre (lat.: philosophia) enthalten ist. Dies hat den Vorteil, daß bei der gegenwärtigen Zügellosigkeit im Schreiben und der unersättlichen Lernbegierde der Geist der Menschen durch echte Bildung geheilt und gegen die mannigfach gestalteten Irrtümer und gegen die verschiedenen Anreize zum Laster innerlich gefestigt wird. - Ein großes Werk, in der Tat! Doch wird Euer Klerus, wenn er durch Eure Bemühungen eine tüchtige aszetische und wissenschaftliche Bildung empfangen hat, Euch hierbei hilfreich und mit vereinten Kräften zur Seite stehen. Doch eine so große Sache fordert auch die emsige Mitwirkung von Laien, in denen mit der Liebe zur Religion und zum Vaterland sich sittlicher Charakter und Wissenschaft verbinden. Indem so aus beiden Ständen die besten Kräfte zusammenwirken, Ehrwürdige Brüder, möget Ihr dahin streben, daß die Kirche in ihrem wahren Wesen von den Menschen immer besser erkannt und hochgehalten wird: denn je mehr sie dieselbe erkennen und lieben, desto mehr werden sie die geheimen Gesellschaften verabscheuen und fliehen.  
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'''15''' Der Heilige Stuhl aber und der Römische Papst wird seit langem aufs heftigste bekämpft. Zuerst hat man ihn unter falschen Vorwänden seiner weltlichen Herrschaft beraubt, die ein Hort seines Rechtes uns seiner Freiheit war; bald hierauf hat man ihn in eine harte Lage versetzt, durch Schwierigkeiten aller Art in unerträglicher Weise bedrängt, bis man da ankam, wo wir jetzt stehen, und die Sektenhäupter, was sie vordem lange im Verborgenen geplant hatten, nun offen aussprechen, es müsste die heilige Gewalt der Päpste vernichtet und das kraft des göttlichen Rechtes eingesetzte Papsttum selbst von Grund aus zerstört werden. Hätten wir auch sonst keine Beweise für diese Absichten, so bezeugen dies jene, welche in die Sekte eingeweiht sind, von denen sehr viele früher schon und auch in neuester Zeit dies als den wahren Plan der Maurer erklärten, die katholische Kirche auf äußerste zu bekämpfen, und nicht zu ruhen, bis sie alles ausgerottet hätten, was immer die Päpste zum Besten der Religion gegründet haben.  
  
Aus diesem Grunde ergreifen Wir hier die Gelegenheit, um neuerdings darauf hinzuweisen, wie notwendig es ist, den ''Dritten Orden des Heiligen Franziskus'', dessen Regel Wir erst jüngst mit kluger Milde gemildert haben, eifrigst zu verbreiten und zu beschützen. Geht ja doch nach dem Willen von dessen Stifter seine Bedeutung ganz darin auf, daß er die Menschen aufrufen will zur Nachfolge Jesu Christi, zur Liebe zu Seiner Heiligen Kirche, zur treuen Erfüllung aller Christenpflichten. Darum ist er eine starke Macht gegenüber der Pest ganz und gar verwerflicher Gesellschaften. Möge diese heilige Genossenschaft von Tag zu Tag neue Mitglieder gewinnen: sie wird viele Früchte bringen, und als das Beste dieses, daß in ihr die Seelen zur Freiheit, Brüderlichkeit, Gleichheit des Rechtes sich erheben: wobei diese (drei) freilich nicht so beschaffen sind, wie die '''"Freimaurer"''' absurderweise es sich erdenken, sondern so wie sie Jesus Christus dem Menschengeschlecht gebracht und der Heilige Franziskus in seinem Leben dargestellt hat - der '''Freiheit''' nämlich '''der Kinder Gottes''': daß wir weder dem Satan dienen, noch in die harte Knechtschaft der Begierden fallen; der '''Brüderlichkeit''', die von '''Gott, dem gemeinsamen Vater''' und Schöpfer ausgeht; der '''Gleichheit''', die auf dem festen Grund der '''Gerechtigkeit und Liebe''' ruhend, die Unterschiede in der Gesellschaft nicht aufhebt, sondern bei aller Verschiedenheit der Lebensweise, der Stände und Berufsarten jene herrliche Übereinstimmung und Harmonie bildet, welche ihrer Natur nach dem Gemeinwesen Wohl und Würde bringt.
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====Die Religion wird in das Belieben des einzelnen gestellt====
  
An dritter Stelle weisen Wir auf eine zweckmäßige Einrichtung der Vorzeit hin, die im Laufe der Jahre zwar verfiel; aber als Muster für ähnliche Unternehmungen in der Gegenwart dienen kann. Wir meinen die Zünfte und Gilden der Handwerker: gegründet unter religiöser Leitung zum Schutz der Habe wie der Sitten. Deren Nutzen hatten unsere Vorfahren aus langer Erfahrung wohl erprobt; unsere Zeit wird ihn noch mehr erkennen, weil dieselben ganz besonders dazu geeignet sind, den Versuchungen der '''geheimen Sekten''' zu begegnen. Denn die Handarbeiter, die nur kümmerlich mit ihrem Lohn ihr Leben fristen, verdienen eben darum schon unsere Liebe und tröstliche Teilnahme; deswegen sind sie aber auch am meisten der Arglist und Verführung der überall verbreiteten '''geheimen Gesellschaften''' preisgegeben. Mit der größten Liebe müssen wir ihnen daher entgegenkommen und sie in ehrbaren Vereinigungen sammeln, damit sie nicht in verderbliche geraten. Darum ist es Unser dringender Wunsch: es möchten unter der Obhut und Leitung der Bischöfe diese Gilden in zeitgemäßer Weise zum Besten des Volkes wieder hergestellt werden. Und es gereicht Uns zu nicht geringer Befriedigung, daß sich an mehreren Orten schon solche Verbrüderungen gebildet haben und Vereine schützender Helfer entstanden sind, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den ehrbaren ärmeren Volksklassen beizuspringen; deren Familien und Kinder zu schirmen und zu schützen; und den religiösen Unterricht, den Eifer für die Frömmigkeit und die Tadellosigkeit der Sitten unter ihnen zu fördern.  
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'''16''' Zwar werden jene, welche in der Sekte Aufnahme finden, keineswegs mit ausdrücklichen Worten gezwungen, ihrem katholischen Glauben abzuschwören; doch dies widerspricht keineswegs den Plänen der Mauerer, sondern ist vielmehr ihnen dienlich. Denn vorerst täuschen sie leicht durch solches Verfahren die Unbefangenen und Unbehutsamen und locken noch mehrere andern an. Indem sie sodann Bekenner jeder Religion ohne Unterschied aufnehmen, tragen sie tatsächlich viel dazu bei, den Hauptirrtum unserer Zeit zu verbreiten, die Religion sei den Belieben des Einzelnen anheimgestellt, und es gebe keinen Unterschied unter den verschiedenen Religionsformen. Eine solche Anschauung führt geradezu zum Untergange jedweder Religion, besonders aber der katholischen, welche, da sie unter allen übrigen die allein wahre ist, ohne höchstes Anrecht nicht den andren gleichgestellt werden kann.
  
In dieser Beziehung können Wir jenen so musterhaft dastehenden, um das ärmere Volk hochverdienten ''Verein vom Heiligen [[Vinzenz von Paul]]'' nicht mit Stillschweigen übergehen. Bekannt ist, was dieser wirkt und was er will: seine ganze Aufgabe besteht darin, die Dürftigen und Bedrängten aus eigenem Antrieb aufzusuchen, und zwar mit wunderbarer Einfühlung und Bescheidenheit. Je weniger er in die Öffentlichkeit treten will, desto wirksamer ist er in der Übung christlicher Liebe und desto zweckmäßiger zur Linderung der Not.
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====Selbst natürliche Wahrheiten werden von ihr preisgegeben====
 
Als Viertes empfehlen Wir, um desto eher zu dem erwünschten Ziel zu gelangen, in ganz besonderer Weise die heranwachsende Jugend Eurer treuen Obhut: denn sie ist die Hoffnung der menschlichen Gesellschaft. Vor allem richtet Euer Augenmerk auf deren Unterricht und seid überzeugt, daß Ihr nie genug Sorge tragen könnt, damit sie vor Schulen und Lehrern bewahrt bleiben, die vom Pesthauch der '''Sekten''' angesteckt sind. Die Eltern, Lehrer und Seelsorger sollen beim Religionsunterricht nach Eurer Anweisung eifrigst bei gegebener Gelegenheit ihre Kinder und Schüler über das schimpfliche Wesen dieser '''Sekten''' aufklären, damit sie rechtzeitig lernen, sich vor den mannigfachen Listen und Schlichen zu hüten, mittels derer jene, welche auf ihre Ausbreitung bedacht sind, die Menschen in ihre Netze zu ziehen pflegen. Ja, es werden vielmehr jene, welche die Kinder zum Empfang der Heiligen Sakramente vorbereiten, nicht unklug handeln, wenn sie ein jedes von ihnen dazu bewegen, daß es den festen Vorsatz faßt, ohne Vorwissen seiner Eltern und ohne den Rat seines Seelsorgers oder Beichtvaters niemals in irgendeine Gesellschaft einzutreten.
 
  
Doch Wir wissen nur zu gut, daß auch unsere gemeinsamen Bemühungen unzureichend sind, um den Giftsamen auf dem Acker des Herrn zu vertilgen, wenn nicht der Himmlische Herr des Weinberges unserem Unternehmen mit Seiner Gnade beisteht. Darum müssen wir umso eifriger und inständiger um Seine Hilfe und um Seinen Beistand flehen, je drohender die Gefahr und je größer die Not ist. Durch ihren Erfolg übermütig geworden, erhebt die '''Sekte der "Freimaurer"''' keck ihr Haupt und scheint in ihren frechen Forderungen kein Maß mehr zu kennen. Alle durch den gottlosen Bund und gemeinsame Geheimpläne verschworenen Brüder der '''Sekte''' leisten sich gegenseitigen Beistand und reizen einander auf zu verwegenen Freveltaten. Ein so heftiger Angriff erfordert eine gleich starke Verteidigung: alle Guten müssen in eine weitreichendste Gemeinschaft des Handelns und des Gebetes zusammentreten. Die Seelen durch Einmütigkeit miteinander verbunden, das fordern Wir von ihnen, sollen sie sich zusammenscharen und dem eindringenden Feinde gegenüber unerschüttert feststehen; sie sollen viel zu Gott seufzen und flehend die Hände zu IHM erheben, um von IHM zu erlangen, daß die christliche Religion blühe und gedeihe, die Kirche ihre notwendige Freiheit erhalte, die Abtrünnigen wieder zur rechten Lehre zurückkehren; daß der Irrtum der Wahrheit, das Laster der Tugend das Feld räume.  
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'''17''' Doch die Naturalisten bleiben hierbei nicht stehen. Da sie in den höchsten Fragen unbesonnen einen falschen Weg eingeschlagen haben, so gelangen sie in raschem Fortgange zum Äußersten, sei es in Folge der Schwäche der menschlichen Natur, sei es nach Gottes Gericht, das über ihren Stolz gerechte Strafe verhängt. So kommt es denn, dass auch das für sie ungewiss und zweifelhaft wird, was der Mensch in dem natürlichen Licht seiner Vernunft erkennt, wie das Dasein Gottes, die Immaterialität, Geistigkeit und Unsterblichkeit der Seele. – Auch die Sekte der Freimaurer scheitert auf ihrer Irrfahrt an demselben Klippen. Denn wenn sie auch im allgemeinen das Dasein Gottes annehmen, so legen sie doch selbst dafür Zeugnis ab, dass ihr Geist hierfür keine feste und unerschütterliche Gewissheit hat. Denn sie selbst gestehen, dass gerade diese Frage über das Dasein Gottes bei ihnen ganz besonders Grund und Anlass zu Uneinigkeiten ist; ja es ist bekannt, dass vor nicht langer Zeit über diese Frage heftig unter ihnen gestritten wurde. In der Tat gestattet die Sekte in diesem Punkte den Brüdern große Freiheit: dass es einen Gott gebe oder nicht, mag ein jeder nach Belieben behaupten. Jene, welche unverhohlen behaupten, es gebe keinen Gott, werden ebenso leicht aufgenommen, als die anderen, welche zwar das Dasein Gottes zugeben, aber eine falsche Vorstellung von ihm haben, wie die Pantheisten ihn sich denken. Es heißt dies, von Gott einen gewissen widerspruchsvollen Schein noch beizubehalten, in Wahrheit aber ihn leugnen.  
  
Nehmen wir unsere Zuflucht zur [[Jungfrau Maria|Jungfrau und Gottesmutter MARIA]], daß SIE uns helfe und Fürsprache für uns einlege: damit SIE, die durch ihre Unbefleckte Empfängnis den Satan besiegt hat, sich als machtvoll erweisen möge gegen die verwerflichen Sekten, in welchen - wie wir sehen - jene bösen Geister, die sich gegen Gott empört haben, in ihrer ganzen wilden Treulosigkeit und Heuchelei wieder aufleben. Bitten wir inständig den Heiligen [[Erzengel Michael|MICHAEL]], den Fürsten der Engel im Himmel, der den höllischen Feind gestürzt hat; ebenso den Heiligen [[Josef von Nazareth|JOSEPH]], den Bräutigam der [[Jungfrau Maria|Allerseligsten Jungfrau]] und heilbringenden Himmlischen Schutzherrn der katholischen Kirche, die großen Apostel [[Petrus|PETRUS]] und [[Paulus|PAULUS]], die Begründer und unbesiegbaren Beschirmer des christlichen Glaubens. Auf einen solchen Schutz hin und in der Beharrlichkeit im künftigen gemeinschaftlichen Gebet haben Wir das Vertrauen, daß GOTT unserem so sehr bedrohten Menschengeschlecht zur rechten Zeit in Seiner Bannherzigkeit Hilfe bringen wird.  
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'''18''' Ist dieses stärkste Fundament zerstört und gefallen, so muss folgerichtig auch alles Übrige wanken, was wir schon von Natur aus belehrt erkennen, nämlich die [[Erschaffung]] aller Dinge durch Gottes freien Willen, die allwaltende Weltregierung, die Unsterblichkeit der Seelen, das ewige Leben, welches dermaleinst auf diese irdische Dasein folgen wird.  
  
Als Unterpfand himmlischer Gnaden und zum Zeugnis Unseres Wohlwollens erteilen Wir Euch, Ehrwürdige Brüder, dem Klerus und dem gesamten Eurer Obsorge anvertrauten Volk von ganzem Herzen den Apostolischen Segen im Herrn.
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====Die natürliche Sittlichkeit gerät ins Schwanken; religionslose Erziehung====
  
Gegeben zu Rom beim Heiligen Petrus, den 20. April des Jahres 1884, des siebenten Jahres Unseres Pontifikates.  
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'''19''' Sind nun aber diese Fundamentwahrheiten verloren gegangen, welche uns von Natur aus gegeben sind als die obersten Grundsätze für Erkennen und Leben, so erhellet leichthin, welcher Art die Sitten sind im öffentlichen wie im Privatleben.  – Jene höheren Tugenden, welche ohne Gottes besondere Gnade und Beistand niemand erlangen noch üben kann, wollen Wir mit Stillschweigen übergehen; von diesen kann dort wahrhaftig keine Spur sein, wo man die Erlösung des Menschengeschlechtes, die himmlische Gnade, die Sakramente und die dereinstige Seligkeit im Jenseits nicht kennt und zurückweist. – Wir wollen nur reden von den Pflichten der natürlichen [[Sittlichkeit]]. Gott der Weltschöpfer und ihr weiser Regierer; das [[Ewiges Gesetz|ewige Gesetz]], welches gebietet, die [[Natürliches Sittengesetz|Ordnung der Natur]] zu wahren, verbietet, sie zu stören; das letzte Ziel des Menschen, das jenseits liegt über allem Irdischen und Vergänglichen – das sind die Quellen und obersten Grundsätze alles Rechtes und aller Sitte.  
  
Papst Leo XIII.
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Werden diese geleugnet, wie es von Seite der Naturalisten und Freimaurer geschieht, so gibt es alsbald für die Erkenntnis von Recht und Unrecht keinen festen und unangreifbaren Haltpunkt mehr. In der Tat, die sittliche Erziehung, welche die Sekte der Freimaurer allein noch gutheißt und billigt, in der die Jugend herangebildet werden soll, ist die sogenannte rein weltliche, unabhängige und freie, d. h. alles Einflusses der Religion bare. Wie dürftig aber eine solche ist, wie kraftlos, wie schwankend bei jedem Hauch der Leidenschaften, das haben ihre bereits offenbaren und beklagenswerten Früchte hinlänglich dargetan. Denn wo immer jene ungehindert sich geltend machte, und die christliche Erziehung weichen musste, da schwanden alsbald die guten und reinen Sitten, Ungeheuerliches wurde behauptet, Verwegenheit und Missetat nahmen raschen Schrittes zu. Allgemein beklagt und bedauert man dieses, ja selbst nicht wenige von denen, die es am wenigsten gestehen möchten, legen im Angesicht der Tatsachen hierfür Zeugnis ab.
  
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====Sie leugnet die Erbsünde und die Pflicht zur Selbstzucht====
  
''' Verwandte Artikel '''
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'''20''' Da außerdem die menschliche Natur, von der Erbsünde befleckt, eben darum vielmehr zum Laster hinneigt als zur Tugend, so fordert ein sittliches Leben vor allem dieses, dass wir die niederen Triebe bezwingen und die Begierden der Vernunft unterwerfen. In diesem Kampfe heißt es nicht selten, das Irdische verschmähen und die größten Anstrengungen und Beschwerden nicht scheuen, damit die Vernunft die ihr gebührende Herrschaft bewahre. Da nun aber die Naturalisten und Mauerer der göttlichen Offenbarung nicht glauben, so leugnen sie auch den Sündenfall der Stammeltern, leugnen, dass „Die Willensfreiheit geschwächt und geneigt sei“.<ref> [[Konzil von Trient]]: [[Cum hoc tempore|VI. Sitz.]]: Von der Rechtfertigung, 1. Kap.</ref> Sie übertreiben vielmehr die Kraft und Vortrefflichkeit der menschlichen Natur, erkennen in ihr allein den Grund und Maß aller Gerechtigkeit und denken gar nicht daran, dass es zur Bezwingung der niederen Triebe und Regelung der Begierden steten, nie ermüdenden Kampf kostet.
* [[Freimaurer]]
 
* [[Die ständige Anweisung der Alta Vendita]]
 
  
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Wir sehen daher, wie man überall in der Öffentlichkeit so viele Reizmittel zum Bösen anbietet: Zeitschriften und Erzählungen ohne jedwede Scham noch Scheu, Schauspiele, die sich hervortun durch Zügellosigkeit, eine Kunst, welche einem falschen sogenannten Realismus ihre Motive entnimmt, einen übertriebenen, verweichlichenden Luxus, kurz alles, was dazu dient, die Leidenschaften zu erregen und die Tugend einzuschläfern und zu entnerven. Wohl ist solches ein schmähliches Beginnen; aber folgerichtig handeln diese, da sie keine Hoffnung auf himmlische Güter mehr haben, ihr ganzes Glück in diesen vergänglichen Gütern suchen und im Irdischen gewissermaßen untergehen. Was Wir gesagt haben, wird bestätigt durch eine Tatsache, die an sich nicht überrascht, sondern nur dadurch, dass man es wagt, sie auszusprechen. Da nämlich schlauen und verschlagenen Menschen niemand sklavischer zu gehorchen pflegt, als jene, welche die Leidenschaft entnervt und gebrochen hat, so haben sich in der Freimaurersekte Leute gefunden, die öffentlich den Vorschlag machten, planmäßig und mit Bedacht dahin zu wirken, um eine grenzenlose Zügellosigkeit in allen Lastern unter der Menge zu verbreiten; denn dadurch würde sie ihnen ganz zu eigen und willenlos bereit sein zu jedem Frevel.
  
[[Kategorie:Theologie]]
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====Sie treten für die Zivilehe und Ehescheidung ein; der Geistliche soll aus der Schule ausgeschlossen werden====
[[Kategorie:Kirchengeschichte]]
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'''21''' Was die häusliche Gesellschaft betrifft, so lässt sich die Lehre der Naturalisten in Folgendem ungefähr kurz zusammenfassen. Die Ehe ist nach ihnen ein Vertrag und kann nach dem Willen jener, die ihn eingegangen, wieder rechtlich gelöst werden; auch in Bezug auf das Band ist sie der bürgerlichen Gewalt unterstellt. Bezüglich der Erziehung gilt als fester und unbestrittener Grundsatz, dass in keinem bestimmten Religionsbekenntnis Unterricht erteilt werden soll; einem jeden soll es unbenommen bleiben, in reiferen Jahren nach Gutdünken zu wählen. Dies ist auch die Meinung der Mauerer;  sie stimmen ihr nicht bloß zu, sondern suchen sie auch im Leben geltend zu machen. In vielen, selbst katholischen Gegenden ist gesetzlich verordnet, dass eine Ehe ohne bürgerlichen Erlass als eine rechtswidrige nicht anerkannt wird; an anderen Orten ist die Ehescheidung erlaubt, und wieder an anderen gibt man sich Mühe, die Erlaubtheit zu erwirken. So kommt es allmählich dahin, dass das Wesen der Ehe ein gänzlich anderes wird, das heißt eine wandelbare und flüchtige Verbindung, welche die Leidenschaft bald schließt und bald wieder trennt.
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Darin aber sind die Freimaurer alle in höchster Weise einig, dass sie darnach streben, den Jugendunterricht an sich zu reißen. Dem weichen und schmiegsamen Alter gedenken sie leicht die ihnen beliebige Richtung geben zu können; und sie halten dies für den besten Weg, Bürger der Zukunft in ihrem Sinne zu gewinnen. Darum wollen sie in Erziehung und Unterricht der Jugend den Dienern der Kirche zum Zwecke der Lehre und Aufsicht keine Mitwirkung gestatten, und an vielen Orten haben sie es bereits dahin gebracht, dass der gesamte Jugendunterricht von Laien gegeben wird, und die großen und hochheiligen Pflichten, welche den Menschen mit Gott verbinden, auf die sittliche Bildung keinen Einfluss mehr haben.
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====Jeder habe dasselbe Recht und die Gewalt stamme vom Volke====
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'''22''' Auf dem Gebiete des Staatslebens gilt es den Naturalisten als Grundsatz, es hätten alle Menschen dasselbe Recht und sie seien nach jeder Beziehung hin vollkommen einander gleich; ein jeder ist nach ihnen von Natur aus frei, keiner hat ein Recht, dem andern zu gebieten; Gehorsam fordern einer Autorität gegenüber, die nicht von ihnen ausgegangen, das, sagen sie, heiße so viel, als einem Gewalt antun. Alles ruht nach ihnen auf dem freien Volke; die Regierung habe ihre Gewalt im Auftrage oder in Übereinstimmung mit dem Volke, so dass, wenn dieses seine Meinung ändert, es die Fürsten auch gegen ihren Willen ihrer Gewalt entsetzen kann. Die Quelle aller Rechte und Pflichten der Bürger sei entweder die Menge oder die Regierung, insofern sie die neuesten Theorien aufgenommen hat. Außerdem fordern sie einen Staat ohne Gott; keine der verschiedenen Religionsformen sei berechtigt, dass man sie der andern vorziehe, es hätten vielmehr alle gleiche Bedeutung.
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'''23''' Dass aber die Maurer solche Grundsätze sich aneignen, und von ihnen geleitet die Verfassung der Staaten umgestaltet wollen, ist so offenkundig, dass es keines Beweises bedarf. Denn schon längst setzen sie bekanntermaßen alles daran, und bieten alle Mittel hiefür auf; eben dadurch bahnen sie aber auch jenen zahlreichen tollkühnen Menschen den Weg, noch weiter fortzuschreiten und in Aufhebung alles Stände und Vermögensunterschiedes im Staate Gleichheit und Gemeinschaft aller Güter zu verkünden.
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==Die Gefahren der Freimaurerei==
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===Sie will die Wohltaten Christi vernichten===
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'''24''' So geht denn aus dem, was wir in festen Grundzügen dargelegt haben, zur Genüge hervor, was die Freimaurersekte ist und welches ihre Bestrebungen sind.  So sehr und so offenkundig stehen ihre wichtigsten Lehrsätze mit der Vernunft in Widerspruch, dass ein größerer kaum gedacht werden kann. Denn die Religion und Kirche zerstören wollen, die Gott gegründet und auf immer schirmt, das Heidentum mit seinen Sitten und Gebräuchen nach achtzehnjahrhundert Jahren wieder zurückführen wollen, das ist doch ein Beweis von ganz außerordentlicher Torheit und gottlosem Frevel. Aber auch das ist ebenso erschrecklich und unerträglich, dass man die Wohltaten von sich weist, die Jesus Christus nicht bloß den Einzelnen, sondern auch der häuslichen Gesellschaft sowohl wie der staatlichen durch seine Gnade erwiesen hat, deren Größe selbst von den Feinden bezeugt und anerkannt wird. In solchen wahnwitzigen und finsteren Bestrebungen scheint sich gewissermaßen zu offenbaren des Satans unaustilgbarer Hass und Rachedurst gegen Jesus Christus.
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===Sie bereitet dem Menschengeschlechte den Untergang===
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Und wenn die Mauerer eifrigst darnach trachten, die Fundamente zu zerstören, auf denen alle Gerechtigkeit und Sittlichkeit ruht, und sich auf die Seite jener zu stellen, die jede tierische Luft für erlaubt erklären möchten, so ist dies nichts anderes, als dem Menschengeschlecht den Untergang in Schmach und Schande bereiten.
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=== Sie ist eine Gefahr für die Familie===
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Noch mehr Gefahren bringen ihre Pläne gegen die häusliche und bürgerliche Gesellschaft. Wie Wir nämlich früher schon auseinandergesetzt haben, hat die Ehe nach dem übereinstimmenden Zeugnisse aller Völker und Zeiten eine heilige und religiöse Weihe, und es verbietet das göttliche Gesetz, den Ehebund zu zerreißen. Wenn aber die Ehe ihren heiligen Charakter verliert, wenn Ehescheidung erlaubt ist, dann tritt eine Störung ein in der Familie und Verwirrung, dann verliert das Weib seine Würde, den Kindern ist weder ihr Vermögen noch die Zukunft überhaupt mehr gesichert.
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===Sie unterwühlt den Staat===
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====Ein Staat ohne Gott ist ein Frevel====
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Die Religion aber aus dem öffentlichen Leben gänzlich verbannen, und in der bürgerlichen Gesetzgebung und Regierung ganz von Gott absehen, gleichsam als gebe es keinen Gott, das ist ein selbst den Heiden unerhörter Frevel; denn diese hatten eine so tiefe und feste Überzeugung nicht bloß von den Göttern, sondern auch von der Notwendigkeit einer öffentlichen Religionsausübung, dass sie sich eher eine Stadt ohne Fundamente als ohne Gott vorstellen konnten. In der Tat, die menschliche Gesellschaft, für welche wir von Natur aus bestimmt sind, ist von Gott, dem Urheber der Natur, ausgegangen; er ist Quelle und Grund all´ der zahllosen Güter, die wir immerdar durch sie empfangen. Wie darum dem Drange der Natur gemäß jeder Einzelne Gott eine religiöse Verehrung erweist, von dem er das Leben und alles Gute, was er zugleich mit diesem empfing, erhalten hat, ebenso verhält es sich mit den Völkern und Staaten. Wer darum die bürgerliche Gesellschaft jeder religiösen Pflicht entbindet, der handelt nicht bloß ungerecht, sondern auch töricht und ungereimt.
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====Der rechtmäßige Träger der Gewalt ist ein Diener Gottes====
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'''25''' Da nun aber der Mensch nach Gottes Willen von Natur aus für das Zusammenleben in der bürgerlichen Gesellschaft bestimmt ist, die politische Gewalt aber das Band bildet, ohne das diese augenblicklich auseinander fällt, so geht die obrigkeitliche Gewalt notwendig auch von dem aus, der die Gesellschaft selbst gegründet hat. Weithin ist der Träger dieser Gewalt, wer immer er auch sein mag, Gottes Diener. So liegt es im Zweck und Wesen der bürgerlichen Gewalt, dass sie der rechtmäßigen Gewalt, wenn sie Gerechtes befiehlt, Gehorsam leisten gerade so wie Gott, dessen Vorsehung alles leitet, und es ist durchaus irrig, dass dem Volke es freistehe, den Gehorsam nach Belieben zu verweigern.
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====Die behauptete Gleichheit ist der Ruin des Staates====
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'''26''' Was die Behauptung einer allgemeinen Gleichheit unter den Menschen angeht, so ist diese Behauptung vollständig wahr, wenn wir unser Geschlecht und unsere gemeinsame Natur, das letzte Ziel, nach dem alle streben sollen, sowie die Rechte und Pflichten betrachten, die hieraus fließen. Da aber die natürlichen Fähigkeiten aller nicht gleich sein können, einer von dem andern sich unterscheidet an Geistes- und Leibeskraft, und die Sitten, Bestrebungen und Naturelle gar verschieden sind, so widerstreitet nichts so sehr der Vernunft, als alle ohne Unterschied in einem abstrakten Begriff zusammenzufassen und nach dieser unbedingten Gleichheitstheorie ein Staatswesen begründen zu wollen. Wie der vollkommene Leib aus der organischen Verbindung der verschiedenen Glieder besteht, welche nach Gestalt und Tätigkeit von einander abweichen, im ganzen aber und ein jedes an seiner Stelle die menschliche Gestalt bilden, schön in ihrer Erscheinung, stark an Kraft, deren Tätigkeit notwendig ist, so bilden im Gemeinwesen die einzelnen Teile eine fast unendliche Verschiedenheit. Würden diese sich alle gleich dünken, und ein jeder seiner Willkür folgen, dann würde sich uns ein Staat darstellen, wie er unförmlicher nicht gedacht werden könnte; wenn aber die verschiedenen Ämter, Berufsklassen und Bestrebungen harmonisch zum allgemeinen Besten zusammenwirken, dann tritt das Bild eines gesunden und der Natur entsprechenden Staatswesens vor uns hin.
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====Die Ideen der Freimaurerei ist den Ideen der Kommunisten günstig====
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'''27''' Es lassen Uns übrigens diese soeben erwähnten revolutionären Irrlehren das Schlimmste für den Staat befürchten. Wo die Furcht vor Gott geschwunden und die Ehrfurcht vor seinem heiligen Gesetze, die Autorität der Fürsten verachtet, der Aufruhr erlaubt und gutgeheißen, den Begierden der Menge volle Zügellosigkeit gestattet wird und nur die Furcht vor der Strafe noch zurückhält, da muss ein allgemeiner Umsturz erfolgen. Das ist es aber auch, was sehr viele von den Sozialisten und Kommunisten wollen und offen bekennen. Und es kann die Freimaurersekte nicht leugnen, mit diesen gemeinsame Sache zu machen; denn sie ist deren Plänen nur allzu sehr günstig und unterscheidet sich in ihren wichtigsten Grundsätzen nicht von ihnen. Wenn sie auch nicht alsbald und überall das Äußerste wagt, so ist die Ursache hiervon weder ihre Lehre noch ihr guter Wille, sondern die Kraft der göttlichen unvertilgbaren Religion, sowie der bessere Teil der Bevölkerung, welcher sich nicht in den Dienst der geheimen Gesellschaften gestellt hat, vielmehr starkmütig ihre Bestrebungen bekämpft.
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====Sie umschmeichelt und betört Fürsten und Völker====
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'''28''' Möchten doch alle den Baum an seinen Früchten erkennen, und darauf Acht haben, wo der Ursprung und Ausgang der Übel ist, unter denen wir leiden, der Gefahren, die uns bedrohen! Wir haben es mit einem listigen und verschlagenen Feinde zu tun, der Fürsten und Völkern schmeichelt, und beide durch süße und einnehmende Reden fängt. Unter dem Scheine von Freundschaft schmeicheln sich die Freimaurer ein bei den Fürsten, um in ihnen mächtige Genossen und Gehilfen in ihrem Kampfe gegen die katholische Kirche zu gewinnen; um sie noch mehr aufzustacheln, klagen sie verleumderisch immerfort dieselbe an, als wolle sie die Kronrechte der Fürsten antasten. Durch derlei Künste sicher und keck geworden, haben sie auf die Staatsregierung einen großen Einfluss gewonnen, wobei sie es jedoch sich nicht nehmen lassen, die Fundamente der Staaten zu erschüttern und die Fürsten zu befehden, sie anzuklagen, aus dem Lande zu jagen, so oft diese in ihrer Regierung nicht nach ihren Weisungen sich richten. – In ähnlicher Weise haben sie mit dem Volke ihr Spiel getrieben. Ihr Mund ist voll von Freiheit und Volksbeglückung; der Kirche und der Fürsten Schuld sei es gewesen, sagen sie, dass das Volk noch nicht die ihm gebührende Freiheit und allgemeinen Wohlstand erlangt habe. So täuschen sie es, machen in ihm rege das Verlangen nach Neuerungen und regen es auf zum Kampfe gegen die geistliche und weltliche Obrigkeit. Doch alle diese gehofften Vorteile werden nur versprochen, nicht in Wirklichkeit ihm zu Teil; es leidet vielmehr das Volk unter einem viel härteren Drucke, und hat dabei zum großen teile nicht jenen Trost, welcher in der christlichen Gesellschaftsordnung ihm so leicht und so reichlich zu Gebote steht. Das ist eben die Strafe des Stolzes, der sich gegen die von Gottes Vorsehung gewollte Ordnung auflehnt, dass er nur Elend und Ruin findet gerade dort, wo er unbedachtsam alles nur erwünschte Glück erhofft hatte.
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==Heilmittel gegen die Freimaurerei==
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===Im allgemeinen: Eintracht zwischen Staat und Kirche===
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'''29''' Wenn aber die Kirche gebietet, man müsse vor allem und in ganz besonderer Weise Gott gehorchen, der da über alles herrscht, so würde man sehr mit Unrecht darum ihr den Vorwurf machen, als missgönne sie den Fürsten ihre Gewalt, oder als wolle sie diese in irgend welcher Weise sich anmaßen. Gerade im Gegenteil gebieten sie, dass nämlich die Untertanen den schuldigen Gehorsam der bürgerlichen Gewalt gegenüber aus vollem und wohlbewusstem Pflichtgefühle leisten. Dadurch aber, dass sie den Ursprung der Gewalt in Gott erkennt, empfängt diese eine höhere Würde, und trägt dies nicht wenig dazu bei, ihr Ehrfurcht und Liebe bei den Bürgern zu gewinnen. Sie ist es, die den Frieden liebt, die Eintracht nährt und alle in mütterlicher Liebe umfasst; nur auf das Wohl aller bedacht, lehrt sie die Gerechtigkeit mit Milde, die Gewalt mit Billigkeit, die Gesetze mit Mäßigung zu verbinden, niemanden in seinem Recht zu verletzen, die staatliche Ordnung und den öffentlichen Frieden zu fördern, der Armut und Not so viele als möglich durch öffentliche und Privatwohltätigkeit zu steuern. „Aber darum“, um mit den Worten des heiligen Augustinus zu sprechen, „glauben solche oder wollen glauben machen, die christliche Lehre bringe dem Gemeinwesen keinen Nutzen, weil sie dieses nicht auf den festen Grund der Tugenden, sondern auf die Straflosigkeit der Laster zu bauen suchen“.<ref>[[Augustinus von Hippo]]: Ep. CXXXVII, al. III, ad Volusianum c. V, 20.</ref> Nach alldem würde die wahre Staatsklugheit sowie die allgemeine Wohlfahrt viel eher fordern, dass Fürsten und Völker mit der Kirche zusammengingen, um die Angriffe der Mauerer zu bekämpfen, statt mit diesen zum Sturze der Kirche gemeinsame Sache zu machen.
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'''30''' Wie es nun auch kommen mag, Unsere Pflicht ist es, Ehrwürdige Brüder, gegen dieses so schwere und bereits weitverbreitete Übel auf Heilmittel zu sinnen.  – In der christlichen Tugend besitzen wir die beste und stärkste Hoffnung auf Rettung; darum hassen sie die Maurer ebenso sehr, wie sie dieselbe fürchten. Und darum erachten Wir es als Unsere erste Aufgabe, diese zur Hilfe zu rufen im Kampfe gegen den gemeinsamen Feind. Was immer darum die Römischen Päpste, Unsere Vorfahren, verordnet haben gegen die Pläne und Anschläge der Freimaurersekte, was sie immer an Bestimmungen getroffen, um vor dem Eintritte in dieselbe abzuschrecken oder zum Austritte aus derselben zu bewegen, alles das bestätigen und bekräftigen Wir durch Unsere Apostolische Autorität. Wir vertrauen hierbei auf den guten Willen der Christgläubigen, bitten und beschwören einen jeden aus ihnen beim Heile seiner Seele, dass er gewissenhaft bewahre und auch nicht im geringsten abweiche von dem , was der Apostolische Stuhl in dieser Beziehung festgesetzt hat.
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=== Heilmittel im besonderen===
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====Belehrung über das Wesen der Freimaurerei====
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'''31''' Euch aber, Ehrwürdige Brüder, bitten Wir dringend, Euere eifrigen Bestrebungen mit den Unserigen zu vereinigen, um diese unreine Seuche auszurotten, welche alle Adern der Gesellschaft durchdringt. Gottes Ehre gilt es und der Nächsten Seelenheil; wer dies bedenkt, dem wird es nicht an Mut, nicht an Unerschrockenheit im Kampfe fehlen. Euere Klugheit wird Euch die Mittel und Wege an die Hand  geben, durch welche Ihr, was Euch entgegensteht und widerstrebt, zu bekämpfen habt. – Und da es der Würde Unseres Amtes entspricht, dass Wir Unsererseits Euch empfehlen, wie in dieser Angelegenheit vorgegangen werden soll, so gehet aus von der Überzeugung, dass vor allem den Maurern die Larve heruntergenommen und sie in ihrer wahren Gestalt gezeigt werden müssen. Die Völker  müssen belehrt werden durch mündlichen Unterricht und in Hirtenbriefen über die Kunstgriffe derartiger Gesellschaften, um die Leute zu täuschen und an sich zu locken; es muss das Verderbliche ihrer Lehren, das Schändliche in ihrem Treiben aufgedeckt werden. Niemand darf, wie es Unsere Vorfahren oftmals bestimmt haben, aus welchem Grund immer es sei, in die Sekte der Maurer eintreten, wenn ihm sein katholisches Bekenntnis und sein Seelenheil so, wie es die Pflicht fordert, am Herzen liegt. Möge niemand von einer zur Schau getragenen Sittlichkeit sich täuschen lassen, wenn es ihm auch dünken möchte, als ob diese Sekte nichts verlange, was der Religion und der christlichen Sitte widerstreitet. Die Sekte ist eben ihrem ganzen Wesen und ihrer innersten Natur nach Sünde und Schande; darum ist es nicht erlaubt, ihr beizutreten und in irgend einer Weise behilflich zu sein.
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==== Belehrung über die Grundwahrheiten des Christentums====
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'''32''' Sodann muss durch fortgesetzten Unterricht und Mahnung das christliche Volk mehr und mehr dahin gebracht werden, dass es die Geheimnisse der Religion fleißig lernt, Zu diesem Zweck können Wir nur raten, in Schriften und Zweckentsprechenden Predigten die wesentlichen Lehren unserer heiligen Religion dazulegen, welche die Weisheit des Christentums enthalten. Das hat den Vorteil, dass bei der gegenwärtigen Zügellosigkeit im Schreiben und der unersättlichen Lernbegierde der Geister diese durch den Unterricht geheilt und gegen die mannigfach gestalteten Irrtümer und die verschiedenen Anreizungen zum Laster geschirmt werden.
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'''33''' In der Tat, ein großes werk. Doch wird Euer Klerus, wenn er durch Euere Bemühungen eine tüchtige asketische und wissenschaftliche Bildung empfangen hat, hilfreich und mit vereinten Kräften Euch hierbei zur Seite stehen. Doch eine so große und edle Sache fordert auch die emsige Mitwirkung von Laien, in denen mit der Liebe zur Religion und zum Vaterlande sittlicher Charakter und Wissenschaft sich verbinden. Indem so aus beiden Ständen die besten Kräfte zusammenwirken, Ehrwürdige Brüder, möget Ihr dahin streben, dass die Kirche in ihrem wahren Wesen von den Menschen immer besser erkannt und hochgehalten wird; denn je mehr sie dieselbe erkennen und lieben, desto mehr werden sie die geheimen Gesellschaften verabscheuen und fliehen.
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'''34''' Aus diesem Grunde ergreifen Wir hier die Gelegenheit, um wiederholt darauf hinzuweisen, wie notwendig es ist, den dritten Orden des heiligen Franziskus, dessen Regel Wir erst jüngst mit umsichtiger Lindigkeit gemildert haben, eifrigst zu verbreiten und zu beschützen. Seht ja doch dem Willen seines Stifters dessen Bedeutung ganz darin auf, dass er das Geschlecht aufrufen will zur Nachfolge Jesu Christi, zur Liebe seiner heiligen Kirche, zur treuen Erfüllung aller Christenpflichten; darum ist er eine starke Macht gegenüber der Pest verwerflicher Gesellschaften. Möge diese heilige Genossenschaft von Tag zu Tag neue Mitglieder gewinnen; viele Früchte wird sie bringen, und als das Beste dieses, dass die Gemüter zur wahren Freiheit, Brüderlichkeit, Gleichheit sich erheben; freilich nicht zu jener, wie sie die Maurer töricht träumen, sondern wie sie Jesus Christus uns gebracht und der heilige Franziskus in seinem Leben dargestellt hat. Der Freiheit nämlich der Kinder Gottes, dass wir weder dem Satan dienen, noch in die harte Knechtschaft der Begierden fallen, der Brüderlichkeit, die von Gott, dem gemeinsamen Vater und Schöpfer ausgeht, der Gleichheit, die auf dem festen Grunde der Gerechtigkeit und Liebe ruhend die Unterschiede in der Gesellschaft nicht aufhebt, aber bei aller Verschiedenheit der Lebensweise, Stände und Berufsarten jene herrliche Übereinstimmung und Harmonie bildet, welche ihre Natur nach dem Gemeinwesen Wohl und Würde bringt.
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====Sammlung der katholischen Arbeiter und Handwerker====
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'''35''' An dritter Stelle weisen Wir auf eine zweckmäßige Einrichtung der Vorzeit hin, die im Laufe der Jahre zwar verfiel, aber als Muster für ähnliche Unternehmungen in der Gegenwart dienen kann. – Wir meinen die Zünfte und Innungen der Handwerker, gegründet unter religiöser Leitung zum Schutze der Habe wie der Sitten. Ihren Nutzen hatten unsere Vorfahren aus langer Erfahrung wohl erprobt; unsere Zeit wird ihn noch mehr erkennen, weil sie ganz besonders dazu angetan sind, den Versuchungen der geheimen Sekten zu begegnen. Denn die Handarbeiter, die nur kümmerlich mit ihrem Lohne ihr Leben fristen, verdienen eben darum schon unsere Liebe und tröstliche Teilnahme; deswegen sind sie aber auch am meisten der Arglist und Verführung der überall verbreiteten geheimen Gesellschaften preisgegeben. Mit der größeren Liebe müssen wir ihnen daher entgegenkommen und sie in ehrbaren Vereinen sammeln, damit sie nicht in verderbliche geraten. Darum ist es Unser dringender Wunsch, es möchten unter der Obhut und Leitung der Bischöfe dieser Innungen in zeitgemäßer Weise zum Besten des Volkes wieder hergestellt werden. Und es gereicht Uns zu nicht geringer Befriedigung, dass an mehreren Orten schon solche Verbrüderungen sich gebildet haben und Vereine von Schutzmitgliedern entstanden sind, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den ehrbaren ärmeren Volksklassen beizuspringen, ihre Familien und Kinder zu schirmen und zu schützen und den religiösen Unterricht, Frömmigkeit und Sittlichkeit unter ihnen zu fördern. – In dieser Beziehung können Wir jenen so musterhaft dastehenden, um das ärmere Volk hochverdienten Verein vom heiligen Vinzentius von Paul nicht mit Stillschweigen übergehen. Was er wirkt, was er will, ist männiglich bekannt; seine ganze Aufgabe besteht darin, die Dürftigen und Bedrängten aus eigenem Antrieb aufzusuchen, und zwar mit wunderbarer Freudigkeit und Anspruchslosigkeit. Je weniger er in die Öffentlichkeit treten will, desto wirksamer ist er in der Übung christlicher Liebe und desto zweckmäßiger zur Linderung der Not.
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==== Sorge für die heranwachsende Jugend====
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'''36''' Zum vierten empfehlen Wir, um desto eher zu dem erwünschten Ziele zu gelangen, in ganz besonderer Weise die heranwachsende Jugend Euerer treuen Obhut; denn sie ist die Hoffnung unseres Geschlechtes. – Vor allem richtet Euer Augenmerk auf deren Unterricht, und seid überzeugt, dass Ihr nie Sorge genug tragen könnt, damit sie vor Schulen und Lehrern bewahrt bleibt, die von dem Pesthauch der Sekten angesteckt sind. Die Eltern, Lehrer, Seelsorger sollen bei dem Religionsunterricht nach Eurer Anweisung eifrigst bei gegebener Gelegenheit ihre Kinder und Schüler über das wahre Wesen dieser Sekten aufklären, damit sie jetzt schon lernen, sich vor den mannigfachen Listen und Schlichen zu hüten, wodurch jene, welche auf ihre Ausbreitung bedacht sind, die Arglosen in ihre Netze zu ziehen pflegen. Ja, jene, welche die Kinder zum Empfange der heiligen Sakramente vorbereiten, werden gut tun, wenn sie ein jedes von ihnen dazu bewegen, dass es den festen Vorsatz fasst, ohne Vorwissen seiner Eltern oder ohne den Rat seines Seelsorgers oder Beichtvaters niemals in eine Gesellschaft einzutreten.
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==== Einmütigkeit im Gebet====
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'''37''' Doch Wir wissen nur zu gut, auch unsere gemeinsamen Bemühungen sind unzureichend, um den Giftsamen auf dem Acker des Herrn zu vertilgen, wenn nicht der himmlische Herr des Weinberges unserem Unternehmen mit seiner Gnade beisteht. – Darum müssen wir um so eifriger und inständiger um seine Hilfe und Beistand flehen, je drohender die Gefahr und je größer die Not ist. Durch ihren Erfolg übermütig geworden, erhebt die Sekte der Freimaurer keck ihr Haupt und scheint in ihren frechen Forderungen kein Maß mehr zu kennen. Alle durch den gottlosen Bund und gemeinsame Geheimpläne verschworenen Brüder der Sekte leisten sich gegenseitig Beistand und reizen einander auf zu verwegenen Freveltaten. Ein so heftiger Angriff fordert eine gleich starke Verteidigung; alle rechtschaffenen Männer müssen in eine große Gebets- und Arbeitsgemeinschaft zusammentreten. Einmütigen Herzens, das fordern Wir von ihnen, sollen sie sich zusammenscharen und Feinde gegenüber unerschüttert feststehen, viel zu Gott rufen und flehend die Hände zu ihm zu erheben, um von ihm zu erlangen, dass die christliche Religion blühe und gedeihe, die Kirche ihre notwendige Freiheit erhalte, die Abtrünnigen wieder zur rechten Lehre zurückkehren, der Irrtum der Wahrheit, das Laster der Tugend das Feld räume. – Nehmen wir unsere Zuflucht zu der Jungfrau und Gottesmutter Maria, dass sie uns helfe und für uns fürspreche; sie, die durch ihre unbefleckte Empfängnis den Satan selbst überwunden, möge besiegen die verwerflichen Sekten, in denen, wie wir sehen, jene bösen Geister, die gegen Gott sich empört haben, in ihrer ganzen Treulosigkeit und Heuchelei wieder aufleben. – Bitten wir inständig den heiligen Michael, den Fürsten der himmlischen Scharen, der den höllischen Feind gestürzt hat, den heiligen Joseph, den Bräutigam der Allerseligsten Jungfrau und mächtiger Beschützer der Kirche im Himmel, die großen Apostel Petrus und Paulus, die Begründer und unbesiegbaren Beschirmer des christlichen Glaubens. Im Vertrauen auf solchen Schutz und in gemeinschaftlichem und beharrlichem Gebete trösten wir uns, dass Gott unserem so sehr bedrohten Geschlechte zur rechten Zeit in seiner Barmherzigkeit Hilfe bringen wird.
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'''38''' Als Unterpfand himmlischer Gnaden und zum Zeugnis Unseres Wohlwollens erteilen Wir Euch, Ehrwürdige Brüder, dem Klerus und dem gesamten Euerer Obsorge anvertrauten Volke von ganzem Herzen den Apostolischen Segen im Herrn.
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<center> Gegeben zu Rom beim Heiligen Petrus, den 20. April des Jahres 1884, </center>
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<center> des siebenten Jahres Unseres Pontifikates. </center>
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<center> [[Papst]] [[Leo XIII.]]</center>
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==Anmerkungen==
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==Weblins==
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* [http://w2.vatican.va/content/leo-xiii/la/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_18840420_humanum-genus.html Die lateinische Fassung auf der Vatikanseite]
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* [http://w2.vatican.va/content/leo-xiii/en/encyclicals/documents/hf_l-xiii_enc_18840420_humanum-genus.html Die englische Fassung auf der Vatikanseite]
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[[Kategorie:Lehramtstexte (Wortlaut)]]
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[[Kategorie:Lehramtstexte (Leo XIII.)]]

Aktuelle Version vom 26. März 2022, 19:00 Uhr

Zirkel und Winkel
Enzyklika
Humanum genus

von Papst
Leo XIII.
an alle Ehrwürdigen Brüder, die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe, der katholischen Welt,
welche in Gnade und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhle stehen
über Wesen und Gefahr der Freimaurerei
20. April 1884

(Offizieller lateinischer Text: Leonis XIII. Pontificis Maximi Acta IV [1884]); ASS XVI [1883-1884] 417-433

(Quelle: Rundschreiben Leo XIII., Zweite Sammlung, Lateinischer und deutscher Text, Herder´sche Verlagsbuchhandlung übersetzt durch den päpstlichen Hausprälaten Professor Hettinger, Freiburg im Breisgau 1904; Die Nummerneinteilung nach: Emil Marmy (Hrsg.), Mensch und Gemeinschaft in christlicher Schau, Dokumente, Paulus Verlag Freiburg/Schweiz 1945, S. 56-83; Imprimatur Friburgi Helv., die 21. Augusti 1945 L. Clerc, censor; Überschriften aus denen die Inhaltsübersicht erstellt wurde sind aus: Leo XIII. - Lumen De Caelo. Erweiterte Ausgabe des "Leo XIII. der Lehrer der Welt". Praktische Ausgabe der wichtigsten Rundschreiben Leo XIII. und Pius XI., Herausgegeben von Carl Ulitzka, Päpstlicher Hausprälat, Ratibor 1934, S.253-271; Mit kirchlicher Druckerlaubnis; in deutscher Sprache auch in: Leo XIII., Lumen de coelo II., - Bezeugt in seinen Allocutionen, Rundschreiben, Constitutionen, öffentlichen Briefen und Akten, Buch und Verlag Rudolf Brzezowsky & Söhne Wien 1890, S. 189-211, alle drei in Fraktur abgedruckt).

Allgemeiner Hinweis: Was bei der Lektüre von Wortlautartikeln der Lehramtstexte zu beachten ist


Ehrwürdige Brüder!
Heilsgruß und Apostolischen Segen!

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Das Reich Gottes und das Reich des Satans auf Erden

1 Nachdem das Menschengeschlecht durch den Neid des Teufels von Gott, dem Schöpfer und Spender der himmlischen Güter so kläglich abgefallen, hat es sich in zwei geschiedene und einander entgegengesetzte Lager geteilt; das eine kämpfte unausgesetzt für Wahrheit und Tugend, das andere für alles, was der Wahrheit und Tugend widerstreiten. – Das eine ist das Reich Gottes auf Erden, nämlich die wahre Kirche Christi; wer ihm wahrhaft und zu seinem Heile angehören will, der muss Gott und seinem Eingeborenen Sohne mit ganzer Seele und voller Hingebung seines Willens dienen. Das andere ist das Reich des Satans, dem alle jene botmäßig und zu eigen sind, welche dem verhängnisvollen Beispiele ihres Führers und unserer Stammeltern gefolgt sind, dem ewigen göttlichen Gesetze den Gehorsam verweigern und vieles mit Verachtung Gottes, ja vieles gegen Gott selbst unternehmen suchen.

2 Dieses zweifache Reich, das zwei Städten gleicht, die nach widerstrebenden Gesetzen widerstrebende Ziele verfolgen, hat Augustinus wohl erkannt und beschrieben und die wirkende Ursache beider in nachstehenden Worten feinsinnig und kurz zusammengefasst: Eine zweifache Liebe hat diese zwei Reiche gegründet, das irdische die Selbstsucht bis zur Verachtung Gottes, das himmlische dagegen die Gottesliebe bis zur Verachtung seiner selbst.<ref>Augustinus von Hippo: De civitate Dei, 14, 28 PL 41, 436.</ref>

Die Gottlosen werden von der Freimaurerei unterstützt

In allen Jahrhunderten haben diese Reiche einander bekämpft mit verschiedenen Waffen und in verschiedener Weise, wenngleich nicht immer in gleich heftigem Anlaufe. In der Gegenwart jedoch scheinen die Anhänger des Bösen sich zu verabreden und insgesamt mit vollen Kräften anzustürmen, geleitet und unterstützt von der weitverbreiteten und gegliederten Gesellschaft der sogenannten Freimaurer. Denn schon halten diese ihr Pläne nicht mehr geheim und fordern höchst verwegen sich untereinander auf gegen den allmächtigen Gott; offen und aufgescheut arbeiten sie daran, die Kirche zu vernichten und zwar in der Absicht, um, wenn es möglich wäre, die christlichen Völker aller Güter zu berauben, die ihnen durch unsern Heiland Jesus Christus zuteil geworden sind. – In dem wir diese Übel beklagen, müssen wir oft, von Liebe im Innersten bewegt, zu Gott rufen: Siehe, deine Feinde toben, und die dich hassen, erheben das Haupt. Über dein Volk fassen sie listige Anschläge und sinnen wider deine Heiligen. Sie sprechen: Kommet, lasset sie uns vertilgen aus dem Volke. <ref>{{#ifeq: Buch der Psalmen | Humanum genus (Wortlaut) |{{#if: Ps|Ps|Buch der Psalmen}}|{{#if: Ps |Ps|Buch der Psalmen}}}} 83{{#if:3-5|,3-5}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}.</ref>

3 Bei dieser dringenden Gefahr, bei diesem grausamen und hartnäckigen Kampfe gegen das Christentum ist es Unsere Aufgabe, hinzuweisen auf den Ernst der Lage, kenntlich zu machen die Gegner, Widerstand zu leisten, soviel Wir vermögen, ihren listigen Plänen, damit nicht auf ewig zu Grunde gehen alle jene, deren Seelenheil Uns anvertraut ist, und auf dass Jesus Christi Reich, dessen Obhut Uns übergeben ward, nicht bloß Bestand habe und unversehrt fortdauere, sondern immer mehr wachse und überall auf der ganzen Erde sich ausbreite.

Die Päpste haben diese Sekte verurteilt

Clemens XII. bis Pius IX

4 Die Römischen Päpste, Unsere Vorfahren, sorgfältig wachsam über das Heil des christlichen Volkes, haben diesen Todfeind alsbald erkannt, wer er sei, was er wolle, sowie er aus dem Dunkel geheimer Verschwörung heraustrat; und indem sie wohl wussten, was bevorsteht, haben sie Fürsten und Völkern gewissermaßen ein Zeichen gegeben und sie gemahnt, nicht von ihrer Arglist sich betrügen und fangen zu lassen.

5 Der erste, welcher auf die Gefahr hinwies, war Klemens XII.,<ref>Klemens XII.In eminenti“ 21. April 1788, Fonts n. 412.</ref> dessen Konstitution von Benedikt XIV.<ref>Benedikt XIV.. „Providas“ 18. Mai 1751.</ref> bestätigt und erneuert wurde. Ihrem Vorgange folgte Pius VII.<ref>Pius VII. Konst. „Ecclesiam a Jesu Christo“ 23. Sept. 1821.</ref> Leo XII. fasste in der Apostolischen Konstitution „Quo graviora“<ref>Leo XII. "Quo graviora "Konst. v. 13. März 1825.</ref> zusammen, was seine Vorfahren in dieser Angelegenheit getan und bestimmt hatten und erklärte sie als gültig und rechtskräftig für alle Zeit. In demselben Sinne haben sich Pius VIII.,<ref>Pius VIII. Enzyklika „Traditi“ 21. Mai 1829.</ref> Gregor XVI.<ref> Gregor XVI.: EnzyklikaMirari vos” 15. Aug. 1832.</ref> uns sehr oft Pius IX.<ref>Pius IX. EnzyklikaQui pluribus” 8. Nov. 1846 ; Allokut. „Multiplices inter“ 25. Sept. 1865 u.s.f.</ref> ausgesprochen.

6 Als nämlich die Sekte der Freimaurer nach ihrem Wesen und Charakter durch offenbare Merkmale sich zu erkennen gab, als man diese Angelegenheit untersucht, von ihren Gesetzen, Gebräuchen und Schriften Einsicht genommen hatte, wozu häufig das Zeugnis von Eingeweihten kam, da verkündete es dieser Apostolische Stuhl und erklärte öffentlich, es sei die Sekte der Freimaurer eine rechtswidrige und für die Kirche und Staat gleich verderbliche Verbindung, und er verbot unter Androhung jener besonders schweren Strafen, welche die Kirche über Schuldige zu verhängen pflegt, allen Gläubigen den Eintritt in dieselbe. Hierdurch erbittert, wähnten die Verbündeten, teils durch Verachtung, teils durch Verleumdung der Wucht dieser Aussprüche sich entziehen und dieselbe abschwächen zu können; sie klagten die Römischen Päpste an, dass ihre Entscheidungen ungerecht gewesen und das rechte Maß überschritten hätten. Auf solche weise versuchten sie es, da Ansehen und Gewicht der Apostolischen Konstitutionen eines Klemens XII., Benedikt XIV., wie Pius VII. und Pius IX. bedeutungslos zu machen. Doch es fehlte unter den Mitgliedern der Sekte selbst nicht an solchen, die sogar gegen ihren Willen eingestanden, dass im Hinblick auf die katholische Lehre und Lebensordnung die Römischen Päpste in allem diesem nach Recht und Gerechtigkeit gehandelt haben. Auch verschiedene Fürsten und Regierungen gaben den Päpsten hierin ihre volle Zustimmung, indem sie teils Sorge trugen, dass die Sekte der Freimaurer bei dem Heiligen Stuhle angeklagt wurde, teils ihrerseits durch das Gesetz sie für staatsgefährlich erklärten, wie dies in Holland, Österreich, in der Schweiz, Spanien, Bayern, Savoyen und anderen Ländern Italiens geschehen ist.

b) Die Regierungen haben nicht immer und überall den nötigen Ernst gehabt

7 Wie vorsichtig Unsere Vorfahren in dieser Beziehung gehandelt, hat die Folgezeit bewiesen, worauf wir darum unser besonderes Augenmerk zu richten haben. Ihre väterlichen Bemühungen und Fürsorge hatten nämlich nicht zu jeder Zeit noch überall den gewünschten Erfolg; hiervon war Ursache teils die List und Verstellung der Schuldigen selbst, teils der Mangel an Ernst bei jenen, denen vor allen anderen hätte daran gelegen sein müssen, ein wachsames Auge zu haben. So ist es denn gekommen, dass im Laufe von anderthalbhundert Jahren die Sekte der Freimaurer eine über alle Erwartung große Ausbreitung gewann, und indem sie keck und listig in alle Ordnungen des Gemeinwesens sich eindränge, erlangte sie eine solche Macht, dass sie nahezu die Oberherrschaft in den Staaten zu haben scheint. So rasch und so furchtbar hat sich das Verderben entwickelt, das Unsere Vorfahren lange vorausgesehen hatten, und das nun die Kirche, die Gewalt der Fürsten und die öffentliche Wohlfahrt bedroht. Denn soweit ist es gekommen, dass für die Zukunft alles zu befürchten ist, nicht zwar für die Kirche, die auf einem zu festen Grund gebaut ist, als dass sie von Menschenhand könnte erschüttert werden, sondern für jene Staaten, in welchen die Freimaurerei mächtig ist, oder ähnliche Sekten, die im Dienste jener arbeiten und tätig sind.

8 Sobald Wir darum die Regierung der Kirche übernommen haben, war es unsere feste Überzeugung, Wir müssten durch das Gewicht Unserer Autorität diesem Übel soviel als möglich Widerstand leisten. – In der Tat haben Wir bei gegebener Gelegenheit gewisse hervorragende Grundsätze beleuchtet, auf welche die freimaurerischen Meinungen am meisten Einfluss hatten. So haben Wir in Unserem Rundschreiben „Quod Apostolici muneris“ es unternommen, die Ungeheuerlichkeiten der Sozialisten und Kommunisten zu widerlegen; in einem anderen „Arcanum“ suchten Wir den wahren und richtigen Begriff der häuslichen Gesellschaft, welche in der Ehe ihre Quelle und ihren Ursprung hat, festzusetzen und zu verteidigen; in jenem das mit „Diuturnum“ beginnt, haben Wir das Musterbild der politischen Gewalt nach den Grundsätzen der christlichen Weisheit entworfen und dargestellt, wie es mit der Natur selbst, dem Heile von Fürsten und Völkern in wunderbarem Einklange steht. Nun aber haben Wir beschlossen, nach dem Beispiele Unserer Vorfahren die Sekte der Freimaurer selbst geradezu ins Auge zu fassen, ihre gesamte Lehre, Pläne, Denk- und Handlungsweise, und dadurch mehr und mehr ihre verderbliche Macht in klares Licht zu setzen und die Völker vor Ansteckung durch diese verhängnisvolle Pest zu bewahren.

II. Das Wesen der Freimaurerei

Sie ist eine geheime Gesellschaft

9 Alle jene mannigfaltigen Sekten, wenngleich nach Namen, Gebräuchen, Form und Ursprung verschieden, stehen doch miteinander im Zusammenhange durch eine gewisse Gemeinsamkeit ihres Zweckes und Ähnlichkeit ihrer Grundanschauungen, sind darum sachlich mit jener der Freimaurer eins; diese bilden gleichsam den Mittelpunkt, von wo alle ausgehen, wohin alle zurückkehren. Obschon sie gegenwärtig, wie es den Anschein hat, durchaus nicht mehr die Verborgenheit suchen, ihre Versammlungen vielmehr am hellen Tage und vor aller Augen abhalten, ihre Zeitschriften veröffentlichen, so bewahren sie doch, näher betrachtet, das Wesen und den Charakter geheimer Gesellschaften. Es ist nämlich verschiedenes bei ihnen von Geheimnissen umgeben, welche nicht bloß vor den Fremden, sondern auch vor sehr vielen unter den Mitgliedern selbst nach ihren Gesetzen mit größter Sorgfalt gewahrt werden. Hierher gehören ihre geheimsten und letzten Pläne, die obersten Vorstände der Abteilungen, gewisse verborgene Zusammenkünfte der Abteilungen, gewisse verborgene Zusammenkünfte der am meisten Eingeweihten; dasselbe gilt von ihren Beschlüssen und der Art und Weise, sie zur Ausführung zu bringen. Zu diesem Zwecke gibt es unter den Brüdern eine große Verschiedenheit in den Rechten, Ämtern und Obliegenheiten, bestimmte Abstufung in Graden und eine strenge Disziplin, welche alle unterworfen sind. Die Eintretenden müssen geloben, ja meistens mit einem besondern Eide beschwören, dass sie niemals noch in irgend einer Weise ihre Brüder, Erkennungszeichen, Lehren, verraten wollen. So suchen die Freimaurer unter erlogenem Scheine und in der nämlichen heuchlerischen Weise, wie ehedem die Manichäer, verborgen zu bleiben und niemand anderen zu Zeugen zu haben als die Ihrigen. Unter dem Namen von Freunden der Literatur und der Wissenschaft, die sich zu gelehrten Zwecken vereinigt haben, verstehen sie es trefflich, sich zu verstecken; wenn man sie reden hört, so ist es ihnen zu tun um Förderung höherer Bildung, um Bestrebungen zum Besten des Niederen Volkes; sie haben nichts anderes im Auge, als das Beste des Volkes und die größtmögliche Verbreitung aller staatlichen Wohltaten. Wäre aber auch alles dieses wahr, so ist doch ihre Tätigkeit hierauf allein durchaus nicht beschränkt. Wer immer einmal beigetreten ist, muss außerdem versprechen und dafür einstehen, dass er den Führern und Meistern aufs Wort folgen will in höchsten Gehorsam und in Treue; dass er, bereit auf jeden Wink und jedes Zeichen, das Befohlene ausführen will, dass er im Falle des Ungehorsams auch das Härteste und selbst den Tod dulden will. In der Tat wird die Todesstrafe nicht selten an denen vollzogen, über welche wegen Verrat des Geheimnisses oder Ungehorsam dieselbe ausgesprochen wurde, und zwar so keck und gewandt, dass häufig der Meuchelmörder dem wachsamen Auge der strafenden Gerechtigkeit entrinnt. – Heucheln und im Dunkel verborgen bleiben wollen, andere Sklaven gleich mit den stärksten Banden an sich fesseln, ohne dass diese den Grund hiervon klar erkennen, sie nach fremder Willkür zum Werkzeug jeglichen Frevels gebrauchen, ihnen den Mordstahl in die Hand drücken unter dem Vorwande der Straflosigkeit – das ist eine Ungeheuerlichkeit, die der Natur durchaus widerstreitet. Darum beweisen die gesunde Vernunft und die Natur der Sache selbst, dass die Gesellschaft, von der wir reden, im Widerspruch steht zur Gerechtigkeit und natürlichen Sittlichkeit.

Ihr Fundament ist der Naturalismus

Sie will das Christentum stürzen

10 Eben dieses erhellt noch klarer aus folgenden Gründen. Mögen auch List und Verlogenheit in der Welt noch so groß sein, so muss doch notwendig in den Wirkungen die Natur der Ursache sich offenbaren, aus der jene hervorgegangen sind. Ein guter Baum kann keine bösen Früchte bringen, noch ein böser Baum gute Früchte.<ref> {{#ifeq: Evangelium nach Matthäus | Humanum genus (Wortlaut) |{{#if: Mt|Mt|Evangelium nach Matthäus}}|{{#if: Mt |Mt|Evangelium nach Matthäus}}}} 7{{#if:18|,18}} EU | BHS =bibelwissenschaft.de">EU | #default =bibleserver.com">EU }}</ref> Es bringt aber die Freimaurersekte verderbliche und sehr bittere Früchte. Denn aus den unbestreitbaren Kennzeichen, von denen oben die Rede war, ergibt sich sichtlich, was das letzte Ziel ist bei allen ihren Plänen: die gesamte religiöse und staatliche Ordnung, nämlich wie sie das Christentum begründet hat, von Grund aus zu stürzen und nach ihrem Gutdünken eine neue zu schaffen auf Grund der Anschauungen und Gesetze des Naturalismus.

11 Was Wir hier sagen und noch sagen werden, ist von der Freimaurersekte im allgemeinen zu verstehen und den ihr verwandten und verbündeten Gesellschaften, nicht aber von den einzelnen Mitgliedern. Deren möge nicht wenige sein, die allerdings nicht ohne Schuld sich mit diesen Gesellschaften eingelassen haben, aber doch weder persönlich an solchen Freveltaten sich beteiligt, noch auch die letzten Ziele derselben kennen. Ebenso billigen vielleicht einige von diesen Gesellschaften durchaus nicht jene äußersten Folgerungen, welche sie, weil in notwendiger Konsequenz aus jenen allgemeinen Grundsätzen sich ergebend, annehmen müssten, wenn nicht die Abscheulichkeit des Verbrechens durch seine Hässlichkeit sie abstoßen würde. Auch finden es manche von ihnen im Hinblick auf die Orts- und Zeitverhältnisse rätlicher, nicht bis zum Äußersten zu gehen, wenngleich sie es wünschten und andere so zu handeln gewöhnt sind; darum gehören sie aber doch dem Freimaurerverbunde an; denn nicht nach den Taten, die er vollbracht, sondern nach seinen wesentlichen Grundsätzen muss er beurteilt werden.

Ihr oberster Grundsatz: Die menschliche Natur ist oberste Richtschnur des Lebens

12 Oberster Grundsatz der Naturalisten, wie dies schon ihr Name besagt, ist der, es müsse die menschliche Natur und die menschliche Vernunft in allem oberste Richtschnur und Lehrerin sein. Hieraus ergibt sich, dass sie um die Pflichten gegen Gott sich nicht sehr kümmern oder sie entstellen durch irrige und wechselnde Meinungen. Sie leugnen nämlich jede göttliche Offenbarung und verwerfen jedwedes religiöses Dogma; nach ihnen gibt es keine Wahrheit, die des Menschen Vernunft überschreitet, keinen Lehrer, der kraft seines Amtes das Recht hätte, Glauben von uns zu fordern. Da es nun aber das besondere Recht der katholischen Kirche ist, da ihr allein zukommt, die von Gott empfangenen Lehren und ihre lehramtliche Autorität samt allen übrigen zum Heile notwendigen Gnadenmittel vollständig zu bewahren und unversehrt zu erhalten, darum gilt ihr ganz besonders der grimmige Kampf der Feinde.

Die Kirche wird von ihr geknebelt

13 Betrachten wir nun das Verfahren der Freimaurersekte in religiösen Fragen, besonders da, wo sie sich freier bewegen kann, so ergibt sich, dass sie die Anschauungen der Naturalisten geradezu verwirklichen zu wollen scheint. Ist sie doch unermüdet uns seit langer Zeit bestrebt, das Lehramt der Kirche und ihre Autorität im Staate zu untergraben, weswegen man öffentlich nicht Angelegentlicheres zu verkünden hat, als die Notwendigkeit einer vollständigen Trennung von Kirche und Staat. Hierdurch hält sie den höchst wohltätigen Einfluss der katholischen Religion von der Gesetzgebung und Verwaltung des Staates ferne und glaubt demgemäss das gesamte Staatswesen ohne jedwede Bezugsnahme auf die Kirche, ihre Institutionen und Lehren, ordnen zu können.

14 Doch es ist ihnen nicht genug, die Kirche, diese beste Führerin, zu verdrängen, sondern sie feinden noch dazu an und schädigen sie. Ungestraft greift man in Rede, Schrift und Lehrvorträgen selbst die Fundamente der katholischen Lehre an; weder die Rechte der katholischen Kirche werden anerkannt, noch die Ämter, die sie von Gott empfangen, und zwar durch Gesetze, die dem Scheine nach weniger gewalttätig, in der Tat aber recht geeignet sind, ihre Freiheit zu hemmen. Der Klerus leidet unter schweren Ausnahmegesetzen, so dass von Tag zu Tag er an Anzahl abnimmt und seine notwendigsten Subsistenzmittel sich verringern; was von dem Kirchengute noch übrig ist, ist durch drückende Maßregeln gebunden der Gewalt und Willkür der staatlichen Verwalter ausgeliefert; die religiösen Genossenschaften sind aufgehoben und zerstreut.

Der römische Papst wird auf das heftigste angegriffen

15 Der Heilige Stuhl aber und der Römische Papst wird seit langem aufs heftigste bekämpft. Zuerst hat man ihn unter falschen Vorwänden seiner weltlichen Herrschaft beraubt, die ein Hort seines Rechtes uns seiner Freiheit war; bald hierauf hat man ihn in eine harte Lage versetzt, durch Schwierigkeiten aller Art in unerträglicher Weise bedrängt, bis man da ankam, wo wir jetzt stehen, und die Sektenhäupter, was sie vordem lange im Verborgenen geplant hatten, nun offen aussprechen, es müsste die heilige Gewalt der Päpste vernichtet und das kraft des göttlichen Rechtes eingesetzte Papsttum selbst von Grund aus zerstört werden. Hätten wir auch sonst keine Beweise für diese Absichten, so bezeugen dies jene, welche in die Sekte eingeweiht sind, von denen sehr viele früher schon und auch in neuester Zeit dies als den wahren Plan der Maurer erklärten, die katholische Kirche auf äußerste zu bekämpfen, und nicht zu ruhen, bis sie alles ausgerottet hätten, was immer die Päpste zum Besten der Religion gegründet haben.

Die Religion wird in das Belieben des einzelnen gestellt

16 Zwar werden jene, welche in der Sekte Aufnahme finden, keineswegs mit ausdrücklichen Worten gezwungen, ihrem katholischen Glauben abzuschwören; doch dies widerspricht keineswegs den Plänen der Mauerer, sondern ist vielmehr ihnen dienlich. Denn vorerst täuschen sie leicht durch solches Verfahren die Unbefangenen und Unbehutsamen und locken noch mehrere andern an. Indem sie sodann Bekenner jeder Religion ohne Unterschied aufnehmen, tragen sie tatsächlich viel dazu bei, den Hauptirrtum unserer Zeit zu verbreiten, die Religion sei den Belieben des Einzelnen anheimgestellt, und es gebe keinen Unterschied unter den verschiedenen Religionsformen. Eine solche Anschauung führt geradezu zum Untergange jedweder Religion, besonders aber der katholischen, welche, da sie unter allen übrigen die allein wahre ist, ohne höchstes Anrecht nicht den andren gleichgestellt werden kann.

Selbst natürliche Wahrheiten werden von ihr preisgegeben

17 Doch die Naturalisten bleiben hierbei nicht stehen. Da sie in den höchsten Fragen unbesonnen einen falschen Weg eingeschlagen haben, so gelangen sie in raschem Fortgange zum Äußersten, sei es in Folge der Schwäche der menschlichen Natur, sei es nach Gottes Gericht, das über ihren Stolz gerechte Strafe verhängt. So kommt es denn, dass auch das für sie ungewiss und zweifelhaft wird, was der Mensch in dem natürlichen Licht seiner Vernunft erkennt, wie das Dasein Gottes, die Immaterialität, Geistigkeit und Unsterblichkeit der Seele. – Auch die Sekte der Freimaurer scheitert auf ihrer Irrfahrt an demselben Klippen. Denn wenn sie auch im allgemeinen das Dasein Gottes annehmen, so legen sie doch selbst dafür Zeugnis ab, dass ihr Geist hierfür keine feste und unerschütterliche Gewissheit hat. Denn sie selbst gestehen, dass gerade diese Frage über das Dasein Gottes bei ihnen ganz besonders Grund und Anlass zu Uneinigkeiten ist; ja es ist bekannt, dass vor nicht langer Zeit über diese Frage heftig unter ihnen gestritten wurde. In der Tat gestattet die Sekte in diesem Punkte den Brüdern große Freiheit: dass es einen Gott gebe oder nicht, mag ein jeder nach Belieben behaupten. Jene, welche unverhohlen behaupten, es gebe keinen Gott, werden ebenso leicht aufgenommen, als die anderen, welche zwar das Dasein Gottes zugeben, aber eine falsche Vorstellung von ihm haben, wie die Pantheisten ihn sich denken. Es heißt dies, von Gott einen gewissen widerspruchsvollen Schein noch beizubehalten, in Wahrheit aber ihn leugnen.

18 Ist dieses stärkste Fundament zerstört und gefallen, so muss folgerichtig auch alles Übrige wanken, was wir schon von Natur aus belehrt erkennen, nämlich die Erschaffung aller Dinge durch Gottes freien Willen, die allwaltende Weltregierung, die Unsterblichkeit der Seelen, das ewige Leben, welches dermaleinst auf diese irdische Dasein folgen wird.

Die natürliche Sittlichkeit gerät ins Schwanken; religionslose Erziehung

19 Sind nun aber diese Fundamentwahrheiten verloren gegangen, welche uns von Natur aus gegeben sind als die obersten Grundsätze für Erkennen und Leben, so erhellet leichthin, welcher Art die Sitten sind im öffentlichen wie im Privatleben. – Jene höheren Tugenden, welche ohne Gottes besondere Gnade und Beistand niemand erlangen noch üben kann, wollen Wir mit Stillschweigen übergehen; von diesen kann dort wahrhaftig keine Spur sein, wo man die Erlösung des Menschengeschlechtes, die himmlische Gnade, die Sakramente und die dereinstige Seligkeit im Jenseits nicht kennt und zurückweist. – Wir wollen nur reden von den Pflichten der natürlichen Sittlichkeit. Gott der Weltschöpfer und ihr weiser Regierer; das ewige Gesetz, welches gebietet, die Ordnung der Natur zu wahren, verbietet, sie zu stören; das letzte Ziel des Menschen, das jenseits liegt über allem Irdischen und Vergänglichen – das sind die Quellen und obersten Grundsätze alles Rechtes und aller Sitte.

Werden diese geleugnet, wie es von Seite der Naturalisten und Freimaurer geschieht, so gibt es alsbald für die Erkenntnis von Recht und Unrecht keinen festen und unangreifbaren Haltpunkt mehr. In der Tat, die sittliche Erziehung, welche die Sekte der Freimaurer allein noch gutheißt und billigt, in der die Jugend herangebildet werden soll, ist die sogenannte rein weltliche, unabhängige und freie, d. h. alles Einflusses der Religion bare. Wie dürftig aber eine solche ist, wie kraftlos, wie schwankend bei jedem Hauch der Leidenschaften, das haben ihre bereits offenbaren und beklagenswerten Früchte hinlänglich dargetan. Denn wo immer jene ungehindert sich geltend machte, und die christliche Erziehung weichen musste, da schwanden alsbald die guten und reinen Sitten, Ungeheuerliches wurde behauptet, Verwegenheit und Missetat nahmen raschen Schrittes zu. Allgemein beklagt und bedauert man dieses, ja selbst nicht wenige von denen, die es am wenigsten gestehen möchten, legen im Angesicht der Tatsachen hierfür Zeugnis ab.

Sie leugnet die Erbsünde und die Pflicht zur Selbstzucht

20 Da außerdem die menschliche Natur, von der Erbsünde befleckt, eben darum vielmehr zum Laster hinneigt als zur Tugend, so fordert ein sittliches Leben vor allem dieses, dass wir die niederen Triebe bezwingen und die Begierden der Vernunft unterwerfen. In diesem Kampfe heißt es nicht selten, das Irdische verschmähen und die größten Anstrengungen und Beschwerden nicht scheuen, damit die Vernunft die ihr gebührende Herrschaft bewahre. Da nun aber die Naturalisten und Mauerer der göttlichen Offenbarung nicht glauben, so leugnen sie auch den Sündenfall der Stammeltern, leugnen, dass „Die Willensfreiheit geschwächt und geneigt sei“.<ref> Konzil von Trient: VI. Sitz.: Von der Rechtfertigung, 1. Kap.</ref> Sie übertreiben vielmehr die Kraft und Vortrefflichkeit der menschlichen Natur, erkennen in ihr allein den Grund und Maß aller Gerechtigkeit und denken gar nicht daran, dass es zur Bezwingung der niederen Triebe und Regelung der Begierden steten, nie ermüdenden Kampf kostet.

Wir sehen daher, wie man überall in der Öffentlichkeit so viele Reizmittel zum Bösen anbietet: Zeitschriften und Erzählungen ohne jedwede Scham noch Scheu, Schauspiele, die sich hervortun durch Zügellosigkeit, eine Kunst, welche einem falschen sogenannten Realismus ihre Motive entnimmt, einen übertriebenen, verweichlichenden Luxus, kurz alles, was dazu dient, die Leidenschaften zu erregen und die Tugend einzuschläfern und zu entnerven. Wohl ist solches ein schmähliches Beginnen; aber folgerichtig handeln diese, da sie keine Hoffnung auf himmlische Güter mehr haben, ihr ganzes Glück in diesen vergänglichen Gütern suchen und im Irdischen gewissermaßen untergehen. Was Wir gesagt haben, wird bestätigt durch eine Tatsache, die an sich nicht überrascht, sondern nur dadurch, dass man es wagt, sie auszusprechen. Da nämlich schlauen und verschlagenen Menschen niemand sklavischer zu gehorchen pflegt, als jene, welche die Leidenschaft entnervt und gebrochen hat, so haben sich in der Freimaurersekte Leute gefunden, die öffentlich den Vorschlag machten, planmäßig und mit Bedacht dahin zu wirken, um eine grenzenlose Zügellosigkeit in allen Lastern unter der Menge zu verbreiten; denn dadurch würde sie ihnen ganz zu eigen und willenlos bereit sein zu jedem Frevel.

Sie treten für die Zivilehe und Ehescheidung ein; der Geistliche soll aus der Schule ausgeschlossen werden

21 Was die häusliche Gesellschaft betrifft, so lässt sich die Lehre der Naturalisten in Folgendem ungefähr kurz zusammenfassen. Die Ehe ist nach ihnen ein Vertrag und kann nach dem Willen jener, die ihn eingegangen, wieder rechtlich gelöst werden; auch in Bezug auf das Band ist sie der bürgerlichen Gewalt unterstellt. Bezüglich der Erziehung gilt als fester und unbestrittener Grundsatz, dass in keinem bestimmten Religionsbekenntnis Unterricht erteilt werden soll; einem jeden soll es unbenommen bleiben, in reiferen Jahren nach Gutdünken zu wählen. Dies ist auch die Meinung der Mauerer; sie stimmen ihr nicht bloß zu, sondern suchen sie auch im Leben geltend zu machen. In vielen, selbst katholischen Gegenden ist gesetzlich verordnet, dass eine Ehe ohne bürgerlichen Erlass als eine rechtswidrige nicht anerkannt wird; an anderen Orten ist die Ehescheidung erlaubt, und wieder an anderen gibt man sich Mühe, die Erlaubtheit zu erwirken. So kommt es allmählich dahin, dass das Wesen der Ehe ein gänzlich anderes wird, das heißt eine wandelbare und flüchtige Verbindung, welche die Leidenschaft bald schließt und bald wieder trennt.

Darin aber sind die Freimaurer alle in höchster Weise einig, dass sie darnach streben, den Jugendunterricht an sich zu reißen. Dem weichen und schmiegsamen Alter gedenken sie leicht die ihnen beliebige Richtung geben zu können; und sie halten dies für den besten Weg, Bürger der Zukunft in ihrem Sinne zu gewinnen. Darum wollen sie in Erziehung und Unterricht der Jugend den Dienern der Kirche zum Zwecke der Lehre und Aufsicht keine Mitwirkung gestatten, und an vielen Orten haben sie es bereits dahin gebracht, dass der gesamte Jugendunterricht von Laien gegeben wird, und die großen und hochheiligen Pflichten, welche den Menschen mit Gott verbinden, auf die sittliche Bildung keinen Einfluss mehr haben.

Jeder habe dasselbe Recht und die Gewalt stamme vom Volke

22 Auf dem Gebiete des Staatslebens gilt es den Naturalisten als Grundsatz, es hätten alle Menschen dasselbe Recht und sie seien nach jeder Beziehung hin vollkommen einander gleich; ein jeder ist nach ihnen von Natur aus frei, keiner hat ein Recht, dem andern zu gebieten; Gehorsam fordern einer Autorität gegenüber, die nicht von ihnen ausgegangen, das, sagen sie, heiße so viel, als einem Gewalt antun. Alles ruht nach ihnen auf dem freien Volke; die Regierung habe ihre Gewalt im Auftrage oder in Übereinstimmung mit dem Volke, so dass, wenn dieses seine Meinung ändert, es die Fürsten auch gegen ihren Willen ihrer Gewalt entsetzen kann. Die Quelle aller Rechte und Pflichten der Bürger sei entweder die Menge oder die Regierung, insofern sie die neuesten Theorien aufgenommen hat. Außerdem fordern sie einen Staat ohne Gott; keine der verschiedenen Religionsformen sei berechtigt, dass man sie der andern vorziehe, es hätten vielmehr alle gleiche Bedeutung.

23 Dass aber die Maurer solche Grundsätze sich aneignen, und von ihnen geleitet die Verfassung der Staaten umgestaltet wollen, ist so offenkundig, dass es keines Beweises bedarf. Denn schon längst setzen sie bekanntermaßen alles daran, und bieten alle Mittel hiefür auf; eben dadurch bahnen sie aber auch jenen zahlreichen tollkühnen Menschen den Weg, noch weiter fortzuschreiten und in Aufhebung alles Stände und Vermögensunterschiedes im Staate Gleichheit und Gemeinschaft aller Güter zu verkünden.

Die Gefahren der Freimaurerei

Sie will die Wohltaten Christi vernichten

24 So geht denn aus dem, was wir in festen Grundzügen dargelegt haben, zur Genüge hervor, was die Freimaurersekte ist und welches ihre Bestrebungen sind. So sehr und so offenkundig stehen ihre wichtigsten Lehrsätze mit der Vernunft in Widerspruch, dass ein größerer kaum gedacht werden kann. Denn die Religion und Kirche zerstören wollen, die Gott gegründet und auf immer schirmt, das Heidentum mit seinen Sitten und Gebräuchen nach achtzehnjahrhundert Jahren wieder zurückführen wollen, das ist doch ein Beweis von ganz außerordentlicher Torheit und gottlosem Frevel. Aber auch das ist ebenso erschrecklich und unerträglich, dass man die Wohltaten von sich weist, die Jesus Christus nicht bloß den Einzelnen, sondern auch der häuslichen Gesellschaft sowohl wie der staatlichen durch seine Gnade erwiesen hat, deren Größe selbst von den Feinden bezeugt und anerkannt wird. In solchen wahnwitzigen und finsteren Bestrebungen scheint sich gewissermaßen zu offenbaren des Satans unaustilgbarer Hass und Rachedurst gegen Jesus Christus.

Sie bereitet dem Menschengeschlechte den Untergang

Und wenn die Mauerer eifrigst darnach trachten, die Fundamente zu zerstören, auf denen alle Gerechtigkeit und Sittlichkeit ruht, und sich auf die Seite jener zu stellen, die jede tierische Luft für erlaubt erklären möchten, so ist dies nichts anderes, als dem Menschengeschlecht den Untergang in Schmach und Schande bereiten.

Sie ist eine Gefahr für die Familie

Noch mehr Gefahren bringen ihre Pläne gegen die häusliche und bürgerliche Gesellschaft. Wie Wir nämlich früher schon auseinandergesetzt haben, hat die Ehe nach dem übereinstimmenden Zeugnisse aller Völker und Zeiten eine heilige und religiöse Weihe, und es verbietet das göttliche Gesetz, den Ehebund zu zerreißen. Wenn aber die Ehe ihren heiligen Charakter verliert, wenn Ehescheidung erlaubt ist, dann tritt eine Störung ein in der Familie und Verwirrung, dann verliert das Weib seine Würde, den Kindern ist weder ihr Vermögen noch die Zukunft überhaupt mehr gesichert.

Sie unterwühlt den Staat

Ein Staat ohne Gott ist ein Frevel

Die Religion aber aus dem öffentlichen Leben gänzlich verbannen, und in der bürgerlichen Gesetzgebung und Regierung ganz von Gott absehen, gleichsam als gebe es keinen Gott, das ist ein selbst den Heiden unerhörter Frevel; denn diese hatten eine so tiefe und feste Überzeugung nicht bloß von den Göttern, sondern auch von der Notwendigkeit einer öffentlichen Religionsausübung, dass sie sich eher eine Stadt ohne Fundamente als ohne Gott vorstellen konnten. In der Tat, die menschliche Gesellschaft, für welche wir von Natur aus bestimmt sind, ist von Gott, dem Urheber der Natur, ausgegangen; er ist Quelle und Grund all´ der zahllosen Güter, die wir immerdar durch sie empfangen. Wie darum dem Drange der Natur gemäß jeder Einzelne Gott eine religiöse Verehrung erweist, von dem er das Leben und alles Gute, was er zugleich mit diesem empfing, erhalten hat, ebenso verhält es sich mit den Völkern und Staaten. Wer darum die bürgerliche Gesellschaft jeder religiösen Pflicht entbindet, der handelt nicht bloß ungerecht, sondern auch töricht und ungereimt.

Der rechtmäßige Träger der Gewalt ist ein Diener Gottes

25 Da nun aber der Mensch nach Gottes Willen von Natur aus für das Zusammenleben in der bürgerlichen Gesellschaft bestimmt ist, die politische Gewalt aber das Band bildet, ohne das diese augenblicklich auseinander fällt, so geht die obrigkeitliche Gewalt notwendig auch von dem aus, der die Gesellschaft selbst gegründet hat. Weithin ist der Träger dieser Gewalt, wer immer er auch sein mag, Gottes Diener. So liegt es im Zweck und Wesen der bürgerlichen Gewalt, dass sie der rechtmäßigen Gewalt, wenn sie Gerechtes befiehlt, Gehorsam leisten gerade so wie Gott, dessen Vorsehung alles leitet, und es ist durchaus irrig, dass dem Volke es freistehe, den Gehorsam nach Belieben zu verweigern.

Die behauptete Gleichheit ist der Ruin des Staates

26 Was die Behauptung einer allgemeinen Gleichheit unter den Menschen angeht, so ist diese Behauptung vollständig wahr, wenn wir unser Geschlecht und unsere gemeinsame Natur, das letzte Ziel, nach dem alle streben sollen, sowie die Rechte und Pflichten betrachten, die hieraus fließen. Da aber die natürlichen Fähigkeiten aller nicht gleich sein können, einer von dem andern sich unterscheidet an Geistes- und Leibeskraft, und die Sitten, Bestrebungen und Naturelle gar verschieden sind, so widerstreitet nichts so sehr der Vernunft, als alle ohne Unterschied in einem abstrakten Begriff zusammenzufassen und nach dieser unbedingten Gleichheitstheorie ein Staatswesen begründen zu wollen. Wie der vollkommene Leib aus der organischen Verbindung der verschiedenen Glieder besteht, welche nach Gestalt und Tätigkeit von einander abweichen, im ganzen aber und ein jedes an seiner Stelle die menschliche Gestalt bilden, schön in ihrer Erscheinung, stark an Kraft, deren Tätigkeit notwendig ist, so bilden im Gemeinwesen die einzelnen Teile eine fast unendliche Verschiedenheit. Würden diese sich alle gleich dünken, und ein jeder seiner Willkür folgen, dann würde sich uns ein Staat darstellen, wie er unförmlicher nicht gedacht werden könnte; wenn aber die verschiedenen Ämter, Berufsklassen und Bestrebungen harmonisch zum allgemeinen Besten zusammenwirken, dann tritt das Bild eines gesunden und der Natur entsprechenden Staatswesens vor uns hin.

Die Ideen der Freimaurerei ist den Ideen der Kommunisten günstig

27 Es lassen Uns übrigens diese soeben erwähnten revolutionären Irrlehren das Schlimmste für den Staat befürchten. Wo die Furcht vor Gott geschwunden und die Ehrfurcht vor seinem heiligen Gesetze, die Autorität der Fürsten verachtet, der Aufruhr erlaubt und gutgeheißen, den Begierden der Menge volle Zügellosigkeit gestattet wird und nur die Furcht vor der Strafe noch zurückhält, da muss ein allgemeiner Umsturz erfolgen. Das ist es aber auch, was sehr viele von den Sozialisten und Kommunisten wollen und offen bekennen. Und es kann die Freimaurersekte nicht leugnen, mit diesen gemeinsame Sache zu machen; denn sie ist deren Plänen nur allzu sehr günstig und unterscheidet sich in ihren wichtigsten Grundsätzen nicht von ihnen. Wenn sie auch nicht alsbald und überall das Äußerste wagt, so ist die Ursache hiervon weder ihre Lehre noch ihr guter Wille, sondern die Kraft der göttlichen unvertilgbaren Religion, sowie der bessere Teil der Bevölkerung, welcher sich nicht in den Dienst der geheimen Gesellschaften gestellt hat, vielmehr starkmütig ihre Bestrebungen bekämpft.

Sie umschmeichelt und betört Fürsten und Völker

28 Möchten doch alle den Baum an seinen Früchten erkennen, und darauf Acht haben, wo der Ursprung und Ausgang der Übel ist, unter denen wir leiden, der Gefahren, die uns bedrohen! Wir haben es mit einem listigen und verschlagenen Feinde zu tun, der Fürsten und Völkern schmeichelt, und beide durch süße und einnehmende Reden fängt. Unter dem Scheine von Freundschaft schmeicheln sich die Freimaurer ein bei den Fürsten, um in ihnen mächtige Genossen und Gehilfen in ihrem Kampfe gegen die katholische Kirche zu gewinnen; um sie noch mehr aufzustacheln, klagen sie verleumderisch immerfort dieselbe an, als wolle sie die Kronrechte der Fürsten antasten. Durch derlei Künste sicher und keck geworden, haben sie auf die Staatsregierung einen großen Einfluss gewonnen, wobei sie es jedoch sich nicht nehmen lassen, die Fundamente der Staaten zu erschüttern und die Fürsten zu befehden, sie anzuklagen, aus dem Lande zu jagen, so oft diese in ihrer Regierung nicht nach ihren Weisungen sich richten. – In ähnlicher Weise haben sie mit dem Volke ihr Spiel getrieben. Ihr Mund ist voll von Freiheit und Volksbeglückung; der Kirche und der Fürsten Schuld sei es gewesen, sagen sie, dass das Volk noch nicht die ihm gebührende Freiheit und allgemeinen Wohlstand erlangt habe. So täuschen sie es, machen in ihm rege das Verlangen nach Neuerungen und regen es auf zum Kampfe gegen die geistliche und weltliche Obrigkeit. Doch alle diese gehofften Vorteile werden nur versprochen, nicht in Wirklichkeit ihm zu Teil; es leidet vielmehr das Volk unter einem viel härteren Drucke, und hat dabei zum großen teile nicht jenen Trost, welcher in der christlichen Gesellschaftsordnung ihm so leicht und so reichlich zu Gebote steht. Das ist eben die Strafe des Stolzes, der sich gegen die von Gottes Vorsehung gewollte Ordnung auflehnt, dass er nur Elend und Ruin findet gerade dort, wo er unbedachtsam alles nur erwünschte Glück erhofft hatte.

Heilmittel gegen die Freimaurerei

Im allgemeinen: Eintracht zwischen Staat und Kirche

29 Wenn aber die Kirche gebietet, man müsse vor allem und in ganz besonderer Weise Gott gehorchen, der da über alles herrscht, so würde man sehr mit Unrecht darum ihr den Vorwurf machen, als missgönne sie den Fürsten ihre Gewalt, oder als wolle sie diese in irgend welcher Weise sich anmaßen. Gerade im Gegenteil gebieten sie, dass nämlich die Untertanen den schuldigen Gehorsam der bürgerlichen Gewalt gegenüber aus vollem und wohlbewusstem Pflichtgefühle leisten. Dadurch aber, dass sie den Ursprung der Gewalt in Gott erkennt, empfängt diese eine höhere Würde, und trägt dies nicht wenig dazu bei, ihr Ehrfurcht und Liebe bei den Bürgern zu gewinnen. Sie ist es, die den Frieden liebt, die Eintracht nährt und alle in mütterlicher Liebe umfasst; nur auf das Wohl aller bedacht, lehrt sie die Gerechtigkeit mit Milde, die Gewalt mit Billigkeit, die Gesetze mit Mäßigung zu verbinden, niemanden in seinem Recht zu verletzen, die staatliche Ordnung und den öffentlichen Frieden zu fördern, der Armut und Not so viele als möglich durch öffentliche und Privatwohltätigkeit zu steuern. „Aber darum“, um mit den Worten des heiligen Augustinus zu sprechen, „glauben solche oder wollen glauben machen, die christliche Lehre bringe dem Gemeinwesen keinen Nutzen, weil sie dieses nicht auf den festen Grund der Tugenden, sondern auf die Straflosigkeit der Laster zu bauen suchen“.<ref>Augustinus von Hippo: Ep. CXXXVII, al. III, ad Volusianum c. V, 20.</ref> Nach alldem würde die wahre Staatsklugheit sowie die allgemeine Wohlfahrt viel eher fordern, dass Fürsten und Völker mit der Kirche zusammengingen, um die Angriffe der Mauerer zu bekämpfen, statt mit diesen zum Sturze der Kirche gemeinsame Sache zu machen.

30 Wie es nun auch kommen mag, Unsere Pflicht ist es, Ehrwürdige Brüder, gegen dieses so schwere und bereits weitverbreitete Übel auf Heilmittel zu sinnen. – In der christlichen Tugend besitzen wir die beste und stärkste Hoffnung auf Rettung; darum hassen sie die Maurer ebenso sehr, wie sie dieselbe fürchten. Und darum erachten Wir es als Unsere erste Aufgabe, diese zur Hilfe zu rufen im Kampfe gegen den gemeinsamen Feind. Was immer darum die Römischen Päpste, Unsere Vorfahren, verordnet haben gegen die Pläne und Anschläge der Freimaurersekte, was sie immer an Bestimmungen getroffen, um vor dem Eintritte in dieselbe abzuschrecken oder zum Austritte aus derselben zu bewegen, alles das bestätigen und bekräftigen Wir durch Unsere Apostolische Autorität. Wir vertrauen hierbei auf den guten Willen der Christgläubigen, bitten und beschwören einen jeden aus ihnen beim Heile seiner Seele, dass er gewissenhaft bewahre und auch nicht im geringsten abweiche von dem , was der Apostolische Stuhl in dieser Beziehung festgesetzt hat.

Heilmittel im besonderen

Belehrung über das Wesen der Freimaurerei

31 Euch aber, Ehrwürdige Brüder, bitten Wir dringend, Euere eifrigen Bestrebungen mit den Unserigen zu vereinigen, um diese unreine Seuche auszurotten, welche alle Adern der Gesellschaft durchdringt. Gottes Ehre gilt es und der Nächsten Seelenheil; wer dies bedenkt, dem wird es nicht an Mut, nicht an Unerschrockenheit im Kampfe fehlen. Euere Klugheit wird Euch die Mittel und Wege an die Hand geben, durch welche Ihr, was Euch entgegensteht und widerstrebt, zu bekämpfen habt. – Und da es der Würde Unseres Amtes entspricht, dass Wir Unsererseits Euch empfehlen, wie in dieser Angelegenheit vorgegangen werden soll, so gehet aus von der Überzeugung, dass vor allem den Maurern die Larve heruntergenommen und sie in ihrer wahren Gestalt gezeigt werden müssen. Die Völker müssen belehrt werden durch mündlichen Unterricht und in Hirtenbriefen über die Kunstgriffe derartiger Gesellschaften, um die Leute zu täuschen und an sich zu locken; es muss das Verderbliche ihrer Lehren, das Schändliche in ihrem Treiben aufgedeckt werden. Niemand darf, wie es Unsere Vorfahren oftmals bestimmt haben, aus welchem Grund immer es sei, in die Sekte der Maurer eintreten, wenn ihm sein katholisches Bekenntnis und sein Seelenheil so, wie es die Pflicht fordert, am Herzen liegt. Möge niemand von einer zur Schau getragenen Sittlichkeit sich täuschen lassen, wenn es ihm auch dünken möchte, als ob diese Sekte nichts verlange, was der Religion und der christlichen Sitte widerstreitet. Die Sekte ist eben ihrem ganzen Wesen und ihrer innersten Natur nach Sünde und Schande; darum ist es nicht erlaubt, ihr beizutreten und in irgend einer Weise behilflich zu sein.

Belehrung über die Grundwahrheiten des Christentums

32 Sodann muss durch fortgesetzten Unterricht und Mahnung das christliche Volk mehr und mehr dahin gebracht werden, dass es die Geheimnisse der Religion fleißig lernt, Zu diesem Zweck können Wir nur raten, in Schriften und Zweckentsprechenden Predigten die wesentlichen Lehren unserer heiligen Religion dazulegen, welche die Weisheit des Christentums enthalten. Das hat den Vorteil, dass bei der gegenwärtigen Zügellosigkeit im Schreiben und der unersättlichen Lernbegierde der Geister diese durch den Unterricht geheilt und gegen die mannigfach gestalteten Irrtümer und die verschiedenen Anreizungen zum Laster geschirmt werden.

33 In der Tat, ein großes werk. Doch wird Euer Klerus, wenn er durch Euere Bemühungen eine tüchtige asketische und wissenschaftliche Bildung empfangen hat, hilfreich und mit vereinten Kräften Euch hierbei zur Seite stehen. Doch eine so große und edle Sache fordert auch die emsige Mitwirkung von Laien, in denen mit der Liebe zur Religion und zum Vaterlande sittlicher Charakter und Wissenschaft sich verbinden. Indem so aus beiden Ständen die besten Kräfte zusammenwirken, Ehrwürdige Brüder, möget Ihr dahin streben, dass die Kirche in ihrem wahren Wesen von den Menschen immer besser erkannt und hochgehalten wird; denn je mehr sie dieselbe erkennen und lieben, desto mehr werden sie die geheimen Gesellschaften verabscheuen und fliehen.

34 Aus diesem Grunde ergreifen Wir hier die Gelegenheit, um wiederholt darauf hinzuweisen, wie notwendig es ist, den dritten Orden des heiligen Franziskus, dessen Regel Wir erst jüngst mit umsichtiger Lindigkeit gemildert haben, eifrigst zu verbreiten und zu beschützen. Seht ja doch dem Willen seines Stifters dessen Bedeutung ganz darin auf, dass er das Geschlecht aufrufen will zur Nachfolge Jesu Christi, zur Liebe seiner heiligen Kirche, zur treuen Erfüllung aller Christenpflichten; darum ist er eine starke Macht gegenüber der Pest verwerflicher Gesellschaften. Möge diese heilige Genossenschaft von Tag zu Tag neue Mitglieder gewinnen; viele Früchte wird sie bringen, und als das Beste dieses, dass die Gemüter zur wahren Freiheit, Brüderlichkeit, Gleichheit sich erheben; freilich nicht zu jener, wie sie die Maurer töricht träumen, sondern wie sie Jesus Christus uns gebracht und der heilige Franziskus in seinem Leben dargestellt hat. Der Freiheit nämlich der Kinder Gottes, dass wir weder dem Satan dienen, noch in die harte Knechtschaft der Begierden fallen, der Brüderlichkeit, die von Gott, dem gemeinsamen Vater und Schöpfer ausgeht, der Gleichheit, die auf dem festen Grunde der Gerechtigkeit und Liebe ruhend die Unterschiede in der Gesellschaft nicht aufhebt, aber bei aller Verschiedenheit der Lebensweise, Stände und Berufsarten jene herrliche Übereinstimmung und Harmonie bildet, welche ihre Natur nach dem Gemeinwesen Wohl und Würde bringt.

Sammlung der katholischen Arbeiter und Handwerker

35 An dritter Stelle weisen Wir auf eine zweckmäßige Einrichtung der Vorzeit hin, die im Laufe der Jahre zwar verfiel, aber als Muster für ähnliche Unternehmungen in der Gegenwart dienen kann. – Wir meinen die Zünfte und Innungen der Handwerker, gegründet unter religiöser Leitung zum Schutze der Habe wie der Sitten. Ihren Nutzen hatten unsere Vorfahren aus langer Erfahrung wohl erprobt; unsere Zeit wird ihn noch mehr erkennen, weil sie ganz besonders dazu angetan sind, den Versuchungen der geheimen Sekten zu begegnen. Denn die Handarbeiter, die nur kümmerlich mit ihrem Lohne ihr Leben fristen, verdienen eben darum schon unsere Liebe und tröstliche Teilnahme; deswegen sind sie aber auch am meisten der Arglist und Verführung der überall verbreiteten geheimen Gesellschaften preisgegeben. Mit der größeren Liebe müssen wir ihnen daher entgegenkommen und sie in ehrbaren Vereinen sammeln, damit sie nicht in verderbliche geraten. Darum ist es Unser dringender Wunsch, es möchten unter der Obhut und Leitung der Bischöfe dieser Innungen in zeitgemäßer Weise zum Besten des Volkes wieder hergestellt werden. Und es gereicht Uns zu nicht geringer Befriedigung, dass an mehreren Orten schon solche Verbrüderungen sich gebildet haben und Vereine von Schutzmitgliedern entstanden sind, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den ehrbaren ärmeren Volksklassen beizuspringen, ihre Familien und Kinder zu schirmen und zu schützen und den religiösen Unterricht, Frömmigkeit und Sittlichkeit unter ihnen zu fördern. – In dieser Beziehung können Wir jenen so musterhaft dastehenden, um das ärmere Volk hochverdienten Verein vom heiligen Vinzentius von Paul nicht mit Stillschweigen übergehen. Was er wirkt, was er will, ist männiglich bekannt; seine ganze Aufgabe besteht darin, die Dürftigen und Bedrängten aus eigenem Antrieb aufzusuchen, und zwar mit wunderbarer Freudigkeit und Anspruchslosigkeit. Je weniger er in die Öffentlichkeit treten will, desto wirksamer ist er in der Übung christlicher Liebe und desto zweckmäßiger zur Linderung der Not.

Sorge für die heranwachsende Jugend

36 Zum vierten empfehlen Wir, um desto eher zu dem erwünschten Ziele zu gelangen, in ganz besonderer Weise die heranwachsende Jugend Euerer treuen Obhut; denn sie ist die Hoffnung unseres Geschlechtes. – Vor allem richtet Euer Augenmerk auf deren Unterricht, und seid überzeugt, dass Ihr nie Sorge genug tragen könnt, damit sie vor Schulen und Lehrern bewahrt bleibt, die von dem Pesthauch der Sekten angesteckt sind. Die Eltern, Lehrer, Seelsorger sollen bei dem Religionsunterricht nach Eurer Anweisung eifrigst bei gegebener Gelegenheit ihre Kinder und Schüler über das wahre Wesen dieser Sekten aufklären, damit sie jetzt schon lernen, sich vor den mannigfachen Listen und Schlichen zu hüten, wodurch jene, welche auf ihre Ausbreitung bedacht sind, die Arglosen in ihre Netze zu ziehen pflegen. Ja, jene, welche die Kinder zum Empfange der heiligen Sakramente vorbereiten, werden gut tun, wenn sie ein jedes von ihnen dazu bewegen, dass es den festen Vorsatz fasst, ohne Vorwissen seiner Eltern oder ohne den Rat seines Seelsorgers oder Beichtvaters niemals in eine Gesellschaft einzutreten.

Einmütigkeit im Gebet

37 Doch Wir wissen nur zu gut, auch unsere gemeinsamen Bemühungen sind unzureichend, um den Giftsamen auf dem Acker des Herrn zu vertilgen, wenn nicht der himmlische Herr des Weinberges unserem Unternehmen mit seiner Gnade beisteht. – Darum müssen wir um so eifriger und inständiger um seine Hilfe und Beistand flehen, je drohender die Gefahr und je größer die Not ist. Durch ihren Erfolg übermütig geworden, erhebt die Sekte der Freimaurer keck ihr Haupt und scheint in ihren frechen Forderungen kein Maß mehr zu kennen. Alle durch den gottlosen Bund und gemeinsame Geheimpläne verschworenen Brüder der Sekte leisten sich gegenseitig Beistand und reizen einander auf zu verwegenen Freveltaten. Ein so heftiger Angriff fordert eine gleich starke Verteidigung; alle rechtschaffenen Männer müssen in eine große Gebets- und Arbeitsgemeinschaft zusammentreten. Einmütigen Herzens, das fordern Wir von ihnen, sollen sie sich zusammenscharen und Feinde gegenüber unerschüttert feststehen, viel zu Gott rufen und flehend die Hände zu ihm zu erheben, um von ihm zu erlangen, dass die christliche Religion blühe und gedeihe, die Kirche ihre notwendige Freiheit erhalte, die Abtrünnigen wieder zur rechten Lehre zurückkehren, der Irrtum der Wahrheit, das Laster der Tugend das Feld räume. – Nehmen wir unsere Zuflucht zu der Jungfrau und Gottesmutter Maria, dass sie uns helfe und für uns fürspreche; sie, die durch ihre unbefleckte Empfängnis den Satan selbst überwunden, möge besiegen die verwerflichen Sekten, in denen, wie wir sehen, jene bösen Geister, die gegen Gott sich empört haben, in ihrer ganzen Treulosigkeit und Heuchelei wieder aufleben. – Bitten wir inständig den heiligen Michael, den Fürsten der himmlischen Scharen, der den höllischen Feind gestürzt hat, den heiligen Joseph, den Bräutigam der Allerseligsten Jungfrau und mächtiger Beschützer der Kirche im Himmel, die großen Apostel Petrus und Paulus, die Begründer und unbesiegbaren Beschirmer des christlichen Glaubens. Im Vertrauen auf solchen Schutz und in gemeinschaftlichem und beharrlichem Gebete trösten wir uns, dass Gott unserem so sehr bedrohten Geschlechte zur rechten Zeit in seiner Barmherzigkeit Hilfe bringen wird.

38 Als Unterpfand himmlischer Gnaden und zum Zeugnis Unseres Wohlwollens erteilen Wir Euch, Ehrwürdige Brüder, dem Klerus und dem gesamten Euerer Obsorge anvertrauten Volke von ganzem Herzen den Apostolischen Segen im Herrn.

Gegeben zu Rom beim Heiligen Petrus, den 20. April des Jahres 1884,
des siebenten Jahres Unseres Pontifikates.
Papst Leo XIII.

Anmerkungen

<references />

Weblins